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18.09.2015 1 Bitte beachten: Dieses Handout ist AUSSCHLIESSLICH für die private Information gedacht. Jegliche Nutzung (auch von Teilen) in Vorträgen u./o. Publikationen ist nur nach schriftlicher Genehmigung des Autors (Peter Landwehr, Hannover) gestattet. Bildgebung bei Rückenschmerz Peter Landwehr Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie Diakoniekrankenhaus Henriettenstiftung, Hannover Vortragsdownload unter www.radiologie-henriettenstiftung.de/links Volkskrankheit Rückenschmerz HAZ 20.1.2010 Analyse der BARMER GEK Gesamt-Kosten in Deutschland inkl. volkswirtschaftlicher Verluste: ca. 25 Mrd. /a Wenig et al. Europ J Pain 2007: 280-286 durchschnittliche Behandlungskosten pro Patient und Jahr: 1322 Wenig et al. Europ J Pain 2007: 280-286 Bildgebung bei Rückenschmerzen Herausforderungen Cui Bono? Diagnostik Therapie Kenntnis und Beachtung einschlägiger Leitlinien und Studien Zielgruppen identifizieren bestes Primärverfahren wählen Rückenschmerzen in Deutschland Umfrage, publiziert 2007 von 9267 Befragten hatten Rückenschmerzen zum Zeitpunkt der Befragung: 37,1 % innerhalb der letzten 12 Monate: 76,0 % mindestens ein Mal im Leben: 85,5% Benötigt ¾ der Bevölkerung innerhalb eines Jahres bildgebende Diagnostik wegen Rückenschmerzen? Schmidt et al. Spine 2007: 32 (2005-2011) Können wir Rückenschmerzen sichtbar machen?

Volkskrankheit Rückenschmerz Bildgebung Herausforderungen · Osteoporotische Fraktur Ossäre inkl. intradurale Metastasierung bei Mamma-Karzinom nodalpositives Mammakarzinom, ED

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18.09.2015

1

Bitte beachten:

Dieses Handout ist

AUSSCHLIESSLICH für die private

Information gedacht. Jegliche

Nutzung (auch von Teilen) in

Vorträgen u./o. Publikationen ist nur

nach schriftlicher Genehmigung des

Autors (Peter Landwehr, Hannover)

gestattet.

Bildgebung bei

Rückenschmerz

Peter Landwehr

Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie

Diakoniekrankenhaus Henriettenstiftung, Hannover

Vortragsdownload unter

www.radiologie-henriettenstiftung.de/links

Volkskrankheit Rückenschmerz HAZ 20.1.2010

Analyse der BARMER GEK

• Gesamt-Kosten in Deutschland inkl. volkswirtschaftlicher Verluste: ca. 25 Mrd. €/a Wenig et al. Europ J Pain 2007: 280-286

• durchschnittliche Behandlungskosten pro Patient und Jahr: 1322 € Wenig et al. Europ J Pain 2007: 280-286

Bildgebung bei Rückenschmerzen

Herausforderungen

• Cui Bono?

– Diagnostik

– Therapie

• Kenntnis und Beachtung einschlägiger

Leitlinien und Studien

• Zielgruppen identifizieren

• bestes Primärverfahren wählen

Rückenschmerzen in

Deutschland

• Umfrage, publiziert 2007

• von 9267 Befragten hatten Rückenschmerzen

– zum Zeitpunkt der Befragung: 37,1 %

– innerhalb der letzten 12 Monate: 76,0 %

– mindestens ein Mal im Leben: 85,5%

Benötigt ¾ der Bevölkerung innerhalb eines

Jahres bildgebende Diagnostik wegen

Rückenschmerzen?

Schmidt et al. Spine 2007: 32 (2005-2011)

Können wir Rückenschmerzen

sichtbar machen?

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Können wir Rückenschmerzen

sichtbar machen?

Bildgebung bei Rückenschmerzen

Ein Szenario …

• 34jährige, früher sportlich sehr aktive Informatikerin

• sitzende Tätigkeit

• akute rechtsbetonte, immobilisierende Lumbago, keine neurologischen Ausfälle

• Überweisung zum Radiologen: Zielauftrag zum LWS-CT mit V.a. Bandscheibenvorfall

• Ergebnis: – CT wird durchgeführt

– medio-linkslaterale Bandscheibenprotrusion LWK 5 / SWK 1

– mäßige Arthrose der kleinen Wirbelgelenke der unteren 3 LWS-Segmente

Bildgebung bei Rückenschmerzen

Ein Szenario …

• Patientin lässt sich die Untersuchungsergebnisse vom Radiologen ausführlich erklären

• Konsequenzen:

– Die Patientin weiß ab jetzt, dass sie eine Bandscheibenprotrusion und erste degenerative Veränderungen der kleinen Wirbelgelenke hat.

