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77 Was bedeutet der Name Höxter? Von J. Dirichs Nach Dr. H. Krüg'ers umfassendem, gründlichem B>uche: Höxter und Corvey, nster 1931, lag Urhöxter, die zuerst Anfang des 9. Jahr - hunderts gelegentlich der Gründung des Klosters Corvey erwähnte Villa H u x 0 / e rials altsächsisches Dorf dort, wo allein eiin solches liegen konnte: an der Stelle der heutigen Stadt, auf dem stets hochwasserfreien Uferhöhenrücken bei de r Brücke, dem Rathaus und der Kilianikirche und zugleich an dem dortigen Weserübergang der uralten westöstlichen Heer- straße des Hell weges. Gemäß Krüger war die V i I I a H. keineswegs, wie man bisher zumeist glaubte, etwa als altsächsischer Ehl!zelhof die Vor- gängerin der Abtei und der durch sie lins Leben gerufenen Laiensiedlung, des einstigen Dorfes Corvey, in dem Stromwinkel am Hafen und an der sog. Plantage. Dieser war ja in frühgeschichtlicher Zeit 'Iloch flutgefähr- deter als< heute und deshalb gewiß unbesiedelt, und die karolingische Abtei in ihm war nur durch etwas höhere Lage und Ringmauern gegen mäßiges Hochwasser geschützt. Die Urkunden, auf die sich jene irrige linnahme stützte, sind als unecht oder doch wertlos erwiesen. Der früh- eisenzeitliche Grabfund am hochwasserfreien Rande des Höxterschen Geländerückens gestattet, an eine dortige Siedelung schon in ferner vor- geschichtlicher Zeit zu denken. Zu diesen Feststellungen Krügers stimmt trefflich die Deutung des Namens Höxter, zu der Verf. schon lange vor ihnen gelangte auf Grund der frühesten Formen und an Hand der beiden altgermanischen Dialekte, die an der Bildung der ältesten germanischen Schicht von Ortsnamen des niedersachsischen Raumes beteiligt sind: des Altsächsischen und Alt- friesbchen. Die frühesten Formen für H. lauten bei Förstemann-JeIling- haus "Altdeutsches Namenbuch", T. II Ortsnamen, im 9. Jahrhundert H u I 0 x ar i (mehrfach) und schon damals und besonders später H u xe r i, im 12. Jhd. - e r e.' Das von Anfa·ng an vorkommende H n / o x a r i a ist nichts als eine Latinisierung mittels der beliebten Stadt- und Ländernamenendung - i a von H u /0 x a r i mit - s ar i = alt- sächs. - s 0 r i Trockenheit, weibliches Abstrakt zum Eigenschaftswort -s 0 r, holsteinisch - s 0 r, neuwestfälisch san e r (Fürstenberg) = trocken, wie aItsächs. - d i u p i Tiefe zu d i u p tief etc., hochdt. Größe zn groß etc. A.sächs. so r i lebt noch hente in Schleswig-Holstein als S öhr e, das, wie jenes im Falle H u x 0 r i, mehrfach einen trockenen t Das einmalige Huxera einer lateiu. Urkunde des 12. Jhd. ist wohl nur der lat. von- wem-Fall statt des schon m.ndd. von-wem-Falles auf - e. 1 (j 'Vest fälische Zeltscl1rttt '. . . Quelle: Westfälische Zeitschrift 98/99, 1949 / Internet-Portal "Westfälische Geschichte" URL: http://www.westfaelische-zeitschrift.lwl.org

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Was bedeutet der Name Höxter?

