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.4.cta chir. Austriaca 1986 Heft l/'2 21 Aus der Chirurgischen Klinik und Poliklinik der Technischen Universitat Mflnchen Uberholtes, Bew/ihrtes, Neues in der gastroenterologischen Chirurgie j. R. Siewert Schliissel,orter: Gastroenterologische Chirurgie - Entwicklungen in der Chirurgie. Key-words: Gastroenterdogic surgegy - new developments. Zusammenfassung: Es wird ein Uberblick tiber den Stellenwert und ktinftige Entwicklungen von typischen Eingriffen im Bereich des Gastrointestinaltraktes gegeben. Gastroenterologie surgery up-date Summary: A survey is given of typical operations in the gastrointestinal tract with prospects of the development in the future. Jeder Chirurg kann auf Grund eigener Uberlegungen - z. B. pathophysiologisch begr/indeter - ein Operationsver- fahren erfinden bzw. anwenden. Die Qualit~itskontrolle er- tblgt im nachhinein im Vergleich zu eigenen, meist frti- heren Erfahrungen oder zu Literaturangaben. Um aber diesen Vergleich herstellen zu kOnnen, mul3 der Chirurg erst einmal eine gewisse Anzahl yon Patienten in der neuen Art und Weise operieren. Nur sehr zogernd beginnt die Chirurgie sich zu kontrollierten Studien zu bekennen, die allerdings -das muB einger~iumt werden - ffir die operative Medizin besondere Probleme aufwerfen. Eine andere besondere Problematik chirurgischer Mall nahmen ist es, dab sie meist irreversibd sind - sie sind nicht einfach absetzbar wie ein Medikament - so dab Irrwege zwar yon der Chirurgie wieder verlassen werden k6nnen, der Individualpatient aber diesen Weg meist zu Ende gehen muff. Die 6ffentliche Brandmarkung eines Opera- tionsverfahrens als ,,ungeeignet" suggeriert dem betrof- fenen Patienten einen ,,Kunstfehler", obwohl dem objek- tiv nicht so ist, da die Operationsverfahrenswahl immer nut auf der Basis des Wissens zum Zeitpunkt der Opera- tion erfolgen kann. Ein Chirurg steht immer unter dem besonderen Ein- druck postoperativer Friibergebnisse, die er seibst miterlebt und pers6nlich bewerten kann. Deshalb erfolgt die Ver- fahrenswahl in der Chirurgie auch altzu oft unter diesem Kriterium. Langzeitergebnisse sind sehr viel schwieriger zu ermitteln, abgesehen yore Zeitfaktor setzen sie eine langfristige Kontrolle yon Patienten voraus, die organisa-" torisch auch t~r eine Universit~.tsklinik nut schwer dutch- Korrespondenzanschrift: Pros Dr. J. R. Siewert, Chirurgische Ktinik und Poliklinik der Technischen Universit~it, Ismaninger Stral~e 22, D-8000 Mfinchen 80. zuhahen ist und allzu oft an der Kooperation niedergelas- sener Kollegen und deren lnteressensvertreter scheitert. Deshalb dauert es oft lange, bis die Chirurgie einen in den Frtihergebnissen scheinbar bew~ihrten Weg auf Grund yon schlechten Langzeitergebnissen wieder verl~iBt. So finden sich in der Chirurgie viete Beispiele ftir fehlin- dizierte oder vom Ansatz her falsche Operationen, die oft viel zu lange in Mode waren und erst langsam wieder ver- lassen wurden und jetzt als 0berholt gelten dtirfen. Als Beispiel hierffir k6nnen gelten: Die Cholezystotomie zur Entfernung yon Gallensteinen racist mit dem Resultat einer Gallenfistel. Schon vor 100 Jahren war die Frage Cholezystotomie oder Cholczystek- tomie heiB umstritten. Seinerzeit wurde die Cholezystoto- mie allerdings unter dem Eindruck bereits schleehter Frtihergebnisse rasch zugunsten der Cholezystektomie vertassen. Heute nun hat diese Frage wieder an Aktualit~it gewonnen, seit die Cholezystektomie in den Verdacht ge- raten ist, die Entwicklung yon Kolonkarzinomen zu be- gtinstigen. Es finden sich wieder Vertreter einer limitier- ten Chirurgie oder gar einer laparoskopischen Cholezvsto- tomie. Dies, obwohl es eigentlich nicht Aufgabe der Chir- urgie sein soltte, btande Gatlensteine aus einer gesunden, gut versorgbaren Gallenblase zu entfernen. Vielmehr soil- te die Chirurgie ihre Aufgabe in der Therapie des kompli- zierten Gallensteinleidens sehen, die wiederum ohne Cholezystektomie nicht m6glich ist. Wit mtissen aber gar nicht die Historie bemtihen, auch die jtingere Vergangenheit ist nicht frei yon ~ihnlichen Irr- t0mern, d.h. yon Operationsmethoden, die inzwischen wegen schlechter Langzeitergebnisse oder eines hohen MaBes an Nebenwirkungen wieder verlassen sind oder sein sollten: Bypass-Operationen beim Morbus Crohn. Sie wurden in der Hoffnung ausgeft~hrt, dutch Ruhigstetlung befatlener Darmsegmente eine Ausheilung des Morbus Crohn zu er- reichen. Es zeigte sich aber sehr rasch, daft diese Hoffnung trog und dab Rezidive bzw. der persistierende Morbus Crohn Reoperationen mit h6herem Risiko erforderlich machten. Die Dtinndarm-Shunt-Operation bei der Fettsucht. Technische Einfachheit und Augenblickserfolge ffihrten zu vielhundertfacher Anwendung auch in Deutschland. lnzwischen sind diese Methoden wieder verlassen und die Chirurgie der Fettsucht hat auf dem Weg zum Jaw-Wiring derzeit den Magenfundus erreicht. Es ist bedauerlich, daft die auch im deutschen Sprachraum vorliegenden Lang-zeit- ergebnisse des Dtinndarm-Shunts nur sehr z6gernd pubii- ziert werden. Dies kann als Folge der oben dargestellten Uberlegungen angesehen werden.

