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URL: http://www.uni-jena.de/Forschungsmeldungen/FM170516_Pille_Niethammer.pdf Verhütung bleibt Frauensache Historiker der Universität Jena erforschten die Geschichte der "Wunschkindpille" Foto: Jan-Peter Kasper/FSU Die Geschichte der Wunschkindpille begann 1965 in Jena. Verhütung war - und ist - Frauensache! Über Jahrhunderte versuchten Frauen, der Schicksalhaftigkeit von Schwangerschaften und Geburten zu entgehen und so die Zeugung und Geburt von Kindern auf den Fall zu beschränken, in dem das Kind erwünscht ist und aufgezogen werden kann. Die Methoden der Verhütung - von diversen Kräutertränken bis zu selbstgefertigten Kondomen - standen jedoch immer unter dem hohen Risiko des praktischen Scheiterns. Mit der Erfindung chemischer Kontrazeptiva, der "Pille", sollte sich das endlich ändern. Der Historiker Prof. em. Dr. Lutz Niethammer von der Universität Jena hat gemeinsam mit seiner Fachkollegin Prof. Dr. Silke Satjukow von der Universität Magdeburg das Buch "Wenn die Chemie stimmt …" Geschlechterbeziehungen und Geburtenplanung im Zeitalter der "Pille" herausgegeben. Versammelt sind darin Aufsätze von Historikerinnen und Historikern sowie Wissenschaftlern Verhütung bleibt Frauensache 1

Verhütung bleibt Frauensache Historiker der Universität Jena … · 2019-10-15 · anderer Disziplinen aus der Kultur- und Sozialwissenschaft, die auf die Beiträge zweier wissenschaftlicher

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Page 1: Verhütung bleibt Frauensache Historiker der Universität Jena … · 2019-10-15 · anderer Disziplinen aus der Kultur- und Sozialwissenschaft, die auf die Beiträge zweier wissenschaftlicher

URL: http://www.uni-jena.de/Forschungsmeldungen/FM170516_Pille_Niethammer.pdf

Verhütung bleibt Frauensache

Historiker der Universität Jena erforschten die Geschichte der"Wunschkindpille"

Foto: Jan-Peter Kasper/FSU

Die Geschichte der Wunschkindpille begann 1965 in Jena.

Verhütung war - und ist - Frauensache! Über Jahrhunderte versuchten Frauen, derSchicksalhaftigkeit von Schwangerschaften und Geburten zu entgehen und so die Zeugung undGeburt von Kindern auf den Fall zu beschränken, in dem das Kind erwünscht ist und aufgezogenwerden kann. Die Methoden der Verhütung - von diversen Kräutertränken bis zu selbstgefertigtenKondomen - standen jedoch immer unter dem hohen Risiko des praktischen Scheiterns. Mit derErfindung chemischer Kontrazeptiva, der "Pille", sollte sich das endlich ändern.

Der Historiker Prof. em. Dr. Lutz Niethammer von der Universität Jena hat gemeinsam mit seinerFachkollegin Prof. Dr. Silke Satjukow von der Universität Magdeburg das Buch "Wenn die Chemiestimmt …" Geschlechterbeziehungen und Geburtenplanung im Zeitalter der "Pille" herausgegeben.Versammelt sind darin Aufsätze von Historikerinnen und Historikern sowie WissenschaftlernVerhütung bleibt Frauensache 1

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anderer Disziplinen aus der Kultur- und Sozialwissenschaft, die auf die Beiträge zweierwissenschaftlicher Tagungen in Jena zurückgehen.

"Es sind Beiträge zu einer Kulturgeschichte der Fertilität", sagt Silke Satjukow. Dabei geht der Blickder Forscher weit über Deutschland hinaus: Beschrieben werden die Situation in den einstigensozialistischen Ostblockstaaten, in den USA in den 1960er Jahren, in Russland ebenso wie in derBundesrepublik und der DDR. Unter der Überschrift "Globale Ausblicke" werden zudemArgentinien, Brasilien, Südafrika, die Türkei und China in den Fokus gerückt. Ergänzend gibt eseinen Exkurs in die Geschichte von Verhütung und Schwangerschaftsabbruch. In einem Beitragvon Lutz Niethammer wird zudem die spannende und wechselvolle Geschichte derGeburtenkontrolle in frühen islamischen Ländern erzählt.

Die begrenzte Wahrnehmung der westlichen Welt

"Dass wir im Zeitalter der Pille leben, lässt sich nur aus der begrenzten Wahrnehmung derwestlichen Welt behaupten", sagt Lutz Niethammer. Noch immer seien im weitaus größeren Teilder Welt herkömmliche Methoden wie Diaphragma, Spirale oder Sterilisation die Mittel der Wahl.Auch seien die Diskussionen um die "Pille" bis heute nicht verstummt: Die Einnahme wird ausreligiösen Gründen in Frage gestellt, problematisch sind zudem die zahlreichen Nebenwirkungender chemischen Kontrazeptiva.

Die Kulturgeschichte der Fertilität kennt zahlreiche Sonderwege. So ersetzte in der Sowjetunionund im heutigen Russland der Schwangerschaftsabbruch faktisch legal die Verhütung. In der DDRhingegen wurde die "Antibaby-Pille" als "Wunschkindpille" staatlich propagiert und gefördert. DasPräparat sollte es ermöglichen, Berufstätigkeit und Mutterschaft besser zu vereinbaren.

Die Geschichte der DDR-"Wunschkindpille"

Erforscht haben die Geschichte der DDR-"Wunschkindpille" die Historiker Dr. Annette Leo undChristian König in einem Forschungsprojekt an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Siebefragten Frauen verschiedener Generationen über ihre Erfahrungen mit der "Pille" und forschtenin den Archiven. Ihre Ergebnisse haben sie in dem Buch "Die 'Wunschkindpille'. WeiblicheErfahrung und staatliche Geburtenpolitik in der DDR" veröffentlicht.

Offiziell begann die Geschichte der "Wunschkindpille" 1965 in Jena. In jenem Jahr brachte derVolkseigene Betrieb "Jenapharm" das neue Verhütungsmittel unter dem Namen "Ovosiston" aufden Markt. Vorausgegangen sei dem ein Spionagefall, schreiben die beiden Autoren. Angeblichstahl ein "Kundschafter" des Ministeriums für Staatssicherheit die Pillen-Rezeptur bei derwestdeutschen Konkurrenz. Belege indes fanden König und Leo nicht.

Bibliographische Angaben:

Lutz Niethammer/Silke Satjukow (Hg.): "Wenn die Chemie stimmt … Geschlechterbeziehungenund Geburtenplanung im Zeitalter der 'Pille'", Wallstein Verlag, Göttingen 2016, 424 Seiten, 39,90Euro, ISBN: 978-3-8353-1741-3

Annette Leo/Christian König: "Die 'Wunschkindpille'. Weibliche Erfahrung und staatlicheGeburtenpolitik in der DDR", Wallstein Verlag, Göttingen 2016, 314 Seiten, 29,90 Euro, ISBN:978-3-8353-1655-3

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