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Untersuchungen fiber Leberfunktion bei Schizophrenen. I. Mitteilung. Von D. Schrijver und S. Schrijver-tlertzberger. (Aus der Anstalt ,,Apeldoornsche Bosch" zu Apeldoorn-Holland.) (Eingegangen am 28. Juni 1924.) Nachdem man erkannt hatte, dab bestimmte extrapyramidale Erkrankungen mit LeberstSrungen vergesellschaftet sind, war die Frage naheliegend, ob sich bei der Katatonie mit ihren in mancher Hinsicht i~hnlichen Motiliti~ts-StSrungen eine abnorme Leberfunktion nach- weisen lieBe. ~ber das Vorkommen yon anatomisch nachweisbaren Lebersch~digungen bei 1)sychosen ist das Urteil der Autoren sehr geteilt. Von vornherein lieBe sich aber eine FunktionsstSrung der Leber auch ohne anatomisch nachweisbares Korrelat sehr wohl denken. Auch ware es mSglich, dab die anatomische Veranderung des Organes sich erst in einem spi~teren Stadium der Krankheit bemerkbar machen wtirde, w~hrend dagegen eine StSrung in der Funktion schon frtiher nachweisbar gewesen w~re. Analogien yon einem dcrartigen Verhalten sind in der internen Medizin nicht unbekannt. Es gab ~ber noch eine andere Ursache, die Leberfunktion bei den Schizophrenen genauer zu prtifen. Es hat sich ni~mlich gezeigt, dab die aliment~re Blutzuckerkurve bei vielen Schizophrenen Abweichungen vom normalen Typus aufweist, und es gab Griinde, einige von diesen Abweichungen zu einer StSrung der Leberfunktion in Beziehung zo_ setzen (D. Schrijver 1923). Bek~nntlich ist die Frage betre~fend den Zusammenh~ng zwischen Leber- krankheit und 1)sychose eine sehr alte. Die antike Medizin und wohl auch die mittelalterliche ~,erkl~.rte" viele Geisteskrankheiten als Folgen einer Vergiftung des Gehirnes dutch schwarze eingedickte Galle. Es ist Esquirol wohl beizupflichten, wenn er die ~utoptisch im Gehirne vorgefundene gelbe Fliissigkeit -- die Gallc der Antikcn -- fiir die Folge einer altea Blutung b~tlt. Schon yon vielen Autoren ist im Laufe des 19. Jahrhunderts auf den mSg- lichen Zusammenhang zwischen Leberkr~nkheit und ~)sychose aufmerksam ge- macht wordem Romberg und Hensch (zit. nach Roth~nann und Nathanson) be- schrieben 2 F~lle yon Katalepsie bei Leberkrankheiten. Grave~s beschreibt ~us- fiihrlich F~lle yon Delir und Koma bei ,,Hepatitis" und Ikterus. Withla (zit. nach L. Ldvi) land in einem Delir autoptisch einen Leberabscel~, ohne dai~ klinisch ein

Untersuchungen über leberfunktion bei schizophrenen

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Page 1: Untersuchungen über leberfunktion bei schizophrenen

Untersuchungen fiber Leberfunktion bei Schizophrenen. I. Mitteilung.

Von D. Schrijver und S. Schrijver-tlertzberger.

(Aus der Anstalt ,,Apeldoornsche Bosch" zu Apeldoorn-Holland.)

(Eingegangen am 28. Juni 1924.)

Nachdem man erkannt hatte, dab bestimmte extrapyramidale Erkrankungen mit LeberstSrungen vergesellschaftet sind, war die Frage naheliegend, ob sich bei der Katatonie mit ihren in mancher Hinsicht i~hnlichen Motiliti~ts-StSrungen eine abnorme Leberfunktion nach- weisen lieBe. ~ber das Vorkommen yon anatomisch nachweisbaren Lebersch~digungen bei 1)sychosen ist das Urteil der Autoren sehr geteilt. Von vornherein lieBe sich aber eine FunktionsstSrung der Leber auch ohne anatomisch nachweisbares Korrelat sehr wohl denken. Auch ware es mSglich, dab die anatomische Veranderung des Organes sich erst in einem spi~teren Stadium der Krankheit bemerkbar machen wtirde, w~hrend dagegen eine StSrung in der Funktion schon frtiher nachweisbar gewesen w~re. Analogien yon einem dcrartigen Verhalten sind in der internen Medizin nicht unbekannt.

Es gab ~ber noch eine andere Ursache, die Leberfunktion bei den Schizophrenen genauer zu prtifen. Es hat sich ni~mlich gezeigt, dab die aliment~re Blutzuckerkurve bei vielen Schizophrenen Abweichungen vom normalen Typus aufweist, und es gab Griinde, einige von diesen Abweichungen zu einer StSrung der Leberfunktion in Beziehung zo_ setzen (D. Schrijver 1923).

Bek~nntlich ist die Frage betre~fend den Zusammenh~ng zwischen Leber- krankheit und 1)sychose eine sehr alte. Die antike Medizin und wohl auch die mittelalterliche ~,erkl~.rte" viele Geisteskrankheiten als Folgen einer Vergiftung des Gehirnes dutch schwarze eingedickte Galle. Es ist Esquirol wohl beizupflichten, wenn er die ~utoptisch im Gehirne vorgefundene gelbe Fliissigkeit -- die Gallc der Antikcn -- fiir die Folge einer altea Blutung b~tlt.

Schon yon vielen Autoren ist im Laufe des 19. Jahrhunderts auf den mSg- lichen Zusammenhang zwischen Leberkr~nkheit und ~)sychose aufmerksam ge- macht wordem Romberg und Hensch (zit. nach Roth~nann und Nathanson) be- schrieben 2 F~lle yon Katalepsie bei Leberkrankheiten. Grave~s beschreibt ~us- fiihrlich F~lle yon Delir und Koma bei ,,Hepatitis" und Ikterus. Withla (zit. nach L. Ldvi) land in einem Delir autoptisch einen Leberabscel~, ohne dai~ klinisch ein

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Symptom auf eine Affektion der Leber wies. Wie L. Ldvi sehr richtig bemerkt, kann der Absce~ an sich schon das Delir verursacht haben. Day beschreibt einen Full yon Epilepsie hepatischen Ursprungs, der abet eher wie ein durch die Leib- schmerzen ausgelSster hysterischer Anfall aussieht. Grilli (zit. bei L. Ldvi) fund im Gegensatz hierzu bei seinen autoptisch untersuchten Psychosen sehr selten Lebercirrhosen, selbst in den F~llen yon Alkoholpsychose. Hieraus schliel~t er sogar, dal~ der Alkohol bei der einen Gruppe yon Menschen auf die Leber einwirkt, bei der anderen Gruppe auf das Zentralnervensystem.

Dem Franzosen Klippel gebiihrt unstreitig das gro~e Verdienst, als Erster Untersuchungen tiber die Leber bei Psychosen getan zu haben (1892). Es war ibm aufgefallen, wie oft man autoptisch bei Psychosen Leberli~sionen finder, auch in den F~llen, wo sich w~hrend das Leben die LeberfunktionsstSrung nur inter- mittierend zeigte. W~hrend nun in manchen F~llen die Leberli~sion yon unter- geordneter Bedeutung sei, unterscheidet Klippel andere l~lle, wo diese Leber- l~sion das Prim~re darstelle, wo also ohne Leberl~sion keine Psychose da w~re (sog. ,,Folie h~patique"). Als Kriterium stellt Klippel bier die zeitliche Auf- einanderfolge: also zuerst Leberkrankheit, dann 1)sychose. Betrachtet man die einschl~gigen Beobachtungen Klippels nigher, dann erscheint die Beweiskraft sehr gering. So z. B. in einem Fall, wo ein 62j~hriger Mann akut psychotisch wird mit einer motorischen Erregung und Agitation, Verworrenheit und Gr61~enideen. Im Urin finder sich Urobilin und autoptisch finder sich eine parenchymat6se De- generation der Leber nebst Arteriosklerose. Genug fiir Kllppel, um die Psychose yon der Leber abhi~ngig zu machen.

Ungeachtet dieser Fehlschliisse scheint uns das Werk Klippels doch einige gut beobachtete wertvolle Tatsachen zu enthalten. So sah er in FAllen yon ,,lyp~manie" und ,,m~lancolie avec stupeur" eine intermittierende Urobilinurie. Bei einer Kranken mit manischen und depressiven Phasen saher als Vorboten der nahenden Depression eine Vermehrung der Harns~ure im Harn, w~hrend der De- pression eine Verminderung, was er zu einer Leberfunktionsst6rung in Beziehung setzt.

Es stammen aus dieser Zeit unzi~hlige Publikationen, die alle darauf hin- zielen, die im Verlauf einer Geisteskrankheit sich zeigende Lebererkrankung ftir die Entstehung der 1)sychose verantwortlich zu machen. Bekannt ist das Werk yon Leopold Ldvi, der u. a. einen Full yon ,,Coma h~patique" beschreibt. Im Ver- laufe einer Lebercirrhose t r i t t ein Kom~ auf. Nach einer Venenpunktion yon 300 ccm schwindet das Kom~. Die Deutung Ldvis, dai~ mittels der Blutentnahme Toxine dem KSrper entzogen sind, ist wohl nicht die einzig mSgliche. Auch die FMle yon Charrin sind nicht mehr beweisend. Wenn im Verlauf einer atrophischea Lebercirrhose bei einem Alkoholiker Halluzinationen sich einstellen, so ist die Ursache doch wohl am wahrscheinlichsten in der Alkoholvergiftung der Grofihirn- rinde zu suchen und nicht in der Leber, wie dies Klippel u. a. wollen. Merkwtirdiger ist der zweite Full, wo eine eigenartige 1)sychose (Melancholie ?) sich wi~hrend einer Lebercirrhose zeigte. Eine Behandlung der somatischen Krankheit hatte bier eine Besserung sowohl der Leberfunktion wie ein Schwinden der psychotischen Erscheinungen zur l~olge.

Cullere nimmt Steltung zu den Auffassungen Klippels und fragt sich, ob nich~ Leberleiden und 1)sychose beide yon einer gemeinsamen Ursache abhi~ngig sein kSnnen. Auch konstatiert er, dal~, wenn sich im Verlauf einer 1)sychose eine orga- nische Leberkrankheit entwickelt, dies den psychotischen 1)rozel~ nicht wesentlich beeinfluSt.

L..Mongeri untersuchte systematisch die Leberfunktion bei allen in seinem Krankenhaus eintretenden Fifllen. Er b~sierte die LeberfunktionsstSrung auf fol-

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gende Grtinde: subikterisches Aussehen, Asthenie, gastro-intestinale StSrungen, Anorexic, Urobilinurie, Verringerung des I-Iarnstoffs im Harn, Vermehrung der ttarns~ure im Urin, aliment~re Glykosurie. Er land diese LeberfunktionsstSrung 5fter, als er anfangs erwartet hatte, im besonderen land sich eine Leberfunktions- stSrung bei Melancholic, die mit Depression und Suizidversuchen einherging und bei akuten halluzinatorischen Verwirrtheitszusti~nden.

Hiergegeniiber sind aber die Befunde von Hascovec zu erw~hnen. Dieser Autor land gelegentlich einer im Verlauf einer t)sychose auftretenden Sulfonalvergiftung eine starke Urobilinurie. Da nun diese Urobilinurie angeblich nicht zum Bildc der Sulfonalvergiftung geh6re, zieht der Autor den Schluf, da f in seinen 2 Fallen die Urobilinurie eine nervSse war. Fiir uns ist wichtig, dab der Autor in vielen Kontrollversuchen, die er an psychisch und nerv6s Kranken unternahm, die zum Teil sehr grofe Dosen Sulfonal bekamen, niemals eine Urobilinurie feststellen konnte.

Nicht geniigend beweiskraftig sind Ver6ffentlichungen, wie die von Carrive, der in einem Fall von akutem Delir bei einer Pfropfhebephrenie eine Lebeffunk- tionsst6rung annimmt auf Grund einer Verkleinerung der Leberdi~mpfung und iarbloser Faeces (Patient bekommt Milchdii~t !). Im l~alle yon Cassagt bessert sich ein alkoholisches Delirium zu gleicher Zeit mit der Leberfunktion. Nattirlich be- weist dies nicht, dab die Leberfunktionsst6rung die Ursache des Delirs war.

Auch im Falle yon Jucquelier und Perp~re wird ohne irgendeinen Grund die psychische Ver~nderung bei einem chronischen Alkoholisten mit Lebercirrhose auf Rechnung der Leber gesetzt.

Das gleiche gilt von unz~hligen anderen Ver6ffentlichungen, deren gesonderte Besprechung sich hier ertibrigt. Es ist denn auch ohne weiteres Massalongho bei- zupflichten, wenn er davor warnt, alle bei einem Leberkranken auftretenden psychotischen Komplikationen der Lcber zuzuschreiben.

Andererseits wird aber viel zu leicht eine Leberst6rung im Verlauf einer Psy- chose angenommen. So in einem Fall von Rothmann und Yathanson: Eine Hy- sterika zeigt langdauernde lethargische Anfi~lle mit ausgesprochener Katalepsie. tIier wird auf Grund der perkutorisch festgestellten Leberverkleinerung und des w~hrend des Anfalles festgestellten verringerten Harnstoffgehalts des Urins eine LeberstSrung angenommen. Die Harnstoffabnahme l~Bt sich abet sehr gut durch die ver~nderte Ern~hrung w~hrend des Anfalles erkl~ren.

BeweiskrMtiger erscheint uns der Fall yon G. Ddny und M. Renaud. Eine 38jahrige Frau leidet seit 8 Jabren an einem unbestimmten Magenleiden. Im An- schluf an eine leichte Infektion (Grippe?) wird sic verwirrt, inkoh~rent, hallu- ziniert. Autoptisch finder sich auBer Lasionen der Darmmucosa, Zelldegenera- tionen im Cortex cerebri, eine Parenchymdegeneration der Leber, neben einer i~lteren periportalen Cirrhose. Die Autoren vermuten, daft die Kranke eine leicht insuffiziente Leber hatte, die den erhShten Anspriichen infolge einer akuten Darm- stSrung nicht mehr gewachsen war. Die Psychose entsttinde dutch die Aufhebung der Leberfunktion.

