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serven vor Inanspruchnahme neuer Fi- nanzierungsquellen“. Das deutsche Gesundheitswesen ge- nießt international dank seiner hohen Versicherungsdichte, seiner flächendek- kenden Versorgung und seiner geringen Rationierungen einen guten Ruf. Bei ei- nem internationalen Benchmarking, das Outcome- und Inputindikatoren mitein- blick auf die Prozeßqualität, ergebnisori- entierte Verfügungssysteme und schließ- lich eine Intensivierung des Wettbewerbs der Krankenkassen auf der Grundlage einer adäquaten Rahmenordnung. Dr. Eberhard Wille Mitglied des Sachverständigenrates der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen ander vergleicht, schneidet es jedoch wie bei komparativen Studien auf Mikroebe- ne eher mittelmäßig ab. Eine spürbare Verbesserung von Effizienz und Effekti- vität der deutschen Gesundheitsversor- gung versprechen vor allem eine bessere Integration von ambulanter und statio- närer Behandlung, Rehabilitation und Pflege, evidenzbasierte Guidelines im Hin- | Der Internist 11·98 M 264 L. Krimmel Untersuchung zur Früherkennung des Prostatakarzinoms mittels PSA-Test als Individuelle Gesundheitsleistung Anläßlich der Vorstellung des Kon- zepts der Individuellen Gesundheitslei- stungen wurde von seiten der Spitzen- verbände der Krankenkassen gerade auch in der öffentlichen Diskussion der Vorwurf erhoben, Gegenstand des IGEL-Kataloges seien auch „für Patien- ten gefährliche Leistungen“. In diesem Zusammenhang wurde als Beleg für diese These regelmäßig insbesondere auf die PSA-Untersuchung zur Früher- kennung des Prostatakarzinoms hinge- wiesen. Von seiten der KBV wurde bereits zum damaligen Zeitpunkt klargestellt, daß die PSA-Untersuchung als IGEL- Leistung in der Bewertung strikt zu trennen ist von einem generellen PSA- Screening im Rahmen des GKV-Krebs- früherkennungsprogramms. Mit dem IGEL-Konzept wird die Entscheidung über die Inanspruchnahme einer Un- tersuchung nämlich in das höchstper- sönliche Ermessen des einzelnen, ent- sprechend informierten Mannes gelegt, so daß die Schaden-Nutzen-Abwägun- gen eines generellen Screenings auf dieses individuelle Angebot eben gera- de nicht zutreffen. Diese wichtige Differenzierung wird offensichtlich unverändert ignoriert (vgl. „Die Ersatzkassen in Nordrhein- Westfalen“, Nr. 2, August 1998). Die von der GKV hierzulande vertretene Posi- tion, wonach jede für ein Massenscree- ning problematische Untersuchungsme- thode gegenüber dem einzelnen Versi- cherten verschwiegen werden soll, wäre in den USA nicht vorstellbar. In den USA wird vielmehr – ganz entsprechend der dem Konzept der In- dividuellen Gesundheitsleistungen zu- grundeliegenden Idee – davon ausge- gangen, daß der einzelne Bürger ein Recht darauf hat, aufgrund einer soli- den Information selbst entscheiden zu können, wie er die Nutzen-Risiko-Ab- wägung im Hinblick auf eine bestimm- te, nicht generell empfohlene Untersu- chungsmethode für sich selbst beur- teilt. Beim PSA-Test kommt es auf die Entscheidung des informierten Patien- ten an. Generelle Empfehlungen kön- nen derzeit nicht gegeben werden. Das Problem ist, wie wir Männer mit bösartigen, schnell wachsenden Prostatatumoren finden können, bevor der Krebs sich in andere Teile des Kör- pers ausbreitet. Wir werden wahr- scheinlich auch in den nächsten 10 Jah- ren hierfür noch keine Ideallösung fin- den. Bis dahin kann die Wahl, getestet und behandelt zu werden, nur vom Pati- enten selbst getroffen werden Bei künftigen Äußerungen zu an- geblich „gefährlichen“ Individuellen Gesundheitsleistungen ist zu berück- sichtigen, daß in Gesellschaften und Gesundheitssystemen, in denen Wert auf die freie Entscheidung aufgeklärter Bürger gelegt wird, kein Verständnis dafür aufgebracht werden kann, wenn Untersuchungsverfahren wegen eines möglicherweise fehlenden kollektiven Nutzens und der damit zusammenhän- genden leistungsrechtlichen Probleme gegenüber dem einzelnen Patienten verschwiegen oder gar diffamiert wer- den sollen. Die gesetzlichen Kranken- kassen werden ansonsten zunehmend in den Verdacht geraten, daß sie den Versicherten aus Gründen der eigenen Proflierung die Möglichkeiten zur In- formation und freien Entscheidung über die Inanspruchnahme moderner Unter- suchungsverfahren vorenthalten und da- mit anstelle der Patientenbeteiligung eine Strategie der Entmündigung betreiben. Dr. Lothar Krimmel Kassenärztl. Bundesvereinigung Herbert-Lewin-Straße 3 D-50931 Köln

Untersuchung zur Früherkennung des Prostatakarzinoms mittels PSA-Test als Individuelle Gesundheitsleistung

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serven vor Inanspruchnahme neuer Fi-nanzierungsquellen“.

