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M. Broglie Vernetzte Praxen als Tor zu Qualität, Patientenservice und Kostenbewußtsein bei diesem Modell, würde es denn reali- siert, auf der Strecke. Der Gesetzgeber hat inzwischen reagiert und mit dem 2. NOG Rahmen- bedingungen für die Installation von verletzten Praxen geschaffen. So besagt der neue § 73 a Abs. 1 SGB V: „Die Kassenärztlichen Vereinigungen können mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen in den Verträgen nach § 73 Versorgungs- und Vergütungsstrukturen vereinbaren, die dem vom Versicherten gewählten Hausarzt oder einen von ihm gewählten Verbund haus- und fachärzt- lich tätiger Vertragsärzte (vemetzte Pra- xen) Verantwortung für die Gewährlei- stung der Qualität und Wirtschaftlich- keit der vertragsärztlichen Versorgung sowie der ärztlich verordneten oder ver- anlaßten Leistungen insgesamt oder für inhaltlich definierte Teilbereiche dieser Leistungen übertragen; § 71 Abs. 1 gilt. Sie können für nach Satz 1 bestimmte Leistungen ein Budget vereinbaren. Das Budget umfaßt Aufwendungen für die von beteiligten Vertragsärzten erbrach- ten Leistungen; in die Budgetverantwor- tung können die veranlaßten Leistungen für Arznei-, Verband- und Heilmittel so- wie weitere Leistungsbereiche einbezo- gen werden. Für die Vergütung der ver- tragsärztlichen Leistungen können die Vertragspartner von den nach § 87 ge- troffenen Leistungsbewertungen abwei- chen. Die Teilnahme von Versicherten und Vertragsärzten ist freiwillig.“ Die Krankenkassen hatten sich erhofft, über Praxisnetze die sogenannten Ein- kaufsmodelle durchsetzen zu können, sich also die Leistungserbringer und deren Anzahl, mit denen sie Verträge abschließen wollen, heraussuchen zu können. Aufgrund des 2. NOG wurde ihnen aber durch den Zwang zur Zu- sammenarbeit mit den KVen erst ein- mal ein Strich durch die Rechnung ge- macht. Entsprechend reserviert stehen sie derzeit den Vernetzungen von Pra- xen gegenüber. Sie können für sich kei- nen Vorteil erkennen und fürchten, daß Einsparpotentiale zu Gunsten der Ärzte und zu Lasten ihrer Versicherten gehen werden oder daß es im Rahmen der Budgetverantwortung der Netze zu Ri- sikoselektionen kommen wird. Wünschenswerte Vernetzungen mit Krankenhäusern spielen derzeit noch eine untergeordnete Rolle bei der Dis- kussion über Netze. Eher geht es um die zu erreichenden Einsparungen von Krankenhauskosten und Transfer dieser Geldmittel ins Praxisnetz. Andererseits haben die Krankenkassen keinen nen- nenswerten Einfluß auf die Kranken- hausplanung, aber Kontraktionszwang und Kostenübernahmepflicht für Kran- kenhäuser. Das bedeutet, daß auch leere Krankenhausbetten bezahlt werden müssen, also Doppelstrukturen finan- ziert werden müssen. Aus diesem Grun- de würden die Kassen alle Regelungen am liebsten zurückdrehen, die sie einem härteren Wettbewerb aussetzen. Dennoch sehen die Krankenkassen in den Praxisnetzen Vorläufer moder- ner Kooperationsformen im ambulan- ten und möglicherweise stationären Versorgungsbereich. Insofern werden die Ziele der Kran- kenkassen (Einkaufsmodelle) weiter- verfolgt. Insbesondere gründen sich die theoretischen Modelle vornehmlich auf die ebenfalls durch das 2. NOG neu ge- schaffene Möglichkeit, auch mit einzel- nen Arztgruppen Versorgungsverträge im Rahmen von Modellvorhaben ab- schließen zu können. Um die Beitragssatzstabilität in der Gesetzlichen Krankenkversicherung zu erreichen, beschreiten die Kassenärztli- che Bundesvereinigung (KBV) und die Spitzenverbände der Krankenkassen unterschiedliche Wege. Während die KBV dafür plädiert, bestimmte Leistun- gen aus dem Kassenkatalog auszugren- zen, wollen die Kassen ihr Leistungs- spektrum erhalten, aber nicht mehr mit allen Ärzten, Krankenhäusern und an- deren Leistungserbringern Verträge ab- schließen. Es vergeht heute kaum ein Tag, ohne daß in den ärztlichen Medien von „vernetzten Praxen“ als neue ambulan- te Versorgungsform die Rede ist. Ent- sprechende Modelle werden in der ge- meinsamen Selbstverwaltung von Ärz- ten und Krankenkassen nicht nur dis- kutiert, sondern bereits auch als Struk- turvertragsmodell, als Modellvorhaben oder auch als Netze ohne Beteiligung von Kassen und KVen praktiziert. Strukturelle Probleme, ständig zu- nehmender Druck, die Wirtschaftlich- keit und Leistungsfähigkeit zu erhöhen sowie Strategien zur langfristigen Si- cherung der Existenz am „Markt“ ha- ben sowohl niedergelassene Ärzte als auch Krankenhäuser in den letzten Jah- ren vermehrt veranlaßt, Kooperationen einzugehen oder sich für das Thema „Netz“ zu interessieren. Ginge es nach den Krankenkassen, dann würde über kurz oder lang der Si- cherstellungsauftrag als Monopol der Kassenärztlichen Vereinigungen fallen. Beispielsweise sollen nach einem Mo- dell des BKK-Bundesverbandes die Kas- sen künftig vornehmlich Verträge mit untereinander konkurrierenden Pra- xisnetzen, in die sogar Krankenhäuser einbezogen werden können, abschlie- ßen. Ärztliche „Einzelkämpfer“ blieben | Der Internist 2·99 M 52

Vernetzte Praxen als Tor zu Qualität, Patientenservice und Kostenbewußtsein

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Page 1: Vernetzte Praxen als Tor zu Qualität, Patientenservice und Kostenbewußtsein

M. Broglie

Vernetzte Praxen als Tor zu Qualität,Patientenservice und Kostenbewußtsein

bei diesem Modell, würde es denn reali-siert, auf der Strecke.

