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Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 210, S. 236--246 (1950). Aus der II. Medizinischen Klinik der Universit/~t Halle/Saale (Direktor: Prof. M. RATSCIto)v). Ver~inderungen der Serumproteine naeh Benzol- und Riintgenseh~digung der Ratte. Von ROLF EMMRICH und KARL WANDEL. Mit 7 Textabbildungen. (Eingegangeu am 20. Oktober 1949.) Klinische Forschung und Eiweii~chemie befassen sieh ausgiebig mit den Serumproteinen, deren pathophysiologische Ver~nderungen ffir viele Krankheiten kennzeichnend und auch pathogenetisch wichtig geworden sind. Die neuere EiweiBforschung hat Methoden entwickelt, die eine immer bessere Differenzierung der Serumproteine gestatten. Physika- lische Methoden der Fraktionierung wie dig Elektrophorese, aber auch feinere Fraktionierungen mit Hilfe der Alkohol- und Salzfi~llung, dazu kolloidchenfische bzw. chemische Reaktionen, die zumeist mehr oder weniger ausgepr~gte Abbaureaktionen nativer Proteine sind, stehen im Vordergrunde des Interesses. Es kommt darauf an, Mengen/~nderungen und Disproportionierungen noch normaler Serumproteine nachzuweisen, andererseits aber auch Dysproteine in den Serumproteinen zu erfassen. Die Bildung der Albumine erfolgt nach heutiger Auffassung iiber- wiegend in der Leber, die der Globuline im gesamten reticulo-endothelialen System. St6rungen dieser Protopoese kennen wir bei versclfiedenen Krankheiten wie bei Leberzirrhosen, Nephrosen, Paraprotein/~mien, aber auch bei EiweiBmangelsch/~den. Bei letzteren ist die Ursache dieser StSrungen das quantitativ und qualitativ unzureichende EiweiB in der l~ahrung. Die Erforschung des EiweiBmangels hat eine Reihe neuer Erkenntnisse gebracht, unter denen der Nachweis yon Serum-Dyspro- teinen pathophysiologisch wichtig erscheint (HERxEN und REMM:ER 1, HERKE~ und SCHUNK 2, EMMRICHa). W/ihrend fiber Serumproteine und Dysproteine immerhin einige gesicherte Befunde vorliegen, wissen wir fiber die Protopoese selbst, die im wesentlichen an eine Reihe fermen- tativer Leistungen gebunden ist, noch verh/~ltnism~Big weifig. Die Syn- these bestimmter Aminos/~uren (der ,,nicht lebensnotwendigen"), Um- aminierung, die Verknfipfung der Aminos/~uren zu Polypeptidkomplexen sind nur einige dieser fermentativen Zellfunktionen.

Veränderungen der Serumproteine nach Benzol- und Röntgenschädigung der Ratte

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Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 210, S. 236--246 (1950).

Aus der II. Medizinischen Klinik der Universit/~t Halle/Saale (Direktor: Prof. M. RATSCIto)v).

Ver~inderungen der Serumproteine naeh Benzol- und Riintgenseh~digung der Ratte.

Von

ROLF EMMRICH und KARL WANDEL.

Mit 7 Textabbildungen.

(Eingegangeu am 20. Oktober 1949.)

Klinische Forschung und Eiweii~chemie befassen sieh ausgiebig mit den Serumproteinen, deren pathophysiologische Ver~nderungen ffir viele Krankheiten kennzeichnend und auch pathogenetisch wichtig geworden sind. Die neuere EiweiBforschung hat Methoden entwickelt, die eine immer bessere Differenzierung der Serumproteine gestatten. Physika- lische Methoden der Fraktionierung wie dig Elektrophorese, aber auch feinere Fraktionierungen mit Hilfe der Alkohol- und Salzfi~llung, dazu kolloidchenfische bzw. chemische Reaktionen, die zumeist mehr oder weniger ausgepr~gte Abbaureaktionen nativer Proteine sind, stehen im Vordergrunde des Interesses. Es kommt darauf an, Mengen/~nderungen und Disproportionierungen noch normaler Serumproteine nachzuweisen, andererseits aber auch Dysproteine in den Serumproteinen zu erfassen.

