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VL: Einführung in die Soziologie – WS 2008/09 Dr. Sabina Enzelberger
I. Einführung in Entstehung und Arbeitsbereiche der Soziologie
II. Vorlesungsplan und -organisation
Einführung in Entstehung und
Arbeitsbereiche der Soziologie
WAS IST SOZIOLOGIE?
WS 2008/09
Dr. Sabina Enzelberger
Institut für Soziologie
WAS IST SOZIOLOGIE?
Begriff
Gegenstände der Soziologie
Entstehungshintergründe
Methoden
(Theorien
Systematik: Allgemeine und Spezielle Soziologie)
1. DER BEGRIFF „SOZIOLOGIE"
„Etymologischer Bastard", zusammengesetzt
aus socius (lat. der Gefährte, i. w. S: Mit-
mensch) und logos (gr. Vernunft, Wahrheit, i.
w. S.: Wissenschaft).
"Wissenschaft vom Zusammenleben von Menschen".
2. WOMIT BEFASST SICH DIE SOZIOLOGIE?
Im wissenschaftlichen Bereich existie-ren sehr verschiedene Definitionen!
AUGUSTE COMTE (1798-1857)
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/f4/Auguste_Comte2.jpg
• Einführung des Wortes "Soziologie" 1838
• Soziale Wirklichkeit erforschbar nach
Vorbild der Physik
AUGUSTE COMTE (1798-1857)
Die 'soziale' Wirklichkeit als Gegenstandsbereich besonderer Art:
das Zusammenleben und Zusammenhandeln der Menschen sowie die Effekte und Ergebnisse, die aus diesem Zusammenleben und Zusammenhandeln hervorgehen
(Organisationen wie Schule, Universität, Familie bis hin zur Gesamtgesellschaft).
AUGUSTE COMTE (1798-1857)
Soziologie als neue Wissenschaftsdisziplin, die sich –
nach Vorbild der Naturwissenschaften empirisch mit
der erfahrbaren sozialen Wirklichkeit befasst.
AUGUSTE COMTE (1798-1857)
Abgrenzung der Soziologie von der Philosophie:
Philosophie: Ideen von Institutionen oder Typen von Gesell-
schaften, Schaffung einer Ethik des Zusammenlebens von
Menschen, Sinn des Lebens
Soziologie: konkrete, real existierende und erfahrbare materielle
institutionelle und gesellschaftliche Phänomene und Entwick-
lungen, deren Strukturen und Prozesse, konkret erlebbares
Verhalten von Menschen.
AUGUSTE COMTE (1798-1857)
Sie will diese soziale Wirklichkeit ursächlich erklären und sie
dann mit Hilfe des gewonnenen Wissens eventuell im Interesse
einer besseren gesellschaftlichen Ordnung verändern.
Das Programm der Soziologie als Sozialwissenschaft ist das
einer „erklärenden, theoretisch angeleiteten, empirisch kontrol-
lierten und dadurch aufklärenden und praxisrelevanten‚ Wirklich-
keitswissenschaft’“ (Esser 1999, S. 11).
"Gründergeneration" der Soziologie:
Emile Durkheim (1858-1917)Georg Simmel (1858-1918Herbert Spencer (1820-1903)Max Weber (1864-1920)Ferdinand Tönnies (1855-1936)Albion W. Small (1854-1926)
MAX WEBER (1864-1920)
Verstehende Soziologie
Handlungstheorie
MAX WEBER (1864-1920)
"Soziologie … soll heißen: eine Wissenschaft, welche soziales
Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und
in seinen Wirkungen ursächlich erklären will. 'Handeln' soll dabei
ein menschliches Verhalten (einerlei ob äußeres oder innerliches
Tun, Unterlassen oder Dulden) heißen, wenn … die Handelnden
mit ihm einen subjektiven Sinn verbinden.
