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E Steuerrecht E1 Die Besteuerung des Künstlers 57 Kultur & Recht April 2012 E 1.5 S. 1 Die beschränkte Steuerpflicht ausländi- scher Künstler und Produktionsgesell- schaften der §§ 1 Abs. IV, 49 ff. EStG Ulrich Poser Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Hamburg Inhalt Seite 1. Die beschränkte Steuerpflicht 2 1.1 Die Systematik der beschränkten Steuerpflicht 2 1.2 Die relevanten Einkünfte des § 49 Abs. 1 EStG 3 1.3 Begriff der Darbietung 4 1.4 Der Verwertungstatbestand 5 1.5 Steuerabzug nur beim Rechtekauf 5 1.6 Leistungen im Zusammenhang mit einer dem Steuerabzug unterliegenden Vergütung 6 1.7 Der Steuerabzug: Haftungs- und Steuerschuldner 6 1.8 Die Steuerbescheinigung 7 1.9 Verfahren des Steuerabzugs 7 1.10 Der Steuerabzug bei hintereinander geschalteten beschränkt Steuerpflichtigen 8 1.11 Die Steuersätze und die Bemessungsgrundlage für den Steuer- abzug (§ 50a Absatz 2 und 3 EStG) 8 1.12 Formulare zur Steueranmeldung 9 1.13 Haftung und Nachforderung 12 1.14 Zuständigkeit und Verfahren für den Quellensteuerabzug 12 2. Entlastung vom Steuerabzug auf Grund von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) und § 50 Abs. 4 Nr. 1 und 2 EStG 13 2.1 Einschränkung des Besteuerungsrechts aufgrund von DBA 13 2.2 Ausnahme: DBA Deutschland-USA 13 2.3 Abgrenzung zwischen Tätigkeitsvergütungen und Lizenzgebühren 14 2.4 Der Steuererlass in besonderen Fällen (Kulturorchester u.a.) 15 2.5 Weitere Freistellungsmöglichkeiten aufgrund DBA 18 3. Praxisbeispiele 21

Ulrich Poser: Die beschränkte Steuerpflicht ausländischer Künstler

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Page 1: Ulrich Poser: Die beschränkte Steuerpflicht ausländischer Künstler

E Steuerrecht

E1 Die Besteuerung des Künstlers

57 Kultur & Recht April 2012

E 1.5 S. 1

Die beschränkte Steuerpflicht ausländi-scher Künstler und Produktionsgesell-schaften der §§ 1 Abs. IV, 49 ff. EStG

Ulrich Poser Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Hamburg

Inhalt Seite

1. Die beschränkte Steuerpflicht 2 1.1 Die Systematik der beschränkten Steuerpflicht 2 1.2 Die relevanten Einkünfte des § 49 Abs. 1 EStG 3 1.3 Begriff der Darbietung 4 1.4 Der Verwertungstatbestand 5 1.5 Steuerabzug nur beim Rechtekauf 5 1.6 Leistungen im Zusammenhang mit einer dem Steuerabzug

unterliegenden Vergütung 6 1.7 Der Steuerabzug: Haftungs- und Steuerschuldner 6 1.8 Die Steuerbescheinigung 7 1.9 Verfahren des Steuerabzugs 7 1.10 Der Steuerabzug bei hintereinander geschalteten beschränkt

Steuerpflichtigen 8 1.11 Die Steuersätze und die Bemessungsgrundlage für den Steuer-

abzug (§ 50a Absatz 2 und 3 EStG) 8 1.12 Formulare zur Steueranmeldung 9 1.13 Haftung und Nachforderung 12 1.14 Zuständigkeit und Verfahren für den Quellensteuerabzug 12 2. Entlastung vom Steuerabzug auf Grund von

Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) und § 50 Abs. 4 Nr. 1 und 2 EStG 13

2.1 Einschränkung des Besteuerungsrechts aufgrund von DBA 13 2.2 Ausnahme: DBA Deutschland-USA 13 2.3 Abgrenzung zwischen Tätigkeitsvergütungen und Lizenzgebühren 14 2.4 Der Steuererlass in besonderen Fällen (Kulturorchester u.a.) 15 2.5 Weitere Freistellungsmöglichkeiten aufgrund DBA 18 3. Praxisbeispiele 21

