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(Aus dem Pharmakologischen Institut der Universitit P~cs [Ungarn].) Untersuchungen iiber Muskelkontraktion. IV. Mitteilung. u und Arbeitsleistung. Von E. Ernst. Mit 4 Textabbildungen. (Eingegangen am 8. Februar 1926.) I. Einleitung und Methodik. Es wurde gezeigti), dab die Volumverminderung in einer Kontrak: tionsreihe fortwiihrend abnimmt und falls Ruhepausen eingeschaltet sind, die neue Volumverminderungsreihe mit grSBeren Werten anf~ngt, als mit welchen die vorige beendet wurde. Schon damals wurde diese Erscheinung mit der Ermiidung in Zusammcnhang gebracht, zeigen doch die einzelneu Kontraktionsh6hen in Ermiidungskurven dassclbe Ver- halten. Wenn dies in der Tat der Fall ist, so mul~ die Volumvermin- derung mit der Kontraktion in irgendeinem engen Zusammenhang stehen. Ob diese Folgerung zu l~echt besteht, und um diesen Zusammen- hang zwischen Volumverminderung und Kontraktion bzw. Arbeits- leistung zahlenmhl]ig zu priifen, war der Zweck nachstehender Unter- suchungen. Um Volumverminderung und mechanische Leistung bei ein und derselben Kontraktion desselben Muskels vergleichen zu kSnnen, be- durften wir eines Apparates, welcher so klein ist, dab er innerhalb meines Volummessers (Mitt. 1) Platz findc und dazu geeignet sei, dab der Muskel an ihm eine Arbeit zu leisten vermag, und dab die GrS~e dieser Arbeitsleistung bestimmt werden kSnne. Zu diesem Zwecke wurde folgende Einrichtung getroffen (siehe Abb. l a). Das Instrument besteht aus einer unteren 8 cm langen (uP) und einer oberen (oP) Metallplatte. Letztere ist etwa um ~/3 kfirzer als die untere, steht parallel in der tt6he yon 1 cm fiber der unteren Platte und ist mit derselben an eincm Ende durch eine kleine Platte (p) verbunden; am vorderen Ende geschieht die Ver- bindung der Platten durch 2 kleine Metallspangen. An die Mitte der kleinen 1) Pflfigers Arch. f. d. ges. Physiol. 209, 613. 1925.

Untersuchungen über Muskelkontraktion

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(Aus dem Pharmakologischen Institut der Universitit P~cs [Ungarn].)

Untersuchungen iiber Muskelkontraktion. IV. Mitteilung.

u und Arbeitsleistung.

Von E. Ernst.

Mit 4 T e x t a b b i l d u n g e n .

(Eingegangen am 8. Februar 1926.)

I. Einleitung und Methodik.

Es wurde gezeigti), dab die Volumverminderung in einer Kontrak: tionsreihe fortwiihrend abnimmt und falls Ruhepausen eingeschaltet sind, die neue Volumverminderungsreihe mit grSBeren Werten anf~ngt, als mit welchen die vorige beendet wurde. Schon damals wurde diese Erscheinung mit der Ermiidung in Zusammcnhang gebracht, zeigen doch die einzelneu Kontraktionsh6hen in Ermiidungskurven dassclbe Ver- halten. Wenn dies in der Tat der Fall ist, so mul~ die Volumvermin- derung mit der Kontraktion in irgendeinem engen Zusammenhang stehen. Ob diese Folgerung zu l~echt besteht, und um diesen Zusammen- hang zwischen Volumverminderung und Kontraktion bzw. Arbeits- leistung zahlenmhl]ig zu priifen, war der Zweck nachstehender Unter- suchungen.

Um Volumverminderung und mechanische Leistung bei ein und derselben Kontraktion desselben Muskels vergleichen zu kSnnen, be- durften wir eines Apparates, welcher so klein ist, dab er innerhalb meines Volummessers (Mitt. 1) Platz findc und dazu geeignet sei, dab der Muskel an ihm eine Arbeit zu leisten vermag, und dab die GrS~e dieser Arbeitsleistung bestimmt werden kSnne. Zu diesem Zwecke wurde folgende Einrichtung getroffen (siehe Abb. l a).

Das Instrument besteht aus einer unteren 8 cm langen (uP) und einer oberen (oP) Metallplatte. Letztere ist etwa um ~/3 kfirzer als die untere, steht parallel in der tt6he yon 1 cm fiber der unteren Platte und ist mit derselben an eincm Ende durch eine kleine Platte (p) verbunden; am vorderen Ende geschieht die Ver- bindung der Platten durch 2 kleine Metallspangen. An die Mitte der kleinen

1) Pflfigers Arch. f. d. ges. Physiol. 209, 613. 1925.

E. E rns t : Untersuehungen fiber Muskelkontraktion. IV. 1 4 5

Pla t te (p) ist dureh eine Sehraube (Nch) eine Feder (F) befestigt, welehe vorne in einem Haken th) endet. An diese Feder ist ein Zeiger (Z) angel6tet, welcher durch den Spalt t0t der oberen Pla t te geht und rechtwinklig[abgebogen in einem

z oP N

cZ zzP

, Z 0 oP

i, r~71~ ,i,~i, ,l,,l,rl. i,,I,,i, ~ ~ ,~ C

Abb. 1 a--c, Arbeits- und Spannungsmesser.

horizontalen _~stchen endet, welches als Zeiger etwa 1 mm fiber der P la t te an einer in 0,5 mm geteilten Skala (S) sich bewegt. (Abb. lb) . Am vorderen freien Ende der unteren Pla t te ist ein starker t t aken (H) angelStet. Der Gastrocnemius wird zwischen den Haken h und H ausgespannt; der Nerv (N) des Pr~parates zu den Reiz- Yr elektroden des Volummessers geffihr~. Wenn 75o5 der Muskel zuckt, zieht er an der Feder und der Zeiger bewegt sich fiber der Skale, an welcher die Lange seiner Exkursion abgelesen werden kann. Die Feder wurde vor den Muskelversuehen geeieht; Abb. 2 11o0 zeigt das Ergebnis der Eichung. Beispiel: Wenn die Anfangsspannung des Gastro- ~o0~ enemius 1 mm betr~gt und der Zeiger bei 9oo der Zuekung bis zu 4 mm ausweicht, so ist die Arbeitsleistung aoo

7 1 0 - 4 1 6 5 . 1 -- 1338g /mm 1) 7o0 2 2

da nach der Abb. 2 einer Ausweichung des 5~176 I Zeigers yon 1 bzw. 4 mm 165 bzw. 710g 500 Belastung entsprechen2).