Interessant sind die Befunde yon Gilbert und Lereboullet 1903, die in einem sehr grofen Prozentsatz der untersuchten Melancholiker unzweideutige Zeichen einer Leberl~sion feststellten (Urobilinurie, Cholurie, im Serum Hyperbilirubin~mie). Andererseits stellten dieselben Autoren in zahlreichen Publikationen eigenartige psychische Abweichungen lest in vielen der von ihnen untersuchten F~llen yon Chol~mie. Unter dem Namen ,,Neurasth4nie biliaire" bezeichneten sic eine Gruppe yon F~llen, die neben einer Reihe psychischer Beschwerden (Arbeitsunlust, Un- schliissigkeit, Somnolenz usw.) Lebersch~digungen aufweisen, die nachweisbar

- schon vor Ausbruch der psychischen Erkrankung bestanden haben sollen. Wic oft

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sich dieser Symptomenkomplex bei Leberkranken finder und ob er etwas Cha- rakteristisches hat, entzieht sich unserer Beurteilung. Eine Nachprtifung yon internistischer Seite w~re nicht ohne Interesse. Es ist in diesem Zusammenhang erw~hnenswert, dal~ Jacobsohn bei der Untersuchung yon verschiedenen infolge yon Leber-, Nieren- usw. Krankheiten auftretenden Psychosen immer das n~tmliche Bild sah: die akute halluzinatorische Verwirrtheit.

Die bemerkenswerten Befunde yon Damsch und Cramer mSgen bier einen Platz linden. Die Autoren sahen gelegentlich einer gutartigen Ikterusepidemie bei sonst vollkommen gesunden Kindern eine ausgesprochene Flexibilitas cereae, die bei der Besserung der Leberl~sion wieder schwand. Damsch vermutet, da] Bakterien- toxine die Leberzelle gesch~digt haben. Die darauf auftretenden Hirnsymptome seien die Folge der LeberfunktionsstSrung.

Da~ auch eine Psychose durch LeberfunktionsstSrung zur AuslSsung gebracht werden kann, zeigt besonders schSn ihr folgender Fall. Ein 54j~hriger Kaufmann bekam jedes Jahr einen Anfall von Magen- und DarmstSrung, kompliziert mit Ikterus, die stets mit sehr ~ngstlicher hypochondrischer Stimmung verlief. 1896 tritt nach einer psychischen ~beranstrengung wieder eine Magenverstimmung mit Ikterus auf. Der Kranke z igt sich hierbei auch wieder deprimiert, meint ruiniert zu sein, seine Schwester mug verhungern usw. Unter zunehmender Angst und Verwirrtheit erfolgt der Exitus an Pneumonie. Pathologisch-anatomisch linden sich auch histologisch keine Anhaltspunkte fiir Paralyse oder senile Demenz. Es ist den Autoren beizupflichten, wenn sie den ]kterus fiir mitbestimmend er- achten, obwohl die MSglichkeit, dal~ umgekehrt die psychischen StSrungen eine Ikterus- und Magenverstimmung hervorriefen, nicht g~nzlich von der Hand zu weisen ist. -- In diesem Sinne iiu]ert sich auch Du]our, der den meisten fran- zSsischen Autoren entgegengesetzter Meinung ist. Er meint, die yon vielen Autoren bei Melancholie festgestellte Leberinsuffizienz kSnnte sehr wohl eine Folge der Melancholie sein. W~hrend der Depression verringert die Sekretion der Verdauungsdrtisen. Durch die hieraus resultierende erhShte Zufuhr yon toxisch- infektiSsen Stoffen vom Darm aus wird die Leber krank.

Nicht ohne Interesse ftir das uns hier besch~ftigende Thema sind die Unter- suchungen yon Butenko. Dieser untersuchte den Harn yon 180 vorwiegend psy- chiatrischen F~llen mittels der Ehrli~hschen Dimethylamidobenzaldehyd-Reaktion. Wit wissen jetzt von dieser Reaktion, da] ihr positiver Ausfall auf die Anwesenheit yon Urobilinogen im H~rn deutet, also auf eine LeberfunktionsstSrung hinweist. Leider wird, wie unten n~her ~usgefiihrt werden wird, der Wert stark beeintr~chtigt durch den Umstand, dal~ schon nach sehr kurzer Zeit unter Einflu[t des Lichtes eine unberechenbare Fraktion des Urobilinogens in Urobilin umgesetzt wird und sich so dem Nachweis mittels der Ehrlichschen Reaktion entzieht. Nahezu alle F~lle, bei denen Butenko die Reaktion positiv land, waren durch somatische Krank- heiten (Diphtherie, Tuberkulose, Darmleiden) kompliziert. Der obengenannte Umstand beeintr~tchtigt den Weft dieser Befunde.

Zu einem negativen Resultate gelangten auf g~nz anderem Wege auch L. Lugiato und G. Bosschi (zit. bei Intgiato). Lugiato (1907) untersuchte die Leberfunktion mittels der aliment~ren L~vulosurie bei 3 Normalen, 6 Para- lytikern, 5 Pellagraf~llen, 6 Schizophrenien und 6 Epileptikern. Er land die so gepriifte Leberfunktion vSllig ungestSrt, ebenso wie Bosschi. Jach war 1906 zu anderen Resultaten gelangt. Er untersuchte die aliment~re L~vulosurie bei 40 Gesunden, 40 Paralytikern, 40 Epileptikern und 30 verschiedenen Psychose. f~llen. Von den 40 Gesunden batten 4 L~vulosurie, yon den Paralytikern 29, yon den Epileptikern 21, wi~hrend von den 30 tibrigen Psychosen 7 alimenti~re L~vulosurie batten.

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Wieder eine andere Methodik der Leberfunktionspriifung benutzte Duse. Dieser Autor land bei Dementia praecox eine aliment~re Glykosurie nebst verzSger- ter Ausscheidung des peroral verabreichten Methylenblaus. Die hiermit auf- gedeckte LeberfunktionsstSrung besserte sich durch Karlsbader Salz. -- Es ist hier zu bemerken, dal] die Methylenblauprobe in dieser Form nicht ausreicht, um eine LeberfunktionsstSrung zu beweisen. ~brigens konnte Muggia diese Befunde nicht best/~tigen. In Zusammenhang mit dem uns hier beschi~ftigenden Thema stehen die ausgedehnten Untersuchungen von Cuneo (1914/15). Dieser Autor land bei Melancholic eine Stickstoffretention. Solange die Ureopoesis hierbei intakt sei, bleibe der Kranke melancholisch. Sobald aber die Ureopoesis nicht hinreicht, um das dargebotene kohlensaure Ammoniak in Harnstoff umzuwandeln, finde eine Vergiftung des Organismus mit kohlensaurem Ammoniak start. Als Folge hiervon schltige die Melancholic in Manic um. -- Bekanntlich geschieht die Ureopoesis zum grOl]ten Tell in der Leber. Es ist also klar, dal~, wenn dieseUntersuchungen best/~tigt werden sollten, eine Beziehung zwischen Psychose und Leberl~tsion naheliegt.

Es werden weiterc Untersuchungen in dieser l~ichtung stets die schSnen Studien yon Claude und Blancheti~re beriicksichtigen miissen. Diese Untersucher bestimmten unter vielem anderen bei verschiedenen Psychosen die Chloraus- scheidung, den Gesamts~ickstoff, Harnstoffstickstoff des Harns, sowie dessen Toxizit/~t. In einem Fall yon melancholischer Depression bei einer 36j/ihrigen

( Harnstoffstiekstoff ) Frau erwies sich der ,,Coefficient azoturique" Gesamtstickstoff stark er-

niedrigt. Die Toxizit~t des Harns war sehr gcring. Die aliment~re Glykosurie war framer negativ, auch bestand keine aliment~rc L/~vulosurie. Auch ein zweiter Fall yon Y[elancholie zeigte keine L~vulosurie.

Die Untersucher verwandten noch eine andere Methode zur Lcberfunktions- priifung. Gibt man Gesunden 5 g Ammoniumacetat per os, so wird dies yon der Leber in Harnstoff tr~nsformiert. Infolgedessen steigt der Harnstoffgehalt des Hams, w~hrend der~NH~-Gehalt unver~ndert bleibt (bei allen diesenUntersuchungen soll sich der Vp. im Stickstoffgleichgewicht befinden; dies wurde yon Claude und Blancheti~re denn auch strenge beachtet). Die kranke Leber transformiert nicht alles dargebotene NH a in Harnstoff, was sich in einer wesentlich geringeren Er- h6hung des Harnstoffs im Urin ausdrtickt. Von den 2 Melancholikern erwies sich einer in dieser Hinsicht stark insuffizient. Ein Katutoniker zeigte neben einem ungef~hr normalen ,,Coefficient-azoturique" einen stark hypertoxischen Harm Diese Hypertoxizit~t des Harns wird yon der franz6sischen Schule bekanntlich auch als abhi~ngig yon der Leberfunktion gedeutet.

Aus letzter Zeit, wo der Lebcrfunktion wieder mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird, stammen Untersuchungen yon Bostroem. der mittels der Urobilinogenprobe eine Leberli~sion bei Alkoholdeliranten feststellte. Interessant ist die Beobachtung, dal~ sich die Leberfunktionsst6rung vor Ausbruch des Delfts bemerkbar macht. Bei Kontrollpersonen (u. a. Schizophrenen) fanden sich keine Abweichungen.

Badonnel und Targowla (1921) untersuchten 9 Fhlle von Melancholie auf Leber- und Nierenfunktion. Die ,,Fonction biliaire" der Leber zeigte sich normal (keine Gallenf~rbstoffausscheidung im Urin). In 7 F/~llen land sich Urobilinurie un4 verzSgerte Me~hylenblauausscheidung nebst aliment/~rer Glykosurie. Diese Symptome besserten sich gleichzeitig mit der psychischen Wiederherstellung. Die Autoren nehmen als prim~re Abweichung die Gehirnerkrankung an. Die Leberabweichung sei hiervon abh/~ngig. -- Sehr richtig bemerkt Laignel-Lavastine in der Aussprache, dab die aliment~re Glykosurie nicht auf eine Leberl~tsion hin- zuweisen braucht, well man sic oft finde bei hyperthyreotischen Zust/inden usw.

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Unseres Erachtens wird der Wert dieser Feststellungen beeintri~chtigt durch den Umstand, dal~ ein Teil der gefundenen Abweichungen durch Inanition erkl~irt werden kann. Bekannt ist die Hungerurobilinurie. Dal~ dieses Moment bei den untersuchten Melancholikern eine Rolle spielen diirfte, geht daraus hervor, dal~ die Autoren in ihren F~llen 7 und 8 die schlechte b~ahrungsaufnehme ausdrticldich melden. Es diirfte dann nicht wundernehmen, wenn sich die Urobilinurie (und somit die supponierte Leberschi~digung) zugleich mit der psychischen Ab- weichung bessern wiirde.

Das gleiche gilt yon den 4 yon Badonnel untersuchten Melancholikern. Vom selben Autor rfihrt noch eine Untersuchung fiber die Leberfunktion her

(AubeI und Badonnel 1923). Es wird der sog. ,,l~apport Derrien-Clogne" unter- ( Formolstickstoff im Serum )

sucht Harnstoffstickstoff im Serum " Je hSher dieser Quotient, je geringer die

relative Ureopoesis in der Leber, was auf LeberfunktionsstSrung hinweise. Die Autoren achteten bei diesen Untersuchungen genau auf die Di~t der betreffenden Krankeu (alle bekamen dieselbe Dis yon Milch und Zucker). Taglich fund eine Untersuchung des Serums statt. Der erste Fall ist der Schilderung nach eine l)sychose auf toxisch-infektiSser Grundlage (TemperaturerhShung, Desorientierung, Agitation). Eine Lebererkrankung diirfte laier nicht wundernehmen. -- In einem Fall war der Quotient stark erhSht. In den anderen Fi~llen zeigte der Quotient starke diurne Schwankungen.

Die wichtigsten Untersuchungen fiber unser Thema sind gewiB diejenigen yon W. Jacobi und E. Leyser.

E. Leyser untersuchte mittels der Widalschen Probe und auf Urobilinurie 34 psychiatrische und neurologische Fi~lle. 40 weitere F~ille wurden nur auf Uro- bilinurie und Urobilinogenurie untersucht. Der Autor kommt zu dem Ergebnis: , , . . . dal3 es keine einzige Erkrankung gibt, bei der die Leberfunktion, soweit es sich durch die angewendeten Methoden nachweisen l~Bt, gestSrt sein muB, dab sie aber bei fast jeder Nerven- und Geisteskrankheit gestSrt sein kann. Weder ergeben sich regelm~l~ige Beziehungen zu bestimmten Krankheiten, noch zu besonderen Symptomkomplexen, wie Anf~llen, Verstimmungen, Delirien oder stri~ren Symptomen."

Der Autor stellt sich die Korrelation yon Leber und blervenkrankheit (inkl. Psychose) in der Weise vor, d~B StSrungen existieren, bei denen prim~re Leber- ver~nderungen vorliegen (das sind die F~lle, wo eine an~tomische Abweichung in der Leber nachgewiesen werden kann). In ~nderen Fi~llen entstehen sekund~r auf dem Wege des vegetativen Blervensystems StSrungen in der Leberfunktion. Endlich wird in einer dritten Gruppe von Fi~llen ein bislang unbekannter pathogener ProzeB die Ursache yon LeberstSrung und GehirnstSrung beider sein.

Wichtig ist die Beobachtung eines 17j~hrigen Mannes, der jedes Frfihjahr erkrai~kt mit Ikterus und einer eigenartigen psychischen _~nderung (abnorme Reizbarkeit, Wutanf~lle, Verworrenheit, i~ngstliche Tr~ume, Nahrungsverweige- rung usw.). Zuerst schwindet der Ikterus, erst darauf findet die Genesung in psychischer Hinsicht start. Leyser macht auf die ~hnlichkeit dieser Beobachtung mit derjenigen yon Darasch und Cramer (s. oben) aufmerksam und betrachtet bier die LeberstSrung koordiniert mit der Psychose, d. h. beide yon der selben Grundursache abhi~ngig.

iV. Jacobi untersuchte die aliment~re Galaktosurie und Li~vulosurie und fund im wesentlichen bei den verschiedensten psychischen und nervSsen Erkrankungen normale Verh~ltnisse. Wie der Autor selbst betont, bedeutet dieses negative Resultat noch nicht, dab die Leber intakt sei; er fordert hier weitere Unter- suchungen, die nicht nur die L~vulosurie resp. die Galaktosurie quantitativ

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feststellen, sondern auch die Dauer der Ausscheidung und die Blutzuckerwerte in Betracht ziehen.

Endlich stammen aus letzter Zeit noch einige ~ugerungen yon Autoren, die der Leberfunktion als Ursache von Geisteskrankheit Bedeutung zuschreiben. So Obarrio und Macome, die 9 F/ille (5--11 Jahre alt) von Somnambulismus und Favor Nocturnus beobachteten. In allen Fi~llen land sich eine positive Leuko- widal, Urobilinurie und verzSgerte Methylenblauausscheidung im Harn, die von den Autoren auf eine der psychischen Abweichung zugrnnde liegende Leberabwei- chung zuriickgeftihrt wird. Durch Dii~t besserten sich psychische und Leber- symptome gleichzeitig.

