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Ausgabe 2/201 0 Vom wirtschaftlichen Wert der Sozialwirtschaft in Bayern Illustration: Inge Mayer

Vom wirtschaftlichen Wert der Sozialwirtschaft in …...Vom wirtschaftlichen Wert der Sozialwirtschaft in Bayern S. 3 Panorama S. 8 Zwischenruf Was immer noch fehlt. S. 11 Mitgliedsorganisationen

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Ausgabe

2/2010

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2 Bayerische Sozialnachrichten 2/2010

E D I T O R I A L

Die Bayerischen Sozialnachrichtenerscheinen in jährlich fünf Ausgabenmit Beilage der Zeitschrift „Pro Jugend“.

Abonnementpreisincl. Versandkosten und Mehrwertsteuer 20,45Euro pro Jahr. Kündigung des Jahresabonnementsschriftlich bis sechs Wochen zum Jahresende.Bei Abonnenten, die am Lastschriftverfahren teil-nehmen, wird der Jahresbetrag ohne Rechnungs-stellung eingezogen.

Namentlich gezeichnete Beiträge geben die Mei-nung des Verfassers wieder. Nachdruck nur un-ter Quellenangabe gestattet.

Layout und Produktion:Inge Mayer Grafik &WerbungAmundsenstr. 8,85055 [email protected]

Druck: Jugendwerk BirkeneckBirkeneck , 85399 Hallbergmoos

Bayerische SozialnachrichtenZeitschrift der Landesarbeitsgemeinschaftder öffentlichen und freien Wohlfahrtspflegein Bayern (ISSN 1617-710X)HerausgebendeRobert Scheller, VorsitzenderGisela Thiel, Stellvertretende VorsitzendeFriedemann Götzger, GeschäftsführerVerlagLandesarbeitsgemeinschaft der öffentlichenund freien Wohlfahrtspflege in BayernNördl. Auffahrtsallee 14, 80638 MünchenTelefon 089/153757- Telefax 089/15919270E-Mail: [email protected]: www.lagoefw.deRedaktion und AnzeigenFriedemann Götzger (verantwortlich)Nördl. Auffahrtsallee 14, 80638 MünchenGültig ist die Anzeigenpreisliste vom 1.1.2010.

Redaktionsschlussder Ausgabe 3/2010: 10. Mai 2010

Impressum

I N H A L T

Thema:Vom wirtschaftlichenWert der Sozialwirtschaftin Bayern S. 3

Panorama S. 8

ZwischenrufWas immer noch fehlt. S. 11

Mitgliedsorganisationen S. 12

LAG Ö/FDie vergessenen Opfer der Nazis S. 20

Praxis

Lotsen durch den

Sozialrechtsdschungel S. 22

Vereint in Bewegung S. 24

Autismus und Persönliches

Budget (PB) S. 27

Liebe Leserin,lieber Leser,

soziale Leistungen werden oft alsKostenfaktor gesehen und mit man-gelnder Produktivität in Verbindunggebracht. Darüber gerät in Vergessen-heit: Auch soziale Leistungen sindInvestitionen – Investitionen in sozi-ale Gerechtigkeit und in den sozia-len Ausgleich, weil sie die individu-elle Existenz und soziale Teilhabe vonMenschen ermöglichen. Weil sie so-zialen Frieden und damit gesellschaft-liche Stabilität sichern. Weil sie er-heblich zur Steigerung des Brutto-inlandsproduktes beitragen. Der Wertsozialer Leistungen ist wirtschaftlichbezifferbar und beschreibbar.

Die Landesarbeitsgemeinschaft derFreien Wohlfahrtspflege in Bayernhat eine vom Bayerischen Staats-ministerium für Arbeit und Sozial-ordnung, Familie und Frauen geför-

eine volkswirtschaftliche Leistungs-bilanz, skizzieren die beschäftigungs-politische Bedeutung, äußern sich zurKosten- und Ertragsstruktur derSozialunternehmen, benennen An-satzpunkte für die Messung des„Sozialwirtschaftsklimas“ und neh-men eine Transferanalyse vor: „Vomwirtschaftlichen Wert der Sozial-wirtschaft in Bayern“.

Ihr

Friedemann Götzger

derte Studie über die wirtschaftlicheLeistungsfähigkeit der Sozialwirt-schaft in Bayern in Auftrag gegeben.Als Ergebnisse stellen die Autorenfest: Mit 290.000 Mitarbeitenden undrund 113.000 Ehrenamtlichen ist dieSozialwirtschaft in Bayern eine be-deutende Wirtschaftsbranche. Volks-wirtschaftlich, beschäftigungspo-litisch und betriebswirtschaftlich istsie ein „verkannter Riese“. Die Pro-fessoren Dr. Hans-Joachim Puch undDr. Klaus Schellberg von der Evan-gelischen Hochschule Nürnberg zie-hen im Themenbeitrag dieser Ausga-be der Bayerischen Sozialnachrichten

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3Bayerische Sozialnachrichten 2/2010

T H E M A

Ausgangssituation

Stolz wird die Meldung in der Pres-se präsentiert: Im Jahre 2009 wurdein Bayern die Rekordsumme von1,24 Milliarden Euro für den Fern-straßenbau ausgegeben (NN, 19. Fe-bruar 2010), eine notwendige undsinnvolle Investition in die Verkehrs-infrastruktur. Ganz anders wird inder Öffentlichkeit diskutiert, wennes um Ausgaben für soziale Leistun-gen geht. Soziale Ausgaben werdendann als Kostenfaktor und damit alsunproduktive Leistungen wahrge-nommen. Dabei wird außer Achtgelassen, dass soziale Leistungenebenfalls Investitionen sind. Sie sindeine Investition in die soziale Ge-rechtigkeit und den sozialen Aus-gleich, weil soziale Transferleis-tungen die individuelle Existenz undsoziale Teilhabe von in Not gerate-nen Menschen sichern; sie sind eineInvestition in die wirtschaftliche Sta-bilität, weil sie den sozialen Friedenund damit die gesellschaftliche Sta-

bilität sichern; sie sind aber auch –und dies steht hier im Mittelpunktder Betrachtung - eine unmittelbareInvestition in die wirtschaftlicheWertschöpfung, weil durch sozialeAusgaben das Bruttoinlandsprodukt(BIP) gesteigert wird. So werdenunter anderem soziale Dienstleistun-gen geschaffen und darüber hinausGüter aus anderen Wirtschaftsbran-chen verbraucht, die zur Existenz-sicherung insbesondere kleiner undmittlerer Unternehmen beitragenund volkswirtschaftlich eine Steige-rung der Wertschöpfung zur Folgehaben. Soziale Ausgaben haben da-mit auch einen wirtschaftlich be-schreibbaren Wert, der seinen Nie-derschlag in Zahlen und Kennziffernfindet. Bisher ist diese Betrachtungs-weise nur wenig ausgeprägt vorhan-den. Während es für Wirtschafts-branchen selbstverständlich ist, ihrewirtschaftliche Leistungsfähigkeitdurch Kennzahlen zum Ausdruck zubringen, gibt es in der Sozialwirt-schaft noch einen Entwicklungs-bedarf.

Die Landesarbeitsgemeinschaft derFreien Wohlfahrtspflege in Bayernhat vor diesem Hintergrund eineStudie über die wirtschaftliche Leis-tungsfähigkeit der Sozialwirtschaftin Bayern in Auftrag gegeben. Ge-fördert wurde diese Studie vom Bay-erischen Staatsministerium für Ar-beit und Sozialordnung, Familie undFrauen. Ziel dieser Studie ist es, an-hand ausgewählter Kennziffern ei-nen Überblick über die wirtschaftli-che Leistungsfähigkeit und beschäf-tigungspolitische Effekte der Sozial-wirtschaft zu geben und darüber hi-naus erste Ansatzpunkte für die Er-tragsstruktur von Sozialunterneh-men und die Messung des „Sozial-wirtschaftsklimas“ zu entwickeln.

Wenn hier von „Sozialwirtschaft“die Rede ist, dann beziehen wir unsnicht auf einen theoretisch klar ab-grenzbaren Bereich. Da wir bei derErhebung der Daten1 überwiegendauf Bundesstatistiken bzw. Teil-statistiken der statistischen Landes-ämter angewiesen sind, erfolgt die

Vom wirtschaftlichen

Wert der

Sozialwirtschaftin Bayern

Prof. Dr. Hans-Joachim Puch

Präsident der Evangelischen

Hochschule Nürnberg

Prof. Dr. Klaus SchellbergStudiengangsleitungSozialwirtschaft der EvangelischenHochschule Nürnberg

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4 Bayerische Sozialnachrichten 2/2010

VOM WIRTSCHAFTLICHEN WERT DER SOZIALWIRTSCHAFT IN BAYERN

Abgrenzung der Sozialwirtschaftausschließlich über diesen Zugang.So umfasst die Sozialwirtschaft inder Studie die stationären Pflegehei-me, die Heime der Altenhilfe, dieambulanten Pflegedienste, die Kin-der- und Jugendhilfe sowie dieBehindertenhilfe. Der Bereich derKrankenhäuser wird in der Studienicht erfasst.

Die Heterogenität der einzelnen Sta-tistiken erschwert eine einheitlicheDarstellung. Da unterschiedlicheDefinitionen und Abgrenzungen in-nerhalb der Statistiken hergestelltwerden, können die jeweiligen Zah-len nur vor dem Hintergrund ihrerjeweiligen Bezugsgrößen sinnvollinterpretiert werden. Vielfach sinddie Zahlen deshalb als Näherungs-werte zu sehen, die zwar klare Ten-denzen und Relationen wiedergeben,in ihren absoluten Werten aber zurelativieren sind.

Die volkswirtschaftlicheLeistungsbilanz

Im Jahr 2008/09 wurden in derSozialwirtschaft Bayerns ca 18.600Einrichtungen mit rund 800.000Plätzen bzw. betreuten Klienten an-geboten. Die Größe der Einrichtun-gen schwankt je nach Bereich dabeierheblich. So gehören erwartungsge-mäß die stationären Pflegeheime unddie Heime der Altenhilfe zu denGroßeinrichtungen, in denen durch-schnittlich 50 bzw. 56 Beschäftigtearbeiten, während in der Kinder- undJugendhilfe bei den Tageseinrich-tungen durchschnittlich 6,6 Mitar-beiter und in der Behindertenhilfedurchschnittlich 37 Mitarbeiter be-schäftigt sind. Insgesamt arbeiten indem Bereich der Sozialwirtschaftnach Angaben der einschlägigenFachstatistiken knapp 290.000 Voll-

zeit- und Teilzeitbeschäftigte bzw.geringfügig Beschäftigte und gut113.000 Ehrenamtliche. Jeweils eingutes Viertel der Beschäftigten sindim Bereich der Kinder- und Jugend-hilfe, in stationären Pflegeheimenund in Heimen der Altenhilfe be-schäftigt. Ungefähr jeder zehnteBeschäftigte der Sozialwirtschaft istin ambulanten Pflegediensten sowieim Bereich „Wohnen in der Be-hindertenhilfe“ tätig.

Sieht man sich die Verteilung derEinrichtungen auf die Trägerstrukturgenauer an, dann wird deutlich, dassdie Freie Wohlfahrtspflege mit Aus-nahme der ambulanten Pflegedienstein allen anderen Bereichen den über-wiegenden Anteil an Einrichtungenin Bayern stellt. So sind im Bereichder Kinder- und Jugendhilfe mehrals zwei Drittel der Einrichtungen inder Hand der Freien Wohlfahrtspfle-ge, in der Behindertenhilfe gut dreiViertel der Einrichtungen und imBereich der stationären Pflegeheimeund der Heime der Altenhilfe 57Prozent bzw. 56 Prozent der Einrich-tungen. Sieht man sich in den letz-ten beiden genannten Bereichen aberdie Veränderung zwischen 1999 und2007 an, so kann man einen deutli-chen Trend der Zunahme an Plätzenbei den privat-gewerblichen An-bietern zu Lasten der Freien Wohl-fahrtspflege erkennen.

In Bezug auf die volkswirtschaftli-che Leistungsbilanz ist der Vergleichder Sozialwirtschaft mit anderenWirtschaftsbranchen in Bayern vonInteresse. Dabei zeigt sich, dass imJahr 2007 die Anzahl der Arbeitneh-mer in der Sozialwirtschaft vergli-chen mit dem Baugewerbe (293.300)annähernd gleich groß ist, bezogenauf das Gastgewerbe (250.200), demKredit- und Versicherungswesen(191.700) und der Automobilin-dustrie (182.000) deutlich über die-sen Branchen liegt. Allein diese Zah-len zeigen, dass hier verglichen mit

anderen Wirtschaftsbereichen einenormes Potential vorhanden ist,dessen wirtschaftliche Bedeutungund Volumen in der Öffentlichkeitnoch längst nicht hinreichend er-kannt wurde. Dies wird besondersdann deutlich, wenn das Volumenund die Veränderung der Bruttowert-schöpfung miteinander verglichenwerden. So betrug im Jahre 2006 diegesamte Bruttowertschöpfung inBayern rund 372 Mrd. Euro. Auf-grund von eigenen Berechnungenauf der Basis der Bruttowertschöp-fung der Sozial- und Gesundheits-wirtschaft insgesamt (Bruttowert-schöpfung 2006: 24,6 Mrd. Euro)umfasst die Bruttowertschöpfungder Sozialwirtschaft in der hier vor-genommenen Abgrenzung etwa zehnbis zwölf Mrd. Euro in Bayern undliegt damit zwischen 2,7 Prozent und3,2 Prozent des Bayerischen Brutto-inlandprodukts.

Neben diesen Zahlen für das Jahr2006 sind jedoch insbesondere dieTrends bei der Entwicklung desBruttoinlandprodukts von Bedeu-tung. Diese Entwicklung zeigt, dassdie Sozialwirtschaft ein Wachstums-markt im Vergleich mit der Gesamt-wicklung ist. Zwar liegen uns diestatistischen Zahlen zur Bruttowert-schöpfung für die Sozialwirtschaftin der hier vorgenommenen Abgren-zung nicht vor. Der Vergleich derZahlen zwischen 1991 und 2006 zei-gen aber eine überdurchschnittlicheSteigerung in angrenzenden Berei-chen der Sozialwirtschaft. So ist dasBruttoinlandsprodukt in Bayern zwi-schen 1999 und 2006 insgesamt um56,7 Prozent gestiegen, in dem sta-tistisch ausgewiesenen Bereich desGesundheits- und Sozialwesens ins-gesamt liegt die Steigerung bei 109,2Prozent. Auch wenn die exakten sta-tistischen Zahlen für die Sozial-wirtschaft nicht vorliegen, so kannauch hier von einer überdurch-schnittlichen Steigerungsrate ausge-gangen werden.

