63
FRITZ REUTER K E I N H Ü S U N G 1 1. DE NOT ERZÄHLER De Rogg‘ sett an, de Weiten bläuht, Jehannsdach is ‘t, de Sünn, de gläuht. Kein Rägen föllt, de Wind, de swicht, dor rööcht sik nich ein Blatt an ‘n Bom. Un up denn Duurn 2 an’n Wech, dor licht von ‘n Heuaust 3 her ein dichten Stohm 4 . De blåge Wepstart 5 dröcht tau Nest – hei is nå Fauderhålen wäst – hei slüppt un krüppt un hüppt herüm un nickt un kiekt sik ängstlich üm un böhrt dat Köppken in de Hööcht, ob sik de Mann villicht ok rööcht, de still dor achter’e Steinmuer licht, denn einen Arm up sien Gesicht, as wenn man ruhig slåpen will. Hei rööcht sik nich, hei licht so still, as wier hei dot. Un Allens lett 6 , as wier begråwen all dat Läwen. Un ‘t is so bang, as wenn de Häwen in stille Hitt ein Wäder brött 7 . Un ganz von fiern, dor is ‘t, as wenn dat süüfzte œwer ‘t Feld dorhen. De Mann süüfzt ok, sien Arm, de glitt herunner von dat Angesicht. Hei grippt tau Siet un fött un ritt, wat hei von Grass tau hollen kricht, un richt’t sik mit ein Ruck in Enn un starrt ümher un folcht de Hänn’ so kurlos 8 œwer ‘t brun Gesicht, as wenn hei nicks mihr seihn mücht. 1 Orthographie nach Herrmann-Winter: Neues hochdeutsch-plattdeutsches Wörterbuch 2003. (Ausnahmen im Sinne der besseren Lesbarkeit: willst/sallst statt wist/sast, ch statt g nicht in Lehnwörtern, Urt, furts=kurzer Vokal; fuurt, Wuurt, Muurd Vokalverdopplung weil langer Vokal, Poor und Hoor gemäß hochdeutschem Vorbild mit verdoppeltem Vokal) 2 Dorn 3 Heuernte 4 Staub 5 Bachstelze 6 scheint 7 ein Gewitter aus(brütet) 8 Eigentlich „bei dem keine Kur anschlägt“, ratlos 1 5 10 15 20 25 30 5 10

uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

FRITZ REUTER K E I N H Ü S U N G 1

1. DE NOT

ERZÄHLER De Rogg‘ sett an, de Weiten bläuht,Jehannsdach is ‘t, de Sünn, de gläuht.Kein Rägen föllt, de Wind, de swicht, dor rööcht sik nich ein Blatt an ‘n Bom.Un up denn Duurn2 an’n Wech, dor lichtvon ‘n Heuaust3 her ein dichten Stohm4.De blåge Wepstart5 dröcht tau Nest –hei is nå Fauderhålen wäst –hei slüppt un krüppt un hüppt herümun nickt un kiekt sik ängstlich ümun böhrt dat Köppken in de Hööcht,ob sik de Mann villicht ok rööcht,de still dor achter’e Steinmuer licht,denn einen Arm up sien Gesicht,as wenn man ruhig slåpen will.Hei rööcht sik nich, hei licht so still,as wier hei dot. Un Allens lett6,as wier begråwen all dat Läwen.Un ‘t is so bang, as wenn de Häwenin stille Hitt ein Wäder brött7.Un ganz von fiern, dor is ‘t, as wenndat süüfzte œwer ‘t Feld dorhen. De Mann süüfzt ok, sien Arm, de glittherunner von dat Angesicht.Hei grippt tau Siet un fött un ritt,wat hei von Grass tau hollen kricht,un richt’t sik mit ein Ruck in Ennun starrt ümher un folcht de Hänn’so kurlos8 œwer ‘t brun Gesicht,as wenn hei nicks mihr seihn mücht.Un har doch sünst so’n hellen Blick, so måkt för Lust un Leif un Glück.Ach, åwer in sien jitzig9 Wäsenis nicks von Glück un Lust tau läsen.

1 Orthographie nach Herrmann-Winter: Neues hochdeutsch-plattdeutsches Wörterbuch 2003. (Ausnahmen im Sinne der besseren Lesbarkeit: willst/sallst statt wist/sast, ch statt g nicht in Lehnwörtern, Urt, furts=kurzer Vokal; fuurt, Wuurt, Muurd Vokalverdopplung weil langer Vokal, Poor und Hoor gemäß hochdeutschem Vorbild mit verdoppeltem Vokal)2 Dorn3 Heuernte4 Staub5 Bachstelze6 scheint7 ein Gewitter aus(brütet)8 Eigentlich „bei dem keine Kur anschlägt“, ratlos9 jetzigem (von jitzt = jetzt)

1

5

10

15

20

25

30

5

10

Page 2: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

Kiekt Ein em in dat bange Oochun süht, dat ‘t ut sien Angesichtso tru un ihrlich ’rute lüchtun fäuhlt dat Hart, wo em dat slooch –denn markt hei woll, denn weit hei wiss,dat väl von Leif de Räd dor is.Un kiekt hei ‘n bäten in de Fiernun süht de junge, witte Diern,de langsam ‘ranne wankt10 allein,so blass un trurig antauseihn:Denn weit hei ok, wer ‘t dån em hett,wer ‘t Hart em hast’ger slågen lett.Un süht hei sei so bleik un witt,wo s’ sachting geiht denn Wech entlang,weit hei, worüm sien Ooch so bang,worüm dat in sien Hart so ritt.Un neger kümmt de bleike Mågd.Ehr Ooch, dat süht so still verzåcht,so trånenmäud in de Natur,as wenn ‘t de Welt vör Gott verklåcht.Un as sei ängstlich üm sik kiekt,ob sei ok Einer süht dor ståhn,sliekt sei sik liesing dicht heranun steiht un süüfzt:

MARIK „Slöppst Du, Jehann?“

JEHANN „Wat? – Slåpen? – Ik? Mariken, slåpen? Gott erbarm! – Kumm, sett di dål.“

ERZÄHLER Un secht datsülw’ge noch einmål,bet dat sei sitt an siene Siet,wo hei sei dichter an sik tüht.Sei lecht denn Kopp woll up dat Kneiun weint so sachten vör sik hen.ehr is so krank, ehr is so weih,hei stråkt sei œwer denn un wenn:

JEHANN „Låt sien, mien Kind, låt doch man sien!Råd’ mål, wo ik hüt wäsen11 bün:Ik bün hüt Morgen fröh upståhnun bün all nå dat Amt hengåhnun heff de Herrn bi ‘t Amt all bäden,dat s’ mi doch Hüsung gäwen deden.“

10 Bedeutet im Plattdeutschen auch „wandeln“11 gewesen, alte Form des Partiuzip II von sein

2

35

40

45

50

55

60

65

70

75

15

Page 3: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

MARIK „Wat säden s’ denn?“ -

JEHANN „Sei säden –du weitst woll, wo dat denn so is –sei säden ‘t ok nich för gewiss,sei har’n all so väl Arbeitslüd,un wenn ‘k ut ‘t Ridderschaftlich wier,denn süll ik leiwer doch tauseihn,ob ‘k dor nich unnerkåmen künn.In ‘t Fürstlich dürft Kein ‘rinner teihn,De nich geburen wier dorin.“

MARIK „Dat secht mien Vadder ok, Jehann.“

JEHANN „Wo? – Hest Du mit em räd‘t? Weit hei Bescheidmit Di?“

MARIK „Oh, fohr mi nich so an!Ach nee, Jehann, hei weitnicks von uns Sünn’ un von mien Schann’.Ik heff noch swägen in mien Nötenun ward ok swiegen. Nee, ik kann ‘ndat Metz em nich in ‘t Hart ‘rin stöten.“

JEHANN „Ik weit, ik bün ein slimmen Gast,mien gröttstes Unglück is mien Hast.Un hüt taumål; mi ‘s bös tau Maut.Kumm her un wäs mi wedder gaut!Du sallst man seihn, wi warden friegen,un up denn Harfst büst Du mien Fru.“

MARIK „Ach, wenn wi nu kein Hüsung kriegen!Jehann, kein Hüsung – keine Tru!Uns gifft kein Preister nich tausåmen,wenn Ein uns nich in Hüsung nåhmen.“

JEHANN „Ih, wenn wi narens unnerkåmen,denn treck12 wi in de Stadt herin.“

MARIK „Dat sall man ok nich mœglich sien.“

JEHANN „Wat? Jochen is doch ‘rinner treckt.“

MARIK „Jehann, von Jochen willn wi swiegen.Mit denn wür dunn de Schann’ taudeckt,em wür taugliek dat uperlecht,denn Råtsherrn sien oll Diern tau friegen.Ach Gott, ik räd! – Ik heff kein Recht,dat Mäten noch ein Blam’ tau måken.“

12 Reuter konjugiert die Verben im Plural teils mit und teils ohne Endung -en

3

80

85

90

95

100

105

110

Page 4: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

JEHANN „Ach, swich doch still von so ‘ne Såken.Hew’n up denn Harfst wi noch kein Dack,denn treck wi fuurt mit Sack un Pack,denn treck w’ de Kråmersdörper nå,denn gåhn wi nå Amerika.“

ERZÄHLER Sei fåt’t em üm un keek em an:

MARIK „Wo giern güng ik mit Di, Jehann!Mit Di, so wiet de Häwen blåch!Du weitst, Jehann, ik bün nich zåch.Giern wull ik œwer ‘t Wåter teihn,doch mienen Vadder tau verlåten,so olt un krank un so allein,dat wier von all de leegen Dåten,de ik em andaun künn, de slimmst. –Nee, wenn Du hier nich unnerkümmst,denn bün ‘k verluren,denn is ‘t vörbimit Di un mi.Un wenn mien armes Kind geburen,hüt orrer morrn,denn bün ik dat, wat Anner word’n,denn ward uns Leif uns sülfst tau Gift.Denn ward dat Läwen,wat uns tau läwen œwrig blifft,dörch uns’re eig‘ne Leif vergäwen.Un as ein liederliches Poorgelln wi denn in denn ganzen Lann’;Denn stiecht de Schann’von Johr tau Johr,un wenn dat endlich kümmt tau ‘n Starwen,denn möten s’ unsre Kinner arwen.Wenn ‘k denn mi up mien Lager krümm,denn büst Du nich üm mi herüm,denn kiekst Du mi so tru nich an,as Du dat sünst woll dedst, Jehann.Un de in Leif so tru Di wier,de scheidt villicht von Gottes Ierdin Fluch un Hass.“

ERZÄHLER Sei lett em los un stött em fuurt,as wier dit all ehr letztes Wuurt.Hei löppt ehr nå:

JEHANN „Süll so dat kåmen,Denn hål s’ de Deuwel alltausåmen.Denn hål de Deuwel all de Herrn!Ik leet mi schinn’n, mit Fäuten perrn,ik bün ‘t jå anners nich gewennt.

4

115

120

125

130

135

140

145

150

155

160

Page 5: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

Doch wenn ‘t mit Di so mål eins end‘t,denn sall ein Dunner ‘rinner slåhn,dat ehr de Ogen œwergåhn!“

MARIK „Oh, Gott, Jehann, wat heff ik secht?Wat heff ik secht, wat heff ik dån?Oh, wäs doch still, låt sien, Jehann!“

ERZÄHLER Hei måkt sei los un schüfft sei wechun fött ehr Hänn’ in sien tausåm‘n;

JEHANN „Nu hür, Marik, wat ik Di sech –Ik wull dor ierst man nich mit ‘rut –Wenn ‘k hier bi uns nich unnerkåm,denn is dat mit dat Friegen ut,denn Amt un Stadt, de häuden13 sik.“

MARIK „Ach, un uns Herr, de deit dat nich.“

JEHANN „Hei möt, hei möt; ik låt nich nå.Du kannst nich nå Amerika,un Keiner will uns Hüsung gäwen?Hier unner unsern eig’nen Häwenkein Platz för uns, för mi un Di?Kein Platz in unsern Vadderlann’?Dat wier ‘ne niederträcht’ge Schann’!Ror’14 nich, Marik! – Ik blief dorbi:Hei möt, hei möt! Ik gåh hen klågen,wi will’n mål de Gerichten frågen.Uns Herzog will nich, dat ein Mann,de Arbeit mach un Arbeit kann,ut sienen Lann’ ward ‘rute dräwen.Hei hett Gesetze d’rœwer schräwen.Dat weit de Herr ok ganz genau,wi sünd dor man tau dumm dortau.Hei sall un möt uns Hüsung gäwen!“

ERZÄHLER Mariken lähnt sik an de Muerun keek em an in stille Truer.Sei was so bleik, sei was so blass,ehr Trånen fölln in ‘t gräune Grass,sei folcht still vör sik hen de Hänn’un secht tau em so lies un sacht15:

MARIK „Jehann, so heff ik ‘t mi nich dacht.Nu wull ik, dat wier bald tau Enn!Ach Gott, ik möt Di Dienen Glowen,dien letzte Hoffnung ok noch rowen.

13 hüten14 weine, eigentlich „laut weinen“, daher wird roren auch für „schreien“ gebraucht15 Eigentlich: sanft und dann auch leise, still; es bedeutet zuweilen auch „wohl“, z.B. „ja, dat will ich sacht daun“

5

165

170

175

180

185

190

195

200

20

Page 6: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

Uns Herr, de gifft uns keine Städ,giff Acht, de lacht bi Diene Bäd!Un wenn hei hüürt, dat ik Dien Brut,denn jöcht hei ut denn Deinst Di ’rut.“

JEHANN „Worüm denn dat? Wat süll dat heiten?“

MARIK „Oh, fohr nich up! – Du wardst woll weiten,hei hett up mi ein Hass stets hatt.Hei har mit mienen Vadder wat,un dat möt ik nu noch entgelln.“

JEHANN „Ja, ‘t is ein Hund, ein Minschenschinner!Kümmt hei mål in mien Fuust herinner,denn ward ik em ein Stück vertelln!“

MARIK „Oh nich, Jehann, man keinen Larm!“

ERZÄHLER Sei fött em üm, un sleiht denn Armem smeichlich üm denn breiden Nacken,striekt em dat Hoor un stråkt de Backen.

