Umwelt Und Gesundheit

Embed Size (px)

Citation preview

Umwelt & GesundheitBeispiele aus der Forschungspraxis

ImpressumHerausgeber Bundesministerium fr Bildung und Forschung (BMBF) Referat Publikationen; Internetredaktion 11055 Berlin Bestellungen schriftlich an den Herausgeber Postfach 30 02 35 53182 Bonn oder per Tel.: 01805 - 262 302 Fax: 01805 - 262 303 (0,12 Euro/Min. aus dem deutschen Festnetz) E-Mail: [email protected] Internet: http://www.bmbf.de Konzeption, Text, Redaktion GSF-Forschungszentrum fr Umwelt und Gesundheit, Neuherberg/Mnchen: Holger Kasat, Ulrike Koller, Heinz-Jrg Haury, Michael van den Heuvel Abteilung ffentlichkeitsarbeit; Dr. Angela Richter Projekttrger des BMBF fr Umwelt- und Klimaforschung Gestaltung Harald Unger, Mnchen Bonn, Berlin 2003 (Nachdruck 2005) Gedruckt auf Recyclingpapier Bildnachweis Zefa (S. 1 gro, 42) Atemwegsliga/DAK (S. 1 u.r., 2 u., 12 l., 20 r.) Edith Deissinger, Stdt. Kinderkrippe Mathunistrae, Mnchen (S. 6, 7) AstraZeneca (S. 8) Gnter und Ingrid Goddeng, GSF (S. 9 o., 22, 43 r.) Ingrid Weichenmeier u. Heidrun Behrendt, Klinische Kooperationsgruppe Umweltdermatologie und Allergologie, GSF und TU Mnchen (S. 10, 24 r.) Allergopharma Joachim Ganzer AG (S. 12 m.) Michael van den Heuvel, GSF (S. 12 r., 31 r.) Harald Unger (S. 13, 14 o., 27 o., 43 l., 47 l.) Eckhart Kmpgen, Center for Genetic and Cellular Therapies, Duke University (S. 14 u.l.) M. Rohde, Gesellschaft fr Biotechnologische Forschung (S. 14 u.m.) Institut fr Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene, TU Mnchen (S. 14 u.r.) Klaus Walter, Universitt Marburg (S. 15 l.) iKomm (S. 15 r.) Young-Ae Lee, Max-DelbrckCentrum fr Molekulare Medizin Berlin-Buch (S. 16, 17 o.) Alexanderklinik Davos (S. 17 u., 20 l.) Norma Neuheiser, Umweltforschungszentrum Leipzig (S. 18) Bundesamt fr Strahlenschutz (S. 18, 33 o. u. m. l., 34, 36 u.) Shinji Tekanaka, GSF (S. 19) Joachim Heinrich, GSF (S. 21 o., 43 m.) Reinhart Feldmann, Umweltforschungszentrum Leipzig (S. 21 u.) Corbis (S. 22) Bundesministerium fr Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Foto: H.G. Oed (S. 24 l., 30 Graphik "Umwelt", 49) KORA, GSF (S. 24 m.) Victims of noise pollution, EPA Journal 1979 (S. 26) Deutsche Lufthansa AG (S. 27 u.) GSF-Forschungszentrum fr Umwelt und Gesundheit (S. 28, 29, 30 u., 37 u., 44 m., 47 m.) GENICA (S. 30 Graphik o. ohne Bilder, 31 Logo) HELIOS Klinikum Berlin, Foto: Thomas Oberlnder (S. 30 Graphik Lebensstil) Gesellschaft fr Biotechnologische Forschung (S. 30 Graphik Arbeitsplatz, 31 u., 32 Graphik Testbakterium und Auswertung) PhotoDisc Europe (S. 30 Graphik "Andere", 31 l., 32 Graphik Testsubstanz, 44 r.) Novartis (S. 31 m.) AMMUG, Universitt Mainz (S. 32 Graphik Messung ) WISMUT GmbH (S. 33 u.l. + u.m.r. + u.r.) Harald Renz, Klinikum der Philipps-Universitt Marburg (S. 35) NIVEA Sun (S. 36 o.) Thilo Gambichler, Klinik fr Dermatologie und Allergologie an der Ruhr-Universitt Bochum (S. 37 o.) Julia Schwaiger, Bayerisches Landesamt fr Wasserwirtschaft (S. 38, 40 a-d) Forschungszentrum Jlich GmbH (S. 40/41 o.) Ewald Seliger, Klinik fr Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin der Martin-Luther-Universitt Halle-Wittenberg (S. 41 u.) ECC Kothes Klewes GmbH (S. 44 l.) Gesellschaft fr Umweltschutz des TV Nord mbH (S. 45, 46 o.) WBA (S. 46 u.) Umweltforschungszentrum Leipzig (S. 47 r.)

Umwelt & GesundheitBeispiele aus der Forschungspraxis

INHALTUMWELT & GESUNDHEIT RISIKEN ERKENNEN, ABSCHTZEN,

VERMEIDEN

.................. 6

ALLERGIE & UMWELT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Allergieforschung im Ost-West-Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Allergie-Impfung mit Bakterien-DNA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Sommersmog frdert Allergien und Asthma . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Neurodermitis den genetischen Ursachen auf der Spur . . . . . . . 16 ATEMWEGE & UMWELT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Viel Feinstaub schadet Asthmatikern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Europische Atemwegsstudie ECRHS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Asthma-Bronchitis-Sensor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 HERZ & UMWELT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Herzbeschwerden liegen in der Luft. . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Rasende Herzen durch Lrm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 KREBS & UMWELT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Kampf gegen Brustkrebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Gentoxische Stoffe frhzeitig erkennen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Radon und Lungenkrebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 UV-Strahlung und Hautkrebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 HORMONE & UMWELT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Wirkung und Risiko von Nonylphenolen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Umweltchemikalien und die Fruchtbarkeit der Frau. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 WOHNEN & UMWELT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Pyrethroide wie gesundheitsschdlich sind Insektizide? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Emissionen aus Elektrogerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Allergie-Risiko Innenraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 FORSCHUNGFRDERN

IN ZUKUNFT

NACHHALTIG

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

UMWELTRISIKEN

ERKENNEN, ABSCHTZEN, VERMEIDEN

&G

ESUNDHEIT

Unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit werden durch die Umwelt entscheidend beeinflusst.Wir sehen uns oft unmittelbar betroffen, da wir uns vielen ueren Einflssen nicht oder nur in begrenztem Umfang entziehen knnen. Medien berichten hufig ber Auswirkungen von Umweltbelastungen durch chemische Substanzen, Lrm oder Strahlung auf unsere Gesundheit.Von wissenschaftlicher Seite muss jedoch eingerumt werden, dass fr eine Beurteilung umweltbedingter Gesundheitsrisiken noch groe Unsicherheiten bestehen. Deshalb untersttzt das Bundesministerium fr Bildung und Forschung seit vielen Jahren die Aktivitten im Forschungsbereich Umwelt und Gesundheit. Die Broschre stellt eine Auswahl wichtiger Projekte vor.

ie Bundesregierung sieht den Schutz und die Erhaltung von Leben und Gesundheit der Menschen als oberste Verpflichtung jeden staatlichen Handelns an. Sie hat als einer von 29 Mitgliedsstaaten 1989 die Europische Charta Umwelt und Gesundheit mitunterzeichnet. Danach hat jeder Mensch Anspruch auf eine Umwelt [...], die ein hchstmgliches Ma an Gesundheit und Wohlergehen ermglicht. Das Wissen um die Wirkungen von Umwelteinflssen auf die Gesundheit des Menschen ist darber hinaus ein wichtiger Baustein fr eine nachhaltige Entwicklung. Zu diesem Leitbild hat sich Deutschland 1992 auf der UN-Konferenz fr Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro zusammen mit 178 anderen Nationen bekannt. Im Umweltforschungsprogramm der Bundesregierung Forschung fr die Umwelt finanziert das Bundesministerium fr Bildung und Forschung (BMBF) seit vielen Jahren die

D

Arbeiten zahlreicher Forschungszentren und Projektgruppen zum Schwerpunktthema Umweltbelastungen und Gesundheit. Ziel der Frderung ist es, frhzeitig gesundheitsgefhrdende Umweltfaktoren zu erkennen, Risiken fr die Gesundheit des Menschen abzuschtzen sowie Beitrge zur Reduzierung potentiell gesundheitsgefhrdender Umweltbelastungen zu erarbeiten. Auch benachbarte Schwerpunkte des Umweltforschungsprogramms, zum Beispiel zur kotoxikologischen Forschung, knnen hierzu wertvolle Beitrge liefern. Diese naturwissenschaftlichen Anstze werden mit Fragestellungen der Umweltmedizin, Soziologie und konomie verknpft. Das BMBF-Gesundheitsprogramm Forschung fr den Menschen bietet ebenfalls wichtige Anknpfungspunkte fr umweltbezogene Fragestellungen. Darber hinaus widmen sich das Bundesministerium fr Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und das Bundesministerium7

Kapitel

U m w e l t & G e s u n d h e i t R i s i ke n e r ke n n e n , a b s c h t ze n , v e r m e i d e n

fr Gesundheit und Soziale Sicherung innerhalb ihrer Ressortforschungsprogramme bestimmten Untersuchungen zu umweltbedingten Erkrankungen. Ihre gemeinsame Arbeitsgrundlage ist seit 1999 das Aktionsprogramm Umwelt und Gesundheit (APUG). Die nationalen Frderttigkeiten werden ergnzt durch die Europischen Forschungsrahmenprogramme. Im Forschungsbereich Umwelt und Gesundheit konzentrierte sich das 5. Rahmenprogramm (1998-2002) auf die Felder Erforschung umweltbedingter Gesundheitsstrungen und Allergien und Entwicklung neuer Verfahren zur Diagnose und Risikoabschtzung. Durch Bndelung der europischen Forschungsanstrengungen und -kapazitten soll das 6. Rahmenprogramm der EU (2002-2006) vorrangig zur Integration und Strkung des

Europischen Forschungsraums beitragen. Es enthlt Teilaspekte des Bereiches Umwelt und Gesundheit in den thematischen Prioritten Biowissenschaften, Genomik und Biotechnologie im Dienste der Gesundheit, Lebensmittelqualitt und -sicherheit sowie Politikorientierte Forschung. Die vorliegende Broschre schildert Wege und Fortschritte bei der Erforschung gesundheitlicher Belastungen durch die Umwelt. Sie strebt keinen vollstndigen berblick ber die Vielzahl einschlgiger Forschungsaktivitten in Deutschland an, sondern mchte einige beispielhafte Projekte vorstellen, die das BMBF aktuell frdert oder in den letzten Jahren gefrdert hat. Im Vordergrund stehen bedeutende Krankheitsbilder unserer Gesellschaft wie Allergien, Atemwegserkrankungen oder Krebs sowie besondere Belastungssituationen, denen wir in unserem Wohnbereich ausgesetzt sind. In vielen der ausgewhlten Vorhaben analysieren Wissenschaftler die komplizierten Wechselwirkungen zwischen genetischen, verhaltensgesteuerten und umweltbedingten Faktoren. Dieses Zusammenspiel wird bislang erst teilweise verstanden und lsst nur selten sichere Aussagen zur Gesundheitsgefhrdung zu. Im Sinne des Schutzes der ffentlichen Gesundheit ist die Politik trotz der beschriebenen Schwierigkeiten verpflichtet, mit Hilfe transparenter Verfahren prventiv ausgerichtete Belastungsgrenzen festzulegen und diese an den fortschreitenden Kenntnisstand anzupassen.

Kontakt Bundesministerium fr Bildung und Forschung (BMBF) www.bmbf.de Bundesministerium fr Gesundheit und Soziale Sicherung www.bmgesundheit.de Bundesministerium fr Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit www.bmu.de

Aktionsprogramm Umwelt und Gesundheit (APUG) www.apug.de Koordinierungsstelle EG der Wissenschaftsorganisationen, Informationen zum 6. Rahmenprogramm www.kowi.de/rp6 EU-Bro des BMBF fr das 6. Rahmenprogramm www.eubuero.de/6rp

8

Gesundheitsrisiken erkennen das HandwerkszeugUmweltepidemiologie Die Epidemiologie untersucht die Verteilung von Krankheiten sowie die Krankheitsfolgen in der Bevlkerung. Ihr Ziel ist es, Ursachen fr Erkrankungen festzustellen, spezifische Risikogruppen zu identifizieren sowie Behandlungs- und Vermeidungsstrategien zu entwickeln. Entsprechend geht es in der umweltepidemiologischen Forschung um die Einflsse von Umweltfaktoren auf die menschliche Gesundheit. Zu diesen zhlen beispielsweise Schadstoffe der Luft, des Bodens und des Wassers, im weiteren Sinne aber auch Faktoren unseres persnlichen Verhaltens wie Ernhrung, Bewegung oder Nikotinkonsum. Es gilt, Zusammenhnge zwischen Exposition und Erkrankungen oder Symptomen zu UmwelttoxikologieMgliche toxische Wirkungen von Chemikalien werden in vitro und in vivo untersucht. Bei der bertragung der Ergebnisse auf Bevlkerungsgruppen (Extrapolation) muss eine Vielzahl wichtiger Informationen ber z.B. Aufnahmepfade, Wirkungsmechanismen oder die tatschliche Exposition in der Umwelt bercksichtigt werden.

analysieren, wobei letztere durch medizinische Untersuchungen und Befragungen erfasst werden. Die Aussagekraft umweltepidemiologischer Studien wird dadurch erschwert, dass zumeist viele Faktoren gleichzeitig auf uns einwirken und komplexe Krankheitsverlufe verursachen. Um Gesundheitsrisiken dennoch abschtzen zu knnen, bentigen solche Studien oft lngere Untersuchungszeitrume und groe Teilnehmerzahlen.Umweltepidemiologen fhren Untersuchungen in der Bevlkerung durch. Ihre Erkenntnisse beruhen auf Befunden an Menschen, die bestimmten Umwelteinflssen unterschiedlich stark ausgesetzt sind. Dies ermglicht es den Forschern, Zusammenhnge zwischen Exposition und Gesundheitsrisiko direkt zu erkennen.