H. Thomson beobachtete ein Kind mit Schlafanf/~llen, 5fters yon tagelanger Dauer. Somatisch land sich aul]er einem Zungenbelag eine HerzvergrSgerung nach rechts und LebervergrSgerung. Die LebervergrSgerung sei auch hier die Ur- sache der psychischen StSrungen.

Zum Schlusse sei erw/~hnt, dag V. M. Buscaino seine Schwarzreaktion im Urin, die nur bei Schizophrenie positiv ausfalle, auf die Anwesenheit von Histaminen im Blute zurtickffihrt. Aus dem chronisch erkrankten Diinndarm werden toxische Amine resorbiert, die infolge der bei Schizophrenie 5fters anwesenden Leber- insuffizienz in den grogen Kreislauf gelangen und die Psychose hervorrufen.

Fragen wir uns, was von pathologisch-anatomischer Seite fiber die Leber bei t)sychosen bekannt geworden ist, so haben wir in der uns zugi~nglichen Literatur an systematischen Untersuchungen auger den Befunden yon Grilli (s. oben) nut folgende Befunde erhoben.

I. D. Greenless untersuchte in 199 Fallen von ,,1)sychose ' ' die Leber. Nur 35 F/~lle konnten normal gelten. In 36~o land sich Hyper~mie, in 4~o Cirrhose, in 12% Fettdegeneration, in 4% I)erihepatitis. Auch war das Gewicht der Leber durchschnitttich geringer wie normal

Mit grSgter Genauigkeit und mit Berticksichtigung vieler Fehlerquellen sind die Untersuchungen von Myerson unternommen worden. Zuerst wurde an einem sehr grogen ,,normalen" Material das Verh/~ltnis yon Hirn- zum Lebergewicht in verschiedenen Altersklassen bestimmt. Es erwies sich nun, dag die Gewichts- abnahme der Leber bei seniler Demenz relativ grSger war, wie die Hirngewichts- abnahme. Der Autor zitiert Southard, der bei Schizophrenie das Lebergewicht bei M/~nnern 1369 g (normal 1579 g), bei Frauen 1257 (normal 1525 g) schwer land. Das Hirngewicht war nur wenig gegenfiber der Norm verringert. Mit l~echt hebt Myerson hervor, dag Southard Abmagerung nicht in l~echnung gezogen hat. Abmagerung kSnne an sich schon zu einer relativen Gewichtsabnahme der Leber fiihren, w~hrend das Hirngewicht nahezu konstant bleibe. In diesem 1)unkte sind also noch weitere Untersuchungen wtinschenswert.

Wi r sind am Schlusse unserer h is tor ischen Ubers icht ange langt . Abs ich t l i ch wurden zwecks Vermeidung zu groBer Ausff ihr l ichkei t die Lebe run te r suchungen bei organischen Nerven le iden sowie bei Wi lsonscher K r a n k h e i t , 1)seudosklerose, Encepha l i t i s ep idemica usw. auBer Be t r ach t gelassen. Auch eine Besprechung der expe r imen te l l en Bearbe i tung der F rage Lebe r -Geh i rnk rankhe i t (Fuchs, Pollak, Kirsch- baum) sowie der Unte r suchungen Westphals fiber die nervSse Regu- la t ion der Leher funk t ionen haben wir hier unter lassen, ebenso wie sich im R a h m e n dieser VerSffent l ichung ein S tud ium der L i t e r a t u r fiber die E inwi rkung yon Gal lenbes tand te i | en auf das Nervengewebe (Peri- chan]uez, Bickel, Gilbert u. a.) erfibrigte.

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Es lag in de~ Ratur tier behandelten Materie begriindet, da$ wir uns bei dem Literaturstudium nicht auf die Schizophrenie beschrgnken konnten, sind doch viele yon den Autoren als ,,Melancholie" bezeich- neten oder irgendwie anders benannte F~lle gewilt Schizophrenien gewesen.

Das Resultat des Literaturstudiums ist kein einheitliches. Wir sehen, wie einerseits manche Autoren der Leber eine sehr wichtige Rolle fiir das Zustandekommen der Psychosen zuschreiben, w/~hrend andere wieder keine LeberstSrungen linden kSnnen. -- Es ist zu betonen, da$ die Zahl der Untersucher, die mittels einwandfreier Proben die Leberfunktionen untersuchten, eine sehr geringe ist. An- dererseits soll bei diesen Untersuchungen stets im Auge behalten werden, da$ eine eventuell gefundene LeberfunktionsstSrung sehr wohl dutch komplizierende somatische Erkrankungen, durch Hunger (vgl. oben), durch langdauernden Gebrauch von Schlafmitteln usw. hervorgerufen werden kSnnte. Es empfiehlt sich daher, nur somatisch gesunde Individuen zur Untersuchung heranzuziehen.

Wie schon oben betont, hut das blof~e Konstatieren yon Leber- erkrankung in irgendeinem psychiatrischen Full gar keine Beweis- kraft. -- Anders zu bewerten sind die F~tlle, wo eine Leberfunktions- stSrung und eine psychische St~rung synchron auftreten und schwin- den. Eine tiefgehende somatisch-klinische sowie psychologische Unter- suchung derartiger l~/ille (Klippel, Damsch und Cramer, Leyser, Badon- nel u. a.) diirfte von groBem Interesse sein. -- Der andere Weg zur Erforschung der Leberfunktion w/~re die statistische Untersuchung (Butenko, Lugiati, Jacobi, Leyser und viele andere), eine Methode, die auch wir in dieser Mitteilung benutzt haben.

Fiir diese Leberfunktionsuntersuchung hahen wir nur diejenigen l~alle yon Schizophrenie benutzt, bei denen die Diagnose unzweifelhaft feststand. Die AnstaltsbevSlkerung ist in dieser Hinsicht ein aus- erlesenes Material. Unsere Untersuchung betrifft also nur Schizo phrene, die schon seit Jahren krank und seit Jahren beobachtet sind. Zu gleicher Zeit boten diese Umst~nde Gelegenheit, nur diejenigen zur Untersuchung heranzuziehen, die sich bei langj~hriger Beobachtung frei yon komplizierenden internen Erkrankungen (Lues, Tuberkulose, Malaria, fieberhafte Erkrankungen, Cholelithiasis u. dgl.) gezeigt hatten. Wir achteten darauf, keine Kranken mit in die Untersuchung zu beziehen, die sich im Hungerzustand befanden durch ~ahrungs- verweigerung usw., weil durch Hunger einige der angestellten Reak- tionen positiv h/~tten ausfallen kSnnen.

Einige dieser Kranken helten sich abwechselnd in ruhigen und unruhigen Stadien beobachten; jedoch ist die Zahl dieser F/~lle zu klein, sind die Verschiedenheiten dieser beiden Phasen zu kompliziert, um zu bindenden Schliissen herangezogen werden zu kSnnen.

Page 9: Untersuchungen über leberfunktion bei schizophrenen

480 D. Schrijver und S. Schrijver-Hertzberger:

Die Kranken, welche zur Untersuchung kamen, liei~en sich in die nachfolgenden Gruppen einteilen:

1. Paranoide Demenz . . . . . . . 10 F~lle 2. Kat~tonie . . . . . . . . . . . . 34 ,. 3. Hebephrenie . . . . . . . . . . 29 ,, 4. Endzusti~nde . . . . . . . . . . l l ,, .

Diese Endzust~nde umfassen diejenigen F~lle, welche ohne Zweifel zur Gruppe der Schizophrenie gehSrten, bei denen aber eine nahere Abgrenzung mit Sicherheit nicht mSglich war. Zwar bestehen such die anderen Gruppen zum grSl~eren Teil aus Endzusti~nden; diese F~tlle liel~en sich aber auf Grund von Anamnese und Zustandsbild als Kata- tonie, Hebephrenie oder paranoide Demenz wiedererkennen.

Um uns ein Urteil bilden zu kSnnen in der Frage, yon vcelchem Grade an der Ausfall der benutzten Methoden als pathologisch betrachtet werden mul~te, stand uns eine kleine Gruppe yon Gesunden -- n~m- lich medizinisch untersuchten und beobachteten Krankenpflegern -- und yon Psychopathen und Imbezillen der Anstalt zur Verftigung; zusammen 55 1)ersonen.

Die Psychopathen und Imbezillen sind alle, die Kr~nkenpfleger zum kleinsten Teil Juden, ebenso wie alle untersuchten Schizophrenen Manner und Juden sind.

Die nachfolgende VerSffentlichung bezieht sich auf Urobilin im Blut und Urin, Oberfli~chenspannung des Urins und Bilirubingehalt des Serums.

Zur Orientierung fiber die Leberfunktion kamen diese Stoffe an erster Stelle in Fr~ge. Lietten sie sich doch ohne Mitwirkung der Kran- ken bestimmen, ein Umstand, welcher bei unserem Material mit seinem grol~en Prozents~tz an negativistischen und aggressiven Kr~nken besonders wichtig war. Weiter sind gerade ~iir diese Stoffe einf~che und vielerprobte Untersuchungsmethoden ausgearheitet und schlie~- lich die Hauptsache: nach dem allgemeinen Urteil gehSren die Reak- tionen ~uf diese Stoffe zu denjenigen, die auch scho~ leichtere Leber- funktionsstSrungea anweisen kSnnen.

Die Ausscheidung des Urobilins und Urobilinogens im Urin untersuchten wit mit der Ehrlichsch~n und Schlesingerschen Reaktion. Fiir die Ehrlichsche l~e- aktion wurde nur frisch gelassener Urin verwendet. Die Beurteilung geschah immer nach Ausschiitteln mit Chlorofor~n. Die Schlesingersche Reaktion wurde beurteilt nach Zusatz von verdtinnter Jodtinktur (nach Steensma, 1918).

Um den Tagesschwankungen dieser Reaktion Rechnung zu tr~gen, unter- suchten wir sowohl Harn, der morgens ntichtern gelassen war, wie ~uch Harn vom Nachmittag, einige Stunden nach der Hauptmahlzeit. Es hat sich ni~mlich gezeigt, da] beim Normalen im Nachmittagsharn eine mehr oder weniger starke Urobilinreaktion vorhanden sein kann, w~hrend der Morgenharn fast immer urobilinf~ei ist. Auch bei Kranken mit Leberschadigungen finden sich groi~e Tagesschwankungen in der Weise, daI] gewShnlich der Morgenharn nur wenig,

Page 10: Untersuchungen über leberfunktion bei schizophrenen

Untersuchungen fiber Leberfunktion bei Schizophrenen. 481

der Abendharn viel Urobilin enthfilt (vgl. Weltmann und Tenschert, 1922). Auch wir fanden einige Male bei Gesunden eine deutliche, jedoch nicht sehr starke Uro- bilinreaktion im Mittagharn.

Die verschiedenen Grade der t~otfi~rbung und der Fluorescenz bei der Ehrlicb- schen und Schlesingerschen Reaktion benannten wir je nach dem Grade der Stgrke mit 1--4.

Von fast jedem Kranken wurde der Urin dreimal, ni~mlich an drei verschie- denen Tagen untersucht.

I m Morgenurin von 24 Gesunden und 12 Imbezi l len fanden wir die Schl.esingersche Reak t ion in mehr als 70% 1) negativ, wghrend in den iibrigen Fi~llen die l~eakt ioa nur schwach - - hSchstens bis 3 - - vorhanden war (Tabelle I).

TabelIe I. Schlesingersche Reaktion im Morgenharn.

w ~ t l 5 I 4 I a i 2 i ~ 0

~ 19 o/ It I [ 4 10 14 72 Iqichtschizophrene 69 Proben /o tl 2 I 10 ] 12 2l 36 Schizophrene 223 ~,

Bei 84 Schizophrenen war m Morgenurin die Schlesingersche l~eak- t ion nur in 36% negat iv, wghrend sie in 12% s tark posi t iv war: 4 oder sogar 5.

I m Mittagharn l and sich die Schlesingersche Reak t ion bei 47 Nicht- schizophrenen in 66% negat iv oder schwach (0 oder 1), in 10% s tark (4); bei 84 Schizophrenen in 33% negat iv oder schwach (0 oder 1), in 26% s ta rk und sehr : t a rk (4 oder 5) (Tabelle I I ) .

Tabelle II. Schle~ingersche Reaktioa im Mittagharn. Wertl 5 4 3 2 1 0

o/ I 10 12 12 29 37 ~ichtschizophrene 91 Proben ,'o ~ 4 22 22. 19 20 13 Sehizophrene 251 ,,

! m Morgenurin l and sich die Ehrl ichsche Reak t ion bei 42 Nicht- schizophrenen in 1~o s ta rk oder ziemlich s ta rk (4 oder 3), in 95 ~o schwach ode, nega t iv (1 oder 0), bei 84 Schizophrenen in 9 % s tark oder ziem- lich s tark (4 oder 3), in 78~/o schwach oder negat iv (1 oder 0) (Tabelie I I I ) .

Tabelle III. Ehrlichsche Reaktion im Morgenharn. Wertl 5 I 4 3 1 2 ] 11 0 I !

+

I 0 1 4 13 ~ 82 ~ichtschizophrene 69 Proben O /

/o ] 2 2 7 13 21 ~ 55 Schizophrene 223 ,

I m Mittagurin war die Ehrl ichsche Reak t ion (T~belle IV) bei den

Tabelle IV. Ehrlichsche Reaktion im ~Iittagharn. We, ' t l 5 4 3 I ~ I ~ I 0 I

2 8 10 20 60 I Nichtschizophrene 97 Proben ~o 1 2 8 16 17 57 I Schizophrene 251 ~,

~) Der Prozentsatz bezieht sich auf die ~ngestellten Proben; er besagt also, wie vide yon den angestellten 1)roben in einer bestimmten Stgrke ausfielen.

Page 11: Untersuchungen über leberfunktion bei schizophrenen

482 D. Schrijver und S. Schrijver-Hertzberger:

Nichtschizophrenen in 2% stark (4), in 80% negativ oder schwach (1 oder 0); bei den Schizophrenen in 3% stark und sehr s tark (5 oder 4), in 73 % negativ und schwach (1 oder 0).

Zwar war der Unterschied bei der Ehrlichschen Reakt ion nicht so groI~ wie bei der Sch]esingerschen Reakt ion ; jedoch dies ist zum Teil erkl~rlich aus dem Wesen der Ehrl ichschen Reaktion, bei der FMle von Urobilinogenurie verborgen bleiben k6nnen, dadurch, dal~ sich das Urobilinogen im Licht rasch in Urobilin umwandelt . Und welter mu~ fiir den Unterschied zwischen Schizophrenen und Nichtschizo- phrenen beachtet werden, dal3 der Wer t 5 ja nur bei den Schizophrenen vorkam.

Die Urobilinurie und Urobilinogenurie kommen also in den sti~r- kercn Graden 5fter vor bei Schizophrenen wie bei Nichtschizophrenen; negat iv oder schwach waren die diesbeziiglichen Reakt ionen seltener bei Schizophrenen.