Die zweite Art der mechanisehen ~ul]e- qo0 rung der Muskelkontraktion ist die Span- 300 nungsentwicklung. Aueh deren Verlauf 2od sollte mi t dem der Volumverminderung verglichen werden. Zu diesem Zweek muBte 70o selbstverstandlich eine st~trkere Feder an- gewendet werden, welehe nur kleine Ex- kursionen ausffihrt. U m die Exkursionen gut ablesen zu kSnnen, wurde an den (Abb. 1 c) Zeiger Z 1 ein Arm angebracht

1) Lagt sieh die Eichungskurve durch ~2

ist die Arbeitsleistung gleich f a x dx , was Resul ta t ffihrt, x~

2) Vgl. Hill, Journ. of physiol. 46, 448. 1913.

Pflfiger2 Archly f. d. ges. Physiol . Bd. 213.

"I 2 3 ~ 5 6 Ymzl

-7

l

Abb. 2. Eichungskurve des Arbeits- messers. Ordinate: Belastung der Feder in Gramm. Abszisse: Liingen~nderung

der Feder in Millimeter.

die Gleichung y = a x ausdrficken, so

gleichfalls zu dem oben angeffihrten

10

146 E. Ernst :

(A), an welchem ein zweiter Zeiger (Z 2) befestigt war; letzterer war um eine Achse drehbar, so da$ die Exkursionen des ersteren Zeigers Z 1 etwa 6fach ver- grSl~ert wurden; die vergr6Berten Exkursionen konnten an der Skale ($2) abgelesen werden. Auch diese isometrische Feder (d. h. die Exkursionen der Zeiger) wurden geeicht.

Die ganze Einrichtung wird mit dem Muskel in den Volummesser eingelegt; alles iibrige gesehieht so, wie es in Mitteilung I gesehildert wurdel).

Es bleibt noch tibrig die Fehlergrenzen der Methode zu besprechen. Da bei den beiden Federn Verlangerung und Belastung eine gute Proportionaliti~t zeigen, so ist nut der Fehler des Ablesens in Betracht zu ziehen, und zwar handelt es sieh hier um die raschen Verschiebungen des Wasserniveaus und der Zeiger an Milli- meterskalen. Wtirde es sich also immer nut um die Beobachtung einzelner Ex- kursionen handeln, so hatte man alas Recht anzunehmen, dab dieser einzige Fehler, namlieh die Ungenauigkeit der einzelnen Ablesungen ausgegliehen wird, falls viele solche in Betraeht gezogen werden. Anders steht die Sache, wenn es sich um Ab- lesung ganzer Zuekungsreihen handelt. Die wahrend der Kontraktion sich ent- wickelnde Wi~rme verursacht namlich eine VolumvergrS$erung, welche sich in einer entgegengesetzt gerichteten Verschiebung des Wassermeniscus kundgibt, als jene, welehe durch die bei der Kontraktion stattfindende Volumverminderung hervorgerufen wird. Da abet diese Volumverminderung bei jeder Reizung ruek- weise in sehr kurzer Zeit ablauft, so kann sie dutch die kontinuelle Warmever- schiebung nut um jenen kleinen Betrag vermindert werden, welcher auf diese kurze Zeit fallt. Allerdings nimmt die W~rmeentwicklung in einer Zuckungsreihe stetig zu, so da$ die aus Volumverminderung stammenden Meniscusverschiebungen mit zunehmenden Betragen verkleinert werden, nachdem abet diese Reduktion selbst in den extremsten Fallen hie mehr als 1--2 Skalenteile ausmaeht, so vermag sie den Verlauf der Exkursionen des Meniscus in einer Ermtidungsreihe in keinem nennenswerten MaSe zu entstellen.

II . Versuchsergebnisse. Wie schon eingangs erw~hnt, haben vorliegende Unte rsuchungen

2 Ziele: Es sollte einerseits festgestellt werden, ob ein Zusammenhang zwischen Volumverminderung und meehanischer Leis tung des Muskels bes teht ; anderseits wenn dies der Fal l ist, denselben auch zahlenm~6ig zu bes t immen.

a) Was den erw~hnten Zusammenhang im allgemeinen betrifft, so wurden mi t der oben beschriebenen Appara tu r Versuche angestellt, in welchen der Ablauf der Volumverminderung mi t jenem der Arbeits- leistung bzw. Spannungsentwicke lung in einer Kontrakt ionsre ihe ver- glichen werden konnte . Zu diesem Zweck kamen die kleinen Appara te in den Volummesser u n d e s wurden gleichzeitig yon 2 Beobachtern die Exkurs ionen des Meniscus einerseits, die des Zeigers anderseits beob- aehtet und vermerkt2).

Es seien 2 solche Versuche graphiseh wiedergegeben (vgl. Abb. 3 und 4). Die Abszissen bedeuten die Zeit 3), die Ordinaten die Exkur-

1) 1. c. 2) Nachdem alle 2 Sek. eine Reizung erfolgte, so erwies sich hierzu als sehr

zweckmaBig der sog. ,,Dictaphon"-Apparat, den ich verwendete. 3) Die Ruhepausen wurden zwecks Raumersparnis verktirzt wiedergegeben.

Unte r suchungen fiber Muskelkontraktion. IV. 147

s i o n e n d e s W a s s e r m e n i s c u s ( u n t e r e K u r v e n ) , bzw. d ie A r b e i t s l e i s t u n g

in g / m m , o d e r die S p a n n u n g s e n t w i c k e l u n g i n g (obere K u r v e n ) .

Wie zu ersehen ist, zeigen Volumverminderung und mechanische Lei- stung des Muskels in der Tat einen ziemlich parallelen Verlau/ w~ihrend

Iplllllllll lJIllilII II[lIIiiIi,

Zeit

hhlh,u,lh, 5'

I,,, IJllJ,l,, , , , , , II,l,, .... 3 ~ J~

Abb. 3. Graph i sche Dars te l lung der Arbe i t s le i s tung bzw. V o l u m v e r m i n d e z u n g der e inzelnen isotonisel~en K o n t r a k t i o n e n einer Zuckungsre ihe . Re i z ung alle 2 Sek.

Oben : Arbei ts le is tung O r d i n a t e : ~ m m = 200 g /mm. Un ten : V o l u m e n v e r m i n d e r u n g . Ord ina t e : 3 m m = 0,0045 cram+

+ L[LLIIIIIII III I ill,, 1 , 11 . . . . it z : I : . , : z l~ m . . , , m J , I . . . . ' . . . ' , : : . , Zei/ 5'

Ilml III ~ il ! i l l l I i lhimhlIHimi, , , , , . , , ! .... i l m i H m , . , , , , , ~ Zeit 5'

Abb, 4. Graphisehe Darst, el lung der Spannungs le i s tung bzw. V o l u m v e r m i n d e r u n g der einzelnen i++ometrisehen K o n t r a k t i o n e n einer Zuekungsreihe . l~eizung mile 2 Sek. Oben: 8pannung . Ordina+e: 3 mm = 50 g. Unten Volumverminderung. Ordinate : 8 mm ~ 0,0045 emm. Die unterbroehenen

Linien bedeuten, dal~ die l~eizung keinen Effekt hatte.