Die Bildung der Albumine erfolgt nach heutiger Auffassung iiber- wiegend in der Leber, die der Globuline im gesamten reticulo-endothelialen System. St6rungen dieser Protopoese kennen wir bei versclfiedenen Krankheiten wie bei Leberzirrhosen, Nephrosen, Paraprotein/~mien, aber auch bei EiweiBmangelsch/~den. Bei letzteren ist die Ursache dieser StSrungen das quantitativ und qualitativ unzureichende EiweiB in der l~ahrung. Die Erforschung des EiweiBmangels hat eine Reihe neuer Erkenntnisse gebracht, unter denen der Nachweis yon Serum-Dyspro- teinen pathophysiologisch wichtig erscheint (HERxEN und REMM:ER 1, HERKE~ und SCHUNK 2, EMMRICHa). W/ihrend fiber Serumproteine und Dysproteine immerhin einige gesicherte Befunde vorliegen, wissen wir fiber die Protopoese selbst, die im wesentlichen an eine Reihe fermen- tativer Leistungen gebunden ist, noch verh/~ltnism~Big weifig. Die Syn- these bestimmter Aminos/~uren (der ,,nicht lebensnotwendigen"), Um- aminierung, die Verknfipfung der Aminos/~uren zu Polypeptidkomplexen sind nur einige dieser fermentativen Zellfunktionen.

Ver~nderungen der Serumproteine nach Benzol- und RSntgensch~digung. 237

Mehr Einblick als in die Protopoese haben wJr in der Entstehung und Reifung der korpuskul/iren Blutelemente, allerdings fast nur in morpho- logischer Hinsieht, nicht in stofflicher. Man kann Sehiiden, welehe die Leukopoese, Erythropoese und Thrombozytopoese treffen, h~matolo- giseh verfolgen und sie an bestimmten VerKnderungen erkennen. Wieweit Sch/idigungen des leuko- und erythropoetischen Systems aueh die Protopoese in Mitleidenschaft ziehen und wie weir die entstandenen Ver~nderungen parallel verlaufen, ist noch kaum erforseht. Es ist auch nicht bekannt, wie weir Regulationen der Protopoese und damit der Plasmaproteine in Beziehung stehen zu Regulationen der Leuko- und Erythropoese, hier hat die klinische und die experimentelle Forsehung noch ein weites Feld.

H~matologische Studien haben gezeigt, dab der lipoidlSsliche Kohlen- wasserstoff Benzol und dab RSntgenstrahlen zu erheblichen Sch/iden in der Leuko- und Erythropoese fiihren. SA~TESSO~ 4 beschrieb bereits um die Jahrhundertwende eingehend die Auswirkungen der Benzolintoxi- kation auf Knochenmark und die lymphatischen Organe, er arbeitete mit Kaninchen. HEIN~CXE 5 befaBte sieh mit der schi~digenden Wirkung der RSntgenstrahlen auf die Leukopoese, zahlreiche Autoren fiihrten diese Untersuehungen fort, so HE~R]~ 6, FELLER 7 u. a.

In eigenen Untersuchungen wurde unternommen zu kliiren, welche Seh~den der Serum-Protopoese dutch Benzol und RSntgenstrahlen ent- stehen bzw. welehe Ver~nderungen de r Serumproteine sich nachweisen lassen. Als Versuchstiere dienten Ratten, die nach Einwirkung yon Benzol, das zusammen mit 01 wiederholt injiziert wurde und die in einer anderen Serie nach Einwirkung mehrerer R6ntgen-Ganzbestrahlungen getStet wurden. Neben der Gewichtsbestimmung der Tiere, der Gewichts- bestimmung yon Leber und Milz, wurde die Leukopoese verfolgt, die Serumproteine der Rat ten wurden mit Ammonsulfat in steigenden Konzentrationen fraktioniert gef/~llt (Ammonsulfat-Triibungskurven) und es wurden im Serum klinisehe EiweiB-Reaktionen angestellt.

Wenn es mit dieser Versuehsanordnung gelang, nach Benzol- und RSntgensch~digung Ver~nderungen der Serumproteine aufzufinden, so war yon vornherein gewi$, dab damit die Frage, handelt es sieh um unmittelbare Einwirkung auf das protopoetische System oder nur um sekundiire Folgen der Sch~digung von Leuko- und Erythropoese, nicht eindeutig beantwortet werden konnte.