'Soziales Handeln' aber soll ein solches Handeln heißen, welches
seinem von … den Handelnden gemeinten Sinne nach auf das
Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf
orientiert ist." („Wirtschaft und Gesellschaft")
MAX WEBER (1864-1920)
Es ist nicht die Konventionsregel
des Grußes, die den Hut vom Kopf
nimmt, sondern immer nur ein
individueller Akteur, der die Norm
befolgt und zwar wiederum aus
unterschiedlichen Motiven, aus
subjektivem Sinn heraus.
MAX WEBER (1864-1920)
Der Begriff „sozial Handeln“ ist nicht wertend zu sehen:
Hilft ein junger Mann einer alten Dame über die Straße, handelt er
„sozial“, aber auch wenn er ihr die Handtasche stiehlt.
Entscheidend ist, dass das Tun bewusst auf andere Menschen
bezogen ist.
Soziales Handeln wäre nicht, wenn ein Radfahrer einen anderen
aus Versehen anfährt und ihn zu Fall bringt. (BAHRDT)
EMILE DURKHEIM 1858-1917
http://modulo3.rendered.startpda.net/32400001-32450000/32403123_500_500_SAYI.jpeg
Begründer der wichtigsten französischen Schule der Soziologie
"Die Soziologie kann … definiert werden als die Wissenschaft von den Institutionen, deren Entstehung und Wirkungsart".
Institutionen sind - wie ihre Elementarform die soziale Norm - 'soziale Tatbestände'
EMILE DURKHEIM 1858-1917
"Sozialer Tatbestand" meint jede durch die Gesell-
schaft festgelegte Art des Handelns, des Verhaltens,
die die Fähigkeit besitzt, auf den Einzelnen einen
äußeren Zwang auszuüben.
EMILE DURKHEIM 1858-1917
"Sozialer Tatbestand" meint „jede soziale Erschei-
nung“, die gegenüber den individuellen Handlungen
und Bestrebungen ein unabhängiges Eigenleben führt,
auch wenn erst im sozialen Handeln der Menschen
diese Institutionen (Sitten, Regeln, Recht, Moral)
geschaffen wurden.
EMILE DURKHEIM 1858-1917
Sie üben auf den Menschen, der sie erst geschaffen
hat, eine „zwingende Macht aus“ und prägen ihr
Handeln.
Soziale Tatsachen sind eine von den Individuen los-
gelöste Wirklichkeit „sui generis“ (eigenen Rechts,
eigener Gestalt). (Esser)
EMILE DURKHEIM 1858-1917
Aufgabe der Soziologie ist es nicht - wie bei M. Weber
- die Motive und Sinngebungen des sozialen Handelns
der Individuen zu verstehen, sondern die Prägekraft
und den äußeren Zwangscharakter sozialer Tatbe-
stände (= sozialer Gebilde, Institutionen) zu erfassen.
EMILE DURKHEIM 1858-1917
Dramatische Illustration seiner These von der Eigenständigkeit der Gesellschaft:
Studie „Der Selbstmord“
gesellschaftliche Ursachen des Selbstmordes
EMILE DURKHEIM 1858-1917
EMILE DURKHEIM 1858-1917
WEBER wie DURKHEIM sehen in der Soziologie beide eine Wis-senschaft, die Phänomene und Prozesse der sozialen Wirklich-
keit erfassen und erklären soll, aber
WEBER führt diese soziale Wirklichkeit auf den Grundprozess "sozialen Handeln" zurück,
nach DURKHEIM sind die „sozialen Tatsachen“ die elementaren Tatbestände der sozialen Wirklichkeit.
KORTE/SCHÄFERS 2008
Soziologie ist die
"Wissenschaft von der sozialen Wirklichkeit".
"Soziale Wirklichkeit meint … jenen Teil der erfahr-baren Wirklichkeit, der sich im Zusammenleben der Menschen ausdrückt oder durch dieses Zusammen-leben und Zusammenhandeln hervorgebracht wird."
(= Ergebnisse und Effekte des Zusammenlebens: Familien, Betriebe, Schulen, ganze Gesellschaften)
ENTSTEHUNGSHINTERGRÜNDE
Unter welchen gesellschaftlichen Bedingungen sind sozio-logisches Denken und die soziologische Wissenschaft ent-standen?