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5Bayerische Sozialnachrichten 2/2010

T H E M A

Diebeschäftigungspolitische

BedeutungWie bereits eingangs ausgeführtwurde, sind die hier vorgestelltenstatistischen Zahlen in ihrer jeweili-gen Referenz zu sehen und zu inter-pretieren. So sind beispielsweise imBereich der Beschäftigten in denamtlichen Statistiken unterschiedli-che Bezugsgrößen zugrunde gelegt:die sozialversicherungspflichtigenBeschäftigten, die Erwerbstätigen,die Arbeitnehmer, die tätigen Per-sonen etc. Dementsprechend erklä-ren sich Schwankungen bei den je-weiligen Zahlen. Insgesamt gesehenzeigen die uns vorliegenden Ver-gleichsgrößen, dass wir für Bayernvon knapp 300.000 Beschäftigten inder Sozialwirtschaft ausgehen kön-nen. Bezogen auf 6,3 Mill. Erwerbs-tätige in Bayern arbeiten also etwafünf Prozent der bayerischen Erwerbs-tätigen in der Sozialwirtschaft. Wiebereits ausgeführt, kann sich dieSozialwirtschaft in Bezug auf ihrebeschäftigungspolitische Bedeutungdurchaus mit anderen wichtigenwirtschaftlichen Zweigen messenund hat im Vergleich zu anderen„Schlüsselbranchen“ eine höherebeschäftigungspolitische Bedeu-tung. Bei der Beschäftigung sindgerade auch die Trends und Entwick-lungen von Bedeutung. Wenn unsauch hier keine direkten Vergleichs-zahlen der Sozialwirtschaft vorlie-gen, so zeigen uns aber die verwand-ten Wirtschaftsbereiche, dass wir esmit einer überdurchschnittlichenSteigerung seit den neunziger Jah-ren zu tun haben. So hat sichbeispielsweise der Anteil der Er-werbstätigen im Sozial- und Ge-sundheitsbereich insgesamt in demZeitraum von 1992 bis 2007 um 49Prozent gesteigert, was im Vergleichzur Gesamtentwicklung der Er-werbstätigen in Bayern (7,5 Prozent)

weit überdurchschnittlich ist. Legtman allerdings einen jüngeren Zeit-raum zugrunde, dann zeigt sich, dasssich die Entwicklung deutlich ver-langsamt hat. So beträgt die Stei-gerungsrate für den Zeitraum 2002bis 2007 in der Sozialwirtschaft nochacht Prozent, in Bayern insgesamt2,6 Prozent.

Sieht man sich die Beschäftigungs-struktur jedoch genauer an, dann gibtes interessante Besonderheiten in derSozialwirtschaft. Während in Bay-ern insgesamt 75 Prozent der Be-schäftigten eine Vollzeitstelle und 25Prozent eine Teilzeitstelle besetzen,ist der Anteil der Teilzeitstellen inder bayerischen Sozialwirtschaftdeutlich höher und liegt bei 44 Pro-zent. Entsprechend sind 56 Prozentder Beschäftigten der bayerischenSozialwirtschaft vollzeitbeschäftigt.Im Bundesdurchschnitt liegt derAnteil der Teilzeitbeschäftigten inder Sozialwirtschaft sogar noch hö-her, nämlich bei 50 Prozent, wie diejüngst veröffentlichten Zahlen desWissenschaftszentrums Berlin zei-gen. Allerdings schwanken dieseZahlen in den verschiedenen Leis-tungsbereichen deutlich. So ist derAnteil an Teilzeitbeschäftigten in derambulanten Pflege mit 70 Prozentbesonders hoch, gefolgt von derBehindertenhilfe, wo der Anteil bei63 Prozent liegt, und der Kinder- undJugendhilfe (Tageseinrichtungen)mit einem Anteil von 52 Prozent anTeilzeitbeschäftigten. Die Situationder Beschäftigten unterscheidet sichauch im Hinblick auf die Befristungdes Arbeitsverhältnisses. Währendin Bayern insgesamt elf Prozent derErwerbstätigen in einem befristetenArbeitsverhältnis beschäftigt sind,liegt der Anteil in der Sozial-wirtschaft mit 14 Prozent höher.Bezogen auf die Sozialwirtschaftinsgesamt liegen uns keine Ver-gleichszahlen aus den letzten Jahrenvor. Es kann jedoch davon ausgegan-gen werden, dass sich sowohl der

Anteil der Teilzeitstellen wie auchder Anteil der befristeten Arbeitsver-hältnisse erhöht hat.

In Bezug auf die künftige Besetzungfrei werdender Stellen ist die Alters-struktur bei den Beschäftigten einIndikator. Bezogen auf das Jahr 2008zeigen sich auch hier Besonderhei-ten der Sozialwirtschaft gegenüberder bayerischen Situation insgesamt.So ist der Anteil der 35- bis 45jähri-gen Erwerbstätigen in der Sozial-wirtschaft im Durchschnitt niedrigerals in bayerischen Durchschnitt undder Anteil der 45- bis 55jährigen hö-her. Insgesamt ein Hinweis auf eineleicht „veraltete“ Beschäftigungs-struktur in der Sozialwirtschaft.

Neben den Erwerbstätigen in derSozialwirtschaft sind für die be-schäftigungspolitische Situation dieEhrenamtlichen sowie die Zivil-dienstleistenden von Bedeutung.Nach Angaben der Berufsgenossen-schaft für Gesundheitsdienst undWohlfahrtspflege arbeiten in denWohlfahrtsverbänden in Bayern113.439 Ehrenamtliche. Damit nichteingerechnet sind die Ehrenamtli-chen die im Rahmen öffentlicheroder privat-gewerblicher Träger ar-beiten, so dass die Zahl insgesamtdeutlich höher liegen dürfte. Für denBereich des Zivildienstes liegen dieZahlen vor. Nach Angaben des Am-tes für Zivildienst und eigenen Be-rechnungen standen im Jahre 2008bundesweit 111.450 Zivildienst-plätze zur Verfügung; in Bayernwaren es 14.074. Der Vergleich mitden Zahlen aus dem Jahr 2000 bzw.2002 zeigt einen deutlichen Rück-gang. So standen 2002 bundesweit190.222 und in Bayern 21.615 Plät-ze zur Verfügung. Inwieweit dieseEntwicklung sich noch verschärfenwird, bleibt abzuwarten.

Die Einkommen der Beschäftigtensind einerseits Kosten für die Sozial-unternehmen, andererseits volkswirt-

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6 Bayerische Sozialnachrichten 2/2010

VOM WIRTSCHAFTLICHEN WERT DER SOZIALWIRTSCHAFT IN BAYERN

schaftlich gesehen Kaufkraft, die inden Wirtschaftskreislauf zurückfließt.Bei der Betrachtung dieser Zahlenschneidet die Sozialwirtschaft aller-dings nicht sehr günstig ab. So liegtder Bruttomonatsverdienst bei ausge-wählten Berufsgruppen der Sozial-wirtschaft deutlich unter dem durch-schnittlichen Bruttomonatsverdienstaller Berufe in Deutschland. Währenddieser Verdienst im Jahr 2006 bei3.042 Euro lag, lagen in Bayern dieBruttomonatsverdienste der Sozialar-beiter und Sozialarbeiterinnen bei2.426 Euro, die der Heimleiter bzw.Sozialpädagoginnen und Sozialpäd-agogen bei 2.908 Euro und die derErzieherinnen und Erzieher bzw. Kin-derpflegerinnen bei 2.499 Euro.

Kosten- undErtragsstruktur derSozialunternehmen

In einem weiteren Untersuchungs-schritt wurde in einer Stichprobe vonSozialunternehmen (geschichtet ausArbeitsfeldern und Arbeitsformen mitden Schwerpunkten Altenhilfe ambu-lant, Altenhilfe stationär, Behin-dertenhilfe stationär und Jugendhilfestationär und ambulant) verschiede-ne betriebswirtschaftliche Daten un-tersucht. Die Stichprobe wurde nichtnach Trägern differenziert.

Sozialunternehmen haben für Dienst-leister typische Kostenstrukturen miteinem hohen Anteil Personalkosten.Die Personalkosten betragen 66 Pro-zent der Gesamtkosten, währendSachkosten und bezogene Dienstleis-tungen ca. 31 Prozent umfassen.Finanzierungskosten liegen bei gera-de 0,25 Prozent und Abschreibungenbei 2,25 Prozent aller Kosten. Imniedrigen Anteil Finanzierungskostenund den niedrigen Abschreibungenspiegelt sich die frühere Investitions-förderung wider, die in noch laufen-den Objekten steckt. Dieser Kosten-anteil dürfte zukünftig steigen.

Auf der Ertragsseite erhalten Sozial-unternehmen 59 Prozent der Erträ-ge als Leistungsentgelte von öffent-lichen Sozialleistungsträgern, weite-re 1,2 Prozent als öffentliche Zu-schüsse. 36 Prozent der Erlöse stam-men von Selbstzahlern. 2,6 Prozentaus wirtschaftlichem Geschäftsbe-trieb 0,3 Prozent aus Spenden, Spon-soring, Fundraising. Insgesamt sindSozialunternehmen überraschendunabhängig von der direkten Finan-zierung durch die öffentliche Hand,wobei das Spektrum von 53 Prozentin der stationären Altenhilfe bis zu96 Prozent in der Jugendhilfe reicht.Die Abhängigkeit von den Leis-tungsentgelten dürfte insgesamt je-doch höher sein, denn auch die Er-löse von Selbstzahlern im Rahmender Sozialgesetze sind in der Regelmit öffentlichen Trägern verhandel-te Entgelte. Der Anteil wirtschaftli-cher Geschäftsbetriebe ist deshalbgering, weil die Stichprobe gezieltnur soziale Dienstleistungsunter-nehmen erfasste, nicht jedoch Ne-benbetriebe oder Vermögensbetei-ligungen von Sozialunternehmen,also etwa den Weinberg einer Stif-tung oder die Brauerei eines Klos-ters. Es wurden keine Integrations-firmen oder WfbM aufgenommen.

Rechnet man das gemeldete Kapitalder Sozialunternehmen auf die Be-schäftigten um, dann ergibt sich einKapitalstock je Beschäftigten von52.600 Euro. In den vergangenen fünfJahren hat die Sozialwirtschaft ca.26.000 Euro je Arbeitsplatz investiert.

Der Umsatz je Vollzeitmitarbeiterbeträgt 57.700 Euro; die Bruttowert-schöpfung 39.500 Euro. Nun kannsehr wohl diskutiert werden, obSpendenerträge Teil der Wertschöp-fung eines Sozialunternehmens sind.Bereinigt man daher die Bruttowert-schöpfung um diese diskussions-würdige Position, liegt die (bereinig-te) Bruttowertschöpfung bei 38.300Euro je Vollzeitmitarbeiter. Das derStichprobe zugrunde liegende Kon-

zept der Vollzeit-Mitarbeiter/innenbringt jedoch niedrigere Zahlen alsdas in der amtlichen Statistik ver-wendete Erwerbstätigenkonzept, sodass diese Zahlen nicht vergleichbarsind. Da in der Sozialwirtschaft voneinem höheren Teilzeitmitarbeiter-Anteil auszugehen ist, würde eineBerechnung auf der Basis der Er-werbstätigenstatistik zu niedrigeWerte ausweisen.

Von Interesse war auch die Frage desExports sozialer Dienstleistungen.Die untersuchten Einrichten hatteneinen Anteil von Erträgen außerhalbBayerns von nur 0,7 Prozent - einevernachlässigbare Größe. Hier be-darf es einer noch detaillierteren Un-tersuchung von Einrichtungen mitbundesweitem Einzugsgebiet, etwaEinrichtungen mit Spezialangebotenoder Kur- und Rehaeinrichtungen.

Von weiterem Interesse sind dieregionalökonomischen Wirkungender Sozialwirtschaft. Demnach haben80 Prozent der Mitarbeiter/innen ei-nes Sozialunternehmens den Wohn-sitz im jeweils umliegenden Wirt-schaftsgebiet (der jeweiligen Stadtbzw. dem jeweiligen Landkreis). Diebezogenen Güter und Dienstleistun-gen werden zu 35 Prozent in der je-weiligen Stadt bzw. dem jeweiligenLandkreis bezogen. Investitionsauf-träge wurden nicht abgefragt.

Ansatzpunktefür die Messung des

„Sozialwirtschaftsklimas“In Zeiten der Unternehmenskrisenstellt sich die Frage, wie krisenfestSozialunternehmen sind. Die So-zialunternehmen wurden zu einzel-nen Daten befragt, die insgesamt ei-nen Eindruck über das „Sozial-wirtschaftsklima“ geben könnten, indem sie Stabilität und Perspektivender Sozialunternehmen in Kennzah-len fassen.

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7Bayerische Sozialnachrichten 2/2010

T H E M A

Die Eigenkapitalquote der unter-suchten Sozialunternehmen lag bei48,5 Prozent. Damit ist die Abhän-gigkeit von Krediten deutlich gerin-ger als bei deutschen Wirtschafts-unternehmen mit ca. 25 Prozent. Diekonservative Finanzierungsstrategieverlangsamt das Wachstum; insge-samt sind Sozialunternehmen jedochdadurch vom Kreditmarkt unabhän-giger und insofern krisenresistenter.

Der Anteil zeitlich befristeter Pro-jekte am Gesamtumsatz beträgt 1,12Prozent; der allergrößte Teil der Um-sätze wird also aus langfristigen Ver-trägen gespeist. Innerhalb der langlaufenden Versorgungsverträge gibtes im entgeltfinanzierten Bereich einnatürliches Fluktuationsrisiko, etwaden Wechsel der Wohneinrichtung,Wechsel des Pflegedienstes oderWechsel in andere Hilfeformen. Die-ses unternehmerische Risiko wurdenicht mit erfasst.

Die Sozialunternehmen planen inden nächsten fünf Jahren pro Jahr ca.1,8 Prozent Neueinstellungen bezo-gen auf den vorhandenen Personal-stamm. Eine vorsichtige Hochrech-nung auf ganz Bayern ergibt dannca. 5.000 Neueinstellungen jährlich.Die Unternehmen planen weiterhindie Einstellung von ca. 1.600 Azu-bis jährlich. Die Rate der betriebs-bedingten Kündigungen lag bei 0,3Prozent des Mitarbeiterstamms proJahr.

TransferanalyseDie Feststellung, dass nur rund 60Prozent der Erträge von Sozialunter-nehmen direkt durch die öffentlicheHand (einschließlich Sozialversiche-rungen) geleistet werden, legt die Fra-ge nahe, inwieweit die Sozial-wirtschaft öffentliche Mittel „ver-braucht“ und ob es nicht auch Rück-flüsse an die öffentliche Hand in ei-nem durchaus spürbaren Maß gibt.Hierzu wurden die Daten der Stich-

probe mit einer Modellrechnungkombiniert.

Das Ergebnis war durchaus bemer-kenswert: Von jedem Euro, den dieöffentliche Hand für Sozialunter-nehmen leistet, fließen rund 50 Centwieder an die öffentliche Hand zu-rück (allerdings nicht unbedingt andenselben öffentlichen Träger). Dieserrechnet sich wie folgt: Von 100Euro Umsatz des Sozialunterneh-mens zahlt die öffentliche Hand ca.60,50 Euro. Von diesen 100 Eurofließen in Beiträge zu den Sozialver-sicherungen ca. 19,85 Euro, in Lohn-steuer ca. 8,18 Euro, in gezahlte Vor-steuer ca. 2,03 Euro und in sonstigeSteuern und Abgaben 0,33 Euro.Insgesamt fließen an die öffentlicheHand also ca. 30,39 Euro zurück;dies sind knapp über 50 Prozent dereingesetzten 60,50 Euro.