Zur Methodik.

Tierversuehe: Es wurden insgesamt 50 ausgewaehsene gesunde, fast ausschlieBlieh mKnnliche Rat ten mit einem Durchschnittsgewicht von 250 g verwendet.

16"

238 ROLF EMMRIC~I und KARL WA~-DEL."

Reihe A. 12 Tiere waren normale Vergleichstiere. Sie wurden ohne Vorbehand- lung in ~thernarkose dekapitiert. Best immt wurde das Gesamtgewicht, das Gewieht der Leber und der Milz. Das bei der Dekapitation aufgefangene Blut wurde sofort zentrifugiert, das Serum unmittelbar darnach verarbeitet.

Reihe B. 25 Tiere erhie]ten Benzol injiziert, tgglich eine Injektion yon ~ - - 1 cm a einer Mischung aus gleiehen Teilen lVlohnS1 und Benzol unter die unvorbereitete Bauehhaut. Die Injektion von Reinbenzol wirkte zu toxiseh, ein Teil der Tiere ging sofort nach der Injektion unter klonischen Krampferscheinungen ein, - - auch bei Verwendung einer leiehten ~thernarkose. Einige mit Benzol behandelte Tiere sehieden wegen interkurrenter Pyodermien aus, andere gingen infolge der Benzol-

intoxikation ein, ohne dab yon ihnen zuvor Serum ge- 30 wonnen wurde. 12 Tiere genfigten schlieBlich den Ver-

suchsbedingungen. l~eihe C. 13 Tiere wurden der R6utgen-Ganz-

/ ~ bestrahlung unterworfen. Davon ging w~hrend der Be- 60 strahlungsserie nur 1 Tier ohne ersiehtlichen Grund ein.

Bestrahlung. Ger~tt: Siemens - Stabilivolt. Be- strahlungsd~uer: ~ - - I min 180 kv als Spitzenspannung. 8 mA. 0,5 mm Cu-Filter. t~albwertschicht 0,94ram Cu.

t/g _____ A Fokusabstand 40 cm. Dabei wurde eine Strahleninten- ¢ sititt yon 40 r/min erzielt.

Die in 3--4 t~gigen Absti~nden verabreichte Gesamt- dosis bewegte sich zwischen 3 × 74 r als niedrigster und

Zt7 14 × 74 r als hSchster Dosis (Dosen im einzelnen siehe J Tab. 3). Im iibrigen wurde bei Reihe B und C verfahren

wie unter A. I Untersuchungen der Leukopoese : Bei Versuchsreihe

0Z0 ~ 5"0 80 /00 B und C wurden w~hrend der Benzol- bzw. RSntgen- % schitdigung im Blnte der Schwanzvene wiederholt die

Abb. 1. Leukozyten gez~thlt, in jedem Falle unmittelbar vor der Dekapitation. Zugleich wurde ein Blutausstrieh

Normale Ammonsulfat- angefertigt. Naeh der Dekapitation wurde au[3erdem Triibungsk~irve noch das Sternalmark ausgestrichen und untersucht.

Untersuchung an den Serumproteinen:

1. Bestimmung des Gesamt-EiweiBes im Serum: nach KJELDAHL, 2. fraktionierte Salzf~llung: Benutzt wurde die von SCEVtITZ und WVLKOW s

augegebene, sparer yon HERKE~ und REM~ER 1 weiter durchgearbeitete ~¢Iethode der fraktionierten Proteinf~llung mit steigenden Ammonsuffat-Konzentrationen. Einheitliche EiweiBkSrper werden d~bei nicht gef~Ut, aber bei entsprechender Ver- suehsanordnung sind gut vergleiehbare Triibungskurven zu erhalten. Quantitative Aussagen fiber den Anteil der einzelnen Proteinfraktionen kann man an Kand der Trfibungskurven nicht maehen, dagegen erm6glichen sie nach H~RKEN und RE,MEn den Naehweis qualitativer Ver~nderungen, vor allem im F~lluugsbereich der Albumine.