Die Ober/ldchenspannung des Urins untersuchten wir sowohl mit der Hayschen Reaktion wie nach stalagmometrischer Methode. Bekanntlich finden sich in jedem Harn oberfli~chenaktive Substanzen (sog. Stalagmone). Ihre Konzentration ist im allgemeinen in konzentrierten Harnen grS!~er {Posner, 1916). Man kann die Ober- fliichenspannung der zu untersuchenden Fltissigkeit roh abschi~tzen mittels der Hayschen Probe, welche positiv wird bei Zunahme der Stalagmone. Genauere Resultate ergibt die stalagmometrische Untersuchung. Hierbei bestimmt man das Gewicht einer bekannten Zahl von Tropfen oder man zi~hlt die Zah! der Tropfen, welche zusammen ein bekanntes Volumen ausmachen. Je gr6~er die Oberfl~chen- spannung, je gr61~er der einzelne Tropfen, je gr61~er dessen Gewicht. Bestilnmt man nun bei derselben (Zimmer-) Temperatur im selben Stalagmometer das Gewicht einer gleich groi~en Zahl Wassertropfen, so ergibt das Tropfengewicht des H~rns, dividiert durch dus Tropfengewicht des Wassers, eine Zahl, die ma~gebend ist ftir die Oberfli~chenaktivit~t des Harns. Wir nennen diese Zahl den stalagmo- metrischen Quotient. Je h6her dieser Quotient, je h6her ist die Oberfl~chenspannung; d. h. je weniger Stalagmone enthMt die Fltissigkeit.

Die Untersuchungen von Schemensky u. a. haben ergeben, daI~ neben der Kon- zentration auch der S~uregrad des Harns die Oberflachenspannung wesentlich beeinfluSt. Um diese beiden Faktoren zu eliminieren, verdtinnt Schemenslcy den Harn immer auf 1010 S.G. und bringt er den Sauregrad durch ZuItigung von ver- dtinntem HC1 stets auf dieselbe H6he (zwischen p~ 4,1 und 3,8). Es zeigte sich ihm n~mlich, dM3 anf~nglich die Ans~uerung des Harns die Oberfl~chenspannung stark erniedrigt. Von einem gewissen Punkte an (ungef~thr p~ 3,8) erfolgt auf starkere Ans~uerung keine weitere wesentliche Abnahme der Oberfli~chenspannung. ~Vir konnten in speziell auf diesen Punkt gerichteten Vorversuchen diese Angaben Schemenskys voll best~tigen und haben demgemi~I~ neben dem oben definierten stalagmometrischen Quotient auf derselben Weise einen Quotient fiir den auf 1010 verdiinnten und zwischen p~ 3,8--4,1 angesi~uerten Harn bestimmt.

Es land sich im unverdiinnten, nicht anges~uerten Morgenurin

bei Nichtschizophrenen der Quotient 0,76-0,80 in 12%; der Quotient 0,70-0,75 niemals;

bei Schizophrenen der Quotient 0,76-0,80 in 26%; der Quotient 0,70-0,75 in 4% (Tabelle V).

Page 12: Untersuchungen über leberfunktion bei schizophrenen

Untersuchungen tiber Leberfunktion bei Schizophrenen. 483

Tabelle V. Stalagmometrischer Quotient im unveranderten Morgenharn.

Wert I 0,70--0,7510,76--0,8010~81--0,8510,86--0,90] 0,91--0~951 t 12 65 I 23 I b~ichtschizophrene

% 4 . 26 I 32 I 30 8 Schizophrene

Es fragte sich, ob die grSl~ere Frequenz der niedrigen stalagmo- metrischen Quotienten (d. h. yon Harnen mit relativ vielen Stalagmonen) bei den Schizophrenen sich erkl~ren lieBe aus einer st~rkeren Kon- zentration de Hams bei diesen Kranken. Dies war aber nicht der Fall, denn die Harne mit hSherem spezifischen Gewicht waren gerade bei den Schizophrenen weniger frequent als bei den Nichtschizo- phrenen Die nachfolgende Tabelle gibt hieriiber Bescheid:

Spez. Gewicht.. 1-1010 1011--101511016--102011021--102511026-1030 1030- Schizophrene . . 3% 13~/o 22% / 31% i 180//o 13% Nichtschizophrene 80//0 80//0 31% 42% 110//o

Zu gleicher Zeit erkl~rt nun auch dieses Verhalten beim spezifischen Gewicht, ni~mlich die grSBere Frequenz der niedrigen spezi~ischen Gewichte bei den Schizophrenen, das frequente Vorkommen yon hohen stalagmometrischen Quotienten (0,91-0,95) bei Schizophrenen. Hier- mit ist auch die Tatsache erkli~rt, dal~ die schwachen Grade der Hay- schen Reaktion bei den Schizophrenen sich relativ oft zeigten, wie unten beschrieben wird.

Auch der S~uregrad des Urins ist nicht die Ursache der abnormen stalagmometrischen Quotienten bei den Schizophrenen, denn die F~lle, bei denen der stalagmometrische Quotient besonders hoch oder niedrig war, hatten durchschnittlich den ni~mlichen S~uregrad wie die iibrigen F~lle.

Im Morgenurin, verdiinnt bis spezif. Gewicht 1010 und auf oben genannten S~turegrad gehracht, fanden sich die niedrigen stalagmo- metrischen Quotienten 5fter bei den Schizophrenen (26%--19%) (Tabelle VI).

Tabelle VI. Stalagmometrischer Quotient im verdtinnten~ angesauerten Morgenharn.

Weft i 0,70--0,7510,76--0,8010,8]--0,8510,86--0,9010,91--0,951 o/ J 19 70 11 ~ichtschizophrene ~o ~ 3 23 60 14 Schizophrene

Fiir die Haysche Reaktion nahmen wit frischgelassenen Urin; wir benutzten Sulfur. depuratum siccum. Abgelesen wurde nach 10 Minuten. Wit beobachteten, dai~ diese 1)robe im Morgenharn 5fter positiv, im Mittagsharn 5fter negativ war. Hiermit in Einklang linden sich die Untersuchungen yon Sven Zandrgn (der auch im Ham, der morgens friih gel~ssen wurde, die grSi~ten Mengen Stalagmone land) und die Ang~ben von Brulg.

Sven Zandrgu land keinen EinfluB von m~Biger KSrperbewegung auf die Stalugmomone, ein Umstand, der fiir unsere Untersuchung yon Bedeutung ist.

Page 13: Untersuchungen über leberfunktion bei schizophrenen

484 D. Schrijver und S. Schrijver-ttertzberger:

I m Morgenurin war die Haysche l~eaktion:

bei Nichtschizophrenen in 6% stark (4), in 62% schwach (1 oder 0), bei Sehizophrenen in 7~o stark (5 und 4), in 70% schwach (1 oder 0) (Tabelle VII).

Tabelle VII. Haysche Reaktion im Morgenharn. Weft] 5 4 3 [ 2 I 0

6 11 21 14 48 ~ichtschizophrene ~o 1 6 7 16 13 57 Schizophrene

Obwohl also die st~trksten Grade nur bei den Schizophrenen vor- kamen, liel~ sich iibrigens im Gegensatz zum Befunde bei der Urobilinurie mit dieser Reaktion keine LebeffunktionsstSrung bei den Schizo- phrenen nachweisen. I m Gegenteil waren die schwachen Grade der Reaktion bei den Schizophrenen mehr frequent. Dieser Befund schliel~t jedoch eine LeberstSrung nicht aus, mu~ aber aus dem Verhalten der spezifischen Gewichte der Harne erklart werden (siehe oben).

I m Mittagurin war die Haysche Reaktion bei

bei Nichtschizophrenen in 2% stark (4), in 90% schwach oder negativ (1 oder 0), bei Schizophrenen in 6% stark (4), in 70% schwach oder negativ (1 oder 0).

Der Befund im Mittagurin wiirde also auf eine Vermehrung der Stalagmone bei den Schizophrenen hinweisen (Tabelle VII I ) .

Tabelle VIII . ttaysche Reaktion im Mittagharn. Wert I 5 4 3 I 2 1 0 I

2 3 5 13 77 Nichtschizophrene % 6 10 14 14 56 Schizophrene

]:)as Resultat der Untersuchung mittels Hayscher Probe und Stalag- mometrie zusammengenommen ist also: bei den Schizophrenen ist 5fter wie bei den Gesunden die Oberfl~chenspannung des Urins - - allerdings in nur geringem Mal~e - - erniedrigt. '

Man ist sich nun fiber die Bedeutung dieser Oberfli~chenerniedrigung des Harns noch nicht ganz im klaren. W~hrend die franzSsischen Autoren (LyonCaen, Gilbert Chabrol et al, Brul$) einstimmig eine abnorme Erniedrigung der Oberfli~chen- sp~nnung auf Anwesenheit yon Gallens~uren im Harn und also auf Leberinsuffizienz beziehen, ist die Meinung der anderen Autoren geteilt. Bechold und Reiner unter- suchten die oberfli~chenaktive Wirkung der sog. Harnkolloide (Kolloide, die auch im tIarn der Gesunden spurenweise vorkommen). Sie fanden eine Zunahme dieser Kolloide (und infolgedessen Erniedrigung der Oberfl~chenspannung) bei erhShtem EiweiBabbau. Im Harn werden dabei Oxyproteinsi~ure und andere Polypeptide ausgeschieden.

Untersuchungen von Tan[ani haben uns gelehrt, da] bei Involutionspsychosen die ,,Polypeptidfraktion" des Harns oft erhSh~ ist. Bei anderen Psychosvn land dieser Autor diese Fraktion hie erhSht. Es ist also nach diesen Angaben nicht wahr- scheinlich, dal~ eine Vermehrung der Harnstalagmone in unseren F~llen auf diese Oxyproteinsi~ure zuriickzuffihren ist.

Obwohl also keine Einstimmigkei~ herrscht in der l~rage, ob die Oberfliichenspannungserniedrigung verursacht wird durch Ausschei-

Page 14: Untersuchungen über leberfunktion bei schizophrenen

Untersuchungen fiber Leberfunktion bei Schizophrenen. 485

dung der Gallens~ure oder durch Oxyproteinsauren und Polypeptide, ist diese ~rage fiir uns yon sekundarer Bedeutung. Allgemein ist namlich die Auffassung, da{~ eine Vermehrung yon beiden Gruppen auf eine LeberstSrung zurfickzufiihren ist (auch H. Mi~ller).

Die gefundene Oberfl~chenspannungsernied~igung bei unseren Schizo- phrenen wfirde also auf eine LeberstSrung hinweisen.

])as Bilirubin im Serum bestimmten wir nach der bekannten Methode yon Hymans v. d. Bergh. ])as Blur wurde morgens nfichtern entnommen. Von einigen sehr aggressiven und negativistiscnen Kran- ken, deren Urin wohl untersucht worden war, konnten wir kein Blur bekommen. Vielleicht ist diese Tatsache nicht ohne Einflu~ geblieben auf das statistische Endresultat dieser Untersuchungsserie. Denn gerade unter den Kranken, deren Blur nicht untersucht werden konnte, waren einige, die eine sehr starke Urobilinurie zeigten. Besonders F~lle yon vermehrtem Bilirubingehalt kSnnten uns also verborgen geblie- ben sein.

Beim Gesunden soll der Bilirubingehalt des Serums etwa 0,3--0,5 Einheit betragen. Mitunter linden sich auch beim Gesunden Werte bis zu einer Bilirubin- Einheit (1/2oo000); selten hShere Zahlen. Dies ist die sog. physiologische Hyper- bilirubin~mie (Hymans v. d. Bergh, Lepehne u. a.).

Bei 68 Bestimmungen fanden wir die We,re

1/5oooo in 4%, 1/100000 in 18%, 1/a0ooo o in 16%, ~/40oooo in 22%, weniger in 40%, diese alle bei indirekter l~eaktion.

Die direkte Reaktion war 2 real stark, 3 real schwach positiv. Da genaue Angaben fiber die Frequenz der sogenannteu physio-

logischen Hyperbilirubini~mie bei 57ichtschizophrenen fehlen, fifilt es schwer, festzustellen, ob obengenannte Zahlen schon auf eine Hyper- bilirubinamie hei den Schizophrenen hinweisen. Eine starke Ver- mehrung des Bilirubins im Serum ist jedenfalls meist nicht gefunden.

Bilirubin im Urin fehlte in all diesen Fallen (untersucht nach Huppert-Salkowski).

Urobilin im Serum fanden wit in keinem Fall. Wit benutzten dazu die Schlesingersche Reak~ion, wie dies auch yon Steensma beschrieben worden ist.

Nachdem also einige Formen yon LeberfunktionsstSrung bei den Schizophrenen nachgewiesen worden waren, fragte es sich, ob diese StSrungen sich bei den verschiedenen Untergruppen der Schizophrenie im gleichen Mal~e zeigten. Dies betreffend fanden wir folgendes:

Im Morgenharn zeigte a) die Haysche Probe die st~rksten Ab- weichungen bei den Katatonen. Die Gruppe der Paranoid-Dementen ist zu klein um zur Vergleichung herangezogen zu werden. Die ttebe-

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4 8 6 D. Schrijver und S. Schrijver-Hertzberger:

phrenen nahmen eine Mittelstellung ein zwischen den K~t~tonen und den sogen~nnten Endzus t~nden (T~belle IX) . b) Mit tier Schlesingerschen,

Tabelle IX. Haysche Reaktion im Morgenharn. Wert I 5 4 3 2 1 0 I

I 7 14 21 21 35 Dementia Paranoides 14 Proben o/o 1 7 8 19 13 52 Katatonie 157 ,,

4 6 20 16 54 ~ ttebephrenie 105 ,, 5 11 3~ 81 / Endzustand 37 ~,

wie auch mit der Ehrl ichschen Reakt ion fanden sich dann die st~rksten Abweichungen bei Ka ta tonen und Hebephrenen (Tahelle X und XI ) .

Tabelle X. Schlesingersche Reaktion im Morgenharn. Wert I 5 4 3 2 l 0

13 13 19 55 Dementia paranoides 31 Proben ~o 3 11 16 22 22 26 Katatonie 92 ,,

3 12 8 11 20 46 Hebephrenie 75 , 4 8 36 36 16 Endzustand 25 ~,

Wertl Tabelle XI .

4

Ehrlichsche Reaktion im Morgenharn. 3 2 1 0 !

7 11 82 '~ Dementia paranoides 9 17 23 49 I Katatonie

10 12 18 60 Hebephrenie 6 23 71 Endzustand

Mittags war der Ausf~ll der Hayschen Reakt ion am sti~rksten bei den Kat~tonen, der Schlesingerschen Re~ktion bei den K~tatonen, der Ehrlichschen Re~ktion bei den Hebephrenen (Tab. X I I , X I I I , XIV) .