Überholtes, Bewährtes, Neues in der gastroenterologischen Chirurgie

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.4.cta chir. Austriaca 1986 Heft l/'2 21

Aus der Chirurgischen Klinik und Poliklinik der Technischen Universitat Mflnchen

Uberholtes, Bew/ihrtes, Neues in der gastroenterologischen Chirurgie j . R. Siewert

Schliissel,orter: Gastroenterologische Chirurgie - Entwicklungen in der Chirurgie.

Key-words: Gastroenterdogic surgegy - new developments.

Z u s a m m e n f a s s u n g : Es wird ein Uberblick tiber den Stellenwert und ktinftige Entwicklungen von typischen Eingriffen im Bereich des Gastrointestinaltraktes gegeben.

G a s t r o e n t e r o l o g i e surgery up-da te

Summary : A survey is given of typical operations in the gastrointestinal tract with prospects of the development in the future.

Jeder Chirurg kann auf Grund eigener Uberlegungen - z. B. pathophysiologisch begr/indeter - ein Operationsver- fahren erfinden bzw. anwenden. Die Qualit~itskontrolle er- tblgt im nachhinein im Vergleich zu eigenen, meist frti- heren Erfahrungen oder zu Literaturangaben. Um aber diesen Vergleich herstellen zu kOnnen, mul3 der Chirurg erst einmal eine gewisse Anzahl yon Patienten in der neuen Art und Weise operieren. Nur sehr zogernd beginnt die Chirurgie sich zu kontrollierten Studien zu bekennen, die allerdings - d a s muB einger~iumt werden - ffir die operative Medizin besondere Probleme aufwerfen.

Eine andere besondere Problematik chirurgischer Mall nahmen ist es, dab sie meist irreversibd sind - sie sind nicht einfach absetzbar wie ein Medikament - so dab Irrwege zwar yon der Chirurgie wieder verlassen werden k6nnen, der Individualpatient aber diesen Weg meist zu Ende gehen muff. Die 6ffentliche Brandmarkung eines Opera- tionsverfahrens als ,,ungeeignet" suggeriert dem betrof- fenen Patienten einen , ,Kuns t feh ler" , obwohl dem objek- tiv nicht so ist, da die Operationsverfahrenswahl immer nut auf der Basis des Wissens zum Zeitpunkt der Opera- tion erfolgen kann.