Extrapolation

Aufgabe der Umwelttoxikologie ist es, vermutete Zusammenhnge zwischen Umweltfaktor und Erkrankung mit Hilfe von Laborexperimenten an Tieren oder Zellkulturen zu berprfen. Dabei analysieren Forscher die zugrundeliegenden Wirkungsmechanismen und die Bezie-

hung zwischen Exposition und Wirkung. Ausgehend von den Labor-Ergebnissen wird sorgfltig auf die realen Expositionsverhltnisse menschlicher Organismen geschlossen und eine Beurteilung des umweltbedingten Gesundheitsrisikos vorgenommen.

9

Fliederpollen

ALLERGIE

&U

MWELT

Die Zahl der Allergiker steigt seit Jahrzehnten vor allem in den westlichen Industrienationen. In Deutschland ist schtzungsweise bereits jeder Dritte an Asthma, Heuschnupfen oder Neurodermitis erkrankt oder gegenber Allergenen sensibilisiert.Woran liegt es, dass uns zunehmend hufiger Erkrankungen plagen, von denen unsere Groeltern kaum etwas zu wissen schienen? Welche Rolle spielen dabei die Faktoren Umwelt, Gene und Lebensstil?

LHypothesen zur Erklrung der AllergiezunahmeInnenraumSchadstoffe AuenluftSchadstoffe Arbeitsplatz

UmweltDisposition

neuartige Nahrungsmittel

Genomgenetische Vernderung

Lebensstil

Auslandsreisen

Haustiere

SozialesHygiene

PsycheProblembewusstsein

ltere Mtter Stress

bessere Diagnostik

+

Faktoren, die man als mgliche Ursache fr die Zunahme von Allergieerkrankungen in den westlichen Industrienationen diskutiert. Es handelt sich um Hypothesen, die bisher nur teilweise durch Experimente oder andere Daten belegt werden konnten. Auch eine Gewichtung der einzelnen Faktoren ist derzeit noch nicht mglich.

ange Zeit galt die schlechte Qualitt der Luft als Hauptfaktor fr die Zunahme umweltbedingter Gesundheitsschden. Allergien nehmen zu, weil unsere Umwelt immer strker durch Schadstoffe belastet wird, glaubten viele zu wissen. Langjhrige Messreihen des Umweltbundesamtes und der Lnder zeigen aber einen deutlichen Rckgang vieler Schadstoffkonzentrationen der Luft seit Anfang der 70er-Jahre. Dagegen hat die Hufigkeit bestimmter allergischer Erkrankungen wie Asthma, Heuschnupfen und Neurodermitis in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Diese Entwicklung ist insbesondere fr Heuschnupfen gut belegt. So ergaben Gesundheitssurveys fr Westdeutschland, dass 1985 jede zehnte, 1991 bereits jede sechste Person im Alter zwischen 25 und 69 Jahren Heuschnupfen hatte. Auch international beobachtet man eine starke, ungebrochene Zunahme von Allergie-Erkrankungen. Die urschlichen Faktoren fr diese Entwicklung sind nach wie vor unklar. Es liegen eine Reihe von Hypothesen vor, die noch experimentell berprft werden mssen. Die Allergieforschung diskutiert gegenwrtig neben genetischen Ursachen vor allem anthropogene und natrliche Umwelteinflsse in Verbindung mit vernderten Lebensstilfaktoren in industrialisierten Lndern. Das komplexe Zusammenspiel dieser Faktoren zu verstehen, ist Ziel laufender Forschungsprojekte.

Wenn das Immunsystem verrckt spielt Von Geburt an sind wir mit Fremdstoffen aus der Umwelt konfrontiert. Unser Immunsystem lernt dabei, Krankheitserreger abzuwehren und harmlose Stoffe zu tolerieren. Ist dieser Reifungsprozess gestrt, wird auch gegen einen an sich ungefhrlichen Stoff eine Immunabwehr mobilisiert. Dabei bilden sich spezifische Antikrper, die den Organismus sensibilisieren. Ein erneuter Kontakt mit dem Allergen lst dann ber eine Kettenreaktion charakteristische Allergie-Beschwerden aus. Nach vorsichtigen Schtzungen kennt man heute etwa 20.000 Aller-

gene, die zum Beispiel aus den Pollen von Bumen und Grsern, den Ausscheidungen von Hausstaubmilben, aus Tierhaaren oder Schimmelpilzen stammen knnen. Allergien betreffen in der Regel unsere Kontaktflchen zur Umwelt wie Atemwege und Haut. Hufige Krankheitsbilder sind Asthma bronchiale, Heuschnupfen, Nesselsucht oder Neurodermitis. Die typische Karriere eines Allergikers beginnt in der Regel im ersten Lebensjahr mit einer Nahrungsmittel-Unvertrglichkeit gegen Kuhmilch und Ei, gefolgt von Haut-Allergien, welche mit zunehmendem Alter von Allergien an den Atemwegen abgelst werden.

11

Kapitel

Allergie & Umwelt

Allergieforschung im Ost-West-Vergleicher Rolle von Luftschadstoffen wie Schwebstaub, Schwefeldioxid, Stickoxide oder Ozon bei der Allergieentstehung sind Wissenschaftler in den 90er-Jahren in unterschiedlich belasteten Regionen Ost- und Westdeutschlands nachgegangen. Mehrjhrige epidemiologische Ver-

D

Im Verlauf der Ost-West-Studien geriet immer mehr der so genannte "westliche" Lebensstil in Verdacht, fr die Zunahme von Allergie-Erkrankungen verantwortlich zu sein. Die Epidemiologen widmeten sich daher strker den gesundheitlichen Auswirkungen unserer Wohnverhltnisse. Sie nahmenZum westlichen Lebensstil gehrt der zunehmende Verzehr exotischer Frchte. Sie enthalten mglicherweise allergieauslsende Nahrungsbestandteile.

Wohnungen in Erfurt und Hamburg unter die Lupe und fahndeten unter anderem nach Hausstaub- und Tierhaar-Allergenen.Wieder waren es die Westdeutschen, bei denen mehr Allergien auftraten.Vieles deutete darauf hin, dass dies eine Folge der im Westen weiter verbreiteten HaustierKatzenhaar-Allergene werden in der Speicheldrse der Katze produziert. Erst haltung und Verwendung von Teppichbei der Katzenwsche kontaminiert Hausstaubmilbe bden war. Auf Teppichbden sammeln sie ihr Fell. Katzenhaare verbreiten sich sich in der Regel groe Mengen unserer extrem weit (u.a. ber das Schuhwerk) und knnen sogar in Haushalten ohne Hautschuppen die Hauptnahrungsquelle der Katzenhaltung nachgewiesen werden. Hausstaubmilben. Ihre Ausscheidungen bzw. bestimmte in den winzigen Kotbllchen enthaltene Eiweie sind es, die eine Hausstauballergie verurgleichsstudien zum Beispiel zwischen Erfurt und sachen knnen. Hamburg ergaben schlielich, dass Allergien nicht Auch ein zu geringer "Trainingseffekt" des kindetwa im von Luftverschmutzung weit strker belichen Immunsystems wird im Zusammenhang mit troffenen Osten hufiger waren, sondern im Wesder Zunahme von Allergien diskutiert. Denn der ten. Die Gleichung "mehr Luftverschmutzung = frhe Kontakt mit Keimen scheint unsere Krpermehr Allergien" schien offenbar zu einfach.

Kontakt GSF-Forschungszentrum fr Umwelt und Gesundheit, Institut fr Epidemiologie www.gsf.de/epi Dr. von Haunersches Kinderspital der Universitt Mnchen http://hauner.klinikum.uni-muenchen.de

IUF Institut fr Umweltmedizinische Forschung Dsseldorf www.iuf.uni-duesseldorf.de

12

Epidemiologen vermuten, dass der frhe Kontakt mit anderen Kindern und die damit verbundenen Infektionshufigkeiten das Immunsystem besser vor allergischen Erkrankungen schtzen. Dafr sprechen auch Beobachtungen, dass mit zunehmender Geschwisterzahl das Risiko, spter eine Allergie zu entwickeln, abnimmt.

abwehr zu strken. Das untermauern zum Beispiel epidemiologische Studien bei ostdeutschen Kindern aus den Jahren 1992/93. Damals wurden ber 2.000 Kinder im Alter zwischen 5 und 14 Jahren in den Regionen Bitterfeld/Wolfen, Hettstedt und Zerbst in Sachsen-Anhalt untersucht. Fr Einzelkinder fand man schlielich einen starken Zusammenhang zwischen dem Eintrittsalter in die Krippe und der Entwicklung von Allergien. Kinder, die frh (bis zum Alter von sechs Monaten) eine Krippe besuchten, hatten in der Regel hufig mit Erkltungen zu kmpfen, doch entwickelten sie spter deutlich seltener Allergien, als Kinder, die erst mit einem oder zwei Jahren eine Krippe besuchten. Fr Kinder mit Geschwistern lie sich dieser Zusammenhang jedoch nicht belegen.Vieles spricht dafr, dass mit frhzeitigem Kontakt zu Spielgefhrten (auch der eigenen Geschwister) und der damit verbundenen bertragungshufigkeit von Infektionskrankheiten die Wahrscheinlichkeit, eine Allergie zu bekommen, abnimmt.

Allergie-Impfung mit Bakterien-DNAiele epidemiologische Untersuchungen der letzten Jahre haben deutlich gemacht, dass nicht nur anthropogene Umweltsubstanzen, sondern auch natrliche Stoffe mikrobieller Herkunft eine wichtige Rolle bei der Allergieentstehung spielen. In den letzten Jahren entwickelten Forscher aus dieser Erkenntnis heraus die so genannte Hygienehypothese. Sie besagt, dass ein Mangel an infektisen und mikrobiellen Reizen die Zunahme von allergischen Erkrankungen wie Asthma frdert. Ist es also umgekehrt mglich, eine Therapie zu entwickeln, indem man Allergie-Patienten gezielt mit Bakterien impft? Dies ist tatschlich ein vielversprechender Ansatz, den unter anderem die Klinische Forschergruppe Molekulare und klinische Allergotoxikologie an der Technischen Universitt Mnchen seit 1998 erfolgreich verfolgt.

V

Kommt ein Kind auf die Welt, dann ist sein Abwehrsystem noch nicht vollstndig aufgebaut. Es fehlt ein bestimmter Typ weier Blutkrperchen, die so genannten T-Helferzellen vom Typ1. Sie werden in den ersten Lebensmonaten gebildet, wobei Infekte, die Ernhrung und die Besiedelung des Darms mit Bakterien eine wichtige Rolle spielen.TH1-Zellen produzieren bei Allergenkontakt unter anderem den Botenstoff Interferon und sorgen damit fr einen Schutz gegenber Fremdstoffen wie Bakterien und Viren (TH1-Antwort). Bei allergischen Personen sind hingegen verstrkt T-Helferzellen eines anderen Typs, die TH2-Zellen, aktiv. Sie geben bevorzugt Signalstoffe ab, welche die Produktion des Antikrpers Immunglobulin E untersttzen und schlielich allergische Entzndungsreaktionen hervorrufen (TH2Antwort). Da man bei gesunden Menschen ein

13

Kapitel

Allergie & Umwelt

Der Kontakt mit Mikroorganismen kann das frhkindliche Immunsystem strken. Forscher versuchen deshalb, einen Bakterien-Impfstoff gegen Allergien zu entwickeln.

Gleichgewicht zwischen den beiden T-Helferzelltypen beobachtet, versuchen viele Therapieanstze, den verhngnisvollen berschuss von TH2-Zellen zu unterbinden.

