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Arch. Math., Vol. 66, 30-34 (1996) 0003-889X/96/6601-0030 $ 2.50/0 1996 Birkh/iuser Verlag, Basel LTber Werte polynomialer Dirichlet-Reihen im Nullpunkt Von HELMUT MULLER 1. Ausgehend yon der Riemannschen Zeta-Funktion ~ (s), die ftir N s > 1 dutch die Dirichlet-Reihe ~(s) = E n -~ n=l definiert ist und sich in die ganze komplexe Ebene bis auf einen einfachen Pol bei s = 1 analytisch fortsetzen lfigt, sind zahlreiche Yerallgemeinerungen der Form An n=l untersucht worden. Die erzeugenden Zahlen 2, k6nnen dabei algebraischen, anatyti- schen, kombinatorischen, zahlentheoretischen oder auch physikalischen Gr6gen entspre- chen. Die meromorphe Fortsetzbarkeit 1/igt sich bereits bei einer blogen Asymptotik der Zahlen 2, sicherstellen, siehe [2], [3]. W/ihlt man z. B. 2, = n + a mit - 1 < a _< 0, so erh/ilt man die Hurwitzsche Zetafunk- tion (s,a)= ~ (n+a) -s. n=l Sie weist ein /ihnliches analytisches Verhalten wie ((s)= ((s, 0) auf. Da sie in s = 0 holomorph ist, kann man dort ihre Ableitungen bestimmen. Die ersten beiden berechnen sich bekanntlich zu 1 ~(0, a) = - 3 - a und (' (0, a) = - log 2 rr + log F (1 + a) (siehe z. B. [4], S. 271). Diese Formeln sind kiirzlich von Eie, siehe [1], dahingehend verall- gemeinert worden, dab bei der Bildung von 2, mehrere lineare Faktoren zugelassen sin& In dieser Note werden analoge Formeln hergeleitet, wenn 2, = P (n)gilt ffir gewisse Polynome P (x) E C, nfimlich: Satz. Es seien k komplexe Zahten ~1,. . . , ~k vorgegeben mit -c~j ~i N fiir j = 1 ..... k und konvergente Dirichlet-Reihe P(x):= (x + ~l)'" '(x + %). Die f~r 9ts > (1) Zp(s):= ~ [(n + ~l)'"(n + ~k)] -~ n=l

Über Werte polynomialer Dirichlet-Reihen im Nullpunkt

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Page 1: Über Werte polynomialer Dirichlet-Reihen im Nullpunkt

Arch. Math., Vol. 66, 30-34 (1996) 0003-889X/96/6601-0030 $ 2.50/0 �9 1996 Birkh/iuser Verlag, Basel

LTber W e r t e p o l y n o m i a l e r D i r i c h l e t - R e i h e n i m N u l l p u n k t

V o n

HELMUT MULLER

1. Ausgehend yon der Riemannschen Zeta-Funkt ion ~ (s), die ftir N s > 1 dutch die Dirichlet-Reihe

~(s) = E n -~ n = l

definiert ist und sich in die ganze komplexe Ebene bis auf einen einfachen Pol bei s = 1 analytisch fortsetzen lfigt, sind zahlreiche Yerallgemeinerungen der Form

An n = l

untersucht worden. Die erzeugenden Zahlen 2, k6nnen dabei algebraischen, anatyti- schen, kombinatorischen, zahlentheoretischen oder auch physikalischen Gr6gen entspre- chen. Die meromorphe Fortsetzbarkeit 1/igt sich bereits bei einer blogen Asymptot ik der Zahlen 2, sicherstellen, siehe [2], [3].

W/ihlt man z. B. 2, = n + a mit - 1 < a _< 0, so erh/ilt man die Hurwitzsche Zetafunk- tion

( s , a ) = ~ ( n + a ) -s . n = l

Sie weist ein /ihnliches analytisches Verhalten wie ( ( s ) = ((s, 0) auf. Da sie in s = 0 holomorph ist, kann man dort ihre Ableitungen bestimmen. Die ersten beiden berechnen sich bekanntlich zu

1 ~(0, a) = - 3 - a

und

( ' (0, a) = - �89 log 2 rr + log F (1 + a)

(siehe z. B. [4], S. 271). Diese Formeln sind kiirzlich von Eie, siehe [1], dahingehend verall- gemeinert worden, dab bei der Bildung von 2, mehrere lineare Faktoren zugelassen sin&

In dieser Note werden analoge Formeln hergeleitet, wenn 2, = P (n)gilt ffir gewisse Polynome P (x) E C, nfimlich:

Satz. Es seien k komplexe Zahten ~1,. . . , ~k vorgegeben mit -c~j ~i N fiir j = 1 . . . . . k und konvergente Dirichlet-Reihe P ( x ) : = (x + ~l) ' " ' (x + %). Die f~r 9ts >

(1) Zp(s ) := ~ [(n + ~ l ) ' " ( n + ~k)] -~ n = l

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liTflt sich in ganz C meromorph fortsetzen. An der Stelle s = 0 ist sie stets holomorph und

es gilt

1 cq + "" + ~ k Z e ( 0 ) = 2 k (2)

und

(3) , k k

Zp(0) = - ~ l o g 2 n + Z logF(1 + c~j). j = l

Der Wert Z;,(0) tritt auch in Verbindung mit elliptischen Operatoren in gewissen Hardy-Rfiumen (siehe [1], S. 584) auf und der Wert Z e (0) st immt mit dem unter allgemei- neren Voraussetzungen ermittelten (siehe Satz 3 in [3]) fiberein.

Eie hat in [1] die Formel (3) bereits ffir den Fall bewiesen, dab s/imtliche Nullstellen des Polynoms P (x) im Einheitskreis liegen. Diese Einschr/inkung rfihrt daher, dab in seinem Beweis an mehreren Stellen Reihenentwicklungen auftreten, die eben nut in diesem Fall konvergieren. 1)

Den Beweis des obigen Satzes ffihren wit, indem wit durch eine geeignete Aufspaltung der Summation in (1) auf die Resultate von Eie zurfickgreifen. Als einzige Bedingung an das Polynom P (x) bleibt nur die unumg/ingliche

P (IN) rn {0} = O

fibrig, denn ffir versehwindendes z ist z-~:= exp ( - s log z) (mit log wird hier stets der Hauptwert bezeichnet)ja nicht definiert.

2. Es seien also k komplexe Zahlen al . . . . . ek zun/ichst beliebig vorgegeben mit 91~j > - I ffir j = 1 . . . . , k. Die Dirichlet-Reihe

(4) Zp(s):= ~ [(n + ~0""(n + c~k)] -s n - - 1

i konvergent und stellt nach den oben zitierten Fortsetzbarkeitss/itzen ist dann ffir 9t s > eine in ganz C meromorphe Funkt ion dar. Sie hat h6chstens einfache Pole an den Stellen s = ~mit l e {1, - 1 , - 2 . . . . }. Ihr Wert im Nullpunkt Zp (0) ist dutch (2) bestimmt.

Nun w/ihlen wit ein M e N mit

(5) ~ 1 < 1

ffir j = 1 . . . . . k. Ist M = 1 m6glich, so ist nach Eie Z~, (0) durch (3) best immt und nichts mehr zu zeigen. Da wir jetzt die Nullstellen des erzeugenden Polynoms verfindern wer-

1 den, geben wir sie der Deutlichkeit halber im Index an, d.h. wir setzen ffir 91 s > ~-

( ( ~ . . . . . ~ ; s):= Z [(n + ~ 0 " " (n + ~)1-~ = ZF(s). n = l

Dann ist

(6) [ (Mn + ~ O " ' ( M n + C~k)]-~ = " \ M . . . . . ~ , s . t l = 1

1) Zusatz bei der Korrektur: Einer privaten Mitteilung von Herrn Eie zufolge hat er inzwischen auch einen Beweis unter allgemeineren Voraussetzungen gefunden.

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32 H. MULLER aRCH. MATH.

Wegen (5) ist der Wert im Nullpunkt der rechten Seite bekannt, also auch tier der analytisch fortgesetzten Funktion auf der linken Seite:

M-k~ ~ \ ~ . . . . . ~ , 0 = --~ -- kM

und die dortige erste Ableitung:

! ao

Z [(M, + ~1) " (M, + ~k)]-sis:o ds n=l

= M - k ~ ( - k l o g M ) ~ . - - . . . . . - - ; s \M M A=o

(7) + .~/~-ks ~, ( 0~I ~k . ) \ M . . . . ' M ' ~ ~ o

Nun wird bei der Reihe in (6) genau fiber die Vielfachen von M summiert. Urn auch die anderen Restklassen modulo M zu erfassen, muB man allgemeiner ffir m = 0 , 1 , . . . , M - 1

[(ran - m + CZl)- �9 . (Mn - m + ~k)] s

n = l

betrazhten. Da dies aber genau die Reihe ist, bei der in (6) die Nullstellen aj durch - m + aj ersetzt sind, gilt

