15
Uber Komplexverbindungen des lV-wertigen Nickels Von W. HIEBER und R. BRUCKI) (&lit 2 Abbildungen) Professor Franx Hein zum 60. Geburtstag gewidmet Inhaltsubersicht Ausgehend von Nickel(1I)-Verbindungen organischer Thiosauren innerkomplexer Struktur werden durch Anlagerung von OH-- oder S2--1onen 6-fach koordinierte anionische Komplexe erhalten, in denen das Nickel relativ leicht 2 weitere Valenzelektronen ab- spaltet, um in eine kryptonihnliche Konfiguration iiberzugehen : Der Wertigkeitswechsel wird durch stark polarisierbare Liganden energetisch begiinstigt und die entstehenden Nickel(1V)-Komplexe durch ringformige und mehrkernige Struk- turen stabilisiert. Bei den Nickelsalzen des o-Aminothiophenols und der Dithiobenzoe- saure sind diese Voraussetzungen besonders gut erfullt und sie bilden dementsprechend charakteristische Nickel(1V)-Komplexe mit 0- oder S-Brucken zwischen den beiden zentralen Metallatomen, z. B. Die Tendenz zur Bildung von Verbindungen mit vierwertigem Metal1 ist in der homologen Reihe Pt-Pd-Ni (im abnehmenden Sinne) stark abgestuft. Verbindungen, in denen das Nickel in einer hoheren Oxydations- stufe als der zweiwertigen vorliegt, sind in letzter Zeit mehrlach aufge- funden wordenz). Im Hinblick auf die vorliegende Arbeit seien zuniichst die Untersuchungen von DONGES~) hervorgehoben, wonach Nickel- wie Kobalt (11) -sulfid mit Lu ftsauerstoff leicht ,, basisches Me tall( I11 ) - sulfid", Ni'"S(OI1): geben. Besondere Beachtung verdient ferner der von KLEMM 4, aufgefundene, einfach gebaute Fluorokomplex l) Dissertation R. BRUCR, Techn. Hochschule Miinchen 1950. 2, Vgl. die Zusammenstellung bei W. KLEMM, Z. angew. Ch. 63, 399 (1951); ferner 3, E. D~NGES, Z. anorg. Chem. 253, 337, 345 (1947). 4, W. KLEMM u. E. Huss, Z. anorg. Chem. 268, 221 (1949), uber das magnet. Ver- J. J. LANDER u.,L. A. WOOTEN, 3. Amer. chem. SOC. 73, 2452 (1951). halten vgl. R. HOPPE, Z. angew. Ch. 62, 339 (1950).

Über Komplexverbindungen des IV-wertigen Nickels

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Über Komplexverbindungen des IV-wertigen Nickels

Uber Komplexverbindungen des lV-wertigen Nickels

Von W. HIEBER und R. BRUCKI)

(&lit 2 Abbildungen)

Professor Franx Hein zum 60. Geburtstag gewidmet

Inhaltsubersicht Ausgehend von Nickel(1I)-Verbindungen organischer Thiosauren innerkomplexer

Struktur werden durch Anlagerung von OH-- oder S2--1onen 6-fach koordinierte anionische Komplexe erhalten, in denen das Nickel relativ leicht 2 weitere Valenzelektronen ab- spaltet, um in eine kryptonihnliche Konfiguration iiberzugehen :

Der Wertigkeitswechsel wird durch stark polarisierbare Liganden energetisch begiinstigt und die entstehenden Nickel(1V)-Komplexe durch ringformige und mehrkernige Struk- turen stabilisiert. Bei den Nickelsalzen des o-Aminothiophenols und der Dithiobenzoe- saure sind diese Voraussetzungen besonders gut erfullt und sie bilden dementsprechend charakteristische Nickel(1V)-Komplexe mit 0- oder S-Brucken zwischen den beiden zentralen Metallatomen, z. B.

Die Tendenz zur Bildung von Verbindungen mit vierwertigem Metal1 ist in der homologen Reihe Pt-Pd-Ni (im abnehmenden Sinne) stark abgestuft.

Verbindungen, in denen das Nickel in einer hoheren Oxydations- stufe als der zweiwertigen vorliegt, sind in letzter Zeit mehrlach aufge- funden wordenz). Im Hinblick auf die vorliegende Arbeit seien zuniichst die Untersuchungen von DONGES~) hervorgehoben, wonach Nickel- wie Kobalt (11) -sulfid mit Lu ftsauerstoff leicht ,, basisches Me tall( I11 ) - sulfid", Ni'"S(OI1): geben. Besondere Beachtung verdient ferner der von KLEMM 4, aufgefundene, einfach gebaute Fluorokomplex

l) Dissertation R. BRUCR, Techn. Hochschule Miinchen 1950. 2, Vgl. die Zusammenstellung bei W. KLEMM, Z. angew. Ch. 63, 399 (1951); ferner

3, E. D ~ N G E S , Z. anorg. Chem. 253, 337, 345 (1947). 4, W. KLEMM u. E. Huss, Z. anorg. Chem. 268, 221 (1949), uber das magnet. Ver-

J. J. LANDER u.,L. A. WOOTEN, 3. Amer. chem. SOC. 73, 2452 (1951).

halten vgl. R. HOPPE, Z. angew. Ch. 62, 339 (1950).

Page 2: Über Komplexverbindungen des IV-wertigen Nickels

14

[ NilvF,]K, - der erste mit Sicherheit hekannte Durchdringungs- komplex, der nur F--Lignnden enthalt - sowie die von NYHOLM 5 ) be- schriebenen D u r c hd r i n g n n g s ko m p le x e von drei- und vier wertigem Nickel mit einem CJ klisch gebundenen Diarsin. Schlieljlich muf3 im Zusammenhang rnit den zu erorternden Reaktionsweisen komplexer Nickelverbindungen auf die schon langer bekannte, von FETGL 6, auf- gefundene Dimethylglyoxim-Verbindung mit 4-wertigem Metall, die durch Oxydation des Nickeldimethyl~lyoxinls mit Bleidioxyd entsteht, hingewiesen werden.

Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 269. 1952

1. Nickel(I1)-salz unit o-Aminothiophenol

Nickel( 1V)-Komplexe spielea, wie in der folgenden Ablia~cl l~~ng gezeigt wird, bci der K o h l e n o x y d r e a k t i o n von N i c k e l v e r b i n - d u n g e n o rgan i sche r T h i o s a u r e n , die im waljrig-alkalischen System zur Entstehung von Nickelcarbonyl fuhrt, eine beachtliche Rolle. Es wurde daher untersucht, inwieweit sich solche Nickelkomplexe in Ver- bindungen mit hoherwertigem Metall uberfuhren lassen. So wurde zu- nachst das o - A m i n o t h i o p h e n o l , das auljer der Mercaptangruppe eine Aminogruppe in einer zur Ausbildung eines innerkomplexen Ring- systems geeigneten Stellung enthalt, auf sein Verhalten gegenuber Nickelsalz gepruft. Bisher waren vom o-Aminothiophenol nur ein Zink- und Bleisalz 7) bekannt. Voni Nickel leitet sich eine Verbindung Ni(SC6H,NH,), ab, die bereits ails saurer Losung ausfnllt und im trok- kenen Zustand eine amorphe, rein gelbe, hydrophobe und in allen ge- brauchlichen Mitteln unlosliche Substanz darstellt. Die Unliislichkeit solcher Nickelthioverbindungen laljt sich auch hier nach JENSEN s, auf po lymere S t r u k t u r zuruckfuhren, d. h. das Nickelatom ist von vier Schwefelatomen koordiniert. Es erkbrt sich damit zugleich der Diamagnetismus aller dieser Nickel thioverbindungen, der ja nach PATJLING vierbindiges Nickel voraussetzt. Ob in der Nickelverbindung des o-Aminothiophenols die Aminogruppen komplex gebunden sind, laBt sich magnetisch nicht entscheiden, Nach dem spater beschriebenen reaktiven Verhalten der Verbindung, wobei die komplexe Anlagerung der Aminogruppe eine ausschlaggebende Rolle spielt, ist dies jedoch

5, R. S. NYHOLM, J. chem. SOC. London 1950, 2061; 1951, 2602. g, F. FEIGL, Ber. dtsch. chem. Ges. 57, 758 (1924). ') M. T. BORGERT u. F. D. SNELL, J. Amer. ehem. SOC. 46,1308 (1924); H. BAUER u.

s, K. A. JENSEN, Z. anorg. allg. Chem. 252, 227 (1944). K. BURSCHKIES, Ber. dtsch. chem. Ges. 66, 1041 (1933).

Page 3: Über Komplexverbindungen des IV-wertigen Nickels

W. HIEBER u. R. BRUCK, Komplexverbindungen des IV-wertigen Nickels 15

anzunehmen :

Nickel(I1)-o-Aminothiophenolat ; gelb, amorph

Es scheint naheliegend, aueh die rein gelbe F a r be der Verbindung zum Unterschied von den gewohnlich braunen oder rotvioletten Sub- stanzens) als ein Kriterium fur die zusatzliche komplexe Bindung der Aminogruppe anxusehen ; jedoch ist zu bedenken, daf3 unter Umstiinden die organische Komponente als solche die Farbe beeinfluljt und daher nur mit auljerster Vorsicht aus der Farbe soloher Verbindungen Kon- stitutionsschlusse zu ziehen sind.

Es war bald aufgefal!en, dalj das gelbe Nickel-o- Aminothiophenolat an der Luft einen griinlichen Stich annimmt. Vorversuche ergaben, dalj dtts frischgefallte Nickelsalz in s t a r k a l k a l i s c h e r Losung von Sauerstoff oder Rasserstoffperoxyd zu einer tiefblauen Verbindung oxydiert wird, die sich mit Ather oder Benzol ausziehen lafit. In neu- traler oder nclr schwach alkalischer, z. B. ammoniakalischer Suspension bleibt diese Rcaktion aus oder tritt hochstens sehr langsam ein. Auch andere Mittel, wie Chlor- oder Bromwasser, Kaliumpermanganat und Kaliumcyanoferrat(II1) oxydieren (bei pn > 8) - nach primarer Peroxyd- bildung - zur dunkelblauen Verbindung.

Im Anschlulj hieran wurden quantitativ die pro Mol Nickelver- bindung notwendigen Oxydationsaquivalente festgestellt. Es zeigte sich, daf3 im alkalischen System genau Mol, entsprecheild 2 Aquivnlenten Sauerstoff pro Atom Nickel unter intensiver Blaufarbung absorbiert werden. Es gelingt leicht, die blaue Substanz zu iso!ieren. Sie unter- scheidet sich grundsatzlich von der Nickel(I1)-verbindung: sie ist tief- dunkelblau und kristallin, in Benzol und organischen Mitteln weuig loslich, Sauren zersetzen innermolekular in Nickel( 11)-salz und das Di- sulfid des o-Aminothiophenols H,N m C,H, - S e S m C,H, e NH,, wobei sich das Verhaltnis 1 Nickel:?, Thiokomponente ergab, wie in der ur- spriinglichen Verbindung.

Page 4: Über Komplexverbindungen des IV-wertigen Nickels

16 Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 269. 1952

Um den1 Einwand zu begegnen, da13 es sich bei der Reaktion der Nickel(I1)-verbindung mit Sauerstoff lediglich urn eine Oxydation der Thiokomponente zur Disulfidverbindung gemal3 2 (NH, -C,H,. S)- = NH, C,H4 - S - S - C,H, - NH, + 2 e- handle, wurde das Verhalten dieses farblosen Disulfids gegeniiber Nickelsalzlosung bei verschiedenen Konzentrations- und Mengenverhaltnissen in alkalischer wie alkoholi- scher Losung untersucht. Hierbei entsteht in keinem Fall die blaue Ver- hindung, wie iiberhaupt organische Disulfide nur auQerst selten Kom- plexverbindungen liefern. Hieraus, wie besonders aus der tiefb!auen F a r b e der Substanz ist zu schlieaen, daQ es sich urn eine Verbindung hdherwertigen Nickels handelt. Die Analyse sowie die liei der Realition rnit Sauerstoff gemessenen Oxydationsaquivalen te fuhren zu der Formel O:NiIV(8 . C,H,NH,),; indessen mu13 der Verbindung aus sterischen Griinden eine d i m e r e K o n s t i t u t i o n mit koordinativ 6-wertigem Metallatom zugeschrieben werden. Dem entspricht auch

/\

\/ p-Dioxo-Nickel(1V)-Verbindung; tiefblau, kristallin

die nur geringe Lijslichkeit in indifferenten Mitteln, die eine einwand- freie Molekulargewichtsbestimmung nach der kryoskopischen Methode nicht gestattet. Die zweikernige Struktur als y-Dioxo-Komplex erklart zugleich, ahnlich wie bei der Nickel(1V)-verbindung des Nickeldimethyl- glyoxims, die nach FEIG L gleichfalls zweikernig ist, die verhaltnismaflig pro13e Stabilitat.

2. Nickel(I1)-salz und 8-Mereaptochinolin I n der Absicht, weitere Komplexe mit IV-wertigem Nickel darzustellen, wurde die

Nickelverbindung des 8-Mercaptochinolius, in der, ahnlich wie beim o-Aminothiophenol, Schwefel- und Stickstoffatome komplex gebunden werden konnen, auf ihre Oxydations- fahigkeit untersucht. Das bereits von JENSEN 9, dargestellte Nickelsalz verhalt sich in- dessen vollkommen indifferent gegenuber Sauerstoff, auch in stark alkalisch-waBriger oder alkoholischer Suspension. Andere scharfe Oxydationsmittel wie Wasserstoff- peroxyd, Bromwasser oder Bleidioxyd, welch letzteres Nickeldimethylglyoxim zur Nickel-

g, K. A. JENSEN, 2. anorg. allg. Chem. 229, 272 (1936).