0,4 em a Serum gibt man zu 1,6 em a 0,9%iger NaC1-LGsung. Je 0,1 em a dieser LSsung werden in 15 R6hrchen einpipettiert, die je 10 cm a einer AmmonsulfatlGsung (puriss.) in steigenden Konzentrationen yon 20--100% Sattigung enth~lten. End- verdfinnung 1 : 500. Naeh 1 stfindigem Stehen bei Zimmertemperatur erfolgt die l~Iessung der Trfibwerte mit dem Zeil3-Trfibungsmesser. 10H wird bei 6,0 geha|ten.

3. Takata-Reaktion. 4. Biuret-Index. Wie frfiher angegeben% Bestimmung des Serum-Ges.-EiweiBes

erfolgt dabei mit der KJELDAHL-Methode.

Ver/~nderungen der Serumproteine nach Benzol- und R6ntgensch/~digung. 239

Versuchsergebnisse.

Reihe A: Normale Vergleichstiere. Tab. 1 gibt einen ~berbl ick fiber die erhaltenen Zahlenwerte. Es finder sich ein nahezu gleichbleibendes Verh/~ltnis yon Leber- und 1Y[ilzgewieht zu dem Gesamtgewicht der Tiere. Die Leukozytenzahlen schwanken ganz erheblieh, zwischen 6700 und 41000, liegen aber doch auBer bei 2 Tieren immer fiber 10000. Die Werte ffir Gesamt-Eiw. im Serum bewegen sich zwischen 6,5 g% und 8,0 g~o, Mittelwert 7,0 g~/o- Die Biuret-Indizes sind normal.

Tabelle 1. Normale Tiere.

Tier - N r .

Leber- Milz-

GesamV Leber- gewicht ~Iflz- gewicht ZU ZU

gewicht gewicht Gesamt- gewicht Gesamt-

gewicht gewicht g g in % g in %

Leuko- zyten

Serum Biuret- EiweiB Judex

g%

2 3 4 5 6 7 ! 8 9

10 11 I 12

Durchsehnittswert

268 12,1 281 10,9 257 9,9 265 10,2 265 11,8 244 7,8 223 7,5 296 12,3 293 10,6 214 8,0 391 13,2 232 8,2 269 10,2

4,5 ],7 3,9 1,2 3,9 1,3 3,9 1,2 4,4 3,2 0,9 3,4 1,0 4,2 1,3 3,6 1,0 3,7 1,2 3,4 1,6 3,5 0,7 3,8 1,2

0,64 0,43 0,50 0,45

0,37 0,45 0,44 0,34 0,56 0,41 0,30 0,38

10700 17000 14200 17100 84O0

41100 26800 32600 25100 14900 13800 6700

19000

7,0 6,8 %3

6,5 7,4 8,0 6,7 6,6

70,0 69,9 71,7 66,7

79,0 70,1 68,3

6,6 67,9 6,5 67,5 7,6 76,0 7,4 - - 7,0

Kurve A (Abb. 1) zeigt eine normale Ammonsulfat-Trfibungskurve mit etwa dem gleichen Verlauf, wie ihn HERK]~N und R]~MER fanden. Es han- delt sich bei der aufgezeichneten Kurve um Mittelwerte, die aus den wenig voneinander abweichenden Einzel-Trfibwerten errechnet w~rden. ])as Maximum der GlobulinFallung wurde bei 55% Ammonsulfat-S~ittigung gefunden, das der Albuminf~llung bei 75 ~o-

Reihe B: Mit Benzol behandelte Tiere. Die Benzolgaben waren unter- schiedlich, als geringste Dosis erhielt eine Rat te 4,2 cma/kg KSrpergewicht, als hSehste Dosis 45 cma/kg K6rpergewicht. Es zeigte sich, dab das Gesamtgewicht der Tiere eine nur geringe Abnahme aufwies, das Leber- gewicht im /)urchschnitt dem Lebergewicht normaler Tiere entsprach, relativ jedoeh etwas fiber dem ~/o-Anteil der Normaltiere lag (Tab. 2).