10"

148 E. Ernst :

einer Zucloungsreihe, was zweifel los auf e inen engen Z u s a m m e n h a n g de r

V o l u m v e r m i n d e r u n g m i t de r m e c h a n i s c h e n B e t ~ t i g u n g des Muskels hin-

weis t . b) I m fo lgenden soll de r q u a n t i t a t i v e Z u s a m m e n h a n g zwischen me-

c h a n i s c h e r L e i s t u n g u n d V o l u m v e r m i n d e r u n g des Muske l s n~her be-

t r a c h t e t werden . Dies wi rd d a d u r c h ermOglicht , d a b zufo lge der o b e n

b e s c h r i e b e n e n E i c h u n g w i t in de r L a g e sind, aus d e n AusschlKgen d e r

Ze ige r d ie A r b e i t u n d S p a n n u n g , aus d c r V e r s c h i e b u n g des Wasse r - men i scus die V o l u m v e r m i n d e r u n g in a b s o l u t e n MaBen zu be rechnen .

W i r h a b e n n u n einige be i E i n z e l k o n t r a k t i o n e n g e w o n n e n e n W e r t e be-

r e c h n e t u n d in Tab . 1 u n d 2 z u s a m m e n g e s t e l l t u n d k o n n t e n s o m i t e inen

TabeUe 1.

~cwich~ I *us- Au~- r Versuchs- des Muskels weichung V o l u m - Anfangs- weichung J Arbeitsleistung des verminderung spannung des Zeigers

Nr. i1~ g Meniscus in cram in g in mm in g/ram n _

1 1 1 2 2 5 5

14 14 151 ) 15 15 15 16 16 16 16 16 16 17 17 17 18 18 19 19 19 19 19 19

1,5 1,5 1,5 1,2 1,2 2,05 12 2,05 1,2 1,2 1,4 12 1,4 10 1,4 1,4 2,5 11 2,5 lO 2,5 2,5 8 '2,5 '2,5 4 1,9 12 1,9 6 1,9 3 2,0 20 2,0 5 2,3 18 2,3 15 2,3 12 2,3 8 2,3 5 2,3 2

Zusammen . . . . . . .

0,0180 0,0135 0,0090 0,0315 0,0225 0,0540 0,0315 0,0180 0,0090 0,0540 0,0450 0,0270 0,0135 0,0495 0,0450 0,0405 0,0360 0,0270 0,0180 0,0540 0,02~0 0,0135 0,0909 0,0225 0,0810 0,0075 0,0540 0,0360 0,0225 0,0090

0,9990

8O 80 80

160 160 160 160 120 120 120 120 120 120 165 165 165 165 165 165 165 165 165 165 165 3O0 300 30O 30O 3OO 3OO

4 2,75 6 3,5 7 6,75 6 4,5 4 3

978 715 300

2000 1240 2422 1585 1040 305

2167 1755 1355 740

1936 2130 1~18 1512 I000 ~00

2610 1138 575

3110 I000 4078 3788 2918 1538 1158 533

48044

1) Die Vers. 1--14 sind mit einer anderen Feder ausgefiihrt, wie die spitteren.

Untersuchungen tiber Muskelkontraktion. IV.

Tabelle 2.

149

Volum- Spannungs- Versuchs- verminderung entwieklung

Nr~ in cmm in g

4 5

10 10 11 13 13 13 14 16 18

Gewicht Aus- weichung des Muskels des

in g Meniscus

1,5 15 2 12 2 10 2 7 2,1 15 1,7 8 1,7 5 1,7 2 1,2 5 2,5 12 2,1 18

Zus~mmen . . . . . . . .

0,0675 0,0540 0,0450 0,0315 0,0675 0,0360 0,0225 0,0090 0,0~25 0,0540 0,0810

0,4905

a n n e h m b a r e n Mittelwert feststellen.

A1)s- Anfangs- weichung spannung des

Zeigers Z~ in g in mm

50 15 380 9 380 10,5 380 8 180 12 380 8 380 6 380 2 180 8,5 380 12 380 15

1000 600 700 535 800 535 400 135 565 800

1000

7070

0,02 cram Volumverminderung ca. 0,001 kg/m Arbeitsleistung und etwa 300 g Spannungsentwickelung /allen.

Wir m6chten n icht unerw~hnt lassen, dab die aus unseren Versuchen berechnete mechanische Leis tung des Muskels mi t den Angaben anderer Forscher recht gut f ibereinst immt, nachdem Hill 1) fiir die Arbci ts leis tung pro g Muskel bei einer Reizd~uer von 0,1 Sekunde den max ima len Wer t yon 0,0013 kg/m 2) l and und Snyder und Gemmil 3) pro Gramm Muskel

bei einer isometrischen Kon t r ak t i on Spannungen von 300--600 g fest- stellten.

Die theoretische Deu tung des festgestell ten Zusammenhanges zwi- schen Volumverminderung und mechanischer Leis tung soll erst nach der Mit tei lung weiterer Versuchsergebnisse gegeben werden.

I I I . Theoretisches zur Quellungstheorie.

W e n n auch - - wie gesagt - - die Besprechung der theoret ischen Deu- t ung obiger und schon frfiher mitgetei l ter Versuchsergebnisse erst sparer erfolgen soll, k a n n es doch nicht unter lasscn werden, einige Folgerungen beziiglich der Quellungstheorie aus meinen Ergebnissen zu ziehen, u m so mehr, da 6fters der Meinung Ausdruck gegeben wurde, da~ die Quel- lungstheorie der Muskelkont rakt ion auch in quan t i t a t i ve r Beziehung den Tatsachen entspricht4). Es muB zuniichst darauf hingewiesea

1) Zitiert nach Ronas Berichte 10, 65. 1923. 2) In den oben angefiihrten Versuchen betrug die Reizzeit 0,1--0,4 Sek. 8) Amerie. jorun, of physiol. 73, 564. 1925. ~) Pauli, Kolloidchemie der Muskelkontraktion 1912. - - Wien. klin. Wochem

schr. 13. 1898. - - v. Fi~rth, Ergebn. d. Physiol. 17, 540. 1919.