Auf welche gesellschaftlichen Wissensbedürfnisse reagierte die Soziologie als neue Wissenschaft?
ENTSTEHUNGSHINTERGRÜNDE
Beispiele aus der Wissenschaftsgeschichte:
Ingenieur- und Technikwissenschaft
Erziehungswissenschaft
Pflegewissenschaften
GESELLSCHAFTL. HINTERGRUND DER ENTSTEHUNG DER SOZIOLOGIE?
Die französisch-englische Aufklärung
Die Französische Revolution 1789
Die industrielle Revolution seit 1770
AUFKLÄRUNG
Abkehr von theologischen, metaphysischen, spekulativen und philosophischen Weltdeutungen
Krise der religiösen Legitimation der Gesellschaft
Soziale Phänomene (Macht- und Gesellschaftsstrukturen) zu prinzipiell erklärbaren, mit wissenschaftlich erforschbaren Gegenständen
Anlehnung an Naturwissenschaften (logisches Denken, empirisch überprüfbare Beweisführung)
Naturrechtsgedanke
Hoffnung auf autonome und rationale Plan- und Steuerbarkeit des eigenen Lebens
AUFKLÄRUNG
Caspar David Friedrich, Wanderer über dem Nebelmeer
Das Bild symbolisiert die Ziele und Ideen der Aufklärung (freie Blick der Figur):
Betonung der Vernunft
Streben nach demokratischen Werten (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit)
AUFKLÄRUNG
Soziologie als kritische, emanzipatorische und realistische Wissenschaft
Werkzeug für den "Ausgang der Menschheit aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit“ (KANT)
Säkularisierung bedingte aber auch tief greifende Orientierungslosigkeit und Krisengefühle
FRANZÖSISCHE REVOLUTION
Eugène Delacroix: Die Freiheit führt das Volk 1830
http://images.google.de/imgres?imgurl=http://www.schulbilder.org/de-malvorlagen-ausmalbilder-foto-franzoesische-revolution-d7008.jpg&imgrefurl=http://www.schulbilder.org/de-malvorlagen-ausmalbilder-foto-franzoesische-revolution-i7008.html&h=620&w=875&sz=82&hl=de&start=19&usg=__LrqFRhxUyD-T_vyrZ1m0YDeV7oc=&tbnid=4vVOPVq-4UsWPM:&tbnh=103&tbnw=146&prev=/images%3Fq%3DFranz%25C3%25B6sische%2BRevolution%26gbv%3D2%26hl%3Dde
FRANZÖSISCHE REVOLUTION
Abschaffung des feudalabsolutistischen Ständestaats
Ideen der Aufklärung (Menschenrechte, bürgerliche Freiheitsrechte)
Entwicklung des modernen Demokratieverständnis
Terror
Erfahrungen der Gefährdung traditionaler Ordnung
Besorgnis bzgl. unkontrollierbarer Entwicklungen
INDUSTRIELLE REVOLUTION
Adolph Menzel: Eisenwalzwerk, 1872–1875
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/3/35/Adolf_Friedrich_Erdmann_von_Menzel_021.jpg/400px-Adolf_Friedrich_Erdmann_von_Menzel_021.jpg
INDUSTRIELLE REVOLUTION
Gesellschaftlicher Differenzierung und Arbeitsteilung
Abhängigkeiten der neuen gesellschaftlichen Teilbereiche (Wirtschaft, Recht, Wissenschaft, Familie, Bildungssystem)
Zunahme der Komplexität und Unübersichtlichkeit der Gesellschaft
Soziale Frage, Pauperismus, Existenzunsicherheit
INDUSTRIELLE REVOLUTION
Massenwanderungen
Neue Technik, neues Verkehrssystem
Zerfall überlieferter Lebensformen (Nachbarschaften, Große Haushaltsfamilie) und Entstehung neuer Lebensformen (modere bürgerliche und proletarische Familie)
Alternative Gesellschaftsmodelle (Kommunismus).