Tabelle XI I . ttaysche Reaktion im Mittagharn.

Wertl 5 4 3 2 I 1 0 ,

7 15 11 67 Dementia paranoides o/~ 8 9 12 16 55 Katatonie

5 11 14 11 59 Hebephrenie 4 7 19 ', 22 48 Endzustand

Wert]

~ I Wert]

Tabelle XI I I .

5 4 I_ 21

4 23 4 20

22 . 37

Tabelle XIV .

5 I 4 3

1 0 10 2 2 8

4

32 20 16

Schlesingersche Reaktion im Mittagharn.

~ I 2 ~ I o 11 21 15 Dementia paran0ide~ 24 22 7 Katatonie 18 20 . 22 Hebephrenie

I 22 15 ] 4 Endzustand

Ehrlichsche Re~ktion im Mittagharn. 2 1 0 8 4 88 Dementia paranoides

20 19 50 Katatonie 17 10 6l Hebephrenie 15 44 37 Endzustand

Page 16: Untersuchungen über leberfunktion bei schizophrenen

Untersuchungen fiber Leberfunktion bei Schizophrenen. 487

Die Reaktion des Hyman8 v. d. Bergh wurde angestellt bei 7 Para- noiden, 24 Katatonen, 20 I-Iebephrenen und 10 Endzust~nden (Ta- belle XV).

Tabelle XV. Reaktion l~ymans v. d. Bergh. 1/ 1/2oo 1/ Wert ~ber I00 000 000 300 000 I niedri=er /100000 bis 1/2ooooo bis 1/300000 bis 1/~ooooo s

I 14 / 14 58 14 Dem. paran. I 7 Proben 4 / 16 25 39 16 Katatonie 124 ,,

~176 15 10 20 30 25 Hebephrenie 20 , 10 10 20 60 Endzustand 10 ,,

Die sti~rksten I-Iyperbilirubin~mien fanden sich in allen Gruppen, jedoch am seltensten bei den Endzust~nden.

Der Wert dieser Statistik wird beeintr~chtigt durch die geringe Zahl der Fi~lle yon Paranoiden und Endzust~nden, die hier zur Ver- ftigung standen.

In analoger Weise fanden sich bei der Stalagmometrie viele Abnor- mitiiten in den Gruppen der Paranoiden, Hebephrenen und der End- zust~nde. Aher auch diese Zahlen lassen sich nur in beschri~nktem Mal~e verwerten, weft von Paranoiden und Endzust~nden zu wenig zur Untersuchung kamen (Tabelle XVI).

Tabelle XVI. Stalagmometrischer Quotient im verdfinnten anges~tuerten Harm Wertl 0,90--0,86 0,85--0,81 0,80--0,76 0,75--0,70

66 22 11 Dem. paran. 9 Proben % 10 70 17 Katatonie 29 ~,

14 56 21 3 Hebephrenie 27 ,~ 30 30 40 Endzustand 10 ,,

Zusammenfassend l~i~t sich sagen, dal~ zwischen den verschiedenen Gruppen der Schizophrenen bei den verschiedenen l~eaktionen sich Unterschiede ergeben in der Weise, dal~ ziemlich regelm~i~ig die st~r- keren Abweichungen sich im besonderen bei den Katatonen und I-Iebe- phrenen finden. Immerhin sind die diesbeziiglichen Unterschiede zwischen den einzelnen Untergruppen nicht so grol~ wie diejenigen zwischen Schizophrenen und Nichtschizophrenen.

Mit besonderem Interesse sahen wir dem Ausfall der Leberprii. fungen entgegen bei einigen Kr~nken, deren Motilitdtsst6rungen eine auffallende ~hnlichkeit zeigten n~it denjenigen, welche bei P~ralysis agitans und anderen extrapyramidalen Erkrankungen gesehen werden. Bemerkenswerterweise gaben aber ger~de bei diesen Schizophrenen die Reaktionen keinen Anhaltspunkt ftir LeberstSrung.

1. J. D. 34 Jahre alt. Erkrankte um das 14. Lebensjahr an einer Psychose, die mit einer eigentiimlichen Charakterver~nderung einherging. Zu einer l~tnger- dauernden Tatigkeit war er nicht mehr zu bringen. Nach kiirzerer oder l~ngerer Zeit ring er immer wieder an, planlos herumzuirren. Wiederholt war in dergleichen Zust~nden Internierung notwendig. Seit 1912 ist er ununterbrochen interniert.

Z. f. d. g. Neut. u. Psych. XCIII. 32

Page 17: Untersuchungen über leberfunktion bei schizophrenen

488 D. Schrijver uad S. Schrijver-Hertzberger:

Er zeigt sich in der Anstalt autistisch, zieht sich von den anderen zurtick, hat starken Beeinflussungswahn, entkleidet sieh oft, l~l~t Urin unter sich; die Sprache ist verwirrt, zeigt viele Manieren. 1915 gesellten sich zu diesem Krankheitsbild eigenartige Psychomotilit~tsstSrungen: eine Bewegung (etwas anfassen oder Gehen) wird plStzlich unterbrochen und nach einigen Augenblicken erst weitergeftihrt. lgeben diesen Sperrungen im Sinne Bleulers zeigten sich bald eigenartige verzerrte Haltungen im Rumpf und in den Beinen, die stetig zunahmen. Bei der Unter- suchung 1922 bot der Kranke eine i~u~erliche ~hnlichkeit mit dem Bilde der Dy- stonia musculorum deformans Oppenheim. Im Stehen zeigt sich eine enorme Lendenlordose mit leichter Skoliose nach rechts, neben einer Innenrotation der Fiii~e. All dieses gleicht sich im Liegen wieder aus. Das Gehen geschieht mit grol~en ungleichm~l~igen Schritten, wobei die Fiil~e stampfend auf den Boden gestellt werden. Jede Bewegungs~nderung f~llt ihm offenbar schwer. Beim Befehl, sich umzudrehen, dreht zuerst der Rumpf und erst nach einiger Zeit kommen die Beine nach. Auch passiv zeigt sich diese StSrung in der Postordination (Haenel). Weitere neurologische (spez. Pyramidenbahnsymptome) oder interne Symptome fehlen. An der Diagnose Schizophrenie ist bei dem verwirrten halluzinierenden, negativistischen Kranken nicht zu zweifeln. Die oben beschriebene Motilit~ts- stSrung f~llt wohl unter den Begriff katatone St6rung. Nur m6chten wir betonen, da~ dieselbe in mancher Hinsicht an eine organische extrapyramidale Erkrankung erinnert.

Bei diesen Kranken war die Hay-Probe an vier verschiedenen Tagen im Morgenurin 0, 0, 1, 0; im Mittagurin 0, 0, 0.

Die Urobilinurie war ebenso, sowohl morgens (1.0. 0.), wie mittags (0. 1. 1.) negativ. Die Ehrlichsche Reaktion war stets negativ. Der saure stalagmometrische Quotient war 0,81. Im Serum war die Reaktion des Hym. v. d. Bergh zu schwach, um sich in Zahlen ausdrticken zu lassen. Resumierend waxen also bier alle ange- stellten Leberfunktionsproben negativ.

2. S. v. K. 28 Jahre alt. Erkrankte im Anschlul~ an eine Febris typhoidea im 18. Lebensjahr an einer Psychose, die mit lebhaften Sinnesti~uschungen und Desorientiertheit einherging. Es entwickelte sich ein katatoner Stupor, aber aus der anfi~nglichen hochgradigen Bewegungsarmut entwickelten sich eigenartige Manieren und an Athetose anklingende Greifbewegungen, die mit Spannungen in entlegenen Muskelgruppen einhergingen. Auch hier erinnert das Bild -- sei es auch in geringerem MaSe wie im vorhergehenden Fall -- an die Dystonia muscu- lorum deformans.

Auch hier ergab die Leberfunktionsprtifung meist normale Werte: Hay-Probe am Vormittag niichtern 0. 0. 0. ; am Nachmittag 1. 1. Schlesingersche Reaktion am Vormittag niichtern 4. 1. ; am Nachmittag 1. 1. Ehrlichsche Reaktion am Vormittag niichtern 2. 1. 0. Der stalagmometrische Quotient im sauren verdtinnten Harn war 0,82. Hym.

v. d. Bergh im Serum: 0. Dem einmaligen Befund einer starken Urobilinurie kann man, wo alle anderen

Reaktionen negativ waren, keine Bedeutung beimessen. Die folgenden Fiflle zeigen alle mehr oder weniger Ankl~nge an den Sym-

ptomenkomplex der Paralysis agitans. Das Vorkommen dieser Symptome bei Katatonikern diirfte wohl jedem Psychiater geli~ufig sein.

3. M. G. 30 Jahre alt. Erkrankte um 1913 an einer deutlichen Katatonie. Er ist mutazistisch, bewegungsarm, hochgradig negativistisch. Dieses Bild bleibt im Laufe der Jahre unver~ndert, Bei der Untersuchung im Jahre 1922 fallt ein zeitweise auftretender Tremor im Gebiete der Unterschenkelmuskulatur auf. Plan- tar-Dorsalbewegungen des Ful~es wehseln mit Ab- und Adduktionsbewegungen ab,

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Untersuchungen tiber Leberfunktion bei Schizophrenen. 489

genau wie wir auch beim Parkinsontremor in der Hand diesen Wechsel der Tremor- bewegungen beobachten.

Die Leberfunktionspriifungen batten bier folgendes Resultat: Hay (Vormittag) 3. 0. 0. 4. 2. 0. Hay (Mittag) 3. Schlesinger (Vormittag) 2. 1. Schlesinger (Mittag) 3. Ehrhch (Vormittag) 0. 0. Ehrlich (Mittag) 0. Saurer stalagm. Quotient 0,83. Hym. v. d. Bergh 1/4oo oo0- Obgleich die Htaysche Probe im Nachtharn laso zweimal positiv war (3. 4.)

und am Mittag den Wert 3 erreichte, meinen wir diesem Bcfund nicht viel Weft beimessen zu diirfen, zumal der stalagmometrische Quotient nicht niedrig war. Auch tier Gallenfarbstoff im Blur war nicht vermehrt, ebensowenig erreichte die Urobilinurie pathologische Grade.

4. J .C. 39 Jahre alt. War yon jeher ein Imbeziller, tier nur mangelhaft lesen und sehreiben konnte. Im 17. Lebensjahre zeigten sich die ersten Symptome einer schweren GeistesstSrung. Er wurde aggressiv, aufgeregt, bedrohte seine Um- gebung. Sehr rasch entstand ein katatones Zustandsbild. Jetzt ist dieser Kranke schon seit Jahrzehnten mutazistisch, ohne irgendwelchen Antrieb. Er kommt nicht fort yon der Stelle, wo er sich befindet, ist spontan akinetisch. Auf Befehl 5fters ein pl5tzliches und ricl~biges Durchbrechen der aufgetragenen Handlung. Auch bier wieder deutlich ausgepr~gt das Symptom der PostordinationsstSrung (H~nel). Hochgrudige Katalepsie und Flexibilitas. Neben all diesen katatonen Symptomen f~llt nun ein grobschl~giger Tremor in der hnken KSrperhalfte auf (Schultermuskula- tur, Handmuskulatur, Rectus femoris, Fugtremor). Bisweilen zeigt sich ein iso- lierter Tremor in den beiden Mm. Pectorales.

Hay: Vormittag 0. 0. 0. 1. 0. -- Nachmittag 0. 0. 0. Schlesinger: Vormittag 0. 0. 2. -- Nachmittag 3. 3. 4. Ehrlich: Vormittag 3. 0. 0. 0. -- Nachmittag 3. 2. 2. ttym. v. d. Bergh: 1/20o000. -- Saurer stalagm. Quotient 0,82. Hier fuller positiver Urobflinurie am Mittag und eine Bilirubin/~mie, die viel-

eicht etwas hoch ist, keine unzweideutigen Zeichen einer LeberstSrung.

5. E.S. 62 Jahre alt. Erkrankte im 26. Lebensjahre mit unsinnigen GrSSen- ideen und heftiger psychomotorischer Erregung. Im Verlaufe der Erkrankung zeigte sich eine immer zunehmende VerblSdung, immer wieder wechselnde Wahn- ideen, die ohne adaquaten Affekt produziert werden. Jetzt ist er ruhig, zeitweise leicht erregt, yon kindhchem Wesen, schmiert bisweilen mit Kot und Urin. Leichte Sprachverwirrtheit. Schon seit Jahren zeigt er einen grobschl~gigen Tremor in den beiden I-Ianden, den Beinen und in der Unterlippe, der sich bei Emotion deutlich verst/~rkt. Beim Beklopfen des linken Unterschenkels Plantarflexion der Zehen (s. D. Schri]ver, 1922). Es bleibt in diesem Falle mSghch, da$ die Katatonie yon Paralysis agitans kompliziert wird (d. h. dal~ die extrapyramidalen Symptome nicht der Katatonie inharent sind), weil diese Symptome erst in spaterem Alter bemerkt worden sind. Dieser Kranke leidet an einer intermittierenden Glykosurie, die sich auf kohlenhydratarmer Diat bessert. Der Blutzucker zeigt eine sehr starke alimentare Hyperglykamie. Symptome yon Leberleiden linden sich im iibrigen nicht, n/~mlich:

Haysche Probe: Vormittag: 0. 1. 0. -- Nachmittag: 0. 2. 0. Schlesingersche Probe: Vormittag: 3. 2. -- Nachmittag: 1. 0. 0. Ehrlichsche Probe: Vormittag: 0. 1. 1. 0. -- Nachmittag: 0. 0. 0. Hym. v. d. Bergh: 1/2o0000. -- Saurer stalagm. Quotient: 0,88.

6. A. L. 30 Jahre alt. Erkrankte im 16. Lebensjahre an einer Hebephrenie (wurde affektlam., autistisch), zu der sich alsbald deutliche katatone Zeichen ge- sellten. Bemerkenswert ist, daf~ sogleich beim Anfang der Erkrankung choreatisehe

32*

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490 D. Schrijver und S. Schrijver-ttertzberger:

Bewegungen in den Armen den Angeh6rigen aufgefallen sind. Von Fieber, Doppel- sehen usw. ist nichts bemerkt, auch fMlt der Krankheitsanfang lunge vor der Ence- phalitis epidemica. Jetzt ist dieser Kranke hochgradig gesperrt, l~eagiert, wenn man das Wort an ihn richter, sofort und mit ad~quater Mimik, drtickt auf dieselbe Weise aus, zu begreifen, was sich in seiner Umgebung abspielt. Er spricht nicht, weder spontan, noch reaktiv. Auch auf Befehl werden keine Handlungen aus- geftihrt. Die Versuche, die er unternimmt, eine aufge~ragene Handlung zu voll- ftihren, bleiben alle im Anfang stecken. Gelingt es ihm endlich, eine I-Iandlung anzufangen, so wird sie immer wieder unterbrochen durch entgegengesetzte Be- wegungen. Im Stehen sind die voriibergebeugte Haltung, die leicht gebogenen Kniegelenke auffallend. Mit der hochgradigen Akinese kontrastiert die leb- hafte Beweglichkeit der Augen. Auffallend sind die choreatischen Zuckungen, die sich in Schulter- und Armmuskulatur abspielen. Starke St6rung der Post- ordination.