Der Gesetzgeber hat inzwischenreagiert und mit dem 2. NOG Rahmen-bedingungen für die Installation vonverletzten Praxen geschaffen. So besagtder neue § 73 a Abs. 1 SGB V:

„Die Kassenärztlichen Vereinigungenkönnen mit den Landesverbänden derKrankenkassen und den Verbänden derErsatzkassen in den Verträgen nach § 73Versorgungs- und Vergütungsstrukturenvereinbaren, die dem vom Versichertengewählten Hausarzt oder einen von ihmgewählten Verbund haus- und fachärzt-lich tätiger Vertragsärzte (vemetzte Pra-xen) Verantwortung für die Gewährlei-stung der Qualität und Wirtschaftlich-keit der vertragsärztlichen Versorgungsowie der ärztlich verordneten oder ver-anlaßten Leistungen insgesamt oder fürinhaltlich definierte Teilbereiche dieserLeistungen übertragen; § 71 Abs. 1 gilt.Sie können für nach Satz 1 bestimmteLeistungen ein Budget vereinbaren. DasBudget umfaßt Aufwendungen für dievon beteiligten Vertragsärzten erbrach-ten Leistungen; in die Budgetverantwor-tung können die veranlaßten Leistungenfür Arznei-, Verband- und Heilmittel so-wie weitere Leistungsbereiche einbezo-gen werden. Für die Vergütung der ver-tragsärztlichen Leistungen können dieVertragspartner von den nach § 87 ge-troffenen Leistungsbewertungen abwei-chen. Die Teilnahme von Versichertenund Vertragsärzten ist freiwillig.“

Die Krankenkassen hatten sich erhofft,über Praxisnetze die sogenannten Ein-kaufsmodelle durchsetzen zu können,sich also die Leistungserbringer undderen Anzahl, mit denen sie Verträgeabschließen wollen, heraussuchen zu

können. Aufgrund des 2. NOG wurdeihnen aber durch den Zwang zur Zu-sammenarbeit mit den KVen erst ein-mal ein Strich durch die Rechnung ge-macht. Entsprechend reserviert stehensie derzeit den Vernetzungen von Pra-xen gegenüber. Sie können für sich kei-nen Vorteil erkennen und fürchten, daßEinsparpotentiale zu Gunsten der Ärzteund zu Lasten ihrer Versicherten gehenwerden oder daß es im Rahmen derBudgetverantwortung der Netze zu Ri-sikoselektionen kommen wird.

Wünschenswerte Vernetzungen mitKrankenhäusern spielen derzeit nocheine untergeordnete Rolle bei der Dis-kussion über Netze. Eher geht es umdie zu erreichenden Einsparungen vonKrankenhauskosten und Transfer dieserGeldmittel ins Praxisnetz. Andererseitshaben die Krankenkassen keinen nen-nenswerten Einfluß auf die Kranken-hausplanung, aber Kontraktionszwangund Kostenübernahmepflicht für Kran-kenhäuser. Das bedeutet, daß auch leereKrankenhausbetten bezahlt werdenmüssen, also Doppelstrukturen finan-ziert werden müssen. Aus diesem Grun-de würden die Kassen alle Regelungenam liebsten zurückdrehen, die sie einemhärteren Wettbewerb aussetzen.

Dennoch sehen die Krankenkassenin den Praxisnetzen Vorläufer moder-ner Kooperationsformen im ambulan-ten und möglicherweise stationärenVersorgungsbereich.

Insofern werden die Ziele der Kran-kenkassen (Einkaufsmodelle) weiter-verfolgt. Insbesondere gründen sich dietheoretischen Modelle vornehmlich aufdie ebenfalls durch das 2. NOG neu ge-schaffene Möglichkeit, auch mit einzel-nen Arztgruppen Versorgungsverträgeim Rahmen von Modellvorhaben ab-schließen zu können.

Um die Beitragssatzstabilität in derGesetzlichen Krankenkversicherung zuerreichen, beschreiten die Kassenärztli-che Bundesvereinigung (KBV) und dieSpitzenverbände der Krankenkassenunterschiedliche Wege. Während dieKBV dafür plädiert, bestimmte Leistun-gen aus dem Kassenkatalog auszugren-zen, wollen die Kassen ihr Leistungs-spektrum erhalten, aber nicht mehr mitallen Ärzten, Krankenhäusern und an-deren Leistungserbringern Verträge ab-schließen.

Es vergeht heute kaum ein Tag,ohne daß in den ärztlichen Medien von„vernetzten Praxen“ als neue ambulan-te Versorgungsform die Rede ist. Ent-sprechende Modelle werden in der ge-meinsamen Selbstverwaltung von Ärz-ten und Krankenkassen nicht nur dis-kutiert, sondern bereits auch als Struk-turvertragsmodell, als Modellvorhabenoder auch als Netze ohne Beteiligungvon Kassen und KVen praktiziert.

Strukturelle Probleme, ständig zu-nehmender Druck, die Wirtschaftlich-keit und Leistungsfähigkeit zu erhöhensowie Strategien zur langfristigen Si-cherung der Existenz am „Markt“ ha-ben sowohl niedergelassene Ärzte alsauch Krankenhäuser in den letzten Jah-ren vermehrt veranlaßt, Kooperationeneinzugehen oder sich für das Thema„Netz“ zu interessieren.