AUFKLÄRUNG, FRANZ. UND INDUSTRIELLE REVOLUTION
Erfahren als bedrohliche Krisen
Moderne bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft nicht mehr über theologische und philosophische Lehren erklär- und steuerbar
Bedürfnis, die Gesetze des gesellschaftlichen Wandels aufzudecken, um die Ursachen der Krisen verstehen und erklären sowie die zukünftige Entwicklung prognostizieren und beeinflussen zu können
Erkenntnis leitende Interesse der Soziologie: neues handlungs-orientiertes Wissen für den Weg aus der Krise
AUFKLÄRUNG, FRANZ. UND INDUSTRIELLE REVOLUTION
Umbruch- oder Krisenwissenschaft
Verselbständigung von den "Mutter-wissenschaften" (Philosophie, Ökono-mie, Allgemeine Staatslehre, Völker-kunde)
FRANZÖSISCHE UND INDUSTRIELLE REVOLUTION
Ebenso entscheidend für die Entstehung der Soziologie:
Wahrnehmung der Menschen, dass soziale Ordnung
nichts Festes, sondern etwas Brüchiges
nicht von Gottes Hand gelenkt, sondern im Prinzip von
Menschen konstruier- und steuerbar.
FRANKREICH:AUGUSTE COMTE (1798-1857)
Übertragung der Methoden der neuen Naturwissenschaften auf die soziale Wirklichkeit:
aus der Beobachtung sinnlich erfahr- und wahrnehmbarer Tatbestände der sozialen Wirklichkeit ( objektive Tatbestände = positives Wissen) allgemein gültige Gesetzmäßigkeiten von sozialen Prozessen und Ordnungen ableiten.
Soziologie: Wissen für gesellschaftspolitische Planung und Steuerung im Sinne einer stabilen Neuordnung der Gesellschaft
A. COMTE: Erste, der eine nicht-philosophische oder metaphysisch-religiöse Erklärung für die Veränderung der Gesellschaft gibt.
AUGUSTE COMTE:DREISTADIENGESETZ
Geschichte der Menschheit als naturgesetzlicher allgemein-historischer Fortschritt der geistigen Höher- und Weiterentwicklung (Denkens)
Entwicklung der Gesellschaft bedingt durch zu-nehmende Erkenntnis
AUGUSTE COMTE:DREISTADIENGESETZ
Theologisches Stadium:
Menschliche Denk- und Erklärungssystem:
Geister- und Götterglaube, Mythen und Sagen(fiktive Kräfte)
religiöse Täuschungen und mythisch-magische Vorstellungen
AUGUSTE COMTE:DREISTADIENGESETZ
Metaphysisches oder abstraktes Stadium
Menschliche Denk- und Erklärungssystem:
Säkularisierung
Metaphysik (Lehre von dem nicht Erfahrbaren hinter unseren Wahrnehmungen - verborgenen Tatsachen)
Erklärung aller Erscheinungen durch abstrakte Wesenheiten wie die Natur (als Urkraft)
statt Phantasie logischer Beweis und Verstand (Renaissance)
AUGUSTE COMTE:DREISTADIENGESETZ
Wissenschaftlich-positives Stadium
Menschliche Denk- und Erklärungssystem:
Industriegesellschaft Spezialisierung Komplexität der
Gesellschaft + neue individuelle Freiräume
Notwendigkeit der Orientierung an wissenschaftsorientiertem Denksystem
Rationalität: allein auf Vernunft und rationalem Kalkül beruhende Gesellschaft
„Positivismus“ als optimaler EndzustandQuelle der Erkenntnis ist nur das erfahrungsmäßig Gegebene („Positive“), die „Tatsache“
FRANKREICH: EMILE DURKHEIM (1858-1917)
Hauptfrage:
Wie ist es möglich, Konsens als Voraussetzung des Lebens in der Gesellschaft des 19. Jh.s herzustellen?
