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WIRTSCHAFT 28 trend 5 | Mai 2015 Vom Versuch, die Wall Street ins Disneyland Europas zu locken REPUTATION. Musik, Skifahren und Almen auf der einen Seite, zu viel Bürokratie und hohe Steuern auf der anderen: Österreich hat eher das Image eines Vergnügungsparks als das eines erfolgreichen Wirtschaftsstandorts. Ein Grüpplein heimischer Manager versucht, das Ansehen mit dem Label „21st Austria“ wieder zurechtzurücken. Leicht haben sie es nicht. Zumal jetzt auch noch der Schuldenschnitt bei der Hypo dazukommt. Von Rainer Himmelfreundpointner N ew York, 13. April 2009 – ein nebliger Montag, an dem Österreichs Ansehen in der Welt den vermutlich schwers- ten Schlag seit der Waldheim-Affäre abbekommen hat. Im „Foreign Press Club“ in der 45. Straße schwadroniert Wirtschaſts- nobelpreisträger Paul Krugman über die ausufernde Finanzkrise. Selbst hoch entwickelte Staaten, das hätten die Beinahe-Pleiten von Island und Irland gezeigt, seien vor einer Insolvenz nicht mehr gefeit. Ganz schlimm wüte die Krise in Osteuropa, wovon Öster- reich besonders betroffen sei. Krugmans vernichtendes Verdikt: „Island und Irland geht es ziemlich schlecht, Österreich könnte sich dieser Liga als drittes Land anschließen.“ Tags darauf war in hiesigen Polit- und Finanzkreisen die Hölle los und wüstes Krugman-Bashing angesagt. Aber der Ökonom legte in seinem „New York Times“-Blog nach: „Ich habe nur ge- sagt, was ohnehin jeder weiß: Österreichs Kredite nach Osteuropa sprengen jeden Vergleich. Wahrscheinlich braucht es eine Ban- kenrettung, die die Staatsfinanzen ernsthaſt belasten wird.“ Unter- mauert war dies mit einer Statistik, in der die Ostforderungen der heimischen Banken auf etwa 64 Prozent des österreichischen BIPs taxiert wurden. An „den schrecklichen Krugman-Moment“ erinnert sich der damalige Wirtschaſtsdelegierte in New York, Christian Kesberg: „Plötzlich waren wir mit den denkbar schlechtesten Nachrichten auf dem Radar der Wall-Street-Investoren. Und allen Entscheidungsträgern zu Hause war klar, dass man dringend etwas für das Image Österreichs als Wirtschaſtsstandort tun muss.“ Denn in Wahrheit beliefen sich die Kredite aller heimischen Banken im Jahr 2008 sogar auf 77 Prozent der dama- ligen Wirtschaſtsleistung von rund 292 Milliarden Euro. Verzerrtes Österreich-Bild. Das plötzlich offenbar gewordene „Country Risk“ ließ institutionelle Anleger vorsichtiger werden, und schnell stiegen auch die Refinanzierungskosten der sowieso ange- schlagenen Banken. Bis heute hat sich die Beurteilung des hiesigen Wirtschaſtsstandorts nicht wirklich gedreht. Was dazu führt, dass die großen Finanzinvestoren, die Österreich sowieso nie weit oben auf der Liste hatten, das Land nun noch weniger beachten. Die an Österreich vorbeifließenden Kapitalströme wiederum tragen – >

Vom Versuch, die Wall Street ins Disneyland Europas zu locken€¦ · April 2009˜– ein nebliger Montag, an dem Österreichs Ansehen in der Welt den vermutlich schwers-ten Schlag

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Page 1: Vom Versuch, die Wall Street ins Disneyland Europas zu locken€¦ · April 2009˜– ein nebliger Montag, an dem Österreichs Ansehen in der Welt den vermutlich schwers-ten Schlag

WIRTSCHAFT28 trend 5 | Mai 2015

Vom Versuch, die Wall Street ins Disneyland

Europas zu lockenREPUTATION. Musik, Skifahren und Almen auf der einen Seite,

zu viel Bürokratie und hohe Steuern auf der anderen: Österreich hat eher das Image eines Vergnügungsparks als das eines erfolgreichen Wirtschaftsstandorts. Ein Grüpplein heimischer Manager versucht, das Ansehen mit dem Label „21st Austria“ wieder zurechtzurücken. Leicht haben sie es nicht. Zumal jetzt auch noch der Schuldenschnitt bei der Hypo dazukommt.Von Rainer Himmelfreundpointner