Einen hnlichen Weg beschreitet die Klinische Forschergruppe der Technischen Universitt Mnchen. Sie versucht, das Gleichgewicht ber eine Strkung der TH1-Antwort wiederherzustellen. Hierbei nutzen die Wissenschaftler eine Gruppe von Rezeptoren auf menschlichen Immunzellen, die fr die Erkennung von Mikroorganismen verantwortlich sind. Diese erkennen DNA-Bruchstcke, die speziell nur im Reich der Bakterien zu finden sind. Durch die gleichzeitige Gabe von BakterienDNA und allergieauslsenden Substanzen konnte bei Musen eine Rckbildung der spezifischen Antwort durch Immunglobulin E sowie eine Umkehr in eine TH1-Antwort erzielt werden. Die unter Asthma leidenden Versuchstiere wiesen nach der Behandlung keine typischen bronchialen Entzndungen mehr auf. Auch in den ersten klinischen Studien am Menschen sehen die Ergebnisse vielversprechend aus. Hier ist in den nchsten Jahren ein Durchbruch im Bereich der spezifischen Allergie-Immuntherapie, die laut WHO auch als Allergie-Impfung bezeichnet wird, zu erwarten.

3 m

b

a

(a) Menschliche dendritische Zellen, die aus monozytren Vorlufern im peripheren Blut gezchtet wurden. (b) Eine dendritische Zelle (braun) prpariert T-Helferzellen (grn) fr die Immunabwehr.

a

b

Menschliche dendritische Zellen (Immunzellen). Trifft eine frisch isolierte Zelle (a) auf bakterielle DNA-Molekle (hier: kurze synthetische DNA-Oligodinukleotide) wird sie aktiviert, bildet Zellfortstze aus (b) und produziert Signalstoffe, die einer allergischen Reaktionslage entgegenwirken. Quelle: Bauer et al. 2001, J. Immunol. 166: 5000

Kontakt Klinische Forschergruppe Molekulare Mechanismen der Wirkung von anthropogenen und natrlichen Umweltfaktoren auf Entstehung, Auslsung und Unterhaltung von

Allergien an der Technischen Universitt Mnchen, Klinik und Poliklinik fr Dermatologie und Allergologie am Biederstein: www.derma-allergie.med.tu-muenchen.de/klinik.html

14

Sommersmog frdert Allergien und Asthma

30 25 20 15 10 5 080 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 Jahr

Seit Beginn der 90er-Jahre verzeichnen die bundesweit 362 Messstellen einen Rckgang der Ozon-Belastung in Deutschland. Besonders die gemessenen Spitzenwerte eines jeden Messjahres weisen einen abnehmenden Trend auf. So traten berschreitungen des in der EU gltigen Alarmwertes von 240 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft in den letzten Jahren selten auf. Auch aktuell im Sommer 2002 wurde dieser Schwellenwert nicht berschritten.

Gut untersucht sind die Gesundheitswirkungen kurzzeitiger Belastungen mit hohen Ozon-Konzentrationen. Beispielsweise konnte fr Schulkinder und Erwachsene gezeigt werden, dass sich ihre Lungenfunktion nach mehrstndiger krperlicher Anstrengung bei einer Ozonkonzentration von 160 bis 300 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft verschlechtert. Diese funktionellen Vernderungen normalisieren sich im Laufe von ein bis drei Stunden nach Expositionsende weitgehend.

Intensive Sonne ermdet im Freien spielende Kinder schnell. Auch das sich bei strahlendem Sonnenschein bildende bodennahe Ozon kann sich unter Umstnden auf die Leistungsfhigkeit und auf die Lungenfunktion negativ auswirken.

+

Sommersmog Das Kunstwort Smog setzt sich aus den beiden englischen Begriffen smoke (= Rauch) und fog (= Nebel) zusammen. Smog kann bei austauscharmen Wetterlagen (Inversion) entstehen, wenn in Bodennhe produzierte Schadstoffe nicht mehr in hhere Luftschichten ausweichen knnen. Gerade in den Sommermonaten reagieren die bodennah angereicherten Stickoxide, flchtige organi-

Emissionen des morgendlichen Berufsverkehrs treffen im Laufe des Tages auf die UV-Strahlung der Sonne. Ab Mittag werden in der Regel die hchsten Ozonwerte erreicht.

sche Verbindungen und Luftsauerstoff unter Einfluss des Sonnenlichtes zu Ozon. Besonders hohe Ozonwerte werden bei direkter Sonneneinstrahlung whrend einer lngeren Schnwetterperiode gemessen.15

Quelle: Umweltbundesamt, Daten zur Umwelt, 2000

S

chtzungsweise 10 bis 15 Prozent der deutschen Bevlkerung reagieren besonders empfindlich auf das Reizgas Ozon Hauptbestandteil des Sommersmogs. Mgliche, dosisabhngige Wirkungen von Ozon auf Menschen betreffen hauptschlich das Geruchsempfinden, die Leistungsfhigkeit und die Lungenfunktion. Effekte sind um so eher zu erwarten, je mehr Luft pro Minute einund ausgeatmet wird. Dieses so genannte Atemminutenvolumen erhht sich beispielsweise durch krperliche Aktivitten.Wer sich whrend Sommersmog-Episoden bei Spiel, Sport oder Arbeit im Freien hufig lnger krperlich anstrengt, kann somit gesundheitlich beeintrchtigt werden.

Tage mit berschreitungen des Ozon-Alarmwertes (240 g/m3) in Deutschland von 1980 bis 2000Tage

Kapitel

Allergie & Umwelt

In Deutschland weist die bodennahe Ozonbelastung seit den 90er-Jahren einen abnehmenden Trend auf vor allem hinsichtlich der gemessenen Spitzenwerte. In den Mittelpunkt des Forschungsinteresses rcken daher Gesundheitsgefahren, die mglicherweise von lang anhaltenden mittelgradigen Ozon-Konzentrationen ausgehen knnten. Diesen berlegungen gingen Wissenschaftler der Universittsklinik Marburg seit 1996 anhand toxikologischer Experimente nach. Sie konnten nun am Tiermodell zeigen, dass unter bestimmten Ozon-Bedingungen die Neigung, Allergien und Asthma zu entwickeln, dramatisch zunimmt. Dabei setzten die

Kontakt Abteilung fr Klinische Chemie und Molekulare Diagnostik, Klinikum der Philipps-Universitt Marburg, www.med.uni-marburg.de/stpg/ukm/lb/zentrallabor

Forscher ihre Muse vier Wochen lang dreimal wchentlich jeweils ber vier Stunden verschiedenen Sommersmog-Situationen aus. Bei den vorbelasteten Tieren (Musen mit hoher Allergieneigung) gengten schon geringe Mengen eines Allergens (Pollen, Exkremente von Hausstaubmilben), um eine allergische Reaktion auszulsen: Ab einer OzonKonzentration von 180 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft zeigten die Muse eine erhhte Allergieund Asthma-Entwicklung. Diese Reaktionen wurden sogar bei Tierstmmen beobachtet, die vorher eine niedrige oder keine Allergieneigung zeigten. Die Marburger Forscher halten ihre Resultate fr besorgniserregend und befrchten, dass eine lang anhaltende mittelgradige Ozonbelastung, wie sie vor allem in industriellen Ballungszentren auftreten kann, ein wichtiger allergiefrdernder Faktor sein knnte. Doch inwieweit diese Ergebnisse aus Tierversuchen tatschlich auf den Menschen und auf konkrete Belastungssituationen bertragbar sind, muss noch geprft werden.

Neurodermitis den genetischen Ursachen auf der Spur

N

eurodermitis gehrt zusammen mit Asthma und Heuschnupfen zu den Krankheitsbildern, die auf einer erblich bedingten berempfindlichkeit des Immunsystems beruhen. Die entzndliche Hauterkrankung ist mit qulendem Juckreiz verbunden und tritt ber mehrere Jahre meist schubweise auf. Hufig sind bereits Suglinge und Kleinkinder betroffen. In Deutschland leiden mehr als zehn Prozent aller Kinder an Neurodermitis. Diese Kinder tragen sogar ein deutlich erhhtes Risiko, in spteren Jahren zustzlich an Heuschnupfen oder Asthma zu erkranken. Die rasante Zunahme von allergischen Erkrankungen in den letzten Jahrzehnten macht deutlich, dass unter anderem Einflsse aus der Umwelt oder auch der eigene Lebensstil bei der Entwicklung von Allergien eine groe Rolle spielen. Dennoch ist eine genetische Veranlagung von entscheidender Bedeutung: Aufgrund von Familien- und Zwillingsstudien schtzt man den Einfluss von Erbanlagen bei der

Neurodermitis beginnt meist schon im frhen Kindesalter mit Ekzemen in Gelenkbeugen und am Ges. Spter knnen sich auch Gesicht, Hals, Nacken, Schultern und Brust entznden.

Krankheitsentstehung auf bis zu 70 Prozent. Es wird angenommen, dass mehrere Gene mit jeweils unterschiedlich groem Effekt zusammen mit ueren Faktoren zur Krankheitsentstehung und -ausprgung beitragen. Wissenschaftler des Max-Delbrck-Centrums fr Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch und der Charit-Kinderklinik der Humboldt-Universitt zu Berlin versuchen, gemeinsam mit Forscherkollegen aus Italien, Schweden und den Niederlanden die genetischen Einflussgren bei der Entstehung der Neurodermitis aufzuklren. Sie durchmusterten drei Jahre lang die Genregionen von fast 200 Familien

16

Das menschliche Genom mit seinen paarweise angeordneten Chromosomen 1 bis 22 und den beiden Geschlechtschromosomen. Genetische Marker (rote Pfeile) kennzeichnen einen bestimmten Abschnitt eines Chromosoms. Auf jedem Chromosom wurden in gleichmigen Abstnden solche Marker untersucht, um herauszufinden, welche chromosomalen Abschnitte mit der Neurodermitis vererbt werden. Die genomweite Untersuchung umfasste rund 400 Marker.

mit jeweils mindestens zwei an Neurodermitis erkrankten Kindern. Die Suche war erfolgreich. Die Allergie-Forscher konnten erstmals eine Region unseres Erbguts identifizieren, die ein Krankheitsgen der Neurodermitis enthlt. Es zeigte sich, dass die Hautkrankheit besonders hufig mit einem bestimmten Abschnitt des Chromosoms 3 vererbt wird, vor allem wenn dieser Abschnitt von der Mutter stammt. Nun geht es darum, dieses Gen zu identifizieren, um in Zukunft gezielte Therapien entwickeln zu knnen. Durch die Erforschung der genetischen Ursachen der Neurodermitis erhoffen sich die Wissenschaftler auch Erkenntnisse ber die Zusammenhnge mit anderen Allergie-Erkrankungen wie Asthma und Heuschnupfen.

a

b

Die Ursachen der Neurodermitis sind noch nicht ausreichend bekannt. Ziel genetischer Untersuchungen ist es, die molekularen Mechanismen zu verstehen, die zu derartigen erblich bedingten berempfindlichkeiten fhren. Noch beschrnken sich die Behandlungsmethoden auf eine Unterdrckung der Hautentzndungen. Die Bilder zeigen einen Allergie-Patienten vor (a) und nach (b) einer mehrwchigen Klimatherapie im Hochgebirge.

Kontakt Forschergruppe Molekulare Pdiatrie, Max-Delbrck-Centrum fr Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch und Charit-Kinderklinik der HumboldtUniversitt zu Berlin, www.mdc-berlin.de

17

ATEMWEGE

&U

MWELT

Die Lunge des Menschen hat ber eine Flche von etwa 140 Quadratmetern unmittelbar mit der Umgebungsluft Kontakt und gilt daher als das zentrale "Umweltorgan" schlechthin. Auf die Frage, welche Krankheiten wohl in Zusammenhang mit Luftschadstoffen stehen knnten, werden Atemwegserkrankungen am hufigsten genannt. Viele epidemiologische Studien knnen das inzwischen belegen.

l-Rauch Ru

Straenstaub Flugasche Zementstaub

Viren

Bakterien

ultrafeine und feine Stube PM0,1 PM2,5 PM10

10 m

Makrophage einer Ratte bei der Aufnahme ultrafeiner Staubpartikel. Solche Fresszellen befreien auch unsere Atmungsorgane von eingedrungenen Mikroorganismen und Fremdkrpern.

0,01 0,1 1 10 100 Durchmesser in Mikrometer (millionstel Meter)

Staub ist nicht gleich Staub. Wissenschaftler unterteilen die partikelfrmige Materie (PM) in mehrere Grenklassen: den inhalierbaren Schwebstaub, dessen Teilchen kleiner als 10 Mikrometer sind (PM10), den lungengngigen Schwebstaub oder Feinstaub, deren Gre unter 2,5 Mikrometer liegt (PM2,5) sowie die ultrafeinen Partikel, die kleiner als 0,1 Mikrometer sind.

+

In Deutschland haben sich Gre und Zusammensetzung der Luftpartikel in den letzten Jahrzehnten stark verndert: Dank neuer Feuerungstechniken in den Haushalten und Stilllegungen von Industrieanlagen in den neuen Bundeslndern sank die Emission grober Staubpartikel von 1990 bis 1999 um nahezu 1,6 Millionen Tonnen (86 Prozent). Zugenommen hat hingegen der Anteil feiner und ultrafeiner Partikel, die tief in die Lunge eindringen knnen. Sie entstehen beispielsweise bei Verbrennungsprozessen in Automotoren, in geringem Mae durch Hausbrand und industrielle Quellen. Dabei kommt den kleinsten Staubteilchen von weniger als 0,1 Mikrometer Durchmesser eine besondere Bedeutung zu. In Messungen zur Luftverschmutzung wurden diese Ultrafeinstube bisher nicht bercksichtigt, da sie insgesamt nur sehr wenig zur atmosphrischen Massenbelastung beitragen. Hieraus ergeben sich weitreichende Konsequenzen fr die Immissionsberwachung und fr den wirkungsvollen Schutz der Bevlkerung.