Ginge es nach den Krankenkassen,dann würde über kurz oder lang der Si-cherstellungsauftrag als Monopol derKassenärztlichen Vereinigungen fallen.Beispielsweise sollen nach einem Mo-dell des BKK-Bundesverbandes die Kas-sen künftig vornehmlich Verträge mituntereinander konkurrierenden Pra-xisnetzen, in die sogar Krankenhäusereinbezogen werden können, abschlie-ßen. Ärztliche „Einzelkämpfer“ blieben

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Zu nennen sind hier insbesonderefolgende Projekte: Modell Hippokratesder AOK und KV Hamburg, Kodex-Vereinbarung der AOK und KV Berlin,Qualität und Humanität der AOKBaden-Württemberg und KV Südba-den, Medizinische Qualitätsgemein-schaft Rendsburg des VdAK und derKV Schieswig-Holstein, MedizinischeQualitätsgemeinschaft Ried des VdAKund der KV Hessen, Praxisnetz BerlinerÄrzte und Betriebskrankenkassen desLandesverbandes Ost der BKK und derKV Berlin, Hausarzt-Modell der AOKund KV Hessen.

In § 64 Abs. 1 SGB V heißt es:

„Die Krankenkassen und ihre Verbändekönnen, soweit die ärztliche Behand-lung im Rahmen der vertragsärztlichenVersorgung betroffen ist, nur mit denKassenärztlichen Vereinigungen oderder KBV Vereinbarungen über die Durch-führung von Modellvorhaben nach § 63Abs. 1 oder Abs. 2 schließen. Im übrigenkönnen die Krankenkassen und ihreVerbände mit den für die Versorgung inder Gesetzlichen Krankenversicherungzugelassenen Leistungserbringem oderGruppen von Leistungserbringem Ver-einbarungen über die Durchführungvon Modellvorhaben nach § 73 Abs. 1oder Abs. 2 schließen (..).

Weiter heißt es in Abs. 2:

„Die Spitzenverbände der Krankenkas-sen vereinbaren mit der KBV in denBundesmantelverträgen Grundsätze zurDurchführung von Modellvorhaben mitVertragsärzten. Dabei können Regelun-gen zu den Voraussetzungen und Bedin-gungen für die Teilnahme von Ärztensowie zur Festlegung einer Höchstzahlder zu beteiligenden Ärzte getroffenwerden. In den Vereinbarungen sind Re-gelungen zu treffen, daß ein Modellvor-haben zustande kommt, wenn minde-stens 50 vom Hundert der Vertragsärzte,die die Voraussetzungen für eine Teil-nahme an dem Modellvorhaben erfül-len, die Durchführung des Modellvorha-bens befürworten (...).“

Die Durchführung von Modellvorha-ben setzt also ein Quorum voraus: min-destens 50% der Vertragsärzte vor Ortmüssen ein solches Modellvorhabenbefürworten. Die Kassen werfen nun

und trotzdem preiswertere Patienten-versorgung zu erreichen. Auf Netze set-zen kann also zur Zeit nur, wer Geduldund einen langen Atem hat – auch in fi-nanzieller Hinsicht. Ohne Anschubfi-nanzierung durch die Kassen ist dieWeiterentwicklung von Netzen nicht zurealisieren. Aus den von den Ärztenderzeit unter Budgetbedingungen er-wirtschafteten Mitteln können sie keinNetz vorfinanzieren und die Kosten z.B.für eine zentrale Notfallpraxis, eineNetzzentrale und einen professionellenNetz-Manager bezahlen. Dennoch gibtes auch viele zufriedene Netz-Ärzte, diees als großen Gewinn verbuchen, daßzwar kein zusätzliches Geld fließt,durch die Netzarbeit die Qualität derärztlichen Arbeit und die Wirtschaft-lichkeit gesteigert werden konnten,dem einzelnen Arzt mehr Freizeit bleibtund sich die Kollegialität verbesserthat. Bei der Errichtung der verschiede-nen Netze sind die unterschiedlichstenLösungen präferiert worden. Dieses istauf die unterschiedlichen Interessenund den unterschiedlichen Zweck, dieunterschiedliche Größe und die unter-schiedliche Besetzung zurückzuführen.Fertige Lösungen für ein Netz gibt es al-so nicht, jedes Netz ist anders und mußsich deshalb eigene Wege suchen.

Beispiele:

In München haben Hausärzte mit derNetzbildung angefangen. in den Stadt-teilen haben sie sich in Gruppen zu-sammengeschlossen, um zunächst haus-ärztliche Bereitschaftspraxen für diesprechstundenfreien Zeiten zu grün-den. 5 von den beabsichtigten 13 Praxenstehen bereits. Um sich finanziell un-abhängig zu machen, haben die Ärz-te selbst Gesundheits-Management-GmbH’s gegründet und Gesellschafts-anteile gezeichnet. Dieses sind reine Be-triebsgesellschaften, keine Heilkunde-GmbH’s. Diese haben sich wiederum zueiner gemeinsamen VerwaltungsGmbHzusammengeschlossen, die zukünftigdirekt mit den Krankenkassen verhan-deln sollen. Die GmbH kann dann eige-ne Projekte betreiben, etwa die Bereit-schaftspraxen, einen Helferinnen-Pool,kann Räume anmieten, Organisation,Einkauf etc. erledigen oder eine gemein-same Finanzbuchhaltung betreiben.

Am Münchener Universitätsklini-kurn Rechts der lsar wurde eine Bereit-

der KBV vor, diese gesetzliche Regelungzu blockieren. Die Ausführungsbestim-mungen für die gesetzlich vorgeschrie-benen Urabstimmungen unter den Ärz-ten seien noch nicht vorgelegt worden.Vielmehr arbeite die KBV darauf hin,weitere Leistungen aus dem GKV-Kata-log zu Gunsten ihres IGEL-Konzeptesausgrenzen zu wollen.