– Die fertile Patientin wurde einer Strahlenbelastung von ca. 5 mSv ausgesetzt, d.h. dem etwa 2,3fachen der mittleren jährlichen natürlichen Strahlenbelastung.

– Die Therapie wird durch das Ergebnis der CT-Untersuchung nicht beeinflusst.

• 98 Rücken-

Gesunde

• 20 bis 80 Jahre

• MRT der LWS

Von 98 Rückengesunden hatten…

• …nur 36 % gesunde Bandscheiben in allen

LWS-Segmenten

• …52 % eine einfache Bandscheibenvorwölbung

• …28 % eine stärkere Bandscheibenvorwölbung

oder einen Vorfall

• …14 % Bandscheibeneinrisse

• …8 % eine Arthrose der kleinen Wirbelgelenke

Fazit aus der Jensen-Studie

• Auch Rückengesunde haben mehrheitlich

degenerative Veränderungen.

• Ein Patient mit Rückenschmerzen hat mit

hoher Wahrscheinlichkeit degenerative

Veränderungen, ohne dass diese im

Zusammenhang mit den Beschwerden

stehen müssen.

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Meta-Analyse: Bildgebung bei

Rückenschmerzen • akuter oder subakuter Rückenschmerz

• Analyse von 6 Studien mit insgesamt 1804 Patienten – sofortige Bildgebung (Gruppe 1) versus klinische

Betreuung ohne sofortige Bildgebung (Gruppe 2)

– Röntgen, CT, MRT

– Outcome nach 3 und nach 6-12 Monaten

• kein signifikanter Unterschied zwischen Gruppe 1 und 2 hinsichtlich – Schmerz (Dauer, Intensität)

– Funktion

Chou et al. Lancet 2009: 373 (463-472)

Rückenschmerzen: Effekte der

bildgebenden Diagnostik • 421 Patienten zwischen 20 und 55 Jahren

• Rückenschmerzen zum Randomisationszeitpunkt sowie mindestens innerhalb der letzten 6 Wochen

• Ausschluss-Kriterien – chronische Rückenschmerzen > 6 Monate

– klinische Hinweise für Ursachen möglicher schwerer Wirbelsäulenerkrankungen (‚red flag‘)

• bekannte Tumorerkrankung

• Steroide

• Entzündungszeichen

• Gewichtsabnahme

• Drogenmissbrauch

• HIV

• eindeutige neurologische Ausfälle

Kendrick et al. BMJ 2001: 322 (400-405)

Rückenschmerzen: Effekte der

bildgebenden Diagnostik

• Randomisation – Gruppe A: bildgebende Diagnostik

– Gruppe B: keine bildgebende Diagnostik

• Ergebnis nach 3 Monaten – signifikant mehr Patienten mit persistierenden Schmerzen

in der Gruppe A

– signifikant mehr körperliche Einschränkung in der Gruppe A

– signifikant mehr Arztkontakte in der Gruppe A

• Ergebnis nach 9 Monaten – höhere Behandlungszufriedenheit in der Gruppe A

Kendrick et al. BMJ 2001: 322 (400-405)

Unspezifischer Rückenschmerz:

Einfluss durch CT und MRT • randomisierte Studie bei neurochirurgischen

und orthopädischen Patienten mit lumbalem

Rückenschmerz

• Einschlusskriterium: keine bekannte,

potentiell anzunehmende Grunderkrankung

– Gruppe A: CT u./o. MRT

– Gruppe B: keine Bildgebung

• keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich

Therapieentscheidung und Outcome

Gillan et al. Radiology 2001: 220 (393-399)

Was will Radiologie bei

Rückenschmerzen?

• behandelbare Ursachen darstellen, die

nicht durch die klinische Untersuchung

erkennbar sind

• klinisch-morphologische Korrelation

sicherstellen

• Therapieplanung

• Therapie unter Bildgebungs-Steuerung

• Therapie-Erfolgskontrolle

Leitlinien, Stellungnahmen, Analysen • Nationale Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz (August 2013)

Träger: AGMF (mit allen hierfür relevanten Fachgesellschaften), BÄK, KBV

www.kreuzschmerz.versorgungsleitlinien.de

• Orientierungshilfe für Bildgebende Untersuchungen

(Strahlenschutzkommission, 2010)

www.ssk.de

• US Guidelines (American College of Physicians) (2007)

www.acponline.org

• European Guidelines (2000 - 2004)

www.backpaineurope.org

• BARMER GEK Krankenhaus-Report 2015

http://presse.barmer-

gek.de/barmer/web/Portale/Presseportal/Subportal/Presseinformationen/Archiv/2015/150721-

Report-Krankenhaus/PDF-Report-Krankenhaus-2015,property=Data.pdf

• Drucksache Deutscher Bundestag „Technischer Fortschritt im Gesundheitswesen“ (11.