Page 5: Über Komplexverbindungen des IV-wertigen Nickels

W. HIEBER u. R. BRUCK, Komplexverbindungen des IV-wertigen Nickels 1 7

(1V)-verbindung oxydiert, fuhren lediglich zur Oxydation der organischen Komponente. Dies beruht jedenfalls auf einer S ta bi l is ie r u ng d e r Ni c k e l ( I 1 ) - ver bin du n g d u r c h d e n P y r i d i n s t i c k s t o f f , wie auch bei den schon lange bekannten Eisen(I1)- und Ko- balt(I1)-komplexen rnit Pyridin, 0-Phenanthrolin oder a, a’-DipyridyllO) die zweiwertige Stufe gerade durch die Pyridin-N-Bindung stabilisiert wird.

3. Nickel(I1)-salz und Mono- bzw. Dithiobenzoesaure Weitere Versuche zeigen aber, dafl das Bestreben von Nickelsalzen,

in Verbindungen hoherwertigen Metalls uberzugehen, durch die Nickel- Schwefelbindung begunstigt, wird. Von der Mono t h i o b e n z o e s a u r e leitet sich das Nickelsalz Ni(.SOC C,H,), ab, das durch Umsetzung einer alkoholischen Losung von Nickelchlorid rnit Natriummonothioben- zoat in dunkel-rotbraunen Kristallnadeln ausfallt. Es ist in organischen Mitteln wie Alkohol, Ather, Benzol, CS,, CCI, u. a. gut loslich, dagegen unloslich in Wasser ; Ammoniak lost unter Bildung von [Ni(NH,),]++. Charakteristischerweise beobachtet man auch in Wasser sofort eine Steigerung der Loslichkeit unter gleichzeitiger Farbaufhellung (von rotbraun nach orange) bei Zugabe von Natriummonothiobenzoat im uberschufl, was nur auf Bildung des Anions [Ni(.SOC * C,H,),] 2- be- ruhen kann. Solche Losungen sind wiederum der O x y d a t i o n m i t L u f t s a u e r s t o f f zuganglich. Diese fuhrt unter gleichzeitiger F a r b - ve r t i e f ung zu einer dunkelvioletten Substanz, die aus Benzol in charak- teristischen buschelformigen Aggregaten kristallisiert. In dieser Ver- bindung wurde eine solche rnit vierwertigem Nickel vermutet. Der Re- aktionsmechanismus ergab sich jedoch erst aus der Beobachtung, dafl primar aus einer alkoholischen Losung von Nickelsalz und Natrium- monothiobenzoat im uberschufl unter Ausschlufl von Luftsauerstoff eine blaue kristalline Nickelverbindung entsteht, die als das Nickelsalz d e r D i t h i o b e n z o e s a u r e Ni(-SSC - C,H,), identifiziert wurde. Ihre Bildung lafit sich folgendermaflen formulieren :

[Ni(. SOC . C,H,)J- = Ni (SSC . C,H,), 3. 2 C,H,COO-.

Es zeigt sich hiernach eindrucksvoll die ausgepragte Tendenz des Nickels, sich rnit Schwefel zu binden. Hernach konnte leicht festgestellt werden, daQ man Nickeldithiobenzoat auch direkt durch Umsetzung von alkoholischem Nickelchlorid rnit atherischer Dithiobenzoesaure erhalt.

Die schon erwahnte dunkelviolette Nickelverbindung, die durch Oxydation mit Sauerstoff aus dem roten Nickel( 11)-monothiobenzoat iiber das blaue Nickel(I1)-dithiobenzoat entsteht, besitzt nach der Analyse

10) W. HIEBER u. Mitarb., Z . Elektrochem. 40, 263 (1934).

2. anorg. allg. Chemie. Bd. 260. 2

Page 6: Über Komplexverbindungen des IV-wertigen Nickels

18 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 269. 1952

5 Atome Schwefel pro Atom Nickel, entsprechend S:NiIV(.SSC * C,H,!,. Der fur diese Verbindung notwendige Schwefel wurde durch Oxydatiori von SchwefelwasserstofI geliefert, welcher sich infolge Hydrolyse von Thiobenzoat gemafi C,H, * COS- + H,O -+ C,H,COO- + H,S bildet.

Im Sinne dieser Darlegungen wurde nun versueht, diese neue Nickel(1V)-verbindung u n m i t t e l b a r a u s Nickel(I1)-di thioben - z o a t und Schwefel darzustellen. In Schwefelkohlenstoff geloster elementarer Schwefel reagierte jedoch nicht mit Nickel(I1)-dithiobenzoat, jedenfalls infolge der chemischen Indifferenz der S,-Molekel. Versetzt man aber eine alkoholische Losung von N a t r i u m p o l y s u l f i d mit Nicliel(I1)-dithiobenzoat in Benzol, so erhalt man beim Eindunsten der Losung die charakteristische tiefviolette Verbindung. Ihre Loslich- keit in Benzol ist gerade noch ausreichend, um durch G e f r i e r p u n k t s - e r n i e d r i g u n g festzustellen, dafi ihr d i m e r e S t r u k t u r mit koor- dinativ 6-wertigem Nickel zukommt, (1. h., es liegt ein p-Disulfo-Koniplex vor :

Die Bildungstendenz dieser Nickel( 1V)-verbindung ist, wie schon ihre beschriebenen Entstehungsweisen zeigen, aufierordentlich ausge- pragt. Man erhalt sie auch aus der olivgrunen alkoholischen Losung von Nicl ie l ( I1)-di thiobenzoat u n d N a t r i u m s u l f i d , die den Kom- plex [S,NiII(. SSC C,H,),l4- enthalt. Mit Luftsauerstoff entsteht zu- erst eine dunkelbraune Losung, jedenfalls infolge Bildung des Nic kel(1V)- An ions [ S,NiIVI SSC . C,H,),J ,-, das beim Ansauern wiederum die tief- violette Verbindung vom Nichtelektrolyt-Charakter liefert.

Zum Unterschied von den Nickel(1V)-verbindungen mit o-Amino- thiophenol und Dimethylglyoxim ist bei der Nickel(1V)-verbindung der Dithiobenzoesaure das M e t a l l a t o m n u r a n Schwefe l g e b u n d e n , eine entsprechende Oxoverbindung ist nicht bekannt.

