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Die Brüche des oberen Sprunggelenks (OSG) gehören zu den häufigsten Frak- turen mit Gelenkbeteilung beim Erwach- senen. Nach Lindsjö [14] beträgt deren Inzidenz 1,14‰/Jahr, nach Koval et al. [10] sogar 4,2‰. Berücksichtigt man sta- tionäre und ambulante Behandlungskos- ten, kommt dieser Verletzung eine hohe sozioökonomische Bedeutung zu. In der Primärbehandlung werden sta- bile Knöchelbrüche von instabilen Luxa- tionsfrakturen unterschieden [2, 15, 21, 25]. Während die ersteren zumeist funk- tionell und ambulant konservativ zur Ausheilung gebracht werden, ist für die zweite Gruppe die operative Stabilisie- rung vorgesehen. Ziel ist die millimeter- genaue Rekonstruktion, um somit ein Höchstmaß an Kongruenz und Funk- tion wieder zu gewinnen [4, 14, 17, 30]. Alleinige geschlossene Repositionsgips- behandlungen werden nur in Ausnahme- fällen durchgeführt, wenn z. B. keine Operationsfähigkeit besteht oder die loka- len Hautverhältnisse eine offene Reposi- tion nicht zulassen [9, 13]. Bei verbleiben- der Gelenkinkongruenz entsteht im OSG schon nach wenigen Jahren eine posttrau- matische Arthrose [24], die neben einer orthopädietechnischen Schuhanpassung oftmals auch operative Eingriffe erforder- lich macht. Die vorliegende Arbeit untersucht un- geplante Revisionsoperationen nach pri- mären Frakturstabilisationen des OSG. Neben einer Ursachenanalyse sollen ins- besondere Lösungswege aufgezeigt und erläutert werden. Patienten und Methode Anhand einer retrospektiven Studie wur- den zwischen Juli 1999 und Juni 2004 alle ungeplanten Revisionseingriffe nach einer operativen Versorgung geschlossener Sprunggelenkfrakturen und ungeplan- te Verfahrenswechsel der AO-Gruppen 44-A bis 44-C (AO Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen) erfasst. Die Indikation dazu ergab sich aus dem post- operativen Weichteilmanagement sowie der Kongruenzbeurteilung (. Abb. 1). Nach einem standardisierten Pro- tokoll werteten wir Operationsberich- te, Röntgenaufnahmen und den statio- nären Verlauf der Revisionsgruppe aus. Das Geschlecht, Alter zum Unfallzeit- punkt, das primäre Therapieverfahren sowie die Frakturklassifikationen nach Danis-Weber [30], der AO- [16] und Lauge-Hansen-Klassifikation [11] wurden dokumentiert. Die letztere ordnet eine ob- lique Fibulafraktur in Syndesmosenhöhe dem Supinations-Eversions-Verletzungs- muster (SE) zu. Der Pronations-Abduk- tions-Bruch (PA) ist durch einen kurzen Schrägbruch im Gelenkbereich und der Pronations-Eversions-Bruch (PE) durch die Fibulaverletzung oberhalb der Syn- desmose gekennzeichnet. Dagegen wird die Wadenbeinverletzung unterhalb der Syndesmose dem Supinations-Adduk- tions-Typ (SA) zugeordnet. Ein geschlos- sener Weichteilschaden wird in G0 bis GIII nach Oestern u. Tscherne [18] unter- teilt. Darüber hinaus analysierten wir den Einfluss gelenk- und heilungsrelevan- ter Risikovariablen wie Diabetes melli- tus, Alkoholabhängigkeit, Polyneuropa- thie und arterielle Verschlusserkrankung. Die von uns angewendeten Revi- sionsschritte wurden anschließend dis- kutiert. Dazu unterteilten wir das Kol- lektiv in 4 Gruppen (. Tab. 1): Die In- fektgruppe (IG, n=29) wurde von einer Weichteilgruppe (WG, n=22) abgegrenzt. Eine Gruppe mit ungenügender Gelenk- kongruenz (KG, n=22) sowie eine kleine Restgruppe (RG, n=4) wurden definiert. In der Weichteilgruppe fassten wir alle Patienten zusammen, bei denen ein pri- märer Hautverschluss nach der internen Unfallchirurg 2012 · 115:511–517 DOI 10.1007/s00113-010-1906-5 Online publiziert: 18. Dezember 2010 © Springer-Verlag 2010 J. Richter 1, 2  · A. Pommer 2  · R. Breuer 2  · S. Hullmann 2  · D.V. Heyde 2  · A. Dávid 2 1   Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie, Marienhospital, Gelsenkirchen 2   Zentrum für Unfall- und Orthopädische Chirurgie, Helios-Klinikum Wuppertal,    Klinikum der Universität Witten/Herdecke, Wuppertal Ungeplante Zweiteingriffe  nach Frakturen des  oberen Sprunggelenks Tab. 1Ursachen der Revisionseingriffe (n=77) Ursache Patienten   (n) Anteil an Gesamtgruppe (n=647%) Infektion (IG) 29 4,5 Probleme mit der Weichteildeckung (WG) 22 3,4 Ungenügende Gelenkkongruenz/Biomechanik (KG) 22 3,4 Sonstige (RG) 4 0,6 IG Infektgruppe, WG Weichteilgruppe, KG Kongruenzgruppe, RG Restgruppe. Redaktion W. Mutschler, München  V. Braunstein, München 511 Der Unfallchirurg 6 · 2012| Originalien

Ungeplante Zweiteingriffe nach Frakturen des oberen Sprunggelenks; Unexpected revision procedures treating ankle fractures;

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Page 1: Ungeplante Zweiteingriffe nach Frakturen des oberen Sprunggelenks; Unexpected revision procedures treating ankle fractures;

Die Brüche des oberen Sprunggelenks (OSG) gehören zu den häufigsten Frak­turen mit Gelenkbeteilung beim Erwach­senen. Nach Lindsjö [14] beträgt deren Inzidenz 1,14‰/Jahr, nach Koval et al. [10] sogar 4,2‰. Berücksichtigt man sta­tionäre und ambulante Behandlungskos­ten, kommt dieser Verletzung eine hohe sozioökonomische Bedeutung zu.

