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Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie Band 211, Heft 4 April 1933 Uber thermische Eigenschaften von Halogeniden. 5. I) EinfluB der Konstitution auf Schmelzpunkte, Siedepunkte, Verdampfungswarmen und Volumina von Halogeniden Von WERNER FISCRER Mit 8 Figuren im Text Benutzte Zeichen: P, = abs. Schmelztemperatur. Tsd = abs. Siedetemperatur der Schmelze bei 1 Atm. P , = abs. Sublimationstemperatur bei 1 Atm. (bei Stoffen, deren Schmelztemperatur tiefer liegt, extrapoliert ; vgl. S. 332). 1 = molekulare Verdampfungswiirme der Schmelze bei konst. Dmck. V, = Molvolumen im kristallisierten Zustand beim abs. Nullpunkt. VF = Molvolumen der Schmelze beim Schmelzpunkt. Vsd = Molvolumen der Schmelze beim Siedepunkt. Die grol3en Unterschiede in der Fluchtigkeit der Halogenide, die RUFF^) besonders ausgepragt bei den Fluoriden fand, fuhrte KOSSEL~) auf Unterschiede der Konstitution zuruck: Schwerfluchtige Stoffe haben Ion en - Ko or dina t ions - St ru k t ur en, leichtfluchtige sind aus in sich abgeschlossenen Molekiilen a~fgebaut.~) Diese Vor- stellung hat inzwischen fur den festen Zustand durch zahlreiche Rontgenstrukturbestimmungen eine direkte experimentelle Bestiiti- (I = molekulare Sublimationswiirme I 1) Als Nr. 1-4 dieser Arbeitsreihe werden folgende Abhandlungen geziihlt: 1. W. FISCHER, Die MolekulargroBe von Goldchlorid. 2. anorg. u. allg. Chem. 184 (1929), 333. 2. W. FISCHER, Schmelzwiirmen und Molekularwiirmen von Aluminiumhalogeniden. 2. anorg. u. allg. Chem. 200 (1931), 332. 3. W. FISCHER u. 0. RAHLFS mit B. BENZE, Dampfdrucke und Dampfdichten von Aluminium- halogeniden. Z. anorg. u. allg. Chem. 205 (1932), 1. 4. W. FISCHER u. 0. RAHLFS, Uber Dampfdrucke und Dampfdichten von Be- und Zr-Halogeniden. 2. Elektro- chem. 38 (1932), 592. 8) 0. RUFF, Ber. 52 (1919), 1223. 3, W. KOSSEL, 2. Physik 1 (1920), 395. 4, Um diese Unterschiede gleichzeitig fur den festen und fliissigen Zustand xu kennzeichnen, werden wir im folgenden mit W. BILTZ von Ionen- bzw. Molekulaggregaten sprechen (ersteres als Abkiirzung fur Ionen-Koordinations- aggrega t ) . Z. anorg. u. allg. Chem. Bd. 211. 21

Über thermische Eigenschaften von Halogeniden. 5. Einfluß der Konstitution auf Schmelzpunkte, Siedepunkte, Verdampfungswärmen und Volumina von Halogeniden

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Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie

Band 211, Heft 4 April 1933

Uber thermische Eigenschaften von Halogeniden. 5. I)

EinfluB der Konstitution auf Schmelzpunkte, Siedepunkte, Verdampfungswarmen und Volumina von Halogeniden

Von WERNER FISCRER Mit 8 Figuren im Text

Benutzte Zeichen: P, = abs. Schmelztemperatur. Tsd = abs. Siedetemperatur der Schmelze bei 1 Atm. P,, = abs. Sublimationstemperatur bei 1 Atm. (bei Stoffen, deren

Schmelztemperatur tiefer liegt, extrapoliert ; vgl. S. 332). 1 = molekulare Verdampfungswiirme der Schmelze bei konst. Dmck.

V , = Molvolumen im kristallisierten Zustand beim abs. Nullpunkt. VF = Molvolumen der Schmelze beim Schmelzpunkt. Vsd = Molvolumen der Schmelze beim Siedepunkt.

Die grol3en Unterschiede in der Fluchtigkeit der Halogenide, die RUFF^) besonders ausgepragt bei den Fluoriden fand, fuhrte KOSSEL~) auf Unterschiede der Konstitution zuruck: Schwerfluchtige Stoffe haben Ion en - Ko or dina t ions - S t r u k t ur en, leichtfluchtige sind aus in sich abgeschlossenen Molekiilen a~fgebaut.~) Diese Vor- stellung hat inzwischen fur den festen Zustand durch zahlreiche Rontgenstrukturbestimmungen eine direkte experimentelle Bestiiti-

(I = molekulare Sublimationswiirme I

1) Als Nr. 1-4 dieser Arbeitsreihe werden folgende Abhandlungen geziihlt: 1. W. FISCHER, Die MolekulargroBe von Goldchlorid. 2. anorg. u. allg. Chem. 184 (1929), 333. 2. W. FISCHER, Schmelzwiirmen und Molekularwiirmen von Aluminiumhalogeniden. 2. anorg. u. allg. Chem. 200 (1931), 332. 3. W. FISCHER u. 0. RAHLFS mit B. BENZE, Dampfdrucke und Dampfdichten von Aluminium- halogeniden. Z. anorg. u. allg. Chem. 205 (1932), 1. 4. W. FISCHER u. 0. RAHLFS, Uber Dampfdrucke und Dampfdichten von Be- und Zr-Halogeniden. 2. Elektro- chem. 38 (1932), 592.

8 ) 0. RUFF, Ber. 52 (1919), 1223. 3, W. KOSSEL, 2. Physik 1 (1920), 395. 4, Um diese Unterschiede gleichzeitig fur den festen und fliissigen Zustand

xu kennzeichnen, werden wir im folgenden mit W. BILTZ von Ionen- bzw. Molekulaggregaten sprechen (ersteres als Abkiirzung fur Ionen-Koordinations- aggrega t ) .

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gung, sowie eine Erweiterung durch den- Zwischentypus der Schich - t e n g i t t e r (HUND) erfahren. Ferner erwies sie sich auch suf anderen Gebieten als fruchtbar, z. B. bei der Deutung der systematischen Untersuchungen von W. BILTZ~) iiber das elektrische Leitvermogen der geschmolzenen Salze, das noch krassere Unterschiede aufweist, als sie hinsichtlich der Fliichtigkeit bestehen; doch konnte man auch hierbei zwischen den extremen Typen, den reinen Molekul- und Ionen- aggregaten, gewisse U b e r g a n g sgl ie d e r auffinden.

In der vorliegenden Mitteilung soll nun der EinfluB dieser Kon- stitutionsunterschiede auf verschiedene Eigenschaften der Halogenide etu-as eingehender beleuchtet werden, und zwar werden zunachst aul3er demSchmelz- u n d S i e d e p u n k t (AbschnittI) diefiirdieFluchtigkeit maBgebenden e n e r g e t is c h e n Gr o 13 en , V e r d a m p f ung s w a r me der Schmelze und Sub l i rns t ionswarme (Abschnitt 11) in denKreis der Betrachtungen einbezogen. Ferner werden im Abschnitt I11 einige V o lum e n b e zi e h u n g e n unter den vorher gewonnenen Gesichts- punkten betrachtet, wahrend im Abschnitt IV die Ergebnisse fiir ve r sch iedene Eigenschaften miteinander verglichen werden sollen.

Wir werden dabei mehrfach Beruhrungspunkte mit den Arbeiten von R. LORENZ~) und W. HERZ uber erweiterte Regeln der iiber- einstimmenden Zustande finden. Wahrend aber LORENZ bestrebt war, aus den uber moglichst viele Stoffe geniittelten Eigenschaften einen idea len phys ikochemischen Stoff zu konstrnieren, werden wir im Gegensatz d a m gerade die ind iv idue l l en Un te r sch iede der Stoffe besonders betonen und in den Halogeniden eine Stoffklasse finden, die von dern LORENzysChen Normalstoff bedeutend abweicht.

Es werden im folgenden siimtliche Halogenide einschlieBlich der Molekul- aggregate als aus Ionen aufgebaut angesehen; damit soll nichts iiber die wirklich vorliegende Bindungsart ausgesagt werden*) , sondern diese Fiktion soll nur die vielfach bewahrte U n t e r t e i l u n g d e r S tof fe je nach dem Charakter des Kations i n folgende Gruppen ermoglichen:

1. G e s a t t i g t e Halogenide d e r H a u p t g r u p p e n mit Kationen vom

2. G e s a t t i g t e Halogenide der Nebengruppen mit Kationen vom

3. U n g e s a t t i g t e Haloganide mit Kationen mit mehr als 8 bzw.

Edelgastyp, einschliel3lich derer vom He-Typ.

Cuprotyp.

18 AuBenelektronen.

ZusammengefaDt bei W. BILTZ u. W. I ( L E m , 2. anorg. u. allg. Chem.

2, Vgl. besonders R. LORENZ, Raumerfiillung und Ionenbeweglichkeit.

”) Vgl. L. PAULWG, Journ. Am. chem. SOC. 54 (1932), 988.

158 (1926), 267.

Leipzig, L. Voss 1922, S. 20ff.