New York, 13. April 2009 – ein nebliger Montag, an dem Österreichs Ansehen in der Welt den vermutlich schwers-ten Schlag seit der Waldheim-A� äre abbekommen hat. Im

„Foreign Press Club“ in der 45. Straße schwadroniert Wirtscha� s-nobelpreisträger Paul Krugman über die ausufernde Finanzkrise. Selbst hoch entwickelte Staaten, das hätten die Beinahe-Pleiten von Island und Irland gezeigt, seien vor einer Insolvenz nicht mehr gefeit. Ganz schlimm wüte die Krise in Osteuropa, wovon Öster-reich besonders betro� en sei. Krugmans vernichtendes Verdikt:

„Island und Irland geht es ziemlich schlecht, Österreich könnte sich dieser Liga als drittes Land anschließen.“

Tags darauf war in hiesigen Polit- und Finanzkreisen die Hölle los und wüstes Krugman-Bashing angesagt. Aber der Ökonom legte in seinem „New York Times“-Blog nach: „Ich habe nur ge-sagt, was ohnehin jeder weiß: Österreichs Kredite nach Osteuropa sprengen jeden Vergleich. Wahrscheinlich braucht es eine Ban-kenrettung, die die Staats� nanzen ernstha� belasten wird.“ Unter-mauert war dies mit einer Statistik, in der die Ostforderungen der

heimischen Banken auf etwa 64 Prozent des österreichischen BIPs taxiert wurden.

An „den schrecklichen Krugman-Moment“ erinnert sich der damalige Wirtscha� sdelegierte in New York, Christian Kesberg: „Plötzlich waren wir mit den denkbar schlechtesten Nachrichten auf dem Radar der Wall-Street-Investoren.

Und allen Entscheidungsträgern zu Hause war klar, dass man dringend etwas für das Image

Österreichs als Wirtscha� sstandort tun muss.“ Denn in Wahrheit beliefen sich die Kredite aller heimischen Banken im Jahr 2008 sogar auf 77 Prozent der dama-ligen Wirtscha� sleistung von rund 292 Milliarden Euro.

Verzerrtes Österreich-Bild. Das plötzlich o� enbar gewordene „Country Risk“ ließ institutionelle Anleger vorsichtiger werden, und schnell stiegen auch die Re� nanzierungskosten der sowieso ange-schlagenen Banken. Bis heute hat sich die Beurteilung des hiesigen Wirtscha� sstandorts nicht wirklich gedreht. Was dazu führt, dass die großen Finanzinvestoren, die Österreich sowieso nie weit oben auf der Liste hatten, das Land nun noch weniger beachten. Die an Österreich vorbei� ießenden Kapitalströme wiederum tragen –

Europas zu lockenEuropas zu lockenMusik, Skifahren und Almen auf der einen Seite,

anderen: Österreich hat eher das Image eines Vergnügungsparks als das eines erfolgreichen Wirtschaftsstandorts. Ein Grüpplein heimischer Manager versucht, das Ansehen mit dem Label Manager versucht, das Ansehen mit dem Label „21st Austria“ wieder zurechtzurücken. Leicht haben sie es nicht. Zumal jetzt auch noch der Schuldenschnitt bei der Hypo dazukommt.Von Rainer Himmelfreundpointner

kenrettung, die die Staats� nanzen ernstha� belasten wird.“ Unter-mauert war dies mit einer Statistik, in der die Ostforderungen der mauert war dies mit einer Statistik, in der die Ostforderungen der

heimischen Banken auf etwa 64 Prozent des österreichischen

Manager versucht, das Ansehen mit dem Label „21st Austria“ wieder zurechtzurücken. Leicht

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Die Story, die sogar OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny schon mal frühmorgens bei CNBC oder Bloomberg TV er-zählt, besteht aus wenigen klaren Kernbotscha�en: Österreich hat trotz der Krise immer noch gute wirtscha�liche Fundamentaldaten und eine der geringsten Arbeitslosen-quoten in Europa. Dank eines Anteils der Industrieproduktion am BIP von etwa 20  Prozent wimmelt es hier nur so von technologisch herausragenden Hidden Champions, was wiederum nur durch das hohe technische Ausbildungsniveau der Mitarbeiter möglich ist. Außerdem ist das per saldo immens pro�table Engagement der österreichischen Wirtscha� in Osteuropa weniger eine riskante Hypothek, als vielmehr ein Beweis für die ausgeprägte Ostexpertise, gerade in Zeiten von Ukraine-Krise und Russland-Sanktionen. Und schließ-lich mausert sich insbesondere Wien immer mehr zu einem der attraktivsten Start-up-Hotspots des Kontinents.