]:)as Milzgewicht der mit Benzol geschiidigten Tiere tag mit im Durch- schnitt 0,8 g unter dem :Normal-Durchschnitt yon 1,2 g. Ebenso lag der prozentuale Milzanteil niedriger. Die Leukozyte n betrugen welt weniger als normalerweise.

240 ROLF EM~IRICIt u n d K A R L WANDEL:

Die Bestimmung des Serum-Gesamt-Eiweil}es zeigte eine IIypo- protein/~mie m/~13igen Grades, im Durehsehnitt 6,2 g~o GesamteiweiB gegenfiber dem normalen ~i t te lwert von 7,0 g~o. Die Biuret-Indizes hatten nur in den beiden F/illen B2 und B5 deutlich pathologische Werte (Tab. 2).

Die Ammonsulfat-Trtibtmgskurven lieBen in einigen Versuchen, so bei den Tieren B3 und B6, nut geringe Abweichungen erkennen, bei den meisten iibrigen Tieren aber fanden sich deutliche Abweichungen der

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440 50 80 70 80 30 ~0 ~ GO 80 I00 % %

Abb. 2. Abb. 3. Abb. 4.

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020 ~0 5O 80 7O0 %

Kurven. Die Kurven B2 (zugleieh pathol. Biuret-Index) und B12 (Hypo- protein/~mie yon 5,85g~o ) sind Beispiele daftir. Man finder eine Art , ,Kletterkurve", 2 1Kaxima der Triibwerte im Albuminbereich. Einen /~hnliehen Befund mit einer ,,mittleren Albuminzaeke" erhoben I-[ERKEN und I~EI~IMER 1 bei hungerSdemkranken Menschen. Die Albuminmaxima fanden wir vielfach erst bei hSheren Ammonsulfatkonzentratiormn als bei 75~o S/~ttigung. Ein ganz einheitlieher Kurventyp konnte jedoeh nieht herausgelesen werden. Dies liegt zum Tell daran, dab die Benzolmengen, die verabreieht wurden, untersehiedlich waren, dab wahrscheinlich auch die Resorption des Benzol nicht gleichm/~13ig erfolgte, und dab eine ver- schiedene Empfindlichkeit der Tiere gegen das sch/~digende Benzol anzu- nehmen ist.

Reihe C: R6ntgenbestrahlte Tiere. W/~hrend in den Benzol-Versuchen die Tiere allgemeine Ver/~nderungen zeigten wie FreBunlust, Epithel- defekte an den Ohren, struppiges Fell, Tr~gheit und Miidigkeit, hatten die rSntgenbestrahlten Tiere auch naeh hohen RSntgen-Dosen nur geringe derartige Erscheinungen. Das Gesamtgewicht blieb nahezu k.onstant

Ver~nderungen der Serumproteine nach Benzol- und R6ntgensch~digung. 241

(T~b. 3), ebenso d~s Leber- gewicht. D~s Gewieht der Milz hingegen s~nk st~rk ub, as betrug im Mittel nur 0,67 g gegeniiber 1,2 g bei norm~len Tieren, in Be- ziehung zum Gesamtge- wicht betrug es durch- schnittlich 0,27% anst~tt normal 0,38%. Die Leuko- zytenz~hl w~r st~rk her~b- gemindert, sie iiberstieg in keinem Versuch die Zahl yon 10000, die niedrigste Z~hl l~g bei 1300, Durch- "~ schnitt 4400 Leukozyten start 19000 bei norm~len '~ R~tten. ®

D~s Ges~mt-Eiweif~ im ~= o

Serum w~r erniedrigt, im Mittel ~uf 6,0 g %. W~hrend yon denBenzoltieren 2 Tiere eine Ffypoprotein~mie unter 6:0g~o ~ufwiesen, h~tten yon den 12 rSntgenge- ~ sch~digten Tieren 5 Tiere weniger als 6 g% Gesamt- Eiwei8 im Serum. Die Biuret-Indizes wiehen bei .~ mehr Tieren yon den Nor- m~lwerten ab ~ls bei den ¢4 mit Benzol geschi~digten Tieren. Als pathologisch zu bezeichnen sind die Biuret- Indizes bei den Tieren R3, RS, R9, RI0, R l l und als fr~glieh pathologisch bei R2 und 1~7 (vgl. Tab. 3).