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Die fur die Zusammenstellungen benotigten Daten wurden hauptsachlich den Tabellen von LANDOLT-BORNSTEIN und dem Handbuch von GMELIN ent- nommen. Ferner wurden insbesondere die Arbeiten von 0. RUFF und Mit- arbeitern ( Z . anorg. u. allg. Chem.), die experimentellen Ergebnisse der vor- liegenden Arbeitsreihe sowie folgende Abhandlungen benutzt : HORI~A, Chem. Zbl. 1928, 11, 20 (AsJ,); JEWNEWITSCH, Chem. Zbl. 1930, I, 2061 (BiCl,, BiBr,); W. KLEMM u. P. HENKEL, z. anorg. u. allg. Chem. 207 (1932), 73 (SF, usw.); W. OLBRICH, Dissert., Breslau, T. H. 1929 (Erdalkalifluoride usw.); E. POHLAND, Z. anorg. u. allg. Chem. 201 (1931), 265 u. 282 (BBr,, SiBr,); 207 (1932), 242 (BF,); W. C. SCETJMB U. E. L. GAMBLE, Journ. Am. chem. SOC. 53 (1931), 3191

1. Siedepunkte und Schmelzpunkte ( SiP,).

A) S iede- u n d S c h m e l z p u n k t e a l s F u n k t i o n der W e r t i g k e i t In Fig. 1 sind die absoluten Schmelz- und Siedetemperaturen

von gesattigten Halogeniden der Hauptgruppen als Funktion der Wertigkeit aufgetragen.l) Die S i e d e p u n k t e zeigen bei Erhohung der Wertigkeit anfanglich meist ein Ansteigen, wie es fur Ionen- aggregate als Folge der mit der Ladung wachsenden elektrostatischen Ibiifte zu erwarten ist. Bei weiterer Steigerung der Ladung folgt ein steiler Abfall entsprechend dem obergang zum Molekiilaggregat. Je kleiner das Kation und je groI3er das Anion, urn so eher wird die Umhullung im Kossm’schen Sinne erreicht, und um so groBer sind nach FAJANS die Polarisationswirkungen. Beide Einflusse begiinstigen den Ubergang zum Molekulaggregat. Die Figur zeigt, daB in der Tat in diesen beiden Richtungen das anfiingliche Ansteigen der Siede- punkte rneist geringer wird bzw. der Abfall friiher einsetzt.2) Un- erwartet ist aber, daB bei weiterem Fortschreiten in Richtung hoherer Wertigkeit die Siedepunkte nach Durchlaufen eines Minimums (bei BCl,, BBr,, Sip,, SiCl,, WF,, TaCl,) wieder ans te igen .

Die S c h m e l z p u n k t e besitzen einen grundsatzlich ahnlichen Verlauf, zeigen aber zwei Besonderheiten: a) Der Abfall beim Ubergang zu den Molekiilaggregaten setzt zuweilen erst ein Glied spater ein, als der der Siedepunkte (AlF,, ScCl,, ScBr,), oder er ist anfanglich

1) Wo einigermaDen sichere Schatzungen vorliegen, sind gestrichelte Ver- bindungslinien benutzt. Wenn fur einen Stoff gar keine Daten bekannt sind, ist das Elementspbol fortgelassen, und es sind die Punkte der Nachbarn iiber die Liicke hinweg geradlinig und ebenfalls gestrichelt verbunden.

a) Die Feinheiten im Verlauf der Siedepunkte der Alkalihalogenide sind eingehend behandelt worden von K. FAJANS sowie L. PAULEW. Hieriiber und iiber andere bisher vorliegende Betrachtungen iiber die Siedepunkte von Halo- geniden vgl. A. E. VAN ARKEL u. J. H. DE BOER, Chemische Bindung. Deutsche Ausgabe von L. u. W. KLEMM. Leipzig 1931. Kapitel VII. Vgl. ferner K. FAJANS u. E. SCHWARTZ, Z. phys. Chem. Bodenstein-Festschrift (1931), 717.

21*

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schwiioher als der der Siedepunkte (Li --f Be, MgCI, --f AlCI,, CaF, 3

TiF,). Durch dieses Nachhinken des Ganges der Schmelzpunkte tritt in den meisten Fallen ein Oberschneiden der Schmelz- und

C Werhgkei?

Fig. 1. 0 Schmelzpunkte und o Siedepunkte von gesattigten Halogeniden der Hauptgruppen

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Siedepunktskurven im Abfallsgebiet ein, d. h. die Ubergangsg l i ede r s u b l imi e r e n unter Atmosphkendruck zumeist ohne zu schmelzen.') b) Das Ansteigen der Siedepunkte hinter dem Minimum zeigen die Schmelzpunkte in verstiirktem MaSe, so daB die Endglieder z. T. (SF,, PCI,, PBr,) wieder snblimieren. In der untersten Horizontal- reihe der Fig. 1 sinkt der Schmelzpunkt im Minimum nicht so tief unter den Siedepunkt wie in den oberen Reihen und steigt dann auch nur wenig steiler als der Siedepunkt an, so da13 bei den Ta-, W- und Os- Halogeniden der Schmelzpunkt ziemlich gleichmal3ig dicht unter dem Siedepunkt liegt. Alle hoe h w e r t ig e n M oleliiil a g g r e g a t e sind also sub l imie rende S to f fe oder sieden dicht oberhalb des Schmelzpunktes.

Alle erwiihnten Erscheinungen werden beim obergang von Fluoriden zu Chloriden zu Bromiden abgeschwlcht. Fur Jodide sind nur wenige Daten bekannt.

Bei den gesattigten Halogeniden der N e b e n g r u p p e n finden wir den vollig gleichen Gang wieder (Fig. 2) einschliefilich des Mini- mums (AsF,, TeF,, SnCI,) und der Erscheinung, da13 einerseits die Ubergangsglieder (GeF,, SnF,, InCl,), andererseits die hochwertigen Halogenide (SeF,, TeF,, JF, ; Ausnahme : SbCI,) sublimieren. Auch die Oxyde scheinen sich anzuschlieflen, wenngleich nur fur eine Reihe ziemlich vollstandige Angaben vorliegen. - Fur die u n g e s a t t i g t e n Ha logen ide der Kationen mit 18 + 2 AuBenelektronen liegen nur relativ wenige Angaben vor, weshalb von einer Wiedergabe abgesehen sei. Der Verlauf scheint hier etwas anders xu sein, vielleicht als Folge einer Polarisation des Kations durch das Anion. Merkwurdigerweise liegen bei diesen Stoffen die Schmelz- und Siedepunkte fur 2- und 4-wertige Verbindungen meist hoher als die der benachbarten 1-, 3- bzw. 5-wertigen.

Nach dem Ergebnis von Fig. 1 und 2 haben wir also zu unter- scheiden :

1. I o n e n a g g r e g a t e (einwertige Halogenide; mehrwertige, soweit Schmelz- und Siedepunkte noch ansteigen).

Auf diese Erscheinung wies schon W. &EM& Z . anorg. u. allg. Chem. 152 (1926), 313, hin. Die von ihm gegebene Erklarung fur die relativ hohe Lage des Schmelzpunktes (starke Bindungskrafte im Kristall, kleine in der Schmelze) wiirde eine grol3e SchmelzwBrme verlangen. Diese Bedingung ist bei einigen obergangsgliedern, wie z. B. AlCla, erfiillt; doch ist diese Deut,ung nicht zwingend [vgl. W. FISCHER u. 0. RAHLFS, 2. anorg. u. allg. Chem. 205 (1932), 401 und trifft auch z. B. nicht zu bei einigen ifibergangsgliedern (BeCI,, SiF,, Gel?,) sowie bei der anderen - von KLEMM nicht betrachteten - sublimierenden Stoffgruppe, den im Text unter b) beschriebenen hochwertigen Molekiilaggregaten.

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2. Ubergangsg l i ede r (charakterisiert durch Abfall des Siede- punktes und (oder) Uberschneidung von Schmelz- und Siedepnnkt).

3. N or ma1 e Mole k iilag g r e g a t e (annahernd beim Minimum des Schmelzpunktes; normales Verhalten in bezug a.uf Lage des Schmelzpunktes im Verhaltnis zum Siedepunkt ; Typus SiC1,).

20uu

ZMG

7001;

6

fluoride

7 2 3 4 5 6 T 7 2 3 4 5

Dxvde

1 7 2 - Werhgkeit

Fig. 2. 0 Schmelzpunkte und o Siedepunkte von gesattigten Halogeniden der Nebengruppen und Oxyden der Hauptgruppen

4. Hochwer t ige Moleki i laggrega te (erneuter Anstieg des Siedepunktes und - in verstarktem MaBe - des Schmelzpunktes; Typus SF,).

Die Abgrenzung zwischen den einzelnen Gruppen ist natiirlich nicht vollig scharf und wird spater mit der Unterscheidung auf Grund anderer Kriterien zu vergleichen sein.

B. S i e d e p u n k t als F u n k t i o n des I l a t i o n e n r a d i u s

Wahrend wir bisher den EinfluB steigender Ladung bei Ver- bindungsreihen mit Kationen gleicher Elektronenzahl betrachteten, zeigt Fig. 3 die Anderung des Siedepunktes bei gleicher Ladung, aber variierter Elektronenzahl des Kations. AIs f i i r das Kation charakteri- stische GroBe wurde der Ionenradius als Abszisse gewiihlt.

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Es wurden der Figur die PauLwa'schen Radienwerte') zugrunde gelegt, weil diese fiir eine groBere Anzahl der hier interessierenden Ionen angegeben sind; bei Benutzung der G 0 ~ ~ s c m r ~ ~ ' s c h e n Radien erpeben sich keine grundsatz- lichen Unterschiede. In den Fallen, in denen PAULING keine Radien angibt, wurden soweit moglich die GoLDsCZmIDT'schen Werte benutzt (Cr3+, Fe3+) oder neue Werte auf verschiedenen Wegen mit befriedigender Ubereinstimmung ge- schatzt (in diesen Fallen ist in der Figur das Elementsymbol in Klammern ge- setzt); das diirfte zulassig sein, da unsere Darstellung grol3enteils nicht sehr empfindlich gegen kleine hderungen des Ionenradius ist. - Bei den Siede- punkten, fiir welche nur Schltzungen vorliegen, sind die Schatzungsbereiche in der Figur durch senkrechte Striche angedeutet; fiir ThF, liegt nur ein Minimal- wert in der Literatur vor.

Bei weitem das einfachste Verhalten zeigen die hoherw e r t igen , vornebmlich die v i e r w e r t ig en H a log en i d e ; die Siedepunkte

I I I I I I I

45 40 a us 40 0 05 0 g5- i ~onenradtus in A

Fig. 3. Abhangigkeit des Siedepunktes von Halogeniden vom Radius des Kations. o Hauptgruppen, Nebengruppen, x Ungesattigte

1

liegen mit geringer Streuung auf einheitlichen, mit dem Ionen- radius steigenden Kurven unabhlngig davon, ob es sich urn Halo- genide der Haupt- oder Nebengruppen oder um ungesattigte Ver- bindungen handelt. Ausnahmen bilden nur die Hexafluoride, die

Nach der Zusammenstellung von v. M. GOLDSCHMIDT in K. FREUDEN- BERQ, Stereochemie, Leipzig und Wien 1932, Liefg. 1.

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einen kleinen Unterschiedl) zwischen Haupt- und Nebengruppen zeigen, und CCl,, das hoher als SiCI, siedet.