Partikelzusammensetzung der Luft von 1991 bis 1999 in ErfurtDurchmesser in Mikrometer 0,01 - 0,03 0,03 - 0,05 0,05 - 0,1 0,1 - 0,5

70 60 50 40 30 20 10 0 Winter Winter Winter Winter Winter 95/96 96/97 97/98 98/99 91/92

Anteil verschiedener Grenklassen an den Gesamtpartikelzahlen der Winter 1991/92 bis 1998/99 in Erfurt. Die Anzahlkonzentration ultrafeiner Partikel mit einem Durchmesser unter 0,03 Mikrometer steigt kontinuierlich auf 71 Prozent der Gesamtkonzentration. Diese liegt seit Winter 1995/96 in etwa stabil bei 14.00020.000 Partikel pro Kubikmeter Luft.

Staub Je kleiner desto gemeiner Fallen die Sonnenstrahlen gnstig ins Zimmer, knnen wir sie ohne Mhe erkennen: Abermillionen schwebende Staubkrnchen so klein, dass sie von der Luft getragen werden. Doch gibt es noch vielfach kleinere Partikel so winzig wie Viren oder Bakterien, die fr uns unsichtbar sind. Einmal eingeatmet,

gelangen diese Feinstube in die kleinsten Verstelungen unserer Lunge. Man wei inzwischen, dass die Gre der eindringenden Partikel entscheidend ist. Je feiner, desto tiefer knnen sie in den Atemtrakt eindringen. An ihnen haften organische und anorganische Schadstoffe, die somit gleichfalls in tiefere Lungenabschnitte gelangen.19

Quelle: Wichmann et al., Gesundheitliche Wirkungen von Feinstaub, 2002

80 Anzahlkonzentration in %

Quelle: Wichmann et al., Gesundheitliche Wirkungen von Feinstaub, 2002

S

eit 1991 fhren Umweltepidemiologen des GSF-Forschungszentrums fr Umwelt und Gesundheit in den neuen und alten Bundeslndern Studien mit Kindern und Erwachsenen durch. Sie haben Regionen mit unterschiedlichen Luftbelastungen verglichen und eindeutige Zusammenhnge zwischen Luftschadstoffen und Atemwegssymptomen gefunden. Nach dem gegenwrtigen Stand der Forschung ist es besonders der lungengngige Feinstaub der Luft, der den Gesundheitszustand von Patienten mit Atemwegserkrankungen und HerzKreislauf-Beschwerden verschlechtern kann.

Gren typischer Partikel in der AuenluftDunst Nebel Sprhnebel

Kapitel

A t e m w e ge & U m w e l t

Viel Feinstaub schadet Asthmatikern

B

ei Asthmapatienten und anderen Risikogruppen entscheidet die Beschaffenheit der Luftpartikel ber eine Verschlechterung ihrer Lungenfunktion. Zu diesem Ergebnis kamen Epidemiologen des GSF-Forschungszentrums fr Umwelt und Gesundheit nach einer Untersuchung im Winter 1991/1992 in Erfurt. Sie lieen 27 erwachsene Asthma-Patienten ber sechs Monate dreimal tglich das maximale Atemstovolumen bestimmen und ihre Atemwegssymptome notieren. Die statistischen Analysen der Daten ergaben, dass ein Abfall der Lungenfunktion, hufigeres Husten und eine Verschlechterung des allgemeinen Befindens dann auftraten, wenn die Partikelkonzentration in der Umgebungsluft ber mehrere Tage erhht war. Interessante Zusammenhnge erbrachte auerdem die differenzierte Betrachtung der einzelnen Partikelfraktionen. Die meisten der gezhlten Partikel in Erfurt waren ultrafein (73 Prozent), also kleiner als 0,1 Mikrometer im Durchmesser. Die Masse der feinen Partikel wurde hingegen von jenen Parti-

keln mit einem Durchmesser zwischen 0,1 und 0,5 Mikrometer dominiert (82 Prozent). Ein Vergleich zwischen den Auswirkungen der feinen mit denen der ultrafeinen Partikel zeigte, dass die ultrafeinen Partikel doppelt so starke Wirkungen auf die Lunge ausbten, wenn vergleichbare Expositionen der Patienten vorlagen. In einer anderen Erfurter Studie von Oktober 1996 bis Mrz 1997 wurde die Verwendung von Asthma-Medikamenten in Abhngigkeit von der Konzentration feiner und ultrafeiner Partikel in der Luft untersucht. Die Daten der 58 erwachsenen Patienten weisen darauf hin, dass Asthmatiker whrend und nach erhhten Partikelkonzentrationen mehr Medikamente wie Corticosteroide und Bronchodilatoren bentigen. Die aktuellen Ergebnisse ber Gesundheitswirkungen durch feine und ultrafeine Partikel machen deutlich, dass diese Umweltschadstoffe ein Risiko bergen, dem noch weiter auf den Grund gegangen werden muss.

Lungenfunktionstests helfen, Atemwegsprobleme wie Asthma zu diagnostizieren

In den Industrielndern leidet heute bereits jedes zehnte Kind an Asthma bronchiale

+20

Asthma Asthma ist eine in Anfllen auftretende Atemnot, verursacht durch Entzndungen und Schwellungen der Bronchialschleimhaut mit einhergehender Verengung der Atemwege. Bei Asthma besteht eine erhhte Empfindlichkeit der Atemwege auf eine Vielzahl von Reizen. Seit einigen Jahren wird in den Industrielndern eine deutliche Zunahme der Erkrankungsflle beobachtet. Jeder zwanzigste Erwachsene und jedes zehnte Kind leidet an Asthma. Sie ist inzwischen die hufigste chronische Krankheit im Kindesalter. Die Ursachen von Asthma sind komplex. Durch neuere Untersuchungen wei man, dass genetische Ursachen

Kontakt GSF-Forschungszentrum fr Umwelt und Gesundheit, Institut fr Epidemiologie www.gsf.de/epi

fr die Ausprgung von Asthma eine sehr groe Rolle spielen. Etwa 50 Prozent der Asthma-Flle sind genetisch bedingt. Bei mehr als der Hlfte der kindlichen Asthmatiker besteht eine allergische Sensibilisierung.

Europische Atemwegsstudie ECRHS

H

auptziel des seit 1991 laufenden Groprojektes European Community Respiratory Health Survey (ECRHS) ist die Erforschung der Einflussfaktoren auf das Neuauftreten, den Verlauf sowie die Prognose von Atemwegserkrankungen, insbesondere von Asthma. In der Anfang 2000 gestarteten Phase werden in 20 Europischen Zentren jeweils nahezu 300 Erwachsene zwischen 30 und 54 Jahren erneut untersucht. Deutschland ist mit Zentren in Erfurt und Hamburg vertreten. Die Erhebung bercksichtigt unter anderem die Einflsse von Umweltfaktoren auf den Krankheitsverlauf. Gemessen werden insbesondere die Allergenbelastung im Innenraum und die lokale Luftverschmutzung. Hierbei flieen die verfgbaren Luft-

schadstoffdaten der letzten 10 Jahre ein. Darber hinaus werden ein Jahr lang Feinstaubmessungen durchgefhrt. Denn gerade der lungengngige Feinstaub mit weniger als 2,5 Mikrometer groen Partikeln steht heute im Zentrum der Diskussion ber die gesundheitliche Relevanz der Luftverschmutzung. Zum ersten Mal werden in so vielen Europischen Zentren gleichzeitig und unter Verwendung einheitlicher Methoden derartige Feinstaub-Konzentrationen ermittelt.

Kontakt European Community Respiratory Health Survey (ECRHS) www.ecrhs.org

In Erfurt wird die lufthygienische Situation seit Beginn der ECRHS-Studie im Jahr 1991 dokumentiert. Spezielle Messungen ergaben, dass etwa drei Viertel der Staubteilchen in der Umgebungsluft der ultrafeinen Fraktion angehren. Zuknftig soll auch das bundesweite Messnetz auf die Erfassung von lungengngigen Partikeln umgerstet werden.

Asthma-Bronchitis-Sensorm Atemwegserkrankungen wie Asthma oder Bronchitis vorzubeugen, muss man den Umweltreiz kennen, der zur Vernderung der Funktionsparameter der Atemwege fhrt. blicherweise wird der Patient in der Ambulanz untersucht, nachdem das umweltassoziierte Ereignis stattgefunden hat. Ein Rckschluss auf die potentiellen Ursachen ist dann kaum noch mglich. Ein unter der Leitung des UFZ-Umweltforschungszentrums Leipzig-Halle fungierendes Konsortium aus acht Partner-Einrichtungen hat deshalb in den Jahren 1995 bis 2000 einen kontinuierlich arbeitenden Asthma-Bronchitis-Sensor entwickelt. Das Miniatur-Stethoskop mit Mikroprozessor

U

nicht grer als eine Armbanduhr wird Personen mit Verdacht auf umweltbedingte Atemwegserkrankungen fr einige Tage auf den Brustkorb geheftet. Dort zeichnet es auffllige Atemgerusche auf. Anschlieend kann der Arzt die gespeicherten Daten auswerten und bestimmten ueren Ereignissen zuordnen. So wird eine weitgehend kontinuierliche Kontrolle wichtiger Funktionsparameter der Atemwege mglich.Kind mit Asthma-Bronchitis-Sensor im Brustbereich

Kontakt UFZ-Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle www.ufz.de

21

HERZ

&U

MWELT

Herz-Kreislaufbeschwerden gehren zu den wichtigsten Krankheitsbildern in Deutschland. Allein im Jahr 2001 erlag nahezu jeder zweite Erwachsene einer Herz-Kreislauferkrankung. Betroffen sind vor allem ltere Menschen ber 65 Jahre. Groe Bedeutung kommt dabei den klassischen Risikofaktoren wie Rauchen, Fehlernhrung und Bewegungsmangel zu. Aber auch verschiedene Umweltbelastungen knnen nach neuesten Erkenntnissen Herz-Kreislauferkrankungen auslsen.

chon lange wird die Luftverschmutzung fr Erkrankungen der Atemwege mitverantwortlich gemacht. Dass sie zudem das Herz-Kreislaufsystem angreift, ja sogar Herzinfarkt auslsen kann, ist dagegen eine neue Erkenntnis. Als Auslser hat man auch hier die feinen und ultrafeinen Staubteilchen der Luft ausgemacht (siehe Kapitel Atemwege und Umwelt). Diese Partikel knnen in die kleinsten Verstelungen der Lunge gelangen, die ultrafeinen Partikel darber hinaus mglicherweise in die Blutbahn. Epidemiologen und Toxikologen untersuchen derzeit, wie es diese Winzlinge schaffen, entzndliche Reaktionen im Organis-

S

mus zu frdern und damit Herzinfarkte auszulsen. Man vermutet, dass an diesen Partikeln allerlei Schadstoffe haften, die quasi huckepack in den Krper transportiert werden. ber den Luftweg wirken nicht nur stoffliche Partikelfrachten, sondern auch Schallwellen auf uns ein. Schall, den wir als lstig empfinden, nennen wir Lrm. In Deutschland ist insbesondere der zunehmende Straen-, Schienen- und Luftverkehr trotz erfolgreicher technischer Verbesserungen die Hauptquelle fr Lrm geblieben. Lrm kann ber unspezifische Stressreaktionen letztlich auch unser Herz-Kreislaufsystem beeintrchtigen.

Lrmbelstigung der Bevlkerung Strae Flug Schiene Industrie/Gewerbe Baustellen Nachbarn Sportanlagen5 10 20 30 40 50 60 70 80 in Prozent 9 39 9 51 15 62 18 23 86 25 64 38Quelle: Umweltbundesamt, online-Umfrage, Bericht 2002

28 belstigt insgesamt davon hochgradig belstigt

Mehr als 10.000 Brger beteiligten sich von Mrz bis Oktober 2002 an einer Online-Umfrage des Umweltbundesamtes (www.umweltbundesamt.de) zur Belstigung der Bevlkerung durch Lrm. Das eindeutige Ergebnis: Lrm bleibt in Deutschland ein Problem. Insbesondere der Straenverkehr zerrt an den Nerven. Das von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern an der Aktion geuerte Ausma ihrer persnlichen Belstigungen durch Straenverkehrslrm ist Besorgnis erregend hoch. Aber auch Fluglrm und Nachbarschaftslrm werden zunehmend als strend empfunden.