Demgegenüber hat nun die KBVden Krankenkassen ein umfassendesVertragsangebot bezüglich der vernetz-ten Praxen vorgelegt. Dieses Angebot ge-nügt den Krankenkassen aber nicht, siewollen vielmehr auch regionale und mit-einander konkurrierende Netzwerkeschaffen, in denen Ärzte, medizinischeHilfsberufe, Zahnärzte und Kranken-häuser mit den Krankenkassen und so-zialen Diensten zusammenarbeiten.Nach Auffassung der Krankenkassenlassen sich nur in einem solchen ver-netzten Gesundheitssystem Qualitäts-standards und Behandlungsleitlinien füreine qualitativ hochwertige Versorgungder Versicherten im ambulanten undstationären Bereich sicherstellen. In denVerträgen müßten aber auch Budgetsvereinbart werden, denn nur in einemWettbewerb könnten ständige Qualitäts-verbesserungen und bedarfsgerechte,wirtschaftliche Lösungen erreicht wer-den. Die KBV lehnt dieses mit dem Hin-weis auf wettbewerbliche Eigeninteres-sen der Krankenkassen ab. Nach ihrerAuffassung würde die Überschaubarkeitdes deutschen Gesundheitsmarktes ver-loren gehen, wenn jede der 500 Kran-kenkassen aus Wettbewerbsgründen eineigenes Versorgungsmodell anstrebe.

Dieser Interessenkonflikt hat inletzter Zeit dazu geführt, daß sich dieKrankenkassen bei der Finanzierungbzw. Anschubfinanzierung von Netzenzurückhalten. Während bei früherenModellen wie z.B. der „MedizinischenQualitätsgemeinschaft Rendsburg“ rund3,5 Millionen DM von den Ersatzkassenals Anschubfinanzierung in das Ärzte-netz geflossen sind, wollen die Kran-kenkassen nun erst einmal Einsparun-gen der Netzärzte sehen, ehe sie über-haupt bereit sind, das Ersparte mit denSparern zu teilen. Diese Erkenntnisseführten auf dem zweiten Bundestreffenvernetzter Arztpraxen zu großem Un-mut bei engagierten Netzärzten. Vieler-orts haben sie schon zig Stunden anVorbereitungszeit investiert um dieZiele, streßfreieres Arbeiten, bessere

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schaftspraxis von 20 Hausärzten imEinzugsbereich des Klinikums instal-liert, die sich zu einer GmbH zusam-mengeschlossen haben. Jeweils zweiÄrzte teilen sich den Dienst abendszwischen 19.00 Uhr und 23.00 Uhr,mittwochs und freitags von 14.00 Uhrbis 23.00 Uhr sowie an Wochenendenund Feiertagen zwischen 8.00 Uhr und23.00 Uhr. Versorgt werden Patientenmit internistischen und chirurgischen„Bagatellerkrankungen“, die in der Uni-Ambulanz fehl am Platz wären. DieAusstattung des Uniklinikums stehtden Ärzten zur Verfügung. Die Praxiskann zunächst ein Jahr lang mietfrei ar-beiten und ist als „Keimzelle“ für ein re-gionales Praxisnetz mit allen niederge-lassenen Facharztgruppen konzipiert.Die Initiative für die Einrichtung derPraxis gehen vom Klinikum aus, fürwelches die Bagatellerkrankungen ein„Zuschußgeschäft“ waren.

In Neubrandenburg haben knapp50 Ärzte aller Fachrichtungen (frühereMitglieder der Poliklinik) das Gebäudeder Poliklinik der ehemaligen DDR(knapp 6000 qm) für rund 25 Mio. DMaufgekauft und in ein großes Ärztehausumgebaut. Die Ärzte haben sich in einerVerwaltungsgesellschaft zusammenge-schlossen und einen hauptamtlichenGeschäftsführer angestellt, der den Ärz-ten die Kassenarzt-Bürokratie abnimmt.

In Kronach wurde die Praxisver-waltungs-GmbH Kronach/Naila/Staf-felstein ins Leben gerufen, die inzwi-schen als „Ärztliche Betriebs-GmbH“firmiert. Mit dem professionellen Man-agement will der Praxisverbund die Be-triebskosten der Einzelpraxen senkenund durch Zusatzprojekte neue Ein-nahmequellen erschließen. Eigenfinan-zierung wird bevorzugt, um Fremdbe-stimmung zu vermeiden.

Mitte Oktober 1997 wurde das Pra-xisnetz Nürnberg-Nord (PNN) ins Le-ben gerufen, das heute 119 Ärzte alsMitglieder zählt. Der „Verein in Grün-dung“ soll in diesen Tagen beim Amts-gericht als gemeinnütziger Verein ein-getragen werden. Das Netz arbeitet inBausteinen, die erweitert oder wieder-um abgebaut werden können. Wichti-ger Baustein ist die Anlaufpraxis mitISDN-Telefon und Anrufweiterschal-tung. Einkaufsgemeinschaft, Mitarbei-ter- und Gerätepool sowie die Zusam-menarbeit mit den lokalen Kranken-häusern sollen die Kostenlage verbes-

● Es beginnt damit, daß sich eine Inter-essengruppe von vielleicht 15 bis 20Ärzten bildet. Die Initiative kann voneinem Stammtisch ausgehen oderz.B. von Haus- oder Facharztkreisen,die den Kontakt zu den anderen Kolle-gen suchen.

● Dann sollte die Grundsatzentschei-dung fallen: soll eine fachspezifischeoder gemischte Gruppe gebildet wer-den? Will man eigenständig bleibenoder Unterstützung haben? Was sinddie angestrebten Ziele? Ist an eine in-tegrierte ambulante/stationäre Ver-netzung gedacht?

