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Vererbliche Scharten an den Ohren des Rindes. Von Chr. Wriedt. (Mit 1 Abbildung.) Im Jahre 1923 erhielt ich die Mitteilung, dal es im Kreis Idd der norwegischen Provinz Ostfold Riuder mit einer eigenttirnlichen Scharte an dem oberen Rande der Ohren giibe. Bei einer Untersuchung dieses Abb. 1. Sologhstembluts. Hasre abgeschnittso. Charakters zeigte es sich, dal er aus einer Scharte bestand, die besonders stark mit Haaren bewachsen mar, und in einzelnen Fallen war an der Aulenseite der Oberlappchenmuschel bei dem Rande der Scharte ein warzenahnlicher Auswuchs. Beide Ohren waren in allen Fallen gleich ~ gestaltet. Der Charakter erwies sich als sehr variabel, da die Ohren stark verkurzt sein konnten - ein Ohr war derart nur 13 cm lang,

Vererbliche Scharten an den Ohren des Rindes

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Page 1: Vererbliche Scharten an den Ohren des Rindes

Vererbliche Scharten an den Ohren des Rindes. Von

Chr. Wriedt.

(Mit 1 Abbildung.)

Im Jahre 1923 erhielt ich die Mitteilung, da l es im Kreis Idd der norwegischen Provinz Ostfold Riuder mit einer eigenttirnlichen Scharte an dem oberen Rande der Ohren giibe. Bei einer Untersuchung dieses

Abb. 1. Sologhstembluts. Hasre abgeschnittso.

Charakters zeigte es sich, da l er aus einer Scharte bestand, die besonders stark mit Haaren bewachsen mar, und in einzelnen Fallen war an der Aulenseite der Oberlappchenmuschel bei dem Rande der Scharte ein warzenahnlicher Auswuchs. Beide Ohren waren in allen Fallen gleich ~

gestaltet. Der Charakter erwies sich als sehr variabel, da die Ohren stark verkurzt sein konnten - ein Ohr war derart nur 13 cm lang,

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wahrend normale Ohren 17-19 cm messen. Es wurde mir mitgeteilt, d d diese kurzen Ohren das erstemal durch einen Stier in diese Landschaft kamen, den der Fahnenjunker Boen von Sven Solugsten in Enningdalen (Ostfold) gekauft hatte. Ebenso wurde erwahnt, daB dieser Stier von einer Kuh stammen solle, die von dem Bauernhofe Naverstad in Sor- Bullaren in Schweden eingekauft worden war. Sowohl diese Kuh wie der Stier von Solugsten sollen solche Schwten an den Ohren gehabt haben. Ich bekam keine sichere Mitteilnng, in welchem Jahre der Stier gehuft wurde, doch soll es um 1910 gewesen seitl.

Bei der vorgenommenen Untersuchung fand icb 15 Tiere rnit Scharten an den Ohren. Von diesen Tieren waren 2 Tochter des Solugstenstieres, 11 stammten von dem ,,Solugstenl' in dem zweiten Glied und 2 im dritten Glied. Insgesamt wurden 21 Tiere, stammend vom ,,Solugsten" unter- sucht. (Familienubersicht.) Beigefugte Familienubersicht zeigt das Er- gebnis. Nach den erhaltenen Mitteilungen wurde einer der Oohng vom ,,Solugsten" zur Zucht beniitzt, und die untersuchten 18 Tiere, die nicht nach diesern gefallen waren, sind nach Rodkollstieren rnit normalen Ohren gefallen.

s = schsrte. Der Solugstenstier. N = Normal.

U = Unbekannt.

IS 2 s 3pJ u u u U U U u u -

g. 1912 g. 1912 g. 1913 ----------- log 165 1 1 5 4 s 5 s 6 5 7 s 15s 8s 9 2 13N 12s 14s

g. 1917 g. 1920 g. 1917 g. 1915 g. 1915 g. 1916 g. 1916 g. 1919 g. 1916 g. 1916 g. 1918 g. 1917 g. 1918 - - - - g. 1922 g. 1922 g. 1922 g. 1923 g. 1923 18 S 17 5 19N 202 21 s

Die Familienubersicht gibt ein sehr deutliches Bild davon, daB man es hier rnit einem dominanten , a b e r s e h r var iab len Charak te r zu tun hat. Die Euh h'r. 3, die von dem ,,Solugsten" gefallen war, gab namlich, trotzdem sie ganz norrnale Ohren hatte, mit einem normalohrigen Rodkollstier eine Tochter mit deutlicher Scharte an den Ohren. Nr. 3 hat also die Anlage fur Scharten an den Ohren gefuhrt, trotzdem ihr Phano- typ ganz normal war.

Die Kiihe Nr. 1, 3, 4, 8, 10 und 14 haben mit normalen Rodkoll- stieren S untersucbte Nachkornmen gegeben, wovon 5 Scharten an den Ohren hatten, wahrend 3 normal waren.

In dieser Untersuchung kann kein homozygotisches Individuum fur Scharten an den Ohren nachgemiesen werden. Das Aussehen des Homozygoten ist darum ganz unbekannt.