23

Kapitel

Herz & Umwelt

Herzbeschwerden liegen in der Luften Risiken fr Herz-Kreislauferkrankungen systematisch auf den Grund zu gehen, war Ziel der bereits in den 80er-Jahren von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) initiierten Grostudie MONICA (Monitoring of Trends and Determinants in Cardiovascular Disease). Diese wird seit 1996 im Rahmen der Kooperativen Gesundheitsforschung in der Region Augsburg (KORA) fortgesetzt. Unter Federfhrung des GSFForschungszentrums fr Umwelt und Gesundheit nahmen und nehmen in der Region Augsburg Tausende von Brgern an der Studie teil. Sie werden wiederholt auf Gesundheitsfaktoren wie berge-

D

wicht, Rauchen, Blutdruck, Zhflssigkeit des Blutplasmas und Herzfrequenz untersucht. Um herauszufinden, welche Effekte Luftbelastungen auf das Herz-Kreislaufsystem haben, nutzten die Epidemiologen den Umstand, dass auch whrend der Smogphase im Winter 1985 in Augsburg Daten gesammelt wurden. Im Vergleich mit Phasen geringerer Luftverschmutzung konnten die Forscher im nachhinein belegen, dass die Smogphase eindeutig zu hheren Pulsraten und Blutdruckwerten sowie zu einer greren Zhflssigkeit des Blutes der Studienteilnehmer fhrte allesamt Anzeichen fr ein gesteigertes Herzinfarktrisiko.

5 m

+24

Treibt eingeatmeter Schwebstaub unsere Blutdruckwerte und Pulsraten in die Hhe? Wintersmog-Episoden mit starken Schwebstaubbelastungen sind seit den 80er-Jahren nicht mehr vorgekommen, doch die Menge der feinen und ultrafeinen Partikel in der Luft hat nicht abgenommen. Sie stehen heute im Mittelpunkt umweltepidemiologischer Forschung. Bild rechts: Hautzellen mit ultrafeinen Rupartikeln.

KORA Die infolge der WHO-Studie MONICA in der Region Augsburg erfolgreich etablierte Gesundheitsforschung fhrte 1996 zur Grndung von KORA (Kooperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg) unter der wissenschaftlichen Fhrung des GSF-Forschungszentrums fr Umwelt und Gesundheit. Es kooperiert mit dem Zentralklinikum Augsburg, das viele Laboranalysen bernimmt. Die KORA-Studien knnen auf die umfangreiche Datenbank von fast 20.000 befragten und untersuchten Personen aus der Region Augsburg zurckgreifen. Eingegliedert ist auch das Augsburger Herzinfarktregister, das seit 1984 nahezu alle Infarktflle der Region Augsburg (jhrlich etwa 1.000) zusammen mit Gesundheitsdaten und relevanten Hintergrundinformationen erhebt. KORA dient Wissenschaftlern aus dem In- und Ausland als Plattform fr ihre epidemiologischen Forschungen.

Kontakt GSF-Forschungszentrum fr Umwelt und Gesundheit, Institut fr Epidemiologie www.gsf.de/epi KORA (Kooperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg), www.gsf.de/kora

Langzeituntersuchungen sollen die Risiken fr die Entstehung hufiger Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Allergien und Herz-Kreislauferkrankungen ausfindig machen sowie eine Grundlage fr vorbeugende Manahmen schaffen. Ein Studienzentrum in der Augsburger Innenstadt erleichtert den Forschern den Zugang zur Bevlkerung. Es ist zentrale Anlaufstelle fr die Studien-Teilnehmer, deren Gesundheitsdaten hier erhoben werden.

Rasende Herzen durch Lrm

L

rm strt die Kommunikation, beeintrchtigt unser Wohlbefinden und raubt uns den Nachtschlaf. Hoher Schalldruck kann dauerhafte Hrschden hervorrufen. Besonders gefhrdet ist, wer sich zum Beispiel am Arbeitsplatz oder auch in Diskotheken ber lngere Zeit mittleren Schallpegeln von ber 75 dB(A) bezogen auf 24 Stunden aussetzt. Die wichtigsten Lrmquellen der Umwelt sind in Deutschland Kraftfahrzeuge, Flugzeuge und Eisenbahnen. Durch technische Fortschritte konnte in den letzten Jahrzehnten die Schallemission einzelner Verkehrsmittel durchaus erfolgreich gesenkt werden, doch nimmt der Lrm infolge der zunehmenden Verkehrsdichte weiterhin stark zu. Der innerstdtische Verkehr wird im Jahre 2010 schtzungsweise um 50 Prozent hher sein als 1995, wobei die Zunahme in den Nachtstunden strker ausfallen wird als am Tage. Im Rahmen des nationalen Forschungsnetzwerks Leiser Verkehr untersucht das Deutsche Zentrum fr Luft- und Raumfahrt seit 1999 die gesundheitlichen Auswirkungen des nchtlichen Flugverkehrs. Die Studie STRAIN (STudy on human specific Response to Aircraft Noise) befasst sich mit den akuten Auswirkungen von Nachtfluglrm auf den Menschen. Mit Hilfe von insgesamt vier Schlaflabor- und zwei Feldstudien soll bis 2003 ein wissenschaftlich fundiertes Bewertungskriterium fr Nachtfluglrm erarbeitet werden, das knftig als

LrmpegeldB(A) 120 110 100 90 80 Walkman 70 60 50 40 30 20 10 Zimmerlautstrke Gerusche aus angrenzender Wohnung PKW -Vorbeifahrt am Staenrand Schreibmaschine fr Benutzer

SchmerzgrenzeDsentriebwerk in der Nhe Rockkonzert, ungekapselter Presslufthammer In der Diskothek

+

Lrmmessung Wie laut ist Lrm? Die Wahrnehmung von Geruschen als Lrm hngt entscheidend von unserem individuellen Empfinden ab. Fr die einen ist laute Techno-Musik das hchste der Gefhle, fr andere hingegen ein akustisches Schreckgespenst, vor dem sie fliehen. Streng genommen ist nicht Lrm, sondern der Schall dieser strenden Geruschquelle physikalisch messbar. Der Schalldruck bzw. die Lautstrke wird auf einer logarithmischen Skala in Dezibel (dB) angegeben. Eine Erhhung um 10 dB bedeutet etwa eine Verzehnfachung des Schallpegels. Ein Presslufthammer erzeugt einen Schalldruck von etwa 100 dB, ein Gesprch liegt bei etwa 60 dB. Frequenzen geben an, in welchen zeitlichen Abstnden die Schallwellen an unser Ohr treffen. Steigt die Frequenz, nehmen wir einen Ton als hher wahr. Der hrbare Frequenzbereich des Menschen liegt zwischen

20 und 20.000 Hertz (Hz). Das menschliche Ohr besitzt eine von der Frequenz abhngige Schallempfindlichkeit. Bei gleichem Schalldruck nehmen wir besonders tiefe und auch hohe Tne leiser wahr als Tne um 2.000 Hz. Diese Frequenzempfindlichkeit wchst wiederum mit Zunahme der Lautstrke. Bei Schallpegelmessungen wird dieses komplizierte akustische Zusammenspiel durch sogenannte Bewertungskurven bercksichtigt. Am gebruchlichsten ist die A-Kurve, deren Messwert in dB(A) angegeben wird. Oft erfassen Lrmwirkungsforscher bestimmte Geruschsituationen ber einen lngeren Zeitraum. Der Durchschnittswert einer zeitlichen Messreihe ergibt den Mittelungspegel. Dieser verrt allerdings nicht mehr, ob er durch viele Geruschquellen mit geringen Schalldrucken oder durch wenige Quellen mit hheren Drucken zustande gekommen ist.25

Kapitel

Herz & Umwelt

Orientierungshilfe fr Fluglrmminderungsmanahmen dienen kann. Neben unmittelbaren gesundheitlichen Folgen wie Schlafstrungen, verminderter Leistungsfhigkeit oder Ermdungserscheinungen kann Lrm auch Langzeitschden hervorrufen. So knnen jahrelange Lrmbelastungen das Risiko fr Herz-Kreislauferkrankungen erhhen ber den Umweg grerer Stresshormonausschttungen. Ungewhnlich heftige Gerusche versetzen den Organismus in Alarmbereitschaft eine ursprnglich berlebenswichtige Funktion. Doch unter stndiger Lrmbelastung werden die angeforderten Energiereserven nicht in vorgesehener Weise wieder abgebaut. Der Stress bleibt und erhht den Blutdruck, lsst das Herz schneller schlagen. Blutfettwerte, Blutzuckerspiegel und Flieeigenschaften des Blutes verndern sich auf Dauer ungnstig, das Herzinfarktrisiko steigt. Bisherige Untersuchungen deuten darauf hin, dass Anwohner stark befahrener Straen, die ber einen langen Zeitraum Mittelungspegel von mehr als 65 dB(A) ausgesetzt sind, ein um 20 Prozent hheres Risiko fr Herz-Kreislauferkrankungen besitzen als Anwohner ruhiger Nebenstraen. Hiervon wren immerhin 15 Prozent der Bundesbrger betroffen. Damit ist das geschtzte Risiko, einem lrmbedingten Herzinfarkt zu erliegen, deutlich hher als zum Beispiel an einer durch Luftschadstoffe verursachten Krebserkrankung zu sterben.

Doch nicht immer ist es mglich, Lrm von anderen Stressfaktoren zu unterscheiden. Auerdem muss die individuelle Situation der Betroffenen bercksichtigt werden: In Wohngebieten strt uns Lrm eher als in der Innenstadt. Nachts reagieren wir in der Regel viel empfindlicher auf Lrm als tagsber. Zudem zeigt sich Lrmstress unbemerkt im Schlaf, ohne dass wir dabei aufwachen. Weitere Forschung ist ntig, um aussagekrftige Dosis-Wirkungs-Abschtzungen zu erhalten und daraus gesundheitliche Schwellenwerte bei Lrmexposition ableiten zu knnen. Hierzu fhrt das GSF-Forschungszentrum fr Umwelt und Gesundheit gemeinsam mit dem Umweltbundesamt seit 1998 eine epidemiologische Bevlkerungsstudie in der Region Augsburg durch. In der mehrjhrigen KORA-Studie werden einige Hundert Studienteilnehmer nach Lrmexposition und persnlichem Lebensstil befragt, medizinische Daten erhoben sowie Lrmmessungen im Wohnumfeld der Probanden vorgenommen.

26

+

Forschungsverbund Leiser Verkehr Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Verkehrslrmbelastung in Deutschland hat das Deutsche Zentrum fr Luft- und Raumfahrt im Jahr 1999 mit zahlreichen Partnern aus Industrie,Verbnden, Behrden und Forschung den nationalen Forschungsverbund Leiser Verkehr gegrndet. Neben gemeinsamen Anstrengungen zur Lrmbekmpfung bildet insbesondere die Wirkungsforschung einen bergreifenden Arbeitsschwerpunkt. Sie wird in den kommenden Jahren den kurz- bis langfristigen Effekten von Lrm auf den Menschen nachgehen.

Kontakt Umweltbundesamt www.umweltbundesamt.de BMBF-Forschungsverbund Leiser Verkehr www.fv-leiserverkehr.de Deutsches Zentrum fr Luft- und Raumfahrt (DLR): 1) Institut fr Strmungsmechanik (www.as.go.dlr.de/fluglaerm/lfvk/ap_1.htm) 2) Institut fr Luft- und Raumfahrtmedizin (www.me.kp.dlr.de/me-fp/deutsch/fluglaerm/ index.htm) GSF-Forschungszentrum fr Umwelt und Gesundheit, Institut fr Epidemiologie, www.gsf.de/epi

In Anbetracht der wohnortnahen Lage der meisten deutschen Verkehrsflughfen stellt besonders Nachtfluglrm eines der drngendsten Umweltprobleme dar. Fachleute schtzen das technische Reduktionspotential fr Triebwerks- und Umstrmungslrm langfristig auf mehr als 10 dB. Verkehrspolitische Steuerungsmanahmen (z.B. lrmabhngige Landegebhren) sollen bereits kurz- und mittelfristig greifen.