● Danach können Kommunikations-strukturen aufgebaut werden.

● Schließlich gibt sich die Gruppe einejuristische Form durch einen Ver-tragsabschluß.

Bei der Suche nach der richtigenRechtsform kommt grundsätzlich eineöffentlichrechtliche als auch eine pri-vatrechtliche Lösung in Betracht. Dieöffentlich-rechtliche Regelung setzt al-lerdings einen Strukturvertrag oder ei-nen Vertrag über ein Modellvorhabenvoraus. Es handelt sich dabei um öffent-lich-rechtliche Kollektivverträge, diedie Rechte und Pflichten für KV, Kas-senverbände und Vertragsärzte enthal-ten. Ein öffentlich-rechtliches Modellbietet aber zu wenig Spielraum für dieSelbstgestaltung der Teilnehmer underscheint daher kaum geeignet, derNotwendigkeit einer stetigen flexiblenAnpassung an die rasante Entwicklungim heutigen Medizinmarkt hinreichendRechnung zu tragen. Als Beispiel seihier auf den Thüringer Strukturvertragverwiesen, der wiederum kleinere underfolgreiche Netze „geschluckt“ hat, imEndeffekt aber keine Einsparungen rea-lisiert. Deshalb muß gelten, daß denNetzärzten soviel Freiheit wie möglichzur Selbstgestaltung verbleibt, weshalbgrundsätzlich eine privatrechtliche Lö-sung vorzuziehen ist.

Gemeinschaftspraxis oderPartnerschaftsgesellschaft?

Bei den nach dem ärztlichen Berufs-recht zulässigen Berufsausübungsge-meinschaften in Form von Gemein-schaftspraxen (BGB-Gesellschaft) oderPartnerschaftsgesellschaften vereinba-ren die Vertragspartner die gemeinsa-me Berufsausübung. Der Behandlungs-

sern. Ein Einschreiben der Patientenwie beim Primärarztsystem ist nicht ge-wollt, die Allgemeinärzte bekommenaber eine Leitfunktion, welche die freieArztwahl nicht tangiert. Überweisun-gen gehen auch an Ärzte außerhalb desNetzes.

Das Praxisnetz Berliner Ärzte istein gemeinsames Modellprojekt derBKKen und der TKK, bei dem 370 Ver-tragsärzte und über 3.000 Patientenmitmachen. Der auf 9 Jahre angelegteModellversuch rechnet sich erst ab10.000 Patienten, bereits nach zwei Jah-ren waren es schon mehr als 3.000. DieKrankenkassen legen Wert auf die Fest-stellung, daß die Versicherten in ihrerArztwahl nicht eingeschränkt sind. DasEinverständnis dazu wollen BKK undTKK mit einem Bonus von DM 120,00pro Fall zum Ende des Jahres 1998 be-lohnen.

Das von der Schließung bedrohteHamburger Hafen Krankenhaus soll inein „Integriertes Sozial- und Gesund-heitszentrum“ (SGZ) umgewandelt wer-den. Das SGZ soll von einem Netz ver-schiedener privater, gemeinsamnützi-ger und staatlicher Einrichtungen be-trieben werden und sieht die Kombina-tion der Bereiche sozial, medizinischsowie soziaimedizinisch und präventivvor. Derzeit wird an einem Konzept fürdie Komplexvergütung von Behandlun-gen bestimmter Krankheiten gearbei-tet. Sobald es vorliegt, kann es zur Ver-handlung zwischen KV, den Kassen undder Behörde für Arbeit, Gesundheit undSoziales kommen.

Einen flächendeckenden Struktur-vertrag haben KV und die AOK in Thü-ringen vereinbart. Bestandteil diesesStrukturvertrages ist ein lndikations-modell. Es sieht vor, für ausgewähltechronische Erkrankungen oder Indika-tionen des ambulanten Operierens einekostengünstige Alternative zur statio-nären Versorgung wohnortnah anzu-bieten. Die Behandlungsfälle werden inForm von Fallpauschalen über die KVabgerechnet. Erhoffte nachweisbareEinsparungen durch vermiedene Über-weisungen und Doppeluntersuchungengibt es 1998 nicht.

Diese Beispiele zeigen, daß es fürdie Ausgestaltung derzeit in der Netz-Landschaft völlig unterschiedliche Mo-delle gibt. Für den Aufbau von regiona-len Netzen lassen sich aber folgendeGrundregeln nennen:

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vertrag mit den Patienten wird gemein-schaftlich abgeschlossen und die Part-ner werden gemeinschaftlich nachMaßgabe der berufsrechtlichen Kom-petenz Erfüllungsschuldner. Dieses istaber im Netz nicht gewollt, denn hiersoll die Eigenständigkeit auch beimVertragsabschluß gewährleistet blei-ben. Abgesehen davon kommen sowohldie Gemeinschaftspraxis als auch diePartnerschaftsgesellschaft hier nicht inBetracht, da die Berufsausübung in die-ser Form an einen gemeinsamen Pra-xissitz gebunden ist, was aber im Netzebenfalls nicht gewollt ist (ein solchesModell wäre allenfalls im Sinne des vor-gestellten Projektes in Neubrandenburgdenkbar, wo eine Poliklinik als gemein-samer Sitz dient).

Große Praxisgemeinschaft?

Die Praxisgemeinschaft ist der Zusam-menschluß zweier oder mehrerer Ärztegleicher oder verschiedener Fachrich-tungen zwecks gemeinsamer Nutzungvon Praxisräumen und/oder Praxisein-richtungen und/oder zur gemeinsamenInanspruchnahme von Personal beisonst selbständiger Praxisführung. Derbei der Praxisgemeinschaft auf die ge-meinsame Nutzung von Personal undSachmitteln beschränkte Gesellschafts-zweck ist für das Netz zu eng; vielmehrumfaßt er nicht die wesentlich weiter-gespannten Ziele des Modellprojekts,nämlich die Verbesserung der Patien-tenversorgung bei gleichzeitiger Ko-stenoptimierung. Damit scheidet aucheine große Praxisgemeinschaft aus.