Es ergibt sich daraus, dab au/

150 E. Ernst:

werden, dag Volumverminderung und Arbeitsleistung bzw. Spannungs- entwickelung einen ungefiihr parallelen Ablauf zeigen, also wahrsehein. lieh von einem gemeinsamen Vorgang bedingt sind. Fiir den Vorgang der Volumverminderung konnte aber -- wie mir scheint -- wahrsehein- lieh gemacht werden, dab sie nicht aus Quellung stammt, und so er- waehsen daraus Bedenken, ob die beiden mit ihr parallel verlaufenden mechanisehen Erscheinungen durch Quellung verursaeht sind.

Dessenungeachtet soll aber im folgenden versueht werden, aus der Quellungstheorie heraus dig quantitativen Verhitltnisse der Muskel- kontraktion abzuleiten. Wollen wir digs tun, so muB vor allem gefragt werden, welehe Theorie der Quellung als Grundlage dienen soll~ da doeh bekanntlich 3 verschiedene Hypothesen das Wesen der Quellung zu erklgren suehen, und zwar die Hydratations-1), die Adsorptions- und die LSsungstheorie von welehen allerdings heute nur die beiden letz- teren im Vordergrund der Diskussion stehen~). Nachdem selbst Fre,und- lich und Posn]a/c ~) fiir die spateren Perioden der Quellung die Giiltig- keit der LSsungstheorie zulassen, andererseits Katz 4) auf Grund dieser Theorie, als Arbeitshypothese zu vielen wertvollen experimentellen und theoretischen Ergebnissen gelangte, werden auch wir uns bei Dureh- fiihrung unserer l~eehnungen auf den Standpunkt dieser Hypothese stellenS).

Wenden wir zuerst unsere Aufmerksamkeit der experimentell er- haltenen Arbeitsleistung zu. Fiir die freie Energie des Quellungsvor-

1252. h~ ganges bei Zimmertemperatur gilt dig Formel E = - - i ~ - l o g ~ " 6), wo

E die Arbeitsf~thigkeit in cal, ]h und h~ die relative Dampfspannung im Zustande 1 und 2 bedeutet, wenn inzwisehen vom kontinuierlich quel- lenden KSrper 1 g Wasser aufgenommen wurde. Bei der Muskelkon- traktion bedeutet also h 1 die relative Wasserdampfspannung im arbeits- liefernden Tei]e des Muskels vor der Kontraktion, h~ dieselbe im Sta- dium der Acme. Es ergibt sieh nun die Frage naeh dem Wert yon ]h

1) Z .B . Rosenbohm, Kolloidchem. Beih. 6, 183 und 191. 1914. ~) Freundlich, Capillarchemie III. Teil. S. 508. 1909. - - Wo. Ostwald, Grund-

rib der Kolloidchemie 1909, S. 376 und 389. - - H6ber, Physikalische Chemie der Zellen und Gewebe. 1922, S. 252.

3) Kolloidchem. Beih. 3. 1912. Autoren behaupten (S. 456) ,,daft die Quelhmg ein wesentich capillarer Vorgang ist", doch geben sie zu, dab (S. 454) ,,mOglicher- weise.., bei kleineren Drucken die lbsende Wirkung mchr und mehr hervortritt."

4) Ergebn. d. exakt. Naturwiss. 3, 316-404. 1924. und 4, 140--210. 1925. - - Kolloidchem. Beih. 9, 1--182. 1918.

5) Kirchho] (Kolloidchem. Beih. 6, 21. 1914) schreibt: ,,Die Qucllung stellt sich als Summe zweier Vorg/mge dar, welche sich aus Imbition (capillare Auf- saugung) und LSsungsqucllung zusammensetzt. Letztere iiberwiegt erstere um das Zehn- bis tIundertfache."

6) Katz, 1. c.

Untersuchungen fiber Muskelkontraktion. IV. 151

der anisotropen Schichten ? Betreffs der relativen Dampfspannung (h) gilt AB

die Formel RT l n h - _ _ 1), wo A und B Kons tan ten sind, (B -t- i) 2

i den Quellungsgrad bedeutet , ausgedriickt in Vielfachen der Trockensub- stanz. Um also h a berechnen zu kOnnen, miil~te man den Wassergehalt der Fibrillen kennen~), daraus entspringt jedoch die weitere Frage nach dem Aggregatzustande derselben. Von Biedermann a) werden yon phy- siologischer Seite die Meinungen yon Jensen*, Rhumbler*, Biitschli*, Pauli, Bernstein, Ki~hne*, Henle, Engelmaun, Albrecht, Haidenhain, Hi~rthle, Verworn*, Naegeli, v. Ebner, van Gehuehten, Boruttau*, Imbert* und yon physikalisch-chemischer Seite diejenigen yon Plateau, Gra- ham, Nernst, Lehmann, Quincke, Mach, Brewster angefiihrt, und nach Besprechung ihrer Ansehauungen fiihlt er sich nicht berechtigt, auf diese Frage eine best immte Antwor t zu gebcn. Pauli, der hervorragende Verfechter der Sgurequellungstheorie, ist der Ansicht : ,,dub die Fi- brillen F i d e n einer Iesten Gallerte darstellen", w ih rend v. Fi~rth, auch ein Vork impfer derselben Theorie, in seiner Neuformulierung dcr Quel- lungstheorie, wenn auch nicht expressis verbis, doch einen Iliissigen Inha l t annimmt, in welchem die Myosingranula Bottazzis schwebend eingeordnet wiren. Man kann es nieht verschweigen, dug in dieser Frage - - vom Standpunkte der Quellungstheorie aus beurteil t - - Pauli der konsequentere ist, da schon Bernstein 4) darauf hinwies, dug man naeh Annahme yon kleinen Einhei ten innerhalb der anisotropen Schicht (aus mechanischen Griinden) auch annehmen mug, dab sic ,,in der L ings r i ch tung durch elastische Elemente verbunden sind". Dann ha t man aber wenigstens ein Netz 5) in festem Aggregatzustande, und das Netz mug einen bedeutenden Teil der anisotropen Schichten ausmachcn.

Auf unsere Frage zuriiekkehrend, ist es zu beantworten, was fiir einen Wassergehalt die Fibrillen oder die anisotropen Schiehten haben. Ffir den Wassergehalt des Frosehmuskels findet man in der Literatur 76--80%6); da ich ihn oft fiber 80% erhielt, so stelle ich ira folgenden denselben mit 80% in Rechnung. Man mfigte weiterhin wissen, einen

i) Katz, 1. c. 2) Hier werden wh" yon den Komplikationen (Salzgehalt usw.) absehen. 3) Ergebn. d. Physiol. 8, 160--178. 1909. Die mit * bezeichneten Autoren

sind der Meinung, daI~ die Fibrillen einen flfissigen Inhalt haben, die anderen da- gegen nehmen einen festen Aggregatzust~nd an. (Diese Bemerkung bezieht sich nur auf die yon physiologischer Seite angefiihrten Forscher.)