Bei den 2- und 3-wertigen Halogeniden aber erhiilt die Elek- t r o n e n s t r u k t u r des Kations, die insbesondere GRIMM~) als be- stimmenden Faktor fur verschiedene Eigenschaften erkannte, einen entscheidendenEinflu6 auf den Siedepunkt. Nach FAJANS~) gilt, dal3 nichtedelgasiihnliche Ionen starkere Deforrnationswirkungen aus- uben als solche mit 8er- Schalen, und dal3 starkere Deformations- erscheinungen groBere Fliichtigkeit erklaren konnen. So ist es ver- standlich, daB gesattigte Halogenide der Nebengruppen und un- gesiittigte Halogenide 2;. T. bedeutend tiefer sieden als die gesattigten Halogenide der Hauptgruppen mit gleichem Kationenradius. Das erinnert an die entsprechenden Unterschiede in den Kristallstrukturen; denn GOLDSCHMID~~) fand, dalj Ionen mit starken Polarisationseigen- schaften den Obergang zum Molekiilgitter in ahnlicher Weise be- giinstigen wie kleinere Kationen mit Edelgaskonfiguration. - Ionen vergleichbarer Elektronenstruktur liegen im allgemeinen auf glatten Kurven, die denen der Hauptgruppen ahnlich verlaufen (z. B. Tri- chloride von N, P, As, Sb, Bi). Der starke Abfall in der Reihe: Zn-Cd- Hg zum Hg hin ist ~erstiindlich~), denn man hat viele Anzeichen dafiir, daB die Polarisationseffekte in der Au-Reihe des periodischen Systems ungleich starker sind als in der Cu- und Ag-Reihe.6)

Die Tatsache, daB die Elektronenstruktur bei den hoherwertigen Halogeniden fast gar keinen EinfluB auf den Siedepunkt ausubt, deutet darauf hin, daB hier wohl mit wenigen Ausnahmen (z. B. ThF,) den Mole- kulgittern sehr nahe stehende Strukturen vorliegen; in diesen diirften sich die spezifischen Eigenschaften der Elektronenstruktur eines Kations nur im zugehorigen Molekul bemerkbar machen, so daB sie bei der Verdampfung, die ja bei Molekiilaggregaten die einzelnen Molekule in sich kaum veriindert, nicht in Erscheinung treten. Immerhin wird wohl bei den 4-wertigen Fluoriden etwa

l) Bei den 5- und 6-wertigen Halogeniden ist der OrdinatenmaSstab gro13er

a) H. GRIMM, 2. phys. Chem. 98 (1921), 353 und spiitere Veroffentlichungen

s, K. FAJANS, Naturwiss. 11 (1923), 165. 4, Vgl. z. B. V. M. GOLDSCW~~T, Ber. 60 (1927), 1280. 6, Darauf wies schon K. FAJANS hin; vgl. H. GRIMM, Z. phys. Chem. 102

(1922), 148. 6, Vgl. W. KLEMM, Z. anorg. u. allg. Chem. 152 (1926), 302; Z. phys.

Chem. 12 (1931), 12; V. M. GOLDSOEIMIDT, Geochem. Verteilungsgesetze 8 (Oslo 1927), 73.

gewiihlt.

in derselben Zeitschrift.

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W. Fischer. Konstitution von Halogeniden 329

vom TiF4, bei den Chloriden vom ZrCI:) ab die Umhiillung durch die Anionen so unvollkommen, daS ein Kation durch die Liicken der zum eigenen Molekiil gehorigen Halogenionen auch noch geringe elektrostatische Kriifte auf die Anionen der Nachbarmolekiile ausiiben kann und dadurch der Siedepunkt ,) in stiirkerem MaSe erhoht wird. Aber diese ersten Anzeichen eines Obergangs zur Koordi- nationsstruktur reichen anscheinend nicht aus, um die Effekte zweiter Ord- nung, die die Verschiedenheit der Elektronenstruktur hervorruft, in Erscheinung treten zu lessen.

Die Fig. 3 gibt nur eine Auswahl charakteristischer Beispiele. Bei den Fluoriden sind die Unterschiede krasser, die Kurven der Bromide und Jodide verlaufen in allen Fiillen flacher und ausgeglichener. - Die Schmelzpunkte zeigen als Funktion des Ionenradius ein weniger gleichmiifliges Verhalten.

C. Beziehungen z u r K r i s t a l l s t r u k t u r I n grofien Ziigen entspricht dem Steigen der Siedepunkte in

Fig. 3 ein Ubergang der Krjstallstrukturen vom Molekiilgitter zum Ionen-Koordinationsgitter, wie es oben bereits fur einen Sonderfall, den Unterschied zwischen Hauptgruppen und Verbindungen nicht- edelgasiihnlicher Ionen, erwiihnt wurde. Doch gibt es davon einige bemerkenswerte Ausn a hmen.

So siedet z. B. CrCl, aufierordentlich vie1 hoher als F&13 (vgl. Fig. 3), trotzdem die Gitter beider Verbindungen3) nur einen geringen Unterschied auf- weisen, der allerdings in der Richtung liegt, da13 CrCI, den Koordinationsstruk- turen etwas niiher steht. Auffiillig ist auch der Unterschied der Siedepunkte von HgCI, und PbCI,, trotzdem sie sehr iihnliche Gitter besitzen4), wiihrend anderer-

l) Zirkonchlorid ist mit W. BILTZ [Z. anorg. u. allg. Chem. 131 (1923), 2; 133 (1924), 314; 152 (1926), 2811 nach seinem hohen Schmelzpunkt und der Un- loslichkeit in fliissigem Chlor, nach unseren Kriterien (TF/Ts, > 1, o/Tsb, grol3, Erhohung der Raumerfiillung gegeniiber TiCI,) sowie nach seinem kleinen Aus- dehnungskoeffizienten [W. KLEMM, W. TILK u. S. v. MULLENHEW, Z. Elektro- chem. 34 (1928), 5241 sicher als fjbergangsglied anzusprechen; immerhin sollte es aber, nach den obigen Uberlegungen im Text und nach dem Ansteigen der Sublimationspunkte vonZrC1, nachZrJ, beurteilt (vgl. die folgende Abhandlung S. 358), den Molekiilaggregaten noch nahe stehen. H. HANSEN [Z. phys. Chem. B 8 (1930), 11 glaubte nach Rontgenuntersuchungen sogar auf das VorIiegen des SnJ,-Typus (Molekiilgitter) schlieBen zu miissen, doch ist dies Ergebnis nach V. M. G O L D S C ~ D T [Fortschr. der Min. Krist. Petrogr. 15 (1931), 1041 unrichtig. Wir mochten vermuten, daS es sich hier um eine fjbergangsstruktur handelt, die kein Schichtengitter darstellt (vgl. S. 330 u. 345).

2) Fur diese Betrachtungen wie iiberhaupt den grolten Teil dieses Ab- schnittes wiire es richtiger, EnergiegroSen, niimlich Verdampfungs- oder Subli- mationswarmen (vgl. S. 331), als Funktion des Ionenradius zu vergleichen; doch sind diese Gro13en in zu geringer Anzahl bekannt, so da13 wir zum Vergleich der Siedepunkte als Notbehelf greifen mul3ten.

3) N. WOOSTER, Z. Kristallogr. 74 (1930), 363; 83 (1932), 35. 4, H. BRAEKKEN u. L. HARANG, Z. Kristallogr. 68 (1928), 123.

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seits CdCI, [Schichtengitterll) und PbC1, [M~lekiilgitter]~) trotz verschiedener Gitter gleiche Siedepunkte besitzen. - Bei den letzten drei Verbindungen CdCl,, HgCI, und PbCl, ist die Abstufung der Sublimationswiirmen ungefahr die- selbe wie die der Siedepunkte; sie steht also ebenfalls nicht in einfacher Be- ziehung zu den Gittertypen. Bei FeCl, und CrCl, scheint aber der hnlichkeit ihrer Gitter eine fast vollige Gleichheit ihrer Sublimati~nswiirmen~) zu entsprechen, so daD hier nur der Unterschied der Siedepunkte auffallig bleibt.4) - Zu dieser Frage ist zu bemerken, daB erstens nicht die Eigensahaften des Gitters allein den Siedepunkt bestimmen. Zweitens aber sind die Gitterbestimmungen gerade bei den relativ komplizierten ijbergangstypen, die hier in Frage kommen, doch noch mit einer solchen Unsicherheit behaftet, daD man z. B. nicht angeben kann, in welchem Umfange ein gegebenes Gitter von einer idealen Ionen- Koordinationsstruktur abweicht. So w&re es durchaus denkbar, daB z. B. das Gitter des PbCl, eine in so geringem MaBe zum Molekiilgitter verzerrte Koordi- nationsstruktur darstellt, daD es energetisch dem Schichtengitter des CdCI, ungefiihr gleichsteht.

D. W ic h t ig s t e E r g e b niss e dies es A bs c hn i t t es :

a) Bei s te igender Wer t igke i t du rch lau f t de r S i sde - p u n k t de r g e s a t t i g t e n Halogenide meis t e in Maximum und ein Minimum; je starker die Polarisationseffekte, desto ausgeglichener sind die Kurven.

b) Der Schmelzpunk t zeigt bei Betrachtung derselben Stoffreihen wie unter a) eine sys t ema t i sche Verschiebung des Ver laufes gegenuber den Siedepunkten .

c) Die unter a) und b) aufgefuhrten Erscheinungen erlauben eine Einteilung der gesattigten Halogenide in 4 Gruppen (vgl. S. 325/526) : 1. Ionenaggregate, 2. Ubergangsglieder, 3. normale Molekulaggregate, 4. hochwertige Molekulaggregate. Die Mehr- zahl der Verbindungen der Gruppen 2 und 4 sublimiert unter At mosphiirendruck.

d) Bei ges i i t t ig ten u n d unges i i t t ig ten Halogeniden g lei c he r W e r t ig kei t stellt sich der Sie d e p un k t hauptsachlich als F u n k t i o n von I o n e n r a d i u s und E lek t ronenkonf igu - r a t i o n des Kations dar. Besonders bei den 4-wertigen Halogeniden tritt der zweite Effekt hinter dem ersten weitgehend zuriick, d. h.

l) P. P. EWALD u. C. HERMANN, Strukturbericht 1913-1926, S. 742.

e, H. BRAEICKEN, Z. Kristallogr. 83 (1932), 222. a) K. JELLINEK, R. Koop u. A. RUDAT, 2. phys. Chem. 145 (1929), 315. 4, Beim FeCI, liegt der Siedepunkt im Verhiiltnis zur Sublimationswarrne

Leipzig 1931.

bemerkenswert tief; vgl. S. 334.