4. Nickel(I1)-salz uiid N-substituierte Dithiocarbaminsauren Da die CSS-Gruppe zur Bildung einer Nickel(1V)-verbindung besonders geeignet

erschien, wurden diesbezugliche Versuche mit dem Nickelsalz der D i a t h y l d i t h i o - c a r b a m i n s a u r e angestellt. Das gelbgrune Salz ist in Ather und Benzol loslich und dem- nach als Innerkomplexsalz anzusprechen, wobei jedoch zum Unterschied vom Dithio- benzoat ein Nebenvalenzring mit dem Aminostickstoff anzunehmen ist. Es ist au0erst s t a b i l und fallt bereits aus konzentrierter 36proz. Salzsaure aus. Ebenso gr?R ist seine Alkalibestandigkeit; von 30proz. Natronlauge wird es nicht angegriffen oder gelost. Dementsprechend lagen die Verhaltnisse hier ahnlich wie beim Nickelsalz des 8-Mercapto- chinolins. Mit Oxydationsmitteln wurde selbst bei hoher Alkalikonzentration keine

Page 7: Über Komplexverbindungen des IV-wertigen Nickels

W. HIEBER u. R. BRBCK, Kornplexverbindungen des IV-wertigen Nickels 19

Nickel(1V)-verbindung erhalten, sondern nur die organische Komponente zerstort. Der stark basische Stickstoff fuhrt also zu einer so festen koordinativen Absattigung desNickels,

da13 die uberfiihrung in einen Nickel(1V)-komplex nicht mehr erfolgt. Auch bei Ver- wendung von Natriumpolysulfid entsteht im Gegensatz zum Verhalten des Nickel(I1)- dithiobenzoats keine Nickel(1V)-verbindung.

Geht man zur P h e n y l d i t h i o c a r b a m i n s a u r e iiber, so andern sich die Stabilitatsverhaltnisse merklich. Der Phenylstickstoff hat eine wesentliche Abschwachung der Metall-N-Bindung zur Folge 11) und verursacht so eine gesteigerte Reaktionsfahigkeit des inneren Salzes. Das gelbbraune Nickel(I1)-phenyldithiocarbaminat ist in Natronlauge mit griiner Farbe gut loslich und vermag rnit Natriumpolysulfid unter Anlagerung von Schwefel einen Nickel(1V)-komplex mit koordinativ 6-wertigem Nickel zu bilden :

NiIT(SSC - NH * C,H,), + Na,S, = Na,[S,NiIv(SSC . NH C6H5),].

Beim Ansauern erhalt man das schwarzbraune innere Salz, das allerdings in diesem Fall nicht in reiner Form gefal3t werden kann, weil es sich innermolekular aufierordentlich leicht in Nickelsulfid- und Disulfid- verbindung zersetzt :

[SNirv(SR),], -+ 2 NiS + 2 R * SS . R.

Jedenfalls handelt es sich um eine Nickel( 1V)-verbindung, die struk- turell vollkommen dem beschriebenen Komplex rnit Dithiobenzoesaure en tspricht.

Somit zeigt sich eine a u s g e p r a g t e A b h a n g i g k e i t in d e r F a h i g - k e i t z u r B i l d u n g k o m p l e x e r V e r b i n d u n g e n m i t v i e r w e r t i g e m Nicke l v o n d e r speziel len N a t u r d e r o r g a n i s c h e n K o m p o n e n t e . Einzelne Substituenten, wie im vorliegenden Fall der Ersatz von Pithy1 gegen Phenyl, konnen von entscheidender Bedeutung sein.

6. Allgemeine SchhBfolgerungen In allen bisherigen Fallen ist fur das Zustandekommen einer Nik-

kel(1V)-verbindung die A n l a g e r u n g v o n OH-- o d e r S2--Ionen an die betreffenden Nickel(I1)-komplexe wesentlich. Tritt eine solche wie im Falle des 8-Mercaptochinolins und Diathyldithiocarbaminats infolge stark koordinativer Absattigung des Nickels nicht ein, so ist das be-

ll) W. HIEBER u. Mitarb., Z. anorg. allg. Chem. 180, 96 (1929). 2*

Page 8: Über Komplexverbindungen des IV-wertigen Nickels

20 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 269. 1952

treffende innere Salz auch nicht in eine Nickel(1V)-verbindung iiberzu- fiihren.

Weiterhin ist es bei der Einwirkung von Alkalilauge oder Alkali- sulfid entscheidend, dalj in den entstehenden Hydroxo- oder Sulfo- anionen das Nicke l k o o r d i n a t i v 6-wertig vorliegt. Die Bedeutung der 6-fachen Koordination la13t sich an Hand der L. PAuLINGschen Theorie verstehen. Im 11-wertigen Nickel befinden sich die Elektronen der auoeren Schale samtlich auf d-Niveaus (Schema 1). Sol1 nun ohne Anderung der Oxydationsstufe ein 6-fach koordinierter Durchdringungs- komplex gebildet werden, so miissen nach PAULING 4 unbesetzte d- Bahnen zur Verfiigung stehen. Dies geht nur, wenn 2 Elektronen des Nickels auf hohere Niveaus gehoben werden (Schema 2), was wiederum zur Folge hat, dalj diese 2 Elektronen leicht abgespalten werden konnen und das Nickel somit IV-wertig wird (Schema 3).

3 ds

Die 6-fache K o o r d i n a t i o n der Nickel(I1)-komplexe ist also eine Vorausse t z u n g zur Bildung IV-wertigen Nickels, welches seinerseits wieder 6-fach koordiniert ist. Gleichzeitig besitzen die Nickel( 1V)- komplexe k r y p t o n a h n l ic he K o n f i g u r a t i o n wie das 6-fach koordi- nierte 11-wertige Eisen oder 111-wertige Kobalt und ist deswegen mit diesen in eine Reihe zu stellen. Man hat nach den von PAULING ent- wickelten Anschauungen einerseits IV-wertiges Nickel bei 6-facher Koordination erwartet, andererseits jedoch das Fehlen soleher Ver- bindungen als einen Nachteil der Theorie angesprochen 13). Nunmehr ist diese Theorie auch in diesem Punkt bestatigt.

Auljerdem miissen aber beim Zustandekommen von Nickel(1V)- komplexen n o c h a n d e re Fa k t o r e n eine ausschlaggebende R d e spielen, denn 6-fach koordinierte Nickelverbindungen sind schon lange bekannt, ohne dalj an ihnen eine Oxydierbarkeit des Nickels zu beob- achten war. Auffallend ist, da13 in allen Nickel(1V)-komplexen s t a r k

12) Die Ladung des Komplexes steht in Abhangigkeit von der Ladung der Liganden. 13) Vgl. H. J. EMELEUS u. J. ST. ANDERSON, ,,Ergebnisse und Probleme der moder-

nen anorganischen Chemie", Berlin 1940, S. 161.