4) Pflfigers Arch. f. d. ges. Physiol. 85, 300. 1901. 5) So nimmt neuestens Hill ein elastisches Netz im Muskel an. Ergebn. d.

Physiol. 22, 303. 1923. - - Siehe auch Meyerho], Naturwissenschaften 12, 1037. 1924.

e) Z.B. Textbook of physiol. E. A. Sch~fer I, 95. 1898. - - Pflfigers Arch. f. d. ges. Physiol. 92, 137. 1902.

152 E. Ernst :

wie groBen Teil der Muskelmasse die Fibrillen bilden; nehmen wit ffir dieselben -- usa den Mittelweg einzuhalten -- 35% der gesamten Muskelsubstanz 1) in Anspruch. Wenn wir nun dem fibrigen, 65% be- tragenden Muskelanteil im allgemeinen 90~ Wassergehalt zuschreiben

M - 6 5 90 M . 3 5 x M . 8 0 undMuskel = M setzen, soist 100 100 ~- 10 - -0 -" 100 100 und

daraus x =- 61. Die Fibrillen enthalten also ca. 61~o Wasser, was nichts anderes bedeutet, dab der Wassergehalt der anisotropen Schicht (39: 6] = 100: x) ca. 150% ihrer Troekensubstanz ausmaeht2). Wenn dem aber so ist, so dfirfte ich vielleicht darauf hinweisen, da6 die quellungs- f~hige Substanz der FibrillGn mit dem ihr zu Gebote stehenden Wasser bereits gequollen ist. Wenn man n~mlich sagt, dal3 ,,dig Fibrillen F~iden einer festen Gallerte sind", so mul~ man -- wie es mir scheint -- auch sagen, daf~ diese Fibrillengallerte mit dem ca. 150~o betragenden Wasser gequollen ista). Wir sind also zur ungef~hren Beantwortung unserer ersten Frage nach dem Wassergehalt der Fibrilleu angelangt : die aniso- tropen Schichten dfirften ca. 150~ Quellungswasser enthalten, bevor sie die arbeitsliefernde weitere Quellung erleiden. Dah -- wie wir sahen -- eine gut definierte Funktion des Wassergehaltes, oder anders aus- gedrfickt, des Quellungsgrades i isL (wo i den Wassergehalt in Viel- fachen der Trockensubstanz bedeutet), so wiirde man erwarten, da6

A B man dureh diese Funktion yon der Gestalt R T l n h - die

(B § i) ~ gesuGhte WassGrdampfspannung h 1 des betreffenden Muskelanteiles be- rechnen kOnnte. Dazu mfi6ten wir aber die Konstanten A und B kennen, welche bekanntlich nur durch Experimente ermittelt werden kOnnen; Versuche fiber die Quellung der Fibrillen anzustellen, ist aber unmSglich. In solehen Versuchen quillt ja der ganze Muskel mit seinen verschieden strukturierten Teilen, mehreren Membranen usw.~). Da man auf diesem Wege niGht weiterkommen kann, so soil es versucht werden, mit einer indirekten Rechnung unsere Frage zu beantworten.

Es erscheint als einzige MOglichkeit, einen KOrper, dessen Quellungs- vorggnge gut bekannt sind, als Analogon heranzuziehen und durch Vergleich seines Quellungsmaximums mit dem der Fibrillen, jenen Quellungsgrad zu bestimmen, welcher ffir diesen KSrper demjenigen entspricht, welchen wir ffir die Fibrillen gefunden haben, n~tmlich 150% Wasser. Dann werden wir versuchen, in Kenntnis der Konstanten

1) Siehe z.B. Hi~rthle, Pfliigers Arch. f. d. ges. Physiol. 1~6, 52. 1909. --- Bethe, Pfliigers Arch. f. d. ges. Physiol. 199, 491. 1923.

") Selbst wenn man das Absurde voraussetzcn wfirde, da6 das Sarkoplasma aus lautcr Wasscr besteht, wiirde diese einfache Rcchnung fiir den Wassergehalt der anisotropen Schicht etwa 750/0 der Trockensubstanz ergebcn.

3) Vgl. Wiemeyer, Pfliigers Arch. f. d. ges. Physiol. 166, 247. 1917. a) Vgl. Overton, Pfliigers Arch. f. d. ges. Physiol. 9~, 135. 1902.

Untersuchungen fiber Muskelkontraktion. IV. 153

dieses Vergleichk6rpers jene Gr6Ben zu berechnen, um welche es sieh bei der Muskelkontraktion handelt. Um aber diese Rechnung -- welche selbstverst~ndlich f/ir die Muskelkontraktion keinen realen Wert be- anspruchen soll -- durchfiihren zu k6nnen, mfissen wir erst das Quel- lungsmaximum der Fibrillen kennen. Wir gelangen somit zu einer wei- teren Sehwierigkeit, well wit zu einer genauen Kenntnis dieses Quel- lungsmaximums weder rechnerisch noch experimentell gelangen k6nnen. Es fragt sich aber, ob wir durch die uns zu Gebote stehenden Daten einen Ann~herungswert desselben erhalten k6nnen ? Loeb 1) berichtet, dab er eine 27proz. Wasseraufnahme yon Frosehgastrocnemien aus milch- s~urehaltiger isotonischer NaC1-L6sung nach 18 Stunden gefunden hat. Arnold ~) land in 24 Stunden eine ca. 30% ausmachende Wasserauf- nahme der Muskeln yon frisch get6teten Kaninchen und Hunden, wenn das Quellungsmedium Milchs~ure enthielt, das Maximum wurde in den ersten 9 Stunden erreicht, v. Fi~rth und Lenl~3) beobachteten eine 100 bis 150% betragende Wasseraufnahme in 24--100 Stunden; das Quel- lungsmedium enthielt jedoch nur S~ure, so dab es bedeutend hypo- toniseh war. In meinen Versuchen, yon denen einige in der I I . Mit- teilung 4) enthalten sind, hatten die Froschmusketn fast nie mehr als 55% Wasser aus einer 1,5% mflchs~urehaltiger Ringerl6sung aufge- nommenS). Wenn wir nun beachten, dab der ausgespannte Musl~el, wie es in Mitteilung I I gezeigt wurde, bedeutend weniger quillt als der unge- spannte, und daft dutch das Ausspannen des Musbel8 der Fibrillenanteil bei weitem am st~irlosten am Quellen gehindert wird, dann di~r[cn wit den weitaus gr61~eren Tell des Quellungswassers, welches yon ]rischen Muskeln au/genommen wird, den Fibrillen zuschreiben6). So wird man vielleieht keinen zu grobea Fehler machen, wenn man auf Grund obiger Ver- suchsresultate den Fibrillen des frisehen Muskels eine solche Quellbar- keit zusehreibt, dab sie noch eine etwa 45% des ganzen Muskels be- tragende Wassermenge aufnehmen k6nnen. Damit w~re ihr Quellungs- maximum erreicht. Wieviel macht dies nun aus ? Die Fibrillen betragen etwa 35~o der gesamten Muskelmasse, ihr Trockensubstanzgehalt be- tr~gt 40%; diese 40% machen ffir den ganzen Muskel (35:100 = x: 40) 14% aus. Das yon den Fibrillen noch aufgenommene Quellungswasser also, welches 45~ der gesamten Muskelmasse ausmacht, entspricht in