Crisp apple strudels, schnitzel with noodles. Allein: Who cares? Das Bild vom Hochtechnologie-, Forschungs- und Gründerstand-ort, das man so gerne vermitteln würde, ist in der Welt bislang nicht so richtig angekommen. „Österreich gehört zu jenen Ländern, die international sehr o� unter dem Radarschirm verschwinden“, sagt der ein�ussreiche Chef der Euro Working Group, �omas Wieser, der als eine Art assoziierter Botscha�er bei der kommen-den 21st-Konferenz Anfang Mai in New York die Keynote-Rede („Shi�ing Gears into Growth?“) halten wird. „Sogar in vielen EU-Statistiken kommt unser Land nicht vor.“ Ebenso unbedeutend sei der Stellenwert Österreichs aus amerikanischer Sicht, sagt Ex-Wirtscha�sdelegierter Kesberg. Er illustriert das gerne am Beispiel des US-Staates Virginia – mit gut acht Millionen Einwohnern und etwa 42.000 Dollar BIP pro Kopf durchaus mit Österreich ver-gleichbar: „Hand aufs Herz: Kennen Sie die Hauptstadt von Vir-ginia? Wahrscheinlich nicht. Genauso wenig wissen die Amerika-ner über uns. 50 Prozent haben überhaupt keine Ahnung. Und der anderen Häl�e fällt Kultur und Natur ein.“

Kurzum: Nach wie vor hat Österreich in weiten Teilen der Welt das Image von „Sound of Music“, wo die Menschen wie im Film

„Crispy apple strudels and schnitzel with noodles“ essen und träl-lernd über sa�ige Almen lustwandeln, wenn sie sich nicht gerade auf Skiern ins Tal stürzen. Zu diesem Ergebnis kam der Historiker Gottfried Heindl bereits in den 1970er-Jahren anhand einer

neben einer lange passiven Regierung – dazu bei, dass die wirt-scha�liche Dynamik abnimmt. Auch andere Standortfaktoren verschlechtern sich. Beim Wachstum liegt Österreich derzeit an drittletzter Stelle innerhalb der EU. Eine Spirale nach unten.

Banken wie RBI, Erste oder Bank Austria drängten daher am stärksten auf eine Imagekorrektur Österreichs, etwa nach dem Vorbild der Schweiz, die jedes Jahr zwischen fünf und zehn Milli-onen Franken für Imagep�ege ausgibt, oder Südkoreas, das jähr-lich 60 Millionen Euro in „Nation Branding“ steckt. Selbst der Ko-sovo hatte sechs Millionen für eine nationale PR-Kampagne übrig.

Nach Jahren ermüdender Diskussionen, bei denen nicht mehr herauskam als ein 740.000 Euro teures Konzept voller Geschwur-bel zur „Marke Österreich“, wurde es dem damaligen RBI-Chef Herbert Stepic Ende 2011 zu blöd. Er tü�elte selbst ein PR-Konzept aus und präsentierte es hochkarätigen Topmanagern von 15 heimi-schen Leitbetrieben – darunter Kaliber wie AMAG, FACC, Immo-�nanz, OMV, Post oder voestalpine –, die zusammen für mehr als 30 Prozent der Marktkapitalisierung an der Wiener Börse stehen. Das war die Geburtsstunde der Initiative „21st Austria“.