27

KREBS

&U

Brustkrebszellen

MWELT

Warum trifft Krebs die einen, whrend andere verschont bleiben? Darauf gibt es bis heute keine schlssige Antwort. In der Krebsforschung spielen genetische Ursachen eine bedeutende Rolle, doch knnen Verhaltensfaktoren wie Tabakkonsum, intensives Sonnenbaden, bestimmte Ernhrungsgewohnheiten sowie eine berufliche Exposition in erheblichem Mae zu unserem Krebsrisiko beitragen. Damit wren viele Krebserkrankungen theoretisch vermeidbar.

as Rauchen ist seit langem als der bedeutendste Einzelrisikofaktor bekannt. Ein Fnftel aller Krebstoten ist dem Zigarettenkonsum zuzuschreiben. Jedes Jahr sterben in Deutschland mehr als 37.000 Personen an Lungen-

D

fallsprodukte, die in Deutschland rund sieben Prozent aller Lungenkrebs-Todesflle verursachen. Ein ebenfalls bedeutender Risikofaktor ist die ultraviolette Strahlung der Sonne. Hufige, zu intensive UVBestrahlung kann Hautkrebs auslsen. Der so ge-

+

Wie Krebs entsteht Nach heutiger Kenntnis entsteht Krebs in aller Regel nicht als zwangslufige Folge eines einzigen Risikofaktors, sondern durch ein Zusammenspiel von individueller Empfnglichkeit sowie Lebensweise und Umweltfaktoren. Fr die Tumorentstehung im Krper sind zwei Arten krebsauslsender und krebsfrdernder Faktoren verantwortlich: Initiatoren, die

eine irreversible Schdigung von Zellen bewirken, und Promotoren, die die Vermehrung dieser geschdigten Zellen veranlassen. Nicht immer lassen sich die beiden streng voneinander trennen, da viele Risikofaktoren beide Eigenschaften besitzen. In jedem Falle entsteht aber Krebs in einem mehrstufigen Prozess, der noch nicht in allen Details erforscht ist.

krebs, die weit berwiegende Zahl davon sind Raucher (ca. 90 Prozent). Auch fr Passivraucher erhht sich das Krebsrisiko nachweislich, wenn auch in weitaus geringerem Mae. Eine falsche Ernhrung erweist sich mehr und mehr als ebenfalls mageblich am Krebsgeschehen beteiligt. Zu kalorienreiches Essen scheint zum Beispiel Darm-, Brust- und Gebrmutterkrebs zu begnstigen. Dagegen bt der Verzehr von vitamin- und mineralstoffreichem Obst und frischem Gemse eine gewisse Schutzwirkung aus. Welcher Schutzmechanismus dahinter steckt, wird derzeit untersucht. Auch Ballaststoffe knnen Krebs vorbeugen, indem sie die Verweildauer kanzerogener Stoffe im Verdauungstrakt verkrzen. Bestimmte Praktiken bei der Zubereitung der Nahrung, beispielsweise beim Grillen, knnen ebenfalls das Krebsrisiko erhhen.Vermutlich tragen all diese Ernhrungsfaktoren in einer hnlichen Grenordnung wie das Rauchen zur Krebsentstehung bei. Auf das Konto von Strahlen gehen zwischen fnf und sieben Prozent der Krebstodesflle. Den Hauptbeitrag liefert das Edelgas Radon und seine Zer-

nannte Schwarze Hautkrebs (malignes Melanom) macht 2 Prozent aller bsartigen Neubildungen aus. Seit einigen Jahren wird auch Elektrosmog im Zusammenhang mit der Entstehung von Krebs diskutiert. Ob hochfrequente elektromagnetische Wellen, wie sie durch die Handy-Technologie erzeugt werden, Hirntumoren frdern knnen, wird derzeit untersucht. Erkenntnisse ber krebsauslsende Chemikalien stammen zu einem groen Teil aus Studien am Arbeitsplatz. Zu den bedeutenden kanzerogenen Arbeitsstoffen beim Menschen zhlen Chrom, Cadmium, Arsen,Vinylchlorid, Benzol, Dioxine, Nickel, Rue und Teere sowie Asbest. Auerhalb der Arbeitswelt finden wir ebenfalls eine Vielzahl dieser krebserregenden Substanzen, allerdings meist in viel geringeren Konzentrationen. Aufgrund epidemiologischer Studien geht man heute davon aus, dass entgegen der landlufigen Meinung nur ein kleiner Anteil aller Krebserkrankungen Schadstoffbelastungen in der Umwelt zuzurechnen ist.29

Kapitel

K re b s & U m w e l t

Kampf gegen BrustkrebsLebensstil Ernhrung, Genussmittel Genom DNA-Polymorphismen

Umwelt Schadstoffe aus Luft, Wasser und Lebensmitteln

Alter Ethnische Abstammung Gesellschaftliche Zugehrigkeit

Endogene Faktoren Hormone, Rezeptoren

Arbeitsplatz Chemikalien, Strahlung Andere Medikamente, Strahlung

Gemeinsam versuchen rzte und Wissenschaftler, das Zusammenspiel von normalen Krpereigenschaften, so genannten konstitutionellen Faktoren, Lebensstil und Umwelteinflssen zu entschlsseln. Damit werden Kenntnisse ber das individuelle Brustkrebsrisiko von Frauen gewonnen.

B

sartige Tumoren der weiblichen Brustdrse sind in Deutschland die mit Abstand hufigsten Krebserkrankungen bei Frauen. Pro Jahr gibt es 46.000 Neuerkrankungen. Nahezu jede zehnte Frau erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Die Ursache der Entstehung von Brustkrebs ist noch nicht vllig aufgeklrt. Krebsforscher schtzen, dass etwa fnf bis zehn Prozent der Brustkrebserkrankungen direkt auf eine erbliche Veranlagung zurckzufhren sind. In diesen Fllen hat man bestimmte Vernderungen in den Brustkrebsgenen BRCA1 und BRCA2 (BReast CAncer-Gene) festgestellt. Jedoch erkrankt nicht jede Trgerin einer BRCA-Mutation. Das Lebenszeiterkrankungsrisiko fr

Brustkrebs kann bei diesen vorbelasteten Frauen sehr unterschiedlich sein und liegt zwischen 36 und 85 Prozent. Man geht heute davon aus, dass auch ein groer Teil erblich bedingter Brustkrebserkrankungen erst unter Einfluss uerer Faktoren, wie fettreiche Nahrung, ionisierende Strahlung,Tabakund Alkoholkonsum, ausgelst werden. Zur Aufklrung der komplizierten Gen-UmweltInteraktionen bei der Entstehung von Brustkrebs haben deutsche rzte und Wissenschaftler 1999 die Gemeinschaftsinitiative GENICA (Gene ENvironment Interaction and breast CAncer) gegrndet. Beteiligt sind das Dr. Margarete Fischer-Bosch-Institut fr Klinische Pharmakologie in Stuttgart, das Berufsgenossenschaftliche Forschungsinstitut fr Arbeitsmedizin der Ruhr Universitt Bochum in Zusammenarbeit mit dem Institut fr Arbeitsphysiologie der Universitt Dortmund, die Medizinische Universitts- und Poliklinik der Universitt Bonn und das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Daten von 1.000 Brustkrebspatientinnen aus der Region Bonn (mit ca. einer Million Einwohner) sowie Vergleichsdaten von ebenso vielen nicht erkrankten Frauen im gleichen Alter flieen in die

30

c

b

a

Die Frherkennung von Brustkrebs ist sehr wichtig, da die Heilungschancen entscheidend von der Tumorgre abhngen. Liegen entsprechende Befunde vor, kommt die Mammographie (a) zum Einsatz. Eine Rntgenaufnahme der weiblichen Brust (b) macht verdchtige Areale (c) sichtbar.

molekular-epidemiologische GENICA-Studie ein. Ermittelt werden zum einen die mit der Umwelt und Lebensweise verknpften Faktoren wie Ernhrungsstil,TabakkonMglicherweise hilft hufi- sum, Anzahl von Schwanger Konsum von frischem gerschaften, HormoneinGemse und Obst, das Brustkebsrisiko zu senken. nahmen und Arbeitsplatzrisiken. Zum anderen werden die Frauen auch auf genetische Unterschiede untersucht, die Auskunft ber eine Erkrankungsbereitschaft geben knnen. Mit der Auswertung dieses umfangreichen Datenmaterials sollen knftig Strategien entwickelt werden, um Brustkrebs schon im Vorfeld zu vermeiden und die Heilungschancen und Lebensqualitt von Brustkrebspatientinnen zu verbessern.

Kontakt Interdisciplinary Study Group on Gene Environment Interaction and Breast Cancer in Germany, www.genica.de

Gentoxische Stoffe frhzeitig erkennenregulieren. Dann kann das Zellwachstum auer in besonders empfindlicher Angriffspunkt geKontrolle geraten und eine bsartige Neubildung genber vielen Umweltschadstoffen ist das entstehen, die gemeinhin als Krebs bezeichnet wird. Erbgut unserer Zellen. Substanzen, die das Groes Interesse gilt daher der Entwicklung von Genmaterial verndern knnen, also Mutationen Testverfahren, die mgliche mutagene Eigenschaften hervorbringen, heien in der Fachsprache Mutavon Chemikalien erkennen knnen. gene. Sie zerstren unter UmBisherige Verfahren bentigten stnden wichtige Erbinformatiomindestens zwei bis drei Tage fr nen und beeintrchtigen so beden Nachweis von Mutagenen und stimmte Zellfunktionen.Wirken verursachten zudem hohe Kosten. Mutagene auf das FortpflanzungsIn einem gemeinsamen Forschungsgewebe, besteht die Gefahr, dass projekt der Universitt Mainz und entsprechende Vernderungen dem chemisch-pharmazeutischen sogar auf nachfolgende GeneraSalmonella typhimurium Unternehmen Merck aus Darmtionen bertragen werden. In Gentechnisch manipuliert kommt dieses stadt wurde nun ein leistungsfhianderen Fllen sind mglicherBakterium bei neueren biologischen Testweise Erbinformationen betroffen, verfahren zur Identifizierung von Muta- geres Testsystem entwickelt. Es genen zum Einsatz. kombiniert das konventionelle welche die Zellteilungsprozesse

E

31

Kapitel

K re b s & U m w e l t

biologische Verfahren mit einem modernen Indikatortestprinzip und ermglicht es, Mutagene innerhalb weniger Stunden kostengnstig zu identifizieren. Das neue Verfahren baut auf dem seit Jahren bewhrten Rckmutationsprinzip auf. Dabei schleusen die Wissenschaftler ein fremdes Gen in das Erbgut von Testbakterien ein, welches Resistenzen gegen ein bestimmtes Antibiotikum vermittelt. Im weiteren Verlauf wird dieses Gen jedoch derart manipuliert, dass seine Schutzwirkung wieder aufgehoben ist. Also drohen die Testbakterien, unter Einfluss des Antibiotikums doch zugrunde zu gehen. Hatte die zuvor verabreichte Testsubstanz hingegen mutagene Eigenschaften, dann erfolgen mit steigender Konzentration immer hufiger Vernderungen im Erbgut der Bakterien, die irgendwann auch die manipulierten Gene betreffen. Durch Rckmutation werden sie wieder funktionstchtig und schtzen ihre Besitzer vor der tdlichen Wirkung des Antibiotikums.

Diese Bakterien knnen sich nun vermehren und zeigen somit die mutagene Wirkung der Testsubstanz an. Insbesondere bei niedrigen Mutagen-Konzentrationen, wie sie in der Umwelt hufig vorkommen, dauert es lange, bis das Bakterien-Wachstum erkennbar wird. Mit einem zustzlichen Kunstgriff ist es den Mainzer und Darmstdter Forschern gemeinsam gelungen, das Testverfahren zu beschleunigen. Dazu schleusten sie in die Erbsubstanz des Testbakteriums noch ein zweites Gen ein. Es enthlt die Informationen fr ein bestimmtes Enzym, das sich aber nur in den mutierten, wachsenden Zellen bilden kann. Diesen Zellen setzen sie dann ein Substrat zu, welches durch das Enzym gespalten wird. Das Produkt dieser Reaktion reichert sich an und gibt dabei Lichtquanten ab. Die Kombination des Mutagenittstests mit diesem Indikatorverfahren ermglicht es, bereits wenige mutierte Bakterienzellen schnell zu erfassen.

Testsubstanz

Antibiotikum Inkubation Selektion Messungder Lichtintensitt, die ein Ma fr die mutagene Wirkung der Testsubstanz ist.50 40 30 20 10 00 0,06 0,12 0,25 0,5 1

Auswertungpositive Wells

ICR191 [g/ml]

Testbakterium

+32

Modernes Testverfahren zur schnellen Identifizierung eines mutagen wirkenden Stoffes.

Von Mutationen und Mutagenen Mutationen sind dauerhafte Vernderungen des Erbmaterials. Sie knnen sowohl spontan als auch unter Einwirkung von Mutagenen auftreten. Zu den Mutagenen gehren physikalische Faktoren wie UV-Strahlung oder ionisierende Strahlung sowie viele chemische Stoffe. Das Auftreten von Mutationen ist eine entscheidende Voraussetzung fr die Evolution. Andererseits bergen viele Mutagene in unserer Nahrung oder Umwelt auch eine groe Gesundheitsgefahr, da sie unter anderem Krebs auslsen knnen (z.B. polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe). Mit Hilfe von

Mutagenitts-Tests, die heute auch mittels gentechnologischer Methoden entwickelt werden, ist es mglich, dem erbgutverndernden Potential verdchtiger Substanzen auf die Spur zu kommen.