1) Pflfigers Arch. f. d. ges. Physiol. 69, 14. 1898. ~) Kolloidchem. Beih. 5, 411--426. 1914. 3) Bioehem. Zeitschr. 33, 341---380. 1911. 4) Pflfigers Arch. f. d. ges. Physiol. 213. 131. 1926. 5) Vgl. M. H. Fischer, Pflfigers Arch. f. d. ges. Physiol. 124, 69--99. 1908.

In den bier beschriebenen Versuehen nahmen Muskeln aus 1/s-n-NaC1-L6sung, welehe HC1 enthielt, 75~o Wasser auf. In tIC1 enthaltenden L6sungen quellen aber die Muskeln viel st/~rker als in den L6sungen mit Milehs/~uregehalt.

6) Siehe meine erw/i]mte Mitteilung II.

154 E. Ernst:

bezug auf die Trockensubstanz der anisotropen Schichten (100:14 --~ x :45) 320%. Die anisotrope Schicht, welche -- wie oben angeffihrt in der Ruhe Wasser von 150% der Trockensubstanz (i = 1,50) enth~lt, kann also noch 320~/o aufnehmen, so ist ihr maximaler Wassergehalt 470% der Trockensubstanz, oder mit anderen Worten ausgedriickt, ist im Stadium des Quellungsmaximums i = 4,7.

Fiir die Gelatine fand nun Katz das Quellungsmaximum bei i = 4,6, also ganz nahe jenem Wert, welchen wir fiir die Fibrillen berechneten; so entspricht i 1 (-- 1,50) der Fibrillen, ungefahr einem gleichen i 1 bei der Gelatine. Aus il kSnnen wir mit Hilfe der genannten Formel h 1 aus-

rechnen und erhalten -- 2935 log h 1 ~ 87,4.0,384 1) oder -- log �9 h 1 (0,384 -b 1,50) 2

~-- 0,00332. Nun miissen wir noch h e kennen; dazu is~ abcr die Kennt- his von i 2 Voraussetzung. Es is~ nun is = il -~ i, wo i die w~hrend der weitercn Quellung (hier: die w~hrend der Kontraktion) aufgenom- mene Wassermenge bedeutet. Um diesen Wert zu erhalten, mfissen wir erst cinen andcren Punkt des Quellungsvorganges n~her besprechen.

Die Zeit der steigenden Energic bei einer Kontraktion des Frosch- gastrocnemius kann zu ungef~hr 0,10 Sekunde angenommen werden, wcnn 1 g Muskel bei seiner T~tigkeit 0,001 kg/m Arbeitslcistung und 0,02 cram Volumverminderung aufweist, wic es oben bcreits bc- schrieben wurde. Es ist also zu fragen, wicviel Wasser yon dem quellenden KSrper mit dem Quellungsgrade i 1 - : 1,50 in 0,10 Sekunde aufgenommen wird. Man kSnnte nun einwenden, dal~ wir bei Hcran- ziehen der Gelatine a]s Analogon die quellungssteigernde Wirkung der S~ureentwicklung und der dadureh verursachten Ionisation des Muskel- eiweiBes nicht beriicksichtigt haben. Doch steht die Sachs nieht ganz so. Wenn man den Gastrocnemius des frisch getSteten Tieres -- um ihn quellen zu lassen -- in die Fliissigkeit einlegt, entwiekelt sieh ja im Muskel Milchs~ure, und augerdem befindet sie sich aueh im Quel- lungsmedium selbst2); die quellungssteigernde Wirkung der Shure ist also damit gesichert und kommt auch in der oben angedeuteten GrSBe des Quellungsmaximums des Muskels zum Ausdruek. Das Quellungs- maximum der Gelatins wurde aber mit der ann~hernd gleiehen GrSi~e in Rechnung gesetzt, als w i r e s ffir den in S~urelSsung gequollenen Muskel gefunden bzw. abgeleitet haben. Beztiglieh der quellungsstei- gernden Wirkung der Eiweil~ionisation gilt einerseits das eben Gesagte, anderseits liegt keineswegs die Berechtigung vor, sie ohne weiteres in Rechnung zu ziehen, nachdem Autorit~ten der Muskelphysiologie, wie

1) Da bei der Gelatine (siehe Katz, 1. c.) A = 87,4 und B = 0,384 ist. 3) In meinen Versuchen diente immer als Quellungsmedium 1,5 Prom. milch-

s~urehaltige Ringerl6sung ohne NaHCOa.

Untersuchungen fiber Muskelkontraktion. IV. 155

Meyerho/und Hill 1) die besonders yon Pauli und v. Fi~rth fiir die Muskel- kon t rak t ion zugeschriebene Rolle der Eiweii~-Ionisation gla t t zuriick- weisen und in neuester Zeit wird sogar gerade mi t Riicksicht auf die Verhgltnisse der Muskeleiweiftionisation die Sgurequellungstheorie als unha l t ba r bezeichnet 2).