Von J. Dirichs

Nach Dr. H. Krüg'ers umfassendem, gründlichem B>uche: Höxter und Corvey, Münster 1931, lag Urhöxter, die zuerst Anfang des 9. Jahr­hunderts gelegentlich der Gründung des Klosters Corvey erwähnte Villa H u x 0 / e rials altsächsisches Dorf dort, wo allein eiin solches liegen konnte: an der Stelle der heutigen Stadt, auf dem stets hochwasserfreien Uferhöhenrücken bei der Brücke, dem Rathaus und der Kilianikirche und zugleich an dem dortigen Weserübergang der uralten westöstlichen Heer­straße des Hell weges. Gemäß Krüger war die V i I I a H. keineswegs, wie man bisher zumeist glaubte, etwa als altsächsischer Ehl!zelhof die Vor­gängerin der Abtei und der durch sie lins Leben gerufenen Laiensiedlung, des einstigen Dorfes Corvey, in dem Stromwinkel am Hafen und an der sog. Plantage. Dieser war ja in frühgeschichtlicher Zeit 'Iloch flutgefähr­deter als< heute und deshalb gewiß unbesiedelt, und die karolingische Abtei in ihm war nur durch etwas höhere Lage und Ringmauern gegen mäßiges Hochwasser geschützt. Die Urkunden, auf die sich jene irrige linnahme stützte, sind als unecht oder doch wertlos erwiesen. Der früh­eisenzeitliche Grabfund am hochwasserfreien Rande des Höxterschen Geländerückens gestattet, an eine dortige Siedelung schon in ferner vor­geschichtlicher Zeit zu denken.

Zu diesen Feststellungen Krügers stimmt trefflich die Deutung des Namens Höxter, zu der Verf. schon lange vor ihnen gelangte auf Grund der frühesten Formen und an Hand der beiden altgermanischen Dialekte, die an der Bildung der ältesten germanischen Schicht von Ortsnamen des niedersachsischen Raumes beteiligt sind: des Altsächsischen und Alt­friesbchen. Die frühesten Formen für H. lauten bei Förstemann-JeIling­haus "Altdeutsches Namenbuch", T. II Ortsnamen, im 9. Jahrhundert H u I 0 x ar i (mehrfach) und schon damals und besonders später H u xe r i, im 12. Jhd. - e r e.' Das von Anfa·ng an vorkommende H n / o x a r i a ist nichts als eine Latinisierung mittels der beliebten Stadt­und Ländernamenendung - i a von H u /0 x a r i mit - s ar i = alt­sächs. - s 0 r i Trockenheit, weibliches Abstrakt zum Eigenschaftswort - s 0 r, holsteinisch - s 0 r, neuwestfälisch san e r (Fürstenberg) = trocken, wie aItsächs. - d i u p i Tiefe zu d i u p tief etc., hochdt. Größe zn groß etc. A.sächs. so r i lebt noch hente in Schleswig-Holstein als S öhr e, das, wie jenes im Falle H u x 0 r i, mehrfach einen trockenen

t Das einmalige Huxera einer lateiu. Urkunde des 12. Jhd. ist wohl nur der lat. von-wem-Fall statt des schon m.ndd. von-wem-Falles auf - e.

1 (j 'Vestfälische Zeltscl1rttt

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. . Quelle: Westfälische Zeitschrift 98/99, 1949 / Internet-Portal "Westfälische Geschichte" URL: http://www.westfaelische-zeitschrift.lwl.org

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Landstrich bezeichnet. 2 Dem a.sächs. 0 aus urgermanisch au entspricht hi er wie sonst altfriesisches a. Fries. sar trock'en = engI. seal' steckt auch laut Förstemann in Saarbeck bei Greven, 11. Jhd. S a r bi k i e, gegen­über S ö rb e k e 12. Jhd. mit a.sächs. so r. Der Bach, di e Beke dort ist eben wasserarm. Somit ist - s ar i unseres Namens (noch im 14., ja 17. Jhd. mit ursprünglich langem ulnd deshalb noch bewahrtem a H 0 x a r = Ho 'exari a.1271 : to Hnxere 1373) , dessen a neben 0 von -sori aus au anders kaum verständlich wäre, einer der s'eht -zahlreichen, Jäll1gst erkannten Friesismen in Ortsnamen des altsächsischen Gebietes. VgJ. bei H. Jellinghaus Die we·s tfälischen Ortsnamen 1896, 3. Auflage 1923. die Namen a'wf -I a vielfach neben einer Form auf altsächs. -10 (h) aus germanisch 1 a u h a = latein . 1 u c u s Hain, z. B. A 's 1 a n an der Di·emel sprachlich = A s Ion, Asseln bei Paderborn = Ascloon, Asseln b. Unna = (zu den) A s k -loh e n, den Eschenhainen ; ferner ziemlich häufiges As t (e n) - neben Ost (e n) - "Ost(en)-", l. B. Ast hem 9. Jhd. = Ostheim b. Warburg; Adike n-hu s um a. 889 = A u t e n h u sen a. 1438 = Ottenhausen Kr. Höxter, plattdeutsch Au t ·e n sen mit Wesfall von fries. A d i k a bzw. a.sächs. ° t (t) 0 ,