In der Primärbehandlung werden sta­bile Knöchelbrüche von instabilen Luxa­tionsfrakturen unterschieden [2, 15, 21, 25]. Während die ersteren zumeist funk­tionell und ambulant konservativ zur Ausheilung gebracht werden, ist für die zweite Gruppe die operative Stabilisie­rung vorgesehen. Ziel ist die millimeter­genaue Rekonstruktion, um somit ein Höchstmaß an Kongruenz und Funk­tion wieder zu gewinnen [4, 14, 17, 30]. Alleinige geschlossene Repositionsgips­behandlungen werden nur in Ausnahme­fällen durchgeführt, wenn z. B. keine Operationsfähigkeit besteht oder die loka­len Hautverhältnisse eine offene Reposi­tion nicht zulassen [9, 13]. Bei verbleiben­der Gelenkinkongruenz entsteht im OSG schon nach wenigen Jahren eine posttrau­matische Arthrose [24], die neben einer orthopädietechnischen Schuhanpassung oftmals auch operative Eingriffe erforder­lich macht.

Die vorliegende Arbeit untersucht un­geplante Revisionsoperationen nach pri­mären Frakturstabilisationen des OSG. Neben einer Ursachenanalyse sollen ins­

besondere Lösungswege aufgezeigt und erläutert werden.

Patienten und Methode

Anhand einer retrospektiven Studie wur­den zwischen Juli 1999 und Juni 2004 alle ungeplanten Revisionseingriffe nach einer operativen Versorgung geschlossener Sprunggelenkfrakturen und ungeplan­te Verfahrenswechsel der AO­Gruppen 44­ A bis 44­C (AO Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen) erfasst. Die Indikation dazu ergab sich aus dem post­operativen Weichteilmanagement sowie der Kongruenzbeurteilung (. Abb. 1).

Nach einem standardisierten Pro­tokoll werteten wir Operationsberich­te, Röntgenaufnahmen und den statio­nären Verlauf der Revisionsgruppe aus. Das Geschlecht, Alter zum Unfallzeit­punkt, das primäre Therapieverfahren sowie die Frakturklassifikationen nach Danis­ Weber [30], der AO­ [16] und Lauge­Hansen­Klassifikation [11] wurden dokumentiert. Die letztere ordnet eine ob­lique Fibulafraktur in Syndesmosenhöhe dem Supinations­Eversions­Verletzungs­

muster (SE) zu. Der Pronations­Abduk­tions­Bruch (PA) ist durch einen kurzen Schrägbruch im Gelenkbereich und der Pronations­Eversions­Bruch (PE) durch die Fibulaverletzung oberhalb der Syn­desmose gekennzeichnet. Dagegen wird die Wadenbeinverletzung unterhalb der Syndesmose dem Supinations­Adduk­tions­Typ (SA) zugeordnet. Ein geschlos­sener Weichteilschaden wird in G0 bis GIII nach Oestern u. Tscherne [18] unter­teilt. Darüber hinaus analysierten wir den Einfluss gelenk­ und heilungsrelevan­ter Risikovariablen wie Diabetes melli­tus, Alkoholabhängigkeit, Polyneuropa­thie und arterielle Verschlusserkrankung.

Die von uns angewendeten Revi­sionsschritte wurden anschließend dis­kutiert. Dazu unterteilten wir das Kol­lektiv in 4 Gruppen (. Tab. 1): Die In­fektgruppe (IG, n=29) wurde von einer Weichteilgruppe (WG, n=22) abgegrenzt. Eine Gruppe mit ungenügender Gelenk­kongruenz (KG, n=22) sowie eine kleine Restgruppe (RG, n=4) wurden definiert. In der Weichteilgruppe fassten wir alle Patienten zusammen, bei denen ein pri­märer Hautverschluss nach der internen

Unfallchirurg 2012 · 115:511–517DOI 10.1007/s00113-010-1906-5Online publiziert: 18. Dezember 2010© Springer-Verlag 2010

J. Richter1, 2 · A. Pommer2 · R. Breuer2 · S. Hullmann2 · D.V. Heyde2 · A. Dávid2

1  Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie, Marienhospital, Gelsenkirchen2  Zentrum für Unfall- und Orthopädische Chirurgie, Helios-Klinikum Wuppertal, 

  Klinikum der Universität Witten/Herdecke, Wuppertal

Ungeplante Zweiteingriffe nach Frakturen des oberen Sprunggelenks

Tab. 1  Ursachen der Revisionseingriffe (n=77)

Ursache Patienten  (n)

Anteil an Gesamtgruppe(n=647%)

Infektion (IG) 29 4,5

Probleme mit der Weichteildeckung (WG) 22 3,4

Ungenügende Gelenkkongruenz/Biomechanik (KG) 22 3,4

Sonstige (RG) 4 0,6IG Infektgruppe, WG Weichteilgruppe, KG Kongruenzgruppe, RG Restgruppe.