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W. Fischer. Konstitution von Halogeniden 331

bei diesen verschwindet der Unterschied zwischen Hauptgruppen, Nebengruppen und ungesgttigten Halogeniden fast ganz.

E. Der Quo t i en t : Schmelzpunk t /S iedepunk t Der unter b) soeben erwahnte systematische Unterschied im Verlauf der

Schmelz- und Siedepunkte bringt es mit sich, daD sich das Verhaltnis von Schmelz- zu Siedepunkt T,/TS, bei einem sehr grol3en Teil der Halogenide weit von dem LoRExz’schen Normalwert 0,68 entfernt. In Fig. 4 unten ist die rela- tive Haufigkeit (in Prozent aller bekannten Fiille) aufgetragen, mit der jenes Verhaltnis in den Inter- vallen 0,33-0,37; 0,38-0,42; 0,43-0,47 usw. liegt. Die Figur zeigt, daB diese Haufigkeit zwar ein Maximum bei etwa 0,65 besitzt, aber das breite Interval1 von 0,73-1,07 ist noch fast mit der halben Haufigkeit des Maximums besetzt, und rund aller Haloge- 0 nide sublimiert unter Atomsphiiren-

khnen also bei den Halogeniden Schmelz- und Siedepunkt im all- 0 gemeinen sicher nicht beide als iibereinstimmende Zustande ange- 1o sehen werden; und wenn dies fur einen von beiden Punkten gelten sollte, so wird man dieses aus anderen Griinden eher fiir den Siedepunkt zu erwarten haben. - Die oberen 4 Reihen der Fig. 4 zeigen, wie sich die Verbindungen der einzelnen Halogene in dieser Hinsicht verhalten. Am ehesten nahern sich dem normalen Verbal- Fig. 4. Haufigkeitsverteilung fiir das ten nach LORENZ die Jodide, wah- rend die sublimierenden Stoffe am stiirksten unter den Fluoriden vorherrschen (etwa 25O/,). an l i che Verhalt- nisse scheinen bei den Oxyden vorzuliegen, denn auch hier sublimieren von 29 Verbindungen, deren Schmelz- und Siedepunkte bekannt sind, 7, d. h. rund l/*.

11. Sublimations- und Verdampfungswarmen

Diese energetischen GroSen sind als Kennzeichen fiir die Fluchtig- keit den Siedepunkten vorzuziehen, da sie in einfacherem theoretischen Zusammenhang mit der Konstitution stehen. Sie bieten ferner den Vorteil, einen Vergleich von Kristall und Schmelze unter dem gleichen

*

buck (d. h. T,/T,d > l)! ES M

-%?fid

Verhiiltnis: T,/Tsd

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332 Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 211. 1933

Gesichtspunkt zu ermoglichen. In groBen Ziigen ist ihr Verlauf der- selbe wie der der Siedepunkte. Da die Zahl der bekannten Ver- dampfungswiirmen vie1 geringer ist als die der Siedepunktsangaben, haben wir letztere ausfuhrlicher besprochen und wollen uns jetzt auf die Feststellung beschranken, in welchem Umfange Abweichungen von der P r o p o r t i o n a l i t a t von Verdampfungswarme A und Siede- temperatur Ts , bzw. von Sublimationswarme (T und Sublimations- temperatur TSbl auftreten, d. h. wir wollen prufen, wieweit TROUTON- sche R e ge 1 : I / Ts, = konst. (= Verdampfungsentxopie beim Siede-

(= Sublimationsentropie beim Sublimationspunkt) bei den Halo- geniden erfiillt sind.

Die Verdampfungswarmen wurden fast ausschliellich nach CLAUSIUS- CLAPEYRON aus Dampfdruckmessungen abgeleitet. Urn die LE CHATELIER-FOR- CRAND’SChe Beziehung an einer moglichst grol3en Anzahl von Halogeniden priifen zu konnen, berechnete man hierfur soweit moglich auch Sublimationswarmen als Summen von Verdampfungs- und Schmelzwarmen. Einer Temperaturabhilngigkeit von il bzw. u wurde nicht Recbnung getmgen. Die Sublimationstemperatur wurde notwendigenfalls aus der Dampfdruckkurve des festen Stoffes extra- poliert, wie es frbher beschrieben wurde’); sie liegt nur in seltenen Fallen um mehr als 10% tiefer als die Siedetemperatur der Schmelze, und es konnen die in Abschnitt I fur die Siedetemperaturen gefundenen Regelmaligkeiten ohne weit,eres auf die Sublimationstemperaturen ubertragen werden. - Die Unsicher- beit clieser indirekt berechneten Werte fur ci/!fsbl ist nicht so groB, daB die spater zu ziebenden Schlusse dadurch in Frage gestellt wiirden.

Die gefundenen Werte fur den TRouToN’sChen Q u o t i e n t e n seien der Raumersparnis halber nicht in extenso wiedergegeben, zumal sich die Mehrzahl der Werte gut an eine von EUCKEN~) gegebene Inter- polationsforrnel: I/TSd = 7,4.log T,, + 2 anschlieBen. Erstaunlicher- weise ist die Ubereinstimmung mit dieser Formel bei tiefsiedenden Molekulaggregaten, hochsiedenden Ionenaggregaten (Alkalihaloge- nide, Erdalkalifluoride mit Siedepunkten bis 27000 abs.) und vielen Ubergangsgliedern (z. B. AlCI,, HgCI,) im allgemeinen gleich gut. Nur wenige Stoffe (von insgesamt 86) zeigen Abweichungen, die mehr als 5 3 Einheiten (entsprechend etwa & 1 5 O / J betragen; diese Aus-

1) W. FISCHER u. 0. RAHLFS, Z. anorg. u. allg. Chem. 205 (1932), 39. 2) A. EUCKEN, Handb. d. Experm. Phys. VIII, 1 (1929), 575, zitiert als

Urheber dieser Formel H. v. WARTENBERG, Z. Elektroohern. 20 (1914), 444, der sie aber ohne die additive Konstante + 2 angegeben hat. Die EucmN’sche Formel schliel3t sich den Halogeniden von mittlerem Siedepunkt besser an, wahrend die von v. WAR.TENBERQ bei den hochsiedenden bessere Uberein- stimmung mit dem Experiment ergibt. Fur unsere Zwecke sind diese kleinen Unterschiede aber belanglos.

punkt) bzw. LE CHATELIER-FORCRAND’SChe R egel: (T/!i?Sbl = konst.

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W. Fischer. Konstitution von Halogeniden 333

rl ‘Sd stoff I kcal 1 abs.

nahmen sind in Tabelle 1 nebst den nach EUCKEN berechneten Werten aufgefuhrt. Wahrend die auffallig niedrigen Werte fur die Cupro- halogenidel) vereinzelt dastehen, ist bemerkenswert, da13 siimtliche Halogenide der Haupt- und Nebengruppen mit s t a r k p o s i t i v e n A b w eic h u n g en 0 b erg an g s gli e d e r sind oder diesen nahestehen (BeCI,, BF,, SiF,, AsF,), was auch von der Mehraahl der ungesattigten Halogenide der Tabelle 1 gelten durfte.2)

Tabelle 1 Halogenide mit stark abweichenden Werten fur den TROWTON- Quotienten

YTsa Wsa A ber. gef. - ber. gef.

675 715 663 314 254

BeCI,/Be,Cl, . . 27 BF, . . . . . . 4,5 SiF, . . . . .I 4,5 I

27 1 23 28

28 23 + 5 24 25

Cu,CI,. . . . . 19 1 Cu,Br, . . . 19 CuJ4) . . . . 19 I AsJ, . . . . . BiCl, . . . . . TeCl, . . . . .

ASF,‘ . . . . .i 5,o I 19 19 18,,

Entsprechende Abweichungen in ausgepragterer Form und grofierer Zahl finden Wir bei den LE CHATELIER-FoRCRAND’schen

Quotienten5), die in Tabelle 2 wiedergegeben sind. Der Temperatur- gang fur den Normalwert dieser GroSe la& sich durch die NERNST’SChe Naherungsgleichung als Interpolationsformel wiedergeben6) ; fur die Halogenide ist die Anlehnung an die gefundenen Werte am besten,

1) Auf diese merkwiirdige Tatsache wiesen schon R. LORENZ u. W. HERZ, Z . anorg. u. allg. Chem. 135 (1924), 381 hin.

2) Bei diesen Stoffen ist die Zugehorigkeit zu den verschiedenen Klassen noch nicht ganz geklart; vgl. S. 325.

Extrapoliert. *) Bezuglich der MolekulargroBe vgl. K. JELLINEK U. A. RUDAT, Z. phys.

Chem. A 143 (1929), 5s. 6, Natiirlich wird die GroBe des LE CHATELIER-FORCRAND- Quotienten

durch Modifikationswechsel geandert. Wir haben uns stets auf die beim Schmelz- punkt stabile Modifikation bezogen.

6, W. NERNST, Lehrb. d. theor. Chem. 11.-15.Aufl. (1926), S. 815; P. WINTERNFIZ, Phys. Ztschr. 15 (1914), 397.

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334 Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 211. 1933

NaCl . . . . . HCl . . . . . . NaF . . . . . KF . . . . . .

wenn man dabei die chemische Konstante gleich 2 setzt: u/TS,,, = 4,57 (1,75 log T,,, + 2). Nach dieser Formel sind die Zahlen der vor- letzten Spalte der Tabelle 2 berechnet. Hochsiedende Ionenaggregate und tiefsiedende Molekiilaggregate zeigen wiederum keine grund- satzlichen Unterschiede. Grofiere negative Abweichungen geben hier aufier Cuprochlorid auch die Ag-Halogenide, wahrend dies beim TROUTON’SChen Quotienten auf die Cuprohalogenide beschriinkt war. duffallend sind die zah l r e i chen und z. T. s e h r grol3en pos i t i ven Abweichungen (durch ! gekennzeichnet, wenu sie 5 Einheiten ent- sprechend ebenfalls etwa 15O/, uberschreiten), und zwar betreffen diese fast ausschl ief i l ich typische o b e r g a n g s g l i e d e r oder deren unmittelbare Nachbarn im periodischen System (BeCI,, BeBr,, BF,, AIHal,, SiF,, ZrHal,, GeF,, AsF,, FeCI,, welch Ietzteres sich in seinem ganzen Verhalten besonders eng an AICI, anschliefit). - Fur Stoffe, die nach Tabelle 1 einen grol3en TROUTOW Quotienten besitzen, finden

Tabelle 2 LE CHATELIER-FORCRAND’SChe Quotienten

51 48 62 49

Hauptgruppen

BeCl,/Be,Cl, . BeBr2/Be,Br, . . BeJz/BezJ4. . . BF, . . . . . . AlF,(Al,F,?) . . AI,Br, . . . . . AlJ,/Al,J, . . .