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E1 Die Besteuerung des Künstlers

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1. Die beschränkte Steuerpflicht

Das Thema „Beschränkte Steuerpflicht ausländischer Künstler und Produktions-gesellschaften“ (in der Branche auch kurz als „Ausländersteuer“ bezeichnet) beschäftigt die Veranstaltungsbranche seit vielen Jahren. Aufgrund massiver Proteste aus den Kreisen der Veranstaltungswirtschaft wurde der Steuersatz in den vergangenen Jahren zunächst von 25 % auf 20 % gesenkt; heutzutage ist er in den meisten Fallkonstellationen auf 15 % gesunken. Verfahren vor dem EuGH (z.B. die Rechtssache C-290/04 – FKP Scorpio./.Finanzamt Hamburg-Eimsbüttel) haben dazu geführt, dass mittlerweile bei EU- und EWG-Künstlern der Abzug von Werbungskosten und Betriebsausgaben zugelassen ist, sofern diese durch Belege nachgewiesen werden können. In allen Fällen ist darüber hinaus der Ab-zug von tatsächlich angefallenen Fahrt- und Übernachtungskosten von der Be-messungsgrundlage der „Ausländersteuer“ möglich.

Das Bundesministerium der Finanzen hat zu der gesamten Problematik zum ersten Mal seit dem letzten einschlägigen BMF-Schreiben aus dem Jahre 1996 umfassend mit BMF-Schreiben vom 25. November 20101 Stellung genommen2.

1.1 Die Systematik der beschränkten Steuerpflicht3

Die „Ausländersteuer“ gehört sachlich zur Einkommen- und Körperschaftssteuer; die entsprechenden gesetzlichen Regelungen finden sich im Einkommensteuerge-setz (§§ 49 ff. EStG). Für juristische Personen und Körperschaften gelten die Vorschriften über die beschränkte Steuerpflicht gem. der Verweisung in § 2 Nummer 1, § 8 Absatz 1 KStG gleichfalls.

Natürliche Personen4, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. §§ 8, 9 Abgabenordnung, AO) haben, sind im Inland gemäß § 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, d. h. sie versteuern hier ihr Welt-einkommen. Dieser Umstand wird als Welteinkommensprinzip bezeichnet.

Praxisbeispiel 15: Der deutsche Schlagerstar J.D. (Wohnsitz im Inland) erhält für einen Auftritt im mallorquinischen „Oberbayern“ ein Honorar

i.H.v. 5.000,00 Euro. Diese Einnahme hat er in seiner Jahreseinkommensteuerer-klärung in Deutschland zu erklären.

Bereits im Hinblick auf die Vorschriften der AO ist Vorsicht geboten: Gemäß § 9 Satz 2 AO ist als gewöhnlicher Aufenthalt stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als 6 Monaten Dauer anzusehen; kurz-fristige Unterbrechungen bleiben nach dem Gesetz unberücksichtigt.

Praxisbeispiel 2: Rockstar R verlegt seinen Wohnsitz auf Rat eines Freundes „um Steuern zu sparen“ von Berlin nach Monaco. In Deutsch-

land erklärt er keine Einkommensteuern mehr. Gleichwohl lebt er tatsächlich in

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einer Villa in München Grünwald bei seiner Frau und seinem Sohn. Die Steuer-fahndung postiert einen verdeckten Ermittler vor dem Haus des R in einem VW-Bus mit abgedunkelten Scheiben; beginnend am 1.1.2011. Nach 184 aufeinander-folgenden Tagen, also am 3. Juli 2011 wird R festgenommen. Er hat eine strafba-re Steuerhinterziehung begangen, da er aufgrund seines ständigen Aufenthaltes im Inland unbeschränkt steuerpflichtig war, seine Einkünfte aber nicht erklärt hat.

1.2 Die relevanten Einkünfte des § 49 Abs. 1 EStG

Neben der unbeschränkten Steuerpflicht gibt es noch die beschränkte Steuer-pflicht.