RedaktionW. Mutschler, München V. Braunstein, München

511Der Unfallchirurg 6 · 2012  | 

Originalien

Page 2: Ungeplante Zweiteingriffe nach Frakturen des oberen Sprunggelenks; Unexpected revision procedures treating ankle fractures;

abc

A B CD

Abb. 1 9 Schemazeichnung einer „mortise view“ des OSG. Durch 15–20° Innenrotation kann neben dem medialen tibiotalaren auch der laterale fibulo-talare Gelenkspalt eingesehen werden. Kongruenz ist im OSG gegeben, wenn der gestrichelte Kreis sich harmonisch zwischen der Fibulaspitze und dem Processus lateralis tali einpasst, der Abstand A−B dem von C−D entspricht und die tibiotalare  Gelenkfläche parallel zueinander verläuft. Die  Syndesmosen sind intakt, wenn der Abstand  a−b ≤5 mm und die Überlappung b−c ≥10 mm betragen. Der schwarze Pfeil („Fibulanase“) ent-spricht dem Beginn der knorpeligen fibularen  Gelenkfläche. OSG oberes Sprunggelenk

44-A2AO-Klassi�kation

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Abb. 2 9 Verteilung der Frakturtypen  in der Infektgruppe.  AO Arbeitsgemein-schaft für Osteosyn-thesefragen

AO-Klassi�kation

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44A-3 44-B1 44-B2 44-B3 44-C1 44-C2

Abb. 3 9 Verteilung der Frakturtypen in der Weichteilgruppe.  AO Arbeitsgemein-schaft für Osteosyn-thesefragen

AO-Klassi�kation

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72,7%

44-A2 44-B1 44-B2 44-C244-C1 44-C3

Abb. 4 9 Verteilung der Frakturtypen in  der Kongruenzgruppe.  AO Arbeitsgemein-schaft für Osteosyn-thesefragen

Osteosynthese nicht möglich war oder sich nach der primären Wundnaht eine trockene Hautnekrose bildete. Die Infekt­gruppe fasste alle postoperativen tiefen bakteriellen Infektionen zusammen. Die Kongruenzgruppe definierte sich durch eine ungenügende postoperative Gelenk­reposition. In der Restgruppe führten wir die verbleibenden Patienten auf. Eine sta­tistische Aufarbeitung erfolgte mit der Exceltabellenkalkulation und parametri­sche sowie nichtparametrische Testver­fahren mit dem SPSS­Programm (Leads Technologies, Version 12.0.1). Als signifi­kant bezeichneten wir p­Werte, die klei­ner als 0,05 waren und als hochsignifikant Werte mit p <0,01.

Ergebnisse

In dem 5­jährigen Beobachtungszeit­raum wurden im Helios­Klinikum Wuppertal 647 Patienten aufgrund einer Sprung gelenkfraktur vom AO Typ 44 operativ behandelt. Patienten mit insta­bilen Sprunggelenkbrüchen erhielten nach der Reposition in der Notaufnah­me einen Gipsverband. Timing und das operative Vorgehen variierten aufgrund des unterschiedlichen Weichteilzustands sowie des jeweiligen Frakturtyps. Die interne Osteosynthesetechnik richte­te sich nach den Empfehlungen der AO [16]. Für die vorliegende Analyse wur­den 77 Patienten (11,9%, Revisionsgrup­pe) – 30 männliche und 47 weibliche – identifiziert. Der Altersmedian betrug in der Revisionsgruppe 61,2 (15–89 Jah­re). Dem stand ein Median von 51,06 (7–94 Jahren) in der Gesamtgruppe gegen­über (p <0,001). Drei Patienten der Revi­sionsgruppe erhielten zunächst eine kon­servative Erstbehandlung. Nach Analyse der Unfallbilder stellte sich heraus, dass sowohl die Indikation als auch die Re­position dem Vorgehen nicht genügten. Alle verbleibenden 74 Patienten der Re­visionsgruppe wurden primär operiert.

Die Analyse erlaubte es, 4 Gruppen entsprechend den Revisionsursachen zu definieren (. Tab. 1 und 2). Der Al­tersmedian in den 4 Revisionsgruppen zeigte deutliche Unterschiede (χ2­Test, p=0,48). Der Median lag in der Infekt­gruppe (IG, n=29) bei 71 Jahren, in der Weichteilgruppe (WG, n=22) bei 62 Jah­

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Originalien

Page 3: Ungeplante Zweiteingriffe nach Frakturen des oberen Sprunggelenks; Unexpected revision procedures treating ankle fractures;

ren, in der Kongruenzgruppe (KG, n=22) sowie in der Restgruppe (RG, n=4) je­weils bei 45 Jahren. Interessant war für uns die Frage, ob bestimmte Frakturty­pen und Komplikationsgruppen korre­liert auftraten. Dazu haben wir die Revi­sionsgruppen der AO­Klassifikation zu­geordnet (. Abb. 2, 3, 4). Da die meis­ten Unfälle durch Supinations­ und Ever­sionsmechanismen entstehen, dominier­ten auch bei den Revisionen diese Verlet­zungsmuster. Auffällig war im Revisions­kollektiv eine hohe Anzahl an komple­xen bzw. höhergradigen Frakturtypen. Der Anteil an AO 44­Typ­C­Brüchen machte 45% aus, was nur noch von den B­Frakturen mit 49% übertroffen wurde (. Abb. 2, 3, 4).