Page 9: Über Komplexverbindungen des IV-wertigen Nickels

W. HIEBER u. R. BRUCK, Komplexverbindungen des IV-wertigen Nickels 21

p o l a r i s i e r b a r e L i g a n d e n enthalten sind14). So wird vom o-Amino- thiophenol 1 Schwefela tom und 1 Aminogruppe komplex gebunden, die Dithiobenzoesaure stellt sogar 2 Schwefelatome zur komplexen Bindung zur Verfugung und im Nickel(I1)-dimethylglyoxim ist die gro13e Stabilitat des Komplexes ebenfalls auf stark kovalente Bindungen zuriickzufuhren. Nach den Erfahrungen der Komplexchemie geht die F e s t igkei t , mit der die Liganden an das Zentralatom gebunden sind, parallel mit der Reihenfolge ihrer P o l a r i s i e r b a r k e i t , wie schon der Vergleich von Ammoniakaten mit entsprechenden Aquosalzen oder von Cyano- und Chlorokomplexen zeigt. Gleichzeitig bestimmen die Liganden nicht nur die Starke der kovalenten Bindung, sondern sie uben auch einen mehr oder weniger s t a r k e n EinflulJ au f d i e O x y d a t i o n s s t u f e d e s Zen t r a l a t o m s aus. W-ahrend das [CO~~(H,O),]~+ durchaus bestandig ist und nur geringe Neigung zeigt, in den III-wertigen Zustand uber- zugehen, wird [Co1’(NH3),]2+ schon von Luftsauerstoff zu { C Q ~ ~ ~ ( N H & ] ~ + oxydiert (q, + 0,l V) und komplexes Kobalt(I1)-cyanid 15) reduziert sogar Wasser unter H,-Entwicklung, um [Co111(CN),]3- zu bilden. Dementsprechend ist auch die Koba l t ( I1 ) -ve rb indung d e s o -Amino- th iophenoIs , derselben Komponente, mit der eine Nickel(1Vf-ver- hindung erhalten wurde, wie besondere Versuche ergaben, nur sehr hbil und geht nach kurzer Zeit in Kobal t ( I I1)-o-Aminothiophenolat iiber. Vom Sauerstoffhomologen, dem o-Aminophenol, leitet sich dagegen ein durchaus s t a b i l e r Koba l t ( I I ) -komplex l s ) ab. Der leicht deformierbare Merca,ptanschwefel ubt somit einen wesentlichen EinfluB auf die Wertigkeit des Zentralatoms aus.

Dieser Einflu13 der Liganden auf die Oxydationsstufe des Zentral- atoms hat eine ene rge t i s che Ursache. Stark pohrisierbare Liganden liefern bei der Ausbildung des Durchdringungskomplexes vie1 Energie, und hierdurch wird die Abspaltung des Valenzelektrons erleichtert. An sich liegt das Redoxpotential Ni2+/Ni4+ aufierordentlich hoch ; es betragt in dem Vorgang Ni2f -+ 2 H 2 0 + KiO, +- 4 H+ + 2 e- + 1,75V. Dieses Potential ist sonst nur vergleichbar mit den starksten Oxydations- vorgangen wie 2 SO,,- + S,O,,- + 2e- (+ 1,s V) oder 0, + H,O + 0, + 2 Hf + 2 e- (+ 2,07 V). Ebenso hoch ist auch das Redoxpotential Co2+/Co3+ (+ 1,84 V). Nur dem energieliefernden ProzeS der Komplex-

ld) Dies gilt sogar fur die F--Liganden in dem von W. KLEMM u. Mitarb. unter- suchten Komplex [NiF,]K,, vgl. Anm. 4.

15) Nach A. W. ADAMSON, J. Amer. chem. Soc. 13,5710 (1951), liegt nicht, wie bisher angenommen, [Co(CN),I4- vor, sondern ein wohl 2-kernig gebautes (diamagnetisches !) Anion [Co(CN)J3-.

la) W. HIEBER u. A. SCHNACKIG, Z. anorg. allg. Chem. 226, 209 (1936).

Page 10: Über Komplexverbindungen des IV-wertigen Nickels

22 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 269. 1952

bildung ist es zuzuschreiben, daI3 Nickel( IV)-verbindungen ebenso wie Kobalt (111)-sake zu isolieren sind.

Unter diesen Gesichtspunkten ist auch zu erwarten, daI3 vor allem n e g a t i v g e l a d e n e Ligi tnden, die bekanntlich starker polarisierbar sind a,ls Neutralteile, zur Bildung IV-wertigen Nickels beitragen, und es ist anzunehmen, dalS k a t i o n i s c h e Nickel(1V)-komplexe in1 a l lgemeinen n i c h t m e h r b e s t a n d i g sein werdenl7). Letzteres ist auch aus den K o m p l e x e n d e r homologen Re ihe P l a t i n - P a l - l a d i u m - N i c k e l zu entnehmen, in welcher iiberhaupt ein starker A b - f a l l d e r T e n d e n z z u r IV-Wert igkei t zu beobachten ist. Wahrend Platin( 1V)-komplexe hiiufig sind und sogar kationische [Pt'VA,]4f- Komplexe gebildet werden, sind Palladium(1V)-verbindungen bereits selten und treten nie mit komplexem Kation auf.

Endlich wird die Stabilitat der IV-wertigen Nickelverbindungen noch durch die Ausbildung von m e h r k e r n i g e n Komplexen, die zudem r ing fo rmige (innerkomplexe) S t r u k t u r besitzen, erhoht17). Die bisher bekannten Nickel(1V)-verbindungen sind stets zweikernig, aueh das Nickeldioxydhydrat selber ist hochpolymer. Bekanntlich werden hohe Wertigkeiten in Verbindungen dimerer oder polymerer Konstitution stabilisiert. So kommt das IV-wertige K o b a l t auch nur in zwei- kernigen Komplexen vor. Dadurch, daIj die Liganden teils koordinativ 2-wertig sind oder als Briickenglieder zwischen zwei Nickelatomen fun- gieren, wird die Ablosung eines einzelnen Liganden erschwert.

Die bisher diskutierten F a k t o r e n , die die Entstehung von Nik- kel( 1V)-verbindungen ermoglichen, und die gebildeten Verbindungen stabilisieren, miissen speziell bei der Darstellung weiterer Nickel( 1V)- verbindungen mit organisohen Liganden Berucksichtigung finden. Man kann sie folgendermaflen zusammenfassen :

1. Eine Nickel(1V)-verbindung kann nur entstehen, wenn das Metall von vornherein 6-fach koordiniert ist, weil dadurch die Bildung eines Durchdringungskomplexes kryptonahnlicher Konfiguration pra- formiert wird ;

2. die komplex gebundenen Liganden mussen stark polarisierbar sein und moglichst negative Ladungen tragen, damit die kovalenten Bindungen geniigend Energie liefern, um die Abspaltung zweier weiterer Valenzelektronen energetisch zu begunstigen ;

17) Lediglich bei den neuerdings von R. S. NYHOLM, 1. c. (Anm. 5), aufgefundenen Komplexen liegt erstmals der Fall vor,in dem vierwertigesNicke1 als einkerniger, diamagne- tischer Kationenkomplex mit gleichfalls cyklisch gebundenem, stark polarisierbarem Diarsin auftritt.