März 2015)

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/042/1804283.pdf

• RKI / Gesundheitsberichterstattung des Bundes (2012)

http://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDown

loadsT/rueckenschmerzen.pdf?__blob=publicationFile

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Empfehlungen der

Strahlenschutzkommission des BMU

www.ssk.de (2010) www.ssk.de (2010)

Empfehlungen der

Strahlenschutzkommission des BMU

Nationale VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz

August 2013 www.awmf.org

Klinische Entscheidung für die

Bildgebung bei Rückenschmerzen

Nationale VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz

August 2013 www.awmf.org

• „red flag“?

Hinweise für bedrohliche Ursache

– Fraktur?

– Tumor?

– Entzündung?

– Radikulopathie/Neuropathie?

Nationale VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz

August 2013 www.awmf.org

Nationale VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz

August 2013 www.awmf.org

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Nationale VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz

August 2013 www.awmf.org

Bildgebung bei Rückenschmerz:

Wann? Wann nicht? • keine Bildgebung

– bei neu aufgetretenen, unspezifischen Rückenschmerzen ohne ‚Red Flags‘

• MRT – bei Vorliegen mindestens einer ‚red flag‘

– bei persistierenden / progredienten Symptomen

– vor Intervention / OP

• CT – wenn Bildgebung erforderlich, aber MRT nicht durchführbar ist

– akutes Trauma

– Beurteilung der Ausdehnung knöcherner Defekte und postoperativer Implantate

• Röntgenaufnahme – ergänzend zur Therapie-Planung und -Kontrolle

– Beurteilung postoperativer Implantate

Nationale VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz

August 2013 www.awmf.org

Zu viel Bildgebung bei

Rückenschmerzen: Warum?

• mangelnde Kenntnis der Datenlage

• zu wenig Zeit für eingehende klinische Diagnostik

• Kausalitätsbedürfnis

• Zielauftrag an Radiologen

• Erwartungen des Primärbehandlers

• Erwartungen des Patienten

• Selbstüberweisung

Spondylodiszitis 54 J., lokale Injektionen beim Orthopäden wg. Rückenschmerzen,

Verschlimmerung, Fieber, CRP/Leukos

T2-Bild

MRT

Rö. LWS seitlich T1-Bild (nativ) T1-Bild (mit Kontrastmittel)

Spondylodiszitis 54 J., lokale Injektionen beim Orthopäden wg. Rückenschmerzen,

Verschlimmerung, Fieber, CRP/Leukos

72jährige Patientin

erhebliche

Rückenschmerzen

ohne erinnerlichen

Sturz

?

Osteoporotische Fraktur Ossäre inkl. intradurale

Metastasierung bei Mamma-Karzinom

nodal positives

Mammakarzinom,

ED vor 2 Jahren

seit 6 Wochen

progrediente

Rückenschmerzen

seit 1 Woche

Gangstörung,

Blasen- und

Mastdarm-

Entleerungsstörung

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Bildgestützte Interventionen bei

Rückenschmerzen

CT-gesteuerte Biopsie

CT-gesteuerte Schmerztherapie

Stabilisierung mit

Knochenzement

(Vertebroplastie)

Radiologische Diagnostik bei Rückenschmerzen

Fazit

• Der akute unspezifische Rückenschmerz des Erwachsenen stellt keine primäre Indikation zur Bildgebung dar.

• Degenerative Veränderungen sind sehr häufig, oft Diskrepanz zwischen Bildgebung und Symptomen.

• Andauernde oder progrediente Schmerzen indizieren eine differenzierte Bildgebung.

• Klinische Risikofaktoren (‚red flags‘) indizieren Bildgebung, in der Regel primär mittels MRT.

• Je genauer die klinische Symptomatik erfasst wird, desto besser ist der Beitrag der Radiologie zur Ursachenklärung.

• Befunde erfordern oft die interdisziplinäre Diskussion (z.B. Wirbelsäulenkonferenz, Schmerzkonferenz).