beides Koseformen zn Vollnamen wie A u d am ara - Otmar, "der an Gütern Große, Berühmte"; ferner in Namen des Gaues um Höxter auf beiden Stromufern: gewöhnlich a.fries. Au g a = a.sächs. A h u - g 0 = a.hochdt. Ahafo-gewe, Achgowe, d. i. der Auegau. So schon Wigand : Der Corveysche Güterbesitz, Lemgo 1831 S. 182 ff. mit Rücksich t auf d-ie vielen Arme und Werder und Inseln, die der Fluß dort besonders auf dem rechten Ufer in alter Zeit bildete, und die jenes in ein Land vieler Wasserläufe, des Wassers ahd . aso aha, aso auch a (u) w a, neuniederdt A ue, Name vieler Wasserläufe in Nordde·utschland, verwandelten. Schließlich findet sich sogar das Nebeneinander von so rund s a r trock ~ll nicht sehr weit von Höxter wieder: auf der Westseite des Eggegebirges in dem alten Namen der Gegend um Kleinenberg und Lichtenau: .las S 0 rat (h) v eid und So r e t h feld neben S are t h v e It im 11. Jhd. = das Feld des sorath = Dürre, der s og. trockenen Dörfer, di e bei sommerlicher Hitze das Wasse r ihrer Bäche in den Kalkstein-Untergrund versickern sehen. Eine der "Be'ken" heißt ja geradezu die Trock ene, die So r e. So schon ziemlich früh, heute die Sau e r mit plattd. Lautung. Also erscheint - s 0 / a r i Trockenheit als zweiter Teil von Höxter durch­aus gesichert, und - s e r i in H u x er i schon a. 822, ist wegen seiner Frühzeitigkeit noch die rechte a.fries. i - Umlautform zu - s a l' i. VgI. Es te rho I t = der Ost endes Arnsberger Waldes a. 1000 a.fries. ruus Ast r i -, Aus t -. VgI. O ·e s tel' hol t bei Detmold. Der 1. Teil austri-zu a.isländ. eys tri östlich.

Das x = ks von H u x 0 r i etc. kann unmöglich uflSprünglich sein. Man müßte stattdesSl)n a.s. h s und im Mittel- und Neuniederdeutschen s s erwarten. VgI. ndd. Os s e aus a.sächs. 0 h s 0 etc. X steht hi-er vielmehr für älteres -g (i) s- wie a. sächs. e k so Eigentümer für e g (i) s 0 zu

2 Dazu die Söhre. Gegend südl. von Kassel.

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Was bedeutet der Name Höxter? 79

e g an!. besitzen, 2. eigen. Das g vor dem s ist erhalten in H u g se li , s. u. Der so gewonnene erst·e Teil h u g i ist das Ausgangswort zu H ü gel a.hdt. h u g i 1 ,der Verkleinerungsform mit Zufügung -I a - wie z. B. Säckel von Sack, Stengel von Stange. Der vorausgesetzte Schwund des i hinter dem g steht durchaus nicht vereinzelt da. Er findet sich z. B. auch hinter t in a.sächs. mez a s Messer aus me / a t (i) - sah s eigtl. Speisemesser, ,ndd. Me s s und in a.sächs. se 1- s c i P i aus se / a 1 i­sc a pi Genossenschaft eigtl. Saalschaft. - Das u von H u x - etc. muß kurz gewesen sein wie das ursprüngliche von Hügel. Das folgt aus seinem Wechsel mit seiner echt miUel- und neuniederdeutschen Verbreiterung o in H u / 0 x a r i a und aus dem 'Schon in obigem Ho ex ar i schriftlich ausgedrückten Umlaut ö von Höxter. Der weist noch heute auf das einstige -i hinter dem r als den umlautenden Faktor, gradeso, wie z. B. das ö von K ö t (t) er auf früheres Kot a / e r i Bewohner eines Kotten od. einer Kate, ur'germ. kut(t)- z. B. in Köterberg, d. 'i. Berg der K ö t (t) er in dem ehemaligen Dorf Co t (h) u n = zu den Kot(t)en an ihm, 9. Jhd. H u x 0 / a r i he ißt so mit: die An h ö he n­T r 0 c k e'l1 s tell e, d. i. d i 'e bei j e der Übe r s eh wem m u n g w e -gen e r h ö h t e r Lag e t r 0 c k e n b 1 e i ben deS .t e 11 e.