Das deutsche Gesundheitswesen ge-nießt international dank seiner hohenVersicherungsdichte, seiner flächendek-kenden Versorgung und seiner geringenRationierungen einen guten Ruf. Bei ei-nem internationalen Benchmarking, dasOutcome- und Inputindikatoren mitein-

blick auf die Prozeßqualität, ergebnisori-entierte Verfügungssysteme und schließ-lich eine Intensivierung des Wettbewerbsder Krankenkassen auf der Grundlageeiner adäquaten Rahmenordnung.

Dr. Eberhard WilleMitglied des Sachverständigenrates derKonzertierten Aktion im Gesundheitswesen

ander vergleicht, schneidet es jedoch wiebei komparativen Studien auf Mikroebe-ne eher mittelmäßig ab. Eine spürbareVerbesserung von Effizienz und Effekti-vität der deutschen Gesundheitsversor-gung versprechen vor allem eine bessereIntegration von ambulanter und statio-närer Behandlung, Rehabilitation undPflege,evidenzbasierte Guidelines im Hin-

| Der Internist 11·98M 264

L. Krimmel

Untersuchung zur Früherkennungdes Prostatakarzinoms mittels PSA-Testals Individuelle Gesundheitsleistung

Anläßlich der Vorstellung des Kon-zepts der Individuellen Gesundheitslei-stungen wurde von seiten der Spitzen-verbände der Krankenkassen geradeauch in der öffentlichen Diskussion derVorwurf erhoben, Gegenstand desIGEL-Kataloges seien auch „für Patien-ten gefährliche Leistungen“. In diesemZusammenhang wurde als Beleg fürdiese These regelmäßig insbesondereauf die PSA-Untersuchung zur Früher-kennung des Prostatakarzinoms hinge-wiesen.

Von seiten der KBV wurde bereitszum damaligen Zeitpunkt klargestellt,daß die PSA-Untersuchung als IGEL-Leistung in der Bewertung strikt zutrennen ist von einem generellen PSA-Screening im Rahmen des GKV-Krebs-früherkennungsprogramms. Mit demIGEL-Konzept wird die Entscheidungüber die Inanspruchnahme einer Un-tersuchung nämlich in das höchstper-sönliche Ermessen des einzelnen, ent-sprechend informierten Mannes gelegt,so daß die Schaden-Nutzen-Abwägun-gen eines generellen Screenings aufdieses individuelle Angebot eben gera-de nicht zutreffen.

Diese wichtige Differenzierung wirdoffensichtlich unverändert ignoriert

(vgl. „Die Ersatzkassen in Nordrhein-Westfalen“, Nr. 2, August 1998). Die vonder GKV hierzulande vertretene Posi-tion, wonach jede für ein Massenscree-ning problematische Untersuchungsme-thode gegenüber dem einzelnen Versi-cherten verschwiegen werden soll, wärein den USA nicht vorstellbar.

In den USA wird vielmehr – ganzentsprechend der dem Konzept der In-dividuellen Gesundheitsleistungen zu-grundeliegenden Idee – davon ausge-gangen, daß der einzelne Bürger einRecht darauf hat, aufgrund einer soli-den Information selbst entscheiden zukönnen, wie er die Nutzen-Risiko-Ab-wägung im Hinblick auf eine bestimm-te, nicht generell empfohlene Untersu-chungsmethode für sich selbst beur-teilt. Beim PSA-Test kommt es auf dieEntscheidung des informierten Patien-ten an. Generelle Empfehlungen kön-nen derzeit nicht gegeben werden.

Das Problem ist, wie wir Männermit bösartigen, schnell wachsendenProstatatumoren finden können, bevorder Krebs sich in andere Teile des Kör-pers ausbreitet. Wir werden wahr-scheinlich auch in den nächsten 10 Jah-ren hierfür noch keine Ideallösung fin-den. Bis dahin kann die Wahl, getestet

und behandelt zu werden, nur vom Pati-enten selbst getroffen werden

Bei künftigen Äußerungen zu an-geblich „gefährlichen“ IndividuellenGesundheitsleistungen ist zu berück-sichtigen, daß in Gesellschaften undGesundheitssystemen, in denen Wertauf die freie Entscheidung aufgeklärterBürger gelegt wird, kein Verständnisdafür aufgebracht werden kann, wennUntersuchungsverfahren wegen einesmöglicherweise fehlenden kollektivenNutzens und der damit zusammenhän-genden leistungsrechtlichen Problemegegenüber dem einzelnen Patientenverschwiegen oder gar diffamiert wer-den sollen. Die gesetzlichen Kranken-kassen werden ansonsten zunehmendin den Verdacht geraten, daß sie denVersicherten aus Gründen der eigenenProflierung die Möglichkeiten zur In-formation und freien Entscheidung überdie Inanspruchnahme moderner Unter-suchungsverfahren vorenthalten und da-mit anstelle der Patientenbeteiligung eineStrategie der Entmündigung betreiben.

Dr. Lothar KrimmelKassenärztl. BundesvereinigungHerbert-Lewin-Straße 3D-50931 Köln