Haysche Probe: Vormittag: 2. 1. 3. 0. 3. 0. -- Nachmittag: 1. 1. 2. Schlesingersche Probe: Vormittag: 0. 0. 0. -- Nachmittag: 3. 2. 1. Ehrlischche Probe: Vormittag: 1. 0. 0. 0 .-- Nachmittag: 3. 0. 1. Hym. v. d. Bergh: 1/40~000. -- Saurer stalagm. Quotient: 0,82. Auch bier kein I-Iinweis auf Leberfunktionsst6rung.

Wir kommen also zu der Schlu[~folgerung, da$ sich in den F~llen yon Kata tonie , die mi t s tarker ausgesprochenen S t6rungen der extra-

pyramida len Motilit~t einhergingen, keine Abweichungen in den yon

uns un te r such ten Leber funkt ionen feststellen lieSen. Hier m6gen in verktirzter Form die Geschichten folgen yon den-

jenigen Kranken , bei denen einige der Proben besonders starke Ab-

weichungen zeigten.

1. M. de Gr. 33 Jahre alt. Krankheitsbeginn unbekannt. Ist schon seit Jahren ein autistisch verbl6deter Kranker. Sehr negativistisch, zieht sich yon anderen zuriick. Die Haysche Reaktiou war am Vormittag 0. -- Nachmittag 0. 3.

Schlesingersche Probe: Vormittag: 4. -- Nachmittag: 4. Ehrlichsche Probe: Vormittag: 2. -- Nachmittag: 4. 3. Stalagmometrischer Quotient im sauren verdiinnten Harm 0,78. Hym v. d. Bergh: 1/60 ~0. Auch die direkte Reaktion war positiv. Sowohl Schlesingersche Probe, Ehrlichsche I~eaktion, wie der Bilirubinspiegel

im Blute und der stalagmometrische Quotient deuten hier auf eine Leberst6rung. 2. M. v. T. 40 Jahre alt. War in der Jugend gut begabL Besuchte die Aka-

demie, sollte Kunstmaler werden. Im 15. Lebensjahre setzte die Psychose ein, er wurde apathisch, ging yon der Akademie fort, wurde Hausmaler. Fing zu vaga- bondieren an, verwahrloste seine Kleidung. Wurde 1913 in eine Anstalt auf- genommen. Im Anfang war er ruhig und geordnet, alsbald aber nahm die Apathie immer mehr zu, er wurde unrein, sprach nicht mehr, auf Fragen kam bisweilen eine sehr kurze Antwort. Im Frtihjahr 1924 pl6tzlich exzitiert, erzi~hlte inkoh~rent yon einer Ratte, die ,,man" in seinen K6rper hineingeschickt h~tte, wie, wuBte er nicht, vielleicht mittels Elektrizit~t durch die Arme usw. Nach einigen Tagen wieder v611ig apathisch und nicht zu einer Antwort zu bewegen.

Hay am Vormittag: 0. 0. 2. -- Nachmittag: 3. 2. 0. Schlesinger am Vormittag: 2. 5. 4. -- Nachmittag: 3. 5. 3. Ehrlich am Vormittag: 0. 0. 0. 2. 3. -- 5Iachmittag: 3. 2. Stalagmometrischer Quotient und Bilirubingehult des Serums nicht bestimmt. Zu beobachten ist bier die sehr starke Urobflinurie.

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Untersuchungen fiber Leberfunktion bei Schizophrenen. 491

3. A.M. 39 Jahre alt. Als Kind gut begabt, machte vom 13. bis 16. Lebens- ]ahr eine Psychose durch, die mit hochgradiger liippischer Erregung, Negativismus und Katalepsie einherging. Diese Psychose soll mit Defekt geheilt sein. Er benahm sich zwar unauffifllig, verdiente als Arbeiter in einer Zigarrenfabrik gut sein Brot, wird aber yon den AngehSrigen als ,,etwas fremdartig" beschrieben. Im 30. Leb~ns- jahre setzte wieder ein katatoner Erregungszustand ein, aus dem eine vSllig ver- wiistete PersSnlichkeit resultierte. Seit 1916 ist der Kranke zeitweise erregt, spricht dann einen vollkommen unbegreiflichen Wortsalat. Zeigt deutliche Echolalie und Echopraxie. Aul~er einer ausgesprochenen Hypotonie der Arm- und Hand- muskulatur fehlende Maier- und L~ri-Reflexe, Kolobom der linken Retina, Katarakt des rechten Auges bietet der somatische Status keine wesentlichen Abweichungen.

Hay am Vormittag: 2. 0. 0. 1. -- Nachmittag: 4. 4. 2. Schlesinger am Vormittag: 4. 4. -- Nachmittag: 2. 3. 2. Ehrlich am Vormittag: 0. 2. 1. 2. -- Nachmittag: 2. 0. 0. Stalagmometrischer Quotient: 0, 81. Hym. v. d. Bergh: 1/1~3ooo. Sehr eigenartig ist bier die Umkehrung der normalen Ausscheidungsweise des

Urobilins und der Stalagmone. Wi~hrend beim Normalen und auch bei den meisten Leberkrankheiten (s. oben) die st~rkste Urobilinurie am Nachmittage erfolgt und die meisten Stalagmone im Vormittagharn ausgeschieden werden, sehen wir bier, wie die Hay-Probe gerade im hIachmittagharn am st~rksten ausgesprocben ist, wi~hrend die Urobilinurie gerade im Vormittagurin am sti~rksten ist.

4. J .K . 34 Jahre alt. Erkrankte im 25. Jahre in Amerika an einer Psychose, die mit Erregung, Ideenflucht einherging. Nach Holland zurtickgekehrt, machte seine l~ppische Erregung eine baldige Internierung nStig. In der Anstalt ~ul~erte er unzusammenh~ngende Wahnideen, war meistens ruhig, zuweilen aggressiv, nahm stundenlang die Haltung des gekreuzigten Jesus an, zeigte Sperrungen. Jetzt ist er vSllig sprachverwirrt, leicht neg~tivistisch.

Hay: Vormittag: 0. 0. 3. 2. -- N~chmittag: 0. 4. 0. 2. Schlesinger: Vormitt~g: 4. 3. -- Nachmittag: 4. 5. 5. 4. Ehrlich: Vormittag: 3. 3. -- Nachmittag: 3. 3. 5. 3. Stalagmometrischer Quotient: 0, 78. Hym. v. d. Bergh: 1/~50 oo0- Man beachte hier die enorm starke Urobilinurie und den niedrigen stalag-

mometrischen Quotient.

5. G. F. Musiklehrer, 27 Jahre. War yon jeher still, zog sich yon anderen zuriick. Erkrankte vor 9 Jahren. Wurde apathisch, halluzinierte schwarze Ge- st~lten, hSrte ,,Geisterstimmen", spiirte eine Kraft, die auf ihn einwirkte, ihn lenkte; die, ,Kraft" dringe an der einen Seite in seinen Kopf hinein, trete an der anderen Seite wieder hinaus usw. In der Anst~lt zeigen sich unsinnige Handlungen, Sprach- verwirrtheit, Willensbeeinflussung. W~hrend er sich anfangs wenigstens i~u8erte, wurde er stets mehr autistisch, war die letzten Jahre vSllig tourist, zeitweise leicht i~ngstlich.

Hay: Vormittag: 0. 0. 4. 2. 3. -- Nachmittag: 3. 3. 0. Schlesinger: Vormittag: 3. 2. 2. -- Nachmittag: 3. 4. 4. Ehrlich: Vormittag: 1. 2. 0. -- Nachmittag: 1. 1. 2. Stalagmometrischer Quotient: 0,82. Hym. v. d. Bergh: 1/~00 o. Auch direkte l~e~ktion positiv. Das Besondere war in diesem Falle das Auftreten einer direkten l~eaktion

nach v. d. Bergh. Bekanntlich soll die direkte Reaktion deuten auf einen mecha- nischen Ikterus. Es bestanden in diesem Fall keine Anhaltspunkte, einen Ver- schlul~ der Galleng~nge anzunehm~.

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492 D. Schrijver und S. Schrijver-Hertzberger:

6. S. u 27 Jahre alt. Beginn der Erkrankung ira 17. Lebensjahre, mit Ge- h6rs- und Gesichtshalluzinationen; wurde sehr reizbar und aggressiv, zerstSrte alles, was unter seine Hande kam. In der Anstalt zeigte er sich gesperrt, hallu- ziniert, deutliche Paramimik. Allmahlich entwickelte sich ein ausgesprochener katatoner Stupor, der 6fter durch exaltierte Phasen oder Impulsivhandlungen unterbrochen wird. Ausgesprochene Echolalie, Stereotypien.

Hay: Vormittag: 2. 0. 3. 1. -- Nachmittag: 1. 0. 0. Schlesinger: Vormittag: 3. 4, 3. -- Nachmittag: 3. 5. 5. Ehrlich: Vormittag: 1. 3. 1. -- Nachmittag: 2. 3. 3. Stalagmometrischer Quotient: 0,83. Hym. v. d. Bergh: 1/100 oo0 .

Es besteht in diesem Falle eine unzweifelhaft pathologische Urobflinurie, wahrend die Stalagmonurie sich innerhalb normaler Grenzen halt. Der Bflirubin- gehMt des Seruras ist etwas erh6ht.

7. S. C. 26 Jahre. Erkrankte im 16. Lebensjahre an Verwirrtheit, Halluzina- tionen, motorischer Unruhe; entwickelte eigenartige Wahnvorstellungen fiber seine Defakation. Seine Erregung vamhs schnell an, er wurde sehr beweglich, redete fortwahrend, reimte auf alles, was er h6rte. Bei Aufnahme in die Anstalt heftiger l~ededrang, Grimassieren, war in fortw~hrender Bewegung, deutlich hyper- metamorphotisch, Inkoharenz. Keine kataleptischen St6rungen. Schon nach einigen Monaten zeigten sich Echopraxie, Stereotypien. Die Erregung k]ang all- mahlich ab, es zeigte sich eine Verbl6dung, die jetzt noch stets ira Zunehmen be- grfffen ist. Die stumpfe Apathie wird bisweilen yon heftigen Affektausbrfichen unterbrochen. Er beschuldigt seine Umgebung dann, ihra mittels ,,Str6me" zu beeinflussen. Spiegel lenken die Elektrizitat auf seine Genitalien usw.

Hay: Vormittag: 3. 2. 0. 1. -- Nachraittag: 3. 2. 4. Sehlesinger: Vormittag: 3. 4. -- Nachmittag: 4. 5. 2. 4. Ehrlich: Vormittag: 3. 3, 3. -- Nachraittag: 3. 0. 3. Stalagmometrischer Quotient: 0,81. ttyra, v. d. Bergh: 1/~oo0o. Auch direkte Reaktion positiv. Nebeu der starken Urobilinurie auch hier eine positive direkte Reaktion

nach Hymens v. d. Bergh, wahrend die indirekte Reaktion als sehr hoch zu be- werten ist.

8. S. K. 38 Jahre alt. Beginn der Erkrankung ira 25. Lebensjahre. Wollte nicht mehr arbeiten, zog sich yon seiner Umgebung zurtick. Erst nach einem Jahr traten weitere StSrungen hinzu. Er wurde verwirrt, halluzinierte, meinte, dab man ihn verfolgte. In der Anstalt unruhig, aggressiv, ~uBert seine unbe- stimmten Wahnideen immer weniger.

Hay: Vormittag: 0. -- Nachraittag: 1. 4. 2. Schlesinger: Vormittag: 1. 1. 2. -- Nachraittag: 1. 4. 1. Ehrlich: Vormittag: 0. 0. 1. -- Nachmittag: 0. 2. 0. Stalagraometrischer Quotient: 0,84. Hyra. v. d. Berh: ~/20o00o. Direkte Reaktion schwach positiv. AuBer der positiven direkten Reaktion ist hier eine etwas erh6hte Urobilinurie

und Stalagmonurie (bemerkenswerterweise auch hier wieder, wie in Fall 3) am starksten am Nachraittage.

9. D. C. 60 Jahre alt. Erkrankte im 16. Lebensjahre an einer raelancholisch gefarbten l~sychose. Diese heilte ab, rezidivierte aber einige Male, bis sich all- m~hlich ein Defektzustand en~wickelt, der bis auf heute unverandert fortbesteht. Interessant ist, dal~ die Periodizitat, die sich im Anfange dieser Erkrankung zeigte, bis auf heute in dem Sinne fortbesteht, dab imraer wieder Perioden yon Akinese mit hyperkinetischen Phasen wechseln, wahrend deren er eine lappische tteiter-

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Untersuchungen fiber Leberfanktion bei Schizophrenen. 493

keit zur Schau tr~gt, fortw~hrend grimassiert, stereotype Bewegungen zeigt und seine unsinnigen, verworrenen GrSl~enideen (er ist Kaiser yon Deutschland, KSnig yon Holland, Wilhelmina hiel~e seine t~'rau usw.) immer wieder produziert.

Hay: Vormittag: 0. 3. 0. -- Nachmittag: 1. 2. 0. ScMesinger: Vormittag: 3. 0. 0. 3. -- Nachmittag: 4. 3. 4. 3. Ehrlich: Vormittag: 0. 0. 0. -- Nachmittag: 0. 0. 1 . Stalagmometrischer Quotient: 0,77. Hym. v. d. Bergh: 1/lOO000. Neben starker Urobilinurie und etwas erh(ihter Bilirubin~mie ein sehr niedriger

stalagmometrischer Quotient. Wie aus den Zahlen ersichtlich, unterlag die Uro- bilinurie und die Haysche Reaktion starken Schwankungen, wie dies iibrigens auch in anderen ~ l l e n ersichtlich war.

10. A. E. 49 Jahre alt. Schon yon jeher eigensinnig und j~hzornig. Der Beginn seiner Erkrankung datiert yon 24 Jahren her. Er wurde unzufrieden, unut~fmerksam bei der Arbeit, ring an, verwirrt zu reden, wurde aggressiv.

In der Anstalt zeigte er sich stark inkoharent, sehr aggressiv. ~Iulluzinierte viel, impulsive Hundlungen. Jetzt vSllig unzuganglich, schon seit vielen Jahren.