MARIK „Oh nich, Jehann, man keinen Striet!Denn Herrn sien Hand, de reikt so wiet,wenn de mål ein’n verdarwen will,denn kann uns Herrgott sülfst nich rerr’n.Ein Minschenhart mit Fäuten perr’n,dat is för denn ein Kinnerspill.Jehann, oh häud Di vör denn Herrn!“

JEHANN „Wat will hei mi?“

MARIK „Wat hei Di will?Besinn Di doch un räd nich so!“

JEHANN „Nicks kann hei, wenn ‘k mien Arbeit dau!Un måkt hei mi Verdreitlichkeiten,denn smiet ik em denn Kråm tau Fäutenun kann mi annerswo vermeiden16.“

MARIK „Dat kannst Du daun, dat kannst Du. – Ja.Kannst sülfst hen nå Amerika.Un süll dorüm mien Hart verbläuden,Di steiht denn frie de ganze Welt.Ik un mien Kind, wi sitten hier,Du schickst denn af un an mål Geld,bet ‘t Di tauletzt denn mål inföllt,dat ‘t nu någrådens nauch woll wier.Doch glücklich wardst Du nümmermihr.

16 vermieten

6

205

210

215

220

225

230

235

240

Page 7: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

Du slöppst so ruhig nich as sünst,wenn Di mål dröömt, dat ik un ‘t Kindhier unner einen Herrn sünd,bi denn Du ‘t nich uthollen künnst.“

ERZÄHLER Dat packt em an, dat sleiht denn Kierlas Dunner ‘runner von denn Dwierl17

bet in de Tehn‘n. Hei höllt sei fåt’t,un ballt de Fuust, stampt mit denn Faut:

JEHANN „Denn gåht mi ‘t allmiendåch nich gaut,Mariken, wenn ik Di verlåt!Wenn ik mi von Di scheiden künn,denn süll kein Månd un keine Sünn,kein Stiern mi schienen allmiendåch.Wenn ‘k Di mi ut denn Sinn eins slach,will ‘k elend dörch de Welt henrönnen,un in de Höll will ‘k ewig brennen.Ik låt Di nich, ik låt Di nich!Hei mach mi martern fürchterlich,hei mach mi schinn’n, hei mach mi perr’n,ik holl hier ut bi unsen Herrn.“

MARIK „Un ik will nie nich wedder klågen,will Allens, Schimp un Schann’ verdrågen,un wenn ik noch wat Slimmers wüsst.Ik will Di sien, wat Du mi büst, –Oh Herrgott, hür mi hoch in ‘n Häwen! –Dien All’ns, Dien Hart, Dien ganzes Läwen!“

ERZÄHLER Fast holl’n sei beid sik in denn Arm,sei drücken beid sik tru un warm,sei küssen sik väl dusendmål,de Trånen fleiten still hendål.Ehr Hart, dat is so vull un wiet,as ‘t was in jene sel’ge Tiet,as sei tauierst sik hew’n vör Johrenup ewig Tru un Leif tausworen.Un lang un lang ståhn sei so dor.De Sünn, de stråhlt so hell un klor,as wenn ‘t nich wedder mœglich wier,dat Wolken tögen œw’r ‘e18 Ierd.Sei secht tau dat bedråg’ne Hart,dat, wenn de Häwen einmål lacht,denn keem nie wedder düüst’re Nacht,kein Wäder trööch heruppe swart.So süngt ‘t in ‘t Hart de arme Diern,un ’t arme Kind, dat glööft so giern! – –

17 Wirbel18 Kurz für „œwer de“

7

245

250

255

260

265

270

275

280

25

Page 8: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

MARIK „Nu kumm, Jehann, wi möten gåhn.“

JEHANN „Oh, nee, Mariken, sett Di dål,kumm, sett Di in dat Grass tau mi,as Du dat sünst so giern hest dån.“

MARIK „Jehann, låt sien! Låt sien, Jehann.De ollen Tieden sünd vörbi;Gott weit, ob sei mål wedder kåmen.Ik möt nå Hus, nå mienen Ollen.“

ERZÄHLER Hei rapt19 sien Haut un Stock tausåmenun kricht sei an de Hand tau hollen:

MARIK „Nee, nee, Jehann, nu nich! Nu gåh!Kumm leiwerst up denn Åbend nå.“

ERZÄHLER Dor gåhn sei hen;un denn un wenn,Denn ståhn sei still un kieken sikeinanner nå un winken sik.Nu wull’n sei woll ehr Schicksal drågen,nu wull’n sei ‘t mit de Welt woll wågen.Ach, arme Kierl, ach, arme Diern!Seiht Ji dat Lüchten in de Fiern?Hüürt Ji dat dump herœwer dunnern?Kennt Ji de Welt? – Ji ward Juuch wunnern!

(Musik)

19 rafft

8

285

290

295

300

305

Page 9: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

2. DE SCHIMP

ERZÄHLER ‘T is Sünndach hüt; de helle Sünnkiekt fründlich in de Stalldör ‘rin.‘T is Sünndachmorr’n, is nicks tau daun.De ollen Mähren ståhn un rauhn,Oll Daniel reckt sik harthaft mål,un hålt sien Putzmetz20 sik hendål,un stellt sik an de Fauderkist;dorup sien Stückschen Speigelglass,un fohrt sik mit denn Quast verdwass‘rin in dat olle gries Gesichtbet hei denn Boort herunner kricht. –Verwohrt dat Metz, dat Glass, denn Quast,treckt sik de Hosendräger fastun binn’t ‘ne reine Schört sik vör,un trett nu ‘ruter ut de Dör.

Un vör denn Stall, dor sitt Jehann.Oll Daniel schüfft sik an em ‘ranun schüfft ein Priemken mank de Tähn.

DANIEL „Wo büst Du wäst, Jehann, mien Sœhn?“

JEHANN „Tau Dörp. Marik wull Meddach kåken,dunn haut ik ehr dat Buschholt klein.“

DANIEL „Dat låt denn Preister man nich seihn.“

JEHANN „Du leiwer Gott, wat sall ein måken?De ganze Woch geiht dat Geslaf21,de Diern möt Dach för Dach tau Haf22,wenn sall sei denn denn Kråm besorgen,wenn anners, as denn Sünndachmorgen?“

DANIEL „Je, ‘t sall nu åwer doch nich sien.“

JEHANN „Dat weit ik woll, wi sallen bädenun sallen in de Kirch herin.De de Gesetze måken deden,dat sünd de Rieken, sünd de Herrn,de Armut daun s’ dorbi nich frågen.Wi möten ‘t daun, wi möten ‘t drågen,un wenn s’ uns ok mit Fäuten perrn.“

DANIEL „Jehann, mien Sœhn, nimm Di in Acht,dat sik de Bös’ nich insliekt in Dien Hart.

20 Rasiermesser21 Sklavenarbeit verrichten und wird für jede täglich wiederkehrende schwere Arbeit gebraucht22 Zu Hofe gehen, verdungene Hofdienste verrichten

9

310

315

320

325

330

335

340

30

Page 10: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

Åhn dat wi ‘t marken, kümmt hei œwer Nachtun målt uns de Gedanken swart.Du büst sünst so ‘n taufräden Blaut,an so wat hest Du nie nich dacht.Du dedst Dien Ding’ so wollgemaut,Dien Hart was froh, kein Arbeit wür Di swer;nu kümmst Du mi ganz anners vör.“

JEHANN „So? Bün ik anners? – Daniel, ja.Ik weit, ik bün ganz anners word’n.Ik heff kein Rauh nich, wo ik ståh un gåh,dat jöcht mi ümmer hen un her,un is dat hüt, denn wünsch ik, dat wier morr’n.Ach Gott! Wat is dat Hart mi swer!Ik heff ‘t woll markt: Du weitst Bescheid,wo ‘t üm mien arm Mariken steiht.Dau ‘k up denn Harfst kein Hüsung kriegen,denn kann ‘k de arme Diern nich friegen,denn möt ein Unglück noch gescheihn.Denn Jammer kann ik nich anseihn.Blot Hüsung, Hüsung! Wierer sallmi Kein wat daun. – Wat räd ik All.Di is ‘t in ‘n Läwen nich so gåhn,kannst nich mien Not un Angst verståhn.“

ERZÄHLER Un de oll griese Fauderknecht,de richt’t sik still un iernst tau Hööchtun steiht vör em un kiekt em an:

DANIEL „So? Weitst Du dat? Meinst Du, Jehann?Was ok mål jung, was ok mål stark,mit Knåken vull von kräftig Mark.Mien Ooch was klor, mien Hart was frisch,mien Läwen was ‘ne gräune Wisch.Un up de Wisch, dor bläuht ‘ne Ros’,so schön un hell, so vull un riek,woll äbenso as Dien Marik.Un was ik von de Arbeit losdes Åbends, wenn de Schatten teihn,denn satt ik mit mien Ros’ allein,un wat wi rädten, wat wi spröken,dat steiht mi deip in ‘n Harten schräwen,un läwig is ‘t mi ümmer bläwen.Un blifft ‘t, bet dat mien Hart deit bräken.“

ERZÄHLER Jehann springt up un kricht denn Ollenbi siene bäw‘rig Hand tau hollen:

JEHANN „Worüm hest Du sei denn nich nåhmen?“ –

10

345

350

355

360

365

370

375

380

385

Page 11: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

DANIEL „Ein Worm was in mien Ros’ ‘rin kåmen,ein Worm hett miene Blaum verdorben;in Not un Elend is sei storben.Mien Herr, de hett sei sowiet bröcht.Hei was de Herr, ik was de Knecht.Mien Hart blödd unn’n, sien Hand was båben,hei brök mien Ros’, ik heff s’ begraben.“

JEHANN „Wer was Dien Herr? Wer was Dien Brut?“

DANIEL „Mien Herr was unsern Herrn sien Vadder.“

JEHANN „Un Du reetst em nich jede Ader,du reetst sien swartes Hart nich ut?“

ERZÄHLER Un de oll Daniel wendt sik üm –sien Ooch, dat gläuht, sien Lipp, de bääft –un secht mit bäwerige Stimm:

DANIEL „Mien Sœhn, mien Sœhn, uns Herrgott lääft.›Mein is die Rache!‹ hett hei secht.Hei hett sien Hand nåhst up em lecht:De Herr ‘s in Sünn’ un Schann’ vergåhn. Ik was un bleef sien Fauderknechtun hoff, ik ward vör Gott beståhn.›Mein is die Rache!‹ Denk doran,dat is ein Trost för uns, Jehann.“

JEHANN „Nee, sech ik, wenn ik ‘t wäsen ded,un mi wier ‘t so as di dunn gåhn,denn har ik woll wat Anners dån.›Mein is die Rache!‹ sprääkt de Herr.Dat is recht gaut. Ja! Åwer werlett sik sien Ein un Allns verdarbenun lecht dorbi de Hänn’ in ‘n Schot? –So tautauseihn? – Nee! – Leiwer dot!Hei orrer ik! – Nee, Ein müsst starben!“

ERZÄHLER Un ballt de Fuust un sleiht up ‘t Knei.

JEHANN „Ja, ‘t is de ew’ge Litanei!Von Morrns bet Åbends in denn Sälen23! Wi möten ‘t daun, un sei befählen.Ob ein de Knåken kann noch rögen,wer fröcht dornå? – Genauch – wi sœlen.Un wenn s’ denn blot uns Hart mål frögenun ‘rinner seegen in uns Notun günnten uns uns bäten Brotun günnten uns man blot de Städ

23 Sielengeschirr; ein Geschirr, das Pferden um die Brust gelegt wird, um sie Lasten ziehen zu lassen

11

390

395

400

405

410

415

420

425

35

Page 12: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

un as ein Minsch taum Minschen stünn’n,denn wulln w’ ehr Macht un Riekdaum günn’n,denn wür kein Arbeit uns tau swer.Weck sallen ‘t daun un sall’n de LüdAs Minschen hollen; åwer hier!Hier hett Kein mihr ein heilen Rock,hier is dat däächlich Brot de Stock,un Schandwür’ sünd hier noch dat Best.So is uns Herr, so is sien Vadder wäst.Dat is ‘ne wohre Schinnerbann’!“

ERZÄHLER As witte Duf un swarte Raf,so stimmt tausåmen Herr un Slaf.Ehr Vordeil geiht woll Hand in Hand,sei wåhnen beid in einen Land,sei åten beid de sülwig Luft,un rauhn villicht in eine Gruft;an einen Gott, dor wenn’n sei sik –doch Hart un Hart, dat finnt sik nich.