I n Anbe t rach t der eben ausgeffihrten werden wit also unseren Rechnungsversuch auf Grund von Analogien fortsctzen, u m so eher, da kein anderer Weg uns zur Verfiigung steht. I n einer Arbei t yon Ho/meister s) l inden wir un te r anderen einen Versuch, in welchem der zcitliche Vcrlauf der Quellung von einer 0,395 m m dicken Agarplat tc beobachte t wird, bei dcren Quel lungsmaximum i = 4,54 ist. Das ist eine entsprechende Ana]ogie fiir die Fibr i l lenquel lung, wo - - wie ge- sagt - - das Quel lungsmaximum bei etwa i ~-4 ,70 liegt. Wir wollcn also wissen, wieviel Qucllungswasser cine Agarpla t te in 0,10 Sekunde aufnehmen wiirdc, wenn sic schon i I = 1,50 Wasser enthiel te und 0,001 m m dick w~re. Ho/meister selbst ha t te aus seinen Exper imenta l - ergebnissen keine solche Formel abgeleitet, wclche zur Bean twor tung dicser Frage direkt angewendct werden kSnntc. Pauli ~) formulierte

eine Gleichung, laut wclcher log m - i l c m - - i 2 = -d- (t2 - - tl)' wo m = Quel-

h n g s m a x i m u m , i 1 die zur Zeit t~ (in Minuten ausgedriickt), i 2 zur Zeit t 2 aufgenommene Wassermenge (in Vielfachen der Trockensubs tanz aus- gedrfickt), d --~ die Dicke des quel lenden KSrpcrs u n d c eine K o n s t a n t e

ist. I n diesem Fallc (ffir d ~ 0,001 mm) ist c ~ 0,023846 �9 395 ~ 9,4, d 0,10

m - - i 1 := 3,04, t 2 - - t 1 - - - - 0,00167, so ist log (m -- i2) ~ 0,48350 6O

- -0 ,01569 und m - - i 2 = N l o g - 0 , 4 6 7 8 1 - 2,94 odor m - - i 1 - i 2,94, also i ~ 0,10. Die Agarpla t te wfirdc daher im besprochenen

Zus tande die Wassermenge yon 0,10 ihrer Trockensubstanz aufnehmen.

Daraus ergibt sich i 2 = i 1 + 0,10, und so ist - - 2935 logh 2 ~- 87 ,4 .0 ,384 (0,384 ~- 1,6) 2

1) Ergebn. d. Physiol. 22, 299. 1923 und 24. 1925, wo Hill auf die Neutrali- sation der Milchs~ure, - - welcher Vorgang bekanntlich in die Zeit der Erschlaffung versetzt wird, --folgendes sagt (S. 46): ,,It seems to be necesary to assume (Meyer- ho/) that lactic acid is not neutralised directly by bicarbonate, or by other alkaline salts, but more probably by the sodium-protein compound of the tissue itself. This neutralisation of course liberates the weak protein acids which . . . . although only slightly ionised, will cause a small rise in the hydrogen ion concentration."

2) Siehe z. B. W6hlisch und Schriever, Zeitschr. f. Biol. 83, 282. 1925. - - Vgl. Hitchcoclc, Ergebn. d. Physiol. 23, I, S. 274. 1924 und auch Verzdr (zitiert Rona's Berichte 20, 281. 1923).

a) Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 2~, 395. 1890. 4) Pfliigers Arch. f. d. ges. Physiol. 67, 219. 1897. - - Ergebn. d. Physiol.

6, 105. 1907.

156 E. Ernst:

oder -- logh= = 0,00290. DiG genannte Formel der freien Energie

der fortsehreitenden Quellung E 1252 h E - l o g - - bezieht sich nun auf 18 h 1

den Fall, wenn die aufgenommene Wassermenge 1 g ist. Beim An- wenden dieser Formel miissen wir also den absoluten Betrag der vom quellenden System aufgenommenen Wassermenge kennen; aus den Zeitverhi~ltnissen erhielten wit aber nur, dag dig aufgenommene Wasser- menge 10~o der Troekensubstanz ausmaeht. Um zu erfahren, wieviel Gramm das ist, m/issen wir wissen, aus was tiir einer Gr61~e die 10~o auszureehnen sind, das ist, wir miigten kennen, ein wie groBer Brueh- teil der gesamten anisotropen Substanz wi~hrend einer Kontraktion teilnimmt. Obsehon wit dies nieht wissen, und dadureh wieder eine neue Sehwierigkeit sieh erhebt, wollen wit annehmen, dab an einer in Rede stehenden Kontraktion dig tti~lfte der gesamten anisotropen Sehiehten teilnimmt, also in 1 g Muskel 175mg; (S. weiter oben); der Troekensubstanzgehalt derselben ergibt sieh zu (100:39 : 175. x) 68rag; das davon aufgenommene, 10~o betragende Wasser also zu 6,8 mg.

Erst jetzt sind wir in der Lage, dM] wir naeh mehffaehen und bei weitem nicht zwingenden Voraussetzungen alle die Zahlenwerte haben, welehe zur reehnerisehen Bestimmung der geleisteten Muskelarbeit n6tig sind. Wenn wit diese Werte nun in die Formel einsetzen, so erhalten

wir E = --6'8. 1252 �9 0,00042, also log E == 0,29809 -- 4, und daraus 1000 18

E = 0,000198 cal. oder 0,000084 kg/m. Dies ist gegeniiber dem experi. mentell erhaltenen Wert yon 0,001 log/m ein so ger inger Betrag, daft er /iir die Arbeitsleistung nicht ernst in Betracht kommeu ~,ann.

Versuchen wir welter zu gehen und zu fragen, was ffir einen Druck das System ausiiben wfirde, wenn es in seinem weiteren Quellen be- hindert wird, oder -- im Falle der Muskelkontraktion -- wieviel Gramm Spannung bei einer isometrischen Kontraktion entwickelt wird. Dazu ist dig Formel _P = - -2935 logh geeignet. Wenn wit sie anwenden, erhalten wir ftir die Spannung P --- 2935 �9 0,00332 ~ 9,74 atm. oder ca. 10 000 g pro qcm. Wenn wir nun den gr6f3ten Quersehnitt des 1 g sehweren Gastroenemius zu 0,5 qem nehmen und daraus ffir die, in einer Kontraktion teilnehmenden Fibrillen etwa 0,10 qem reehnenl), so er- halten wi t rechneriseh 1000 g Spannung au] eine Kontrah'tion, gegeniiber den experimentell -- als max imum -- erhaltenen ca. 600 g.

Es kSnnte obigen Ausffihrungen entgegengehalten werden, dab die Rechnungsresultate mit den Versuehsergebnissen darum nicht stimmen,

1) Ieh finde keine andere M6glichkeit, um die Grammwerte der Spannung - - im Sinne der Quellungstheorie - - in Atmosph~renwerte umzurechnen.

Untersuehungen fiber Muskelkontraktion. IV. 157

A B weft die Fo rme l R T l nh - - (B d- i) 2 n ich t r icht ig angewendet wurde.

Die K o n s t a n t e n wurden ja aus Versuchen gewonnen, die sich auf eine viel fr i ihere Quel lungsperiode bezi+hen, als um welche es sich hier hande l t ; ihre aus j enen Versuchen sich e rgebenden W e r t e w&ren daher auf d ie sp&tere Quel lungsperiode n icht als gfiltig anzunehmen.