Infektion und Weichteile

Wund­ und Gelenkinfektionen führ­ten die Revisionsliste mit 37,7% an (. Tab. 2). Zum Zeitpunkt der ersten Klinikversorgung lag bei 66% der Revi­sionsgruppe ein zweit­ oder drittgradig geschlossener Weichteilschaden vor. Auffallend häufig fanden sich diese Pa­tienten in den Untergruppen mit einem postoperativen Infekt (IG) oder einem zweizeitigen Weichteilverschluss (WG) wieder. Der Verteilungsunterschied war im nichtparametrischen χ2­Test hoch si­gnifikant (p <0,01). Insgesamt waren die Supinations­Eversions­ und Pronations­Abduktions­Frakturen (äquivalent den AO 44­B­Typen) häufiger mit Infekt­ und Weichteilproblemen assoziiert als AO 44­A­Frakturen. Während in unse­rer Studie hohe C3­Frakturen nur selten zu einem Weichteil­ oder Infektionspro­blem führten, verursachten distale C1­ und C2­Frakturen sowie B­Verletzun­gen (. Abb. 2) dagegen (neben einer er­heblichen Gelenkfehlstellung) viel häufi­ger Gewebekomplikationen, weil der Ga­belbruch annähernd mit ihnen auf glei­cher Höhe lag. Weitere Erkrankungen, wie z. B. ein langjähriger Diabetes melli­tus und eine arterielle Gefäßerkrankung sowie ein hoher ASA­Score, erhöhten das Infektionsrisiko deutlich (. Abb. 5). Vaskuläre Probleme konnten bei 51,7% der Patienten aus der Infektgruppe im Behandlungsverlauf nachgewiesen wer­den. Alle postoperativen Infekte entstan­

Unfallchirurg 2012 · 115:511–517   DOI 10.1007/s00113-010-1906-5© Springer-Verlag 2010

J. Richter · A. Pommer · R. Breuer · S. Hullmann · D.V. Heyde · A. Dávid

Ungeplante Zweiteingriffe nach Frakturen des oberen Sprunggelenks

ZusammenfassungFrakturen des Sprunggelenks gehören zu den häufigsten Brüchen mit Gelenkbeteiligung. Die vorliegende retrospektive Analyse unter-sucht 77 (11,9%) ungeplante Zweiteingriffe nach einer AO-Verletzung Typ 44 (AO Arbeits-gemeinschaft für Osteosynthesefragen) mit 647 Primärfrakturen in einem 5-jährigen  Beobachtungszeitraum. Der Altersmedian betrug in der Revisionsgruppe 61,2 Jahre.  Durch die Ursachenanalyse wurden der  Infektgruppe (IG) 29 Patienten (4,5%), der Weichteil- (WG) und der Kongruenzgruppe  (KG) jeweils 22 (3,4%) und einer Restgruppe  (RG) 4 Verletzungen (0,6%) zugeordnet. Wäh-rend hohes Alter und gefäßrelevante Neben-erkrankungen einschließlich hoher ASA-Scores  (ASA American Society of Anesthesiologists) häufig in der IG und AO-Typ-44-B-Brüche in der WG vorlagen, wurde ein Zusammenhang 

zwischen Kongruenzproblemen und höher-gradigen Frakturtypen (AO Typ 44-C) nach-gewiesen. Erneute Eingriffe bis zur Aushei-lung waren im Mittel in der IG 4,59-mal, in der WG 3,5-mal, in der KG 1,55-mal sowie in der RG 1,25-mal erforderlich (p <0,01). Das einfache ABC-Schema nach Danis-Weber ist für die Operationsplanung und Ursachenana-lyse von Fehlschlägen wenig geeignet. Schon in der Notaufnahme werden die Weichen für einen komplikationsarmen Behandlungsver-lauf gestellt. Aufgrund von Risikovariablen empfehlen wir einen weichteil- und verlet-zungsmusterorientierten Algorithmus.

SchlüsselwörterOSG-Frakturen · Osteosynthese ·  Komplikationen · Therapiealgorithmus ·  ASA-Score

Unexpected revision procedures treating ankle fractures

AbstractThe purpose of the present study was to  analyze the risk factors associated with unex-pected second procedures and strategies  of revision surgery. Within a 5 year period  647 patients with closed ankle fractures AO type 44 were identified of which 77 (11.9%) needed revision surgery. Complications were addressed to 4 main groups: deep infections (IG) were seen in 29 patients (4.5%), problems  with primary wound closure (WG) in 22 pa-tients (3.4%), insufficient reduction (KG)  in 22 patients (3.4%) and other causes (RG)  included 4 patients (0.6%). Significant predic-tive factors for soft tissue complications were higher age, comorbidities with peripheral  arteriosclerosis, high American Society of  Anesthesiologists (ASA) score and diabetes  mellitus. AO 44 type B2 and B3 fractures were often associated with soft tissue problems. 

The more complex fracture types AO 44 C1-C3 and A2-A3 were significantly associated  with problems of insufficient congruency post-surgery. The distribution of the mean  revision rate was significantly different (p<0.01) for all groups: IG 4.59, WG 3.5,  KG 1.55, RG 1.25. In summary, we strongly  recommend immediate reduction of displaced  fractures and to consider a more detailed fracture classification. To reduce the amount of unexpected ankle procedures individual  risk factors should be weighed against the advantages of optimal open reduction and internal fixation.