(Musik)

12

430

435

440

445

Page 13: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

3. DE HASS

ERZÄHLER De schönste Dach in ‘t ganze Johrstiecht liesing ‘ruppe hell un klor:Jacobidach, wenn Rogg‘ ward meiht,wenn Sägen up de Feller steiht. Jehann, de deit denn iersten Hau,hei meiht de Annern hüt vöran.Strack24 trett hei an denn Roggen ‘ran,süht nå sien Låch25 un kiekt genau,wo hei ‘n an‘n Besten fåten kann.Marik, de folgt dat Swad26 entlangun rafft de Garf un slingt denn Schrank27: De Arbeitslust, de lett vergätendat Leid, wat ehr dat Hart terräten.Un as dat kümmt tau Vespertiet,dunn sitt ein Poor so still bi Siet:Jehann is ‘t un sien arme Diern,de kiekt so trurig in de Fiern.So sitten sei ‘ne tietlang Beid.Hei fröcht tauletzt:

JEHANN „Sech, büst Du mäud?“

MARIK „Oh nee, dat sall mi nicks verslåhn,du hest jå half mien Arbeit dån.Du smeetst Dien Seiß so oft bi Sietun rüfelst28 mi de Garf tausåmen.Nee, ik künn prächtig mit Di kåmen.“

ERZÄHLER Un as s‘ gewohr, dat ’t keiner süht,dunn lecht s’ denn Kopp an em heranun kiekt tauhööcht:

MARIK „Mien leif Jehann!“

JEHANN „Hüt gung29 dat ornlich in de Werr30. –Süh, kiek mål dor! Dor kümmt uns Herr!Hüt is hei fründlich.“

MARIK „Nee, Jehann!“

24 stramm, aufrecht25 Hin- oder Zusammengelegtes, Schicht26 abgemähte Stelle auf dem Feld27 Schrank (von schränken, verschränken) ist eine eigentümliche Schlinge, in welche das Korn gebunden wird.28 aufhäufen29 ging; Während Reuter normalerweise das Präteritum mit „hei güng“ bildet, steht hier und im Kapitel DAT ENN (Zeile 1994) jeweils „gung“. Dies ist aus der Volksausgabe von 1900 übernommen. In der Erstausgabe von 1857 schreibt Reuter beide Male „güng“. Es könnte sich in der Volksausgabe um Tippfehler handeln, die in die theaterfassung übernommen wurden.30 Wette

13

450

455

460

465

470

475

480

40

45

Page 14: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

JEHANN „Kumm mit, Mariken, mit heran!Du mötst em binn’n, ik will em strieken, wi will’n em noch mål birr’n, Mariken.“

MARIK „Oh, gåh allein. Ik nich. Ik nich!“

JEHANN „Ach, heff Di doch nich häwelig!Wat is denn los? Wat is dorbi?“

MARIK „Oh nee, Jehann; oh, gåh åhn mi!Hei deit ‘t nich, kricht hei mi tau seihn.“

ERZÄHLER Jehann steiht up un geiht alleinun grüßt denn Herrn un sett’t denn Hautwoll up denn Bom31 un striekt so kasch32

un bädt sien lust’gen Riemels gaut.De Herr langt ‘rinner in de Taschun hålt ein Dåler ‘rut un winkt.

HERR „Da, Kinner; wäst vergnäucht un drinkthüt Åbend mien Gesundheit eins. Wat rührst du di nich von de Städ?“

JEHANN „Ach Herr, ik har ‘ne anner Bäd.Acht Johr bün ‘k nu bi Sei in Deinstun ümmer heff ‘k mi gaut bedrågen,un œwer mi kann Keiner klågen.Ik heff mien Arbeit dån as Kein,un was Sei tru; mien Hand is rein.Ik heff all einmål dorvon sechtun miene Bäd an ‘t Hart Sei lecht,ik kåm noch mål. Oh, gäwen S’ midoch up denn Harfst dat Friegen frie!“

HERR „Ja, Jehann Schütt, dat is woll wohr,Du büst mi tru un ihrlich wäst,un in de Arbeit büst de Best. Indessen doch – de eigen Lüd,de ward’n mi gor tau väl tau dür.Ik heff mi einmål dorup stemmt:Up miene Gäuder låt ‘k nich friegen.Wenn ok de Arbeit mål eins klemmt,ik kann nauch Lüd ut ‘t Fürstlich kriegen.Un denn is ok kein Hüsung frie.“

JEHANN „Doch, Herr, wo Vadder Brand in is!Denn Ollen nehm ik denn tau mi,so bleef denn Allens so, as süss.“

31 Sensenbaum, Sensenstiel; auch: Stange zum Halten des Korns auf dem Wagen32 lebhaft, flink, munter

14

485

490

495

500

505

510

515

520

50

Page 15: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

ERZÄHLER De Herr, de grübelt, sinnt un steiht,as wenn ‘t em würklich någåhn deit,dat hei de Bäd afslågen sall.Mit einmål åwer sleiht hei üm;in sienen Harten stiecht de Gall,unsäker ward sien barsche Stimm,unrauhig ward sien düüster OochUn hart un kolt was ‘t, as hei frooch:

HERR „Wer is ‘t denn, de Du friegen willst?“

JEHANN „Oll Brandten sien Mariken is ‘t.“

ERZÄHLER De Herr, de wür vör Bosheit blass,hei rückt de Flint herüm, as wull ‘esei ‘runner rieten von de Schuller,un smeet denn Dåler in dat Gras.Un dreiht sik up de Hacken ümun lacht so gäl mit höhnsche Stimm:

HERR „Nee, säuk Di man ‘ne anner ut!Kein Hüsung heff ‘k för so ‘ne Brut!“

ERZÄHLER De Herr is wech; Jehann blifft ståhn,as har vör em de Blitz ‘rin slåhn.

JEHANN „Worüm? – Woso? – Worüm ‘ne anner?“

ERZÄHLER Un smitt sik an de Hock33 heranner.Mariken kiekt em trurig an:

MARIK „Ik säd Di ‘t woll, mien leif Jehann.Nich wohr? Nu is ‘t woll rein vörbi?“

ERZÄHLER Hei stött ehr Hand ingrimmig wech:

JEHANN „Du sädst dat woll? De Wohrheit sech!Wat is ‘t, wat hett de Herr mit Di?“

MARIK „Du weitst, hei kann mi nich utståhn.“

JEHANN „Dat is dat nich! De Wohrheit ‘rut:Hei was sowiet, hei har dat dån,doch as hei hüürt, dat Du mien Brut,dunn wull hei nicks mihr dorvon weiten.Nu räd un sech: Wat sall dat heiten?“

ERZÄHLER So ängstlich sach sei in sien Ooch,de Lippen würden ehr so blass,as sei de Ogen nedder slooch,un ‘t lies sik œw’r ‘e Lippen tooch:

33 Stall, Koben, Verschlag

15

525

530

535

540

545

550

555

Page 16: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

MARIK „Wiel ik em nich tau Willen was.“

ERZÄHLER As wenn em ded ‘ne Adder34 stäken,flücht hei tau Hööcht; knapp kann hei spräken:

JEHANN „Wat? – Em tau Will’n? – Wer ded dat? – Wer?“

MARIK „Ach, leif Jehann, dat was uns Herr.“

ERZÄHLER Un reckt denn Arm nå em tau Hööcht:

MARIK „Ach Gott, Jehann! Nu heff ik ‘t secht.Oh, kiek mi nich so düüster an!Ik bleef Di tru, mien leif Jehann.Hett hei mi ‘t Läwen ok vergällt,du bleefst mien Einzigst in de Welt.“

ERZÄHLER Hei reikt ehr nich de Hand, hei swicht.Denn ollen Daniel sien Gesicht,dat steiht so swart vör em un kiektem as ein Späuk, dat nich mihr wiekt,mit stiere Ogen in ‘t Gesicht.Bether was ‘t Arger un Verdruss,wat in dat Hart em kint35 un wuss,nu wasst dor Hass un grimme Grull –bet båben is dat Hart em vull.

(Musik)

34 Otter. Man unterscheidet zwischen „Adder“ und „Snak“ Alle giftigen Schlangen heißen „Adder“, alle nichtgiftigen „Snak“.35 keimte

16

560

565

570

575

55

Page 17: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

4. DE GRULL

ERZÄHLER Micheli is ‘t, dat Feld is klor,de Aust tau Schick36, un wedder denktde Minsch all up dat neechste Johr.Jehann licht acht’r ‘e Steinmuer wedder,wo vör ein Vierteljohr hei lach37.All’ns, wat hei süht, dat drückt em nedder,un wenn hei in denn Häwen sach38,denn fäuhlt hei, dat ein swor Gewichtem hängt an siene rasche Flücht39.Wat was hei doch ganz anners word’n!Wenn süss ok mål Verdruss un Zornhell in sien Hart har’n upbegghrt –dat güng vörbi. Nu fäuhlt hei, datem Grull un Hass in’n Harten sattun an sien frisches Läwen tehrt.Dunn kümmt Mariken antaugåhn.Sei hett denn besten Dauk ümdån.

JEHANN „Büst du ’t Marik?“

MARIK „Ik bün ’t, Jehann.“

JEHANN „Wo kümmst du her? Wat hest du vör?“

MARIK „De Möllerfru is bi mi wäst.De rädt mi fründlich tau un säd:Sei glööft, dat wier för uns dat Best,wenn ik uns Fru mål bidden ded.Ik süll ‘t ehr recht an ‘t Hart mål leggenun süll ‘t ehr recht beweglich seggen,wo uns dat güng. Denn, meint sei, ded s’ ‘t40.Un wenn du em denn nochmål bädst…“

JEHANN „Un? Wierst du dor? Wat säd s’ tau Di?“ –

ERZÄHLER Sei sett’t sik up ein Stubben dål.

JEHANN „Mariken, kumm, nu antwuurt mi!Wäs man getrost! Wat säd s’ tau Di?“ –

MARIK „Dat weit ik nich, ik weit man blot,dat wi verlur’n up ewig sünd,un dat dat Kind in mienen Schot –ach, Gott, Jehann, mien armes Kind! –verfluucht dörch uns’re Sünnen is.

36 Die Ernte ist eingebracht.37 veraltet für „leech“38 veraltet für „seech“39 Flügel40 ... ded sei dat

17

580

585

590

595

600

605

610

615

60

Page 18: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

Dat hew’n Sei secht, dat weit ik wiss,dat bruust mi noch dörch miene Uhren.Ach Gott, Jehann, All drei verluren!“

JEHANN „Wat? Glööfst Du dat? – Wer hett Di ‘t secht? –‘Ne Fru, de sik up ‘t Bäden lechtun fram41 is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik sech Di, dat is nich wohr,dat is nich wiert, dat Ein d’rüm ror’.“

MARIK „Sei was de Ierst, de mi denn Bäkervull Schimp un Schann’ tau smecken geef,em vull got42, bet hei œwerdreef.Un ach! Ik glööft un hofft so säker.Sei geef mi all de slichten Wür’,sei hett mi ‘t secht, wo ‘t mit mi wier,sei hett mi ‘t secht, wo ‘t mit mi keem,un wat dat för ein Enn eins nehm.“

JEHANN „Dat hett sei secht, mien arm Mariken? –Un säd sei gor nicks von de Riekenun von de Herrn in unsern Lann’?Vertellt s’ Di nicks von de ehr Schann’?Un säd s’ Di nich, dat de de Sünn’,de wi ut reine Leif begåhn,un wiel wi uns nich friegen künn’n,ut pure Schändlichkeiten dån?Dat ganze Dörpe sünd vergift’t?Un wo de Tucht is unnergåhn,dat dor de Herrn dat angestift’t?Dat wi ‘t mit Elend büßen möten,wenn wi mål Gottes Wuurt vergeetenun unsre Herren blot mit Geld?Dat säd s‘ di nich? – Denn säd sei nicks,un Lœgen hett sei Di vertellt.“

MARIK „Nee, nee, Jehann, so kann ‘t nich sien!Uns Herr Pastur, de was dorbi.De rädte jüst so up mi in:Dat Richtigst wier för Di un mi,dat w’ öffentlich vör de Gemeinvör ‘t Altor up denn Schandstauhl seeten,wiel dat wi ‘t sösst Gebot vergeeten.

41 fromm42 = göt, hdt. goß

18

620

625

630

635

640

645

650

655

65

Page 19: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

Un wat hei daun künn, süll gescheihn,dat de oll Mod keem wedder up –un ik süll denn taum iersten ‘rup.“

JEHANN „Dat säd de Pap? Hoho! Hoho!Dat wür ein Spåß, dat wür ‘ne Lust!“

MARIK „Oh Gott, Jehann, oh lach nich so!“

JEHANN „Hoho! Hoho! Dat wier dat just,wat Knecht un Herrn måkt wedder gliek.In ‘n Läwen sünd wi Arm un Riek,vör ‘t Altor is dat richtig Flach,wo gliek wi wäst sünd männigdåch.Un deit ‘t nich mihr uns Religion,denn mach de Schimp un Schann’ dat daun.Sei kriegen Wien un Brot apart,wiel dat för uns ehr äkeln ward,de Schandstauhl åwer wier uns gliek.Hoho! Hoho! Lach doch, Marik!“

MARIK „Oh låt dat! Du versünnigst Di.“

JEHANN „Versünn’gen? Ik? – Wo denkst Du hen? –Wiel ‘k ‘t Kind bi ‘n rechten Nåmen nenn? –Ik räd man von de Preisteri,ik räd nich gägen Gotts Gebot,dor steiht nicks in von so ‘ne Mod.Dor steiht väl Gauts för Arme schräwenun dat uns Herrgott väl vergäwen.“

MARIK „Uns oll Herr Paster har ‘t nich dån,de har mi nich so schrecklich richt’t.De har ein Hart, uns tau verståhn.Oh, dat de unn‘r ‘e Wrausen43 licht!“

JEHANN „Ja, de was brav; ja, de was gaut,de har nich mit denn Schandstauhl drauht.“

MARIK „De har mi in ‘t Gewissen rädtun har mit mi un för mi bädt.“

JEHANN „De har ein Hart for arme Lüd.“

MARIK „Oh, dat de bi uns bläwen wier!Nu heff ik unner Gottes Sünnun up de wiede Welt nich Einen,an denn sien Hart ik mi utweinen,an denn sien Knei ik bichten künn.Ach, ik heff Keinen, Keinen, Keinen!“

43 unter dem Rasen

19

660

665

670

675

680

685

690

695

Page 20: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

JEHANN „Ik un Dien Vadder sünd Di tru.Wi ståhn noch ümmer fast bi Di.“

MARIK „Mien Vadder is kein Trost för mi –du weitst worüm, Jehann – un Du . . . Dien Hart slooch woll eins weik un warmun was för mi de säkerst Låd’,un wat ik up denn Harten har,mien Denken all un all mien Daun,dat künn dor woll un ruhig rauhn.Doch dat ‘s vörbi, dat is nu wäst,dien Hart beharbarcht anner Gäst.De kœnen miene swacken Klågen,mien Not un Jammer nich verdrågen.“

JEHANN „Ik bün Di, wat ik ümmer was,kannst woll in mienen Harten rauhn.Un rööcht sik in mi Grull un Hass,so hew’n s’ doch nicks mit Di tau daun.“

MARIK „Låt fohren Hass un Grull, Jehann!Mien Hart, dat is bet båben vullvon bange Not un bitt’re Qual,dor is kein Platz för Hass un Grull.“

ERZÄHLER Un rings umherlicht swart un swerde düüst’re Nachtun flustert sachtun süüfzt dörch ‘t Ruhrun dörch denn ollen Flederbomun dörch dat Läusch44 an ‘n Wåtersom45.Un ‘t Rägenschur,dat ‘ruppe tüht,glitt singend œwer ‘t Wåter hen,as süng de Nacht ein TruerliedUn weint so sacht herun, as wennsülfst swarte Nacht sik barmen deitüm ‘t Minschenhart un üm sien Leid.