F~st alle Ammonsulfut- Triibungskurven ergaben Ver~nderungen, zumeist Versehiebungen cIer F~l- lungsmaxim~, die h~ufig in

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242 ROLF EMMRICH u n d K A R L WANDEL:

3 oder 4 ansteigende Maxima aufgesplittert waren, also wieder einenKletter- typ darboten. Einzelne Kurven hat ten auch eine Plateaubildung im Albu- minbereich, nicht bei geringerer R5ntgendosierung. Aueh bier kSnnen nur wenige Beispiele gebracht werden, die als charakteristisch zu gelten haben. Die Kurven R3 und 1%4 lassen eine relativ hohe Globulinzacke erkennen und eine Aufsplitterung im Albuminfiillungsbereich, bei hSheren Ammonsulfatkonzentrationen einen st~irkeren Wiederabfall. Die Kurven R7 und R8 zeigen reeht gut den ,,Klettertyp". wiederum die auch bei den

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Abb. 5. Abb. 6.

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I D ZO ~ GO 80 I00 %

Abb. 7.

Benzoltieren beschriebene mittlere Zacke. MSglicherweise handelt es sich dabei um vermehrte ~-Globuline, was jedoch mit Hilfe der elektro- phoretischen Methode zu beweisen w~re.

Die Takata-Reakt ion ergab bei keinem Tier Flockungen, sondern nur Triibungen. Normaltiere und mit Benzol gespritzte Tiere wiesen im 5. bis 8. RShrchen Trtibungen auf, unter den r6ntgenbestrahlten Rat ten hat ten R4, 1%11 und 1%12 bereits im 4.1%Shrchen Trtibungen, was als Zeiehen einer geringeren Kolloidstabilit~it zu gelten hat.

Die Blutausstriehe ergaben bei benzol- und rSntgen-gesch~idigten Tieren eine Zunahme der Lymphoyzytenzahlen, ganz vereinzelt nur eine Abnahme, die Zunahme ist nur relativ, da die Leukozytenzahlen im ganzen und vorwiegend die Granulozyten absanken. Der Sternalausstrich deckte nur geringfiigige Veriinderungen auf, keine Hypoplasie des Knochen- markes, eher eine gesteigerte Regeneration. Dazu fanden sich sowohl bei benzol- als auch bei r5ntgen-geschiidigten Tieren im Knochenmark weniger Eosinophile als bei Normaltieren, mehr Megakariozyten als normalerweise und Friihformen einer st~irkeren plasmazellul~iren Umwandlung.

Ver~nderungen der Serumproteine nach Benzol- und RSntgensch~digung. 243

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1

244 ROLF EMMRIC:[[ und KARL WANDEL:

Besprechung der Ergebnisse. In den beschriebenen Versuchen wurden gesunde Rat ten mit Benzol

und mit RSntgenstrahlen gesehi~digt, mit Noxen, yon denen man weir, dab sie Leukopoese und Erythropoese schi~digen. Gesch~digt werden in erster Linie das Knoehenmark, die Milz, die lymphatischen Organe. WALLBACtt 10 fund naeh Benzol bei Hunden und Kaninchen eine Leuko- penie, nicht bei Meerschweinchen, Mi~usen und Hiihnern, [FELLEI~ 7 wies in seinen Versuchen mit Benzol eine deutliehe Lvukopenie auch bei t~atten nach. Die Leukopenie naeh RSntgenbestrahlung des Menschen, insbesondere nuch Tumorbestrahlungen ist bekannt und beschrieben ( B o s c I t 11 u. u.).

Der leukopenische Effekt des Benzols und der RSntgenstrahlen ist in unseren Versuchen durchweg vorhanden, es konnte angenommen werden, da~ die Leukopoese gesch~digt war. ~be r die Erythropoese haben wir Untersuchungen nicht angestellt.

Die Sch~digungen durch RSntgen-Ganzbestrahlungen waren schwer- wiegender als die durch Benzol-Injektionen, wobei allerdings die Dosie- rung eine Rolle spielt und die individuelle Empf~nglichkeit der Tiere. Beide Versuchsreihen sind in ihren Ergebnissen deshalb nur qualitativ, nicht quanti tat iv miteinander zu vergleichen. Immerhin ist bemerkens- weft, da6 sich die rSntgenbestrahlten Tiere in ihrem Allgemeinbefinden weniger gesch~digt erwiesen als die Benzoltiere, obwohl die RSntgen- bestrahlung zu st~rkeren Ver~nderungen der Leukozyten und der Serum- proteine fiihrte.