KeywordsAnkle injuries · Fracture fixation ·  Complications · Therapy algorithm ·  ASA score

Zusammenfassung · Abstract

den nach internen Osteosynthesen (17­mal lateral nach Fibulaplatte, 2­mal me­dial jeweils nach Schrauben­ und Zug­gurtungsosteosynthese, 7­mal Empyem nach bimalleolärer interner Stabilisation, 3­mal Pininfekt im Bereich des Fixateur externe). In der Weichteilgruppe gingen dem Problem 20­mal eine Fibulaplatten­osteosynthese und 2­mal eine mediale interne Fixation voraus.

Kongruenz

In der Kongruenzgruppe wurden 3 Pa­tienten unmittelbar konservativ vorbe­handelt, die verbleibenden 19 erhielten primär eine interne Osteosynthese. Kon­gruenzprobleme (. Abb. 4) überwo­gen bei Pronations­Eversions­Frakturen (äquivalent den AO 44­C­Typen; χ2­ Test, p <0,001). Ursachen (. Tab. 2) waren eine

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Page 4: Ungeplante Zweiteingriffe nach Frakturen des oberen Sprunggelenks; Unexpected revision procedures treating ankle fractures;

zu breite tibiofibulare Syndesmose (4­mal) und eine zu kurze Fibula bzw. eine Valgusfehlstellung (11­mal). Sieben Pa­tienten mit einer Gelenkstufe verteilten sich sowohl auf Pronations­Eversions­Frakturen (entspricht C­Typ) als auch auf Supinations­Adduktions­Frakturen Typ 2 (entspricht AO 44­A2­ und ­A3­Typ). Hier setzt sich das Verletzungsmuster des Sprunggelenks aus einer distalen Fibula­abrissfraktur, Kapsel­Band­Verletzungen und einem zumeist ungewöhnlich steil kranialwärts verlaufenden medialen Knö­chelbruch zusammen. Die mediale tibiale Gelenkfläche wird dadurch imprimiert. Bei alleiniger Schraubenosteosynthese des Innenknöchels hoben wir die Impression 2­mal beim Ersteingriff nicht ausreichend an. Ungenügend reponierte Gelenkstufen deckte das postoperative Röntgenbild bei 7 Patienten auf. Drei der 4 Syndesmosen­erweiterungen und 4 der 9 Fibulafehlstel­lungen entwickelten sich erst postoperativ unter der funktionellen Nachbehandlung. Einen möglichen Grund sehen wir in der mangelnden Compliance für die empfoh­lene Teilbelastung. In den anderen Fäl­len ist eine Fehleinschätzung der Gelenk­pathologie in Betracht zu ziehen.

Revisionsstrategie

Zur Problembehebung waren in der Infekt­ und Weichteilgruppe durch­schnittlich 4,59 bzw. 3,5 Folgeeingriffe er­forderlich (. Tab. 3 und 4). Dem standen im Mittel 1,55 und 1,25 Revisionen in der Kongruenz­ und Restgruppe gegenüber (. Tab. 5  und  6). Metallentfernungen wurden nicht berücksichtigt. Der Grup­penunterschied war im nichtparametri­schen χ2­Test hoch signifikant (p <0,01). Während alle lokalen Wundinfekte durch Weichteilbehandlungstechniken zur Aus­heilung kamen, konnte trotz konsequen­ter Sanierungsmaßnahmen kein Empyem des OSG gelenkerhaltend saniert wer­den (. Tab. 3). Das postoperative OSG­Empyem hatte insgesamt eine ungüns­tige Prognose: 2 Unterschenkelamputa­tionen waren infolge der Infektausbrei­tung durch multiresistente Staphylokok­ken bei gleichzeitigem langjährigem Dia­betes mellitus sowie begleitender Mikro­ und Makroangiopathie nicht zu vermei­den. Dagegen konnten wir alle Patienten,

Tab. 2  Alle Revisionsursachen (n=77)

Revisionsgruppe Anzahl Problem

IG (37,7%) 22 Lokaler, oberflächlicher Wundinfekt

7 Empyem

WG (28,6%) 5 Postoperative Hautnekrose

17 Postoperative offene Wundbehandlung (bei primär geschlossenen Weichteilen)

KG (28,6%) 2 Pseudarthrose bei zu kurzer Fibula oder Fehlstellung des Innenknöchels

9 Fehlstellung der Fibula (Achse, Länge)

4 Zu weite Syndesmose

7 Ungenügende Reposition mit Gelenkstufe

RG (5,2%) 1 Plattenausbruch an der Fibula

1 Hartnäckige Spitzfußstellung, Arthrofibrose

1 Pinausriss nach Fixateur-externe-Anlage

1 HämatomIG Infektgruppe, WG Weichteilgruppe, KG Kongruenzgruppe, RG Restgruppe.

Tab. 3  Folgeeingriffe in der Infektgruppe (n=29)

Problem Mittlere Anzahl der Revisionen

Therapie: Débridement + Prozeduren(Mehrfachnennung)

Lateraler Wundinfekt 4,1 6-mal lokaler Peroneuslappen10-mal frühzeitige ME4-mal Angioplastie

Oberflächlicher medialer Wundinfekt

3,0 Débridement/Lavage, Vacuseal, sekundärer  Wundverschluss

Pininfekt 1,3 ME Fixateur

Empyem 7,7 5-mal Arthrodese2-mal Amputation US (MRSA)2-mal Angioplastie

ME Metallentfernung, US Unterschennkel, MRSA Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus.