SiF, . . . . . SiCI, . . . . . TiCl, . . . . . ZrC1, . . . . . ZrBr, . . . . . ZrJ, . . . . . SF,. . . . . . MoF. . . . . .

AI,CI, . . . . .

CCI,1) . . . . .

PCI,. . . . . .

WF,” . . . . . ‘ 8;7 UF, . . . . . .I lo,,

1600 1550 1850 1650 752 746 761 166

1565 453 4G5 580 340 178 292 362 604 630 704 436 210 303 285 329

32 31 34 30 40 40 35 34 46 60 42 41 25 35 31 31 43 42 42 36 27 27 30 31

35 35 35 35 32 32 32 27 35 30 30 31 29 27 29 30 31 31 32 30 28 29 29 29

- 3 - 4 - 1 - 5 + 8 ! + 8 ! 4 3 + 7! +11! +30! +12! +lo! - 4 + 8! + 2 + 1 +12! +11! +lo! + 6! - 1 - 2 + 1 + 2

Fiir die unter 1) Bezogen auf die beim Schmelzpunkt stabile Formart. 225O abs. stabile Modifikation wurde (unter Estrapolation) der LE CHATELIER- Quotient ungefahr gleich 31 ; er schwankt also fur beide Formarten etwas um den berechneten Wert (vorletzte Spdte) von 29.

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W . Fischer . Konstitution von Halogeniden 335

Tabelle 2 (Fortsetzung)

1000 1030 1150 1100 1000 440 460 660 585 380 254

CU.CI. . . . . . AgCl . . . . . AgBr . . . . . HgCI. . . . . . HgBr. . . . . . HgJ. . . . . . SnC1. . . . . . AsF. . . . . . SeF. . . . . . TeF. . . . . . JF. . . . . . . HC1 . . . . . . HBr . . . . . H J . . . . . .

GeF. . . . . .

29 28 30 29 33 33 32 39 67 33 41

TlCl . . TlBr . . . . . PbCI. . . . . . PbBr. . . . . . PbJ. . . . . . AsBr. . . . . . SbC1. . . . . . Fe.CI. . . . . . JBr . . . . . . Au.CI. . . . .

Si2F. . . . . .

wir. soweit das

27 47 43 18. 5

18.. 1% 8. 3

797 5. 6 6. 1 7. 3 4. 6 591 5. 4

11

29 29 35 32 33 14.. 1495

33.. 1% 10. 3

26

Nebengri 1200 1700 1600 572 573 600 236 345 210 227 235 277 184 204 236

Pen 23 28 27 32 32 33 35 32 37 25 26 26 25 25 23

34 35 35 31 31 31 28 29 28 28 28 29 27 28 28

33 33 34 33 33 30 30 32 31 30 28

-11 - 7 - 8 3.1 3-1 3 - 2 + 7 ! + 3 + 9 ! - 3 - 2 - 3 - 2 - 3 - 5

- 4 - 5 - 4 - 4

0 + 3 3 - 2 + 7 ! 1-28! + 3 +13!

vorliegende Material eine P r i u n g gest&.tet. stets such groBes O/Tsb. .

Das Auftreten von groBen Werten fur o/T... 1aBt sich auf eine ahnliche Verschiebung des Verlaufes von u gegenuber dem von TSbl zuruckfuhren. wie wir sie in Abschnitt IA (vgl . Fig . 1) fur Schmelz- und Siedepunkte fanden . Fig . 5 zeigt zwei Beispiele . Der Abfall von u im Gebiet der Ubergangsglieder erfolgt also spider als der von T... und entspricht damit der Verzogerung des Abfalles von TF gegen- uber dem von Tsd . Wahrend aber die Kurven der Schmelzpunkte sich bei den hochwertigen Molekulaggregaten mit steigender Wertig- keit abermals denen der Siedepunkte ntihern. zejgen die Subli- mationswiirmen diese Erscheinung im allgemeinen nicht . So haben die sub l imie renden Endg l i ede r (SF. und Homologe. JF. ) eine no rma le S u b l i m a t i o n s e n t r o p i e (vgl . Tabelle 2) und u n t e r - s c h ei d en s ic h dadurch in charakteristischer Weise von der anderen sublimierenden Gruppe. den U berg a n g sg l i e d e r n .

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336 Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 211. 1933

von JF, entsprechend der auf S. 335 unten aufgestellten

+o Regel normal ist. Bei AsF, und PC1, bleibt es aber frag-

lich, gangsgliedern ob sie noch zuzurechnen den Ober- sind, oder ob sie Ausnahmen

!&/*L :\,

.

2uuu TnU fluoride Cb/oride ''' #kf, der LE CHATELIER- Quotient

336 Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 211. 1933

Dabei ist jedoch zu bemerken, daB die hierher gehorenden Stoffe mit ungerader Wertigkeit relativ groBe Sublimationswiirmen besitzen [vgl. Tabelle 2; PCl, (15,5) > SiCI, (9,l); JF, (7,3) > TeF, (6,l); A d , (7,7) grol3er als das Mittel (7,O) von GeF, und SeF,]. Dadurch kommen bei PCl, und bei AsF5 Sublimations- entropien zustande, die den Normalwert merklich iiberschreiten, wiihrend das Wachsen der Sublimationswiirme von TeF, nach JF, gerade durch das Ansteigen

von TSbl kompensiert wird und der LE CHATELIER - Quotient von JF, entsprechend der auf S. 335 unten aufgestellten Regel normal ist. Bei AsF, und PC1, bleibt es aber frag- lich, ob sie noch den Ober- gangsgliedern zuzurechnen sind, oder ob sie Ausnahmen von jener Regel darstellen. Fur AsF5 mochten wir das erstere

Fig. 5. Gegenseitige Verschiebung des Verlaufes vermutenv denn es folgt un-

diskutierten Kriterien als Ober- gangsglied anzusprechende

GeF,. PC15 hingegen (vgl. Fig. 1) ist von den nbergangsgliedern durch Sic], ge- trennt, das zweifelsfrei ein normales Molekiilaggregat darstellt. Moglicherweise ist beim PCl, die geringe Exaltation von a/T,,, nur durch Versuchsfehler bei den Dampfdruckmessungen bedingt.l) Immerhin spriiche fiir einen Riickfall in die Klasse der Obergangsglieder die Feststellung von SWONS~), daB PCl, iihn- lich wie das typische Obergangsglied A1CIa3) im festen Zustand eine groSere elektrische Leitfiihigkeit als im geschmolzenen besitzt.

Als E rgebn i s dieses Abschnittes ware fur die gesa t t i g t en H a l og eni d e folgendes festzustellen :

1. Beim Ubergang von Ionen- zu Molekiilaggregaten fallt die Sublimationswiirme spiiter ab als die Sublimationstemperatur ; dadurch erhalten die Ubergangsglieder eine grol3e Subli- mat ionsentropie . Diese Erscheinung fdlt ungefahr, aber nicht genau mit dem Uberschneiden von Schmelz- und Siedepunkt zu- sammen. Die Verdampfungsentropie der Schmelze hin- gegen ist meist normal , nur bei BeC1, erfahrt auch diese eine sshr starke, bei BF,, SiF, und AsF, eine schwachere Erhohung. Das Schmelzen wirkt also meist normalisierend4), d. h. Stoffe mit auffallend grol3er Sublimationswarme Q besiteen merkwurdigerweise

I) Vgl. M. VOLMER u. W. SCHULTZE, Z . phys. Chem. A 166 (1931), 5. Wir sind zur Zeit mit der experimentellen Prufung dieser Frage beschiiftigt.

a) J. H. SIMONS u. G. JESSOP, Journ. Am. chem. SOC. 53 (1931), 1263. 3, W. BIETZ u. A. VOIGT, 2. anorg. u. allg. Chem. 126 (1923), 41. ') Vgl. W. KLEMM, Z. Elektrochem. 36 (1930), 706.

von Sublimationstemperatur T,,, 0 und Sublimationswiirme IJ 0

auf das nach

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W. Fischer. Konstitution von Halogeniden 337

,auch fast stets eine so grol3e SchmelzwBrme Q, daB gerade eine Kompensat ion e i n t r i t t und die Verdampfungswiirme der Schmelze 1 (= 0 - Q) und damit der TROUTON- Quotient normal werden.

2. Die Stoffe der zweiten sublimierenden Klasse, die Mole- kulaggregate hoher Wert igkei t , zeigen im Gegensatz zu den Ubergangsgliedern normale GroBe der Sublimations- und Verdampfungsentropie. - Fur die 5-wertigen Halogenide ist die Zuordnung unsicher.