Anders formuliert: Die öffentlicheHand „kostet“ die soziale Leistungeigentlich nur die Hälfte, denn 50Prozent fließen auch wieder zurück.Bei dieser rein transferanalytischenBerechnung sind keinerlei sozialeWirkungen berücksichtigt, die ei-nerseits aus sozialen Gesichtspunk-ten wertvoll sind, sich zum Teil aberauch monetär widerspiegeln können(z.B. durch berufliche Integration,durch Vermeidung höherer Sozial-leistungen etc.).

Zentrale Ergebnisse undabschließende Thesen

Die Studie zeigt insgesamt dendurchaus bedeutenden Umfang derSozialwirtschaft mit rund 290.000Mitarbeitern in Bayern und zwischenzehn und zwölf Mrd. Euro Brutto-wertschöpfung (je nach Abgrenzung)als eine durchaus bedeutende Wirt-schaftsbranche. Das Wachstum derBranche entwickelte sich in den ver-gangenen Jahren überdurchschnitt-lich.

Dabei bedient die Sozialwirtschaftdurch den hohen Anteil von Teilzeit-mitarbeiter/innen und älteren Mitar-beiter/innen ein spezielles Segmentdes Arbeitsmarktes. Die Arbeitsplät-ze in der Sozialwirtschaft sind sehrpersonalintensiv und die erforderli-chen Investitionen pro Arbeitsplatzliegen bei nur 58.000 Euro. Insofernist die Sozialwirtschaft auch be-schäftigungspolitisch eine sehr inte-ressante Branche.

Die Sozialwirtschaft ist von der öf-fentlichen Hand unabhängiger als er-wartet. Nur rund 60 Prozent der Er-löse stammen von der öffentlichenHand; ein durchaus beträchtlicherTeil stammt von Selbstzahlern. DieAbhängigkeit ist allerdings je nachArbeitsfeld sehr unterschiedlich.Eine erste Transferanalyse zeigtauch, dass rund 50 Prozent der Zah-lungen der öffentlichen Hand an dieSozialwirtschaft auch wieder in ver-schiedenen Formen zurückfließen.

Insgesamt ist die Sozialwirtschaft in-sofern ein „verkannter Riese“, dersich aufgrund der Untersuchung zumSozialmarkt Bayern als volkswirt-schaftlich, beschäftigungspolitischund betriebswirtschaftlich durchausinteressante Branche darstellt. Mitder Studie stießen die Forscher je-doch regelmäßig auch an die Gren-zen der amtlichen Statistik und derStatistik der Einrichtungen. In deramtlichen Statistik gibt es derzeitkeine für die Sozialwirtschaft wirk-lich tragfähige Abgrenzung undmanche Daten sind schlichtwegnicht verfügbar. Die Einrichtungenund Verbände können dies nicht aus-gleichen, denn auch hier gibt es kei-ne einheitlichen Erhebungsformenund Kategorisierungen.

(Footnote)1 Die Erhebung der Daten erfolgtedurch die xit GmbH in Nürnberg

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8 Bayerische Sozialnachrichten 2/2010

J

H

FE

P A N O R A M A

Hartz-IV-Sätze für Geschwister

„Freie Fahrt statt neuer Barrieren!“

Jeder Elfte lebt vom Staat

Elf Millionen Deutschevon Armut bedroht

Berlin (SZ). Die Armut in Deutsch-land wächst. In einer Studie desDeutschen Instituts für Wirtschafts-forschung heißt es, dass 14 Prozentder Bevölkerung von Armut bedrohtseien; das sind 11,4 Millionen Men-schen. Kinderreiche Familien undjunge Erwachsene sind besondersgefährdet. Nach der Studie lebte2008 ein Viertel der 19- bis 25-Jäh-rigen unterhalb der Armutsgrenze.

„Die Überprüfung der Freifahrt-förderung in Baden-Württemberg istder falsche Weg. Es stellt sich dieFrage, ob man ein Jahr nach Inkraft-treten der UN-Behindertenrechts-konvention den Haushalt durchRückschritte in der Behinderten-politik wirksam sanieren kann“, soIrmgard Badura, Beauftragte derBayerischen Staatsregierung für dieBelange von Menschen mit Behinde-rung. Badura weiter: „Menschen mitBehinderung können oft nicht somobil sein, wie sie wollen. Die Ver-antwortung dafür trägt die Gesell-schaft. Solange die Barrierefreiheitnicht umfassend gewährleistet ist,brauchen wir Nachteilsausgleiche fürBetroffene. Die Freifahrt in Bus undBahn macht Menschen mit Behinde-

rung mobiler und ist deshalb einunverzichtbarer Nachteilsausgleich.“Schwerbehinderte Menschen, dieaufgrund ihrer Behinderung erheblichgehbehindert, hilflos, blind oder ge-hörlos sind, dürfen kostenlos oder mitgeringer Eigenbeteiligung Bus undBahn im Nahverkehr nutzen. DieVerkehrsunternehmen erhalten dafüreinen Pauschalbetrag als Kostener-satz aus öffentlichen Mitteln. DasLand Baden-Württemberg überprüftderzeit diese Pauschalförderung. Daes sich jedoch um ein Bundesgesetzhandelt, könne Baden-Württembergeine Veränderung lediglich über eineBundesratsinitiative herbeiführen, soBadura. Die Diskussion führe derzeitbundesweit zu großer Unruhe bei denMenschen mit Behinderung.

Wiesbaden (dpa). In Deutschlandhaben Ende 2008 rund 7,6 MillionenMenschen ihren Lebensunterhalt nurdank der finanziellen Hilfen des Staa-tes bestreiten können. Etwa jeder Elf-te bezog somit - vor dem Höhepunktder Wirtschaftskrise - Leistungen dersogenannten sozialen Mindestsiche-rungssysteme, wie das StatistischeBundesamt in Wiesbaden berichtete.Insgesamt wurden 2008 etwa 40,5Milliarden Euro ausgegeben. Dassind umgerechnet auf jeden Einwoh-

ner 493 Euro. Der größte Kosten-punkt waren Leistungen nach HartzIV. Auf diese Leistungen waren mitStichtag Ende 2008 rund 6,6 Millio-nen Menschen angewiesen. Davonwaren knapp drei Viertel (73 Prozent)erwerbsfähig, der Rest (27 Prozent)nicht. Sozialhilfe bezogen 860.000Menschen. Zu ihnen gehörten vor al-lem bedürftige Rentner und Men-schen, die chronisch krank oder dau-erhaft erwerbsunfähig sind, sowie dieKinder dieser Empfänger.

Passau (epd). Die bayerische Sozial-ministerin Christine Haderthauer hatfür die Hartz-IV-Reform unter-schiedliche Sätze für Geschwister-kinder gefordert. „Wir sollten nunauch überlegen, ob für das zweiteund dritte Kind der gleiche Bedarfbesteht wie für das erste Kind“, sag-te sie der „Passauer Neuen Presse“.„Die Kleidung der größeren Kinderkann durchaus weitergegeben wer-den, so wie es in Familien üblich ist.“Das gleiche gelte etwa für Kinder-

wagen, Flaschenwärmer und Auto-sitze. Haderthauer sprach sich zu-dem dafür aus, Bildungsangebote fürKinder umsonst anzubieten. „Waswir an Bildungs- und Teilhabe-chancen für Kinder bereitstellen,müssen wir genauso wie Straßenkostenlos zur Verfügung zu stellen“,sagte die Ministerin. Vereine, Mu-seen, Schwimmbäder, Hausaufga-benbetreuung und Nachhilfe müss-ten kostenlos sein - und zwar für alleKinder.

Projekt mit neuem AnsatzNürnberg (NZ). Ein bundesweiteinzigartiges Modellprojekt solllangzeitarbeitslosen Eltern in derRegion Nürnberg-Fürth, die HartzIV beziehen, helfen, wieder insErwerbsleben integriert zu wer-den. Die Bayerische Staatsregie-rung fördert das Projekt mit zehnMillionen Euro. Der neue Ansatzbei diesem Modell ist, dass allenFamilienmitgliedern zeitlich par-allel Unterstützungs- und Vermitt-lungsleistungen zur Alltagsbewäl-tigung angeboten werden. Dazugehören etwa Elternbildung, Er-ziehungsberatung, Kinderbetreu-ung und Förderung der Kinder.Dabei werden die Arge Nürnbergund das Jugendamt verstärkt zu-sammenarbeiten. Es soll eine engeVerzahnung von Arbeitsmarkt-und Jugendhilfeleistungen erfol-gen, die bundesweit einmalig ist.Ziel des Projektes ist eine erfolg-reiche Vermittlung von langzeitar-beitslosen Eltern in den sogenann-ten ersten Arbeitsmarkt. Sozial-referent Reiner Prölß begrüßt dasProjekt: „Es ist höchst erfreulich,dass die Staatsregierung damit ei-nen Vorschlag der Städte Nürn-berg und Fürth und des DGB Mit-telfranken aufgegriffen hat undgemeinsam mit der Arbeitsagen-tur unser Konzept unterstützt,langzeitarbeitslose Eltern zu för-dern.“

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9Bayerische Sozialnachrichten 2/2010

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Vom Knast zum Vier-Sterne-Hotel

Ein fünfter Stamm für Bayern?

München (NZ). Der Integrations-beauftragte der Bayerischen Staats-regierung, Martin Neumeyer, fordert,die deutschen Bürger mit Migrations-hintergrund künftig als fünften bay-erischen Stamm zu begreifen. „Wirmüssen die Menschen, die zu unskommen, um mit uns zu leben, stär-ker Wert schätzen“, erklärte Neumey-er laut Mitteilung. „Sie haben sich zuuns bekannt, jetzt müssen wir uns zuihnen bekennen.“ Schließlich prägtensie Bayern heute genauso wie die alt-eingesessenen Stämme der Bayern,Franken und Schwaben - und die Su-detendeutschen, die nach dem Kriegals vierter Stamm Aufnahme im Frei-staat gefunden und entscheidend zumWiederaufbau des Freistaates beige-tragen hätten. Die Einbürgerung seikein leichter Schritt für Menschen mitZuwanderungshintergrund, stellt Neu-meyer fest. Die Debatte um die Be-wahrung der eigenen und um die dop-pelte Staatsbürgerschaft zeige das.

Gremium zur besseren Integration

München (epd). Der MünchenerSozialverein BISS (Bürger in sozia-len Schwierigkeiten) hat die Hälftedes erforderlichen Eigenkapitals zumUmbau eines ehemaligen Gefängnis-ses zu einem Vier-Sterne-Hotel mitArbeitsmöglichkeiten für sozialschwache Jugendliche gesammelt.Der aktuelle Spendenstand beträgtdeutlich über 1,5 Millionen Euro, wieder Verein auf seiner Internet-Seitemitteilt. Drei Millionen sollen bisEnde 2010 für das ehrgeizige Projektdurch Spenden zusammenkommen.Die bisher erreichte Summe enthältauch eine Förderzusage der Landes-hauptstadt München in Höhe von500.000 Euro. Die vom Verein her-

ausgegebene Straßenzeitschrift BISSnannte die Spendensumme einen„Etappensieg“. Sie feierte auch denBeschluss des Haushaltsausschussesdes Bayerischen Landtages, dem Ver-ein einen Zutritt zu der Immobilie zusichern. Das Hotel wird 40 benach-teiligten jungen Menschen „eine um-fassende, erstklassige Ausbildungund Qualifizierung“ geben. Fachkräf-te aus Hotellerie und Pädagogik füh-ren und leiten an. Das ehemaligeFrauen- und Jugendgefängnis AmNeudeck in Münchener Stadtteil Ausoll bis 2011 unter Einhaltung desDenkmalschutzes und Erhalt der al-ten Baumbestände auf dem Geländegebaut werden.

München (AKI). Unter anderem umdie Bildung von Migranten in Bay-er zu fördern, hat sich im Landtagder Integrationsrat konstituiert. Des-sen Vorsitzender ist Martin Neumey-er, gleichzeitig Integrationsbeauf-tragter der Bayerischen Staatsregie-rung. Die fünf im Landtag vertrete-nen Fraktionen werden durch jeweilsein Mitglied repräsentiert: JochimUnterländer (CSU), Isabell Zacha-rias (SPD), Günter Felbinger (FreieWähler), Renate Ackermann (Grü-ne) und Brigitte Meyer (FDP). AuchWohlfahrts- und Migrantenverbändegehören dem Gremium an. Insge-samt gibt es 59 Gründungsmit-glieder. Während der konstituieren-den Sitzung stellte Neumeyer The-men vor, mit denen sich vier Arbeits-

gruppen beschäftigen werden, unteranderem „Besserer Schutz vor Frau-enhandel und Prostitution“. Aus denArbeitgruppen sollen Handlungs-empfehlungen für das Plenum desLandtages hervorgehen. „Wir müs-sen Gas geben, dass sich etwas be-wegt“, sagte Neumeyer. Dies siehtZacharias genauso: „Wir haben kei-nen Erkenntnis-, sondern einenHandlungsnotstand.“ Bedauerlichfindet sie, dass das Thema Asylsu-chende bis dato nicht vorgesehen ist.Ebenso, dass weder der BayerischeFlüchtlingsrat noch Elternverbändeeingeladen worden seien. Auch man-gele es an „positiven Themen“ wiebeispielsweise der Gewinn durch in-terkulturellen Austausch. Dennochsei sie „verhalten optimistisch“.

Jüngere arbeiten oft mit befristetem VertragKöln (dpa). Viele jüngere Menschenwerden in Deutschland nur noch be-fristet eingestellt. Darauf weist dasInstitut der deutschen Wirtschaft inKöln hin. Es beruft sich auf Datendes Statistischen Bundesamtes.Demnach hatte im Jahr 2008 gut je-der vierte abhängig Beschäftigte

(26,9 Prozent) im Alter unter 25 Jah-ren einen befristeten Vertrag. Bei den35- bis 44-Jährigen waren es hinge-gen nur 6,1 Prozent, ab 45 Jahren lagdie Quote unter fünf Prozent. Ver-breitet sind befristete Verträge demInstitut zufolge vor allem imDienstleistungssektor.

BBLLV attackiert Bildungspolitik

München (KNA). Der BayerischeLehrerinnen- und Lehrerverband(BLLV) fordert eine Kehrtwendein der Bildungspolitik des Frei-staates. Der Bayerische Bildungs-bericht 2009 lege offen, dass dasSchulsystem nach wie vor hoch-selektiv sei und vor allem Kinderärmerer und ausländischer Elternbenachteilige. So besuchten 39Prozent der deutschen Schüler einGymnasium, aber nur elf Prozentder ausländischen. In ländlichenRegionen wie Freyung-Grafenauliege die Übertrittsquote zumGymnasium bei 25,7, im Land-kreis München dagegen bei 56,5Prozent. Das Kultusministeriumhabe für diese Schwankungenbisher noch keine Erklärung vor-gelegt, kritisierte BLLV-PräsidentKlaus Wenzel in München.