Tab. 4  Folgeeingriffe in der Weichteilgruppe (n=22)

Problem Mittlere Anzahl der Revisionen Therapie (Mehrfachnennung)

Trockene Hautnekrose 4,2 3-mal Spalthaut2-mal Dermotraktion

Belassene Wunddehiszenz 2,7 14-mal Dermotraktion3-mal Spalthaut

Tab. 5  Folgeeingriffe in der Kongruenzgruppe (n=22)

Problem Therapie: Revisionsosteosynthese (Mehrfachnennung)

Pseudarthrose Einmal Korrektur Innenknöchel

Fehlstellung der Fibula 3-mal nach konservativer Therapie6-mal Achsenkorrektur4-mal Verlängerung, Spongiosa

Zu weite Syndesmose 4-mal Débridement Syndesmosenspalt, Bandnaht und Stellschraube

Inkongruenz, Gelenkstufe 2-mal Defektanhebung und Spongiosa5-mal Rereposition (Innenknöchel, dorsales Tibiakantenfragment)

Tab. 6  Folgeeingriffe in der Restgruppe (n=4)

Problem Therapie:

Metallbruch Einmal Reosteosynthese

Spitzfuß Einmal Arthroskopie und Gelenkdistension durch Fixateur externe

Hämatom Einmal Hämatomausräumung

Pinausriss Fixateur Einmal Pin-Umbesetzung

514 |  Der Unfallchirurg 6 · 2012

Originalien

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die nach der internen Osteosynthese eine trockene Wundrandnekrose entwickelten und diejenigen mit zweizeitigem Wund­verschluss infektfrei entlassen (. Tab. 4). In der Kongruenzgruppe führte die Prob­lemanalyse mittels CT­Schichtdiagnostik oder Vergleichsaufnahmen der unverletz­ten Seite zur Abschätzung der postopera­tiven Fehlstellung (. Tab. 5). Individuelle Lösungen führten in der Restgruppe zur gewünschten Ausheilung (. Tab. 6). Die stationäre Behandlungsdauer wurde von der Anzahl der notwendigen Revisionen bis zur Ausheilung bestimmt und war da­mit im nichtparametrischen Test signifi­kant (p=0,016) von der Problemursache abhängig (. Abb. 6).

Diskussion

Brüche des OSG haben an der Gesamtzahl aller Frakturen einen Anteil von etwa 9% [22]. Der Weber­B­Typ bzw. Frakturen der AO­Gruppe 44­B führen die Häufigkeits­statistiken an [25]. Während im deutsch­sprachigen Raum die Mehrzahl der We­ber­B­ und ­C­Frakturen operativ stabi­lisiert werden [17], beschrieben Koval et al. [10] für die Medicare­Versicherten der USA eine durchschnittliche Operationsrate von nur 33%. Die überwiegende Mehrzahl der klinischen Studien [4, 14, 23, 24, 30] aus den vergangenen Jahrzehnten schob die Vorteile der operativen Behandlung gegen­über der konservativen Redressionsthera­

pie [8, 13] in den Vordergrund. Revisions­eingriffe [1, 7, 20] nach Primärosteosynthe­sen wurden demgegenüber in der Litera­tur weniger häufig untersucht (. Tab. 7).

Die vorliegende Untersuchung analy­siert 77 ungeplante Revisionseingriffe an 647 instabilen Sprunggelenkfrakturen. Im vorgestellten Revisionskollektiv konnten 4 Kategorien identifiziert werden:F  Probleme mit dem Weichteilmantel

(3,4%),F  Infektionen (4,5%),F  eine unzureichende postoperative

Gelenkkongruenz (3,4%) sowieF  eine kleine Restgruppe (0,6%).

Weichteilmantel

Durch die fehlende protektive Muskula­tur wird der Weichteilmantel um das OSG bei Gabelbrüchen regelmäßig indirekt kontusioniert [7]. Dermale Blasenbildun­gen repräsentieren nur die Spitze des ge­schlossenen Weichteilschadens. Instabile bi­ und trimalleolären Verletzungstypen lassen ausgeprägte Hämatomverfärbun­gen und Ödeme entstehen. Die Weichteil­perfusion nimmt dazu reziprok ab [27]. In den ersten Posttraumastunden ist das ge­samte Ausmaß des geschlossenen Weich­teilschadens kaum zuverlässig einzuschät­zen. Es kann lediglich auf den Unfallrönt­genbildern anhand des Frakturtyps und der Fehlstellung antizipiert werden. Kom­binierte Luxationsfrakturen vom Innen­ und Außenknöchel (bzw. Deltaband) auf annähernd gleicher Höhe produzieren demzufolge einen schwerwiegenden, zu­meist geschlossenen Weichteilschaden.

D Die sofortige und suffiziente Reposition des (sub)luxierten Gelenks hat deshalb unabhängig vom Operationszeitpunkt Vorrang.