(Musik)

44 Schilf45 Wassersaum

20

700

705

710

715

720

725

730

70

Page 21: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

5. DE SORG’ (Original: DE LUST)

ERZÄHLER Hubertusdach steiht in’n Kalennerun in de Bucht46 ein Vierteihnenner,de is dor sorgsam faudert word‘nun sall – so segg’n s’ – heran hüt morgenun sall hüt lopen vör de Hunn’.Natt is ‘t von båben un von unn’.De Dåk47 licht gries up Dörp un Feld,de Sünn kiekt ‘runne up de Welt,as wull s’ hüt gor nich ut dat Bett;un kiekt so mäud dörch de Gardinen,as har sei sik in’n Kopp ‘rin sett’t:Hüt künn ok woll ein Anner schienen.Oll Daniel steckt de Näs’ herutun süht nå båben hier un dor:

DANIEL „Mi dücht, dat süht all bäder ut,un achter Dam’row48 ward ‘t all klor.Ik glöf, wi kriegen hüt noch Wäder49.Un wäst parat! Un pass ein Jedergaut up, de Pier herut tau lerrn50!Hüt is kein Spåßen mit denn Herrn.“

ERZÄHLER De Sünn brääkt dörch. De Herr, de röppt,ein Jeder deit un schirrt un löppt,un Daniel lerrt denn Hingst herut.Dunn kümmt Mariken hastig anun süht so bang und ängstlich utun fröcht denn Oll’n:

MARIK „Wo is Jehann?“

DANIEL „De Knechts, de hålen Holt vermorr’n51.“

MARIK „Ach Daniel, mi ‘s so angst un bang.Mien Vadder is so krank mi word’n,ik heff nå ‘n Dokter so ‘n Verlang’n.Ach Daniel, birr Hei doch denn Herrn,dat hei denn Dokter hålen lett.“

DANIEL „Gåh man – frågen will ’k em giern!... Wenn hei man sienen Gauden hett.“

ERZÄHLER Un fummelt rüm an de Kandar52. (Der Herr tritt auf.)

46 Eingehegter Platz47 Nebel48 Damerow, ein Ort in der Nähe49 Vorzugsweise „Gutes Wetter“50 ...die Pferde heraus zu führen51 heute morgen52 Zügel, die mit dem Gebiss zusammenhängen, Kandarre

21

735

740

745

750

755

760

765

75

Page 22: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

HERR „Was hat Er noch, Er alter Narr?“

DANIEL „Denn Dokter möt w’53 woll hålen låten –?“

HERR „Was? Dokter? Was? Ist Jemand krank?“

DANIEL „Ik kreech denn falschen Tom54 tau fåten.“

HERR „Das frag ich nicht. Wer ist denn krank?“

DANIEL „Ih, in denn Stall is – Gott sei Dank! –nich tau verreden,55 Allns gesund.Oll Brand is blot so up denn Hund,un dunn dacht ik . . .“

HERR „Das Denken lass’ Er!Was Er auch denkt, ist einerlei.Mit Brandten ist es doch vorbei.Stellt vor sein Bett ein Eimer Wasserund vor ihn legt ein Bündel Heu –der Dokter wird ihm doch nichts nütz.“

ERZÄHLER Un lachte œwer sienen Witz.

(Der Inspektor kommt aufgeregt aus dem Stall)

HERR „Inspektor, warum eilt Ihr so heraus?Ist etwa Feuer in dem Haus? –Was ist passiert?

INSPEKTOR „Hei is swor krank!“

HERR „Ein Tagelöhner? – Gott sei Dank!Ich glaubt’, es würd’ was Schlimmes sein. –Ein Tagelöhner bloß.“

INSPEKTOR „Nein, nein!Der nicht! – Eins von denn Pferden:Der Schimmelhengst hat Harnbeschwerden.“

HERR „Der Hengst? – Der Hengst? – Der Worsleyhall?Ich würd’ verrückt – parole d’honneur56! –wenn ich so ‘n edles Tier verlör.

53 kurz für „möten wi“54 Zaum55 Nicht zu verreden; eine allgemein gebräuchliche Formel gegen Zauberei und den Neid der bösen Geister56 Ehrenwort, hier im Sinne von „bei meinem Wort!“

22

770

775

780

785

790

795

80

Page 23: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

Schick up de Städ nå Jehann Schütt,dat gliek hei nå denn Dokter rittun em vertellt, wat hier passiert!Mien schöne Hingst, mien düres Diert!“

ERZÄHLER Un de oll Daniel trett heran:

DANIEL „Bi Vadder Brandten sitt Jehann.Herr, dor ‘s ein gor tau grotes Leiden,Herr, ik will rieden, wat ik kann,sall ik nich leiwer gliek de beiden,denn Pier- un Minschendokter hålen?“

HERR „Hei deit, wat ik em heff befåhlen.Denn Dokter hål! Måk tau! Verschwind!“

(Herr und Inspektor in den Stall)

DANIEL „Sei segg’n ja, dat w’ ok Minschen sünd.Na – Gott sei Dank! –noch bün ‘k nich krank.Doch kümmt mål eins an mi de Reih,denn wull ‘k, ik wier ein leiwes Veih.Sei segg’n ja, dat w’ ok Minschen sünd.Ik heff kein Kegel un kein Kind ...Dat was mål eins ‘ne ann’re Tiet,doch de licht wiet!Wenn blot kein Unglück mål geschüht!“

ERZÄHLER Un Daniel jöcht denn Wech dorhen,sien wittes Hoor späält in denn Wind,un düüster licht de Nacht herüm,un düüster sprääkt in em de Grimm.

(Musik)

23

800

805

810

815

820

825

Page 24: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

6. DE DOD

ERZÄHLER Oll Vadder Brand licht up denn Dot;in ‘t Finster schient dat Morgenrot.De oft hett schient in Not un Leid –De dunst’ge Lampenschien – vergeiht,ein niege Morgen brääkt heran. –An ‘t Finstersäms57 lähnt still Jehann,süht vör sik hen, wo an de Wandde bunten, roden Sünnenstråhlensik schimmernd mit de Schatten målenun fohrt sik mit de harte Handtauwielen œwer ‘t fuchte Ooch58,wenn up Marik denn Blick hei slooch.

De Dör geiht up, un liesing trettOll Daniel ‘rin, geiht an dat Bettun nimmt sien Käppel in de Handun secht mit bäwerige Stimm:

DANIEL „Gu’n Morgen, Korl! – Kennst mi noch, Brand?“

ERZÄHLER De Kranke dreiht denn Kopp herümun süht em frömd in dat Gesicht,as wenn Ein kümmt ut fiernen Landun wedder nu taum iersten Målsien Vadders Hus tau seihen kricht:Em is dat frömd un doch bekannt.

BRAND „Mien Diern, Mariken, böhr mi höger,un rückt mi an dat Finster neger,ik will de Sünn noch einmål seihn.“

57 Fenstergesims58 zuweilen über das feuchte Auge

24

830

835

840

845

850

85

Page 25: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

ERZÄHLER Un as ‘t nå sienen Wunsch gescheihn,dunn deit sien düüster Ooch sik hellen.Hei röppt heranner Daniellenun fröcht so recht ut friee Bost:

BRAND „Hüt is woll wunnerschönes Wäder?“

DANIEL „Wi hew’n denn iersten hellen Frost.“

BRAND „So ‘s ‘t recht! So ‘s ‘t recht! – Hüt fall’n de Bläder.Up dissen Dach heff ik so ofttau Gott up mienen Lager hofft.Wenn föllt dat Blatt, denn ward ik frie,denn ward ‘k erlöst, säd ‘k oft tau mi.“

ERZÄHLER Un kiekt sien Kind so leidig an.

BRAND „Kumm her, Marik, kumm neger ‘ran!Ok Di, mien Kind, ward lichter sien,wenn ik nich mihr tau Last Di bün.“

MARIK „Oh, Vadder, nee!...“

BRAND „Ik weit, ik weit:Du wierst mien Kind, mien true Mågd.Ik weit mit Di all längst Bescheidun wat Di drückt. Wäs nich verzåcht!Dedst Du ok . . .“

MARIK „Vadder, all mien Läwen…!“

BRAND „Dedst Du von sienen Wech ok wieken,uns Herrgott ward Di woll vergäwen.Wi seihn uns wedder, leif Mariken!Wein nich, mien Kind! Folg‘ mi de Hänn’,as Du dat alle Åbend dån!Is ‘t ok mit disse Sünn tau Enn,uns ward ‘ne anner Sünn upgåhn.“

ERZÄHLER Un rot von Weinen un von Schåmgifft s’ em de låhmen Hänn’ tausåm.De Vadder bädt för ‘t Kind so heit,un still is ‘t binnen, still is ‘t buten,ein Engel dörch de Kåmer geiht,un Gottes Ooch kiekt dörch de Ruten59.Un gütt sien Licht in volle Flaut,un warmt dat Hart tau niegen Maut.Un bi Marik föllt dål Jehannun treckt sei an sien Hart heran.

59 Fensterscheiben

25

855

860

865

870

875

880

885

890

Page 26: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

Em is ’t, as wenn tau disse Stunn’de Seelennacht, de em bedrückt,vör Sünnenschien un Andacht wiekt,as har hei sik nu wedder funn’n.Oll Vadder Brand hålt deiper Åten,dat is, as wenn üm siene Ogensik düüst’re all de Schatten togen.

BRAND „Du wardst de beiden nich verlåten,“

ERZÄHLER Secht hei mit Mäuh tau Daniellen.

BRAND „Wi Beiden wieren Spälgesellen,du wierst mien Fründ un bleefst mien Fründ.Dis’ beiden dau ‘k up ‘t Hart Di leggen:Wenn s’ nich up rechten Wegen sünd,denn sallst Du ehr denn rechten seggen.Willst Du dat daun?“

DANIEL „Ja, Korl, ik will.“

ERZÄHLER Un wedder is dat ringsüm still.De kranke Bost blot rœkelt hollun ümmer düüst’rer ward sien Ooch.Sien Daniel böhrt denn Kopp em hoch,un swack un swäcker ward de Oll.Doch plötzlich nimmt hei sik tausåmen,as wier’n em niege Kräfte kåmen.

BRAND „Bald is ‘t mit mi gescheihn,ik kann mien Kinner nich mihr seihn.Doch ihrer mi de Ogen bräken, kåmt neger ‘ran,Marik, Jehann!Ik will dat letzte Wuurt nu spräken:Juuch einzigst Arfdeil is de Not,Juuch einzigst Lohn dat däächlich Brot.De Arbeit is Juuch einzigst Freud,Ji sied Juuch einzigst Ogenweid.De heilig Schrift is, richtig läsen,hier unn’n Juuch einzigst Stütt un Staf60,un wenn Ji nå ehr Vörschrift wäsen,denn is Juuch einzigst Trost dat Graff.Kœnt Ji nich an Juuch sülfst Juuch freu’n,nich Dach för Dach mit Armaut ringen,åhn Afgunst Macht un Riekdaum seihn,kœnt Ji dat trotz’ge Hart nich dwingen,nich jede Arbeit still verrichtenåhn Wedderwür‘ un bös’ Gedankenför jeden Herrn, ok för denn slichten –

60 Stütze und Stab

26

895

900

905

910

915

920

925

930

935

90

Page 27: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

kœnt Ji nich jeden Åbend dankenuprichtig för Juuch sures Brot,denn wier ‘t an‘n Besten, Ji wiert dot.Un dat Ji leecht an miene Städ.“

ERZÄHLER Un swacker wür hei, as hei ‘t säd.Un höger geiht de kranke Bost,mit Mäuh noch kann hei Åten hålen,dörch siene Glieder tüht ein Frost,de letzt von alle Ierdenqualen.

BRAND „Ik wull – ik wull Juuch woll noch segen,kann blot mien låhmen Hänn’ nich rögen.“

EZÄHLERIN Un Daniel lööst de bäden Hänn’un höllt sien‘n låhmen Arm in Enn,un lut un dütlich secht de Oll:

BRAND „Lääft woll, leif Kinnings, lääft recht woll!Un ümmer gåht up Gottes Wegen!Gåht an de Arbeit, an de Notmit Maut un Tauversicht! De Dot,de bringt denn Aust un Gottes Segen.Hollt ut! Hollt ut!“

ERZÄHLER Un sackt taurüchas wenn hei wier von Arbeit mäud.Woll gåhn de Kirchenklocken säut,dat slåten Uhr vernimmt sei nich.Woll süht de leiwe Gottessünnso hell in ‘t bråken Ooch herin,dat Glas is trüf, de Speigel blind.Woll drückt sien Hand dat arme Kind,woll smitt s’ sik weinend an sien Lief –sien Hart is still, sien Hand is stief.Un ein Gedank, ein Bangen föllt,so kolt as Ies, so swer as Stein,in ehr Gemäut: Sei steiht allein, allein, allein in wiede Welt.Ehr is ’t, as wier sei noch ein Kindun har bi Rägen, Nacht un Windsik in ein düüstern Holt verluren.As wüsst sei nich, wohen un her,as keem ein Grugen œwer ehr.Un as de Beiden Afscheid nåhmen,dunn sackt sei still in sik tausåmen:Ach, wenn s‘ doch läd’An siene Städ! – Mariken sitt, un swer Gedanken,de trecken ehr dörch Hart un Sinn.Wat sei ok bädt, sei willn nich wanken.