Friiher wurden zwei vererbliche Scharten an den Ohren des Rindes von Yamane und Lush nacbgewiesen. Beide beruhen auf dominanten Vererbungsfaktoren.

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Yamanes Material waren Ayrshirerinder. Die Scharte in den Ohren, die Yamane nachwies, ist in dem oberen Rand des Ohres, und er fand zwei Typen, die man deutlich voneinander unterscheiden konnte. Die Scharte war bei der einen Type sehr klein, wahrend sie bei der anderen Type so groB war, daB die Lange des Ohres dadurch bis auf die Halfte der normalen Ohrenlange reduziert wurde. Bei der letztgenannten Type sind die Falten an der Tnnenseite des Ohres mehr hervortretend als bei normalen Ohren.

Yamane fand, daB alle 23 Tiere mit Ohrenscharten, die er unter- suchte, von einem Stier, ExpreB, stammten. Dieser Stier sol1 nach An- gaben, die Pamane von dessen Besitzer, Takenouchi bekam, groBe Scharten an den Ohren gehabt haben.

ExpreB wurde sieben Jahre zur Zucht benutzt und von allen seinen Nachkommen wurde angegeben, daB sie Scharten an den Ohren hatten. Danach sollte ExpreB homozygot fur den Charakter sein.

In Yamanes Daten finden sich auch Nachrichten von zwei anderen Stieren, deren Eltern auch Scharten in den Ohren hatten. Diese beiden Stiere batten die groBe Scharte und der eine hat mit Kiihen ohne Scharten in den Ohren vier Nachkommen gegeben, die alle kleine Scharten in den Ohren hatten. Der zmeite Stier hat mit funf Kuhen ohne Scharten in den Ohren fiinf Nachkommen gegeben, alle mit kleiner Scharte in den Ohren. Gepaart mit einer E u h mit kleiner Scharte in den Ohren gab er zwei Nachkomnien mit grol3er Scharte in den Ohren. Yamane weist auBerdem nach, daB nacb Eltern mit kleiner Scharte ein Nachkomme mit grol3er Schhrte gefallen ist.

Die Paarung kleine Scharte x normal hat 13 mit kleiner Scharte und 14 normale ergeben.

Yamane folgert daraus, dal: die Homozygoten groBe Scharten und die Heterozygoten kleine Scharten in den Ohren haben.

Sowohl die Scharte in den Ohren, die Yamane bei Ayrshirerindern gefunden hat, als auch die Scharte, die sich bei den Rindern in Idd fand, befindet sich an der Spitze des Ohres. Es ist aul3erdem die Ahn- lichkeit der zwei Falle zu konstatieren, daB es in meinem Material Tiere mit Scharten, die mehr hervortretende Palten an der Innenseite des Ohres hatten. als jene, die sich an normalen Ohren vorfinden, gab.

Dagegen ist der Unterschied vorhanden, daB Yamane nichts von der starken Behaarung erwahnt, die ich bei samtlichen Individuen mit Scharten fand. Auch nennt Yamane nicht den warzenahnlichen Ausmuchs, der sich teilweise an meinem Material vorfand. Ein dritter Unterschied ist auch auffallend, indem sich in Yamanes Material keine Ubergangs- formen zwischen den normalen Ohren und den Ohren mit Scharten finden, und nach nllem zu schlieBen ist dort auch ein klarer Unterschied zwischen Homozygoten und Heterozygoten fiir Scharten, wahrend die Heterozygoten in meinem Material sehr variabel sind. In der Kuh Nr. 3 ist derart ein

Zwtschrift fur Tierziicbtung und Ziichtungsbiologie. 111, 2. 16

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Heterozygot fur Scharten nacbgewiesen, der mit Hinsicht auf den Phano- typus vollstandig normal ist, wiihrend es andere Heterozygoten gibt, die sehr tiefe Scharten haben.

Dime Unterschiede deuten darauf hin, daB diese zwei Typen von Scharten nicht von demselben Vererbungsfaktor bewirkt werden, sondern von zwei verschiedenen Paktoren.

Die dritte Scharte, die bei den Rindern gefunden wurde, ist von L u s h bei Jerseyrindern nachgewiesen worden. Diese Scharte ist dadurch von den zwei vorerwahnten unterschiedlich, daB sie in den! u n t e r e n Rand des Ohres vorkommt. AuBerdem erstreckt sie sich nicht, wie die zwei anderen. auf beide Ohren auf dieselbe Weise an. Dagegen ist der Vererbungsfaktor fur disse Scharte, so wie die zwei anderen Vererbungs- faktoren fur Scharten im Ohre, dominant.

Literstcr. Lush, .Jay L., 1922: An Hereditary Notch in the Ears of Jerseycattle. The Journal of

Heredity, Vol. XIII, P. 8-13. Y amane, Jinshin, 1915: On the Inheritance of an Aural Abnormality in thn Ayrshireoattle.

The Journal of the College of Agriculture, Tohoku Imperial University, Japan, Vol. VI, P. 166-170.