Kontakt Universitt Mainz, Arbeitskreis Molekulare Mechanismen umweltbedingter Gentoxizitt (AMMUG) www.uni-mainz.de/FB/Medizin/AMMUG

Radon und Lungenkrebsm 19. Jahrhundert huften sich die Beobachtungen, dass auffallend viele Arbeiter in Uranbergwerken an chronischen Lungenkrankheiten litten. Aus dem Erzgebirge war beispielsweise die Schneeberger Lunge bekannt. Seit gut 100 Jahren wei man, dass es sich dabei um Krebs handelt, aber erst seit etwa 50 Jahren kennt man die Ursache: Radon. Seit den 90er-Jahren fhren Strahlenschtzer und Epidemiologen des GSF-Forschungszentrums fr Umwelt und Gesundheit zusammen mit ehemaligen Mitarbeitern ostdeutscher Uranerz-Bergwerke der Wismut AG und dem Bundesamt fr Strahlenschutz Radon-Studien durch. Die Frage ist: Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Arbeitsbedingungen und dem Lungenkrebsrisiko durch Radon? Bisher wurden weltweit ber 60.000 Uranarbeiter untersucht. Das Fazit: Mit steigender Radon-Exposition nimmt die Hufigkeit von Lungenkrebs kontinuierlich zu. Besonders gefhrdet sind Raucher. Vieles deutet darauf hin, dass sich die beiden Risiken Rauchen und Radon gegenseitig verstrken. Doch nicht nur im Uranbergbau, auch in Gebuden sind Radon und seine Zerfallsprodukte gesund-

I

Eintrittspfade des Radons in Gebude

Durch Fugen, Risse, Poren im Mauerwerk sowie ber Versorgungsleitungen kann Radon zunchst in den Keller und von dort in hher gelegene Wohnrume gelangen.

heitlich relevant. Zwar treten hier sehr viel niedrigere Konzentrationen auf, dafr ist aber eine groe Zahl von Menschen betroffen. Durch schlecht abge-

+

In den Uranbergwerken waren die Arbeiter hohen Radon-Konzentrationen ausgesetzt (Wismut AG Mitte der 50er-Jahre)

Radon edel aber gefhrlich Die Gesteine und Bden der Erde beinhalten von Natur aus verschiedene radioaktive Stoffe wie Uran oder Radium. Uran wandelt sich durch radioaktiven Zerfall in Radium um, das weiter zu Radon zerfllt. Radon ist ein radioaktives Edelgas, das aus dem Untergrund in die freie Luft entweichen, aber auch durch Undichtigkeiten des Fundaments in Gebude eindringen kann. Es ist farb-, geruch- und geschmacklos. Es gibt Gegenden, die von Natur aus strker belastet sind: die Oberpfalz, Sachsen,Thringen und einige Gebiete in der Eifel. Entsprechend kann die Radon-Konzentration in Gebuden zwischen wenigen bis zu einigen

1.000 Becquerel pro Kubikmeter (Bq/m3) Luft schwanken. Die EU empfiehlt fr geplante Gebude eine Radonbelastung unter 200 Bq/m3 und fr bestehende Gebude unter 400 Bq/m3. Nach derzeitigen Abschtzungen verdoppelt sich das Lungenkrebsrisiko, wenn man mehrere Jahrzehnte in Wohnungen mit einer Belastung von 1.000 Bq/m3 oder mehr wohnt. Radon an sich ist gefhrlich, noch mehr aber seine kurzlebigen Zerfallsprodukte Polonium-218 und -214, Blei-214 und Wismut-214. An feine Staubpartikel angelagert gelangen sie bis tief in den Atemtrakt, werden auf der Oberflche der Bronchien abgeschieden und geben bei ihrem Zerfall zellschdigende Strahlung ab.33

Kapitel

K re b s & U m w e l t

Mittlere Konzentration in der Raumluft: Radon 222 ca. 50 Bq/m3 Radon Zerfallsprodukte ca. 15 Bq/m3

Mittlere jhrlich inhalierte Aktivitt: Radon 222 ca. 250.000 Bq Radon Zerfallsprodukte ca. 300.000 400.000 Bq

Mittlere quivalentdosis pro Jahr: Bronchialepithel 15 20 mSv Pulmonrer Lungenbereich 2 3 mSv Andere Krpergewebe 0,03 0,3 mSv

Legt man die durchschnittliche Radon-Konzentration in deutschen Husern (50 Bq/m3) zugrunde, so atmen wir jhrlich im Mittel etwa 250.000 Bq Radon und 300.000-400.000 Bq seiner kurzlebigen Zerfallsprodukte ein. Besonders diese Zerfallsprodukte werden in der Lunge abgeschieden und angereichert. Da sie nach 2-3 Stunden zerfallen, gelangt nur ein kleiner Anteil in andere Krperregionen. Die biologisch wirksame Strahlendosis (quivalentdosis) in den einzelnen Lungenbereichen ist sehr unterschiedlich, bedingt durch eine ungleichmige Abscheidung auf den Oberflchen der Atemwege. So liegt sie im mittleren Teil des Bronchialbaumes um etwa den Faktor 10 hher als die Strahlendosis im pulmonren Lungenbereich.

dichtete Kellerwnde und -bden dringt das Edelgas in den Wohnbereich vor allem lterer Huser ein. In weiteren Studien widmeten sich die GSF-Epidemiologen daher dem Lungenkrebsrisiko durch Radon in der Wohnbevlkerung. Auch hierbei stimmen die Ergebnisse mit einer Reihe von internationalen Studien berein: Danach ist Radon nach dem Rauchen der wichtigste Risikofaktor fr Lungenkrebs in Deutschland. Man muss sich vergegenwrtigen, dass wir uns zu etwa 90 Prozent unserer Zeit in Innenrumen aufhalten.Wir knnen also im Laufe unseres Lebens einer erheblichen Radonbelastung ausgesetzt sein und damit unser Krebsrisiko deutlich erhhen: Schtzungen gehen von drei bis sieben Prozent der tatschlichen Lungenkrebs-Todesflle aus.

Radon-Messungen mssen daher die Dauer der Belastung miteinbeziehen. Hier kommt den Epidemiologen zugute, dass Glas die von Radon ausgehende Strahlung quasi konserviert. Hat zum Beispiel jemand sein Leben lang ein glasgerahmtes Foto auf der Kommode stehen, lsst sich an diesem Glas zumindest annherungsweise die gesamte bisherige Radonbelastung ablesen. Jetzt kommt es darauf an, diese Erkenntnisse umzusetzen. Experten fordern, bei Neubauten das Risiko durch entsprechende Bauweise von vornherein zu vermindern, und in alten, nachweislich stark belasteten Husern Sanierungsmanahmen durchzufhren. So kann man Risse mit Folien abdichten, den Keller mechanisch belften oder die Luft unter dem Fundament absaugen.

Kontakt Bundesamt fr Strahlenschutz, www.bfs.de GSF-Forschungszentrum fr Umwelt und Gesundheit, Institut fr Epidemiologie www.gsf.de/epi

34

UV-Strahlung und Hautkrebsine hohe Belastung mit ultravioletter (UV-) Strahlung stellt das bedeutendste Risiko fr umweltbedingte Hautkrebserkrankungen dar. Die Zahl der durch UV-Strahlung verursachten Hautkrebsflle ist in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen. Dazu tragen vor allem unser besonderes Schnheitsideal und ein gendertes Freizeitverhalten bei. Durch Reisen in sonnenreiche Lnder, intensives Sonnenbaden und Besuche im Solarium setzen wir uns heute wesentlich hheren UV-Gesamtdosen aus als noch vor wenigen Jahrzehnten.

E

Sonnenschutzmittel mit ReparaturenzymDa Aufklrung und Warnung bisher kaum greifen, kommt Sonnenschutzmitteln eine zentrale Rolle beim Schutz vor Hautkrebs zu. Konventionelle Mittel arbeiten mit chemischen oder physikalischen Filtern. Sie mssen vor dem Sonnenbad aufgetragen werden und sind wirkungslos, wenn eine Schdigung der Hautzellen bereits eingetreten ist. Forscher des Instituts fr Umweltmedizinische Forschung (IUF) an der Universitt Dsseldorf bereiteten nun den Weg fr eine neue Generation von

UV C (sehr kurzwellig)

UV B (kurzwellig)

UV A (langwellig)

Ozonschicht

+

Einteilung der UV-Strahlung nach Wellenlngenbereichen

Ozon schtzt vor schdlichen UV-Strahlen Die Sonne sendet ein breites Strahlungsspektrum auf die Erde, darunter sichtbares Licht und unsichtbare UVStrahlung. Diese unterteilt man entsprechend ihrer biologischen Wirksamkeit in die Wellenlngenbereiche UV-A (320-400 nm), UV-B (280-320 nm) und UV-C (200280 nm). Der grte Teil der UV-Strahlung wird von der Ozonschicht der Stratosphre absorbiert oder in den Weltraum zurck reflektiert, so dass nur etwa fnf bis zehn Prozent der solaren UV-Strahlung die Erdober-

flche erreichen. Davon entfallen 95 Prozent auf UV-Aund fnf Prozent auf UV-B-Strahlung. UV-C wird nahezu komplett absorbiert. Die Ozonkonzentration der oberen Atmosphrenschicht hat in den letzten Jahren global um durchschnittlich drei Prozent abgenommen. Mit schuld ist die Freisetzung von langlebigen Fluorchlorkohlenwasserstoffen aus Haushalten und der Industrie. Seit 1985 werden international zahlreiche Schutzmanahmen durchgefhrt.35

Kapitel

K re b s & U m w e l t

Sonnenschutzmitteln. Sie konnten nachweisen, dass das aus pflanzlichen Organismen bekannte Enzym Photolyase auch auf der menschlichen Haut wirksam ist. Es kann bereits eingetretene UV-Schden an Hautzellen zumindest teilweise reparieren. Gleichzeitig verhindert dieses Reparaturenzym die durch Sonnenlicht eintretende Schwchung des Immunsystems. Die Dsseldorfer Forschungsarbeiten sind von unmittelbarer praktischer Relevanz fr den Sonnenschutz der Bevlkerung. Eine erste photolyasehaltige Zubereitung in Form eines After-Sun-Gels wurde bereits im Frhjahr 2001 in den Markt eingefhrt. Ein Jahr spter folgten zwei Sonnenschutzgele, die Photolyase in Kombination mit UV-Filtern enthalten.

So tief dringen UV-A- und UV-B Strahlen in die Haut einKonventionelle Sonnenschutzmittel versuchen, mit chemischen oder physikalischen Filtersubstanzen unsere Hautzellen vor schdlicher UV-Strahlung zu schtzen. Zur Reparatur bereits eingetretener DNA-Schden haben Forscher neuartige Haut-Gele mit dem Reparaturenzym Photolyase entwickelt.

Ozonschicht

Luftverschmutzung

+36

Wirkung von UV-Strahlung auf den Menschen UV-Strahlung wirkt hauptschlich auf oberflchlich gelegene Zellen, denn sie besitzt nicht gengend Energie, um tief ins Gewebe einzudringen. Die Mechanismen, durch die UV-B-Strahlung Hautkrebs hervorrufen kann, sind weitgehend geklrt. Zum einen ruft UV-Strahlung Vernderungen in der Erbsubstanz von Hautzellen hervor, die

unter Umstnden genetisch fixiert werden. Zum anderen schwcht schon geringe UV-B-Strahlung das Immunsystem der Haut. Entartete Hautzellen entgehen der Immunabwehr und knnen sich vermehren.Wenn die Zellschden zu umfangreich werden, um durch krpereigene Reparaturprozesse ausgeglichen zu werden, kann dies zu Hautkrebs fhren.

UV-Schutz durch TextilienDer Schutz vor Sonnenstrahlung durch Textilien hat bisher in Europa nur wenig Beachtung gefunden. Ganz anders in Australien und Neuseeland, wo die Hautkrebsrate extrem hoch ist. Im Tiermodell wurde ein selteneres Auftreten von Hautkrebs bei geeignetem textilen Schutz bereits nachgewiesen. Eine Untersuchung an der Klinik fr Dermatologie und Allergologie der Ruhr-Universitt Bochum und dem Klaus Steilmann Institut fr Innovation und Umwelt ergab, dass ber 30 Prozent der auf dem deutschen Markt befindlichen Sommertextilien nur einen unzureichenden Schutz vor der Sonnenstrahlung aufweisen. Mit Hilfe eines Spektralphotometers bestimmten sie, wie viel UV-Strahlung das jeweilige

Test-Kleidungsstck hindurch lsst. Aus den gewonnenen Daten wurde der sogenannte Ultraviolet Protection Factor (UPF) berechnet. hnlich dem bekannten Sonnenschutzfaktor von Sonnencremes gibt der UPF-Wert an, um welchen Faktor die Aufenthaltszeit in der Sonne verlngert werden kann, ohne Sonnenbrand zu bekommen. Seit 2001 gibt es einen Europischen Standard, der festlegt, dass nur solche Textilien als Sonnenschutzkleidung ausgezeichnet werden drfen, die gem der Norm getestet worden sind und einen UPF-Wert von mindestens 40 haben. Der durchtretende Anteil der UV-A-Strahlung muss unter fnf Prozent liegen. Darber hinaus stellt der Standard auch hohe Ansprche an das Design eines ausgezeichneten Textils. Nicht akzeptiert werden Bekleidungsstcke wie Bikinis oder rmellose T-Shirts, auch wenn diese Textilien selbst einen UPF-Wert von mindestens 40 aufweisen.

Neben dem Meiden intensiver Sonnenstrahlung und der Verwendung von Sonnencremes kann vor allem die Bekleidung als wichtiger UV-Schutz dienen. Im UV-Tex-Projekt wurde nicht nur die UV-Durchlssigkeit von Sommertextilien geprft, sondern auch eine gleichsam normgerechte und modische UV-Schutz-Kollektion entwickelt.