27

940

945

950

955

960

965

970

975

980

Page 28: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

Ach, wer de Taukunft weiten künn!In ehr is so ein wild Gewäuhl,dat drängt sik düüster dörch ehr Hart,un klor is blot dat ein Gefäuhl:dat grötter Unglück kåmen ward.Jehann sitt dål, åhn wat tau seggen,un deit ehr Hand in siene leggen.Hei denkt mit Freuden d’rœwer nå:Sei kœn’n nu nå Amerika.Denn letzten Riegel vör sien Glück,denn schof nu jüst de Dot taurüch.Doch as hei s’ dormit trösten willun tau ehr von de Taukunft rädt,wo herrlich dat woll warden süll,dunn gütt ehr ’t frostig dörch de Ader,as wür dat Hart tausåmen snert.As wier ’t ne Sünn’ an ehren Vadder,as wier ’t ne Sünn’ in ehre Låch,in niege Hoffnung fuurt tau läwen.As wier ’t ne Sünn’, an bäd’re Dåch,an Freud un Glück noch mål tau glöwen.Wat hei ok secht von ’t schön’re Land –ehr schuddert kolt, as wenn ehr grutun treckt ehr Hand ut siene ’rutun fött de kolle Dodenhand.

(Musik)

28

985

990

995

1000

1005

Page 29: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

7. DE MUURD

ERZÄHLER Oll Brand is in sien Sark ‘rin lecht;dor licht hei still; kein Graffräd secht,wat hei allns ded un led’ hier unn’n;hett sik ‘t entsecht61 un hett ‘t verwunn’n.Hett still un sacht sien Läwen slåten:Sien Wirken hett kein Spuren låten,as ‘t Åbendrot is hei verswunn’n. Kein Fründschaft62 folgt em achter her –denn Herrn sien Arbeit, de geiht vör.Kein Nåwer dröcht sien arme Liek,sien einzig Folg‘ is sien Marik.De ierste Snei in dissen Johrsackt lies’ herunner up denn Frost,up ‘t frische Graff, in ‘t witte Hoor,un dusend stille Fåden wäwensik twischen Ierd un twischen Häwentau ‘n fierliches Liekenkleed.Dat wickelt sik üm Allens ‘rüm,üm ‘t kolle Graff, üm ‘t warme Läwen.Un in Marik, dor sprääkt ’ne Stimm:„Wat drückt Di so Dien grotes Leed?Wat klågst un truerst Du, Marik?Vör Gott is Dot un Läwen gliek.Hei deckt up ‘t Läwen blassen Dotun weckt ut Nacht dat Morgenrot,hei lecht de Ierd in ‘t Dodenkleedun weckt sei up tau Frühjohrsläwen.Un lecht hei up Di sweres Leed,ward hei Di ok ein Frühjohr gäwen,wo männig Blaum Di wedder wasst.Sei treckt denn dünnen Dauk sik fastüm Arm un Bost, as wier s’ entslåten,Oll Daniel kricht ehr Hand tau fåten.So geiht sei trüch, in ‘n Harten Mautför ‘t Unglück, wat tau kåmen drauht. –Jehann sinnt sachten achter her,in em sprääkt ‘t anners as in ehr. Unrauhig jåcht ein Plån denn annern:Hei kann nu trecken, kann nu wannern,frie œwer See un œwer Land.Sietdem, dat dot is Vadder Brand,is em de Welt nich mihr verslåten.Hei kann nu künn’gen, wenn hei will,de Herr, de möt em trecken låten,un wenn hei em wat seggen süll,denn blifft hei em kein Antwuurt schüllig.

61 Hat sich entsagt; allgemein gebräuchliche Redensart für sterben62 „Freundschaft“ wird für „Verwandte“ gebraucht.

29

1010

1015

1020

1025

1030

1035

1040

1045

1050

95

Page 30: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

Hei is nu frie, so gaut as frie,Un ut is nu de Schinneri.

JEHANN „Oh, giff mi Rum!Dat anner wull ik denn woll måken!Man ümmer jüh63! De Fohr entlang!Un kannst denn Haken nich mehr räuken64,Denn möt w’ di anner Arbeit säukenför slichtern Lohn. Dat is dien Dank!Man ümmer jüh! Feld up, Feld dål!All Ding hett jå ein Enn einmål.Rin in denn Sark! Denn Deckel tau!In ’t käule Graff, dor finnst du Rauh.Man ümmer jüh! Un denn för wen?För wen? För wen? – Du Hund, för di!Oh, still doch, Hart! Man ümmer jüh!“

ERZÄHLER Sien Grull, de stiecht un wasst un grimmtem dörch dat Hart un dörch dat Hirn.

HERR (tritt mit Daniel aus dem Stall)„Dat Jehann Schütt furts tau mi kümmt.De Knechts, de salln de Pier upschirrn!“

DANIEL „De Jehann Schütt, de is nich dor,de is tau Brand sien Gräffnis gåhn.“

HERR „Wo is de Hund, de Rackewohr!Dor sall ein Dunner ‘rinne slåhn!(sieht Johann)Hierher, Hallunk! Wat föllt di in?Hallunk! Hierher! Wo willst du hen?“

JEHANN „Ik weit, ik weit, wi sünd de Slawen,Sei sünd de Herr, wi sünd dat Schund.Denn ollen Mann so tau begråwen,nich as ein Christ, nee, as ein Hund! Denn Dokter nich mål hålen låten!Ja, wenn w’ so Mähren wäsen deden!“

HERR „Hallunk! So ‘n Antwuurt giffst Du mi?“

JEHANN „Ja, Minschenschinner, so ‘n för Di!“

ERZÄHLER De Herr, de sleiht in vuller Wutem mit de Riedpietsch in ‘t Gesicht.Oll Daniel springt dormank un schricht:

DANIEL „Jehann, Jehann, holl ut! Holl ut!“

63 Ausruf, der beim Antreiben des Zugviehs gebraucht wird64 regieren, handhaben

30

1055

1060

1065

1070

1075

1080

1085

1090

Page 31: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

ERZÄHLER Hoch hålt de ut, de Fork de flücht, ein mächt’gen Stot –un mit de Messfork stött hei ’m dot!

DANIEL „Herr Gott! Herr Gott!! Vergääfs! Tau spät!Oh, Satan, Du hest gruglich dråpen!Oh Gott, Jehann! Oh Gott, Marik.Unselig Minsch, wat hest Du dån? Ein Muurd, ein Muurd hest Du begåhn,ein Muurd, de ‘rup tau‘n Himmel schricht!Hüürst Du denn nich? Jehann. Jehann!Oh, Unglückskind, fuurt! Mit Di fuurt!Minsch, Minsch! Måk fuurt, süss büst verluren!Hür tau: De hollen Eiken! –De swarte See! – Dor will’k di säuken!“

JEHANN „De holle Eik, de swarte See!De holle Eik, de swarte See!“ (läuft weg)

DANIEL „Nu is hei wech! Nu, Gott sei Dank!“

ERZÄHLER Un all de Lüd, de Döschers all,de drängen sik nu ut denn Stall:

INSPEKTOR „Wat is ‘e los? - Wat is gescheihn?“

1.DRESCHER „Wer ded de Dåt?“

2.DRESCHER „Wer hett dat seihn?“

DANIEL „Ein Unglück is ‘t, doch is ‘t em recht!“

INSPEKTOR „Wer hett de Hand hier an em lecht?Wat ståht Ji hier as in denn Drom?Denn Hingst herut! Un ‘rup denn Tom! Dor löppt de Müürder dörch denn Snei.Hallunk, dat Di Dien Recht gescheih!An ‘n Galgen is Dien richtig Platz!“

DANIEL „Herr Gott, Herr Gott, Du kannst dat wenn’n! –Ik bäd un bäd, weit nich för wen –Ein Müürder is ‘t, doch as mien Sœhn –Herr Gott, Herr Gott! Wo sall dit enn’n?O, Herr, oh, låt mi denn Verstand!Wi ståhn jå All in Diene Hand,wi ståhn jå All in Dienen Råt; doch so ein Dot un so ‘ne Dåt!Du weitst, oh Herr, hei was nich slicht,oh, gåh mit em nich in ‘t Gericht,Stråf nich tau hart, wat hei verbråken!Ik was mål just, as hei gesinnt –“

31

1095

1100

1105

1110

1115

1120

1125

1130

100

Page 32: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

ERZÄHLER Un ‘t schüdd’t em dörch de ollen Knåken –

DANIEL „Mit mi har ‘t just so warden künnt!“

ERZÄHLER Hei höllt de Hänn’ vör dat Gesichtun föllt taurüch up einen Stein.Hei kann dat Unglück nich anseihn,dat œwer em tausåmen slöchtun sackt dor swack in sik tauhopen.

(Musik)

32

1135

1140

Page 33: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

8. DE FLUCH

ERZÄHLER Oll Daniel geiht. De Nacht tüht ’rup,ganz liesing geiht de Stalldör up.De Månschien licht up ‘t witte Feld,unschüllig rauht de stille Welt,de Snei, de licht so klor un rein,as wier miendåch kein Muurd gescheihn.Oll Daniel is ‘t, de ‘rute sliekt.Un as hei deit üm ‘t Veihhus bögenun dor de stille, heil’ge Nachtin ‘t ew’ge Ooch’ herinner kiekt,dunn was ’t, as wenn em Stimmen frögen:„Hest Du Di ‘t ok woll recht bedacht?Wat sliekst Du heimlich dörch de Nacht?Büst Du woll ok up Gottes Wegen?“

In ‘t düüst’re Dannenhoor65, dor lichtde witte Snei so wiss un swer,un mit sien ungewisses Lichtlecht sik de Måndschien d’rœwer her.Un dörch de swarten Büsche sliektso ‘n Flämmern un so ‘n Schämmern sik.Dat schallt so schurig dörch de Nacht,Oll Daniel böhrt de ollen Bein,em is ‘t, as wenn wat üm em lacht,as wenn noch Einem folgen deitun in sien eigen Tritten geiht.Un wenn de Snei un Bläder ruscheln,denn hüürt hei ‘t tuscheln.Denn steiht hei still, vörœwer bööchtun horkt un lurt,ob sik wat rööcht.Dat Hart steiht still, de Åten swicht. –

65 Tannenhaar, gemeint sind Tannennadeln

33

1145

1150

1155

1160

1165

1170

Page 34: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

Dunn is ‘t, as wenn sik wat bewäächt,as wenn dor wat in ‘n Schatten licht.Hei sliekt sik ‘ran.Ja, ‘t is Jehann!De fött denn Oll’n sien Hänn’ taugliekun flustert heisch66: 

JEHANN „Marik? Marik?“

ERZÄHLER Oll Daniel kiekt em barmend an:

DANIEL „Noch lääft s’, noch bädt s’ för Di, Jehann.“

ERZÄHLER Hei föllt taurüch so blass un bleikun lähnt sik an de holle Eik.

JEHANN „Oh, sech ehr, sei süll kåmen, kåmen!Ik nähm sei mit; wi gåhn tausåmen,ik bring uns dörch in ‘t anner Land.“

ERZÄHLER Un fåt denn Ollen sien Knei un weint.De Oll, de schuuft taurüch sien Hand.

DANIEL „Nee, nee, Jehann, so is ‘t nich meint.Wat twischen Di un disse Ierdmål fast un leiflich spunnen wier,denn Fåden hett Dien Dåt terräten.Un hett de Diern Di nich vergäten,un bädt s’ för Di mit truen Sinn,denn sall Di dat ein Teiken sien,dat Gott Di för de anner Weltnoch an ein losen Fåden höllt.Un mötst du Not un Elend drågenun hüürst du dörch de Frühjohrspracht,un hüürst Du dörch de Sommernachtallœwerall ‘t Gewissen slågen,denn denk doran,mien Sœhn Jehann,eins ward dat Elend von Di nåhmen:Wenn Du up ‘t letzte Lager lichstun up denn Herrn Dien Hoffen richtst,denn sall Mariken tau Di kåmen.“

ERZÄHLER Jehann licht still, oll Daniel schüfftem sacht ein Päckschen in denn Rockun drückt em in de Hand ein Stock.

DANIEL „Un wenn Di ‘t ok in ‘t Elend drifft,åhn Stütt sallst nich up Diene Båhn,åhn Hülp sallst nich in Sünn’ vergåhn.Dit Geld schickt Di de Möllerfru,

66 heiser

34

1175

1180

1185

1190

1195

1200

1205

1210

1215

105

Page 35: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

un dissen Stock – hei was mi tru –denn nimm, mien Sœhn, denn geef ik Di.Un büst Du mål von Elend mäud,denn stütt Di d’rup un denk an miun an Marik un an ehr Leid.“

JEHANN „Wat? Ik sall gåhn, Marik sall bliewen?Mi willst allein in ‘t Elend driewen?“

DANIEL „Ik drief Di nich, Di drifft Dien Dåt;Du hest sei seiht, de böse Såt.“

JEHANN „Ik heff nich seiht, ik heff blot meiht,wat Anner vör mi hewwen seiht.Nu reden s‘ väl von Schuld un Muurd.“

DANIEL „Måk fuurt! Måk fuurt!“

JEHANN „Ja, ja! – Ik weit woll, wat ik bün.Doch wenn hei wedder vör mi stünn –denn mein ik, mit dat bleik Gesicht –so niederträchtig un so slichtun frisch un rot,ik stött denn Hund noch einmål dot!Un hüng an ‘n Galgen all de Strick:Hei orrer ik! Hei orrer ik!Hei hett mien Läwenvergift‘t,vergäwen!Hei hett mit Grull mien Hart vergällthei drifftelendig ‘rin mi in de Welt!Hei hett mien Mätenvon ‘t Hart mi räten,hei un sien Bann’!Fluch œwer All’ns, wat stolz un riek!Fluch œwer mienen Vadderlann’! –Marik! Marik!