„Egal, ob Krugman nun falsch gelegen ist oder nicht: Das Öster-reich-Bild im Ausland ist extrem verzerrt“, sagt der zum 21st-Aus-tria-Sprecher erkorene Nationalbank-Präsident Claus Raidl. „Wir wollen es wieder zurechtrücken. Und zwar vor allem im anglo-amerikanischen Raum, wo die wichtigen Investoren sitzen.“ Diese

Stoßrichtung liegt auf der Hand, denn von den derzeit etwa 33 Milliarden Euro Aktienstreubesitz an der Wiener Börse wer-

den etwas über 17 Milliarden von internationalen institutio-nellen Investoren gehalten, davon wiederum 25 Prozent in den USA und 15 Prozent in Großbritannien.Zusätzlich zum bescheidenen 21st-Austria-Jahresbudget von 450.000 Euro trägt die Außenhandelsorganisation der Wirt-

scha�skammer „Advantage Austria“ die Häl�e aller Event-kosten durch Sachleistungen bei. Das Finanzministerium unter-

stützt die Initiative mit weiteren 100.000 Euro per annum. Und die CEOs der Mitgliedsunternehmen stellen ihre Zeit kostenlos zur Verfügung, um auf Geschä�sreisen ausgewählte Vertreter von Banken, Investmentfonds, Medien oder �ink-Tanks von den Vorzügen des Wirtscha�sstandorts Österreich zu überzeugen.

Parallel dazu organisiert die auf Reputation-PR spezialisierte Wiener Agentur Gaisberg jedes Jahr je eine „Investor and Business Conference“ in New York und London, seit 2014 auch in Hongkong, auf denen die 21st-Vertreter inzwischen bis zu 150 Analysten, Öko-nomen und Fachjournalisten Rede und Antwort stehen. Es geht sich sogar noch aus, solche Meinungsbildner einmal jährlich nach Österreich einzuladen, um sie mit Besuchen bei heimischen Parade betrieben einer liebevollen Gehirnwäsche zu unterziehen.

Die 21st-Austria-Aktivisten Wolfgang Eder, Claus Raidl, Thomas Wieser (von links) wollen angloamerikanischen Investoren die Botschaft vermitteln: Österreich sei immer noch ein wirtschaftlich grundsolides Land

mit einem hohen Hightech-Industrie-Anteil, Forschung auf internationa-lem Niveau und vielen erfolgreichen Hidden Champions. Aber so richtig wird

diesem Bild in der Welt nicht geglaubt.

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Rang Indizes Ranking Österreich

Quelle: Deloitte

� Global Competitiveness Index WEF� World Competitiveness Index IMD� OECD Better Life Index

� Global Innovation Index INSEAD� Corruption Perceptions Index TI

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2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014

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Der schleichende Abstieg Seit Ausbruch der Krise verliert Österreich in fast allen rele-vanten internationalen Wirtschaftsstandort-Rankings jedes Jahr ein bisschen mehr an Boden. Als Hauptursachen dafür orten die befragten Investoren durch die Bank einen ab-schreckend hohen Grad an bürokratischen Hürden, eine ebenso hohe Abgabenquote sowie beharrlichen Reformstau.

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großen US-Umfrage über spontane Österreich-Assoziationen: „Mountains, Music, Mozart, Metternich, Maria �eresia.“ Damals brachte auch das US-Nachrichtenmagazin „Time“ diese Außen-wahrnehmung auf den Punkt: „Österreich, das Disneyland Euro-pas.“ Und daran hat sich nicht viel geändert. Dementsprechend mürbe fällt auch das Resümee von Voestalpine-Chef Wolfgang Eder aus: „Österreich lebt im internationalen Bewusstsein de facto ausschließlich von seiner Vergangenheit und Kultur.“

„Deswegen existiert Österreich bei den meisten Investoren über-haupt nicht auf deren Landkarte“, sagt Marc Lemcke, der 21st-Austria-Verbindungsmann in New York. „Wenn wir Ihnen unsere Argument au�ischen, sagen sie wenigstens: interessant.“ Die höf-liche Übersetzung für: Okay, ihr mögt ein wirtscha�lich erfolg-reiches Land sein, das vielleicht auch sein Ost-Risiko im Gri� hat, aber im internationalen Vergleich seid ihr ziemlich unbedeutend. Der ein�ussreiche New Yorker Asset Manager Michael Keppler, einer der Stargäste der dortigen 21st-Konferenz 2014, macht dazu eine beinharte Investoren-Rechnung auf: „Österreich hat derzeit

einen Anteil von 0,7 Prozent am Bruttosozialprodukt der 23 im MSCI-Weltindex enthaltenen Länder. Die Marktkapitalisie-

rung der Börse liegt bei 0,1 Prozent des MSCI-Universums.“ Wegen dieser Mini-Gewichtung, die überdies mit geringer Handelsliquidität einhergeht, würden österreichische Titel sowieso aus dem Raster der meisten großen Portfolio-Inves-

toren fallen. Außerdem, so Keppler weiter, „hat sich der Ost-europa-Bonus, durch den Österreich lange Zeit als attraktiver