Nach Ouzounian et al. [19] bietet die Druckverbandanlage im Weichteil­management keinen Vorteil. Wir präferie­ren die frühestmögliche offene Stabilisie­rung der Verletzung, auch wenn ein pri­märer Wundverschluss lateral anschlie­ßend nicht immer möglich ist. Im vor­gestellten Klientel war dies 17­mal (von 647 Patienten; 2,6%) der Fall. Moderne Wundverbandtechniken wie „ dynamische Hautnähte“ und die sterile Sog­Folien­

3210ASA-Score

0

5

10

15

20

Anz

ahl (

n)

Revision:IGWGKGRG

Abb. 5 9 Verteilung der Revisionsgruppen  nach dem ASA-Score  (n=77; χ2-Test: p=0,016). IG Infektgruppe, WG Weichteilgruppe, KG Kongruenzgruppe, RG Restgruppe, ASA American Society of Anesthesiologists

IGRevisionsgruppe

0

20

40

60

80

stat

ionä

r (Ta

ge)

73

58

WG KG RG

Abb. 6 9 Zusammen-hang zwischen der Dauer des stationären Aufenthalts (Median) in Bezug auf die Revi-sionsgruppe im Box-plot (χ2-Test: p <0,05). IG Infektgruppe, WG Weichteilgruppe, KG Kongruenzgruppe, RG Restgruppe

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Abdeckungen über einem Polyvinyl­schwamm [5] ermöglichten bei der Mehr­zahl (14 von 17 Patienten) die Sekundär­naht innerhalb einer Woche. Selbst post­operative Hautnekrosen konnten durch diese Art der Wundbehandlung gut be­handelt werden. Durch die konsequen­te Anwendung entwickelten sich in der Weichteilrevisionsgruppe keine tiefen Infektionen.

Infektionen

Bei tiefen Wundinfektionen besteht die Gefahr der Ausbreitung in das verletzte Gelenk. Aufgrund des unfallbeding­ten Kapsel­Band­Schadens sind hier natürliche Gewebebarrieren durch­brochen. Infiziertes Wundsekret brei­tet sich ubiquitär in die Rezessi aus, aus denen es dann chirurgisch kaum mehr zu verdrängen ist. Dies erklärt die aus­gesprochen ungünstige Prognose des OSG­Empyems sowie die hohe Rate an sekundären Arthrodesen beim vor­gestellten Klientel (5 von 7 Patienten, 71,4%). Deshalb liegt das Augenmerk der Empyemtherapie für das OSG in deren Prävention. Bi­ sowie trimalleo­

läre Luxationsfrakturen und Komorbi­ditäten [20, 23] wie z. B. ein langjähriger Diabetes mellitus [9], erhöhtes Patien­tenalter und eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (Pulsstatus und Nikotinanamnese), sind mit dem er­höhten Risiko bakterieller Wundprob­leme assoziiert [1, 9, 20, 28].

Die Redression mit dem Fixateur externe oder eine geschlossene Reposi­tion im Gipsverband stellen risikoadap­tierte Alternativen dar. Postoperative Pro­blemwunden sollten aufgrund der aufge­zeigten Risiken nicht einfach unkritisch mit Eis und Antibiose behandelt wer­den. Sekundäre Sekretionen zwischen den Wundfäden in Verbindung mit dem klinischen Bild einer phlegmonösen Ent­zündung sind konsequent chirurgisch an­zugehen. Den erneuten Wundverschluss empfehlen wir nicht zu erzwingen, son­dern die Möglichkeiten der Wundkondi­tionierung durch kontinuierliche Sekret­ableitung mittels einer temporären Saug­schwammbehandlung großzügig zu nut­zen. Mikrobiologische Resultate können abgewartet und eine Ursachenanalyse ein­geleitet werden. Bei lateralen Wundprob­lemen über 50­jähriger Patienten führen

wir bei einer positiven Nikotinanamnese die angiographische Abklärung der Aa. fi­bularis und dorsalis pedis durch. Anhand der vorliegenden Studie konnten wir den positiven Effekt angioplastischer sowie gefäßchirurgischer Maßnahmen auf die Wundheilung bei diesen Problemfällen nachweisen.

Freiliegender Knorpel und Knochen profitieren nach unseren Erfahrungen nicht von der Saugschwammbehandlung. Fehlen Periost oder Gewebekapsel, sahen wir unter der Saugschwammbehandlung dagegen sogar eine Verschlechterung des Lokalbefundes durch zusätzlichen Flüs­sigkeitsentzug. Plastische Eingriffe, wie z. B. die lokale Verschiebung von Pero­neusmuskelanteilen, haben wir zur Kno­chendeckung und Wundverkleinerung im Zusammenhang mit einer Dermotrak­tionstechnik eingesetzt [5]. Eine freie bzw. gefäßgestielte Defektdeckung war bei kei­nem der eigenen Patienten aufgrund der vorliegenden Gefäßalterationen möglich. Diese sind jedoch frühzeitig in die Revi­sionsstrategie des postoperativen Weich­teilschadens am OSG mit einzubeziehen [7]. Amputationen blieben sowohl im eigenen Klientel (0,3%) als auch in der Literatur mit 0,16% [28] bis 0,3% [8] eine Seltenheit.