Fluch! Fluch! So was ‘t! So heff ik secht,Fluch œwer Juuch, de uns verjågen!Ji hew’n67 de Hänn’, de Juuch eins fött,Ji hew’n de Bein, de Juuch eins drågen,mål åhn Erbarmen von Juuch stött:›Låt s’ gåhn, låt s’ gåhn, låt ‘t Pack doch gåhn!‹ –Ji hewt kein Hart, uns tau verståhn,as Minschen ståht Ji nich taum Minschen.De Tiet ward kåmen, hüt orrer morr’n,

67 Reuter nutzt in den vorliegenden Werkausgaben und auch in der Erstausgabe an dieser Stelle den Einheitsplural auf -en, bildet in Zeile 1257 jedoch die 2. Person Plural mit -t. Es lässt sich nicht sagen, ob dies bewusst geschieht oder ein Druckfehler ist.

35

1220

1225

1230

1235

1240

1245

1250

1255

Page 36: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

wo J’ up de Knei taurüch uns wünschen.Mit uns sünd Ji mål Herrn eins word’n,åhn uns sünd J’ nicks.Up Jugen Kopp dat Ach un Weihun up Juuch Hart de heiten Trånenvon all de Lüd, de hier nich wåhnen,de hier nich glücklich künnen läwen,de ut dat Vadderland Ji dräwen!Fluch œwer Juuch un œwer Juge Kinner!“

ERZÄHLER Un stört’t sik in de Dannen ‘rinner.Dat was sien letztes Lebewoll. –Un an de Eik lähnt swack de Ollun hollt de Hand sik vör dat Ooch.Un as denn Blick tau Hööcht hei slooch,dunn was hei fuurt.Un språken was dat gruglich Wuurt,un ‘t bruust em dörch de ollen Uhrenas Stormwindsliedbi Winterstiet:›Verluren! Verluren! Jehann verluren!‹

DANIEL „Dat was sien Herr, hei was sien Knecht.Oh Herr! Oh Herr! Wer hett nu Recht?Dien Satzung kann de Minsch verståhn, doch wat de Minschen dortau dån,verståh, wer kann!“

ERZÄHLER D’rup wankt hei fuurt; kein Späuken jöchtem dörch de Nacht mihr, dörch de Dannen.Wat Späuken hier! Hei süht Jehannen. -

(Musik)

36

1260

1265

1270

1275

1280

1285

110

Page 37: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

9. DE VERTWIEFLUNG

ERZÄHLER Heil Christdach Åbend. – Oh, wo säutsitt Allns tausåm in Leiflichkeit!De Mudder hett dat Kind in ‘n Armun kiekt dat leif un selig anun drückt dat an sik fast un warm.

In ehre Kåmer sitt Marik –Wat is dat för ein Wäder buten!De Stormwind fäächt œwer ‘n Mœhlendiekun smitt denn Snei in wille Weih’nso scharp un sniedig an de Ruten –sei sitt bi ehre Lamp allein.Bald sitt sei still, bald rööcht s’ de Knütt68, de Ul, de kriescht: ›Kumm mit! Kumm mit.‹ –Un schuddernd gütt ‘t ehr dål denn Nacken,sei fohrt tau Hööcht, sei schudd’t tausåm:

MARIK „Jå bald, jå bald! – Ik kåm, ik kåm.Jå – Wiehnacht-Heiligåbend is ‘t,Jå – ‘t is all lang – all lang is ‘t her,dunn kreech ‘k mål wat taum heil’gen Christ.“

ERZÄHLER Ach, wo verlåten sitt sei dor!Ehr Mudding dot so männig Johr,ehr Vadder dot – oh, un Jehann!Dat wille Fewer packt sei anun jöcht de Adern up un nedder,as gläunig Füer. Un denn is ’t wedder,as wenn ‘ne kolle Dodenhandvon binnen löscht denn willen Brandun ‘rüm an ehren Harten ritt.De Stormwind bruust. – ›Kumm mit! Kumm mit!‹kriescht heisch de Ul. –

MARIK „Ik kåm, ik kåm!Mien Jammer hett denn mål ein Enn.“

68 das Stickzeug

37

1290

1295

1300

1305

1310

1315

Page 38: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

ERZÄHLER Un sackt taurüch un sackt tausåmun fött denn Kopp in beide Hänn’un drückt, as müsst s’ mit dusend Kädentausåm sik de Gedanken smäden.

Dunn ward dor buten so ‘n Larm,dor rummelt nå de Deel wat ‘rup.Un as de Stubendör geiht up,is ‘t d’ Möllerfru mit ehre Weich69!

MÖLLERFRU „Süh so, Marik, nu kümmst in Reich,dor lech denn Prinzen man herin.“ –

MARIK „Oh, Nåwersch, wenn ik doch eins künnJuuch all Juuch Gautheit mål vergellen!“

MÖLLERFRU „Ih,-“

ERZÄHLER – fangt de Ollsch nu an tau schellen –

MÖLLERSFRU „Meinst du, dat unsereins ‘s ein Veih?Dat ik dat ruhig mit anseih,wo dat Du hier in Weihdåch sittstun mit dat Worm hier Elend littst?Nee! – Sülfst mien Oll, de nich väl secht,secht hüt tau mi: ›Wo dücht di dat?Keem wi woll nich åhn Weich taurecht?Du hest jå œwer Johr kein hatt,un Jöching, de ’s jå nu all gåtlich,för denn finnt ok ein Flach sik noch,denn legg’n wi in denn Backeltroch.Dor licht de Slüngel jå ganz ståtlich.Bring ehr de Weich doch ‘rümmer‹, säd ‘e70,›Un nimm ehr ok ein Küssen mit,sei hett am Enn noch nich so’n lütt.‹Un orndlich schellen warden ded ‘e,as ik nich glieksten vör em leep.Herr Je, Marik, wat is ‘t för Wäder!Un wo de Ul so gruglich reep!Ik heff so dägern mi verfiert,wenn dat man blot nich Unglück bru’t71.“

MARIK „Ach, Nåwersch, ja! – Ik heff ‘t woll hüürt.Mi hett allein hier orndlich grut.“

MÖLLERFRU „Un denn is ‘t bi di ok so kolt,dor kann dat Lütt di jå verklåmen.“

MARIK „Ach Gott, ik glöf, dor is kein Holt.“

69 Wiege70 Kurz für „säd hei“71 brauet, zusammenbraut

38

1320

1325

1330

1335

1340

1345

1350

1355

115

Page 39: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

MÖLLERFRU „Ik finn so väl woll noch tausåmen. –Herr Je, wo di de Backen brennen!Ik bün ne Fru, ik möt dat kennen,süh, du geföllst mi gor nich recht,harst di man in dat Bett ‘rin lecht,dor wier ’t tauminst ‘n bäten warm.“

ERZÄHLER Un nimmt Marik dat Kind von’n Armun lecht dat in de Weich.

MÖLLERFRU „Süh söking!Wo licht hei nüdlich dor, Herr Jeking!Un wo hei kiekt! – Je, kiek du man!Un wo de Hand all grippt, ach Götting!Nee, kiek doch blot mål an dat Lütting!Hei fött sik an de Weich all an.“

MARIK „Sei hew’n mi so väl Gaudes dån…!“

MÖLLERFRU „Ih, räd doch dorvon nich mihr, Diern!Ik heff s’ di bröcht un ded dat giern.Un dat ’s ne Weich, du kannst mi glöwen,so‘n deit in ‘t ganze Dörp nich gäwen.Ik heff s’ noch von mien Öllern kreegen.Ja, Diern, dor heff ik sülfst in leegen.Un denn bi mi nåhst all mien Nägen.Nee, kiek, Marik, hei måkt all Öging!“

MARIK „Ach, Nåwersch, ja! – Wenn blot Ehr Jöching,wenn de man blot nich Schåden nimmt.“

MÖLLERFRU „De? – Nee! – Ih wo! – De Slüngel kümmtbald in sien sössteihnst Månd herin…De Annern hew’n so lang nich leegenun heff s’ bet jitzt doch grot all kreegen.Un wenn ik so as du nu wier,denn weit ‘k nich, ob ‘k mi grämen künn,dat ‘k mit so ‘n lüttes Wörmken seet.Nu mach di dat schanierlich sien –un ’t drückt di jå noch anner Leed –doch pass mål up, hest du ‘t ierst grotun is ‘t ein däächten Kierl ierst worrnun deit hei gaut di hüt un morr’n,denn littst up ‘t Öller ok kein Not.“

MARIK „Oh, nich! Oh låt S’ doch sien…“

MÖLLERFRU „Wäs still! –Ik räd jå doch man so. Dat sülldi jå nich in de Finstern slåhn72. –

72 in die Fenster schlagen; im Sinne von „weh tun“

39

1360

1365

1370

1375

1380

1385

1390

1395

1400

Page 40: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

Ach Gott, ik räd un ik süll gåhn!Mien Diern, mien Fik, sall Tüften bråden,ik heff sei bi di Pann henstellt,de hett s’ gewiss verbrennen låten.Nee, nicks as Arger up de Welt!Un denn de zackermentschen Gören,wenn s’ man blot uppassen deden!Dat mœgen schöne Tüften sien!Gu’n Nacht, lütt Jungchen, na, gu’n Nachting.Nu lich ok still un slåp ok sachting! –Un du, Marik, Du bliffst mi inun geihst nich ‘rut! Un nu gu’n Nacht! –Un de oll Pann is all so dünn,dat mœgen schöne Tüften sien!“ –

ERZÄHLER Sei geiht. – Mariken rückt sik sacht‘ran an de Weich un nimmt de Knüttun bööcht sik fründlich œwer ‘t Lüttun flustert säute Leiweswür –wer hett s’ ehr lihrt? –Un weicht ehr Kind taum iersten Mål. –De Weich, de rööcht sik up un dål,as wenn in stille Heimlichkeit‘ne Stubenklock in Fräden geihtun mit denn ollen truen Slachinweicht de Unrauh un dat Weih,wat swer uns up denn Harten lach.Sei singt ‘ne olle Melodei –wo hett sei s’ hüürt? –Ein wunnersäutes Singen wier ’t,so weik, so warm, so vull von Rauh;denn Text, denn måkt ehr Hart dortau:

MARIK (singt)„Mien säutes LäwenDu büst mi gäwen,Du büst mien Hoffen,Du büst mi bläwen!Un hett mi Not un Elend troffen,Di holl ik s’ fiern.Wo giern! Wo giern!Du sallst ‘t nich kenn’n –Ik will ‘t woll wenn’n,Wat uns bedråpen.

40

1405

1410

1415

1420

1425

1430

1435

1440

Page 41: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

Mit miene Hänn’Riet ik de wiede Welt di åpen.Sallst glücklich sien,Frie unner Frie’n!Hei hett nich schräwen,Wo is hei bläwen –Is hei all storben? – Dien Vadder drewenUt ’t Vadderland. – Is hei verdorben?Un süll hei ‘t sien,Hei blifft doch mien.Hei was kein Müürder,Ein Kierl blot wier ‘e,Dien brave Vadder.Kraft in de Glieder,Un hellen Maut in jede AderUn leif un tru.So ward ok du!Un büst du ’t worrnHüt orrer morrn,Denn treck w’ em nå;Up frieen Bodd‘nSäuk w’ em denn in Amerika.

Dor lüchten SünnenUn Wolken teihn,Dor ward verswinnen,Wat lang gescheihn;De Näbel wiekenVör Morgenwind,Vör sien MarikenUn vör sien Kind.Ein nieges Leiwen, ein nieges Läwen!Dor ward uns denn ok Hüsung gäwen.“

ERZÄHLER Un as s’ noch in Gedanken sittun liesing singt de Melodei,dunn kümmt herup ein sweren Tritt,ein trampst73 sik buten af denn Sneiun grawwelt an de Klink herümmer;Inspekter Brümmer kümmt herin.

INSPEKTOR „Gu’n Åbend, Diern!“

MARIK „Gu’n Åbend, Brümmer!“

ERZÄHLER Un fohrt tau Hööcht: wat süll dat sien? – Wat süll hei willn? Ehr Hart dat sleiht:Wenn ‘t man nicks Slimmes wäsen deit.

73 trampelt

41

1445

1450

1455

1460

1465

1470

1475

1480

1485

120

Page 42: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

INSPEKTOR „Marik, weit Gott, ik dau ‘t nich giern. –nimm Di dat nich tau Harten, Diern!“

MARIK „Wat noch? Wat wedder?“

INSPEKTOR „Mariken, still! – Kumm, sett Di nedder!Gott weit, dat ik nich anners kann:De Fru reep mi an ‘t Finster ‘ranun hett mi ‘t up de Seel befåhlen,ik süll noch hüt nå Di hendålenun süll Di segg’n: Dat wier nu ut,hier ut de Hüsung müsst Du ’rut,Du sallst nå ‘t Nebengaut tau Haf.“

MARIK „Dat is dat? – So? Ach, ‘t is egål,Ob ‘k hier, ob ‘k dor herümmer slaf.“

ERZÄHLER Un folcht de Hänn’ in ehren Schot.