Hautkrebszellen

Kontakt Institut fr Umweltmedizinische Forschung (IUF) an der Heinrich-Heine-Universitt Dsseldorf gGmbH, www.iuf.uni-duesseldorf.de Klinik fr Dermatologie und Allergologie an der Ruhr- Universitt Bochum, www.derma.de/bochum Klaus Steilmann Institut fr Innovation und Umwelt www.klaus-steilmann-institut.de37

HORMONE

& U

MWELT

Seit Anfang der neunziger Jahre gibt es in Deutschland eine breite ffentliche Diskussion ber Gefahren, die von hormonhnlich wirkenden Stoffen auf Mensch und Umwelt ausgehen knnen. Inzwischen vermutet man bei 250 bis 1.000 Stoffen eine hormonhnliche Wirkung. Zu ihnen gehren sowohl bestimmte Industriechemikalien und Arzneimittel als auch pflanzliche Naturstoffe. Ob und in welchem Mae solche Stoffe auf unsere Gesundheit und Reproduktionsfhigkeit Einfluss nehmen, ist bislang nicht ausreichend geklrt.

r zahlreiche Umweltchemikalien wurden in den letzten Jahren Befunde verffentlicht, die eine Beeinflussung des Hormonsystems beim Menschen nahe legen. Gerade geschlechtshormonhnliche Stoffe knnen negative Auswirkungen auf die Fortpflanzungsfhigkeit haben und stehen im Verdacht, zur abnehmenden Spermiendichte und -qualitt bei Mnnern, zur Zunahme von hormonabhngigen Tumorerkrankungen und Genitalmissbildungen sowie zur vorzeitigen Pubertt von weiblichen Jugendlichen beizutragen. Epidemiologische Studien konnten diesbezglich noch keine eindeutigen Zusammenhnge nachweisen.

F

Viele toxikologische Untersuchungen an wildlebenden Tieren belegen den Einfluss von endokrin wirksamen Substanzen auf die Fortpflanzungsfhigkeit. Registriert wurden zum Beispiel Effekte auf Geschlechtsdifferenzierung, Eiproduktion und Befruchtungsraten. Die Frage nach der Relevanz endokrin wirksamer Chemikalien kann nur durch eine Kombination verschiedener Untersuchungsstrategien beantwortet werden. Dazu gehren sowohl Kurzzeittests zum Nachweis strogener Potentiale als auch kotoxikologische Fortpflanzungs- und Entwicklungsuntersuchungen sowie epidemiologische Feldstudien.

+

Hormonhnliche Wirkung von Umweltstoffen Krpereigene Hormone regulieren als Botenstoffe zwischen Geweben und Zellen eine Vielzahl von Prozessen. So spielen weibliche und mnnliche Geschlechtshormone (strogene und Androgene) bei der Fortpflanzung und Entwicklung des Organismus eine entscheidende Rolle. Nun gibt es eine ganze Reihe knstlicher und natrlicher Fremdstoffe aus der Umwelt, die strend in das natrliche Hormonsystem eingreifen, indem sie die Wirkung von Geschlechtshormonen verstrken oder behindern knnen. Diese geschlechtshormonhnlich wirkenden Substanzen verhalten sich entweder strogen bzw. androgen oder anti-strogen bzw. anti-androgen. Sie werden im Zusammenhang mit beobachteten Fortpflanzungs- und Entwicklungsstrungen bei Mensch und Tier diskutiert.

Die bis heute bekannten hormonhnlich wirkenden Fremdstoffe besitzen allerdings eine wesentlich geringere Wirkstrke als die krpereigenen Hormone. Sie lassen sich in die groen Gruppen Industriechemikalien und pflanzliche Naturstoffe einordnen. Daneben gibt es hormonell wirksame Arzneimittel sowie natrliche und synthetische Hormone (z.B. in der Antibabypille). Bisherige Untersuchungen zeigen, dass von Stoffen natrlichen Ursprungs strkere Belastungen fr den Menschen ausgehen als durch synthetisch erzeugte Substanzen. Bestimmte Pflanzenhormone haben eine besonders hohe biologische Wirksamkeit. Nach dem gegenwrtigen Erkenntnisstand ist eine Beeintrchtigung der menschlichen Gesundheit durch synthetisch erzeugte Stoffe eher unwahrscheinlich.

39

Kapitel

Hormone & U m w e l t

Wirkung und Risiko von Nonylphenolen

S

ie kommen in Haushalts- und Industriereinigern vor oder werden als Dispersionsmittel in der Papierindustrie eingesetzt:Tenside, die helfen, Fett in Wasser zu lsen. Zu ihren Abbauprodukten gehren Nonylphenole. Diese Chemikalien gelten als strogen-aktiv, weil sie die Wirkung weiblicher Sexualhormone nachahmen knnen. Nonylphenole stehen im Verdacht, fr Missbildungen, Fruchtbarkeitsstrungen und Krebs mitverantwortlich zu sein.

Toxische Wirkung auf FischeIn einem fnfjhrigen Forschungsprojekt am Bayerischen Landesamt fr Wasserwirtschaft wurde das Risikopotential von Nonylphenolen an verschiedenen Fischarten, darunter Regenbogenforelle, Karpfen, Medaka und Hundsfisch, untersucht. Zur Ermittlung der endokrinen Effekte erfolgten unter anderem Reproduktionsstudien, Untersuchungen zur Geschlechtsdifferenzierung und Hormonmessungen. Als a wichtiger spezifischer Biomarker fr eine strogene Wirkung wurde die Bildung von Vitellogenin im Blut herangezogen. Dieser Dotterprotein-Vorlufer wird normalerweise ausschlielich in der Leber weiblicher Fische gebildet. Unter Einwirkung strogener Substanzen b ist Vitellogenin auch im Blut mnnlicher Fische nachweisbar. Ergnzt wurden die Laborversuche durch ein Wirkungsmonitoring an einheimischen Fischarten in bayerischen Oberflchengewssern. Die Vitellogenin-Bestimmungen belegten eine strogene Wirkung von Nonylphenolen. Bereits bei einer Konzentration von einem Mikrogramm Nonylphenolen c pro Liter stieg der Vitellogenin-Spiegel bei mnnlichen Regenbogenforellen deutlicha. Regenbogenforelle b. Normales Hodengewebe einer mnnlichen Regenbogenforelle (400 x) c. Normales Eierstockgewebe einer weiblichen Regenbogenforelle mit heranreifenden Eizellen (400 x) d. Hodengewebe einer mnnlichen Regenbogenforelle mit heranreifender Eizelle (400 x)

an. Eine 40-tgige Intervall-Exposition von Laichfischen in 10 Mikrogramm Nonylphenol pro Liter fhrte unter den gegebenen, teichwirtschaftlichen Bedingungen zu einer um 20 Prozent reduzierten Schlupfrate und somit zu einer Verminderung des Reproduktionserfolges. Zudem wiesen die Nachkommen der Laichfische sehr vereinzelt Zwitterstadien auf. Die Wissenschaftler beobachteten dabei sowohl eine Feminisierung mnnlicher als auch eine Maskulinisierung weiblicher Fische. Aufgrund dieser und weiterer umfangreicher Ergebnisse geht das Bayerische Landesamt fr Wasserwirtschaft jedoch von einem insgesamt geringen strogenen Potential von Nonylphenolen aus. Eine grere Bedeutung erlangen Nonylphenole allerdings durch ihre in anderen Untersuchungen beobachteten toxikologischen Effekte.

Nonylphenole in unserer NahrungWissenschaftler des Forschungszentrums Jlich sprten die Nonylphenole erstmals auch in einer groen Zahl unserer Lebensmittel darunter in Bioprodukten, in der Muttermilch und in Suglingsnahrung auf. Die Forscher des Jlicher Instituts Phytosphre gingen dabei der brisanten Frage nach, wie hoch die tgliche Aufnahme dieser chemischen Substanz durch den Verbraucher ist? Dazu entwickelten sie eine empfindliche Nachweismethode, die sich fr die unterschiedlichsten Lebensmittel eignet, und fanden Nonylphenole berraschenderweise in allen untersuchten Nahrungsmittelgruppen. In Tomaten und pfeln waren die Konzentrationen besonders hoch. Aus den tglichen Verzehrmengen der einzelnen Lebensmittelgruppen bestimmten die Jlicher Forscher den daily intake und stellten fest: Tglich nehmen wir in Deutschland mit unserer Nahrung durchschnittlich 7,5 Mikrogramm Nonylphenole auf. Da Suglinge und Kleinkinder vermutlich sehr empfindlich auf strogen-aktive Substanzen reagieren, nahmen die Wissenschaftler zudem Mutter-

d

40

Kontakt Bayerisches Landesamt fr Wasserwirtschaft, www.bayern.de/LFW/technik/ gewaesseroekolgie/oekotoxikologie/ nonylphenol Forschungszentrum Jlich (FZJ), www.fz-juelich.de

milch, Milchanfangsnahrung und Fertigbreie unter die Lupe. Auch hier wurden sie fndig. Ein Unterschied zwischen Bioprodukten und normalen Produkten konnte nicht festgestellt werden. Den Ergebnissen zufolge nehmen Suglinge tglich ca. 0,2 Mikrogramm Nonylphenole bei ausschlielicher Ernhrung mit Muttermilch auf. Bei Babys, die Milchanfangsnahrung bekommen, sind es 1,4 Mikrogramm.

Mit den Ergebnissen des Forschungszentrums Jlich liegen nun erstmals verlssliche Zahlen zur tglichen Aufnahme dieser hormonell wirksamen Chemikalie ber die Nahrung vor. Sie dienen als wichtige Grundlage fr weitere toxikologische Untersuchungen ber das Risikopotential, das von Nonylphenolen fr die menschliche Gesundheit ausgeht.

Umweltchemikalien und die Fruchtbarkeit der Frauer mitteldeutsche Raum wurde im vergangenen Jahrhundert in besonderem Mae von der chemischen Industrie geprgt. Zahlreiche Flchen und auch das Grundwasser sind ber viele Jahrzehnte massiv verunreinigt worden. Zu den gefhrlichsten Altlasten gehren polychlorierte Kohlenwasserstoffe (PCKW), die als Pestizide (Lindan, DDT) und als Khl- oder Trennmittel in der Industrie (PCB) Einsatz fanden. Sie stehen auf Grund ihrer hormonhnlichen Struktur seit langem in Verdacht, fr Fortpflanzungsstrungen und Missbildungen bei Mensch und Tier verantwortlich zu sein. Ende der 90er-Jahre haben Forscher der Universittsklinik fr Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin in Halle mgliche Zusammenhnge zwischen einer Unfruchtbarkeit und der endokrinen Wirkung von PCKW untersucht. Sie ermittelten Anreicherung und Verteilung dieser Chemikalien in den Fortpflanzungsorganen der Frau und versuchten, Art und Strke der Wechselwirkung mit den dort vorhandenen Hormonbindungsstellen (Rezeptoren) zu ergrnden. Untersucht wurden 20 Frauen, die ungewollt kinderlos geblieben waren, sowie weitere 15 Frauen, die bereits mindestens ein Kind geboren hatten. Aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften werden die PCKW hauptschlich im Fettgewebe angereichert. Die Analysen ergaben, dass Pestizide und PCB aber auch im Blut der untersuchten Frauen in messbare Konzentrationen vorlagen. Der Gehalt nahm mit dem Alter der Probandinnen zu. ber den Blutkreislauf gelangen die endokrin wirksamen Substanzen auch in die Fortpflanzungsorgane. Die Hallenser Wissenschaftler fanden dabei im Endometrium des Uterus dem Gewebe, das fr die Einnistung des frhen Embryos eine Schlsselrolle spielt hhere Stoffmengen im Vergleich zum zirkulierenden Blut. Diesbezglich gab es

D

jedoch keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen fertilen Frauen und Kinderwunschpatientinnen. Eine nennenswerte Bindung der Umweltchemikalien an Hormonrezeptoren konnte ebenfalls nicht nachgewiesen werden. Die Untersuchungen zeigten aber, dass einzelne Stoffe in der Lage sind, das Wechselspiel zwischen dem Sexualhormon stradiol und seinem Rezeptor zu stren. Die Ergebnisse sprechen dafr, dass die beobachtete Schadstoffbelastung keine primre Sterilittsursache darstellt. Aufgrund der Komplexizitt der Ablufe lt sich eine Einschrnkung der Fertilitt dennoch nicht ausschlieen, da polychlorierte Kohlenwasserstoffe das Einnisten eines Embryos in der Gebrmutter stren knnen. Dafr spricht der Befund der Uniklinik in Halle, dass die Zugabe von PCKW zu Endometrium-Zellkulturen negative Auswirkungen auf die Wachstumsrate der Zellen hat.Welcher Mechanismus dieser Beeinflussung zugrunde liegt, ist Hauptgegenstand der aktuellen Forschung.Unkontrollierte Einleitung von Industrieabwssern bei Bitterfeld

Kontakt Universittsklinik fr Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin Martin-Luther-Universitt Halle-