Rechtsfähiger odernicht rechtsfähiger Verein?

Diese Rechtsform kommt schon des-halb nicht für die Schaffung vernetzterPraxen in Betracht, da das Auftretenunter einem einheitlichen Namen nichtgewollt ist. Darüber hinaus bestehenberufsrechtliche Bedenken (Kapitel DAbs. 1 Nr. 2 Abs. 1 1 MBO-Ä) wegen desstatuierten Verbots der Ankündigungvon Zusammenschlüssen zu Organisa-tionsgemeinschaften.

Ärzte-Kooperationals BGB-Innengesellschaft?

Die BGB-Gesellschaft ist dadurch ge-kennzeichnet, daß deren Gesellschafter

gen vertreten sind. Darüber hinaus soll-ten für Ausnahmefälle auch Zweitmei-nungen zugelassen werden.

Weiterhin müssen Regelungen ent-halten sein, wann ein Patient weiter-überwiesen werden kann. So darf esnicht sein, daß ein Patient zur Vermei-dung von Kosten bei dem behandeln-den Arzt von diesen zu einem anderenNetzarzt überwiesen wird, der dannwiederum Kosten verursacht. Ein Wei-terüberweisen sollte deshalb bei be-stimmten Indikationen und bestimm-ten Behandlungsmethoden erfolgen,damit es nicht zu dem „Ping-Pong-Ef-fekt“ innerhalb des Netzes kommt. 24-Stunden-Rundumversorgung der Pati-enten, koordiniertes Handeln vonHausarzt-Facharzt-Krankenhaus undEntwicklung und Umsetzung von Prä-ventionsmodellen sowie Qualitäts- undDeseasemanagement unter Weiterent-wicklung diagnostischer und therapeu-tischer Standards sind hier ebenfalls zuregeln.

EDV-System

Die Verbesserung der Kommunikationdurch Einsatz von standardisierten Do-kumentationsunterlagen (z.B. Patien-tenbücher, einheitliche Überweisungs-begleitbriefe) und die Nutzung moder-ner Techniken (PC-Vernetzung) er-scheinen im Netz nicht nur sinnvoll,sondern eher unverzichtbar. Dabei hatsich jedoch herausgestellt, daß die Ko-sten für eine solche Vernetzung nebender Errichtung einer Leitstelle oder derBezahlung eines professionellen Mana-gers so erheblich sind, daß daran dieErrichtung von Praxisnetzen zu schei-tern droht. Deshalb ist zu überlegen, obnicht bestehende Strukturen wie z.B.das DGN (Deutsches-Gesundheits-Netz)genutzt werden können. Das DGN istnur einem definierten geschlossenenBenutzerkreis nämlich approbiertenÄrzten – zugänglich. Um die sensiblenDaten zu schützen, ist der Dienst scha-lenförmig aufgebaut: im innersten sinddie vertraulichen Daten von Körper-schaften und Verbänden gespeichert,die Hülle darum dient dem Austauschder Ärzte untereinander, also dem Über-mitteln von Befunddaten oder demKontakt per E-mail; die nächste Schalewiederum ist den sogenannten Drittan-bietern vorbehalten, z.B. dem Informa-tionsdienst Multimedica, Privatärztli-

die vertragliche Verpflichtung einge-hen, einen gemeinsamen Zweck durchBeitragsleistung oder in sonstiger Wei-se zu fördern. Dieses Wesensmerkmaltrifft auf ein Praxisnetz zu: die Netz-Ärzte wollen die Art und Weise der Er-reichung des von ihnen gemeinsam an-gestrebten Zieles – Optimierung derVersorgungsqualität bei gleichzeitigerKosteneinsparung – unter sich im Ge-sellschaftsvertrag rechtsverbindlich re-geln unter gleichzeitiger Wahrung ihrerEigenständigkeit und Selbstverantwort-lichkeit im Kern der ärztlichen Tätig-keit. Hier liegt ein Zusammenschlußauf der Ebene der Organisation undnicht auf der Ebene der Berufsaus-übung vor. Sie tritt somit auch nichtnach außen gegenüber Patienten auf,insofern handelt es sich um eine lnnen-gesellschaft.

Die Rechte und Pflichten für denbeteiligten Netzarzt ergeben sich ausdem Gesellschaftsvertrag, der auf demEinstimmigkeitsprinzip beruht. Da-durch erwachsen den einzelnen Gesell-schaftern und der Gesamthand Rechteund Pflichten, von denen insbesonderedie gesellschaftsrechtliche Treuepflichtvon Bedeutung ist. Die Treuepflichtumfaßt beispielsweise auch die Pflichtzur Rücksichtnahme auf die Belangeder Mitgesellschafter bei der Verfol-gung eigener Interessen. Damit werdenz.B. die nach der ärztlichen Berufsord-nung bestehenden Berufspflichten ge-genüber anderen Netzärzten zivilrecht-lich durchsetzbar (z.B. die Vorschriftüber die berufliche Zusammenarbeitder Ärzte nach § 29 MBO-Ä).