MARIK „Dat is dat? – So? – De Wåhnung blot?“

ERZÄHLER Un süht sik in ehr Kåmer ümun secht mit trurig sachte Stimm:

MARIK „Un ‘t is doch swer, dat ik sall fuurt.Hier heff ik lääft siet mien Geburt,hier heff ik späält in jungen Dågen,hier heff ik Not un Elend drågen,hier sünd mien beiden Öllern storben,hier is mien ganzes Glück verdorben. –Dat ‘s nu vörbi. – Wotau noch klågen?Ik möt un sall un ward ok gåhn.“

INSPEKTOR „Dat ‘s recht, Marik! Man nich verzågen!Du mötst dat ut denn Sinn Di slåhn. –Dien Kind, dat sall denn utdån74 warden.“

MARIK „Wat secht Hei? Wat? Mien Kind? Mien Kind? – Wat hett Hei secht?“

ERZÄHLER De Lipp, de swicht; de Ogen starren,sei steiht so schrecklich antauseihn,as wier sei Ies, as wier sei Stein.Oll Brümmer springt nå ehr heran:›Marik! Marik!‹ un fött sei an.Sei ritt sik von em los un smittsik œwer Weich un Kind un rittdat Jüngschen ut de Küssen ‘rut:

74 Ausgetan, d.h. bei anderen in Pflege gegeben werden

42

1490

1495

1500

1505

1510

1515

1520

1525

Page 43: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

MARIK „Utdån! Utdån! – Ja, daut ‘t man ut! –Utdån! – Utdån! – Ik weit Bescheid. –Utdån, as ein ‘t Licht utdeit!“

ERZÄHLER Springt in de bütelst Eck taurüchun drückt un drängt sik an de Wandun höllt so fast ehr Kind an sikun reckt so wild nå vörn de Hand:

MARIK „Fuurt! Fuurt! – Dit is mien Einzigst jetzt!Dit is mien Leifst, dit is mien Letzt! Dit Ein, dit hett mien Allens kost’t.Hier! Riet dat Hart mi ut de Bost!Mien Hart, mien Läwenwill ik Juuch gäwen,dit EinalleinIs mien, is mien.Mien einzigst Deil up disse Ierd!“

INSPEKTOR „Kumm her, mien Kind, hür doch up mi!Sei ward ‘t nich daun. – Nimm Di tausåm! –Sei meint ‘t woll nich so bös mit Di!“

MARIK „So bös? – Oh nee! – Sei is jå fram. –Utdån! – Dat ‘s hüt mien heilig Christ!Un Wiehnacht-Heiligåbend is ‘t.“

ERZÄHLER Un lacht so grell un rädt so wildun hett ’t so hastig un so hildun weicht in’n Arm dat lütte Wäsen –denn ollen Mann ward gru’n un gräsen.Em ward so bang; hei kann s‘ nich räuken75,hei möt sik Hülp bi Nåwers säuken.Hei stört’t herut. – Sei steiht un lurt:

MARIK „Ja, Jünging, ja! – Nu sünd wi fuurt!!“

ERZÄHLER De Stormwind buten bruust mit Macht,de Ul röppt schurig dörch de Nacht:›Kumm mit! Kumm mit! Kumm mit, mi grut!‹ –

MARIK „Un wenn Di grut, mi grut hier ok!“

ERZÄHLER Un sleiht üm ‘t Kind denn dünnen Daukun stört’t in Snei un Nacht herut.›Kumm mit! Kumm mit!‹ –

MARIK „Ik kåm, ik kåm!

75 pflegen, helfen, zur Hand gehen

43

1530

1535

1540

1545

1550

1555

1560

1565

125

Page 44: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

Nå ehr, nå ehr! Sei is jå fram;bi ehr is hüt ok heilig Christun Wiehnacht-Heiligåbend is ‘t!“

ERZÄHLER De Snei danzt dörch de Winternacht.Un is dat ok ein schurig Wäwen,so is ‘t doch noch ein warmer Läwen,as binnen bi de Lichterpracht. –Kein Minsch hett seihn,wat dor gescheihn.Kein Minschenkind hett je nå Johren,wat binnen språken is, erfohren.Dat was ein Biddn, ein knäglich Quälen,dat was ein Schell’n, ein hart Befählen,dat was tauletzt ein hellen Schrie –dunn was ‘t vörbi. – –Un ‘rute stört’t wat ut de Dörun drückt wat hastig an sik ‘ran,as wenn ‘t dat nümmer missen kann.Un swankt un swääkt so hen un herun grippt un tast entlang de Wandun grippt un fött nå eine Hand,de ‘t hollen sall.Kein Hand is dor,sünd storben un verdorben All.Kein Hand höllt mihr de arme Diern.Dunn süüfzt sei swor,dunn is versunkenin wiede Fiernde Nacht un Quål.Un dusend Funkenun dusend Stierngåhn up un dål,un Klocken klingenüm ehr herüm,un Engel singenmit säute Stimm.Ehr swindt allmählig,woran sei dacht,ehr ward so selig,ehr ward so sacht.Un sei sackt dål, erlöst von Weih.Oll Daniel kümmt von Stadt taurüch,dunn ståhn sien Pier un schugen sik.Dat is, as wenn wat Swarts dor licht.Un as hei von denn Wågen stiecht,dunn fött hei eine kolle Hand,dunn süht hei in ein bleik Gesicht –Ach Gott! dat was em woll bekannt:

44

1570

1575

1580

1585

1590

1595

1600

1605

1610

Page 45: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

›Marik, Marik! Dat Gott erbarm!‹

45

Page 46: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

Hei nimmt dat Kind ut ehren Armun böhrt de Mudder sacht tau Hööchtun hett sei up denn Wågen lecht.Un führt – wohen? – Wohen denn nu? –Jå richtig! – Nå de Möllerfru.De nimmt sei up un hett sei häächt,von ‘t ganze Dörp is s’ räukt un pläächt.De Ein bröcht dit, de Anner dat,dat Kind hett Toppelsch mit sik nåhmen,sei har jå œwer Johr kein hatt.Doch as de Språk ehr wedder kåmen,dunn föll s’ in wille Raseri.Dat Fewer bruust‘ ehr dörch de Ader:Jehann! Ehr Kind! Ehr olle Vadder!Amerika! Dor ward sei frie!

Denn hett s’ üm Hüsung wedder bäden;so hett sei väle Wochen leedenun twischen Dot un Läwen rungen.Doch endlich hett ‘t de Jugend dwungen.As s’ åwer von dat Lager stünn,dunn was dat Nacht in ehren Sinn.Wat All gescheihn, ehr was ‘t verswunnen.Ehr Not un Leed was all vergäten,still un gedüllig hett sei säten.Uns Herrgott har ein Utwech funnen.

(Musik)

46

1615

1620

1625

1630

1635

Page 47: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

10. DE NACHT

ERZÄHLER Un Pingsten is ‘t; mit gräune Riesersünd putzt de lütten, dürft’gen Hüser.De Frühling kiekt mit siene Sünnin ‘t arme lütte Dörp herin.Un Mann un Wief sitt vör de Dörenin’n Frieen unner gräune Mai’n76

un seihn mit Lust, wo ehre Görensik ehres jungen Läwens freu’n.

Doch hier, up Daniel siene Süll77,dor sitt ein Mudder starr un still.Ehr Kind späält an ein’ annern Urt,denn ehr Gedanken, de sünd fuurt.Un twischen hüt un twischen gistern,dor har’n sik dichte Wolken lecht,de ehr Gemäut un Sinn verdüüstern.Sei wend’t sik an denn Oll’n un secht:

MARIK „Wat Räden! Wat Räden! Verståh sei, wer kann! Wo snurrig, wo sonderbor!›Oh, wo schåd!‹ secht oll Toppelsch un kiekt mi denn anun stråkt mi de Backen un ‘t Hoor.›Oh, wo schåd!‹ secht de Möllerfru still vör sik henun geiht denn herut ut de Dör.›Oh, wo schåd!‹ secht oll Daniel un drückt mi de Hänn’,›Wenn s’ anners doch wäsen ded!‹ –Dat is, as wenn sei trurig sünd,un mi is so froh tau Sinn,as seet ‘k nå Rägen, Nacht un Windrecht warm in Gottes Sünn.Wat heff ik Juuch tau Leeden dån?An mi geiht Allens vörbi,un wenn sei Sünndachs danzen gåhn,denn geiht woll Keiner mit mi.Denn sitt ‘k allein vör miene Dör,in miene Hand de Knütt,denn kiekt de rode Mån hervör, denn röppt de Ul: ›Kumm mit!Kumm mit!‹ un heidi! möt ik gåhnwoll œwer Stock un Stein,hen nå denn Diek, hen nå denn Mån!Dor sitt ik denn allein,dor sitt ik unner ‘n Flederbomun hür de Bläder weihn.

76 Maien sind (Birken-)Zweige, die gerade zu grünen anfangen und mit denen man die Häuser schmückte, um das Erwachen aus der Winterstarre, Kraft, Anmut und Lebenswillen zu symbolisieren.77 Türschwelle

47

1640

1645

1650

1655

1660

1665

1670

1675

1680

130

Page 48: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

Dor dröm ik männig ollen Drom,dor heff ik s’ danzen seihn.“

ERZÄHLER Un drückt sik dichter in sien Neechun flustert lies’ denn Ollen tau:

MARIK „Un wer dat Danzen einmål seech,denn lett dat keine Rauh. –Wenn lücht’t de Månwiet œwer ‘n Plån,wenn licht de Dåkas witte Låkup gräune Wisch un gräune Wieden,wenn Mån un Dåk sik strieden,senn kåmen s’ an,ganz lies’ heran.Denn trippeln s’ œwer ‘t käuhle Musch78,denn russeln s’ dörch denn gräunen Busch,denn spälen s’ ierst mit mi Verstäk,denn singen s’ ut de Mœhlenbäk, denn flustert lies de Bom mit mank,denn danzen s’ an denn Diek entlang,denn röppt de Ul: ›Kumm mit, Marik!‹Denn gåh ik ‘ranne an denn Diekun wasch mi miene Ogen klor, denn seih ik s’ dörch dat Wåter teihn,denn sitt ik up denn groten Steinun flecht mien langes, gäles Hoor.Smit Strümpings un Schäukings in ‘n gräunen Buschun måk mi so lichting üm miene Fäutun danz mit de Annern up ‘t käuhle Muschun heff denn an Danzen un Singen mien Freud.Denn singen s’ un winken s’ ut ‘t Wåter herut:›Kumm ‘runner, kumm ‘runner, Du smucke Brut!‹Oh, wo säuting! Wo säuting! Wo säut!Un wenn so tau Maut nå dat Wåter mi is,denn kümmt de oll Daniel dortau,de fött mi denn üm un de höllt mi denn wissun söcht mi mien Strümp un mien Schauh.›Leif Daniel, oh, låt mi! Dit is jå de Stell. Ik blief hier bi Bäk un bi Busch.Ik sing hier un danz, wenn de Mån schient hell,mit de Annern all up denn Musch.Will båden un duken in ‘n deipen Diek,dor ward ik mit Einen vertrut,dat röppt mi jå ümmer: ›Marik, Marik!Kumm ‘runner, Du leifliche Brut!‹“

78 Moos

48

1685

1690

1695

1700

1705

1710

1715

1720

1725

Page 49: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

ERZÄHLER Un einmål reep ‘t ok gor tau säutun Daniel was nich gliek tau Städ.De Möllerfru löppt hen un herun fröcht de Lüd, wat keiner weit,wo woll Mariken wäsen künn. –Oll Daniel kümmt von ‘t Feld herin,un as hei hüürt, wovon de Räd,dunn secht hei still: „Ik weit ehr Städ.“

Geiht nå denn ollen Flederbomun nå dat Schülp an ‘n Wåtersom,wiest mank de Wåterlilgen79 ‘rin:›Dor ward s’ woll sien,dor licht sei unnen.‹ –Dor hew’n s’ denn ok Mariken funnen.

(Musik)

DE KLÅG80

ERZÄHLER Still schient de Mån up ’t fuchte Graff.De Bom, de streut sien Blaumen ‘raff,un in denn Nachtigallensang,dor örgelt Luft un Wåter mank,un hew’n dörch de Nacht ehr Klågen sungen,wo hier ein Minschenhart hett rungen.

Rauh in Fräden, arme Diern!Runner seihn die goldnen Stiern.Sünn bi Dach un Mån bi Nachthollen true Liekenwachtun vergoll’n de klore Bäk,wo Dien armes Hart eins brök.

79 Wasserlilien80 In der Volksausgabe von 1900 umfasst „De Klag“ vier Strophen. Die Hörspiel-Fassung übernimmt zwei von acht Strophen aus der ersten Ausgabe von 1856.

49

1730

1735

1740

1745

1750

1755

135

Page 50: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

11. DAT ENN

ERZÄHLER Un männig Johr is all vergåhn.Dat lütte Dörp licht ümmer gliekin Armaut üm denn Mœhlendiek:Dor licht de Hoff, dor licht de Mœhl,dor ståhn umher de lütten Kåten.De Sünn hett schient, de Rägen föll,teihnmål sünd riept de goldnen Såten.Ein oll lütt stiewes Männing sittan’n Diek un tüht sien Angelsimmso matt un mäud an ‘t Ruhr herüm.Sien Rüch is krumm, sien Hoor is witt.

JEHANN „Gu’n Åbend, Daniel! Kennst mi nich?“

DANIEL „Ik weit nich recht… – Mien Ooch ward slicht,un mien Gedanken warden swack.“

JEHANN „Ik bün Jehann, bün Jehann Schütt.“

DANIEL „Jehann, Jehann?“

ERZÄHLER Un fött un rittdenn Frömden ‘rümmer an de Jack,un treckt em ut denn Schatten ‘rut,un nimmt em af denn breiden Hautun mustert em von Kopp tau Faut:

DANIEL „Nee, nee! – Jehann sach anners ut!Dat ‘s nich sien frische, åp’ne Mien,dat ‘s nich sien klores, blåges Ooch,dat ‘s nich de fründlich helle Schien,de üm de roden Lippen tooch.Nee!“

ERZÄHLER secht hei un siene Hänn’, de leetendenn Frömden los. – De wendt sik afun sprääkt vör sik:

JEHANN „Ok hier vergäten! –Nicks fünn ik as ein einsam Graff!“

ERZÄHLER Un sett sik unner’n Flederbom,wo hei so oft vör Johren seeten.Un in em wåkt ein ollen Dromvon jene fierne, sel’ge Tietun speigelt sik up sien Gesicht.