Ein Chirurg steht immer unter dem besonderen Ein- druck postoperativer Friibergebnisse, die er seibst miterlebt und pers6nlich bewerten kann. Deshalb erfolgt die Ver- fahrenswahl in der Chirurgie auch altzu oft unter diesem Kriterium. Langzeitergebnisse sind sehr viel schwieriger zu ermitteln, abgesehen yore Zeitfaktor setzen sie eine langfristige Kontrolle yon Patienten voraus, die organisa-" torisch auch t~r eine Universit~.tsklinik nut schwer dutch-

Korrespondenzanschrift: Pros Dr. J. R. Siewert, Chirurgische Ktinik und Poliklinik der Technischen Universit~it, Ismaninger Stral~e 22, D-8000 Mfinchen 80.

zuhahen ist und allzu oft an der Kooperation niedergelas- sener Kollegen und deren lnteressensvertreter scheitert. Deshalb dauert es oft lange, bis die Chirurgie einen in den Frtihergebnissen scheinbar bew~ihrten Weg auf Grund yon schlechten Langzeitergebnissen wieder verl~iBt.

So finden sich in der Chirurgie viete Beispiele ftir fehlin- dizierte oder vom Ansatz her falsche Operationen, die oft viel zu lange in Mode waren und erst langsam wieder ver- lassen wurden und jetzt als 0berholt gelten dtirfen. Als Beispiel hierffir k6nnen gelten:

Die Cholezystotomie zur Entfernung yon Gallensteinen racist mit dem Resultat einer Gallenfistel. Schon vor 100 Jahren war die Frage Cholezystotomie oder Cholczystek- tomie heiB umstritten. Seinerzeit wurde die Cholezystoto- mie allerdings unter dem Eindruck bereits schleehter Frtihergebnisse rasch zugunsten der Cholezystektomie vertassen. Heute nun hat diese Frage wieder an Aktualit~it gewonnen, seit die Cholezystektomie in den Verdacht ge- raten ist, die Entwicklung yon Kolonkarzinomen zu be- gtinstigen. Es finden sich wieder Vertreter einer limitier- ten Chirurgie oder gar einer laparoskopischen Cholezvsto- tomie. Dies, obwohl es eigentlich nicht Aufgabe der Chir- urgie sein soltte, btande Gatlensteine aus einer gesunden, gut versorgbaren Gallenblase zu entfernen. Vielmehr soil- te die Chirurgie ihre Aufgabe in der Therapie des kompli- zierten Gallensteinleidens sehen, die wiederum ohne Cholezystektomie nicht m6glich ist.

Wit mtissen aber gar nicht die Historie bemtihen, auch die jtingere Vergangenheit ist nicht frei yon ~ihnlichen Irr- t0mern, d.h. yon Operationsmethoden, die inzwischen wegen schlechter Langzeitergebnisse oder eines hohen MaBes an Nebenwirkungen wieder verlassen sind oder sein sollten:

Bypass-Operationen beim Morbus Crohn. Sie wurden in der Hoffnung ausgeft~hrt, dutch Ruhigstetlung befatlener Darmsegmente eine Ausheilung des Morbus Crohn zu er- reichen. Es zeigte sich aber sehr rasch, daft diese Hoffnung trog und dab Rezidive bzw. der persistierende Morbus Crohn Reoperationen mit h6herem Risiko erforderlich machten.

Die Dtinndarm-Shunt-Operation bei der Fettsucht. Technische Einfachheit und Augenblickserfolge ffihrten zu vielhundertfacher Anwendung auch in Deutschland. lnzwischen sind diese Methoden wieder verlassen und die Chirurgie der Fettsucht hat auf dem Weg zum Jaw-Wiring derzeit den Magenfundus erreicht. Es ist bedauerlich, daft die auch im deutschen Sprachraum vorliegenden Lang-zeit- ergebnisse des Dtinndarm-Shunts nur sehr z6gernd pubii- ziert werden. Dies kann als Folge der oben dargestellten Uberlegungen angesehen werden.

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Vici wichtiger und interessanter ist aber die Analyse der derzeitigen Situation. In dem Versuch, das Belegte vom Unbelegten, d.h. das Unn6tige vom Notwendigen zu trennen, bietet sich folgcnde Klassifikation an: 1. Unno?ige Operationen, well sic keine Indikation haben. Sie

werden h/iufig ausgefuhrt, well z. B. der Bauch nun ein- mat aus anderem Aniaft eroffnet ist oder well der Pa- tient nun einmal auf einer chirurgischen Station aufge- nommen ist und der Hausarzt eine Operation erwartet, um nicht noch andere Motivationen zu nennen.