M- l (--m + ~l --m + ~zk ) (8) ~(~1 . . . . . ~k;S) = M - k S Z ( -;S .

m=0 M ' " " M

Allerdings/st der Wert der ersten Abteitung im Nullpunkt zun/ichst nur dann durch (7) gegeben, falls ffir alle m = 0, 1 . . . . . M - 1 und j = 1, 2 . . . . . k

--m + c~2[ < 1 M I

gilt. Ein gee,gnetes M l/igt sich abet stets finden, sofern alle 1 + ~j in der rechten Halb- ebene liegen. Denn die Bedingung [ - m + c~[ < M fiir m = 0, 1 . . . . . M - 1 bedeutet ja geometrisch, dab c~ in allen Kreisen mit Radius M und den Mittetpunkten 0, I , . . . , M - 1 liegen muB. Der Durchschnitt atler dieser M Kreise ist aber gerade der Durchschnitt des ersten mit dem letzten:

b l < M und I - M + I + c ~ [ < M .

Da diese Durehschnitte mit M monoton wachsen und die ganze Halbebene Ns > - ! aussch6pfen, lassen sich in der Tat fiir hinreichend groges M alle dort liegenden Nui1- stellen ej einschlieBen.

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Vol. 66, 1996 Werte polynomialer Dirichlet-Reihen 33

(9)

Aus (7) und (8) folgt dann

d ~SS ~ (0~1 .. . . . ak;S) ls=o

= 5Z k + s l o g M - ~ l o g 2 r c m=O

+ log F 1 + m=O i=1 M

= Z 1 + Z 2 �9

Die Summe s 1 ohne den

k log M (10) Z~ - 2

F-Term 1/iBt sich leicht berechnen zu

M k + (cq + . . . + ~k) log M -- - ~ - log 2 ~ .

Die restliche Doppelsumme Z 2 formen wir zunfichst mit Hilfe der Funktionalgleichung der F-Funkt ion F ( I + z) = z . F(z) urn:

2; 2 = log F 1 + ~=o i=1 M

(11) ( - - m + ~j) = - M k l o g M + ~ l o g ( - m + e j ) + Y ~ l o g F - )vI " m,j m,j

U m aus dem Argument der F-Funkt ion den Nenner M zu entfernen, benutzen wir die logarithmierte Gaul3sche Multiplikationsformel, vgl. [4], S. 240:

( ~ ) M-1 ( ~ _ ) 1 - M l o g 2 r c + w - l o g M + ~ l o g F log F (w) = 2 ,, = o

also fiir w = ~ j - M + 1

M-1 (~_M.l_l_]_m)M-I (__~MAffO~j) log F i = 2 log F

,,~o M m=o

log/

Summieren wir nun diese Gleichungen ffir j = 1 , . . . , k auf, setzen dies in (9), bzw. (10) und (11) ein, so ergibt sich nach einigen Umformungen schlieglich analog zu (3)

d k k (12) ~ ( ~ 1 . . . . . ~k;s)[s=o = - ~ l o g 2 ~ + ~2 l o g F ( l + ~ ) .

j=l

Da f/Jr hinreichend groBe n ~ N der Realteil yon n + e1 gr6ger als - 1 wird, erh/ilt man unter Weglassung endlich vieler Terme in (4) eine Dirichlet-Reihe, fiir die die obigen SchluBweisen zulfissig sind. Ffigt man die endlich vielen (in s = 0 holomorphen) Summanden wieder hinzu, so ergibt sich wieder (12). Damit ist alles gezeigt.

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34 H. MOLLER ARCH. MATH.

Literaturverzeichnis

[1] M. EIE, On a Dirichlet series associated with a polynomial. Proc. Amer. Math, Soc. 110, 583-590 (1990).

[2] H. MOLLER, On generalized Zeta-functions at negative integers. Illinois J. Math. 32, 222-229 (1988).

[3] H. MOLLER, Ober die meromorphe Fortsetzung einer Klasse verallgemeinerter Zetafunktionen. Arch, Math. 58, 265-275 (1992).

[4] E. T. WHITTAKER and G. N. WATSON, A course of modern analysis. Cambridge t935.

Anschrift des Autors:

Helmut Mfiller Mathematisches Seminar Universit~it Hamburg Bundesstrage 55 D-20146 Hamburg

Eingegangen am 7.4. 1995")

*) Eine gekiirzte Fassung ging am 26. 6, 1995 ein.