Und H u g se li, seltner H u x - a. 999, einer der vielen Ortsnamen auf -seli aus -sali Saalbau(ten) wie Sommers eil (dies auch im Krs. Höxter und in Lippe , 13. und 14. Jhd So / urne r sei e, a. 1039 S urne r sei i für das unweit Höxter) muß, als 'Zu H u x 0 / e r i gehörig, gleichfalls anf dem Hochufer gelegen haben, vom Hochwasser nicht er­l'eicht,undAnhöhen-Saalbau bedeuten. Ja, Hugseli (a.I115ist die Rede von Corveys Markt an der Brücke in H u g seI i) war ern wesentlicher Bestandteil der Villa H u x 0 r i-villa = Siedlung mit mehreren Häusern, vgl. franz. la ville, le village, und dt. Weiler aus lat. villarium - 'und nicht, wie z. B. bei Förstemann zu lesen, ein ausgegan­genes Dorf bei Höxter. Das folgt m. E. auch aus der Notiz bei Wilmanns : Die Kaiserurkunden der Provinz Westfalen I von 777-900: "Die Villa H u x e r i Bernards, die vom Kaiser dem Grafen Bernhard abgekaufte Villa, die man Sei i c a s a nennt". Letzteres ist aber m. E, zu nehmen als Sei i = Saalbau mit der lat. Übersetzung casa, im Vulgärlatein = Wohnhaus überhaupt, dahinter und SeI i als kurze Bezeichnung statt H 'u g sei i im Munde der Bewohner des Ortes und der Gegend, die der Bestimmung H u g - nicht bedurften, um genau im Bilde zu sein. Offen­bar meinte H u g seI i nur das Saal-, das Hauptgebäude "der königlichen ViHa", nach der Ludwig das Kloster verlegte, a. 822, "an dem Orte, der seit langem H u x e r i hieß" (Zitat aus der Urkunde der Übergabe an das Kloster). Sprachlich u. Umst. identisch mit H u g s e li ist Hu x a h 1, bloß bei Jellinghaus,s, 0 . , a. 1223 Huckselem , m, E. irrig für -en, vgl. So m e r s i I e n b. Enniger, a. 1310, mit derselben Einzahlform - s a 1 wie z. B. Ans a I bei Ennigerloh etc., vielleicht auch H oe seI b. Düssddorf, a. 1218 Hof Hoy-sele, niederfränkIsch aus Ho gi - s e li mit 0 aus u. Keineswegs läßt sich H u g s I x e I i aus H u xe r i erklären