2. (3berholte Operationen, well ihre E~ktivitdt unbelegt ist, oder, um es klar auszudroeken, well ihre lneffektivit~.t inzwischen belegt ist.

3. Oberhotte Operationen, well sie mit moglichen Nebenwir- /eungen einhergehen und andere nebenwirkungs~rmere Operationsverfahren zur VerfOgung stehen.

4. ~'berholte Operationen, well risikoarmere nichtchirurgt~che Alternativve~'ahren zur Verftigung stehen.

FOr die achtziger Jahre heiftt dies, sich mit den M6gtich- keiten der operativen bzw. therapeutischen Endoskopie auseinanderzuserzen und ihr Verfahrensspektrum darauf- hin zu tiberprtifen, inwieweit es noch indiziert und ad~.quat ist.

Ich will das Gesagte mit Bcispielen belegen: Zu 1: Unna?ige Operationen, well sie keine Indikation haben:

Hierher gehoren in allererster Linie die sogenannten .57- multaneingriffe.

Die an sich strenge Indikationsstellung zu de rartigen Si- multaneingriffen dokumentiert sich in der Chirurgie durch die Seltenheit dieser Eingriffe. Nut in 2 bis 4;~ aller Lapa- rotomien wird der Prim~ireingriff mit einem Simultanein- griff kombiniert. Offenbar sind Simultaneingriffe haupt- sachlich ein Problem der Gyn~ikologie. 83',,' aUer Simultan- eingriffe sind im Zusammenhang mit gyn~ikologischen Eingriffen ausgefuhrte Appendektomien. In letzter Zeit treibt diese Entwicklung ganz besondere Bltiten, indem zumindest in Kiel schon bei diagnostischen oder therapeu- tischen Laparoskopien Appendektomien in grol3er Sttick- zahl durchgeftihrt werden.

Die chirurgische Zurtickhaltung richter sich in erster Linie gegen Simultaneingriffe mit pr~iventivem Charakter, die somit nicht der t leilung, sondern dem fraglichen Schutz vor einer noch nicht eingetretenen und vielleicht auch gar nicht eintretenden Krankheit dienen, nicht gegen die simultane Sanierung zweier chirurgischer Erkrankun- gen.

Es unterliegt keinem Zweifel, dab auch ein Simultanein- griff einer echten Indikationsstellung bedars Dort, wo die Indikationsstellung nicht korrekt ist, muB im Falle yon eintretenden Komplikationen mit forensischen Konse- quenzen gerechnet werden. Die Durchsicht der relativ sp~irlichen Literatur zum Thema Simultaneingriff zeigt, daft, wie erw~ihnt, der am h~iufigsten ausgefOhrte Simul- taneingriff die Appendektomie ist, gefol~ yon Eingrif- fen am Magen und Duodenum wegen Ulkuskrankheit - hier wird sich sicher unter dem Eindruck moderner kon- servativer Therapiem/3glichkeiten eine Wandlung vollzie- hen -, Eingriffen an Gallenblase und Gallenwegen - hier

,'\eta chir. ,\ustriaca 1986 Heft 1,'2

m0sscn endoskopische Alternativen diskutiert werden -, Einstutpungen oder Abtragung eines Meckelschen Diver- tikels und schliefllich der Versorgung yon Hiatushernien. Gerade im letzten Fall ist die indikation fast niemals gege- ben. " 4

Zu 2: ~'berholte E~ngriffe, ,weit ihre Effektivitat unbe/egt l~t. Die therapeutische Misere im Umgang mit den sogenann- i ten Postgastrektomie-Problemen hat auch die Chirurgie stimuliert, mit diesem undankbaren Krankheitsbild ihr Gltick zu versuchen. Viele Modifikationen sogenannter Umwandlungsoperationen wurden im Laufe der Jahre entwickelt, allen gemeinsam ist die Wiederherstellung der Duodenalpassage. Der Nachweis der Effektivit/it dieser Mal3nahme ist bislang nicht tiberzeugend gelungen, so dab sie in ihrer Effektivit~.t als unbele~ angesehen werden mu~. Die einzige Form der Umwandlunb,~operation , die atlerdings nur f~r die refluxinduzierten Postgastrektomie- Probleme (Magenerythem, Galleerbrechen) yon belegter Effektivitlit ist, ist die Roux-Y-Ableitung. Ihr kommt des- halb als einziger Umwandlungsoperation derzeit noch eine klinische Relevanz zu.