Die Frage der beschränkten Steuerpflicht stellt sich, wenn inländische Vertrags-partner (z.B. Veranstalter, Hallenbetreiber oder Gastspieldirektionen) Zahlungen an ausländische Künstler vornehmen, die keinen Wohnsitz und keinen ständigen Aufenthalt im Inland haben. Das Gleiche gilt für Zahlungen an ausländische Produktionsgesellschaften (z.B. eine Ltd. oder eine BV), die keine Betriebsstätte im Inland haben.

Gemäß § 1 Abs. 4 EStG sind natürliche Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt gemäß den §§ 9 und 9 AO haben, unter gewissen Voraussetzungen beschränkt einkommensteuerpflichtig, wenn sie inländische Einkünfte im Sinne des § 49 Abs. 1 EStG haben.

Einkünfte i.S.d. § 49 Abs. 1 EStG sind in den hier relevanten Bereichen:

(…)

2. Einkünfte aus Gewerbetrieb,

a) für den im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird oder ein ständiger Vertreter bestellt ist, (...)

d) die, soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne der Nummern 3 und 4 gehö-ren, durch im Inland ausgeübte oder verwertete künstlerische, sportliche, ar-tistische, unterhaltende oder ähnliche Darbietungen erzielt werden, ein-schließlich der Einkünfte aus anderen mit diesen Leistungen zusammenhän-genden Leistungen, unabhängig davon, wem die Einnahmen zufließen, (…)

3. Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§18), die im Inland ausgeübt oder verwer-tet wird oder worden ist, oder für die im Inland eine feste Einrichtung oder eine Betriebsstätte unterhalten wird,

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4. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19), die

a) im Inland ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist, (…)

Dem Steuerabzug unterliegen somit die Einkünfte aus im Inland ausgeübten künstlerischen, sportlichen, artistischen, unterhaltenden und ähnlichen Darbie-tungen einschließlich der Einkünfte aus anderen mit diesen Leistungen zusam-menhängenden Leistungen, wozu auch Entgelte aus Werbeeinahmen, Ausrüs-tungsverträgen, Autogrammstunden, die im Zusammenhang mit der Darbietung stehen, gehören6.

1.3 Begriff der Darbietung

Das Tatbestandsmerkmal der Darbietung i. S. d. § 50a Absatz 1 Nummer 1 EStG ist weit auszulegen liegt nach dem BMF vor, wenn etwas aufgeführt, gezeigt oder vorgeführt wird, z. B. Ausstellungen, Konzerte, Theateraufführungen, Shows, Turniere oder Wettkämpfe sowie nichtöffentliche Auftritte und Studioaufnahmen für Film, Funk, Fernsehen oder zur Herstellung von Bild- und Tonträgern fallen hierunter ebenso wie z. B. Talkshows, Quizsendungen, besonders choreogra-phisch gestaltete Modenschauen sowie Feuerwerke und Lasershows7.

Die Darbietung muss im Inland erfolgen. Das ist der Fall, wenn die Tätigkeit tatsächlich im Inland ausgeübt wird. Ort der Darbietung ist bei Filmaufnahmen der Ort der Dreharbeiten, bei Tonaufnahmen der tatsächliche Aufnahmeort8.

Praxisbeispiele 39: Der ausländische Rockstar R.W. tritt in der O2 Arena in Hamburg auf. Er hat seinen Konzertvertrag direkt mit dem inländischen

Veranstalter V geschlossen. R.W. erzielt beschränkt steuerpflichtige Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die im Inland ausgeübt wird i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG. V ist zum Steuerabzug verpflichtet.

Die „größte Rockband der Welt“ R.S. schließt einen Tourneevertrag mit einer englischen Ltd. (Produktionsgesellschaft). Die englische Ltd. „ver-

kauft“ ein Konzert der Tour an den örtlichen Veranstalter Ö in Deutschland. Der Konzertvertrag wird zwischen der englischen Ltd. und Ö geschlossen. Die engli-sche Ltd. erzielt beschränkt steuerpflichtige Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 49 I Nr. 2 d EStG. Ö ist als Vergütungsschuldner zum Steuerabzug verpflichtet.

Das inländische Konzerthaus L aus Hamburg verpflichtet für sein Orches-ter den französischen Violinisten V für 5 Monate. Der Violinist wird als

Arbeitnehmer fest angestellt. Er erzielt beschränkt steuerpflichtige Einkünfte i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG. L hat V entsprechend zu veranlagen.