Bemerkungen: a) tharmodynamische. Die erstaunlich gute Ubereinstimmung zwischen reinen Molekul- und reinen Ionenaggre- gaten hinsichtlich der GroBe der Sublimations- und Verdampfungs- entropien liiBt die Thermodynamik nicht voraussehen; sie zeigt aber, wie hier nicht ausfuhrlich auseinandergesetzt sei, daB TROUTON’SChe bzw. LE CHAmLrER’sche Regel nur dann erfullt sein konnen, wenn sich verschiedene Einflusse (chemische Konstante, spezifische Wrir- men, Schmelz- und Verdampfungswkmen) weitgehend kompen- sieren.1) Diese Tatsache erlaubt u. a. bei den Ausnahmen von jenen Regeln gewisse Schlusse zu ziehen; so durfte z. B. das Auftreten groBer Sublimationsentropien bei den ‘ifbergangsgliedern darauf zuruck- zuf uhren sein, daB der sonst zwischen Sublimationswiirme und spezi- fischen Wiirmen bestehende Ausgleich bei diesen Stoffen durch relativ kleine Werte der spezifischen Wiirme im festen Zustand gestort wird. Fur das AlCl, konnten wir dies durch das Experiment bestatigen.2) - Fur das Oberschneiden von Schmelz- und Siedepunkt bei den uber- gangsgliedern lfBt sich jedoch keine entsprechende ErklBrung geben.

b) tfber die Giiltigkeit des Theorems der iibereinstimmenden Zustiinde. Die Giiltigkeit von allgemeinen Begeln, die die stoffliche Indi- vidualitiit eliminieren, wie z. B. die !homoN’sche Regel, l&Bt die Existenz eines aul3er-thermodynamischen Pr inz ips vermuten; und zwar scheint es sich in unseremFaUe urn ein Prinzip zu handeln, das sich in ersterLinie auf den fliissigen Zustand erstreckt, weil, wie wir oben zeigten, die auf den fliissigen Zustand bezogene TRonroN’sche Regel in vie1 weiterem umfang erfiillt ist ah die auf den f e s t en bezogene LE CHATELLER’SChe Regel. Man mochte deshalb ge- neigt sein, in jenem Prinzip das Theorem der iibereinstimmenden Zustiinde zu vermuten, das sich ja ausdriicklich auf den fluiden Zustand bezieht. AuDer den schwerwiegenden Bedenken, die F. M. JAEaER3) gegen diese Annahme erhob,

1) Betreffs Einzelheiten vgl. die Habilitationsarbeit des Verfassers. Han- nover 1932. Jhnliche tfrberlegungen finden sioh bei J. LANCMUIR, Journ. Am. chem. SOC. 64 (1932), 2805.

*) Vgl. Abhandlung 2 dieser Reihe. 3, Stiert bei R. LORENZ u. W. HERZ, Z. anorg. u. allg. Chem. 117 (1921), 103.

Z. anorg. u. allg. Chem. Bd. 211. 22

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338 Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Clhenkie. Band 211. 1933

steht dem aber entgegen, da13 bei den Ionenaggregaten nicht einmal die nach der theoretischen Begriindung des Theorems durch K. ONNES') fur die Giilt,ig- keit dieses Prinzips notwendige Grundbedingung (gleiche Anzahl der Bausteine im Dampf und in der Schmelze) erfiillt ist. Solange die Grundlage fur eine exakte Pridung des Theorems a n den Ionenaggregaten fehlt, weil noch keine kritischen Daten experimentell bestimmt sind, halten wir alle diesbeziiglichen Spekula- tionen fur verfriiht.

GroBe TROUTON- Quotienten deutet man als Anzeichen von Assoziation. Dieser an sich nicht scharf definierte Begriff verliert bei Ionen- schmelzen bis zu gewissem Grade seinen Sinn. Immerhin ware es denkbar, daB z. B. in geschmolzenem BeCI, sich ein Anfang von Ionenkoordination darin LuBert, da13 die Molekiile sich gegenseit,ig zu verzahnen beginnen und dadurch grol3ere Komplexe bilden. Im Einklang damit steht d.ie Beobachtung, daB die BeClp-Schmelze stark viskos i k 2 )

c) Assoziat ion.

111. Volumina

A. Volumenanderungen mi t Wechsel des A g g r e g a t z u s t a n d es

Wir wenden uns nuninehr der Fra.ge zu, ob die in Abschnitt I und I1 an Hand des Verlanfes anderer Eigenscha,ften unterschiedenen 4 Stoffgruppen sich auch hinsichtlich der Volumina verschieden ver- halten. Zunachst sollen unter diesem Gesichtspunkt die Un t e r - schiede des Volumens eines Stoffes im liristallisiarten und flussigen Zu- stand, namlich die Beziehungen des Kristall-Nullpunktsvolumens3) V , zum Volumen der Schmelze beim Schmelzpunkt V , bzw. beim Siedepunkt V s , untersucht werden ; wir wollen dabei insbesondere prufen, in welchem Umfange die L o ~ ~ ~ z ' s c h e n Normalwerte4) fiir diese Quotienten: VF/V, = 1,21 und VSd/VO = 1,41 eine zuverliissige Gchatzung von V o aus Angaben uber die Schmelzvolumina gestatten, weil diese letztere Frage im Rahmen der BrLTz'schen Volumenbetrach- tungen besonders interessierte. Unter E. sol1 tlann fur einige Stoff- reihen der Gang der Volumina selbst betrachtet werden.

Die Kristall-Nullpunktsvolumina wurden den noch unveroffentlichten ,,Raumchemischen Tabellen" von W. BILTZ entnommen; V , und V s , wurden nach Dichtemessungen der Literatur berechnet, wobei nur gelegentlich in starkerem MaBe extrapoliert werden niul3te. I n vereinzelten Fallen, in denen nur Dichtemessungen bei einer einzigen Temperatur vorlagen, wurde die Extra- polation mit geschatzten Ausdehnungskoeffizienten in Analogie zu verwandten

I) K. ONNES u. W. H. KEESOM, Enzylil. d. Math. Wiss. V, 1. Physik.

2, Vgl. die folgende Abhmdlung 8. 351. 3, Beim Auftreten verschiedener Modifikationen beziehen wir uns nur m f

4, R. LORENZ, Raumerfullung und Ionenbeweglichlreit. Leipzig, L. Voss 1922,

(1911), 69Sff.

die bei der tiefsten Temperatur stabile.

S. 28/29.

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W. Fischer. Konstitution von Halogeniden 339

Stoffen vorgenommen. Bei einigen Erdalkali- und seltenen Erdbalogeniden wurde der Unsicherheit in der Kenntnis der Siedepunkte in den Figuren durch Striche entsprechender Lange Rechnung getragen. Selbst die Extrernwerte fur alle diese Unsicherheiten wiirden nicht ausreichen, urn die groben Effekte, die im folgenden nur eine Rolle spielen, wesentlich zu iindern.

In Fig. 6a sind die genannten Volumenquotienten fiir solche Stoffe aufgetragen, die wir nach allen anderen Kriterien als Molekul- aggrega te (Klasse 3 und 4, S. 326) ansehen mussen, und zwar gegen das Verhaltnis von Schmelz- zu Siedepunkt als AbszissenmaBstab, so

a ) Fig. 6 b ) a) = Volurnen-Quotienten bei Molekiilaggregaten

b ) = Volumen-Quotienten bei Ionenaggregaten und fibergangsgliedern der gesattigten Malogenide der Nebengruppen und der ungesattigten Halogenide

daB sublimierende Stoffe (Klasse 4) in der E'igur nach rechts riicken. Bei dieser Art der Darstellung ergibt sich niimlich fur VF/V, in engen Grenzen eine geradlinige Abhiingigkeit von T,/T,,. Ausnshmen bilden GaJ, und CF,, bei welch letzterem vielleicht wegen des be- sonders tiefen Siedepunktes jene Beziehung nicht mehr gilt. - Eine notwendige Folge dieses Verhaltens von TrF/Vo ist nun, da13 sich fur VSd/VO als Funktion von TF/T,, der Anstieg je nach der GroBe des Ausdehnungskoeffizienten mehr oder weniger abschwiichen muB. In der Tat zeigt die Figur, dal3 (wieder abgesehen von CF, und Ga J,) nur

22*

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340 Zeitschrift fiir anorgttniaohe und allgemeine Chemie. Band 211. 1933

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In Fig. 6 b sind in gleicher 4 Weise die Volumenquotienten fur

Ionenaggregate und Uber- %@ gangsglieder der Nebengrup-

‘q fvFaf pen und ungesii t t igten Ha- . logenide aufgetragen. Das Ver- hiiltnis V,/V, zeigt nur noch eine schwache Andeutung von einem Anstieg mit T,/Ts,, wiihrend VS&’, von dieser Grofie wiederum

-/iu.@ !Of A!4 unabhangig ist; aber in beiden Fallen streuen die Werte in wei- teren Grenzen. @C{

-4 q4 29 Fig. 7 schliefilich gibt die Vo- \ -fuo 4 , -Be@ lumenquotienten fur gesattigte

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W. Fischer. Konstitution von Halogeniden 343.

suchen. Die Alkalihalogenidel), fiir die der Obersichtlichkeit halber nur einige extreme Werte eingetragen sind, besitzen durchweg grol3e Quotienten. In den homologen Reihen der 2- und 3-wertigen Chloride aber scheint fur den Verlauf der Volumenquotienten (besonders bei VF/Vo) ein Pendeln uber ein Maximum (iiberstrichen) und ein Mini- mum (unterstrichen) charakteristisch zu sein : BeCl,, E g q , C S , SrCl,, BaCI,; A T , , ScC&, YCI,, - LaCI,.

Dieses Pendeln bringt es mit sich, daB einzelne dieser Stoffe gerade die LORENz’schen Normalwerte erreichen; das mu13 im Rahmen des Gesamtverhaltens aber durchaus als Zufall angesehen werden. Ebenso halten wir es f i i r einen zu- fall, daB einige Verbindungen der Fig. 6b und 7 sich der fiir Molekulaggregate giiltigen geradlinigen Beziehung zwischen VF/V,, und TF/T,, zuordnen (ThCl,, ScCI,, InCI,, GeF4, AsE’,); sie weichen niimlich zum Teil (InCl,, GeF,) hinsicht- lich vSd/v, stark von den Molekiilaggregaten ab, bzw. zeigen engverwandte Stoffe (SiF,, AlCl,) jene Zuordnung nicht mehr.

Die VolumenBnderung beim Schmelzen zeigt in allen Fiillen ein sehr iihnliches Verhalten wie der Quotient VF/Vo, nur sind die Unterschiede meist noch ausgepriigter.

Als Ergebnis dieser Betrachtung uber die Volumenquotien- t e n der Halogenide finden wir also folgendes2):

1. Bei Ionenaggregaten und nbergangsgl iedern der H a u p t gruppen herrscht vorliiufig unubersichtliche Regellosigkeit.

2. Bei Molekulaggregaten liegen die Quotienten VsdVo fur die normalen sowohl wie die hochwertigen, sublimierenden Stoffe innerhalb enger Grenzen; der Mittelwert 1,44 liegt nur wenig hoher als der LORENZ’sChe Normalwert 1,41. Diese Beziehung durfte also bei Molekiilaggregaten zur Abschiitzung von Nullpunkts- volumen fast stets brauchbar sein. Der Quotient VF/V0 hingegen andert sich stark mit dem Verhaltnis TF/Tsd und liegt nur dann, wenn T,/T,, nahe gleich dem Normalwert 0,68 ist, in der Nahe des LoRENz’schen Wertes 1,21.

l) Die Zahlenwerte einer entsprechenden Zusammenstellung von R. LORENZ und W. HERZ, z. anorg. u. allg. Chem. 117 (1921), 103 und die daraus gezogenen Folgerungen sind durch die inzwischen erfolgte experimentelle Bestimmung der Siedepunkte, die gegeniiber den von LORENZ und HERZ benutzten Schatzungen urn 200-400° hoher liegen, iiberholt.