50

1760

1765

1770

1775

1780

1785

1790

Page 51: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

Un as de Drom dorœwer tühtun in denn Oll’n sien Ogen lücht,dunn kennt hei ok Jehannen wedderun sett sik bi denn Frömden nedderun fött sien Hand un kiekt em an:

DANIEL „Ja, leiwer Gott! Du büst Jehann!Ach Gott, Jehann, hier ‘s väl passiert.“

JEHANN „Ja, ja! Woll väl! – Marik ... – Wo wier ‘t?“

ERZÄHLER De Oll wiest in dat Wåter ‘rin:

DANIEL „Hier is dat Flach, wo ik sei fünn.Un Du, Du weitst?“

JEHANN „Ik weit, ik weit!“

ERZÄHLER Un ruckt tau Hööcht un drückt denn Hautsik deiper in ‘t Gesicht un steihtun kiekt herinner in de Flaut –lang, lang, as fünn hei gor kein Enn.De Oll sitt still un folcht de Hänn’un fröcht tauletzt:

DANIEL „Wer hett Di ‘t secht?“

JEHANN „Wer mi dat secht? Wer mi ‘t vertellt?Glööfst Du, wat ‘rup taum Häwen schricht,dat dat blot flustert dörch de Welt?Glööfst Du, oll Mann, so ‘n Daun, dat swicht?Dat schallt nich blot tau Himmelshöh,so ‘n Daun, dat schallt dörch Land un See,dat huhlt dörch Storm, dat bruust dörch Meer,dat kloppt des Nachts von Dör tau Dörun rädt von Sünn’ an de Natur;wo Du ok wankst, dat finnt Dien Spurun rädt tau Di mit dusend Tungen,sülfst Wülf un Raben hewwen ‘t sungen!“

DANIEL „Un süng’n s’ Di nich ok von denn Muurdun von denn Fluch, denn Du hest dån?“

ERZÄHLER Jehann, de wennt sien Ogen fuurt,un hastig secht hei tau denn Ollen:

JEHANN „Dat bruukst Du mi nich vörtauhollen!Ik weit, ik heff ein Muurd begåhn,un de steiht hier, hier in de Bost,mit gläunig brennte Schrift inschräwen.

51

1795

1800

1805

1810

1815

1820

1825

1830

140

Page 52: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

Doch fröchst Du gor nich, wat mi dräwen?Un fröchst Du gor nich, wat hei kost’t?

52

Page 53: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

Ik heff denn Pries betåhlt bet up dat Blautdorför, dat ik mi einmål räkent:In wild Gewäuhl, in Wüsten mi verstäkend,heff ik kein Stunn in Fräden rauht.Wo Minschenwåhnung still un glücklich licht,künn ik denn Anblick nich verdrågen,dat müsst åhn Rauh mi dörch de Länner jågen,un ümmer folgt sien bleik Gesicht.

Doch glööfst Du, Mann, mi deit dat leed,dat ik denn Schuft sien Blaut vergöt? –Un stünn hei wedder an de Städ,un wenn sien Hand hei an mi läd,hei müsst heran, hei müsst d’ran glöwen!De Pries is tåhlt mit mienen Läwenun mit mien Mäten ehr dortau.

Wat mien dunn was, dat har ik gäwen:Mien gauden Willen, gesunne Knåken,mien trues Hart, mien junges Läwen.Un ok Marik har ‘t ihrlich dån.Wi beiden gäwen All’ns. – Woför? –Dat hei künn Geld up Gelder slåhn! –Mien Diern, de kamm in Schimp un Schann’,un up uns Hart wür ‘rümmer perrtas wier ‘t ein Stein. – Dat was Gesetz! –Ja! As dat Elend mi tauletzttau wilden Muurd un Dotslach dräwen,dunn heff ik flucht. – De Fluch steiht schräwenbi all de, de in Höllennotsik ut dat Minschenhart mål rungen,wotau de Minsch denn Minschen dwungen.Gott hett em hüürt. – Up sien Gebotgåhn Dusend nå Amerika,un dusend Anner folgen nå.

Is dat nich Fluch? – Ik was ein Dur81,dat ik in Hast denn Fluch utspråken.De Fluch möt kåmen von Naturför de, de so ‘n Gesetze måken!“

ERZÄHLER Un lacht hell up. – Oll Daniel kiektem recht weihmäudig an un fröcht:

DANIEL „Na, is Di ‘t dor denn bäder glückt?Un kammst Du dor mit Hüsung trecht?“

81 Ich war ein Tor, ...

53

1835

1840

1845

1850

1855

1860

1865

1870

1875

Page 54: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

JEHANN „Wat? Hüsung? Ik? Dor bruukt ik kein,mien Läwen kreech ‘ne ann’re Wiesung.Ik güng allein un bleef allein;åhn Wief un Kind bruukt‘ ik kein Hüsung.“

DANIEL „Un büst Du dorbi glücklich worrn?

JEHANN „Hüt bün ich hier – dor bün ik morrn.Ik bruk kein Hüsung un kein Glück,taumål kein Glück nå Jugen Schick.“

DANIEL „Un wecke wille Warbelwindweiht Di hierher, unrauhig Gast?“

JEHANN „Wat ik hier will? Ik will mien Kind.“

ERZÄHLER Oll Daniel kiekt em in ‘t Gesicht,sien mäude, bläude Blick, de süchtsik fast an em, as wull hei frågen:Is ‘t würklich dat? Is ‘t Leif allein,ehr Graff, Dien einzigst Kind tau seihn,wat Di nå uns hett wedder tågen?Hett Di so heit dornå verlangt?Hest nich vör Råd un Galgen bangt?

DANIEL „Dien Kind is Dien! Mien Sœhn, hier täuf!Jehann, ik hål Dien Kind Di ’rut.“ (geht)

ERZÄHLER Jehann steiht dor. Wo ritt em datdörch Seel un Sinn mit ängstlich Bangen!Dat faste Hart ward swack un mattvör Seeligkeit un vör Verlangen.Sien Kind! Sien Kind! – Marik ehr Kind!Em schient ne Ewigkeit tau duren.Ob hei in ‘t Kind wat wedder finnt,dat in de Mudder hei verluren?

(Daniel kommt mit dem Kind zurück)

ERZÄHLER Un as oll Daniel ‘ranne kümmtun tau em bringt denn driesten Jungen,dunn wohrt dat lang, bet hei em nimmt,bet sik sien Arm hett üm em slungen.Hei höllt em von sik, starrt em an:

JEHANN „Wo heitst Du, Jung?“

KIND „Ik heit Jehann.“

JEHANN Wo süht dat Kind sien Mudder gliek!Ja, ‘t is Marik, sien leif Marik!

54

1880

1885

1890

1895

1900

1905

1910

1915

Page 55: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

ERZÄHLER Oll Daniel rööcht em an un secht:

DANIEL „Mien Sœhn, Jehann, dau ‘k ok woll recht?Kümmt ok dat Kind in wille Gähr?“

JEHANN „Låt man Dien Angst, ik sorg’ dorför!Glööfst Du, oll Mann, dat ik mien Kindwür unner ruuch Gesellschaft stöten?De Sorg’, de slach Di in denn Wind,noch heff ik sülfst nich mank ehr säten.Mien Hand is rein von unrecht Gaut,un bet up jenen Placken Blautheff ‘k mit Verbräken nicks gemein.Marik hett up mi ‘runner seihn. –Hier åwer sall mien Kind nich bliewen,dat sall hier nich in Schann’ verkåmen,åhn Vadderhus sik ‘rümmer driewen,hier ‘rümmer gåhn åhn Vaddernåmen,in Schimp sien Mudder näumen hürenun mi as Müürder schellen lihren.Dat sall nich mål eins hüt un morr’nHaut in de Hand vör Herren ståhn,un wenn ‘t ein richt’gen Kierl is worrn,Nich daun, wat eins sien Vadder dån.“

ERZÄHLER Oll Daniel schüddt’ denn Kopp un sprääkt:

DANIEL „Wat säd oll Vadder Brand in ‘n Starben?›Hollt ut! Hollt ut!‹ – Du höllst nich ut.Du störtst Di ‘rinner in ‘t Verdarben,büst œwer Land un Wåter treckt,un wat Du hier mål richtst tau Grunn’,dat hest Du narens wedder funn’n.

De von uns gåhn, drifft nich ehr Hart,de deit ehr Unverstand blot driewen,ehr Unfräd un ehr Œwermaut,ehr gierig Sinn nå Geld un Gaut.Un wenn sei gåhn sünd, ståhn s’ allein,in ehre Hand statts Brot ein Stein.Dor nich tau Hus – hier nich taurüch,vertehren s‘ un vergrämen s’ sik.Kein Nåwershülp kann sei dor rerrn.“

JEHANN „Ja, ik weit, so segg’n Juuch Herrn.So segg’n all de, de jedenfallsin ‘t Fett ‘rin sitten bet taum Hals.De in ehr vörnehm Wäsen meinen,dat unser Herrgott Arm un Beinenvon anner Lüd för sei hett schåpen,

55

1920

1925

1930

1935

1940

1945

1950

1955

1960

145

Page 56: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

dat s’ noch mihr Fett tausåmen schråpen.De glöwen, dat de Metz un Gåwelför ehren Mund sünd wett’t allein,de œwer ehren gälen Schnåwelmiendåch nich hewwen rœwer seihn. –Un doch is ‘t wohr. Sei hewwen Rechtup ehre Oort; ‘t is as Du secht. –Ik sach sei drœben ståhn tausåmen,de Armen, hungrig, bleik von Fewer,wo s’ wesen œwer ‘t Wåter ‘rœwerhen nå denn Urt, von wo sei kåmen.Wo hast’ger ehre Harten slogen,wenn s’ von de fierne Heimat rädtenun för de ollen Öllern bädten;wo Trånen bröken ut de Ogen,wenn s’ an de ollen Tieden dachten,wenn s’ sik up ‘t harte Lager smeeten,denn Bast82 sik ut de Fingern räten –ik heff sei elend seihn versmachten.Ehr letzt Gedank, de was an Juuch,an ehr lütt Dörp, an ehres Glieken.De Fluch dröppt nich allein de Rieken,Nee! Ok de Armen dröppt de Fluch!“

DANIEL „Un is dat Glück? – Is dat woll wiert,dat Ein sien Vadderland verliert?“

ERZÄHLER Fröcht Daniel. – Jehann, de lechtde Hand em up denn Arm un secht:

JEHANN „So rädst Du nu. Harst Du so språken,as dunn Dien Herr dat Hart Di bråken?So wiet hew’n Juge Herren recht,un männigein, de gung83 tau Grunn’,hei was ein Knecht un bleef ein Knecht. –Doch, olle Mann, ok sach mien Ooch,wo s’ starken Mauts dörch ‘t Wåter tögenun rüchwarts up de Heimat seegen.Un böhrten ehre Kinner hochun wesen nå denn fiernen Strand:›Seiht! Seiht! Dat was uns Vadderland!För Di, mien Sœhn, för Di, lütt Diern,gåh ik un Mudder in de Fiern.Wi låten All’ns, wat leif uns wier,frie sallt Ji sien up friee Ierd!‹ –

82 „Den Bast sich aus den Fingern rissen“; Bast ist die Haut von Birken, Weiden und Linden, die unter der äußeren Rinde liegt und die früher u.a. zum Herstellen von Schnüren, zum Beispiel für Peitschen und Stricken, verwendet wurde. Von einem ärmliche Menschen sagt man: De binnt sien Schauh mit Bast tau.83 Siehe Fußnote 28

56

1965

1970

1975

1980

1985

1990

1995

2000

150

Page 57: uni-greifswald  · Web view2020. 9. 23. · is word’n in alle Iel,wiel dat s’ nicks Bäderes versteiht!De Oort ward fram ut Langewiel –dat weit ik ok, wat so Ein weit.Un ik

Ik heff sei seihn mit Rieseneikenin starke Kraft gewaltig ringen,dat wille Land tau Såtfeld dwingen,de fliet’gen Hänn’ einanner reiken,Hüsung tau bu’n, wo ’t ehr geföll,up ehren Bodd’n up friee Stell.Ik sach sei ståhn up eigen Land,wo s’ drœwer reckten ehre Hand,wo s’ spröken frie un stolz un stark:›Dit ‘s uns! – Uns eigen Hännenwark!De Arbeit is uns Mark un Teiken.Hier sünd wi Herr; dit is uns eigen!‹ –

Un Du, oll Mann, treck ok mit mi,lääfst ok as Slaf, so starf doch frie!“

DANIEL „Jawoll, mien Sœhn, ik wander utun will mi anner Hüsung säuken.Dien åwer licht mi doch tau fiern.“

ERZÄHLER – un kiekt herup taum Åbendstiern –

DANIEL „Mien licht hier dicht in miene Näh,ik bruk nich œwer Land un See.“

JEHANN „Läf woll! Uns Wech, de scheiden sik.Ik kiek nå vörn, Du kiekst taurüch,Du geihst tau Rauh in still Geduld,ik gåh tau Arbeit in mien Schuld.Dien Hoffnung rauht in Gottes Råt,mien in de Taukunft, in de Dåt.Du geihst åhn Dank in ‘t stille Graff,üm Di drööcht Kein sik Trånen af.An mien sall de hier mål eins ståhnun segen, wat ik för em dån.“

DANIEL „Un sall ‘t so sien, denn mach ‘t so sien!“

JEHANN „Un is de bläudig Dåt ok mienun brennt sei heit mi up dat Hartun lett s’ mi narens ok kein Rauh –ik weit doch: dau ‘k de Ogen tau,dat s’ för mien Kind taum Segen ward.De Dåt is mien! De Segen sien! Frie sall hei sien! Frie sall hei sien!“

ERZÄHLER Drückt fast denn Oll’n sien Hand un geiht. –Un as de Oll noch trurig steiht,dunn röppt dat ut de düüstern Dannen:„Frie sall hei sien! Frie sall hei sien!“ –Dat was dat Letzte von Jehannen.

57

2005

2010

2015

2020

2030

2035

2040

2045

2050