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Arbeitslosigkeit macht krankLandau (dpa). Arbeitslosigkeit machtkrank: Die gesundheitlichen Schä-den sind sogar deutlich größer alsbislang angenommen, wie aus einerUntersuchung des Deutschen Ge-werkschaftsbundes (DGB) hervor-geht. Jeder fünfte bis sechste Er-werbslose muss gesundheitliche Ein-schränkungen hinnehmen, wie derDGB-Arbeitsmarktexperte und Au-tor der Studie, Wilhelm Adamy, be-richtete. Das seien gut eine halbeMillion Betroffene. Mehr als doppeltso häufig wie Beschäftigte bewerte-ten Arbeitslose ihren Gesundheits-zustand als mittelmäßig bis sehrschlecht. Bei den Betroffenen fielenweit häufiger Stoffwechselkrank-heiten und mehr als doppelt so vieleKrankheitstage durch Krebserkran-kungen an. Bei psychischen Störun-gen liege die Krankheitsdauer sogarum das Vierfache höher als bei pflicht-versichert Beschäftigten, hieß es.

Mehr Wissenschaft in der Altenpflege nötig

Zahl der Menschen mit Behinderung in Bayern wird zunehmen

Sterbebegleitungbesser koordinieren

München (KNA). Der CSU-PolitikerAlois Glück hat vor einem „Klein-klein“ bei der Sterbebegleitung ge-warnt. Bei einem Fachgespräch derLandtagsfraktion sagte er, im Sinneder Schwerstkranken müsse eineflächendeckende Vernetzung vonEinzelinteressen gelingen. In Bayerngibt es 140 Hospizvereine und mehrals 5.000 ehrenamtliche Begleiter.Der frühere Landtagspräsident, derseit November an der Spitze des Zen-tralkomitees der deutschen Katholi-ken steht, hält es für unerträglich, dassTausende Menschen wegen struktu-reller Mängel mehr leiden müssten alsnötig. Der Vorsitzende des bayeri-schen Palliativ- und Hospizverban-des, Erich Rösch, berichtete, dass vonden 140 Hospizvereinen nur 66 denbayerischen Fördertopf in Anspruchnähmen. Das liege an der 18-mona-tigen Vorlaufzeit.

„Rechtsanspruch auf Kita-Plätze nicht einlösbar“

Berlin (dpa). Städte und Gemeinde warnen, dass der Rechtsanspruch aufeinen Betreuungsplatz für Kleinkinder nicht erfüllbar sein wird. Statt dergeplanten 750.000 Plätze würden im Jahr 2013, ab dem der Rechtsanspruchgelten soll, rund 1,3 Millionen Plätze für kleine Kinder gebraucht, rechnetder Deutsche Städte- und Gemeindebund in Berlin vor. Dies sei nicht zuschaffen. Außerdem fehlten 150.000 Erzieherinnen. Der Verband fordertedie Bundesregierung auf, den Rechtsanspruch einzuschränken. Das Bundes-familienministerium lehnte die Forderung umgehend ab.

München (epd). Auf eine stärkereVerwissenschaftlichung der Alten-pflege und Altenpflege-Ausbildungsetzt das Bayerische Sozialminis-terium. Auf Initiative des Ministeri-ums ist mit Unterstützung des Stif-terverbandes der Deutschen Wissen-schaft und der Münchener Josef undLuise Kraft-Stiftung an der Katholi-schen Stiftungsfachhochschule inMünchen eine Professur für „Geron-tologische Pflege“ eingerichtet wor-den. Außerdem wird seit Oktober einBachelor-Studiengang „Pflege dual“angeboten, der in neun Semesterneine praxisnahe Beraufsausbildungund eine wissenschaftliche Grund-ausbildung in der Altenpflege ver-mitteln soll. Der Lehrstuhlinhaber,Bernd Reuschenbach, betonte vorder Presse, dass Deutschland „beimAufbau der Pflegewissenschaft nochEntwicklungsland ist“. Die wissen-

schaftliche Fundierung der Pflege seiaber nötig, um ihre Qualität zu ver-bessern und das Berufsbild attrakti-ver zu machen. Studierende müss-ten „dafür sensibilisiert werden, wasdie Qualität der Pflege ausmacht undwie diese erreicht werden kann“. Diebayerische Sozialministerin Chris-tine Haderthauer setzte sich bei derPressekonferenz für eine weitereProfessionalisierung der Altenpflegeein. Die Bereitschaft, Geld in dieAltenpflege zu stecken, werde durcheine Qualitätssteigerung erhöht.Haderthauer forderte die jüngereGeneration auf, sich intensiver mitder Frage zu beschäftigen, wie sieim Alter versorgt und gepflegt wer-den wolle. Die weit verbreitete An-sicht, „das haut schon irgendwiehin“, sei eine Illusion angesichts deswachsenden Anteils der Älteren ander Bevölkerung.

München (epd). Fast 1,4 MillionenMenschen in Bayern leben mit Be-hinderung. Davon gelten 1,1 Milli-onen als schwerbehindert. Das gehtaus einer Statistik des Sozialmi-nisteriums für 2009 hervor. Die Zahlder Menschen mit Behinderung wer-de sich in Zukunft erhöhen, da we-gen der demographischen Entwick-lung die Gesellschaft immer älterwerde, hieß es in einer Landtags-anhörung über das Bayerische Be-hindertengleichstellungsgesetz. DieSteigerungsraten seien bereits seitdem Jahr 2000 erkennbar, als es

insgesamt 1,2 Millionen Behinderteund 980.000 Schwerbehinderte imFreistaat gab, hieß es weiter. Vertre-ter der Behindertenorganisation undSozialeinrichtungen wie der Caritasund des Paritätischen Wohlfahrts-verbandes forderten daher, dass dasAmt der Behindertenbeauftragtendem Parlament zugeordnet werdenmüsse, da es eine Querschnittsauf-gabe erfülle. Bei Fragen zu Barriere-freiheit sei beispielsweise das Innen-ministerium zuständig. Derzeit istdie Behindertenbeauftragte aber Teildes Sozialministeriums.

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11Bayerische Sozialnachrichten 2/2010

Z W I S C H E N R U F

Im März 2007 veröffentlichte dieLandesarbeitsgemeinschaft der öf-fentlichen und freien Wohlfahrts-pflege mit dem Titel „Menschenbrauchen Arbeit“ ihr Plädoyer füreinen öffentlich geförderten Be-schäftigungssektor in Bayern. Ne-ben der Schaffung eines personen-bezogenen Förderinstruments,welches entfristet wirkt und ebensolange angewendet werden soll-te, bis der „Brückenbau“ beendetist, sollte sich auch der bayerischeESF dem Thema öffnen, und dieTräger der Grundsicherung - obnun ARGE, Optierer, getrennteAufgabenwahrnehmer - Mittelhierfür verbindlich zur Verfügungstellen können. Auf kommunalerEbene sollten über Netzwerke dieweiteren lokalen arbeitsmarkt-politischen Akteure ihren Teil zumGelingen beitragen. Als Plattformwäre an eine Art „BayerischesLandesprogramm für einen öffent-lich geförderten Beschäftigungs-sektor“ zu denken gewesen. Vonall diesen „Wünschen“ ging - mitt-lerweile allerdings wieder gefähr-det - nur einer in Erfüllung.

Der gefährdete § 16e SGB IIIm Oktober 2007 wurde ein geeig-netes Instrument in das SGB II mitaufgenommen: Langzeitarbeitslo-se mit mehreren Vermittlungs-hemmnissen, die gleichzeitig aufabsehbare Zeit keine Chance aufErwerbstätigkeit haben, sollen -immer unter dem Aspekt einerEingliederung in den „allgemeinenArbeitsmarkt“ - einen Arbeitsver-trag erhalten. Für besonders Be-nachteiligte kommen als Arbeitge-ber aber vor allem in der Sozial-wirtschaft Engagierte in Betracht.Nach wie vor bilden Wohlfahrts-verbände und weitere gemeinnüt-zige Träger das Rückgrat einerBeschäftigungsförderung für be-

sondere Zielgruppen. Gefährdet istdieses Instrument aber jetzt vor al-lem dadurch, dass eben diese sozia-len Träger, die ihre Finanzierung je-des Jahr aufs Neue aushandeln müs-sen, auf Dauer angelegte Arbeitsver-hältnisse eingehen sollten, ohne dassihnen gleichzeitig auch die dauerhaftnotwendige Finanzierung zugesagtwird; dies kann sich existenzgefähr-dend auswirken. Der Königsweg füralle Beteiligten, formale Befristun-gen mit langfristiger Absicht - wasder Gesetzgeber auch ursprünglichbeabsichtigte -, ist mittels der Defini-tionshoheit der Bundesagentur fürArbeit nicht möglich. Der § 16e SGBII ist das erste und bislang das einzi-ge Instrument, welches anscheinendeine personenbezogene Dauerför-derung in Aussicht stellt. Vom An-satz her allerdings atypisch für eineBundesagentur. Skepsis bezüglichder Dauerhaftigkeit ist angezeigt.Dennoch: Er könnte - nach Anpas-sung an die Realitäten (wozu auchdas Thema der „Zusätzlichkeit“ ge-hört) - ein wesentliches Element ei-

nes öffentlich geförderten Beschäf-tigungssektors sein. Im Übrigenwürde hierzu auch eine Neuauflagedes „Ü58er-Programms“ gut pas-sen.

Teil eines lokalen Arbeitsmarkt-und Integrationsprogramms

Ein Paragraph alleine reicht abernicht, eine breite Plattform ist nötig;der sogenannte „Zweite Arbeits-markt“ befindet sich immer nochin einer Grauzone. Das vorgenann-te Instrument wird auch als „Drit-ter Arbeitsmarkt“ bezeichnet. Be-vor nun also ein „4. oder 5. Arbeits-markt“ erfunden wird, sollte ein„Öffentlich gefördeter Beschäfti-gungssektor“ (ÖgB) definiert undformalisiert werden. Die derzeiti-ge Diskussion zur Umsetzung desSGB II zeigt nicht nur bayernweitein starkes kommunales Interessean einer „Option“, besonders auchGroßstädte zeigen sich nun inter-essiert. Die „Option“ eröffnet er-hebliche Chancen, kommunale In-teressen zu manifestieren; wie auchimmer das enden mag, die Agen-tur für Arbeit ist und bleibt ein we-sentlicher Partner vor Ort. Gemein-sam mit weiteren lokalen Arbeits-marktakteuren (z.B. den Kam-mern) ist ein „ÖgB“ an Hand einer„Positivliste“ verbindlich als Teileines lokalen Arbeitsmarkt- und In-tegrationsprogramms zu vereinba-ren. Nicht vergessen werden darfder Freistaat: eine globale „Lissa-bonstrategie“ erlaubt auch Beschäf-tigungsförderung.

Teil der SozialwirtschaftEin „ÖgB“ ist Teil der Sozial-wirtschaft; hier braucht er starkePartner. Diese finden sich in denWohlfahrtsverbänden und der Viel-zahl an sozialen und gemeinnützi-gen Trägern; die Entscheider sindhiermit aufgefordert.

Was immer noch fehlt.

Günther WeingärtlerVorsitzender des FachausschussesArbeitsmarktpolitik der LAG Ö/F

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Verbesserungenin der Asylpolitik angemahnt

Caritas. Der Landes-Caritasverband Bayern und das Diakonische WerkBayern haben in einem von Landes-Caritasdirektor Prälat Karl-HeinzZerrle und Diakonie-Präsident Ludwig Markert unterzeichneten Schrei-ben vom 9. Februar 2010 an die Landtagsfraktionen von CSU und FDPzum Positionspapier der CSU-Fraktion „Bewährte Asylpolitik fortset-zen - Asylsozialpolitik weiterentwickeln“ und „Forderungskatalog derFDP-Fraktion zum Asylbewerberleistungsgesetz“ Stellung genommen.Die kirchlichen Wohlfahrtsverbände teilen mit den Parteien die Auffas-sung, dass Asylsuchende und geduldete Ausländer und Ausländerinnen„einen uneingeschränkten Anspruch auf Lebensumstände haben, die ihreMenschenwürde respektieren“. Die Verpflichtung zur Wohnsitznahmein den staatlichen Asylunterkünften müsse, so die Verbände, zeitlichbefristet werden. Die Differenzierung der Auszugsmöglichkeiten nachdem asylrechtlichen Status und zusätzlichen persönlichen Merkmalenführe zu einer unnötigen und kostenträchtigen Bürokratie. Bedenkenäußerten die kirchlichen Verbände, sofern mit dem BayerischenAufnahmegesetz ein ausländerpolitisches Instrument bewahrt werdensolle, das den Zugriff und die Rückführung von ausreisepflichtigen Aus-ländern sicherstellen könne. Sie unterstützten die Forderung, dasSachleistungsprinzip bei der Umsetzung des Asylbewerberleistungs-gesetzes zu überprüfen: „Aus unserer Sicht ist die dauerhafte Zumu-tung, von wenig variierenden Essenspaketen zu leben, mit einem zustarken und nicht zu akzeptierenden Eingriff in die Selbstbestimmungbetroffener Menschen verbunden.“ Schutzbedürftige Personengruppen,wie beispielsweise traumatisierte oder behinderte Asylsuchende, allein-stehende Frauen und Familien bräuchten eine besondere Fürsorge. Beiallen Überlegungen sei das Thema der Sozialbetreuung in den Unter-künften zu berücksichtigen. Nach wie vor bestehe hier eine starke Unter-finanzierung. Abschließend heißt es, Verbesserungen in der Asylpolitikseien um der Glaubwürdigkeit bayerischer Sozialpolitik willen dringendgeboten. (bh)

Sensibler für dieNöte der Menschen

Caritas. Der Landes-Caritasverbandhat die Politik auf allen Ebenen ge-mahnt, sensibler für Nöte der Men-schen zu sein und mehr auf die Er-fahrungen der Wohlfahrtsverbändezu hören. Das Hartz IV-Urteil desBundesverfassungsgerichtes vom 9.Februar 2010 sei ein warnendes Bei-spiel dafür, wie weit die Politik vonden tatsächlichen Nöten und Sorgender Menschen entfernt sei, sagteLandes- Caritasdirektor Prälat Karl-Heinz Zerrle in München: „DieWohlfahrtsverbände haben von An-fang an gesagt, dass insbesondereder Regelsatz für die Kinder zu ge-ring bemessen ist. Wir wissen wo-von wir reden, schließlich haben wires Tag für Tag mit den betroffenenMenschen zu tun.“ Jetzt müsse diePolitik schnell handeln. (bh)

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„Experten fürs Leben“ heißt das Jahresthema des Deutschen Caritasverbandes für 2010.Auf den Plakaten wird auf humorvolle Weise sehr schnell deutlich, was die Kampagne will.Da sind Gesichter von älteren Menschen zu sehen mit einem lockeren Spruch: Expertin fürSonntagsbraten sucht Zuhörer. Oder: Expertin für Liebeskummer sucht Ausgehhilfe. Oder:Experte für Lebensfreude sucht Rollstuhlschieber. Oder: Experte bei Lebenskrisen suchtBriefeschreiber. Foto: Caritas

Bayern auf dem Weg zur Inklusion

Caritas. Der Vorsitzende der Bay-erischen Bischofskonferenz, derMünchnener Erzbischof ReinhardMarx, hat davor gewarnt, in derBildungsdebatte Schülerinnen undSchüler mit Behinderung aus denAugen zu verlieren. „Bildungsge-rechtigkeit muss für alle gelten, auchfür die, die es nicht leicht haben“,sagte er bei einem Symposium derLandesarbeitsgemeinschaft Förder-schulen in katholischer Trägerschaftund der Evangelischen Schulstiftungin Bayern im Februar in München.Alle Schulen müssten auf die Indi-vidualität der Schüler achten undihnen helfen, an der Gesellschaftteilhaben zu können. Der evangeli-sche Landesbischof Johannes Fried-rich betonte, jeder einzelne Schülersei unabhängig von dem, was er leis-ten könne, gleich wertvoll. Das müs-se man in einer Gesellschaft deut-lich machen, die manchmal „un-barmherzige Kriterien der Leis-tungsfähigkeit“ schon an Schüleranlege. „Keiner darf verloren ge-hen“, sagte Friedrich. Die Bischöfebetonten, es sei Auftrag der Kirche,sich gerade für die schwächeren Mit-glieder der Gesellschaft einzusetzen.Deshalb sei auch das kirchliche En-gagement im Bereich der Förder-schulen so groß. Die Kirchen stel-len nach Angaben des Landes-Cari-tasverbandes gut ein Drittel der57.000 Plätze in Förderschulen inBayern zur Verfügung.