Gelenkkongruenz

Zweiteingriffe zur Optimierung der Gelenkkongruenz sind Ausdruck einer zunehmenden Erfahrung und Anerkennung biomechanischer Zusam­menhänge [6, 9, 11, 13, 15], wenn diese während der Indexoperation nicht er­zielt wurde. Die eigenen Zahlen weisen einen Anteil von 3,4% am Gesamtkol­lektiv auf. Den größten Anteil haben die instabilen Luxationstypen. Das größte biomechanische Problem ist hierbei die Fibulalänge, gefolgt vom tibiofibularen Syndesmosenkomplex [26]. Beide wer­den durch komplexe Unfallbewegun­gen in Kombination mit dem Delta band oder Innenknöchel verletzt [11]. Eine zu kurze Fibula kann zur Pseudarthrose oder (Adduktions­)Fehlstellungen des Innenknöchels führen. Deshalb sollten Fehlstellungen des Malleolus medialis zunächst Anlass einer Überprüfung der Fibulalänge sein. Dies geschieht mit a.p.­

Tab. 7  Literaturanalyse von Komplikationen nach operativer Behandlung von OSG-Frakturen

Autoren Operierte  Patienten (n)

Komplikationen

Hughes et al. [8] 343 1,5% Infektionen (2-mal Arthrodese, einmal Amputation)

Lindsjö [14] 306 5% Wundheilungsprobleme1,8% oberflächlich3,1% Wundrandnekrosen5% ungenügende Kongruenz, Infektion, Pseudarthrose

Böhm et al. [3] 501 0,8% Letalität (3-mal Lungenembolie, einmal Apoplex)3% allgemeine Komplikationen5,8% Wundheilungsstörungen2% Osteomyelitis (einmal Amputation)3,6% Weichteilinfektionen1,4% lokale Hämatome2,6% Revision der Osteosynthese

Broos u. Bisschop [4]

612 3,2% Versagen der Osteosynthese13,9% lokale Wundprobleme0,6% Osteitis9% allgemeine Komplikationen

Nonnemann u. Plösch [17]

449 1,1% oberflächliche Infekte0,4% tiefe Infekte0,2% Osteomyelitis (Fibula)0,2% Pseudarthrose (Fibula)

SooHoo et al. [28] 57.183 1,44% Wundinfektionen0,82% Revisionen der Osteosynthese0,16% Amputationen1,07% Mortalität

OSG oberes Sprunggelenk.

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Originalien

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Röntgenaufnahmen in 15–20° Innenro­tation („mortise view“, . Abb. 1). Die Einschätzung der tibiotalaren Kongru­enz überprüften wir auf diesen Aufnah­men anhand dreier Kriterien [26, 29]:F  Es sollte möglich sein, zwischen

dem Processus lateralis tali und der Außenknöchelspitze einen gleich­förmigen Kreis zu ziehen.

F  Der Knorpelüberzug an der distalen Fibula beginnt in Höhe des tibio­talaren Gelenkspalts mit einer kleinen knöchernen „Nase“ (schwarzer Pfeil in . Abb. 1).

F  Der Gelenkspalt zwischen Talus und Innenknöchel soll genauso breit sein wie zwischen Tibia und Talus.

Nach Leeds u. Ehrlich [12] kann auf die­ser Röntgenabbildung 1 cm oberhalb des Gelenkspalts auch die Syndesmo­senspaltbreite (ggf. im Seitenvergleich) bestimmt werden. Intraoperativ wer­den auf den z. T. unscharfen Bildern des Bildwandlers solche Details nicht immer klar abgebildet, dies kann zu Fehleinschätzungen führen. Eine wei­tere intraoperative Fehlerquelle ist die Beurteilung von Gelenkimpressionen sowie ­stufen an der laterodorsalen und medialen Tibiagelenkfläche. Überlage­rungen im kontrastarmen Durchleuch­tungsbild können solche Details ka­schieren. Unerfreulich ist es, wenn dies erst postoperativ durch das kontrastrei­che postoperative Röntgenbild oder CT­Schnittbild auffällt. Eine nicht korrigier­te Impression bzw. Kranialverschiebung der dorsolateralen tibialen Gelenkfläche lässt sich auf a.p.­Röntgenaufnahmen durch den asymmetrischen tibiotalaren Gelenkspalt antizipieren. Deshalb emp­fehlen wir, in diesen Situationen vor der Osteosynthese eine zusätzliche CT­Auf­nahme mit Dünnschichtrekonstruktio­nen der Gelenkfläche.

Fazit

Die vorliegende Analyse zeigt, dass trotz erheblicher Fortschritte in der operati-ven Therapie ungeplante Zweiteingriffe nach primärer Stabilisation von Sprung-gelenkfrakturen vorkommen. Um  deren Häufigkeit zu verringern, ist eine umge-

hende geschlossene Reposition erforder-lich. Darüber hinaus soll der geschlos-sene Weichteilschaden anhand der pri-mären Fehlstellung im Unfallröntgen-bild antizipiert werden und es gilt Risiko-variablen bzgl. des Gefäßstatus (Nikotin, arterieller Pulsstatus) und einen Diabetes mellitus zu überprüfen.Die Verwendung der dreigliedrigen  Danis-Weber-Klassifikation birgt eine er-hebliche Informationsreduktion bzgl. des Gelenk- und Weichteilschadens in sich. Bakterielle Gelenkinfekte haben eine sehr ungünstige Prognose in Bezug auf den Gelenkerhalt. Eine problemorien-tierte und frühzeitige Revisionsstrate-gie führt in den meisten Fällen dennoch zur Ausheilung. Mit der vorliegenden  Analyse wird deutlich, dass unter Berück-sichtigung der aufgezeigten Risikofakto-ren eine Verringerung der Revisionsein-griffe erreicht werden kann.

Korrespondenzadresse

PD Dr. J. RichterAbteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie, Marienhospital45886 [email protected]

Interessenkonflikt.  Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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