Die Serumproteine zeigten unter der Einwirkung yon Benzol und yon RSntgenstrahlen folgende Ver~nderungen :

1. eine I-[ypoproteini~mie, die nicht hochgradig, abet doch eindeutig nachzuweisen war. In vielen F~llen unterschritt sie die 6 g°/o-Grenze;

2. in den Ammonsulfat-Triibungskurven fanden sich, fast parallel verlaufend zur Hypoprotein~mie und zur Lvukopenie, Anderungen im Kurvenverlauf, Verschiebungen der Triibwert-Maxima fiir Globuline und fiir Albumine mit vielfach einem weiteren Maximum zwischen 55~oigerund 75O/o iger Ammonsulfat- S~ttigung. Einen i~hnlichen Kurvenverlauffanden I-IERKEN und REMMER 1 in ihren F~llen yon ttungerSdemen des Menschen, nur war in diesen Kurven die Albuminzacke im ganzen niedriger ;

3. Abweichungen der Biuret-Indizes sind bei den rSntgen-bestrahlten Tieren h~ufig anzutreffen, bei den mit Benzol gesch~digten Tieren nur vereinzelt, t)athologische Biuret-Indizes sind der Ausdruck ftir eine ~nderung in der Bildung yon Cu-Protein-Komplexen 9;

4. in der Takata-Reakt ion sind Flockungen bei keinem Serum nach- zuweisen. Es kann daher eine nennenswerte absolute oder relative Ver- mehrung der Globutine, vor allem der ~-Globuline nicht bestehen. Das

Ver~nderungen der Serumproteine nach Benzol- und R6ntgensch~digung. 245

l~berwiegen der grobdispersen Phase mfiltte in einem oder mehreren RShrchen Flockungen hervorrufen. MSglich ist allerdings, dab die ~- Globuline vermehrt sind.

Zusammenfassend ist zu den Ver/~nderungen der Serumproteine zu sagen, dab unter den gegebenen Versuchsbedingungen vorwiegend die Albumine yon der Norm abweichende Eigenschaften aufwiesen, weniger die Globuline. Ob die gefundenen Ver/~nderungen allein auf eine Dispro- portionierung normaler Albumin-Unterfraktionen und mSglicherweise auch normaler Globulinfraktionen (Vermehrung leiehter 15slicher Globu- line) zuriickzufiihren sind, oder auf neuentstandene Dysproteine, kann noch nicht sicher entschieden werden. Wahrscheinlich liegen in ihren Makrostrukturen andersartige Dysproteine vor. HERKE~¢ und I~EMMER deuteten ihre Ammonsulfat-Triibungskurven helm HungerSdem im Sinne einer Dysprotie. Ebenso nehmen wir an, dal3 pathologische Biuret- Indizes eine Dysprotie beweisen.

Auff~llig ist nun, dab Ammonsulfat-Triibungskurven, pathologische Biuret-Indizes und Hypoprotein~mien nach Benzol- und RSntgen- sch~digung in ganz iihnlicber Weise gefunden werden wie bei Eiweii3- mangel- (Hunger-) Seh~den. Eiweil~arm ern~hrte l~atten zeigten in eigenen Versuchen den Benzol- und RSntgensch~digungen verwandte Ammon- sulfat-Triibungskurven, wir werden in anderem Zusammenhange dariiber n~her beriehten. Diese Tiere batten aber im Gegensatz zu den mit Benzol nnd l%Sntgenstrahlen gesch~digten eine starke Gewichtsabnahme, auch eine starke Verringerung des Lebergewiehtes. Man kann diese Befunde nur so deuten, dab verschiedene Noxen wie Benzol, RSntgenstrablen, das Fehlen lebenswichtiger Aminos~uren in der Protopoese, vorwiegend in der Albuminpoese zu StSrungen fiihren, die einem einheitlichen charakte- ristisehen Reaktionstyp des Organismus entsprechen. Das besagt aber nieht, dal3 dabei auftretende Dysproteine diesetben sind, sie kSnnen trotz eines einheitlich erscheinenden Reaktionstypes noch versehieden sein.