Die Landesarbeitsgemeinschaft ka-tholischer Förderschulen in Bayernhat einen Beschluss des Bildungs-ausschusses des Bayerischen Land-tages begrüßt, der die Staatregierungauffordert, ein Konzept zur gleich-berechtigten Teilhabe behinderterSchüler vorzulegen. „Es geht darum,die individuelle Förderung behinder-ter Kinder zu erhalten und mehr ge-

meinsame Beschulung zu ermögli-chen“, so Michael Eibl, Vorsitzen-der der LAG. Auch die Förder-zentren wollten sich für nicht behin-derte Schüler öffnen. Der Beschlussim Landtag decke sich in weiten

Teilen mit dem Positionspapier derkatholischen und evangelischenFörderschulen und der Lebenshilfe,das Anfang Februar an Kultusminis-ter Ludwig Spaenle übergeben wor-den sei. (bh)

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Umfrage zu BetreuungsplätzenBayerischer Städtetag. Für das Jahr2013 prognostizieren bayerischeStädte durchschnittlich einen Bedarfvon knapp 38 Prozent an Betreu-ungsplätzen für Kinder unter dreiJahren. Dies zeigt eine aktuelleUmfrage des Bayerischen Städte-tages bei den kreisfreien Mitglied-städten. Auf Grund von Medienbe-richten hatte sich die Geschäftsstel-le des Städtetages zu dieser Blitzum-frage entschlossen. Laut diesen Be-richten soll mit dem Rechtsanspruchauf einen Krippenplatz im Jahr 2013ein hoher Bedarf bestehen: Für etwa66 Prozent der Kinder unter drei Jah-ren würde ein Betreuungsplatz be-nötigt. Laut der Kurzumfrage prog-nostizieren die kreisfreien Städte imgewichteten Durchschnitt für 2010einen Bedarf an Krippenplätzen undTagespflegeplätzen für knapp 38Prozent der Kinder unter drei Jah-ren. Im Einzelnen erklärten 16 von

25 kreisfreien Städten, dass der vonihnen ermittelte Bedarf über demliegt, was der Freistaat mit 31 Pro-zent festgelegt hat. Zwölf Mitglied-städte gaben ein Ausbauziel zwi-schen 33 und 35 Prozent an. In vierkreisfreien Städten wurde ein Aus-bauziel von deutlich über 35 Prozentprognostiziert. In der Hochrechnungdes Städtetages aus der Blitzumfragefehlen naturgemäß Zahlen aus den71 bayerischen Landkreisen: In grö-ßeren kreisangehörigen Städten undGemeinden werden die Bedarfs-zahlen höher liegen als in kleinerenGemeinden.Insgesamt wird sich nach Ansichtdes Bayerischen Städtetages erstnoch erweisen müssen, ob die vomFreistaat Bayern angepeilten 31 Pro-zent im landesweiten Durchschnitttatsächlich ausreichen werden. Hier-bei ist auch zu berücksichtigen, dassder Bedarf an Betreuungsplätzen

stark von den konjunkturellen wirt-schaftlichen Schwankungen abhän-gig ist. Klare Prognosen lassen sichsomit kaum erstellen. Die weiterelandesweite Entwicklung muss manim Auge behalten. Bund und Län-der müssen frühere Schätzungenrechtzeitig aktualisieren, um den Be-darf an Betreuungsplätzen und denFinanzbedarf bestimmen zu können.Als die Bundeszuschüsse erstmalsauf den Freistaat ausbezahlt wordensind, wurde mit dem Freistaat verein-bart, dass nach einem Probelauf vonzwei Jahren nochmals die Finanzie-rung der Betreuungsplätze auf denPrüfstand gestellt wird. Sofern dieKommunen nicht mit Hilfe der Bun-deszuschüsse und der Landeszu-schüsse ausreichend entlastet wer-den, muss nachverhandelt werden.

es sich bewährt, in Jobcentern und Ar-beitsgemeinschaften den Hilfebedür-ftigen eine Unterstützung aus einerHand zu geben. Die Lösung, die sichjetzt abzeichnet, entspricht dem, wasder Bayerische Städtetag immervertreten hat: Wenn die Arbeitsge-meinschaften funktionieren, aber dieRechtslage nicht stimmt, dann mussdie Verfassung angepasst werden.Der Bund darf nun nicht länger anScheinlösungen herumpfuschen, son-dern er muss mit der Grundgesetz-änderung rasch eine tragfähige Lö-sung schaffen.Mit einer Änderung des Grundgeset-zes wird verhindert, dass der Bunddie Aufgaben trennen muss: Bei derTrennung würde einen Teil die Bun-desagentur für Arbeit erledigen, denanderen Teil das kommunale Sozial-amt. Dann müssten wieder Arbeits-lose und Hilfeempfänger getrennte

Hartz IV: Wir brauchen eine VerfassungsänderungBayerischer Städtetag. Was diebayerischen Städte kaum mehr zuhoffen gewagt haben, ist nun Wirk-lichkeit geworden: In der Bundes-politik ist eine überraschende Um-kehr zur Vernunft eingetreten. Es istein großer Erfolg, wenn die seit zweiJahren vom Bayerischen Städtetag sounverdrossen geforderte Lösung füreine Fortsetzung der Arbeitsgemein-schaften eine Aussicht auf Umset-zung bekommen hat. Nun ist wiederdenkbar, dass Bundesregierung undUnionsfraktion doch einer Grundge-setzänderung zustimmen; die Bun-desländer haben ebenso Zustimmungsignalisiert wie die SPD-Bundestags-fraktion. Somit könnte die gemein-schaftliche Erledigung der Aufgabenin den Jobcentern fortgesetzt werden.Diese Umkehr verhindert, dass etwasmutwillig zerschlagen wird, was zu-sammengehört: Fünf Jahre lang hat

Bescheide erhalten, sie hätten unter-schiedliche Ansprechpartner undmüssten Einsprüche bei unterschied-lichen Stellen einlegen. Diese Tren-nung macht keinen Sinn; sie wärezutiefst bürgerunfreundlich. Daher istder Weg über die Grundgesetzän-derung der einzig praktikable Weg.Bundesregierung, Bundestag undBundesrat müssen sich nun mit derGrundgesetzänderung beeilen. Siemüssen dafür sorgen, dass fast sie-ben Millionen Hartz IV-Bezieher inDeutschland, davon 450.000 in Bay-ern, wissen, wer ihnen künftig hilft.Wir müssen an die Betroffenen den-ken - an die Arbeitslosen und dieHilfeempfänger ebenso, wie an dierund 2.400 kommunalen Mitarbeiterin den Arbeitsgemeinschaften. Siealle wollen wissen, wie es weiter geht.Eine Trennung der Aufgaben wäreder falsche Weg.

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Arbeiterwohlfahrt. Auf viel positi-ve Resonanz ist der erste Fachtag„Brennpunkt Pflege“ der bayerischenArbeiterwohlfahrt gestoßen, der aufInitiative des Landesfachausschus-ses Altenhilfe am 9. März in derMeistersingerhalle in Nürnberg stattfand.Auf Vorschlag des Landesfach-ausschusses „Altenhilfe“ hat derAWO-Landesvorstand beschlossen,künftig im zweijährigem Rhythmuseine Fachtagung im Aufgabenfeld„Altenhilfe“ durchzuführen. Mit derEinführung der Fachtagungsreiheunter dem Titel „Brennpunkt Pfle-ge“ verfolgt die bayerische Arbeiter-wohlfahrt eine Reihe von Zielen.„Wir wollen eine Dialogmöglichkeitzwischen den Akteuren in der Pfle-ge und Verantwortlichen aus Politikund Wissenschaft schaffen und wirmöchten zu einschlägigen Themen-bereichen ein spezifisches, sozialpo-

litisches Profil der AWO herausar-beiten und damit auch einen Betragzur Indentifikation der Mitarbeiter-innen und Mitarbeiter mit der AWOleisten“, so skizziert WolfgangSchindele, der Vorsitzende des Lan-desfachausschusses, diese Ziele.

Der Beschluss des Landesvorstandesfußt auf der Überzeugung, dass dieArbeiterwohlfahrt traditionell in derAltenhilfe eine besondere Verant-wortung trägt. Dies gilt für den so-zialpolitischen Interessenverbandund die Mitgliederorganisation. Ins-

besondere aber für die Arbeiterwohl-fahrt als Träger einer Vielzahl vonEinrichtungen, Diensten und Maß-nahmen, deren besondere Qualitätoftmals auch auf dem Zusammen-wirken hauptamtlicher Kräfte undehrenamtlich Engagierter basiert.Die erste Fachtagung „BrennpunktPflege“ griff diese Frage unter demTitel „Eine zentrale gesellschaftlicheHerausforderung zwischen Anspruchund Wirklichkeit“ auf.In seinem Grußwort betonte derAWO Landesvorsitzende Dr. Tho-mas Beyer, wie wichtig die breit an-gelegte Diskussion über die Erfor-dernisse und Probleme in der pfle-gerischen Versorgung für einen Ver-band wie die AWO sei. Im Mittel-punkt der Veranstaltung standen dreiFachvorträge: Rainer Brückers, derfrühere Vorstandsvorsitzende desAWO Bundesverbandes, legte die

Rolle der AWO als wertorientierterArbeitgeber dar, Prof. Dr. Dr. KlausDörner, bekannt als Kritiker derVersorgungslandschaft und Mitgliedder Ethikkommission des Berufsver-bandes für Pflegeberufe, begründe-te die Notwendigkeit einer Ethik fürPflegeberufe. Im Anschluss daran re-ferierte Prof. Christel Bienstein, Lei-terin des Instituts für Pflegewissen-schaften an der Universität Witten/Herdecke, über die Veränderung desSelbstverständnisses der Pflegen-den. Einen breiten Raum nahmensechs Workshops am Nachmittag

ein. Die 450 Teilnehmer diskutier-ten mit hochrangigen Experten ausWissenschaft und Praxis die Wert-orientierung der Pflege in der AWO,die ethischen Ansprüchen und Wirt-schaftlichkeitszwängen der Pflegen-den sowie das Spannungsfeld unter-schiedlichster Interessen an die Pfle-ge. Des Weiteren wurde die Fragenach dem Nutzen der Akademisie-rung in der Pflege, der Rollenauf-teilung und die Tätigkeiten in derPflege erörtert. Impulsreferate in denWorkshops hielten neben den Prot-agonisten des Vormittags ElisabethScharfenberg (MdB), pflegepoli-tische Sprecherin der Fraktion Bünd-nis 90/Die Grünen, Ute Braun, stell-vertretende Landesvorsitzende derbayerischen Arbeiterwohlfahrt undDr. Wolfgang Dunkel, ISF München.Den Abschluss bildete ein Ausblickvon Mona Frommelt, Direktorin derHans-Weinberger-Akademie, der dieTagungsreihe und deren Anliegen inden Kontext des Beschlusses derLandeskonferenz 2008 zum Start ei-ner Bildungs- und Qualifizierungs-offensive stellte.„Auch die Arbeiterwohlfahrt wird invielfältiger Weise mit dem immerstärker werdenden Kosten- undEffizienzdruck in der Pflege konfron-tiert. Dieser Druck lastet vor allemauf den Mitarbeiterinnen und Mitar-beitern. Unser Ziel ist es Wege zu fin-den, die verhindern, dass die Quali-tät der Pflege leidet, Mitarbeiterin-nen und Mitarbeiter demotiviert undin nicht wenigen Fällen zum Ausstiegaus dem Beruf veranlasst werden. Mitdieser Fachtagung ist es uns gelun-gen diesem Ziel ein Stück näher zurücken“, so der Landesvorsitzendeder Arbeiterwohlfahrt in Bayern,Thomas Beyer. Tagungsdokumen-tation sowie weitere Informationen:www.awo-brennpunkt-pflege.de

Pflege im Brennpunkt

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M I T G L I E D S O R G A N I S A T I O N E N

LAG FW„Ein Sieg für die Menschenwürde“

Altenpflege: Hohe Standards in Bayern halten, Ausbildung sichern

LAG FW. Das Hartz IV-Urteil ha-ben Kirchen und Wohlfahrts-verbände in Bayern als „Sieg für dieMenschenwürde“ begrüßt. Zugleichmahnten sie von der Bundesregie-rung eine zügige Umsetzung derNeuberechnung von Hartz IV-Leis-tungen an, wie sie das Bundesver-fassungsgericht in Karlsruhe ent-schieden hatte. Der finanzielle Be-darf für Kinder aus Hartz IV-Fami-lien müsse realistisch ermittelt wer-den, erklärte der bayerische evange-lische Landesbischof JohannesFriedrich in München. „Kinder sinddie schwächsten Mitglieder der Ge-sellschaft, darum verdienen sie un-sere höchste Aufmerksamkeit undZuwendung“, sagte er. Der Münche-ner katholische Erzbischof ReinhardMarx nannte die Karlsruher Ent-scheidung im Hinblick auf Famili-

en mit Kindern erfreulich. Derbayerische Diakoniepräsident Lud-wig Markert forderte den Gesetzge-ber auf, aus Respekt vor den Betrof-fenen „zeitnah“ konkrete Vorschlä-ge zu erarbeiten. Außerdem müss-ten künftig auch ein warmes Schul-essen, Nachhilfe oder Vereinsmit-gliedschaften für Kinder vom Staatübernommen werden. Nur so könn-ten Kinder und Jugendliche wirklicham gesellschaftlichen Leben teilha-ben. Ebenso reichten die derzeitigenRegelsätze für erwachsene Hartz IV-Empfänger nicht aus, „gerade wennwir die Vererbung des Hartz IV-Sta-tus über Generationen verhindernwollen“, so Markert. Die bayerischeArbeiterwohlfahrt (AWO) und derSozialverband VdK Deutschlandbezeichneten das Urteil als klarenAuftrag an die Bundesregierung, die

Regelleistungen neu zu berechnen.Die Regelsätze müssten sich am tat-sächlichen Bedarf der Menschen ori-entieren, erklärte der AWO-Vorsit-zende Thomas Beyer. Er schlug vor,zu prüfen, ob in teueren Ballungs-räumen mit höheren Lebenshal-tungskosten mehr Hilfen zum Un-terhalt gezahlt werden können. Men-schenwürde dürfe nicht unterKostenvorbehalt stehen, Haushalts-konsolidierung nicht zu Lasten derSchwächsten gehen, fügte die VdK-Präsidenten Ulrike Mascher hinzu.Laut VdK lag die Zahl der Miss-brauchsfälle von Hartz IV-Empfän-gern im vergangenen Jahr bei 1,9Prozent. Es müsse damit Schlusssein, sie als Sozialschmarotzer zudiffamieren, erklärte Mascher.