Zu 3: ()berholte Operationen, weil sie mit moglichen Nebenwir- kungen einhergehen. Magenresektionsverfahren vom Typ Billroth I I m i t hinterer GE (sogenannter Modifikation nach Polya und Reichel).

Trotz aller Diskussionen um die Existenz des Krank- heitsbildes ,,Y, lagenstumpfkarzinom" und um den Kausal- zusammenhang zwischen distaler Magenresektion und Karzinomentstehung im proximalen Magenstumpf bleibt ein dringender Verdacht. Von allen Formen der distalen Magenresektion ist dabei die hintere (retrokolische) GE in der *lodifikation von Pdya und Reichel am meisten be- lastet. Dies kann 2 Ursachen haben: Einmal k~Snnte die hintere GE mit ihrem hohen Ma/$ an duodenogastralem Reflux tats~ichlich ein Krebsrisiko darstellen, oder aber die hintere GE ist zu Unrecht in Verdacht geraten. Die Po/ya- Reichel-Modifikation der Magenresektion ist in den vier- ziger bis sechziger Jahren mit Abstand am Diufigsten aus- gefiihrt worden, so dab die meisten Patienten, die ietzt ihre Operation 20 bis 30 Jahre tiberlebt haben, eine hintere GE haben. Dies k/3nrate eine besondere Belastung for die hintere GE vort~.uschen. Dennoch bleibt der Verdacht be- stehen und die hintere GE sollte nicht mehr angewandt werden, zumal andere Formen der distalen Magenresek- tion mit weniger Nebenwirkungen zur Verftigung stehen.

Trunkul~.re Vagotomie: ;'~.hniiches gilt fiir die trunku- l~ire Vagotomie. Auch hier stehen andere Formen der Vagotomie zur Verft~gung, die mit weniger Nebenwirkun- gen und hOherer therapeutischer Effektivit~t einhergehen.

Die trunkui~re Vagotomie ftihrt zu einer totalen Dener- vierung des Magens und des tibrigen Intestinums bis bin zur linken Kolonflexur. Die Folgen der Magendenervie- rung kOnnen ein Motilit~itsverlust yon Antrum und Py- lorus bis hin zur Gastroparese mit den Konsequenzen einer MagenentleerungsverzOgerung in erster Linie for feste Speisen sein. Auch die Denervierung der anderen Bauchorgane hat ihre Folgen, so kommt es a B. zu einer deutlichen FunktionseinbuBe des exokrinen Pankreas. Diese Nebenwirkungen lassen sich durch die proximal

Acta chir. Austriaca 1986 Heft 1./2 23

gastrische Vagotomie (PGV) vermeiden, so dat3 es keine Indikation mehr zur trunkularen Vagotomie gibt. Dies umso mehr, als auch in kontrollierten Studien die {2berle- genheit der PGV gegentiber der trunkul{iren Vagotomie eindeutig aufgezeigt wurde.

Pyloroplastik: Nicht nut die trunku!are Vagotomie wird regelm~igig mit einer Pyloroplastik ausgeftihrt, sondern eine ganze Reihe yon Cbirurgen halten die Pyloroplastik ftir einen integrierten Bestandteil ieder Vagotomie, also auch der PGV. Dabei wird in aller Regel unter ,,Pyloro- plastik" die pIastische Erweiterung des Pyloruskanats im Sinne yon Heinecke und Mikulicz verstanden. Als Argu- ment far die Pyloroptastik wird h~iufig angeftihrt, dab nur mit ihrer HiKe eine vollst~indige Vagotomie m6glich ist (radikalere Denervierung im Bereich des sogenannten Kr~henfuBes). Diese Behauptung laBt sich durchaus mit Literaturdaten belegen; einige Statistiken weisen helm Vergteich der alleinigen PGV mit der PGV oder SGV + Pyloroplastik ftir die kombinierten Verfahren niedrigere Rezidivraren aus. Auf der anderen Seite erscheinen die Ne- benwirkungen der Pyloropiastik in einer neuen kontrol- lierten Studie nicht so gravierend wie immer angenom- mer~ Lediglich for das Dumping-Syndrom lief3en sieh in dieser Studie signifikante Unterschiede aufweisen. Aber auch diese Nebenwirkung allein kann ats Argument gegen eine Pyloroplastik angesehen werden. Dies umso mehr, als auch hier nebenwirkungsgrmere Alternativen zur Ver- ftigung stehen. In einer kontrollierten Studie hat sich die Pylorusdilatation als nebenwirkungsarmere Alternative bei gteicher therapeutischer Effektivit~tt erwiesen,

Zu 4: Oberho]te Ve~ahren, weil risikodrmere, nichtchirurgi- sche Alternativve~ahre~ zur Veoriigung stehen.