Standort für die Erschließung dieser Märkte galt, in der Finanz-krise sehr schnell in einen Malus verwandelt.“

Mini-Griechenland. Angesichts solcher Meta-Analysen bleibt den 21st-Austria-Botscha�ern kaum anderes übrig, als immer wieder altbekannte Österreich-Stereotypen – hohe Lebensqualität, Rechts-sicherheit oder die Vorteile des dualen Ausbildungssystems – so-wie tolle Erfolgsstories von Hidden Champions zu trommeln. Doch je mehr sie gehört werden – zur London-Konferenz 2014 pilgerte bereits das Who’s who der Finanzszene unters Kuppeldach des „Gerkin“ –, desto mehr werden sie auch gegrillt.

Wie könne es sein, dass Österreich Jahr für Jahr in den rele-vanten Standort-Rankings nach hinten rutscht, wo doch bekannt ist, dass Reformstau, bürokratische Hürden und hohe Abgaben-quoten Investoren abschrecken? „Ich bin nur mit Wehklagen kon-frontiert“, gibt selbst der zurückhaltende �omas Wieser zu und erzählt die Geschichte eines amerikanischen IT-Unternehmers, der voriges Jahr eine kleine Hightech-Schmiede in Wien gegrün-det hat. Als er zum Deutsch-Test gebeten wurde, verlegte er sie erbost nach Bratislava. Wieser: „Der erzählt überall, dass man in Österreich als Investor eher unwillkommen geheißen wird.“

Und seit der britische „Telegraph“ durch den Stopp der Zah-lungen an Hypo-Gläubiger „ein Mini-Griechenland im Herzen Europas“ geortet habt, „Forbes“ gar ein „europäisches Argentinien“, können Raidl & Co noch so o� betonen, dass dies eben nur die erste Umsetzung der neuen Bankenabwicklungs-Richtlinie der EU sei – den Zweifel vieler Investoren an einer Sanierung und Um-strukturierung des heimischen Finanzsektors zerstreuen sie damit nicht. Das 21st-Austria-Team hat sofort nach den „Mini-Greece“-Kommentaren eine Blitzumfrage bei hochrangigen Bank- und Fondsmanager gemacht. Ergebnis: Keiner kennt sich wirklich aus.

„Mein Junior-Analyst hat dreimal versucht, mir das österreichische Bankensystem zu erklären“, sagt ein Asset-Manager verzweifelt:

„Ich verstehe es noch immer nicht. Ich bin mir auch nicht sicher, ob die es mit Reformen wirklich ernst meinen.“

Wegen dieses fehlenden „Momentums“ (Lemcke) zieht 21st-Austria über das momentane Image Österreichs ein übles Fazit. Frontman Eder: „Wir drohen den Anschluss an die führenden Wirtscha�sregionen der Welt zu verlieren.“ Frontman Raidl: „Und es wird ein böses Erwachen geben, wenn dies eintri�.“ ●

21st-Austria-Events in London (l.) und Hongkong, US-Investor Michael Keppler: Je mehr Gehör die 21st-Austria-Botschafter bei internationalen Investoren finden, desto mehr sind sie mit bittereren Einschätzungen konfrontiert. Österreich sei im internationa-len Vergleich nicht nur unbedeutend, laut Investor Keppler habe sich auch „der frühere

Osteuropa-Bonus in der Krise sehr schnell in einen Malus verwandelt“.

Der „Krugman-Moment“Im April 2009 zerstörte Wirtschafts-

Nobelpreisträger Paul Krugmann mit dieser simplen Grafik das

gemütliche Image der Alpenrepublik. Seine Ein-

schätzung: Österreich drohe wegen des hohen

Ost-Exposures seiner Banken – 64 Prozent des

damaligen BIP – eine Staatspleite.

FrankreichDeutschlandPortugalItalienSchweizNiederlandeSchwedenBelgienÖsterreich

0 10Quelle: Flute Thoughts

20 30 40 50 60

Bankenforderungen an osteuropäische Länder in

Prozent des BIP

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