LAG FW. Weitgehende Überein-stimmung in wichtigen Fragen derAltenhilfe haben MinisterpräsidentHorst Seehofer, SozialministerinChristine Haderthauer und die Lan-desarbeitsgemeinschaft der FreienWohlfahrtspflege (LAG FW) bei ei-nem Spitzengespräch in Münchenerzielt. Sozialministerin Haderthauerfasste die Ergebnisse so zusammen:„Um für die Zukunftsherausfor-derung Pflege in Bayern bestens ge-rüstet zu sein und die hohen bayeri-schen Standards zu halten, wollenwir das bereits bestehende staatlichgeförderte Darlehensprogramm zuRenovierung von Pflegeheimen er-gänzen. Wenn eine Renovierungnicht mehr genügt, sollen die Trä-ger durch eine Absicherung mitStaatsbürgschaften in Zukunft in dieLage versetzt werden, in die Jahregekommene Pflegeheime durch at-traktive Neubauten, die einen zeit-gemäßen Standard aufweisen, zuersetzen. So ermöglichen wir Trä-

gern günstigere Konditionen bei derFremdfinanzierung der Bauvorha-ben. Das gleiche gilt für das Mo-dernisierungsprogramm, das wir mitEngagement fortführen werden unddas auch umfassende Modernisie-rungen erleichtert. Mehr Attraktivi-tät brauchen wir aber auch bei derAusbildung bei der Altenpflege. Hiersetzen wir uns zusammen mit denWohlfahrtsverbänden ein, dass derBund schnellstmöglich eine ̀ genera-listische Pflegeausbildung´ schafft,bei der die derzeitigen Ausbildungenin der Alten-, Kranken- und Kinder-pflege zu einem einheitlichen Pfle-geberuf zusammengefasst werden.Dabei muss es auch darum gehen,die Finanzierung der Ausbildung aufeine solide Basis zu stellen.Landes-Caritasdirektor Prälat Karl-Heinz Zerrle, diesjähriger Vorsitzen-der der LAG FW, sagte, auch an-gesichts der prekären Finanzlage deröffentlichen Haushalte dürfe es kei-ne Kürzungen im Staatshaushalt auf

Kosten der Armen und Schwachengeben. Sie hätten die gegenwärtigeFinanz- und Wirtschaftskrise nichtverschuldet. Zerrle forderte, die Ban-ken als Verursacher der Krise mehrin die finanzielle Verantwortung fürdie Folgen ihres Handelns einzube-ziehen. Er zeigte sich erfreut über dieAussage des Ministerpräsidenten,dass im Augenblick keine Sozial-kürzungen im Staatshaushalt erkenn-bar seien. Er hoffe, sagte Zerrle, dassdies auch im Jahr 2011 so bleibe. ImÜbrigen verlasse man sich auf dieZusage des Ministerpräsidenten, beider Gestaltung des Haushaltes recht-zeitig einbezogen zu werden. Bei dergeneralistischen Ausbildung in derPflege sei zu bedenken, dass diesnicht zu einem Fachkräftemangel inder Altenpflege führe und die spezi-fischen Merkmale der Altenpflegeerhalten blieben. Außerdem bedür-fe es Staatsbürgschaften nicht nur fürGeneralsanierungen, sondern auchfür Ersatzneubauten.

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17Bayerische Sozialnachrichten 2/2010

M I T G L I E D S O R G A N I S A T I O N E N

Warnung vor Hartz IV-Stimmungsmache

Zerrle jetztVorsitzenderder Freien

WohlfahrtspflegeLAG FW. Der bayerische Lan-des-Caritasdirektor Karl-HeinzZerrle hat im Januar turnusgemäßden Vorsitz der Landesarbeits-gemeinschaft der Freien Wohl-fahrtspflege (LAG FW) übernom-men. Er folgt für ein Jahr aufChrista von Thurn und Taxis, dienun als seine Stellvertreterin am-tiert. Der Landesarbeitsgemein-schaft gehören neben der Caritas,der Arbeiterwohlfahrt und demRoten Kreuz die Diakonie, derLandesverband der IsraelitischenKultusgemeinden und der Paritä-tische Wohlfahrtsverband an. Die-se Organisationen stehen für rund14.500 Facheinrichtungen undProjekte. Zerrle kündigte an, vorallem gegen die um sich greifen-de Armut bei Kindern und Ju-gendlichen, bei Alleinerziehendenund alten Menschen kämpfen zuwollen. „Hier erwarten wir vonder Staatsregierung klare Maß-nahmen.“ Zudem kritisierte er diesogenannte offene Ganztages-schule. Die Wohlfahrtsverbändezögen dieser Form pädagogischdurchdachte Einrichtungen vor,die jungen Leuten wirklich helfenkönnten.

Parität. Der Paritätische Wohlfahrtsverband warnt vor einer Stimmungs-mache gegen Hartz IV-Bezieher. Nach aktuellen Zahlen der Bundes-agentur für Arbeit seien pauschale Missbrauchvorwürfe gegen HartzIV-Bezieher haltlos, erklärte der Verband in Berlin. Laut Jahresbilanzder Bundesagentur lag die Missbrauchsquote bei den insgesamt 6,5 Mil-lionen Menschen, die im vergangenen Jahr Anspruch auf Hartz IV-Leis-tungen hatten, bei 1,9 Prozent. Der Wohlfahrtsverband fordert die Bun-desregierung auf, „ihren Fokus endlich von der Ausnahme auf die Re-gel zu richten“. Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider sagte: „DiePolitik sollte sich auf die 6,3 Millionen Menschen konzentrieren, diesich nichts zuschulden kommen lassen und ihnen einen Weg aus HartzIV und Armut zurück in die Arbeit ermöglichen.“ Nach Angaben derBundesagentur nahm die Missbrauchsquote bei Hartz IV im vergangenenJahr leicht zu. Die Zahl der eingeleiteten Straf- und Bußgeldverfahrengegen Hartz IV-Empfänger sei um 1,8 Prozent auf knapp 165.000 ge-stiegen. Im Bericht der Bundesagentur heißt es, Leistungsmissbrauchsei „in Relation zu der Anzahl der Hilfebedürftigen und den Gesamt-ausgaben relativ gering verbreitet“.

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Sozialkommission des Freistaates ohne kommunale Beteiligung

„Gesetzentwürfe zur Neuorganisation SGB II unzureichend“Bayerischer Landkreistag. DasBundesministerium für Arbeit undSoziales (BMAS) hat am 25. Januar2010 Gesetzentwürfe zur Neu-organisation des SGB II-Vollzugsvorgelegt. Diese war notwendig ge-worden, weil das Bundesverfas-sungsgericht die bisherigen Arbeits-gemeinschaften Ende 2007 alsMischverwaltung für verfassungs-widrig erklärte und eine Nach-besserung bis Ende 2010 forderte.Der Präsident des BayerischenLandkreistages, Landrat Theo Zell-ner, Cham, sieht in den Gesetzent-würfen in keiner Weise die kommu-nalen Forderungen bedacht: „Dervorgesehene getrennte Vollzug derAufgaben durch die örtlichen Ar-beitsagenturen und die kommunalenTräger ist viel zu bundeslastig aus-gestaltet. Der Bund kann sich in allseinen Entscheidungen, selbst wennsie sich auf die Leistungen der Kom-munen auswirken, durchsetzen. Die-se Ausgestaltung ist mit dem kom-

munalen Selbstverwaltungsrechtnicht vereinbar.“Abzusehen ist zudem, dass auch dergetrennte Vollzug der Leistung durchzwei Träger nicht verfassungs-konform gestaltet werden kann. DasBMAS führt die Mischverwaltungdurch die Hintertür ein, wenn eszwar einen getrennten Vollzug in denGesetzentwürfen vorsieht, abergleichzeitig einen Mustervertrag zueiner möglichst engen freiwilligenZusammenarbeit zwischen Arbeits-agenturen und kommunalen Trägernvorlegt. Zellner hierzu: „Damit hatsich der Bund zusammen mit denLändern in eine Sackgasse manöv-riert, aus der er nicht mehr heraus-kommt.“ Einerseits keine Grundge-setzänderung vorzunehmen und dieFinanzströme nicht zu ändern,andererseits dennoch an der HartzIV-Reform festzuhalten, bei der dieZusammenführung der Leistungenvon Arbeits- und Kommunalverwal-tung im Mittelpunkt stand, ist für

Theo Zellner unmöglich: „Eines sei-ner Ziele wird der Bund früher oderspäter aufgeben müssen.“Besonders verärgert zeigt sichZellner darüber, dass das BMAS beiden Gesetzentwürfen nicht einmaldie zahlenmäßige Ausweitung derOptionsplätze berücksichtigt, wie sievom Deutschen und BayerischenLandkreistag mit Nachdruck gefor-dert wird: „Wenn hier im Rahmendes weiteren Gesetzgebungsverfah-rens nicht nachgebessert und inter-essierten Städten und Landkreisendie alleinige Vollzugsverantwortungeröffnet wird, muss das Gesamtpaketaus kommunaler Sicht geradezu alsAffront gewertet werden.“ Schließ-lich erinnert der Präsident daran,dass das BMAS selbst nach derBundestagswahl unter der neuenpolitischen Spitze eine vertrauens-vollere Zusammenarbeit mit denKommunen versprochen hatte:„Dieser Ankündigung sollten auchTaten folgen.

Bayerischer Landkreistag. Ver-wundert zeigte sich die Verbands-spitze des Bayerischen Landkreis-tages über die neue Sozialkom-mission, die unter Vorsitz von Mi-nisterpräsident Horst Seehofer unddem Vorsitzenden des DGB Bay-ern ihre Arbeit aufnahm. „Es er-scheint schon seltsam, wenn derFreistaat ein so hochkarätiges Gre-mium ohne Vertreter von Städtenund Landkreisen als örtliche Träger

der Sozial- und Jugendhilfe besetzt“,äußerte sich der Präsident des Land-kreistages, Landrat Theo Zellner, derdarauf hinwies, dass die Kommunennicht nur mit Abstand die größtenKostenträger sind, sondern auch viel-fältige Leistungen der Sozial- und Ju-gendhilfe selbst erbringen und diePlanungsverantwortung vor Ort ha-ben. „Wenn wir nicht beteiligt wer-den, müssen wir genau darauf ach-ten, dass die Kommission keine Ver-

abredungen zu unseren Lastentrifft“, betonte Landrat Zellner.„Dass Bayern sozial bleiben muss,steht außer Frage. Wenn der Frei-staat hier etwas bewegen möchte,gerade im Hinblick auf wichtigePräventionsleistungen, dann muss erauch das zur Realisierung notwen-dige Geld mitbringen“, bekräftigteZellner der sich bereit erklärte, derSozialkommission auch nachträg-lich beizutreten.

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Chaos bei denHartz IV-Bescheiden

Diakonisches Werk. Die Diako-nie hat vor einem wachsendenChaos bei den Hartz IV-Beschei-den gewarnt. Bereits jetzt sei mehrals jeder dritte Bescheid fehler-haft, sagte der Vizechef desDiakonischen Werkes Bayern,Jörg Kruttschnitt, in Nürnberg.Fünf Jahre nach Einführung vonHartz IV sei der Weg zur staatli-chen Unterstützung „zunehmendkafkaesk“, sagte Kruttschnitt. Inden Beratungsstellen der Diako-nie gebe es einen ungebrochenenZulauf von Menschen, die Hilfebeim Verstehen ihrer Bescheidebräuchten. Diakoniepräsident Lud-wig Markert nannte Hartz IV eine„Großbaustelle mit unverminder-ten Ungerechtigkeitspotential“.Die Regelsätze seien viel zu nied-rig, um die Bezieher in irgend-einer Weise an der Gesellschaftteilhaben zu lassen. Besonders dieLeistungen für Kinder müsstenverbessert werden. Mit der Politikder Bundesregierung ging Markerthart ins Gericht. Sie habe sich „derKlientelpolitik für die Reichen undder Aushöhlung des Sozialstaatesverschrieben“, sagte er. In derGesundheitsversorgung und derPflege gebe es längt eine Zwei-klassensystem. Die Vertreter desevangelischen Wohlfahrtsverban-des forderten ein politisches Ge-samtkonzept zur Armutsbekämp-fung. Es sei ein Skandal, dasskaum ein Kind aus einer armenFamilie die Chance habe, der Ar-mut durch Bildung zu entfliehen.Das Bildungssystem sei seit derersten PISA-Studie um keinenDeut durchlässiger geworden.

Sanktionspraxis bleibt fragwürdigDiakonisches Werk. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt hatte ge-fordert, die in Bayern umgesetzte Strenge gegen arbeitsunwillige HartzIV-Empfänger/innen auch in anderen Bundesländern zur Norm zu ma-chen. Das Diakonische Bayern hält diese Aufforderung für unangemessenund nicht nachvollziehbar. „Die Sanktionspraxis insgesamt“, so Diakonie-präsident Dr. Ludwig Markert, „muss dringend kritisch überprüft werden,auch in Bayern.“ Die Sanktionspraxis hat eine Kürzung der Regelleistungbis hin zur kompletten Streichung zur Folge. Dies widerspricht nach An-sicht der bayerischen Diakonie der Menschenwürde.

Das Bundesverfassungsgericht hatte die Berechnungsgrundlage für dieHöhe der Regelsätze beanstandet und festgestellt: „Das Grundrecht aufGewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs.1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs.1Grundgesetz sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Vor-aussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaßan Teilhabe am gesellschaftlichen kulturellen und politischen Leben uner-lässlich sind“. Eine Kürzung der Regelsätze bis auf Null oder auch auf 60Prozent der Regelleistungen widerspricht nach Ansicht der bayerischenDiakonie diesem Urteil. Sie gefährdet die physische Existenz bzw. dasÜberleben der Betroffenen. 57,2 Prozent der Sanktionen wird nach Aussa-ge der Bundesagentur für Arbeit aufgrund von Meldeversäumnissen ver-hängt, wenn z.B. Gesprächstermine nicht eingehalten wurden. Auf solcheVorkommnisse mit Sanktionen zu reagieren, ist aus Sicht der bayerischenDiakonie überzogen, unangemessen und für die Betroffenen keine Hilfe,sondern führt zu einer Verschärfung ihrer ohnehin schon schwierigen Lage.Bei Familien greift die Sanktionierung sogar auf alle Familienmitgliederüber.