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oder 'umgekehrt. übrigens begegnet H u x i I i e n s i s = "h u x el i s eh" schon 889 un,d 890. Das von uns in Höxter etc. wie H'l1 g se i i entdeckte Wort h u g i Anhöhe, Hügel ist auch reichlich anderweit bezeugt. Gleich­falls auf a.sächs. Boden in H ü g e, ganz vereinzelter Hügel der Insel Alsen, ferner in dem Waldnamen "der H u y" nw. von Halberstadt. Er ist mit regelrechtem jüngerem Fortfall des zu j gewordenen g vor i die nnmittelbare Fortsetzung von h u g im. Höhe. Vg1. hochdt. Hain (auch in Heinrich etc.) aus h a , e gin Hagen, asä. M ein wer c aus M e / a gin - , ndd., (westfä1.) ais i g schaurig a.sächs. e gis i g etc. Der Wesfall dieses h u gi liegt vor in H u y s bur g, Ort im H u y wal d e, Ende des 11. Jhd . H u y s bor eh, beim Aonnalista Saxo H u i u s bur g irrig für H u i e sb., aber noch mit dem ursprünglichen g und mit latein. Endung H u gis­bur g - e n s i s "Huysburgisch". H u g i Anhöhe steckt auch in helgoländ , Hai k Hügel aus he (g) i k = h u g i + verkleinernd. -k, ferne'! in dem angelsächs. h y g m. Hofgut b'ei Middel1dorf AltengL Flurnamen Halle 1902. Die Gutsgebäude wurden auf Anhöhen errichtet, einmal um sie vor überflutung durch die n'ahen Gewässer zu schützen, dann aber auch zur Sicherung gegen mögliche Annäherung von Feinden. Eng verwandt ist hess. H u c k hervorragender Hügel, westf. H ö 'k er, H ü e k e I k e n kleiner Heuhaufen, nhd. Höcker; gradezu identisch iserlohnisch h u g (Mehrz. h ü g e) Hügel, dessen langes u von dem stets ihm beigeordneten s t r u k (Mehrz. s t r ü k e) Strauch übernommen sein wird wie gewiß auch das k der Nebenform h u k. Vg1. Wörterbuch der westfä!. Mundart v. Fr. Woeste-Nörrenberg 1930. Zu mittelniederdt. hoc k, nwestfä1. (Iserlohn) h u c k Winkel, das im Grunde dasselbe ist wie H u c k = HügelSpitze, gehört mit echt westfä1. Zwielaut 'lI eH u h e k e I 'e 14., 15. Jhd., sonst H u k eie, Ho e k eie, sachlich der Stromwinkel bei der sog. Plantage, etwas öst!. von Höxter, sprachlich die weibliche Form zu westfä!. h u e k el m. Heuhaufen, k1. Erhebung = eng!. h u c k I e Buckel, Hüfte.

Unsre Gleichung H u x 0 / a / e r i = höher gelegener, trocken blei­bender Platz dürfte sicher sein, im Falle der Stadt H. = das ganze, lange, bei überflut der Weser trockene Hochufer von oberhalb der Brücke bis zur Senke des Schelpebaches mitsamt dem darauf liegenden ältesten Höxter, d. h. ,den Baulichkeiten und den dabeigelegenen verschiedenen Grundstücken der "Villa" des Grafen Bernhard. Aber spricht nicht dae t von Höxter für das Vorhandens'ein eines ganz anderen Hin tergliedes als s o / a r i ? Wie könnte es nachträglich hineingekommen sein? Antwort: in folge der spätmittelalterlichen Abschwächung von - s 0 r i zu - s (e) re, s. o. Ho x e r e. Solche Abschwächungen von nicht oder wenig be­tont,eu Hintergliedern 2lusammengesetzter Wörter sind grade im Mitte]­und Neuniederdeutschen gang und gäbe. Ich erinnere an die vielen west­fälischen Ortsnamen auf - sen , das über - (h) 0 / e seil auf altsächs. - h u s u m / n = (zu den) Häusern zurückgeht, z. B. Am e I u n x e n unweit Höxter, älter Am ·elungessen allJS Amelunges (h ,u)sum , L ü t m ars e nebenda, 12. Jhd. Lu i tm are s s u n a.sächs. belegt als

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Lu i tm are s - h uso n = zu den Häusern eines Amelung bzw. Leutmar usw., ferner an ostwestfäl. Ra 0 t saus Ra 0 t - h'll s Rathaus u. dgl. In Höxre aber, wie auch in Höxr vor folgendem mit Selbstlaut beginnendem Worte, schob sich gamz von selbst als Übergangslaut zur Erleichterung der Aussprache ein t ein, nicht anders als in rheinisch die K ast roll aus K ass e roll e (Schmorgefäß), köln. de 0 s te r , Mehrzahl von da t Aos = Aas, Pleister (mühle) b. Münster: Blas-her[ 1030 oder in westfäl. die m s tri c h (Kr. Hamm) = dämmerig, altniederländ. d e e m s t er, dunkel, aus westgerm. t h i m ist r a : altindisch t ami s r a und It. te n e b rae aus temesra- Finsternis, eine Abteilung mittels - ro/a von indogeTman. te m e s - Dunkelheit. Noch in niedersächs. Urkunde von 1518 Ho x er neben Ho x t er, ja noch in einer Höxter­sehen Druschrift des 17. Jhd. Ho x ,a / er und in einer Handschrift desselben Jhd. Ho x er, mit 0 als altertümlicher Schreibung für ö, gleich u als solcher für ü, z. B. in H u x e r einer Urkunde von 1104, s. "Der Corveysche Güterbesitz" v. Dr. P. Wigand Lemgo 1831 und zu H ö x a I er E. Volckmar: Ortsnamen des Kr. Höxter, Druck v, Flotho, Höxter 96.

