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Von der Diskontpolitik zur Herrschaft über den Geldmarkt: Zu Johann Plenges gleichnamigem Werk Author(s): Rudolf Stucken Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 15, H. 1 (1954/55), pp. 17-20 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40908947 . Accessed: 12/06/2014 21:14 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 91.229.229.177 on Thu, 12 Jun 2014 21:14:17 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Von der Diskontpolitik zur Herrschaft über den Geldmarkt: Zu Johann Plenges gleichnamigem Werk

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Von der Diskontpolitik zur Herrschaft über den Geldmarkt: Zu Johann Plengesgleichnamigem WerkAuthor(s): Rudolf StuckenSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 15, H. 1 (1954/55), pp. 17-20Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40908947 .

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Von der Diskontpolitik zur Herrschaft über den Geldmarkt

Zu Johann Plenges gleichnamigem Werk von

Rudolf Stucken

Wenn in diesen Tagen Johann Plenge sein achtzigstes Lebensjahr voll- endet, sei eines Werkes aus seiner Feder gedacht, dessen Erscheinen nun be- reits vierzig Jahre zurückliegt, das aber noch heute als höchst lehrreich an- zusprechen ist und das in markanter Weise aus der deutschen Geldliteratur jener Tage herausragt, nämlich sein Buch „Von der Diskontpolitik zur Herr- schaft über den Geldmarkt"1. Welch ein Unterschied etwa gegenüber Georg Friedrich Knapps „Staatliche Theorie des Geldes"2, die der humanistischen Bildung des Autors mehr Ehre macht als seiner Einsicht in die volkswirt- schaftliche Problematik des Geldes; welch ein Unterschied gegenüber Karl Helfferichs Buch „Das Geld" 3, in dem vom Gold mehr die Rede ist als vom Geld! Daß uns Plenges Buch als so „modern" anmutet, beruht offensichtlich auf der Art, in der er die Geldprobleme sieht und sie zu durchdringen sucht: er sieht das Geld im Rahmen des ganzen volkswirtschaftlichen Prozesses, von ihm beeinflußt und seinen Ablauf gestaltend, vor allem auch in Zusam- menhang mit der Konjunktur des Wirtschaftslebens; er müht sich um die empirische Erfassung der Tatsachen, insoweit also im Einklang mit den be- sten Traditionen der Historischen Schule, der damals in Deutschland schlecht- hin herrschenden Schule, aber er erhebt sich über sie in der theoretischen Durchdringung der Probleme dank der Tatsache, daß er frei ist von ihrer Einseitigkeit in methodologischer Hinsicht.

Und dabei handelte es sich um eine Kampfschrift - eine im Ton nicht immer konziliante Streitschrift -, die sich gegen Lehren und Forderungen der damaligen Reichsbankführung wandte, deren Unzulänglichkeit und man- gelnde Folgerichtigkeit Plenge klar herausarbeitete und denen er seinerseits Lehren und Forderungen gegenüberstellte, mit denen ernste Gefährdungen des wirtschaftlichen und des ganzen nationalen Lebens gebannt werden soll- ten. Aber es ist uns ja aus der Geschichte der Geldlehre vertraut, daß min-

1 Berlin 1913. 2 1. Aufl. 1905, 3. Aufl. München und Leipzig 1921. 3 1. Aufl. 1903, 3. Aufl. Leipzig 1910.

2 Finanzarchiv N. F. 15. Heft 1

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destens schon einmal, etwa 100 Jahre früher, eine Kampfschrift die Geld- lehre entscheidend gefördert hat, nämlich David Kicardos „The high price of Bullion" (1809); auch sie gegen die damalige Notenbankführung gerichtet.