Antwort:
Für die Ordnung in der Gesellschaft muss Zusam-menhalt bzw. Solidarität gegeben sein.
FRANKREICH: EMILE DURKHEIM (1858-1917)
Gesellschaftliche Entwicklung als Entwicklung von der mechanischen zur organischen Solidarität
Wichtigsten Kriterien:
- Ähnlichkeit
- Verschiedenheit
FRANKREICH: EMILE DURKHEIM (1858-1917)
Die mechanische Solidarität
typisch für primitive und archaische Gesellschaften
Solidarität durch Ähnlichkeit:
Menschen bilden ein Kollektiv, in dem alle gleich sind und die Welt in gleicher Weise deuten
Gesellschaftliche Integration durch gemeinsame Anschauungen
keine Wahl der sozialen Beziehungen
FRANKREICH: EMILE DURKHEIM (1858-1917)
Die organische Solidarität
typisch für moderne differenzierte Gesellschaften
Verschiedenheit und Arbeitsteilung
Arbeitsteilung Zwang zur Kooperation
Wahlfreiheit der Beziehungen, des Handelns und der Anschauungen
Gesellschaftliche Integration und Konsens nicht durch gemeinsame Anschauungen, sondern rechtliche und vertragliche Bindungen
DEUTSCHLAND:KARL MARX (1818-1883)
http://www.geocities.com/capitolhill/lobby/2554/karlmarx.jpg
Einer der bedeutenden theoreti-
schen Klassiker der Soziologie
DEUTSCHLAND:KARL MARX (1818-1883)
Frage: Triebkraft der Veränderung von Gesellschaften
COMTE: Akkumulation von Wissen
MARX: Wandel der Produktionsweise
DEUTSCHLAND: MAX WEBER (1864-1920)
Fragestellung:
Wo liegen die Ursprünge des für die Entstehung der
modernen Welt ausschlaggebenden Kapitalismus?
Antwort:
MARX: in Entwicklung der Produktionsweise
WEBER: in Calvinismus und protestantischer Ethik (Prädestinationslehre)
nicht nur durch wirtschaftliche Prozesse, sondern auch
geistig-religiöse bedingen gesellschaftliche Entwicklung
USA
Ursprünge: Probleme einer Einwanderungsgesellschaft unvermittelte stürmische Industrialisierung rapides Städtewachstum
Besonderheiten: Praxisbezug (Sozialreform, Sozialfürsorge) empirische Forschung und nicht Theorienentwicklung
Wichtige Namen: W.I. THOMAS und FLORIAN ZNANIECKI (Polnische
Einwanderer) ROBERT PARK und LOIS WIRTH (Großstadtsoziologie)
UNIVERSITÄRE VERANKERUNG DER SOZIOLOGIE
1892 1. Lehrstuhl Chicago (ALBION W. SMALL)
1896 in Frankreich EMILE DURKHEIM
1909 DGS
1914 1. Lehrstuhl in Dtschl. GEORG SIMMEL
SOZIOLOGIE INTERESSIERT SICH FÜR ALLES: Sektionen und Arbeitgruppen der DGS
Alter(n) und Gesellschaft Arbeits- und Industriesoziologie Bildung und Erziehung Biographieforschung Entwicklungssoziologie und
Sozialanthropologie Familiensoziologie Frauen und Geschlechterforschung Kultursoziologie Konsumsoziologie Land- und Agrarsoziologie Jugendsoziologie Medien- und
Kommunikationssoziologie Medizin- und Gesundheitssoziologie Methoden der empirischen