Hay: Vormittag: 3. 4. 2. -- Nachmittag: 2. 1. 2. Schlesinger: Vormittag: 1. 5. 4. -- Nachmittag: 5. 4. 5. Ehrlich. Vormittag: 3. 2. 3. -- ~achmittag: 5. 4. 2. 5. Stalagmometrischer Quotient: 0,81. Hym. v. d. Bergh: 1/10ooo o. Die hier beob~chtete Urobilinurie gehSrt zu den st~rksten, die wit iiberhaupt

gesehen haben. 11. M. A. 49 Jahre alt, war immer ein Imbeziller, ring an, gauze Tage

nicht zu sprechen, 5fters auch sehr erregt, liel~ Kot und Urin unter sich. In der Anstalt, wo er, 20 Jahre alt, aufgenommen wird, zeigt er sich mutazistisch and negativistisch.

Hay: Vormittag: 2. 0. 1. 0. -- l~achmittag: 0. 1. Schlesinger: Vormittag: 0. 4. -- Nachmittag: 3. 3. 2. Ehrlich: Vormittag: 0, 0. 0. -- Nachmittag: 2. 1. 1. Stalagmometrischer Quotient: 0,77. Hym. v. d. Bergh: 1/~0 00~. Die Kombination des zweifelsohne erhShten Bilirubinspiegels mit pathologisch

niedrigem st~gmometrischen Quotienten macht in diesem Falle -- auch abgesehen v o n d e r einmaligen Vormittagsurobilinurie -- eine LeberfunktionsstSrung sehr wuhrscheinlich.

12. A.G. 50 Jahre. Erkrankte 32 Jahre alt, wurde unruhig, verwirrt. Wurde stets wortkarger, zog sich yon seiner Umgebung zurfick, halluzinierte. Jetzt ist er vSllig unzug~nglich, zeigt 5frets einen katatonen Bewegungs- und Schreidrang, an anderen Tagen ist er vSllig bewegungslos, hochgradig kataleptisch und zeigt Befehlsautom~tie.

Hay: Vormittag: 0. 0. 2. -- Nachmittag: 3. 0. 1. Schlesinger: Vormittag: 1. 2. -- ~qachmittag: 3. 2. 4. 2. Ehrlich: Vormittag: 0. 0. 1. 0. -- Nachmittag: 3. 0. 1. 0. Hym. v. d. Bergh: 1/133000- 13. M. V. 26 Jahre. 1921 (22 Jahre alt) ~ngstliche Erregung. W~hnte sieh

verfolgt, floh von seiner Umgebung fort und lebte eine Zeitlang in einem Walde, wo er in vSllig verwahrlostem Zustande angetroffen wurde. Seither fortw~hrend verwirrt und negativistisch, zeigte Befehlsautomatie. Unsinnige Wahnidean (,,man" h~tte eine Katze in seinen Kopf hineingegeben) wurden zeitweise produzier~. Ein 11/~ Jahre lung dauernder Stupor mit Mutazismus and _~l~inese (w~hrend welchen

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494 D. Schrijver und S. Schrijver-Hertzberger:

die Leberfunktionsprtifung unternommen wurde) ist jetzt in eine heftige katatone Erregung umgeschlagen.

Hay: Vormittag: 0. 4. 2. 5. 3. 5. 0. -- Mittag: 0. 0. 0. Schlesinger: Vormittag: 2. 5. 5. 5. 4. -- Nachmittag: 1. 4. 4. Ehrlich: Vormittag: 4. 3. 4. 3. -- Nachmittag: 0. 2. 0. Die enorm starke Urobilinurie war auch hier wieder vormittags am st/irksten.

14. J . W. 46 Jahre. Im Anschlul~ an ein Ohrenleiden trat im 26. Lebens- jahre eine Psychose auf, er wurde ji~hzornig, bekam Wahnideen und Halluzinationen. Schon im Anfange zeigten sich viele katonische Zeichen. Im weiteren Verlaufe traten dieselben immer mehr in den Vordergrund. Je tz t ist er mutazistisch, es werden hSchstens einige unverstandliche Silber gefli~,stert, dabei hochgradig nega- tivistisch und impulsiv.

Hay: Vormittag: 4. 4. 4. -- Nachmittag: 3. 0. 0. 2. Schlesinger: Vormittag: 2. 0. 0. -- Nachmittag: 2. 4. 2. 1. Ehrlich: Vormittag: 0. 0. -- Nachmittag: 2. 0. 0. Stalogmometrischer Quotient: 0,81.

15. H. C. 64 Jahre, erkrankte vor 20 Jahren an einer paranoid gef~trbten Psychose. Er meinte reich zu sein, bettelte auf der StraBe. Allmi~hlich entwickelte sich eine eigenartige Sprachverwirrtheit mit zahlreichen Neologismen. Es wechseln auch in diesem Falle kurzdauernde (etwa 2 Tage) Phasen mit relativ guter Zu- gi~nglichkeit und ruhiger Affektlage ab mit kurzen Perioden, in denen er zornig erregt ist. In diesen erregten Perioden ist die Sprachverwirrtheit deutlicher.

Hay: Vormittag: 2. 1. 0. -- Nachmittag: 3. 0. Schlesinger: Vormittag: 0. 0. -- Nachmittag: 3. 3. 2. Ehrlich: Vormittag: 0. 0. 0. -- Nachmittag: 2. 0. Stalagmometrischer Quotient: 0,80. Hym. v. d. Bergh: 1/s o ooo.

Wit linden bier also einen zweifelsohne pathologisch erhShten Bilirubingehalt des Serums.

16. N. H. 58 Jahre. (Der Fall ist auch in der Arbeit tiber ,,Blutzucker und Schizophrenie" des einen yon uns beschrieben women, diese Zeitschr. 8J, S. 189, Fall 23.) Der Auszug aus der Krankengeschichte mSge hier kurz wiederholt werden.

Er war als Kind schlecht begabt und stets reizbar. Mit 32 Jahren Trauma capitis. Im Anschlul~ hieran angeblich epileptische An~tlle mit konsekutiver Verwirrtheit. Hierauf~ 40 Jahre alt, Aufnahme in eine Universit~tsklinik, wo er 2 Jahre verblieb. Die hier beobachteten An/~lle wurden nicht ftir e!)ileptische gehalten, auch wurde eine nachfolgende Verwirrtheit nicht ~estgestellt. Ein sinnloses Benehmen und unmotivierte Wutanf~lle traten aber um so mehr in den Vorder- grund. Auch wi~hrend der nachfolgenden 15j~hrigen Anstaltsbeobachtung sind Anf~lle nicht wieder beobachtet. Eine groBe Affektlabiliti~t und langsam sich entwickelnde barocke GrSBenideen treten in den Vordergrund (schon im 42. Lebens- jahre werden eigentiimliche Manieren und stei~e Haltung beobachtet), neben I-Ialluzinationen, mittels deren er sich mit der kSniglichen Familie unterh~lt. Je tz t stark m~niriert, verschroben, halluzinierend. Zeigt Willensbeeinflussung, demente GrS~enideen. Somatisch au[~er einer m~t~igen Arteriosklerose (Blutdruck 82--135 m m Hg) nichts Besonderes. Wassermann im Blute negativ. Die ali- ment~tre Blutzuckerkurve zeigte neben niedrigem Anfangswert einen hohen An- stieg.

Hay: Vormittag: 0. 0. 0. -- Nachmittag: 0. 0. 0. Schlesinger: Vo,rmittag: 1. 3. 2. -- Nachmittag: 1. 3. 4. 4. Ehrlich: Vormittag: 0. 0. 0. -- Nachmittag: 0. 0. 0.

Page 24: Untersuchungen über leberfunktion bei schizophrenen

Untersuchungen fiber Leberfunktion bei Schizophrenen. 495

Stalagmometrischer Quotient: 0,74. tIym. v. d. Bergh: ~/~oo ooo" Befremdend ist hier die Diskongruenz in dem Ausfall der Hay-Reaktion und

das Ergebnis der Stalagmometrie. 17. A. M. 40 Jahre alt. Mit 19 Jahren kurzdaue~nder Erregungszustand,

der mit vSlliger Wiederherstellung wieder schwand. Nach 7 Jahren, vielleicht im Anschlul~ an geistige (~beranstrengung, heftige Erregung, yon deutlichem katatonen Charakter. Hach Abklingen der akuten Erscheinungen resultiert eine barocke 1)ers0nlichkeit mit ,,elektrischem '~ Gedankenentzug, fliichtige W~hn- ideen. Das Zustandsbild wird seit Jahren beherrscht durch allerhand katatone Zeichen: Maniriertheit, steife Haltungen, Stereotypien, stuporSsen 1)hasen mit hochgradiger Katalepsie.

Hay: Vormittag: 1. 0. 2. 1. 2. -- Nachmittag: 0. 0. 0. Schlesinger: Vormittag: 3. 3. 1. 3. -- Hachmittag: 3. 1. 3. 3. 1. Ehrlich: Vormittag: 1. 1. 2. -- Hachmittag: 2. 2. 0. 1. 0. Stalagmometrischer Quotient: 0,85. Hym. v. d. Bergh: 1/80000. Man beachte bier die Hyperbilirubin~mie und die Urobilinurie am Vormittag. 18. J .K . 40 Jahre. Von jeher leicht imbezill. Hach der Puberti~t ganz schlei-

chend einsetzende Charakterver~nderung. Wurde reizbar, j~hzornig, zankte mit jedem. Allm~hlich treten Sinnest~uschungen hinzu. Jetzt maniriert, stereotyp, unzusammenh~ngend.

Hay: Vormittag: 1. 0. 0. -- Hachmittag: 0. 0. Schlesinger: Vormittag: 0, 2. 0. -- Hachmittag: 0. 0. 1. Ehrlich: Vormittag: 0. 0. 0. -- Nachmittag: 0. 0. Stalagmometrischer Quotient: 0,75. Hym. v. d. Bergh: Nicht ausgefiihrt. Fiir den sehr niedrigen stalagmometrischen Quotienten kSnnen wir in diesem

Fall keine Erklarung geben. Grobe kSrperliche Erkrankung besteht jedenfalls nicht, spez. auch keine Albuminurie (wie dies iibrigens bei keinen der untersuchten Kranken der Full war, s. oben.).

19. ]~. T. 27 Jahre, war immer reizbar~ unzufrieden. Mit 14 Jahren trat eine Charakteranderung auf, er beschimpfte fremde Leute, schlug Kinder. Hach einem halben Jahre wurde er wieder h~ndelbar, bewi~hrte sich als Diamantbearbeiter ziemlich gut. Mit 19 Jahren plStzlich iibertrieben religiSs, betete den ganzen Tug, verfiel allm~hlich in einen stuporSsen Zustand, yon monatelanger Dauer. Wi~hrend einiger Tage ist er zug~nglich, sagt dann, er sei im Himmel gewesen, habe Gott gesehen, der ihm den Auftrag gegeben habe, die Welt zu bessern. Alsbald versinkt er wieder in tiefen Stupor. Diesen Wechsel zwischen stuporSsem Verhalten und l~ppischer Erregung hat er im Laufe seiner Erkrankung stets beibehalten. Wahrend der erregten Phasen zeigt er eine immer zunehmende Sprachverwirrtheit.

Hay: Vormittag: 0. 1. 2. 1. 0. 0. 1. -- Hachmittag: 1. 0. 2. 0. Schlesinger: Vormittag: 2. 3. 2. 1. -- Nachmittag: 4. 4. 3. Ehrlich: Vormitt~g: 0, 1. -- Hachmittag: 0. 0. 1. Stalagmometrischer Quotient: 0, 76. Neben pathologischer Urobilinurie zeigte dieser Fall einen sehr niedrigen

stalagmometrischen Quotienten. 20. M. 1 ). 35 Jahre. Imbeziller, soll mit 15 Jahren eine kurzdauernde Er-

krankung durchgemacht haben, yon welcher anamnestiscb weiter nichts bekannt ist. Diese Erkrankung soll abgeheilt sein; im 21. Lebensjahre langsam progressive Erregung, starker Stimmungswechsel, Bewegungsdrang. Allmahlich schwand diese Erregung und hinterliel~ einen dementen tr~gen Kranken, der abet relativ

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496 D. Schrijver und S. SchrijveroHertzberger:

sozial wurde und entlassen werden konnte (22 Jahre). 4 Jahre sparer erfolgte ein neuer Schub. Wurde still, ~ul~erte Suizidgedanken, redete wirr; bei Aufnahme maniriert, negativistisch. Bietet jetzt das Bild des v611ig verblSdeten Katatonen.

Hay: Vormittag: 1. 4. 3. 4. 2. -- Nachmittag: 0. 0. 4. Schlesinger: Vormittag: 4. 4. 1. 4. 1. -- Nachmittag: 4. 4. 3. Ehrlich: Vormittag: 2. 4. 3. 3. 1. -- Nachmittag: 0. 1. 2. Stalagmometrischer Quotient: 0,83. Hym. v. d. Bergh: ~/~oo ooo"

Wir Iinden hier also neben pathologischer Urobilinurie an manchen Tagen auch eine positive guy-Probe.

21. A. H. 34 Jahre. Imbeziller. Anfang der Erkrankung nicht bekannt. Halluziniert, grimmassiert, zeitweise heftig erregt, wenig zug~nglich.

Hay: Vormittag: 1. 0. 0. -- B~achmittag: 0. 0. 0. Schlesinger: Vormittag: 4. -- Nachmittag: 1. 1. 3. Ehrlich: Vormittag: 0. -- Nachmittag: 2. 0. 0. Stalagmometriscber Quotient: 0,80. Hym. v. d. Bergh: ~/4ooooo" Pathologische Urobitinurie wie in einigen anderen Fi~llen auch bier am Vor-

mittag. Es erscheint uns in diesem l~alle fraglich, ob eine LeberstSrung vorliegt. 22. J. B. 39 Jahre. Erkrankung im 31. Jahre mi~ Beziehungsgedanken-

phonemen. Verlauf stetig progressiv. Jetz hochgradiger Autismus und Apathie. Hay: Vormittag: 0. 0. 0. 3. -- Nachmittag: 2. 4. 2. Schlesinger: Vormittag: 2. 4. -- Nachmittag: 3. 2. 4. Ehrlich: Vormittag: 1. 1. 2. - - Nachmittag: 3. 2. 2. Stalagmometrischer Quotient: 0,82. Hym. v. d. Bergh: 1/400 ooo.

Neben ausgesprochen pathologlscher Urobilinurie ist die guy-Probe auch bier wieder Nachmittag am st~rksten.