Diagnostische Laparotomie: W~ahrend noch vor Jahren die letzte MtSglichkeit einer abdominalen Diagnostik in der diagnostischen Laparotomie gesehen wurde, ist diese invasive Form der Diagnostik fast vollstandig aus dem Repertoire der Chirurgie gestrichen worden. Die moder- nen bildgebenden Verfahren wie Ultraschall und Compu- tertomographie und demn~chst NMR gestatten in fast al- len Fallen eine exakte Bauchdiagnostik. Dazu kommen die seit Jahren bekannten diagnostischen MtSglichkeiten der Endoskopie. Ledig!ich unter dem Aspekt 6konomischer Uberlegungen kan• derzeit gelegentlich einmal noch eine diagnostische Laparotomie indiziert sein.

Schlieglich sind noch die Operationsverfahren zu er- wahnen, die durch risiko~mere, nichtehirurgische thera- peutische Verfahren, d.h. in erster Linie endoskopische Verfahren, unn6tig geworden sin&

Bypass-Operationen zur Umgehung inoperabler Karzi- home sind grunds~tzlich selten geworden. Dies trifft in erster Linie for das distale (3sophaguskarzinom bzw. das Kardiakarzinom ztt Hierfar waren frtiher besonders auf- wendige und risikoreiehe Operationen notwendig. Diese sind durch die endoskopische Pertubation fast vollst~tndig ersetzt worden. Dieses Vexfahren ist in seiner Risikoarmut so tiberzeugend, dab wit es sogar bei er6ffnetem Ab- domen anwenden, um die Gastrotomie zu vermeiden. Die in einer retrospektiven Analyse ermittelten Daten unter- streichen die Berechtigung dieses Vorgehens.

Der Not-Shunt bei der akuten Osophagus-Varizenblu- tung: Wenngleich die yon manchen Endoskopikern euphorisch vorgetragenen Ergebnisse der Sklerosierungs- therapie, insbesondere unter dem Aspekt yon Langzeiter- gebnissen, kritisch gesehen werden, mtissen, so besteht kein Zweifel daran, dab bei der akuten Osophagus- Varizenblutung die Sklerosierung einen besonderen Fort- schritt darstellt. Sie hat ohne ieden Zweifel die akuten chir- urgischen, haufig verzweifelten Notmal3nahmen in den Hintergrund treten lassen.

D ie transduodenale Papitlotomie: Die endoskopische Papillotomie (EPT) hat auf die Chirurgie einen nachhal- tigen Einflul3 genommen. Allein durch ihre Existenz h a t sie dazu geftihrt, dab Mar wurde, dab das Krankheitsbitd der Papillenstenose tiber viele Jahre in der Chirurgie welt aberschatzt wurde. Mit der EPT im R/icken wurde mit der intraoperativen transduodenalen Papillotomie zurtickhal- tender umgegangen - es bestand nicht mehr der Zwang, eine unklare Papitlensituation intraoperativ endgiiltig zu sanieren , ; dadurch wurde o.ffenkundig, daft sich die meisten aller vermeintlichen organischen Papillensteno- sen spontan postoperativ zurtickbildeten. Blieb di e Papil- lenstenose bestehen (R~Sntgenkontrollen tiber die liegende T-Drainage), konnte sie jederzeit endoskopisch papilloto- miert werden.

Ist die Papillotomie in seltenen Fallen bereits praopera- tiv anlaglich einer ERCP nachgewiesen worden, kann die EPT auch praoperativ erfolgen und die Galtenblasenex- stirpation elektiv nachgeholt werden. Auf diese Weise sind die Indikationen zur transduodenaien Papillotomie auBe> ordentlich selten geworden. Wit sehen derzeit nut noch eine Indikation beim inkarzerierten, sonst nicht entfern- baren Papillenstein, beim Verdacht auf das Vorliegen eines Papillenkarzinoms (bier ist gelegentlich die Papitlo- tomie aus diagnostischen Grtinden notwendig), bei den langstreckigen Papillenstenosen und selten einmal bei den anatomischen AnomaIien.