Sozialforschung Methoden der qualitativen
Sozialforschung Migration und ethnische Minderheiten Modellbildung und Simulation Ost- und Ostmitteleuropa- Soziologie Politische Soziologie
Religionssoziologie Soziale Indikatoren Soziale Probleme und soziale
Kontrolle Soziale Ungleichheit und
Sozialstrukturanalyse Sozialpolitik Soziologie der Kindheit Soziologie des Körpers und des
Sports Soziologie und Ökologie Soziologische Theorie Sprachsoziologie: siehe
Wissenssoziologie Stadt- und Regionalsoziologie Wirtschaftssoziologie Wissenschafts- und
Techniksoziologie Wissenssoziologie Organisationssoziologie Professionssoziologie Sozial- und Ideengeschichte der
Soziologie
SOZIOLOGIE INTERESSIERT SICH FÜR ALLES
P.L. BERGER:
Soziologen sind Leute, "die ein unstillbares, grenzenloses,
schamloses Interesse für alles haben, was Menschen tun. Ihr Ort
sind alle Plätze der Welt, wo Menschen mit Menschen
zusammentreffen. (…) Nichts was Menschen treiben, ist ihm zu
hoch oder zu gering, zu langweilig oder zu lästig." Er ist
interessiert "an der Tragödie, der Größe, der Ekstase – aber auch
am Alltag, am Gemeinplatz, am öden Einerlei. (…) Vornehm und
gering, Macht und Ohnmacht, Geist und Narrheit – alles ist gleich
wichtig für den Soziologen … Seine Fragen führen ihn in alle
Schichten und auf alle Ebenen der Gesellschaft, an begehrte und
gemiedene, gepriesene und geächtete Orte. … Die Gesellschaft von
Priestern oder Prostituierten ist ihm gleich lohnend."
ZIELE SOZIOLOGISCHEN FORSCHENS IM EINZELNEN:
Kampf gegen Alltagstheorien:
"Die Faszination der Soziologie liegt darin, dass ihre Scheinwerfer
uns die Welt, in der wir leben, plötzlich in einem anderen Lichte
zeigen." (P.L. BERGER)
Soziologie wird besonders aufregend dadurch, dass sie zeigt, "dass
die Dinge nicht sind, was sie scheinen." (P.L. BERGER)
Alltagshypothese „früh gefeit, hat nie gereut“
DIE SOZIOLOGIE ALS THEORETISCH-EMPIRISCHE WISSENSCHAFT
Die Soziologie ist eine Wissenschaft mit disziplineigenen Fachbegriffen
Theorien
und empirischen Methoden
Sie beruht auf theoretischer Begriffbildung
empirischen Verfahren
Ihr Gegenstand ist die erfahrbare soziale Wirklichkeit.
DIE SOZIOLOGIE ALS THEORETISCH-EMPIRISCHE WISSENSCHAFT
Wirklichkeitsbezogenheit
Gegenwartsbezogenheit
Praxisbezogenheit
M. WEBER: "eine empirische Wissenschaft vermag niemanden zu lehren, was er soll, sondern nur, was er kann und - unter Umständen – was er will".
P.L.BERGER: Der Soziologe ist ein guter Spion, der die Aufgabe hat, ein bestimmtes gesellschaftliches Terrain auszukundschaften; aber andere entscheiden über praktische Konsequenzen!