2, Die Fig. 6 und 7 zeigen, daB man n ich t f i i r einzelne kleinere Stoff- gruppen charakteristische Mittelwerte fiir VF/V, aufstellen kann, in welchem Sinne die Ausfiihrungen von W. KLEMM, Z . anorg. u. allg. Chem. 152 (1926), 312 gelegentlich mifiverstanden worden sind; diese sollten nur die Sonderstellung der Alkalihalogenide und einiger anderer Ausnahmen von der LORENZ’SChen Regel betonen.

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342 Zeitschrift fur a.norganische und allgemeine Chemie. Band 311. 1933

3. Die Ionenaggrega te und Ubergangsgl ieder d e r Nebengruppen u n d u n g e s a t t i g t e n Ha logen ide zeigen zwar geringere Schwankungen als diejenigen der Hauptgruppen, aber es lassen sich keine einfachen Regeln wie bei den Molekulaggregaten anffinden. GroBere Abweichungen des Quotienten VF/Vo vom Normalwert sind - auch bei groBem TF/TSd - hier nicht haufig. Vs,/Vo ist oft bemerkenswert lileid) (wAg J, Zn- und Hg-Halo- genide, Halogenwasserstoffe).

B. K o n s t i t u t i o n u n d R a u m e r f u l l u n g

Das auffallige Verhalten der Ubergangsgl ieder n n d I o n e n - a g g r e g a t e d e r H a u p t g r u p p e n , vornehmlich der 2- und 3-wierti- gen, s e h r groBe und zum Teil in homologen R’eihen osz i l l i e rende Schwanknngen d e r Vo lumenquo t i en ten zu zeigen, wird durch folgende Betrachtung erklarlich. Wir wollen uns dabei auf die Dis- kussion von VsdV, beschranken, da Schwankungen in VF/V, ja noch den EinfluB des nicht als ubereinstimmenden Zustand anzusehenden Schmelzpunktes enthalten. - Urn die Einzelvolumina V, und Vsd in einem von der individuellen GroBe unabhangigen Ma6 vergleichen zu konnen, sind in Fig. 8 die Raumer fu l lungszah len aufgetragen, die sich als Quotienten der aus GoLDscHMIDT’schen Radien be- rechneten Ionen-Kugelvolumina und der betreffenden Molvolumina ergeben2), und zwar einerseits fur den Kristall beim Nullpunkt (Kreise), andererseits fur die Schmelze beim Siedepunkt (Punkte). Homologe Reihen mit gleichem Halogenion sind durch Kurven ver- bunden.

Die auf den k r i s t a l l i s i e r t en Z u s t a n d bezogenen Kurven erlauben nun mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorauszusagen, an welchen Stellen entscheidende Gitteranderungen auftreten, und nur z u diesem Zwecke wollen wir sie im folgenden benutzen, ohne auf weitere Fragen einzugehen. Wenn man die homologen Stoff - reihen in Richtung steigender GroBe des Kations durchlauft (alle folgenden Aussagen sind fur eine Betrachtung der Stoffe in dieser Reihenfolge formuliert), so ist aus rein geometrischen Grunden zu erwarten, daB bei gleiohbleibendem Gittertyp die Raumerfullung

l ) Vgl. W. BILTZ u. A. LEMRE, Z. anorg. u. allg. Chem. 203 (1932), 324. 2) Vgl. W. HERZ, 2. anorg. u. allg. Chem. 184 (1929), 303.

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W. Fischer. Konstitution von Halogeniden 343

abnimmt, solange das Kation lrleiner als das Anion bleibtl), dal3 sie aber nach Durchlaufen eines Minimums wieder ansteigt, wenn das Kation grol3er als das Anion wird. Diese Erwartung finden wir bei den Alkalihalogeniden, soweit sie im NaC1-Typ kristallisieren, be- statigt; das Minimum bei K F ergibt sich also a,ls Folge der Gleichheit der Ionenradien von I<+ und F-. Ein Ansteigen der Raumerfullung aus diesem geometrischen Grnnde ist bei den anderen Stoffen der Fig. 8 nicht mehr zu erwarten, da bei diesen die Kationen hochstens

- 6 A1 Sc Y La -

Fig. 8. RaumerfulIung von gesattigten Halogeniden der Hauptgruppen 0 irn Kristall beim absoluten Nullpunkt; in der Schmelze beim Siedepunkt

und nur in einem Falle (BaF,) die GroBe des Anions erreichen. Ent- sprechend finden wir fur die Reihen: CaF, --f SrF, --t BaF, und Si J, --f Ti J,, die je im gleichen Gitter kristallisieren, ebenfalls einen Abfsll. Einen starken Anstieg der Raumerfullung hingegen finden wir in den Fallen, in denen ein Gitterwechsel entweder rontgeno- graphisch festgestellt (RbCl --f CsCl) oder ails anderen Grunden (z. B. wegen steilen Anstiegs von Schmelz- und Siedepunkt) sehr wahr- scheinlich ist (BeC1, --t RtgCI,, BF,--t AlF,, BCI,-+ AICl,, AlBr, --t ScBr,, SiF, --+ TiF,). Wir entnehmen diesem Befund als Arbe i t s -

l ) 1st das Kation um so vie1 kleiner als das Anion, daB ,,Anionenkontakt" eintritt, so ist die Gultigkeit dieser Beziehung zwar aus geometrischen Grunden nicht mehr zu erwarten (vielleicht bei: SrC1, -+ BaCl,); trotzdem ist sie aber auch in diesen Fallen meist erfullt wegen der gleichzeitig auftretenden starken Polarisationserscheinungen (z. B. : LiJ 3 NaJ).

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344 Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 211. 1933

hypothese, dal3 ein s ta rker Abfall der Raumerfullung auf Bei- behal tung des Gi t te r typs , ein s ta rkes Ansteigen auf einen Gitterwechsel hindeutetl); und zwar handelt es sich im letzteren Falle vermutlich stets urn zunehmende Anniiherung an eine ideale Koordinationsstruktur oder urn eine Erhohung der Koordinationseahl. Die Anderung der Raumerfullung von Stoff eu Stoff ist also verknupft mit der Gitterstruktur, nicht aber ist eine bes t immte GroBe der Raumerfullung oharakteristisch fur einen gewissen Gittertyp.

Damit erhalten wir recht plausible Vorstellungen: z. B. wiirden wir fur die Reihe der 2-wertigen Chloride folgern, daB MgCl, und CaCl, dem gleichen Typ (MgCI,-Typ) angehoren, wahrend BeCI, den Molekiilgittern, SrCl, den

sn-Koordinationsgittern niiher stehen miil3ten; von dem letzteren ist be- kannt, daB es tatsiichlich im Fluorittyp kristallisiert. Ebenso sollten bei den durch Strirhen gekennzeichneten Stellen in den Reihen: BCl, 1 AlCl,, ScCl,, YCI, I LaCI,

cCCl,, SiCI,, TiCl, 1 ZrC1, I ThCI, Gitteriinderungen auftreten; bei dem Gitter der drei Stoffe: AICI,, ScC1, und YCl, handelt es sich nach der Verwandtschaft mit FeC1, sehr wahrscheinlich um ein Schichtengitter.

Fur die S chmelzen scheinen ganz entsprechende RegelmiiBig- keiten zu gelten; Beibehalten der Konstitution diirfte ein Abfallen, Verschiebung der Konstitution nach der Koordinationsseite ein An- steigen der Raumerfullung bedingen.

Dem entspricht, wenn wir z. B. den Charakter der Schmelzen nach der elek- trischen Leitfiihigkeit beurteilen,), ein Abfall der Raumerfiillung von BeCI, nach MgC1, (mittelgrol3e Leitf.), anniihernde Konstanz von MgCl, bis BaCl, (allmahlich zunehmender nbergang in Ionenschmelzen); Abfall von BCI, nach AICl, (Molekiil- schmelzen), Ansteigen von AIC1, bis LaCl, iiber die tfbergangsglieder ScCl, und YCl,; dem Abfall bei den Molekiilaggregaten CCI, bis TiCI, folgt ein Anstieg nach dem mittelgut leitenden ThC14. - In der Reihe der Ionenschmelzen: CsCl 3

BaCl, -t LaC1, nimmt die Raumerfiillung entsprechend der steigenden Ladung zu, wahrend sie zu dem Ubergangsglied ThCl, hin etwas abfallt.

Fur die hier vornehmlich interessierenden 2- und 3-wertigen Verbindungen entnehmen wir der Fig. 8 folgendes :

1. Die hderungen der Raumerfullung irn kristallisierten Zu- stand sind etwas groljer als im geschmolzenen.

Diese Hypothese bewiihrt sich auch fur Oxyde, Sulfide, Selenide und Telluride der Hauptgruppen, sowie f i i r Halogenide der Nebengruppen, wie hier nicht niiher gezeigt werden kann. - Bei kleinen hderungen der Raumerfiillung wird das Kriterium wegen Uberlagerung beider Effekte unsicher; z. B. faalt die Raumerfullung von MgFz nach CaF, trotz Wechsel des Gitters (Rutil- -+ Fluorit- typ); doch erkennt man such hier den EinfluB des Strukturwechsels, wenn man mit dem vie1 steileren Abfall von Mg nach Ca bei den anderen Halogeniden vergleicht.

2, Nach w. BILTZ u. w. I(LEMM, z. anorg. u. allg. Chem. 152 (1926), 293.

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W. Fischer. Komtitution von Halogeniden 345

2. Die Konstitutionsiinderungen treten in der Schmelze al l -

3. an anderer Stelle als im Kristall ein. In diesen Erscheinungen, und zwar besonders der letztgenann-

ten, erkennen wir nunmehr die Ursache f u r das Pendeln des Quotienten Vsd/VO, wie z. B. in Fig. 8 der umgekehrte Gang der Kurven fur die Schmelze und den Kristall bei den 3-wertigen Chloriden zeigt.