Page 11: Über Komplexverbindungen des IV-wertigen Nickels

W. HIEBER u. R. BRUCK, Komplexverbindungen des IV-wertigen Nickels 23

3. es mu13 sich um Liganden handeln, die cyklisch an Nickel ge- bunden sind; es wird so zugleich der Stabilisierung der Nickel(1V)- verhindungen durch Ringbildung Rechnung getragen, wie sie fur das Zustandekommen der Nickel( IV) -komplexe wesen tlich ist. Gleichzeitig damit werden zweikernige Nickel(1V)-komplexe gebildet.

Versuche Komplexverbindungen des o-Aminothiophenols

o-Aminothiophenol wurde nach einer Vorschrift von A. W. H O F M A N N ~ ~ ) aus Acet- anilid mit Schwefel als Ausgangsmaterial dargestellt. Um die reine Nickel(I1)-verbin- d u n g zu erhalten, verfahrt man zweckmaBig wie folgt:

In einem Scheidetrichter wird zunachst aus einer waBrigen Losung des salzsauren o-Aminothiophenols durch Zusatz der gerade notigen Menge Natronlauge das Amin in Freiheit gesetzt und eine atherische Losung desselben hergestellt. Nun wird mit einer ammoniakalischen Nickelsalzlosung geschuttelt, wobei sich die ausfallende gelbe Nickel- verbindung wegen ihres hydrophoben Charakters im Ather ansammelt. Zusatz von wenig Alkohol begunstigt die Trennung der Schichten. Die atherische Suspension wird abge- saugt, die Substanz mit Alkohol und Ather gewaschen und getrocknet.

Zur Analyse muB auch in den folgenden Fallen, mit konz. Schwefelsaure und Pyrosulfat aufgeschlossen werden; nach Aufnahme mit Wasser wird Nickel wie iiblich bestimmt. Der Stickstoff wird nach KJELDAHL bestimmt; der AufschluB wird durch Selenzusatz begunstigtls), zur NH,-Titration verwendet man zweckmaBig ein Indikator- gemisch von Methylenblau mit Methylorange *O).

Ni(SC,H,NH,),. Ber. Ni 19,l; N 9,l; gef 18,9 bzw. 8,9%. 0 x y d a t i on des Ni c kel(I1)- 0- Amino t h io p he n o la ts. Um die zur Oxydation

der Nickel(I1)-verbindung benotigte Sauerstoff- menge zu bestimmen, wurde ihr Verhalten in alkalischer Suspension gasvolumetrisch untersucht. Hierzu wurde eine schon friiher entwickelte Schiittel- apparatur (Abb. 1) verwendet. Im Kolben A des SchuttelgefaBes wurde eine Nickelsalzlosung be- kannten Gehalts mit mehr als der aquivalenten Menge des salzsauren o-Aminothiophenols versetzt, um zunachst eine quantitative Fallung des Nickel- salzes zu gewahrleisten. Der OberschuB der Thio- komponente konnte dann nach vorsichtiger Zugabe yon wenig Natronlauge in nur schwach alkalischer Losung mit Sauerstoff zur Disulfidverbindung (NH,C,H,S), oxydiert werden, ohne daB die Nickel- verbindung angegriffen wurde. Erst hernach wurde

1 8 ) A. W. HOFMANN, Ber. dtsch. chem. Ges.

19) W. W. ILLARINOW u. N. A. SSOLOWJEWA, 13, 1226 (1880).

Z. analyt. Ch. 101, 255 (1935).

analyt. Ch. 83, 117 (1931). 'O) A. c. ANDERSON U. B. N. JENSEN, z. Abb. 1. Schut te lgefaB zur

Messung v o n G a s r e a k t i o n e n

Page 12: Über Komplexverbindungen des IV-wertigen Nickels

24 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 269. 1952

mit einer groReren Menge Natronlauge ans dem seitlichen GefaB B stark alkalisch gemacht, und dis eigentliche Oxydation verfolgt.

Es wurden 3 Versuche durchgefuhrt. Zunachst (I) wurde:i 0,95 mMol Nickelchlorid, 3 mMo1 o-Aminothiophenol und 8 mMol Natriumhydroxyd verwendet. Im 2. Versuch wurden zu 1,03 mMo1 Nickelchlorid sogar 4 mMol o-Aminothiophenol zugesetzt, um zu

zeigen, daB ein UberschuR der Thio- d o , (redl komponente auf die eigentliche Oxy- dation des Nickelsalzes keinen Ein-

25 flu0 hat. SchlieBlich (111) wurde zur Verringerung der Fehlergrenze der MeBmethode yon der doppelten Menge Nickelsalz ausgegangen, also 2,06 mMol Xickelchlorid. 6 mMol

15 o-Aminothiophenol und 8 mMol Natriumhydroxyd verwendet. In allen Fallen betrug die Flussigkeits- menge etwa 40 om3.

Der beobachtete Absorp- 5 t i o n s v e r l a u f ergibt sich aus

Die absorbierten Sauerstoff- 50 100 ?50 200 250 300 mengen betragen in Versuch I und

11 je 0,48 Mol O,/g-Atom Ni (ent- sPr. 10,4 bzw. 11,1 cms O,,red.) und in Versuch 111 0,50 Mol O,/Ni (ent-

spr. 23,L cm3), d. h. zur Rildung der blauen Verbindung sind 2 O x y d a t i o n s a q u i - va len t e erforderlich.

Besondere Beachtung verdient, da,R zunichst stets ein Mehrverbranch an Sauer- stoff auftritt und der UberschuB darnach wieder frei wird. Dies beruht auf p r i m a r e r P e r o x y d b i l d u n g , wie sich auch daraus ergibt, daB im UberschuR verwendetes Wasser- stoffperoxyd (an Stelle yon Sauerstoff) durch Nickel(I1)-o-aminothiophenolat zersetzt wird.

Di-Nickel (IV) -p.-dioxo-o-tetraaminothiophenolat Zur D a r s t e l l u n g d e r Nickel(1V)-verbindung sattigt man in einer Wasch-

flasche eine stark alkalische Suspension von frisch gefalltem Nickel(I1)-o-Aminothio- phenolat mit Sauerstoff. Das blaue Produkt wird abgesaugt, mit Wasser und Alkohol ge- waschen und im Exsikkator getrocknet. In einem evakuierten Extraktionsapparat wird bei 30" bis 35" mit Benzol oder Ather extrahiert, wobei sich die Verbindung in Form einer dnnkelblauen Kruste anreichert. Es wird abgesaugt, mit Benzol bzw. Ather gewaschen und im Exsikkator getrocknet. 0,0456 g; 0,1002 g Sbst.: 0,0404 g ; 0,0897 g Ni(DH),,l). - 0,1956 g Sbst.: 12,4 cm3 n/lO-HCI. O:Nilv (SC,H,NH,),tt Ber.: lS,l% Ni, 8,7% N,; gef. 18,O; 18,2 bzw. 8,9y0.