Zugegeben die R ich t igke i t dieses Einwandes , wollen wir nach einer anderen M6glichkei t suchen, um die Quel lungstheorie der Muskelkon- t r ak t ion q u a n t i t a t i v zu prtifen. Diese M6glichkei t e rg ib t sich aus de r Tatsache , daf~ die i - - h -Kurve ihren steil und m i t e inem W e n d e p u n k t s te igenden, also mi t einer raschen Wer t&nderung ver laufenden Tell bei a l len quel lenden K6rpe rn bekann t l i ch weir fr / iher durchl~uf t , als i ~ 1 wird und ihr we i te re r Verlauf a n n a h e r n d als eine Gerade angesehen werden kann . W i r dfirfen also in d iesem le tz te ren Gebie t die Wer t - gnderungen yon h denen yon i ungef~hr p ropor t iona l setzen. Es is t nun bei der Gela t ine fiir i ~ 0,641 h ~- 0,965 fiir i ---- 4,6 h ~ 1,0001); es en t sp r ich t also einer i -Xnderung vom Bet rage 3,959 eine h-Xnderung yon der Gr66e 0,035. Dureh A n n a h m e der P ropor t i ona l i t~ t e rha l ten wir also for i 1 ~ 1,50 h 1 ~ 0,97259 und f/Jr i~--~ 1,60 h 2 ~ 0,97347.

Daraus e rg ib t sieh E - 6,8 1252 .0 ,00040 zu 0,000189 cal. oder 1000 18

0,000080 bg/m~) ; und die isometrische Spannung, da P ~- 2935 �9 0,01208 35,22 atm. zu 3600 g.

Wi t sind also auch ohne Anwendung der Formel zu Rechnungsresul- taten gelangt, welche yon den Versuchsergebnissen in gleichem Marie ab- weichen.

Nehmen wir zur Grundlage der Rechnung die beobach te t e Volumverminderung , so k o m m e n wir zu fo lgendem Ergebnis . Der Muskel er l i t t , wie wir sahen, wahrend der K o n t r a k t i o n eine Volum- ve rminderung von etwa 0,02 e m m pro Gramm. l~ach Katz is t nun Vo lumverminde rung in ecm

= 1 - - 3 , 2 . 1 0 - s ; es mfiBte also nur als W/~rmeentwicklung in cal.

Quel lungswgrme3 ) 0,02 �9 10 -s bis 0 ,02- 10 - s 3 , 2 . 1 0 -s 10 ~3 , d . h . 0 ,020--0,007 cal.

w~hrend einer K o n t r a k t i o n ents tehen. D a wei terh in W~rmeen twiek lung und freie Ene rg i e bei der Quel lung ann~hernd gleieh sind, Mitten wi t

1) Katz, l.e. 3) Zu den beiden obigen Werten der ffeien Energie wfirde nach der Rechnung

eine Volumverminderung vom Betrage 0,000198.10 -3 bis 0,000198.3,2.10 -a bzw. 0,000189 �9 10 -3 bis 0,000189 �9 3,2 �9 10 -8 ecru oder etwa 2--6 �9 10 -4 cmm ge- h6ren, w&hrend d~s Experiment ca. 2 . 1 0 - ~ c m m lieferte.

3) Vgl. such v. Fi'~rth, Ergebn. d. Physiol. |~, 504. 1919.

158 E. Ernst: Untersuchungen tiber Muskelkontraktion. IV.

etwa 0,0085--0,0030 kg/m Arbeit erhalten miissen. Wir erhielten aber nur ca. 0,001 kg/ml).

So gelangten wir yon der Quellungstheorie ausgehend rechnerisch zu entweder bedeutend ]oleineren oder grd[3eren Arbeitswerten, je nachdem wir die Zeitwerte oder die Volumverminderung als Ausgangspunkt un- serer Rechnung w~hltr

Wenn wir diese Diskussion weiterffihrten, so miiBten wir in die Be- sprechung der W~rmeverh~ltnisse und der Thermodynamik der Quel- lung und der Muskelkontraktion nigher eingehen. Soweit mSchte ich indessen diesmal nicht gehen und wollte nur die 6fters ge~uBerte Be- hauptung, nach welcher die Quellungstheorie der Muskelkontraktion auch den quantitativen Verhi~ltnissen nach mit den Tatsachen fiberein- stimme, auf ihre Richtigkeit prfifen. Die bisherigen experimentellen Daten /and ich ]edoch nicht ]iir ausreichend, um die Quellungstheorie au/ die Musloelkontraktion quantitativ anwenden zu kdnnen. Daher war ich genStigt, durch Anwendung einer keineswegs zwingenden Analogie mit gut bekannten quellenden XSrpern jene GrSBen rechnerisch zu be- stimmen, um welche es sich bei der Muskelkontraktion handelt. Es er- gaben sich aber Betri~ge, welche -- wie wir sahen -- mit den Versuchs- ergebnissen keineswegs iibereinstimmten. Somit lsann man die Behaup- tung, daft die Quellungstheorie der Mus]oelkontraktion mit den Tatsachen quantitativ iibereinstimme, nicht als bestditigt betrachten, und s.ie muff auch meines Erachtens derzeit als unbeweisbar gelten.

Zusammen/assung.

1. Es konnte gezeigt werden, dab Arbeitsleistung bzw. Spannungs- entwieklung und Volumverminderung des Muskels in einer Zuckungs- reihe nahezu parallel verlaufen.

2. Einer Volumverminderung yon 0,02 cmm entsprechen im Mittel 0,001 kg/m Arbeit und etwa 300 g Spannungsentwicklung.

3. Es wurde der Versuch gemacht auf rechnerischem Wege die Richtigkeit jener Behauptung zu prfifen, nach welchcr die Quellungs- theorie fiir die Erscheinungen der Muskelkontraktion auch in quan- titativer Hinsicht ausreicht. Es konnte gezeigt werden, dab unsere Kenntnisse noch keineswegs geniigen, um diese Annahme beweisen zu kSnnen.

1) Diesem Wert (0,001 kg/m) entspr/~che andererseits eine etwa 2--7 �9 10 - 3 cmm betragende Volumverminderung. - - Es ist interessant, dab die wirklich beobachtete 0,02 cmm betragende Volumverminderung in bezug auf die gerechnete 6,8 mg betragende Wasseraufnahme einer 0,3proz. Volumverminderung entsprechen wtirde; dieser kleine Prozentsatz der Volumvernfinderung zeigt, dab es sich hier um eine weit fortgeschrittene Periode des Quellungsvorganges handeln mtil~te.