Letztendlich mug die M6glichkeit der endoskopischen Gallenwegsdrainage beim malignen inoperabten Ver- schluBikterus erwahnt werden. Diese hat erfreulicherweise die ftir den Patienten {tul3erst betastende externe Galle- ableitung, ~ B. in Form einer Endlosdrainage, zur Aus- nahme werden lassen.

Die Aufz~ihlung tiberholter Operationen, wobei die bier vorgelegte Bilanz noch unvollstandig ist, soil nicht etwa den Eindruck erwecken, bier ltSse sich ein ganzes Fachge- biet auf, werde sozusagen nach und nach unn6tig, welt ge- fehlt. Vielmehr zeigt sich, dab die Chirurgie ein nach wie vor junges, flexibtes Fach geblieben ist, das sich den not- wendigen Erfordernissen jederzeit anpassen kann. DaB dies in verschiedenen Kliniken unterschiedlich rasch er- folgt, ist in erster Linie ein Generationenproblem. E~- stenznot, Konkurrenzdenken oder gar Stellungskrieg sind ftir die Chirurgie v{511ig unangebracht.

Aus der Darstel!ung des 0berholten in der Chirurgie laBt sich das Bewahrte ableiten. Dies in allen Einzelheiten aufzuz~thlen, wtirde den Rahmen einer solchen Zusam- menstellung sprengen.

24 .~cta chir. Austriaca 1986 F1e(~ i. 2

Wohi~ fUhrt die zukimftige Entwicklung dcr gastro- enterologischen Cbirurgie? Zwei sich unterschiedlicb ent- wickelnde Bereiche scheinen sich zu ergeben:

Wahrend fur die gutartigen gastroenterologischen Er- k rankungen in Anbetracht immer potenter werdender konsewat iver Alternat iven (*ledikamente und Endosko- pie) eine Entwicklung in Richtung auf limitiertere patho - physiologisch begrundete, wenn m~Sglich in den Krank- heitsablauf kausal eingreifende Opera t ionen erkennbar ist, scheint sich die onkologische Chirurgie gastrointcsti- haler Tumoren wieder mehr in R~,chtung auf ausge-

dehntere Eingrifl'e und eine weitere lndikation zum Ein- griff lain zu entwickeln. Ursache for diese En twick lung sind die entt~.uschenden Therapieergebnisse nichtopera- river Behandlungsmethoden bei gastrointest inalen Tumo- ren auf der einen Seite, die Y,l/3glichkeiten der modernen Chirurgie, auch grO~te Eingri{fe mit vertretbarem Risiko auszufLihren auf der anderen Seite. Ohne ieden Zw-eifel wird die Chirurgie in der [.age sein, sich diesen kiinftiger~ Entwicklungen anzupassen.

Literatur br V erfasser.

Buchbesprechungen Hierho&er, G., Allgower, M., Rtiea'i, T.: Fixateur-externe-Osteoo'n-

these-Rohrsystem der Arbeitsgemeinschafi fiar O,teog).nthesefragen. V, 100 Seiten, 57 .,kbbildungen in 104 zum Tell zweifarbigen Einzeldarstel[ungen. (Englische Ausgabe: Manual on the AO/ASIF Tubular External Fixator; 1985). Springer, Berlin- Heidelberg-New York-Tokyo 1985. DM 86,-.

Es wird die Methodik des AO-Rohrsystems des Fixateur extcr- ne beschrieben. Durch die Rohrstange besteht eine hohere Biege- festigkeit, und dadurch ist im Vergleich zu dem urspr/mglichen Modell eine grOBere Distanz stabit zu 0berbriicken.

Die Indikationen fO.r die Fixateur-externe-Osteosynthese sind die Frakturen mit ausgedebntem Weichteilsehaden. intSzierte Frakturen und Pseudarthrosen sowie Korrekrurosteotomien im metaphys~.ren Bereich und auch Arthrodesen.

Die Bauelemente ties AO-Rohrsystems und der Operationsin- strumente werden eingehend heschrieben und durch ein ausge- zeichnetes Bitdmaterial dokumentiert.

Auch der Klammerfixateur wird einer ausfi~hrtichen Beschrei- bung unterzogen, wobci bier sowohl technische als auch bildliehe Darstellungen die Aufg-abe und Indikation fCtr den Klammerfixa- teur externe erklaren.