Die Verbindung ist besonders bei hoherer Temperatur leicht zersetzlich. Sie kri- stallisiert aus Benzol in dunkelblauen, sternchenformigen Kristallen. Anch in anderen Mitteln wie Aceton, Schwefelkohlenstoff und Alkohol zeigt sie geringe Loslichkeit, Lo- sungen mit kaum O , O l ~ o Ni(1V)-verbindung sind bereits tiefblau. Bei Zugabe von Sauren

20

Abb. 2.

Abb. 2. 0,-Absorpt ion von Nickel(I1)- o - A m i n o t h i o p h e n o l a t i n N a t r o n l a u g e

21) DH = Rest von Dimethylglyoxim.

Page 13: Über Komplexverbindungen des IV-wertigen Nickels

W. HIEBER u. R. BRUCK, Komplexverbindungen des IV-wertigen Nickels 25

zu den Losungen oder zur trocknen Substanz tritt Zersetzung unter Entfarbung ein, wobei losliches Nickel(I1)-salz und das Disulfid (NH,C,H,S), gebildet wird.

Dieses Verhalten lieB sich zur weiteren Identifizierung der Verbindung heranziehen: Eine eingewogene Menge der frisch dargestellten Substanz wurde mit einigen em3 konz. Salzsaure durch Kochen zersetzt. Die Losung wurde mit Wasser verdiinnt, ammoniaka- lisch gemacht, und die ausgeschiedene Disulfidverbindung im Filtertiegel gesammelt, mit Waaser gewaschen, getrocknet und gewogen. Das im Filtrat enthaltene Nickel wurde mit Dimethylglyoxim bestimmt. 0,0480 g Sbst.: 0,0423 g Ni(DH),; 0,0372 g (NH,C,H,S),. O:NiIV(SC,H,NH,), tj Ber.: 18,1% Ni, 78,0% (NH,C,H,S),; gef. 17,6 bzw. 77,0%.

Kobalt(I1I)-o-Aminothiophenolat Eine Losung von 6 g CoC1, . 6 H,O und 6 g NH,Cl in 60 cm3 Wnsser werden in einem

Scheidetrichter rnit einer Losung von 1 g o-Aminothiophenol in 150 cm3 Ather uber- schichtet und mit 15 em3 konz. Ammoniak versetzt. Nachdem die im Scheidetrichter enthaltene Luft durch Stickstoff oder Wasserstoff ersetzt ist, wird geschiittelt, wobei sich in der Ltherschicht ein brauner Kiederschlag sammelt, der alsbald (auch bei Luft- ausschlufl) griin wird. Zur vollstandigen Umsetzung 1Lflt man einige Tage stehen. Die atherische Suspension wird abgesaugt, der Niederschlag mit Alkohol und Ather gewaschen und getrocknet. Die Verbindung stellt eine kristalline, grunblaue, in allen Mitteln unlos- liche Substanz dar, die auch gegen starke Sauren und Laugen sehr bestandig ist.

C O ~ ~ ~ ( S C ~ H ~ N H ~ ) ~ Ber. : 13,6% Co. Gef.: 13,4%.

Nickelkomplexe der Mono- und Dithiobenzoesiiure Zur Darstellung von Ni c kel(I1)- mono t h i o be n zoa t.

versetzt man eine Losung von 2 mMol Nickelchlorid in 20 om3 Alkohol mit einer solchen von 4 mMol Monothiobenzoesaure und 4 mMo1 NaOH in 30 om3 Alkohol. Die dunkelrot- braunen, oft zu sternformigen Aggregaten vereinigten Kristalle schmelzen bei 177" unter Zersetzung und sind besonders in indifferenten Mitteln gut, weniger in Alkohol und dther loslich. Wasser lost nur bei Anwesenheit uberschiissigen Natriummonothiobenzoats mit orangeroter Farbe.

Ni c ke I(I1)- K o m ple xe.

Ni(SC0 . C,H,),. Ber. 17,6% Ni, 19,3% S; Gef. 17,4 bzw. 19,2%. Nickel(I1)-dithiobenzoat entsteht bereits aus dem Monothiobenzoat, wenn man

dessen Losung, z. B. in Cyclohexanol, unter LuftausschluS erwarmt; daneben bildet sich Nickel(I1)-benzoat. AuBerdem erhalt man es beim Versetzen der atherischen Losung der in reiner Form nicht bestandigen Dithiobenzoesaure 22) mit einer alkoholischen Losung von Nickelchlorid. Der fast schwarze, voluminose Niederschlag wird abfiltriert, rnit Wasser, Alkohol und Benzol gewaschen und zuletzt im Extraktionsapparat rnit Benzol ausgezogen. Prachtige, dunkelblaue Nadeln betrachtlicher Bestandigkeit, die bei 219' schmelzen.

Ni(SCS. C,H,),. Ber. lS , l% Ni, 35,1y0 S. Gef. 16,3 bzw. 34,9y0.

Di- Nickel(I V) -~diszL~o-tetradithiobenxoat a) Bi ld u n g a u s Ni c kel(1I)- m ono t h io ben zoa t. Scharfe Oxydationsmittel wie

Wasserstoffperoxyd oder Chlorwasser oxydieren Nickelmonothiobenzoat lediglich unter Bildung von Benzoyldisulfid, (C,H,. COS),, u. a. Produkten. Wird aber eine Losung der Nickelverbindung mit einem groBen OberschuB von Natriummonothiobenzoat und

K. SCHULTZE, Ber. dtsch. chem. Ges. 44, 3230 (1911).

Page 14: Über Komplexverbindungen des IV-wertigen Nickels

26 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 269. 195%

Natronlauge dem Luftsauerstoff ausgesetzt, so entsteht schlieBlich die hoherwertige Nickelverbindung. Es ergab siah die folgende einfache Darstellungsmethode:

Zu einer alkoholischen Losung von 1 mMol Nickelchlorid wird eine solche von 12 mMol Monothiobenzoesaure und 6 mMol Natronlauge gegeben. Die klare gelb- braune Losung, in welcher das Nickel als Anionenkomplex [Ni(SCO * CBH5)4]2- vorliegt, wird unter Ruckflud auf 50" erwarmt und ein langsamer S a u e r s t o f f s t r o m durch- geleitet. Es tritt bald Farbvertiefung uber rot nach violett ein und nach 4 Stunden hat sich fast alles Nickel in Form der schwarzvioletten Verbindung abgeschieden. Sie wird abgesaugt., mit Alkohol und Wasser gewaschen uud aus Benzol umkristallisiert. Hieraus, wie aus Schwefelkohlenstoff, Alkohol oder Ather kristallisiert sie auderst charakteristisch in buschelformigen Aggregaten dunner Kristallfaden. Die Verbindung ist gegen Sauren und Alkalien sehr bestandig und wird nur von oxydierenden Sauren zerstort. Bei 195" schrnilzt sie unter Zersetzung. 0,1697 g Sbst.: 0,1243 g Ni(DH),; 0,4912 g BaSO,. S:Ni*V(SSC * C,H,),. Ber. 14,8(y0 Ni; 40,4y0 S; gef. 14,9 bzw. 39,8%.

b) Bi ldung a u s Nicke l ( I1) -d i th iobenzoat . Auf Grund der Konstitution der Nickel(1V)-verbindung wurde versucht, sie aus Nickel(I1)-dithiobenzoat und Schwefel ,darzustellen. Eine Losung des Ni(I1)-dithiobenzoats in Schwefelkohlenstvff erwies sich jedoch als indifferent gegenuber Schwefel. Erst als man eine alkoholische Losung von Natriumpolysulfid zu einer solchen von Nickeldithiobenzoat in Benzol zutropfen lieB, t ra t Reaktion ein. Die anfangs blaue Losung wird sofort tief rotviolett. Das aus Benzol umkristallisierte, schwarzviolette Produkt zeigte die auderst charakteristische Kristall- form der p-Disulfo-Nickel(1V)-verbindung.

Auf eine ahnliche Weise wird auch mit Natriumhydrogensulfid und Luftsauerstoff die Nickel(1V)-verbindung erhalten: Natriumsulfid wurde warm in Alkohol gelost und kalt mit Schwefelwasserstoff gesattigt. Ein klares Filtrat davon lost Nickel(I1)-dithio- benzoat mit olivgruner Farbe. Beim Schutteln mit Sauerstoff geht weiteres Nickel(I1)- salz in Losung, zugleich tritt Farbumschlag nach braun ein. Beim Ansauern mit Salz- saure fallt die Nickel(1V)-verbindung aus ; sie wird mit Benzol ausgeschuttelt und um- kristallisiert.

Zur Mole k u l a rge w i c h t s bes t i m m u ng kam ein mit elektromagnetischer Ruh- rung versehenes Kryoskop zur Anwendung. 0,0815 g Sbst. in 31,3 g Benzol: At = 0,014" & 0,002" [S:Ni(SSC * C,H,)Ja Mol. Gew. Ber. 794; gef. 920 4 150. Infolge der geringen Loslichkeit der F'erbindung konnte keine g&iBere Gefrierpunktsdepression herbeigefuhrt werden.

Oxydationsversuche an Nickelverbindungen N-su bstituierter Dithiocarbaminate Nickel - d ig t h y l - di t hio c a r b a m i n a tZ3), Ni[SSC . N(CZH,),],, eine Verbindung,

die gegenuber konzentriert'er Salzsaure und Alkalihydroxyd iuRerst bestandig und vollig unloslich ist, wird nur von starken Oxydationsmitteln unter Zersetzung angegriffen (wie auch Nickel-8-Mercaptochinolin). Eine Nickel(1V)-verbindung entsteht nicht. Anders verhalt sich jedoc h das Ni c kel(I1)- p hen y 1 di t hio c a r b a m i n a t24), Ni( SSC . NH . C,H,),. Es lost sich leicht in Natronlauge oder anderen alkalischen Medien wie Natriumsulfid unter Bildung eines grunen Hydroxokomplexes. Nicht loslich ist es dagegen in schwach alkalischen Mitteln wie Ammoniak oder Natriumhydrogensulfidlosung. Auffallender- weise tritt in solchen Fallen trotzdem Losung ein, wenn dem Mittel Polysulfidionen

'9 M. DEL~PINE, C. R. Acad. Sci. Paris 146, 981-84 (1908). 24) Diesen Nickelkomplex erhalt man leicht durch doppelte Umsetzung vonNickel(I1)-

salz und Kaliumphenyldithiocarbaminat in Wasser.

Page 15: Über Komplexverbindungen des IV-wertigen Nickels

W. HIEBER u. R. BRUCK, Komplexverbindungen des IV-wertigen Nickels 27

(Na,S,) zugesetzt werden, wobei nun aber eine tiefbraune Losung entsteht. Dies kann nur auf einer Sulfurierung durch Polysulfidschwefel beruhen, wie bei der Bildung der Kckel(1V)-verbindung aus Nickel(I1)-dithiobenzoat mit Natriumpolysulfid. Alle Ver- suche zur Isolierung der reinen Nickel(1V)-verbindung schlugen jedoch fehl, da das in der dunkelbraunen Losung vorliegende Anion [S,NiTv(SR),]2- beim Ansauern in NiTI(SR), und S bzw. NiS und (SR), zerlegt wird. Neutralisiert man die alkalische Losung mit ver- dunnter Essigsaure oder stumpft man nur mit Ammoniumchlorid ab, so bleibt die Ver- bindung zum groBten Teil in Losung.

In einem anderen Versuch wurde folgendermaBen verfahren : Eine Suspension von 0,42 g Nickel-phenyldithiocarbaminat in 50 cms &her wurde mit 30 cms gelber Schwefel- ammoniumlosung geschuttelt. Dabei loste sich die Nickel(1V)-verbindung im gelben Schwefelammonium mit tiefdunkelbrauner Farbe und fie1 zum Teil als schwarzbrauner, auBerst feinkristalliner Niederschlag aus. Er wurde abgesaugt, mit Wasser, Alkohol und Ather gewaschen und getrocknet. Eine Probe der so erhaltenen Substanz loste sich in Natriumsulfidlosung wieder mit dunkelbraunerFarbe auf. 0,1028g Sbst.: O,1381gNi(DH),; 0,2753 g BaSO, entspr. 26,l% Ni und 36,8% S.

Hiernach verhalten sich Ni: S = 1 :2,6, wahrend in der reinenNickel(1V)-verbindung Ni:S = 1:5 ist. Das Produkt war nicht mehr einheitlich, sondern es lag infolge Selbst- zersetzung bereits ein Gemisch von NiS und S:NilVISSC . NH . C,H,], im Verhaltnis 0,61/0,39 vor, entspr. ber. 26,4% Ni und 37,1% S.

Der D e u t s c h e n Forschungsgemeinschaf t danken wir fur wertvolle Unter- stutzung, ebenso den F a r b e n f a b r i k e n B a y e r , L e v e r k u s e n a. Rh., fur die Uber- lassung von Ausgangsmaterialien und Geraten.

Miiztchen, Anorganisch-chemisches Laboratorium der Technischen Hochschule.

(Bei der Redaktion eingegangen am 8. Marz 1952.)