Der groBe Wert fur VsJV, beim AICI, und ebenfalls die groBe Ausdehnung dieses Stoffes beim Schmelzen, die bisher als charakte- ristisch fiir Ubergangsglieder angesehen wurde, erweisen sich somit als teils zufallig bedingt; charakter is t isch fur diese nbergangs- glieder und ihre Nachbarn nach der Seite der Ionenaggregate ist vielmehr das Pendeln des Quotienten; fur das einzelne Individuum kann er bald klein (YCI,), bald grol3 (AlCl,, MgCI,) oder auch fast normal sein (CaCl,, SrC1,). Auoh ist das Auftreten groBer Volumen- quotienten nicht mit der Erscheinung des Sublimierens gekoppelt (a . B. MgC1, im Gegensatz zu AlCl,).

Auffiillig ist in Fig. 8 der stetigere Verlauf der Kurvenziige fur die Kristall- volumina bei den 1- und 4-wertigen Halogeniden (abgesehen von den Fluoriden). Das diirfte damit zusammenhiingen, daB die Alkalihalogenide siimtlich Ionen- Koordinationsgitter bilden, wiihrend das typische Pendeln der Kurven bei den 2- und 3-wertigen Verbindungen durch das Auftreten von Schichtengittern bedingt zu sein scheint. In dem wiederum gleichmaigeren Kurvenzug fur die 4-wertigen Chloride mochten wir eine Folge der Tatsache vermuten, daB bei diesen, soweit bekannt, keine Schichtengitter auftreten (vgl. S. 329, Anm. 1 u. S. 330).

miihlicherl) und

IV. Zusammenfassung und Vergleich der Ergebnisse

Zum SchluB wollen wir kurz versuchen, die bereits auf S. 330, 336/337,341 und 3441345 ZusammengefaBten Teilergebnisse miteinander und mit dem Resultat der elektrischen Leitfahigkeitsmessungen zu vergleichen. In Tabelle 3 ist ein solcher Vergleich fur die gesattigten Halogenide der Hauptgruppen grob schematisch skizziert. Die 4 GroBen : Sublimations- und Verdampfungswarme, Schmelz- und Siedepunkt fallen sBmtlich beim Ubergang von Ionen- zu Molekul- aggregaten stark ab; sie andern sich aber nicht parallel, sondern hinken einander etwas nach. Diese Verschiebung des Abfalls sol1 durch den Verlauf der Linien in den ersten 4 Horizontalreihen angedeutet

1) Darauf wies schon W. KLEMM, 2. anorg. u. allg. Chem. 152 (1926), 300, hin. Es ist dies ein weiteres Beispiel dafiir, dal3 die individuellen Unterschiede der Stoffe beim Schmelzen verwaschener werden (vgl. S. 336 Anm. 4).

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346 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 211. 1933

I Ionen- aggre- gate

_ _ _ _ _ _ _ _ ~ - _ _ _ _ _ _ -~ _ _ ~- ~

Tabelle 3 Ubersicht uber d ie Eigenschaften der Halogenide

der Hauptgruppen ~- ___

I Molekul- aggregate

Ubergangsglieder __

Zk I&:&! _ _ _ _ - - ~ _ _ -~

~~~

groB groG groS

groB grol3 normal

grol3 groB 1 groB

_ _ _ _ _ _ _ _ ~ _ _

~ _ _ _ _ _ _ _

(7 Siede- bzw. Sublimationstem- peratur . . Tsd bzw. T,,,

~

groS

normal

normal

LE CHATELIER-FORORAND'SCher Quotient. . . . . . o/TS,,, normal normal

normal

normal groB

1 klein 1 kleinl)

_____

, TRouToN'scher Quotient ,I/Tsd 1 normal

Verhliltnis von Schmelz- zu 1 Elektrische Leitfiihigkeit der

Siedepunkt . . . . T,/Tsd /normal

Schmelze. . . . . . . . x I groB

Vol. d. Schmelze bei T p VF Gist.-NullD.-Vol. V ,

pendelt

pendelt normal Vol. d. Schmelze bei Tsd vsd Krist . -Nullp. -Vol . V ,

Alkali- Typische Vertreter . . . . . halo- BeCl, SiF, AICl, AlBr, 1 genide I 1 1 1 I 1 SF'

werden. Durch das Voreilen im Abfall des Siedepunktes werden als Beginn der Ubergangserscheinungen die Quotienten : a/Ts,,, ,?ITsd und T,/Ts, vergroBert. Dieser anfiinglich stiirkere Abfall des Siede- punktes wird dann nache inande r von 1, TF und (r eingeholt, so da13 in der gleichen Reihenfolge die entsprechenden Quotienten wieder normal werden, was bei den Molekulaggregaten vom Typus des SiC1, dann fur alle drei erreicht ist. Bemerkenswert ist dabei erstens, daB die Quotienten fur die extremen Typen, die Ionenaggregate und die normalen Molekulaggregate (abgesehen von einer geringen Temperatur-

l) Geschlitzt.

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15‘. Fischer. Konstitution von HaIogeniden 347

abhangigkeit) die gleiche GroBe besitzen, und zweitcns daB der Abfall von 3, uncl der von Ts, am nachsten benachbart sind, so dal: die Zahl der Ausnahmen von der TRouToN’schen Regel besonders klein ist.

Der Abfall der e l ek t r i s chen L e i t f a h i g k e i t der Schmelzen setzt etwa gleichxeitig mit dem Anstieg der Quotienten o/TS,,, nnd TF/Ts, ein, wie das Beispiel des BeCI, zeigt. Wenn man clit; feineren Abstufungen der Leitfahigkeit hinznnirnmt, scheint es aller- dings so, als ob sich z. B. bei MgCI,, CaCI, ein schwacher dbfall der Leitfiihigkeit bzw. cleren Temperaturkoeffizientenl) vor den anderen Erscheinungen bemerkbar mache; doch fehlen hier zu einer end- giiltigen Aussage vor allem noch genauere Messungen der Ver- dampfungswarmen. - Nach der Seite der Molekiilaggregate hin ist der Sbfall der Leitfahigkeit sicher e h e r vollendet, als die ubrigen Ubergangserscheinungen verschwinden.

Innerhalb der Klasse der Molekulaggrega te ergibt sich noch eine kleine Differenzierung dadnrch, daB bei den hochwertigen der Schmelzpunkt den Siedepunkt uberschreitet oder wenigetens fast erreicht. Hand in Hand damit geht eine entsprechende VergroBerung des Verhaltnisses V,/V,, wahrend in allen anderen Erscheinungen kein Unterschied gegen die normalen Molekulaggregate besteht.

Fur die elektrische Leitfiihigkeit liegen allerdings keine experimentellen Werte vor, es ist aber kaum anzunehmen, dal3 etwa SF, eine nennenswert grol3ere Leitfahigkeit als SiCI, besitze; das gleiche durfte fur die Stoffe rom Typus des Sip, gelten.

Die Volumenverh i i l tn i sse VV,,/V, und VF/Vo zeigen nur bei den Molekiilaggregaten ein regelm5Biges Verhalten, wahrend sie bei Ubergangsgliedern und Ionenaggregtzten starken Schwankungen unterworfen sind. Diese beruhen hauptsachlich clarauf, daB die Stellen, an denen sich der Ubergang von Ionen- zu Molekulaggregaten im Volumen bemerkbar macht, im festen und fliissigen Zustand gegen- einander verschoben sind. Eine ahnliche Verschiebung der Eigen- schaftssprunge im festen gegenuber denen im fliissigen Zustand finden wir auch in den VerdampfungswSrmen (0 ist bei Ubergangsgliedern noch groB, wahrend der Wert fur 1 meist schon abgesnnken ist) und in der elektrischen Leitfahigkeit (festes AICI, leitet beim Schmelz- punkt besser als geschmolzenes), nur wird die Erscheinung bei den Volumenquotienten noch durch das Auftreten der Schichtengitter kompli ziert .

Wiihrend iiber die ungesattigten Halogenide aus Mangel an

l ) W. BILTZ u. W. KLEMM, Z. anorg. u. allg. Chem. 162 (1926), 267.

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experimentellen Unterlagen noch nichts AbschlieBendes zu sagen ist , schlieBen sich die gesattigten 3- und mehrwert,igen Halogenide der Nebengruppen sehr eng dem Schema der Tabelle 3 an. Die 1- und 2-wertigen jedoch zeigen - wohl als Folge der polarisierenden FBhig- keiten der Ionen vom Cuprotypus - charakteristische Unterschiede : 1. Sublimations- und Verdampfungsentropie sind auffiillig klein (bei den Ionenaggregaten : Cu-1- und Ag-Halogeniden meist klein statt normal, bei den nach der elektrischen Leitfiihigkeit als Uber- gangsglieder anzusehenden Zn- und Hg-Halogeniden normal statt groB), wiihrend 2. die Volumenquotienten den Normalwerten niiher liegen, als dies bei den Alkali- und Erdalkalihalogeniden der Fall ist ; 3. das VerhBltnis TF/ Ts, ist beiCu-I - und hg-Halogeniden extrem klein (etwa 0,4), wahrend die Werte der Hg-2-Halogenide mit etwa 0,9 eher der Erwartung entsprechen.

Wir haben mit den vorliegenden Ausfuhrungen versucht, in groBen Zugen an dem Beispiel der Halogenide einige GesetzmaBig- keiten abzuleiten, die fur den Ubergang von Ionen- zu Molekiil- aggregaten charakteristisch sind. Es w k e nun die Aufgabe, das teils noch sehr liickenhafte Material zu vervollstiindigen und, wenn genauere und zahlreichere Strukturbestimmungen vorliegen, die experimentellen Tatsachen molekulartheoretisch zu begriinden, sowie schlieI3lich die Ergebnisse auf andere Stoffklassen und ObergBnge zu anderen Bin- dungsarten, wie z. B. der metallischen, zu erweitern.

Den Herren Professoren W. BILTZ und W. KLEMM mochte ich meinen herzlichen Dank fur die Forderung der vorliegenden Arbeit durch hiiufige Diskussionen aussprechen.

Eannover, Technische Hochschule, Institat fiir anorganische Chemie.

Bei der Redaktion eingegangen am 10. Februar 1933.