Mit dem Rahmenfixateur Typ II kann durch die Vorspannung die Stabilit~.t der Rahmenkonsttuktion erhOht werden. Beim Rah- menfixateur kann die axiale Kompression z B. bei Querfrakturen, bei Osteotomien sowie Arthrodesen erreicht werden. Auch bei Trtimmerfrakturen und Vorliegen eines knOchernen Defektes wird durch Weg'~-all der axialen Kompression eine neutralisieren- de Funktion erwirkt. Der r~iumliche Fixateur externe Typ III wird besprochen, der besonders bei einwirkenden Torsioasmo- menten eine neutralisierende Komponente bewlrkt. D~rch die r~/.nmtiche Montage kann die gewunschte Stabilit:/t unter Verrin- gerung der im Knochen verankerten Metallteile erzielt werden. Auch die axiale Kompression kann durch den r~umlichen Fixa- teur ausgentitzt werden. Dabei kann auch bei ausgepr~.gter kno- cherner Defektbildung das hOchste Mal3 an Stabilit~.t erreieht werden.

Fiir die Anwendung des Klammerfixateurs, des Rahmenfixa- teurs Typ II und des r~.umtichen Fixateurs (Typ Ill) ist ein eige- nes Kapitel vorgesehen, welches anhand yon Beispielen die Technik, erganz* durch ein reichliches Bildmaterial, erklart.

In einem Addendum wird noch die Schanz-Schraube mit el- hem kurzen Gewinde, welches in der Gegenkorvikalis verankerr wird, beschrieben.

G. 5chlag, Wie,I

Rega.~oni, P., Ruedi, 72, Winquist, R., A/lga~ver, M.: The Qynamic H,p 5~'rew [t~lant System. V, 51 Seiten, 1t9 Abbildungen und 45 Tabellen. Springer, Berlin-Heidelberg-New York-Tokyo 1985. DM 56,-.

Die Au~oren pr:isentieren auf 46 Sciten das derzeitige Konzepr der AO for die pertrochantaren Obersehenkelfrakturen.

Man war bemtiht, eiu Osteosynrhesesystem for ,,die Problem- verletzung" des alten Mensehen zu schaffen und steckte sich das Ziel, mit einem Implantat alle Frakturtypen optimal zu stabilisie- ren, mlt niedriger Komplikationsrate, einfacher Operationsrech- nik und kurzer Operationszeit.

Nach den Enttauschungen mit der Winkelplatte wurde das be- reits bekannte Gleitschraubenprinzip wieder aufgenommen u~d Implantat und lnsrrumentarium den Bedingungen der AO ange- palBt. Die Gleitschrauben-Platten-Kombination erlaubt eine Ein- stauchung der Bruchfragmente ohne Gefahr der Schraubenperfo- ration oder des Ptattenbruches.

Nach einer Beschreibung des Implantates wird auf vier Seiten die chirurgische Technik erl~iutert und auf Fehler und Gefahren hingewiesen.

Es folgen acht Seiten mlt R6ntgenbildern typischer klinischer Beispiele, die zum Teil sehr schon die Vorteile dieser Osteosyn- thesetechnik aufzeigen, aber auch die h~/.ufigsten Fehler erkennen lassen.

Die Ergebnisse yon 268 mit DHS operierten Patienten aus der Universit.~itsklinik Basel und 262 mit Winkelplatten versorg~en Patienten werden mit 100 durch Endern~gel stabilisierte vergli- chen.

Den klinischen Effahrunesbericht erg~mzen labortechnische Megergebni~e, die eine (~beriegenheit der DHS gegenuber der \~" inkelplatte zeigen.

Nach den Erfahrungen der Autoren stetlt das DHS-System die zur Zeit beste Moglichkeit der Versorgung yon per- und subtro- chantaren Frakturen des Oberschenkels, aber auch ausgewablter F~.lle von Schenkelhalsfrakturen dar. Im Vergleich wird vor allem die fehlende oder doch deutlich verringerte Belastbarkeit der mit Endern~gel versorgten instabilen Frakturen hervorgehoben so- wie das Problem der Nagelwanderung und des Rotationsfehlers.

Vergleicht man allerdings die angef~hrten Tabellen der Kom- plikations- und Reoperationsraten yon 268 DHS-verschraubten (4,5;~) und 2137 endergenagetten F~.llen (l,9~,). so kann das Buch die DHS-Methode doch nicht vollends Liberzeugend darstellen.

T. Gaudernak, Wie~