Verkürzten Zivildienstmit Freiwilligendienst kombinieren

Diakonisches Werk. Die Diakonie hat die Bundesregierung aufgerufen,bei der Zukunft des Zivildienstes für Klarheit zu sorgen. Falls der Zivil-dienst von neun auf sechs Monate verkürzt werde, müsse es möglich sein,„unmittelbar einen Jugendfreiwilligendienst anzuschließen“. Diese Umge-staltung des Zivildienstes müsse vom Gesetzgeber finanziert werden, sagteKerstin Griese, Vorstand Sozialpolitik im Diakonie Bundesverband, inBerlin. Wo Zivildienstleistende im unmittelbaren Dienst am Menschen imEinsatz seien, schaffe die vorgesehene Verkürzung tiefgreifende Probleme,warnte Griese. In der Schwerstbehindertenpflege etwa sei der Wechsel ei-ner Bezugsperson nach sechs Monaten nur schwer vorstellbar.

Deshalb trete die Diakonie für eine Kombination von Zivildienst undFreiwilligendienst ein. Die Bundesregierung müsse schnell handeln, denneine Verkürzung der Dienstzeit ab 2011 würde bereits alle Zivildienstleis-tenden betreffen, die ab April ihren Dienst antreten. Griese betonte zudem,dass der Charakter des Zivildienstes als sozialer Lerndienst auch bei einerVerkürzung erhalten bleiben müsse.

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20 Bayerische Sozialnachrichten 2/2010

L AG Ö/F

Die vergessenenOpfer der Nazis

Symposium und Ausstellung zum Schicksal von Menschenin Fürsorge- und Psychiatrieeinrichtungen im Dritten Reich

Nürnberg. Sie sind die „vergessenen“ Opfer der natio-nalsozialistischen Gewaltherrschaft: Menschen, die inpsychiatrischen oder Fürsorgeeinrichtungen lebten undlitten. Viele von ihnen wurden zwangssterilisiert und -als „lebensunwert“ abgestempelt – ermordet. Alleinin Deutschland geht man von 180.000 Ermordeten aus.Nach 1945 wurde der Leidensweg der Betroffenen so-wohl in der Öffentlichkeit als auch in der Wissenschaftweitestgehend ignoriert. Die Täter kamen in der Re-gel ungeschoren davon.

Speziell mit den Vorgängen in Mittelfranken befass-ten sich am 5. März im Haus eckstein die Teilnehmer-

innen und Teilnehmer des Symposiums „lebenswert –‚lebensunwert’. Opfer von Fürsorge und Psychiatriewährend des Nationalsozialismus in Mittelfranken“.Eingeladen hatte die BezirksarbeitsgemeinschaftMittelfranken der Landesarbeitsgemeinschaft der öf-fentlichen und freien Wohlfahrtspflege in Bayern(LAG Ö/F).

Die aktuellen Forschungsergebnisse präsentierten Dr.Eckart Dietzfelbinger vom DokumentationszentrumReichsparteitagsgelände Nürnberg sowie der Medizin-historiker Dr. Gerrit Hohendorf und die HistorikerinDr. Annette Eberle. Speziell auf die Vorgänge in Mittel-

Die Aktion T 4: Auch in Bruckberg, einem Heim der Diakonie, fuhren Busse vor, um Menschen mit Behinderung abzuholen und inVernichtungslager zu bringen. Foto: Diakonie Neuendettelsau

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21Bayerische Sozialnachrichten 2/2010

vergessenL AG Ö/F

franken gingen Dr. Hans Ludwig Siemen vom Klini-kum am Europakanal in Erlangen und Matthias Hunoldvon der Diakonie Neuendettelsau ein. Der ehemaligeÄrztliche Direktor des BezirkskrankenhausesKaufbeuren, Professor Dr. Michael Cranach, referier-te über den Umgang mit dem Thema „Euthanasie-morde“ im Deutschland der Nachkriegszeit:

Der Boden für diese Verbrechen war bereits bereitet,als die Nazis an die Macht kamen. Geistige Behinde-rung und seelische Erkrankungen, aber auch Alkoho-lismus, kriminelles Handeln oder einfach die Zugehö-rigkeit zu bestimmten sozialen Schichten wurden alsFolge „minderwertiger“ Gene angesehen. Die Trägerdieser Gene als eine Gefahr für das „Wohl“ der „ge-sunden Bevölkerungsteile“ eingestuft. Dies war seitder zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine weit-verbreitete Überzeugung in Europa und Nordamerika.Durch gezielte Sterilisation sollte dem entgegengewirktwerden. Unter dem Eindruck der Weltwirtschaftskrisetraten aber zunehmend wirtschaftliche Aspekte in denVordergrund – Menschen in Fürsorge- und Psychiatrie-einrichtungen würden der Gesellschaft nur Geld kos-ten, aber nichts für diese leisten. Auch dieses Argu-ment stieß auf breite Zustimmung in weiten Teilen derBevölkerung. Der Schritt zur gezielten Tötung wardann nur ein kurzer. Besonders schockierend war fürdie ca. 80 Zuhörer/-innen, dass zumindest in der Heil-und Pflegeanstalt Kaufbeuren bis Juni 1945, also nochnach Kriegsende, als „lebensunwert“ abgestempelteMenschen ermordet wurden.

Damit diese düstere Vergangenheit nicht in Verges-senheit gerate, so Gabriele Sörgel, Vorstandssprecherinder Stadtmission Nürnberg und Vorsitzende derBezirksarbeitsgemeinschaft Mittelfranken, präsentie-re man die Ausstellung „In Memoriam – Zum Geden-ken an die Opfer der Psychiatrie“ erstmalig in Nürn-berg.

Unter dem Eindruck der Ungeheuerlichkeit der Ver-brechen war es daher nicht leicht, den Bogen zur Ge-genwart zu schlagen. Moderiert von Pfarrer Willi Stöhrvon der Evangelischen Stadtakademie Nürnberg, dis-kutierten Bezirksrat Norbert Dünkel, der Landtagsab-geordnete Hermann Imhof, die Vorsitzende des VDKUlrike Mascher sowie Professor Dr. Dr. GünterNiklewski, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psy-chotherapie am Klinikum Nürnberg, und ChristianOerthel, Vorsitzender des Evangelischen Erziehungs-verbandes in Bayern, die Frage nach dem „Leistungs-faktor Mensch als Kategorie der Sozialpolitik“. Trotzunterschiedlicher Standpunkte waren sich jedoch alledarin einig, dass man die wirtschaftliche Leistungsfä-higkeit eines Menschen nicht als Maßstab für die me-dizinische oder wirtschaftliche Unterstützung Hilfs-bedürftiger ansetzen dürfe.

Thomas Warnken

Bayerische Sozialnachrichten 2/2010

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P R A X I S

Ein Drittel der rechtlichen Formulare weltweit stammtaus Deutschland: Für manche Menschen ist das nurein netter Partygag, aber wer täglich damit zu tun hat,der droht vielleicht irgendwann daran zu verzweifelnund ist dankbar für jede Hilfe. Irmela Müller ausWeißenburg ist Dauergast in den Amtsstuben: Die al-leinerziehende Mutter von drei Kindern, die ihren rich-tigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, istarbeitslos. Sie bekommt Hartz IV – und damit erneutunzählige Papiere und Formulare zum Beantragen,Ausfüllen, Abgeben und anschließend zum Korrigie-ren und erneutem Abgeben. Doch damit nicht genug:Einer von Irmelas Söhnen ist chronisch krank – wasneben dem Schmerz und dem Kummer weiteren Pa-pierkrieg bedeutet, diesmal mit der Krankenkasse. Undnatürlich sind auch die dortigen Sachbearbeiter sehroft der Ansicht, dass etwas nicht korrekt oder unvoll-ständig ausgefüllt wurde. Wer sagt, dass Menschenohne Arbeit nichts zu tun haben, der würdigt den Pa-pierkrieg mit den Behörden nicht als Tätigkeit.

>>>>> Multi-Problem-KlientenDer größte Wunsch von Irmela Müller: ein Mensch,der ihr hilft, diesen Dschungel zu lichten, zu verste-hen, was die Ämter und Behörden konkret von ihrwollen. „Manchmal reicht es schon, wenn es einemjemand noch einmal erklärt“, meint die junge Frau undlächelt verschämt. Für Markus Willms, den Schuldner-berater der Diakonie in Weißenburg, ist Irmela Müller„ein typischer Fall des Hartz IV Zeitalters“. Fachlichkorrekt spricht er aber von Multi-Problem-Klienten:Darunter versteht man im Amtsdeutsch Hilfesuchen-de, die gleichzeitig mehrere existentielle Probleme aufden Behörden lösen müssen. Gerne würde MarkusWillms überforderte Klienten dabei begleiten – dochdazu fehlt ihm die Zeit: „Seit 1999 wurde bei uns dieHälfte der Stellen abgebaut und auf der anderen Seitewerden die Probleme immer mehr.“ Wie immer ver-

Immer mehr Menschen verstehen den Inhalt amtlicher Dokumente nicht:Kommunen setzen jetzt auf ehrenamtliche fachkundige Helfer

lässt sich die Gesellschaft darauf, dass schon irgend-welche Freiwillige einspringen – was zum Glück fürdie Betroffenen auch der Fall ist. In Weißenburg sol-len jetzt so genannte Ämterlotsen als „moralische Stüt-ze“ besagte Multi-Problem-Klienten auf die Behördenbegleiten – immer noch eine seltene Ausnahme inBayern. „Viele Betroffene haben Hemmungen, dorthinzu gehen. Sie haben dort schon öfters schlechte Erfah-rungen gemacht oder sind überfordert und möchten,dass man sie unterstützt“, erläutert Alexandra Tröglvon der Sozial- und Lebensberatung der Caritas. ZehnLotsen haben sich in den vergangenen Wochen inWeißenburg ausbilden lassen. Seit Jahresanfang hel-fen sie Antragsstellern in der Arbeitsagentur, im Ju-gendamt oder im Amtsgericht. Und das Modell machtSchule. In Fürstenfeldbruck, Freising und Erding wer-den von der Caritas ebenfalls Ämterlotsen ausgebil-det.

>>>>> Zwölf Wochen WartezeitDenn der Bedarf ist groß. Alleine die Caritas betreutnach Angaben ihres Landesverbandes in Bayern rund47.000 Fälle in der Schuldner- und Sozialberatung,Tendenz steigend. Für diese Mammutaufgabe stehenlandesweit nur 200 Berater zur Verfügung. Für dieSchuldnerberatung gebe es mancherorts derzeit schonWartezeiten bis zu zwölf Wochen. „Eine personelleAufstockung wäre dringend erforderlich“, sagt Regi-na Hinterleuthner, Sprecherin der Schuldnerbera-tungsstellen der Caritas. Doch derzeit befürchte sieeher, dass die Kommunen aufgrund der Finanzkrisean der Schuldnerberatung sparen könnten. Die Ämter-lotsen werden deshalb vom Caritas-Landesverbandbegrüßt. „Aber nur als Ergänzung zur bestehenden,professionellen Beratung“, wie Sprecher Bernd Heinklarstellen will: „Ehrenamtliche dürfen nicht als Lü-ckenbüßer genutzt werden, weil der Staat seine ver-fassungsmäßige Pflicht nicht erfüllt.“ Allerdings muss

Lotsendurch den Sozialrechtsdschungel

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sich der Staat fragen lassen, welche grundsätzlicheAkzeptanz langfristig ein Sozialsystem genießt, des-sen rechtliche Aspekte immer mehr Menschen nichtverstehen. Denn unterstützt werden darin nicht primärdie Bedürftigsten, sondern diejenigen, die den Inhaltder Paragraphen am besten kapieren und zu ihrenGunsten auslegen können.Die Idee der Ämterlotsen stammt ursprünglich ausHamburg. In Bayern setzen Diakonie und Caritaserstmals im Jahr 2007 Ämterlotsen in Rosenheim ein.Die Nachfrage ist dort in den knapp drei Jahren deut-lich gestiegen. Dieses Jahr begleiten Lotsen in Rosen-heim wöchentlich zwei bis drei Fälle, doppelt so vielewie noch 2008. Einen typischen Klientenkreis kannHedwig Petzet von der Caritas in Rosenheim nichtausmachen, jeder kann dazu gehören: gescheiterteJungunternehmer, Senioren, Immigranten und allein-erziehende Mütter hätten schon bei ihr angerufen, ver-rät Petzet. Was die Leute jedoch verbinde, sei Arbeits-losigkeit und Hartz IV.

>>>>>>> 20-seitige AnträgeDie Lotsen helfen diesen Menschen unter anderembeim Ausfüllen des 20-seitigen ALG-II-Antrags.Manchmal sind sie aber auch als Streitschlichter ge-fragt. Stoff für Konflikte sei oft die Wohnung, die plötz-

Die Aktenberge häufen sich: Alexandra Trögl von der Caritas und Markus Willms von der Diakonie in Weißenburg können die Nachfrage inder Sozial- und Schuldnerberatung kaum noch befriedigen. Ehrenamtliche sollen sie jetzt unterstützen. Foto: Fischer

lich zu groß für die Höhe der Zuschüsse geworden ist.„Oft erlebt ein Ämterlotse, dass die Situation zwischenBeamten und Betroffenem sehr angespannt ist.Manchmal sind schon unschöne Dinge angefallen undman hat sich Gemeinheiten an den Kopf geworfen.Da gibt es dann eine Blockade auf beiden Seiten“, er-läutert die Diakonie-Mitarbeiterin. Dass die Lotsen insolchen Situationen beruhigend wirken, hat auch PeterEberl, Teamleiter bei der Arge des Landkreises Rosen-heim, erlebt: „Wenn ich den Ämterlotsen überzeugenkann, dann ist auch der Hilfsbedürftige eher geneigt,meinen Worten Glauben zu schenken, auch wenn esihm gegen den Strich geht.“ 110 Fälle betreut ein Sach-bearbeiter durchschnittlich in der Arge RosenheimLandkreis pro Jahr. „Die Zeit ist knapp, das Personalist knapp“, bedauert Eberl – „sich ein, zwei Stundenfür einen Antragssteller zu nehmen, ist für unsere Sach-bearbeiter unmöglich geworden“. Und ab diesem Jahrkann sich dieses Problem sowohl auf den Ämtern alsauch in den Beratungsstellen zuspitzen. Denn vermut-lich wird die Arbeitslosigkeit, bedingt durch dieFinanzkrise, erst so richtig spürbar. Und die Wut derbetroffenen Menschen wird nicht geringer werden. VonGlück reden kann dann der Landkreis, in dem es schonfreiwillige Helfer zur Unterstützung gibt.

Ralf FischerBayerische Staatszeitung 1/2010

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Rahel RoseFachberatung Sportprojekt „Vereint in Bewegung“

und „Gemeinsam sind wir stark“,beim Deutschen Kinderschutzbund

Landesverband Bayern e.V.