Im einzelnen muß der Gesell-schaftsvertrag inhaltlich geeignet sein,die von der KV gegenüber den Kassenübernommenen Sicherstellungs- undGewährleistungspflichten zu erfüllen.Dafür sollten folgende Mindestinhaltevertraglich geregelt werden:

Patientenregelung/freie Arztwahl –Einschreibepflicht

Die Einschreibung von Patienten imNetz und damit verbunden die Pflicht,sich nur von Netzärzten behandeln zulassen, ist deshalb notwendig, um denKrankenkassen konkrete Einsparungennachweisen zu können. Eine Einschrän-kung der freien Arztwahl wie beim Pri-märzarztsystem liegt dann nicht vor,wenn im Netz Ärzte aller Fachrichtun-

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che Verrechnungsstellen etc. Der Da-tenaustausch innerhalb vernetzter Pra-xen, wenn sie nicht im gleichen Gebäu-de untergebracht sind oder wenn dieVernetzung der Computer über Kabelzu aufwendig ist, kann über das DGNschnell gelöst werden. Für die Praxis-teilnehmer läßt sich leicht eine ge-schlossene Benutzergruppe im Intranetdes DGN einrichten, deren Teilnehmersomit ausschließlich über die dort ab-gelegten Daten verfügen können. DasDGN hilft darüber hinaus auch vontechnischer Seite, Sprech- und Präsenz-zeiten oder Notdienste zu koordinierenoder das Budget zu verwalten.

Präzisierungder Behandlungspflichten

Präsenzpflicht

Mehr Freizeit durch besser organisier-ten Notfalldienst.

Errichtung Leitstelle

Vor allem bei großen Netzen ist die Er-richtung einer Leitstelle unverzichtbar.Sollte es zu „Meganetzen“ mit mehr als100 Teilnehmern kommen, dann bedür-fen sie einer geordneten Binnenstruk-tur mit Untergliederungen. In dem Zu-sammenhang ergibt sich auch das Er-fordernis, über ein professionelles Netz-werk-Management nachzudenken, da-mit der zwangsläufige Umgang mitOrganisation, betriebswirtschaftlichenSachverhalten und EDV nicht auf Selbst-ausbeutung idealistisch gesinnter Ärztehinausläuft. Weiterhin ist es sinnvoll,daß sich die Ärzte intern auf eine Kon-trolle zur Einhaltung ihrer Netzver-pflichtungen verpflichten, was über ei-ne Leitstelle organisiert werden kann.

Qualitätssicherung

Verpflichtend sollte die Teilnahme anQualitätszirkeln sein. Im übrigen zei-gen die Erfahrungen, daß die Netzärztesehr engagiert an den verschiedenenQualitätssicherungsmaßnahmen mit-arbeiten. Das Netz muß konkretisierteund evaluierte Qualitätsziele aufweisen;sinnvoll erscheint ein netzinternes Quali-tätsmanagement zur Pharmakothera-pie und zur Adaption von Leitlinien.

meinschaft verpflichtet ist, den Namenaller Partner anzugeben (Kapitel D IINr.9 Abs. 1 Buchstabe g MBO-Ä).Hier istaber nicht gewollt, daß die Mitgliederder Kooperationsgemeinschaft die Be-handlungsverträge gemeinschaftlich ab-schließen. Aus diesem Grund bietet sichauch hier die BGB-Innengesellschaft an.Möglich ist, daß die Ärzte BGB-Innenge-sellschaft die Angehörigen nicht-ärztli-cher Fachberufe durch Erstreckung desGesellschaftsvertrages auf sie diese indas Netz einbezieht.

Abschluß von Kooperationsverträgenmit Krankenhäusern

Auch wenn die Regelungen im SGB Vzu den Strukturverträgen und den Mo-dellvorhaben die Krankenhäuser nichtmit einbezieht, kann es keine neue Ver-sorgungsform ohne die Einbeziehungder Krankenhäuser geben. Jedem Netzist im Ergebnis nur dann eine Reduzie-rung der Kosten sowohl im ambulantenals auch im stationären Bereich mög-lich, wenn beide Seiten miteinander ko-operieren. Die jeweiligen Erwartungenan das Netz sind insbesondere:

Erwartungen des Netzarztes:

● Der stationäre Aufenthalt muß sokurz wie möglich sein

● Die Kommunikation mit dem Kran-kenhaus muß verbessert werden

● Nahtlose Information (z.B. unverzüg-liche Übermittlung der OP-Berichte)

● Gleiche Standards im stationärenund ambulanten Bereich

● Keine Doppeluntersuchungen● Beiziehung des Hausarztes vor Ver-

ordnung von Reha/Pflege● Sofortige Benachrichtigung des nie-

dergelassenen Arztes bei Komplika-tionen oder Tod

● Gemeinsamer Notdienst● Gemeinsame Nutzung medizinischer

Einrichtungen● Gegenseitiges Einkaufen von Lei-

stungen (für die letzten beiden Punk-te ist die Errichtung der ambulantenNotfallpraxis der Erfurter Vertrags-ärzte am Katholischen Krankenhausein gelungenes Beispiel. Hier werdendie Gerätschaften des Krankenhausesteilweise von den Vertragsärzten mit-genutzt, für die Klinikärzte konnte ei-ne Ermächtigung zur Erbringung an-derer Leistungen erreicht werden).

Dokumentation

Die Verbesserung der Kommunikationdurch Einsatz von standardisierten Do-kumentationsunterlagen (z.B. Patien-tenbücher, einheitliche Überweisungs-begleitbriefe) und die Nutzung moder-ner Techniken (PC-Vernetzung).

Befundübermittlung mit Einwilligungdes Patienten

Den Anforderungen des Bundesdaten-schutzgesetzes und der Schweigepflichtist zu entsprechen. Bei der Erhebungvon Patientendaten durch den Hausarztbeim Facharzt kann sich der Hausarztauf § 73 Abs. 1b SGB V berufen. Danachist der Hausarzt berechtigt, bei demaufgrund einer Überweisung oder ori-ginären Inanspruchnahme des weiter-behandelnden Arztes die dort erhobe-nen wesentlichen Behandlungsdatenzum Zweck der eigenen Dokumentati-on zu verlangen. Umgekehrt kann derFacharzt mit Einverständnis des Pati-enten dem Hausarzt die Befunde mit-teilen (§ 73 Abs. 1b Satz 2 SGB V). DieVorschrift knüpft das Einverständnisdes Patienten nicht an die Schriftform,es genügt die mündliche, stillschwei-gende (konkludente) oder auch mut-maßliche Einwilligung. Für die Daten-vernetzung des Facharztes beim Haus-arzt gilt das gleiche, da nur ein unge-hinderter Datenaustausch zwischenden behandelnden Ärzten eine qualita-tiv optimale Versorgung der Patientenauch in wirtschaftlicher Hinsicht ga-rantiert.