Wie eingangs erw~hnt, ist mit unserer Versuchsanordnung nicht zu entscheiden, ob die. Benzol- und l~Sntgensch~digung primar die Serum- Protopoese trifft, oder ob die Proteinver~nderungen im Serum nur Folge- erscheinungen sind, also Reaktionen auf andere Zellsch~digungen. Man kennt die unterselfiedliehe Strahlenempfindliehkeit yon gesnnden KSrper- geweben. Am empfindlichsten sind Lymphgewebe, Knoehenmark, Thymus, dann Ovarien, Hoden und andere Gewebe, w~hrend die Leber

- - A]buminbildner - - anscheinend welt weniger strahlenempfindlich ist. Die Folge der Strahlensehi~digungen sind degenerative Erscheinungen an den Zellen mit Fuuktionsausf/~llen, bekannt ist die StSrung der pri~mito- tischen Phase und des damit zusammenh~ngenden Aufbaustoffwechsels der Zelle. GewissermaI3en a]s Reaktion auf diese regressiven Ver~nde- rungen kann es zu sekund~ren StSrungen in der Serum-Eiweil]-Bildung

246 ROLF EMMRICtI und KARL WANDEL: Benzol- und RSntgensch~digung.

kommen, oder aber die morphologisch sich nieht abzeichnenden Zellen der Albuminpoese - - nach heutiger Auffassung die Leberparenchym- z e l l e n - - s ind ~hnlich s t rah lenempf indl ich wie das leukopoetisehe System.

Mit unseren Versuchen an lgat ten ist nachgewiesen, dab sowohl die Benzol - In tox ika t ion als auch die RSntgen-Ganzbes t rah lung zu patho- physiologischen Ver~nderungen der Serumproteine fiihren, die auf die Protopoese zu beziehen sind. Auf die Protopoese sind sie deshalb zu beziehen, well Hypopro te in~mien zu beobachten sind, die durch eine unmi t t e lba re E inwi rkung yon Benzol oder RSntgens t rah len auf das Serum, bzw. die Serumproteine n icht zu erkl~ren sind. Man kSnnte allenfalls daran denken, dab es am Orte der Sch~digung zu einem erbShten A lbuminbeda r f kommt , dami t ve rbunden zu e inem gesteigerten Albumin- verlust aus dem Plasma. Aber hierftir liegen keinerlei Befunde vor, ein a | lgemeines oder ein lokales 0 d e m der Tiere wurde nicht bemerkt .

Zu.sammen/assung. An normalen Ra t t en , benzol- und rSntgengesehiidigten R a t t e n

warden bes t immt : das Gesamt-Gewicht , Leber- und Milz-Gewieht, die Leukozyten, das Gesamt-EiweiI~ im Serum, der Biure t - Index, die Takata- Reakt ion, und es wurden Ammonsu l fa t -Tr i ibungskurven angelegt.

Dabei zeigte sich, dab Benzol- und RSntgen-Schi~digung zu gering- fiigigen Anderungen des Gesamt-Gewichtes und des Lebergewichtes fiihren, dagegen zu stii, rkerem Abs inken des Milzgewichtes und zur Leukopenie. Bei mi t Benzol geschiidigten Tieren und auch bei rSntgen- bes t rah l ten Tieren kam es zu Hypoprote in~mien, zu charakteris t ischen ~.nderungen der Ammonsu l fa t -Tr i ibungskurven und besonders bei den rSntgengesch~digten Tieren vielfach zu Abweichungen der Biuret-Indizes. Die Takata- l~eakt ion blieb immer negativ.

Die gefundenen Xnderungen der Serumproteine werden auf patho- physiologische StSrungen der Serum-Protopoese bezogen, besonders der Albuminpoese, da die Anderungen der Serumproteine vorwiegend den Albuminbere ich betrafen.

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Doz. Dr. ROLI~' EMMI~ICH, Halle/Saale, II. Med. Univ.-Klinik.