HintergrundSport ist ein wirksames Mittel, Aggressionen gewalt-frei abzulassen und sozial benachteiligte Menschen inVereinen und Organisationen zu integrieren. Sport leis-tet auch einen wichtigen Beitrag zur Gesundheits-förderung sowie zur Gewalt- und Suchtprävention fürKinder, Jugendliche und ihre Familien. Gleichzeitigfindet man auf Sportplätzen ein komplexes Spiegel-bild mit allen sozialen Problemen unserer Gesellschaft,wie zum Beispiel Rassismus, Armut oder Gewalt. DieSportverbände Bayerns ebenso wie die Träger der Kin-der- und Jugendhilfe engagieren sich hier seit langerZeit vorwiegend auf ehrenamtlicher Basis und stoßendennoch immer wieder an Grenzen. Dabei werfen sichzahlreiche Fragen auf: Wie können Vereine bei gesell-schaftlichen Themen wie Gewalt, Sucht und Fragender Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit

Vereint in

Migrationshintergrund beraten werden und Hilfestel-lung bekommen? Wie können Sportvereine ihre Mit-glieder stärker an sich binden und verhindern, dass die-se beispielweise aufgrund von Armut austreten müs-sen? Wie können - meist ehrenamtlich - engagierteSporttrainerinnen und -trainer gut unterstützt werdenin sozialen Fragen wie zum Beispiel der Umgang mitSucht oder Kindeswohlgefährdung? Kinder- undJugendtrainer haben selten eine pädagogische oder so-ziale Ausbildung und tragen dennoch viel Verantwor-tung. Diese ist dann zu spüren, wenn es zu Konfliktenvon psychischer wie physischer Gewalt im Trainingoder während der Spiele kommt, wenn Eltern und Pu-blikum die Kinder beschimpfen, wenn Schiedsrichterangegriffen werden. Dies gilt für alle Sportarten inunterschiedlicher Intensität. Leistungsdruck kombi-

Bewegung

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niert mit sozialen Problemen wirkt sich subtil wie evi-dent aus.

Parallel haben soziale und kommunale Organisatio-nen in ihren vielseitigen Angeboten einen guten Zu-gang zu Kindern, Jugendlichen und Familien. Gernewürden sie diese an passende sportliche oder auch kul-turelle Angebote vermitteln und wissen häufig nichtwie. Die Frage ist, wie man Informationen so streuenkann, dass sie die betroffenen Zielgruppen tatsächlicherreichen.

Die Vernetzungsinitiative„Vereint in Bewegung“

Diesen Fragen stellen sich die Beteiligten derVernetzungsinitiative „Vereint in Bewegung“ (VIB),die mit den Kooperationspartnern Bayerischer Landes-sportverband (BLSV), Bayerischer Fußball-Verband(BFV), Deutscher Kinderschutzbund (DKSB) Landes-verband Bayern e.V. als Mitglied im ParitätischenWohlfahrtsverband und der Sportjugendstiftung derbayerischen Sparkassen, 2008 startete. Weitere Part-ner wie beispielsweise die Bayerische Sportjugend(BSJ), der Bayerische Jugendring (BJR) oder dieLandesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspfle-ge (LAG FW) konnten mittlerweile hinzugewonnenwerden - vor Ort sind die Kooperationspartner sehrfacettenreich. Die Initiative versteht sich als Impuls-geber, um Kontakte zwischen dem Sport und demSozialen herzustellen und um Informationsplattformenin den Kommunen einzurichten. Konzepte von mögli-chen Kooperationen mit den unterschiedlichstenSchwerpunkten sollen vor Ort erarbeitet und neueAngebote für Zielgruppen erstellt, durchgeführt oderbestehende bedarfsgerecht modifiziert werden.

Die Netzwerke ermöglichen,

� dass Menschen und Einrichtungen von Angebotenund Projekten erfahren, die oft nebeneinander her-laufen,

� dass Informationen, Ressourcen und Kompetenzenunter den Partnern ausgetauscht werden,

� dass unterschiedliche Stärken, Sichtweisen undIdeen in die Prozesse eingebracht werden und

� dass Akteure sowie Zielgruppen mehr Spielräumezur Mitgestaltung erhalten.

Zielgruppen von VIB sind in erster Linie die Sport-vereine und sozialen Organisationen, die direkten Zu-gang zu Kindern, Jugendlichen und ihren Familienhaben.

Unsere StrategieUm die Vernetzung zu gewährleisten, wurden auf Lan-desebene Koordinationsstellen jeweils beim BLSV undbeim DKSB für den Sport- und Sozialbereich einge-richtet. VIB startete 2008 mit sieben Modellstandortenin allen Regierungsbezirken Bayerns. 2010 werdendiese erweitert mit dem Ziel, dass die Idee sich landes-weit überträgt. In diesen Standorten wurden Koordina-torinnen und Koordinatoren eingesetzt.Er/Sie hat die Aufgabe,

� die Netzwerkpartner zu vermitteln,� zu sozialräumlichen Vernetzungstreffen einzuladen

(zum Beispiel an „Runden Tischen“),� den Informationsfluss zwischen den Partnern zu

gestalten und� die Aktivitäten der Partner zusammenzuführen.

Zentrale Verbindungsstelle der Koordinatoren sind zweilandesweite Ansprechpartnerinnen des DKSB und desBLSV. Über gemeinsame Veranstaltungen wird dasProjekt vor Ort bekannt gemacht und umgesetzt. DieErgebnisse dieser Vernetzungen fallen in den einzel-nen Orten je nach vorhandener Sport- und Sozialstruk-tur sehr unterschiedlich aus, die Offenheit für Ver-netzungsprozesse ist bekanntlich divergent ausgeprägt.

Erste ErfolgeIn einigen Modellstandorten entwickelten sich bereitserste sehr erfolgreiche Gemeinschaftsprojekte: Durchdie Vernetzung von unterschiedlichen Migranten-organisationen haben zum Beispiel in Augsburg Frau-en nun die Möglichkeit, sonntags für mittlerweile vierStunden ohne männliche Präsenz und Beobachtung zuschwimmen. Im letzten Quartal des vergangenen Jah-res haben bereits 700 Frauen mit ihren Kindern diesesAngebot wahrgenommen. Außerdem wird vor Ortnoch ein Turnangebot organisiert.

„Vereint in Bewegung“ ist bei der Verbreitung des er-folgreichen Projektes „Gemeinsam sind wir stark“unterstützend tätig. Das vierstündige Schulungsan-gebot richtet sich an ehrenamtliche Trainerinnen undTrainer von Kinder- und Jugendmannschaften. Es sollihnen helfen, in Konfliktsituationen souverän zu rea-gieren und ein friedliches Miteinander innerhalb ihrerMannschaft zu fördern. Das Gewaltpräventionsprojektdes Kinderschutzbundes findet derzeit an zahlreichenOrten in ganz Bayern statt und wird durch Koo-perationspartner gefördert. Zusätzlich ist die Entwick-lung neuer Konzepte in ständiger Arbeit: So ist zum

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26 Bayerische Sozialnachrichten 2/2010

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Beispiel eine Vernetzung zwischen den Elternkursen„Starke Eltern - Starke Kinder“ des Kinderschutz-bundes und den Sportvereinen angedacht. In dendeutsch-, türkisch- und russischsprachigen Eltern-kursen könnten die Angebote der ortsansässigen Sport-verbände bekannt gemacht und beworben werden. Esgibt auch die Möglichkeit, Elternkurse während derTrainingszeiten der Kinder stattfinden zu lassen. Bei„Starke Eltern - Starke Kinder“ vermittelt der DKSBsoziale und kommunikative Handlungskompetenzen.Diese können die Veranstaltungen des Sports berei-chern und zur Problemlösung beitragen. Alternativkönnten die Sportvereine Werbung für die Elternkursemachen und ein spezielles Angebot für ihre Mitglie-der organisieren.

Ein erster Schritt in Richtung unterstützende Inte-grationsarbeit, war die Entwicklung eines Flyers fürMigrantinnen und Migranten, der die Verbandsstruk-turen im Sport erklärt. Durch „Vereint in Bewegung“wurde eine landesweite Vernetzung auf Podiumsdis-kussionen angeregt, bei denen sich kommunale, sozi-ale und sportliche Institutionen begegneten. Derzeitwerden Fachtagungen und Veranstaltungen in denModellstandorten geplant und organisiert, die auchtabuisierte Themengebiete wie (sexuellen) Missbrauch,Rassismus im Sport etc. thematisieren.

AusblickKinder- und Jugendschutz braucht starke Netze. Dieinterdisziplinäre Zusammenarbeit stellt ein wesentli-ches Element für einen wirksamen Schutz von Kin-dern und Jugendlichen dar. Vor diesem Hintergrundhoffen wir auf eine große Resonanz und auf ein gro-ßes Interesse der neuen Partner aus Sport, Kommunenund Sozialem. Durch die Impulse des Projektes „Ver-eint in Bewegung“ soll eine gemeinsame Arbeit ent-stehen. Die Vernetzung von Sport- und Sozialverbän-den stellt eine neue Herausforderung dar, um den ge-sellschaftlichen Problemen unserer Zeit adäquat ent-gegentreten zu können. Neben einer Kooperation inder realen Welt wird es in Zukunft vermehrt darumgehen, virtuelle Plattformen der Vernetzung zu entwi-ckeln, weiter auszubauen und zu bewerben. In Dillin-gen startet eine Internet-Plattform, auf der jeder Ver-ein und jede Organisation ihre Angebote platzierenkann, so dass sich alle Einwohnerinnen und Einwoh-ner einfach und ohne Umstände von zu Hause aus in-formieren können. Es gilt, Vorhandenes zu analysie-ren und gute Ideen zu implementieren.

Erfolgsanalyse: Es gibt noch nicht viele wissenschaft-liche Untersuchungen in der Netzwerkarbeit. Ein gro-

ßer Gewinn des Projektes ist deshalb die Evaluation.Die Katholische Stiftungsfachhochschule Münchenwertet „Vereint in Bewegung“ anhand einer Nutz-wertanalyse aus und veröffentlicht die Evaluation.Mehr Informationen gibt es auch unter www.vereint-in-bewegung.de

Beim Fürther Metropolmarathon, im Juni 2009, kamen die kleinenLäufer und Läuferinnen beim Schülermarathon ganz groß raus.

Im September 2008 fand auf dem Max-Josefs-Platz in Rosenheimeine Aktion des Projektes "Vereint in Bewegung“ statt.

Weltkindertag in Nürnberg im September 2009

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27Bayerische Sozialnachrichten 2/2010

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Im Verlauf der letzten Jahre ge-lang es im Rahmen von zweiModellprojekten zur berufli-

chen Förderung und Teilhabe vonMenschen mit Autismus, die Anzahlder bundesweit überbetrieblich Ge-förderten auf aktuell über 300 zuerhöhen. Über die Hälfte der jungenMenschen mit Autismus, die bereitseine Ausbildung abschließen konn-ten, befinden sich in einer sozial-versicherungspflichtigen Tätigkeitauf dem allgemeinen Arbeitsmarkt(Baumgartner, Dalferth, Vogel 2009).Es gilt damit als unumstritten, dasseine berufliche Qualifizierung nichtnur möglich ist, sondern auch Erfolgversprechend sein kann. Darüberwurde ausführlich in den BayerischenSozialnachrichten (Dalferth 2007)berichtet. Im Projektverlauf hat sichallerdings gezeigt, dass etliche Absol-venten unabhängig von ihrem beruf-lichen Leistungsvermögen auf Hil-festellung angewiesen sind. So gehörtzu den zentralen Beeinträchtigungenautistischer Menschen, dass sie Ge-fühle in Mimik und Gestik nur schwererkennen können, Schwierigkeitenhaben, die sublimen Regeln im zwi-schenmenschlichen Umgang zu durch-schauen, sich nur schwer in das Den-ken und Fühlen anderer Menschenhineinversetzen und ihre Absichtenerkennen können. Gleichfalls fällt esihnen - unabhängig von ihren kogni-tiven Möglichkeiten - schwer, ohneklare Strukturen oder Regeln ihrenArbeitsalltag zu organisieren oder ihrPrivatleben zu gestalten.Damit Rehabilitationserfolge gesi-chert und ein individuell höchst-mögliches Maß an Unabhängigkeitund Selbstbestimmung erreicht wer-den kann, benötigen sie fakultativ undindividuell in unterschiedlichem Aus-

maß Hilfe beim Wohnen, der Haus-haltsorganisation, in lebensprakti-schen Aufgaben, in der Freizeit, beider Aufnahme und Unterhaltung vonSozialkontakten und u. U. bei derStrukturierung von Arbeitsprozessen.Das Persönliche Budget (PB) bietethier die große Chance, ein Bündelpassgenauer Hilfen zu schnüren, diees den Absolventen ermöglichen, einweitgehend eigenverantwortetes Le-ben zu führen. Daher wird im Auf-trag des Bundesministeriums für Ar-beit und Soziales am BBW St.Franziskus Abensberg in Bayern einweiteres Modellprojekt zur Nutzungdes PB für diesen Personenkreisdurchgeführt. Titel: „Einsatzmöglich-keiten des Persönlichen Budgets beider sozialen und beruflichen Inklusi-on von Menschen mit autistischenSyndromen anhand konkreter Bei-spiele aus der beruflichen Rehabili-tation“.Im Rahmen der Laufzeit des Projek-tes (3/2009 – 12/ 2010) soll erkundetwerden, inwieweit durch die Nutzbar-machung des PB behinderungs-bedingte Barrieren bei der Inklusionvon Menschen mit autistischen Be-hinderungen überwunden werdenkönnen. Das Untersuchungsdesignsieht vor, im Rahmen einer bundes-weiten Befragung von Nutzern undInteressenten mit Autismus Hemm-schwellen bei der Beantragung undInanspruchnahme des PB und hin-sichtlich ihres Unterstützungs- undBeratungsbedarfs ausfindig zu ma-chen. Im Einzelnen soll untersuchtwerden, in welcher Hinsicht und in

welchen Lebensbereichen (Arbeit,Wohnen, Lebenspraxis, Freizeit, Schu-le, soziale und berufliche Integrati-on) Menschen mit Autismus Hilfenbenötigen, die sich in einem PB bün-deln lassen. Dabei wollen wir eineÜbersicht der relevanten budgetfä-higen Leistungen erstellen und gezieltInteressenten bei der Beantragung desPB zu unterstützen.Die Entwicklung eines geeignetenHandlungsleitfadens zur Beantra-gung eines PB für Personen mit Au-tismus soll dazu beitragen, Schwel-len bei der Inanspruchnahme zu ver-ringern. Die Ergebnisse werden inEmpfehlungen einmünden, die inabsehbarer Zeit publiziert werden.Damit möglichst vielfältige Erkennt-nisse gewonnen werden können, bie-ten wir Interessenten – oder auchAngehörigen - aus dem autistischenSpektrum an, die an einem PB inter-essiert sind sowie Personen, diebereits ein PB beantragt haben odererhalten, sich mit ihren Wünschenoder Erfahrungen an die Projekt-verantwortlichen zu wenden

Projektleitung:Heike Vogel, Dipl.-Sozialpäd.(FH)[email protected]:Kathrin Hainzlmeier(Dipl.-Sozialpäd. (FH)[email protected] Begleitung:Prof. Dr. Matthias DalferthHochschule für angewandte Wis-senschaften Regensburg, Fakultätfür angew. Sozialwissenschaftenmatthias.dalferth@soz.fh-regensburg.deWeitere Informationen:www.bbw-abensberg.de

Prof. Dr. Matthias DalferthHochschule für angewandteWissenschaften Regensburg

Fakultät angewandte Sozialwissenschaften

Autismus und

Persönliches Budget (PB)

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