Arzneimittel

Durchsetzung von Leitlinien zur Phar-makotherapie (eventuell Positivliste).

Koordinationmit anderen Berufsverbänden

Gemeint ist die Zusammenarbeit mitselbständig tätigen und zur eigenverant-wortlichen Berufsausübung befugtenAngehörigen bestimmter nicht-ärztli-cher Fachberufe. Nach dem Berufsrechtist die medizinische Kooperationsge-meinschaft in Form einer Partner-schaftsgesellschaft oder als BGB-Gesell-schaft möglich. Diese Gestaltungsformkommt aber deshalb nicht in Betracht,weil die medizinische Kooperationsge-

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Page 6: Vernetzte Praxen als Tor zu Qualität, Patientenservice und Kostenbewußtsein

Erwartungen des Krankenhauses

● Die Netzärzte sollen ihre Patientennur in dieses Krankenhaus einweisen(die Patientenzahl des KrankenhausRendsburg ist durch die Zusammen-arbeit mit dem MQR deutlich gestie-gen)

● Information über ambulante Kompli-kationen

● Information zur Vor- und Nachbe-handlung/Untersuchung

● Mitgabe der Befunde● Errichtung einer Anlaufpraxis (Bei-

spiel: Münchener Uniklinikum Rechtsder Isar oder Münchener Harlachin-ger Krankenhaus. Die Anlaufpraxismuß räumlich getrennt sein und mitSchildern ausgewiesen werden. Durchdie Anlaufpraxis soll die Klinik –Notfallambulanz entlastet werden. Ba-gatellerkrankungen, die zu einer Fehl-belegung im Krankenhaus führenund die sich als Zuschußbetrieb fürdas Krankenhaus darstellen, sollenüber diese Anlaufpraxis versorgt wer-den. Die ambulant zuständigen Ärztewerden dadurch besser in die Verzah-nung ambulant/stationär integriert.Der Patient hat ohne großen Zeitver-zug eine konkrete Anlaufstelle).

● Gemeinsame Großgerätenutzung (Pla-nung und Anschaffung)

● Gemeinsame Projekte (ambulantesOperieren/Tumorzentren/Arzneimit-telkonferenz)

möglichkeiten der Netze Alternativennicht ersichtlich. Eine qualitativ hoch-wertige wirtschaftliche Versorgung istnur noch durch eine optimierte Koope-ration aller Ärzte in allen Versorgungs-stufen unseres Gesundheitswesens rea-lisierbar. Die Antwort sind vernetztePraxen unter Beteiligung der Kranken-häuser.

Die derzeitigen Modelle sind nichtals Vorläufer der von den Krankenkas-sen gewünschten Einkaufsmodelle zusehen. Der Gesetzgeber hat die Kran-kenkassen zur Zusammenarbeit mitden Kassenärztlichen Vereinigungenverpflichtet. Fraglich bleibt, ob diedurch die neue Versorgungsform er-reichbaren Einsparungen ausreichen,um die Strukturprobleme in der GKVzu beseitigen. Dieses muß wohl bezwei-felt werden, so daß die „Stärkung derEigenverantwortlichkeit des Patienten“und „Ausdünnung des Leistungskatalo-ges“ als weitere Maßnahmen zum Er-halt einer breiten solidarisch finanzier-ten Krankenversicherung grundsätz-lich aktuell bleiben.

Sinnvoll ist die Errichtung von re-gionalen Netzen unter Einbeziehungder örtlichen Krankenhäuser. Nur sokönnen Krankenhauseinsparungen kon-kret nachgewiesen und die Kranken-hausarbeit effizienter gestaltet werden.

Max BroglieRechtsanwaltLeipziger Straße 35D-65191 Wiesbaden

Primärarztsystem stelltkeine Alternative dar

Primärarztsysteme stellen keine Alter-native zu den Praxisnetzen dar. Primär-arztsysteme (=Zwangsvorschaltung ei-nes Hausarztes) streben an:

● Bei der ersten Inanspruchnahme sollder Patient einen Arzt der Grundver-sorgung konsultieren und

● hat der Versicherte als erstes einenFacharzt konsultiert, soll die Über-weisung zum Hausarzt erfolgen,wenn aus der Art des Krankheitsbil-des weiterer Behandlungs und/oderKoordinationsbedarf anzunehmenist.

Grundsätzlich ist zunächst offen, wel-che Arztgruppen zur „Grundversor-gung“ zugerechnet werden sollen. DieEntwicklung einer diesbezüglichen kom-plizierten Reglementierung kann durchein effizienteres Praxisnetz mit guterKoordination komplexen Versorgungs-abläufe erheblich besser gelöst werdenals in einem Primärarztsystem, bei wel-chem die Effizienz im Hinblick auf ver-miedene Krankenhauskosten nicht ingleicher Weise wie beim Praxisnetz zuerwarten ist. Primärarztmodelle sinddeshalb nicht konsensfähig, dieses zeigtauch die Nichtakzeptanz dieses Systemsdurch die französischen Ärzte.

Ausblick

Die neuen Versorgungsstrukturen be-deuten zwar für den Vertragsarzt eineweitere Einschränkung seiner Freibe-ruflichkeit, jedoch sind aufgrund der Ef-fizienz und erweiterten Behandlungs-

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