DIE SOZIOLOGIE ALS EMPIRISCHE WISSENSCHAFT
Zwei von einander zu unterscheidende soziologische Forschungsmethoden:
Sie unterscheiden sich in Annahmen über
• Möglichkeit der Erfassung der Realität
• Grad der Standardisierung
• Instrumente zur Erfassung der Realität
• Möglichkeit der Generalisierung der Ergebnisse
DIE SOZIOLOGIE ALS EMPIRISCHE WISSENSCHAFT
Quantitative Sozialforschung (Zahlen): • Orientiert an positivistischem Vorgehen (Quelle der Erkenntnis: erfahrungsmäßig Gegebene - »Positive«, »Tatsache«
• Repräsentativität (große Personenstichprobe)
• Quantitative Übersichtsstudie (Survey)
• Standardisierte Erhebung (Fragebögen)
• Quantitativ-statistische Datenanalyse
Kritik: ganzheitlicher Charakter von Variablengefügen wird vernachlässigt
DIE SOZIOLOGIE ALS EMPIRISCHE WISSENSCHAFT
Qualitative Sozialforschung (Worte):
• Fallstudien (begrenzte Personenzahl)
• Hermeneutisch-sinnverstehendes Vorgehen
• Offenes Erhebungsverfahren: • Ausführliche Gespräche, (narrative) Interviews, teilnehmende Beobachtung, Inhaltsanalyse (Tagebücher), Experiment
• Systematische Interpretation
• Tiefer gehende ganzheitliche Analysen
• qualifizierendes Auswertungsverfahren
Kritik: Fallstudien verhindern Analyse von Strukturzusammenhängen, ihre Verallgemeinerung, Repräsentativität
DIE SOZIOLOGIE ALS EMPIRISCHE WISSENSCHAFT
Heute Kombination beider Methoden (Gemischte Forschungsdesigns)
1. Quantitative Übersichtsstudie: große Personenstichproben mit standard. Verfahren (Fragebogen) befragen
2. Auf dieser Basis Auswahl von Gesprächspartnern für ganzheitliche Einzelfallstudien (begrenzte Unterpopulation der großen Stichprobe)
Bsp. Motive der Berufswahl bei Lehrer/innen
DIE SOZIOLOGIE ALS EMPIRISCHE WISSENSCHAFT
Die Besonderheit liegt darin, dass „’die Objekte’ des Sozialwissenschaft-
lers selbst handlungsfähige ‚Subjekte’ sind, die mit ihrem Handeln einen
subjektiven Sinn verbinden. Mit diesen Komplikationen muss man bei
Molekülen, bei Planeten und bei Pflanzenpollen … nicht rechnen.“ (Esser,
S. 83)
Aussagen auf Basis der empirischen Ergebnisse: probabilistischer Natur
Literatur
Schäfers, B., Kopp, H. (Hrsg.): Grundbegriffe der Soziologie. Wiesbaden 2006, S. 272-277 ☻
Berger, P. L., Berger, B.: Wir und die Gesellschaft. Eine Einführung in die Soziologie. Reinbek 1988
Endruweit, G., Trommsdorf, G. (Hrsg.): Wörterbuch der Soziologie. Stuttgart 2002
Esser, H.: Soziologie. Allgemeine Grundlagen. Frankfurt/M., New York 1999, S. 1-37
Korte, H., Schäfers, B. (Hrsg.): Einführung in die Hauptbegriffe der Soziologie. Opladen 2002, S. 11-22 ☻
Seminarplan und -organisation
1. Themen- und Zeitplan
2. Reader als Textbasis für a) Vorlesung
b) das Tutorium c) die Klausur
3. Scheinvoraussetzungen: a) Regelmäßige Teilnahme
b) Klausur am Ende der Vorlesung (03.02.09, 8.00h; 03.03.09, 9.30h
c) Zulassung zur Klausur: - Regelmäßige Teilnahme - Campusanmeldung
Seminarplan und -organisation
4. Tutorium a) Namen
- Angelika Zindel: Montag, 9.30-11.15 Uhr
- Harald Ruck (Freitagnachmittag)
- Rene Icgen (Donnerstagnachmittag)
b) Gemeinsame Bearbeitung klausurrelevanter
Fragestellungen (s. auch Ende der VL-Stunde)
http://www.soziologie.phil.uni-erlangen.de:1903/typo3/index.php?id=183
Kennungen:
Dr. Sabina EnzelbergerEinführung in die Soziologie
Username: soziologiePassword: weber
Reader für das Wintersemester 2008/2009
Beispielhafte Klausurfragen 14.10.08
1. Definieren Sie mit Bezug auf die soziologischen Klassiker Auguste Comte, Max Weber und Emile Durkheim den Begriff „Soziologie“
2. Unter welchen historisch-gesellschaftlichen Bedingungen ist die Soziologie als neue Wissenschaftsdisziplin entstanden?
3. Welche soziologischen Forschungsmethoden zur Erhebung von empirischen Daten spielen in der Soziologie eine herausragende Rolle?