Grundsätzlich sind s ä m tl ich e wirklichen oder anscheinenden Vor­kommen eines Ortsnamens zu erklären. Durch die für mich bestehende Fraglichkeit der Erklärung von H u x t er tor in Lübeck und H ö x t er Es eh Kr. Bersenbrück wird aber keineswegs auch unsere Deutmng des Namens Höxter = Anhöhen- Trockenstrich oder -platz fraglich. Denn diese wird unumstößlich gesichert durch drei besondere glückliche Um­stände : 1. die von H u g s e li gegebene 'Gewißheit, daß 'er eine Zusam­mensetzung ist mit dem Vorderglied h u g (i) -, 2. das Nebeneinander von a.sächs. - s 0 r i und aJries . - s a r i des Hintergliedes, das sich nur aus urgerman. sau r i Trockenheit erklärt, 3. die ortsgeographisch wie geschichtlich feststehende Anlage von Urhöxter auf der hochwasserfreien l\nhöhe des Hnhn Ufers. Diese Anlage ist übrigens schon aus der Tatsache zu erschließen, daß die Abtei auf der minder geschützten Erhebung nahe der Plantage errichtet wurde und nicht auf der stets geschützten bei der Kilianikirche usw. Die war eben schon besetzt durch ' die ausgedehnte "Villa H u x 0 r i" des Grafen Bernhard, d. i. durch Urhöxter.

Die wegen Lage der Stadt in oder besser an einem Weserwinkel bisher am meisten, z. B. bei Förstemann und Jellinghaus, vertretene Anknüpfung ihres Namens an a.sächs., a.engl. hoc = engl. ho 0 k, holländ. ho e k Winkel, Ecke 'ist schon wegen des urgerm. langen 0 dieses Wortes gegenüber u von H u x 0 riete. verfehlt, und die vorsichtigere Verbindung mit mittelniederdt. hoc k, westfälisch h u c k Winkel, Ecke scheitert an dem g des reichlich belegten, nicht von H u x 0 r i trennbaren H u g seI i. Überdies würde der Sinn Winkel-Trockenplatz,

. der sich dann kraft unserer einzig möglichen Deutung von so / a r i ergäbe, schlecht passen zu der Tatsache, daß grade die wirklich seit alters Winkel( ehen) genannte Stelle an der sog. Plantage, die oben besprochene H 'u k eIe, eben nicht hochwasserfl'ei ist.

Quelle: Westfälische Zeitschrift 98/99, 1949 / Internet-Portal "Westfälische Geschichte" URL: http://www.westfaelische-zeitschrift.lwl.org

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Just so wenig wie eine der bisher bekannt gewordenen Etymologien unseres Namens, die weder den sprachlichen noch den sachlichen An­forderungen genügen, können auch moderne Mundartformen desselben sie unsicher machen. Diese sind ja gleichfalls bei jeder Ortsnamenden­tang zu ermitteln und mit der nötigen Dialektkenntnis zu nntersuchen, da sie, namentlich bei einem Fehlen alter Form€'l1', znweilen wichtigen Aufschluß über Einzelheiten der 'Ufsprünglichen Lautform geben. Die, wie es scheint, allein vorkommende Dialektform H ö x ,e r zeigt nur, daß das t von Höxter auch heute noch nicht allgemein durchgedrungen ist.

Quelle: Westfälische Zeitschrift 98/99, 1949 / Internet-Portal "Westfälische Geschichte" URL: http://www.westfaelische-zeitschrift.lwl.org