23. J .S . 45 Jahre. Auch dieser Full ist in der obengenannten VerSffentlichung des einen yon uns verwertet worden (s. D. Schri]ver 1923, S. 193). Er war als Kind intelligent, flei~ig; yon geftigigem Charakter, erkrankte im 17. Lebensjahre an einer akuten katatonen Erregung, die Anstaltsaufnahme nStig machte. Seitdem haben sich diese Erregungszusti~nde immer wieder mit einer merkwtirdigen Regel- m~l~igkeit wiederholt. In der Zwischenzeit ist der Kranke vSllig mutazistisch, akinetisch, hochgradig kataleptisch. W~hrend der Erregung treten immer wieder dieselben Stereotypien, dieselben Redensarten auf, ist er echolalisch und echo- praktisch. Trotz genauer k6rperlicher Untersuchung werden keinerlei k6rperliche Krankheitserscheinungen gefunden. Die Blutzuckeruntersuchung ergab eine ,,ini- tiale Hypoglyk~mie". Es warde damals die Vermutung ausgesprochen, dal~ diese Abweichung in der Blutzuckerkurve, die sich iibrigens auch in anderen F~llen zeigte, auf eine LeberstSrung zuriickzufiihren w~re.

Hay: Vormittag: 4. 3. 2. 0. 0. 0. 2. 4. 1. -- Nachmittag: 3. 4. 1. Schlesinger: Vormittag: 2. 3. 3. -- Nachmittag: 4. 2. 4. Ehrlich: Vormittag: 2. 0. 3. 0. Der st~lagmometrische Quotient zeigte Schwankungen in dem Sinne, daI~

w~hrend der ruhigen Perioden der Quotient normale Werte aufzeigte, w~hrend der erregten Perioden pathologisch erniedrigt war. (Ausfii~rlich wird der Full in anderem Zusammenhang besprochen werden.)

F r agen wir uns, was die beschr iebenen K r a n k e n in psych ia t r i sche r Hins ich t Gemeinschaf t l iches da rbo ten , so is t eine A n t w o r t schwer zu geben. Es gleichen sich diese t i e f -verb lSde ten Endzus t~nde s te ts in

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Untersuchungen tiber Leberfunktion bei Schizophrenen. 497

hohem Mal~e. Es fiel uns auf, da~ ziemlich viele dieser lebergestSrten Schizophrenen im Verlaufe ihrer Erkrankung eine Periodiziti~ auf- wiesen (vgl. Fall 3, 9, 12, 15, 17, 19, 23). Es ist dies um so eigeaartiger, weil wir auch in der Literatur in den Fi~llen, wo GeistesstSrung und Leber~bweichung in Kausalkonnex gebracht werden, einige Male perio- disch verlaufende Psychosen beschrieben sehen (Damsch und Cramer, Leyser). Eine spezielle Untersuchung dieser Frage w~re gewil~ lohnend.

Wir kommen nun zur Frage, welcher Zus~mmenhang besteht zwischen den aufgedeckten LeberstSrungen und dem schizophrenen Krankheitsprozel~.

In erster Linie mul~ bemerkt werden, dal~ die untersuchten Kran- ken Juden sind. Es w~re sehr wohl mSglich, da[~ LeberstSrungen leichteren Grades bei dieser Rasse besonders oft vorkommen sollten, weil ja bekanntlich verwandte Diathesen bei ihnen frequent sein sollen. Leider sind uns genaue Untersuchungen diesbeziiglich nicht bekannt geworden. Es kSnate vielleich~ die Untersuchung yon Morrison und Okles einen Hinweis geben, dal~ die ZugehSrigkeit zur jiidischen l~asse allein nich~ ims~ande wgre, die gefundenen Ahweichungen zu erklgren. Obengenannte Autoren untersuchten den Blutzucker in Beziehung zur Rasse und urteilten ja: ,,daft die ZugehSrigkeit zur Rasse allein nicht Ursache ist yon dem Vorkommen yon hohen Blutzuckerkurven nach Glukose-Probemahlzeit. Alle hohen Blutzuckerkurven bei de~ Juden fanden sich bei Personen mit nervSsem oder emotionellem Temperament."

Auch unter den Gesunden, deren Harn wir untersuchten, hefanden sich sowohl Juden wie Nicht-Juden. Die erhaltenen Resultate wider- sprachen sich aber zum Teil und die Zahl der beiden Gruppen war klein. Deshalb haben wir uns in dieser Frage kein Urteil bilden kSnnen.

An zweiter Stelle muf~ mit in Rechnung gezogen werden, dal~ Kranke von der Art, wie wir sie untersucht haben, meist in der einen oder anderen Periode ihres Lebens mit Hypnoticis behandelt worden sind. Die Frage wi~re wohl berechtigt, ob diese Gifte eine dauernde Sch~t- digung der Leber hinterlassen hi~tten. Allerdings w~re diese Schi~- digung dann nur bei einem Teil der Kranken nachweisbar, well manche yon ihnen bei keiner der benu~zten Proben Abweichungen gezeigt haben. Diejenigen, deren Leber wohl gelitten hi~tten, miil~ten also eine besondere Disposition zur Lebererkrankung mitgebracht haben und damit wi~ren wir zuriickgekehrt zur ursprtinglichen Frage, ob ngm- lich diese Disposition zur Leberst6rung in direktem Zusammenhang mit der Psychose steht.

Bei unserer Untersuchung bekamen wir den Eindruck, da~ einige Kranken in ihren unruhigen Perioden stgrkere LeberstSrungen auf- wiesen, als in den mehr ruhigen Tagen. Systematische Untersuchungen

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498 D. Schrijver und S. Schrijver-Itertzberger:

diesbeziiglich waren schwer, weil die Kranken in den unruhigen Perioden oft Urin unter sich lassen und die in jeder Hinsicht verAnderten Um- stAnde beziiglich Nahrung, Bewegung u. dgl. sich schwer eignen fiir genaue Vergleiche der Ergebnisse aus den verschiedenen Perioden. Es 1Al~t sich aber wohl vermuten, da~ wir durch den Umstand, dai~ die Kranken zumeist in ruhigen Tagen zur Untersuchung kamen, wahrscheinlich eher zu wenige als zu viele LeberstSrungen aufgedeckt haben kSnnten.

Der eine yon uns (D. S.) hat te zudem noch Gelegenheit, in der Wiener psychiatrischen UniversitAtsklinik eine ganze Re/he yon Kranken zu untersuchen. Wir sind Herrn Hofrat Wagner v. Jauregg hierfiir zum grol~en Dank verpflichtet.

Es /st be/ dieser Untersuchungsserie im Auge zu behalten, da~ die iibergro~e Zahl dieser FMle nur wAhrend kurzer Zeit in der Klinik beobachtet werden konnte. Die Diagnose erscheint also nicht in dem Mai~e gesichert, wie dies be/ unseren Anstal tskranken der Fall war.

Es kamen nur Manner zur Untersuchung. Be/ ihnen wurden im niichternen Zustand der Bilirubingehalt des Serums nach Hymans v. d. Bergh und die Schlesingersche Reaktion im Urin bestimmt.

Be/ l l Paranoiden land sich nach Hymans v. d. Bergh der Wert

1/400 000 : 1 mal, 11~oo ooo : 4 mal, 1/130 000 : 2 mal, 1/100 0 0 0 : 4 mal . Be/ 7 Hebephrenen 1/4oo ooo : 2 ma], 1/eoo ooo: 3 mal, 1/133 000 : 1 mal,

1/7o ooo : 1 mal, ~/4o ooo : 1 mal. Leider konnten nur zwei Katatonien untersucht werden. Der eine

hat te einen Bilirubingehalt 1/lOO ooo; der andere hat te eine sehr starke HyperbilirubinAmie yon 1/15 ooo. Es mSge hier kurz dieser Fall erwAhnt werden.

~1. G., 18 Jahre alt, soll angeblich stets gesund gewesen sein. Kam aus Amerika nach Wien, um Musik zu studieren. Wurde akut deprimiert, schlief wen/g, wollte plStzlich nicht mehr Geige spielen. Allmi~hlich geriet er in eine furibunde Erregung, jammerte, man h~tte ihm seine Nichte (in die er sich verliebt hatte) und die Musik gestohlen. Er wtirde KSnig werden. Bedrohte seine Umgebung, meinte Christus zu sehen. In der Klinik war er sehr erregt, schrie. Be/ der Untersuchung leicht erregt, zeitlich und 5rtlich mangelhaft orient/err. Affektloser Gesichtsausdruck, Grimassieren. Keine interne Abweichungen. Neben der starken indirekten Bilirubinreaktion im Serum land sich eine positive verz0gerte direkte Reaktion. Leider konnte dieser Kranke nicht lange beobachtet werden. Unsicher bleibt, ob es sich hier wirklich um eine Katatonie oder um eine kataton gef/~rbte Amentia gehandelt hat.

In 7 Fallen yon ,,Psychopathie" land sich 1/2ooooo: 2real, 1/loo ooo: 2 mal, 1/7o/oo o: 1 real, 1/4 0 ooo :2 mal. Von den letzten be/den Fallen war der eine durch Lysolvergiftung kompliziert. Diese Diagnose Psychopathie mul~te wohl als eine vorlAufige aufgefal~t werden, und sehr wohl mSglich ware es, dal~ einige yon diesen Fallen sich sparer als Schizophrenien entpuppen werden.

Page 28: Untersuchungen über leberfunktion bei schizophrenen

Untersuchungen ~iber Leherfunktion bei Schizophrenen. 499

Es kamen weiter zur Unte r suehung : 3 Imbezil le mi t hohen Bilirubin- wer ten; 1 Fal l yon Manie ebenso mi t erhShtem Wert .

Weiter 3 Fal le von Epilepsie; der eine Fall , durch Tuberkulose kompliziert , ha t te e inen sehr hohen Bil irubingehalt , von den beiden

anderen war der eine m~Big erhSht, der andere niedrig.

~ b e r die Fal le yon Hyster ie (5), endogener Depression (3), reakt ive

Depression (3), T e n t a m e n suicidii (2), Arteriosklerosis cerebri (2) usw.

gibt die un tens tehende Tabelle AufschluB.

Ziemlich hohe Wer te fanden sich bei Ament ia , t r aumat i scher

Demenz, ur~mischer Psychose u n d in einem Fal l von Arteriosklerosis

cerebri, der durch Vi t ium cordis kompliziert war. Es scheint also aus diesen Beobachtungen hervorzugehen, dab

ein erhShter Bi l i rubingehal t des Serums bei den verschiedensten aku ten

Psychosen vorkommt . DaB sich bei den vielen Fal len yon Alkoholismus chronicus eine

t Iyperb i l i rub inamie land, darf n icht Wunde r nehmen. Von 12 Alkoho-

l is ten ha t t en alle e inen erhShten Wert , zum Teil l and sich sogar eine sehr

starke ErhShung. Zm grSBten Teil handel te es sich in diesen F~llen u m

Alkohol delirien. Dieser Befund ist in ~ b e r e i n s t i m m u n g mit der yon

Klippel, Bostroem u. a. gefundenen Urobi l inur ie bei a lkohol-del i ranten

Zust~nden.

Diagnose

Paranoide Demenz . . I-Iebephrenie . . . . . Katatonie . . . . . . ,,Psychopathie" . . . Manie . . . . . . . . Hysterie . . . . . . Tentamen Suicidii . . Endogene Depression. Reaktive Depression . Imbezillitas . . . . . Epilepsie . . . . . . Potatorium . . . . . Dipsomanie . . . . . Pathologischer Rausch Dementia paralytica . Cocainismus . . . . . Morphinismus . . . . Veronalintoxikation.. Encephalitis . . . . . Amentia . . . . . . . Traumatische Demenz

Schlesingersche Reaktion

4 8 2 1 0

- - - - : : ~ : - -

1 1

i 1

1

1

Reaktion des Hymans v. d. Bergh

1 / l o o o o o fiber 1 his

~/lOOOOo I flo~ooo ~ = ~

1 1

1

1

i

-i

1/~ooooo ~'/~ooooo x bis 1 bJs unter I~,~ o~oo I~,~__o.o ~hoo ooo

~ ~

2 ~ 1 2 1 1

1

1

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500 D. Schrijver und S. Schrijver-Hertzberger:

Erw/~hnenswert ist noch, dal~ ein echter Dipsomaner eine starke Hyperbilirubinamie hatte, w~hrend ein Pseudo-dipsomaner, der viel Alkohol zu sich genommen hatte, einen nur wenig erhShten Wert hatte. Desgleichen fanden sich in 2 Fallen yon p~thologischem R~usch etwas erhShte Werte.

Auch bei P~r~lyse land sich oft eine Hyperbilirubin~mie. Diese Tatsache ist -- insoweit der Lues selber ohne Einflul~ geblieben

ist -- vielleicht erkl~rlich aus der Salvarsanbehandlung, die in einigen F/~llen schon vor Eintritt in die Klinik stattgehabt hatte.

Zur besseren ~]bersicht folgen hier zusammengefal~t unsere Schlul~- folgerungen:

1. In den fr/iheren diesbeziiglichen Arbeiten wird einerseits der Leber eine wichtige Rolle ffir das Zustandekommen der Psychose zuge- schrieben, w/ihrend andere Autoren keine LeberstSrungen finden kSnnen.

2. Urobilinurie und Urobilinogenurie kommen in den st~rkeren Graden 5fter vor bei Schizophrenen wie bei Nicht-Schizophrenen; negativer oder schwacher Ausfall der Reaktion ist seltener bei Schizo- phrenen.

3. Die niedrigen stalagmometrischen Quotienten im Urin sind bei den Schizophrenen mehr frequent. Bei den Schizophrenen ist die Oberflachenspannung des Harris -- allerdings nur in geringem Grade -- erniedrigt.

4. Die Bilirubinwerte im Blut sind bei den Schizophrenen hoch. Eine sehr starke Bilirubin-ErhShung ist Ausnahme.

5. Die Schlesingersche Urobilin-Reaktion im Serum war bei den Schizophrenen stets negativ.

6. Bei den verschiedenen Reaktionen zeigen sich die st/~rkeren Reaktionen meist bei den Katatonen und Hebephrenen. Die dies- beziiglichen Unterschiede zwischen den einzelnen Untergruppen sind nicht so grol~ wie diejenigen zwischen Schizophrenen und Nicht- Schizophrenen.

7. In den F/~llen yon Katatonie, die mit st/~rker ausgesprochenen St~rungen der extrapyramidalen MotilitKt einhergingen, liel~en sich mit den yon uns benutzten Proben keine Abweichungen aufdecken.

8. Die ~ l l e mit den st/~rkeren LeberstSrungen zeigten 5fters im Verlaufe der Erkrankung eine gewisse Periodizit/~t.

9. Von den akuten Psychosen zeigten die verschiedensten ~'o,rmen Hyperbilirubin/~mie und Urohilinurie.

10. Ftir die Beantwortung der Frage, inwieweit die aufgedeckten LeberstSrungen zur Schizophrenie in Beziehung stehen, mu$ mit in Rechnung gezogen werden, dal~ die untersuchten Kranken Juden sind und da$ ihnen manchmal Hypnotika verordnet sein mSgen.

Page 30: Untersuchungen über leberfunktion bei schizophrenen

Untersuchungen fiber Leberfunkt ion bei Schizophrenen. 501

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