Es handelte sich in jenen Jahren vor Ausbruch des ersten Weltkrieges um Folgendes : Die Entwicklung der Währungsreserven der deutschen Reichs- bank war denkbar unbefriedigend; die Deckung der Verbindlichkeiten der Reichsbank durch Gold war gegenüber der zweiten Hälfte der achtziger und der ersten Hälfte der neunziger Jahre entscheidend gesunken. Die Gering- fügigkeit der Währungsreserven machte sich bei den Quartalsanspannungen unangenehm bemerkbar - in Zusammenhang mit den Deckungsvorschrif- ten -, sie führte zu fühlbaren Schwierigkeiten bei zeitweilig ungünstiger Zah- lungsbilanz, und sie konnte zu einem ernsten Problem im Falle einer politi- schen Katastrophe, im Falle des Ausbruchs eines großen Krieges, werden; insbesondere auch erschien die finanzielle Rüstung Deutschlands dadurch wesentlich schwächer als die seiner großen kontinentalen Gegner, nämlich Frankreichs und Rußlands. Die Reichsbankführung, deren hervorragende juristische und verwaltungsmäßige Durchbildung nie bestritten worden ist, deren volkswirtschaftliche Erkenntnis jedoch nur bescheidenen Anforderun- gen genügte, lebte dieser Entwicklung der Währungsreserven gegenüber in dem Gefühl eigener Ohnmacht, sie glaubte, weder durch ihre eigene Kredit- politik diese Entwicklung maßgebend beeinflußt zu haben noch durch eigenes kreditpolitisches Verhalten für die Zukunft Entscheidendes ändern zu können. Sie lebte in der Vorstellung, verpflichtet zu sein, den „legitimen" Kredit- bedarf zu decken und für niedrige Zinssätze zu sorgen, sie glaubte auch in Konkurrenz mit den Kreditbanken ihren Anteil am Wechseldiskontgeschäft - die Reichsbank betrieb damals ja noch ein großes Diskontgeschäft direkt mit den Firmen von Handel und Industrie und beschränkte sich nicht auf die Rolle des Rediskonteurs - wahren zu sollen. Die Reichsbankführung sah deshalb alles Heil in größerer Zurückhaltung der Kreditbanken bei ihrer Kreditgewährung und Erhöhung der Einlagen der Kreditbanken bei der Reichsbank. Im übrigen strebte sie nach Steigerung ihres Goldvorrats durch Entgoldung des inneren Zahlungsverkehrs, wobei kleine Noten in vermehr- tem Maß an die Stelle umlaufender Goldmünzen treten sollten. Um den Kreditbanken die Beschränkung ihrer Kredittätigkeit und die Haltung grö- ßerer Barreserven, leichter erträglich zu machen und um einen engeren An- schluß der Marktzinssätze an den Diskontsatz der Reichsbank zu erreichen, förderte sie kartellmäßige Bindungen zwischen den Banken.

Plenge ist mit diesen Vorstellungen und Forderungen der Reichsbank- führung scharf ins Gericht gegangen. Er hebt die Schuld der Reichsbank an der eingetretenen Entwicklung der Währungsreserven scharf heraus; sie war nicht ein gottgegebenes Verhängnis, sondern das Ergebnis verantwort- licher Entscheidungen der Reichsbankführung; Ergebnis der Tatsache, daß man der Verschlechterung des Deckungsverhältnisses nicht durch energische Kreditpolitik entgegengearbeitet hatte. Das mag uns heute völlig selbstver- ständlich erscheinen. Aber damals fand die Reichsbank willige Ohren für ihre Thesen, und vergessen wir nicht, daß die Überzeugung von der eigenen Ohnmacht noch mehrfach im Laufe der folgenden Jahre Grundlage der Passi-

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vität der Reichsbankführung gewesen ist, so in der Inflationszeit, in der man in der Zahlungsbilanztheorie eine Entschuldigung für eigene Passivität fand, und in der Weltkrise, in der man glaubte warten zu sollen, bis sich eine aus- reichende Kreditnachfrage regte.

Angesichts dieser Kritik Plenges an der Vergangenheit kann man sich denken, was Plenge als Abhilfe fordert: in erster Linie eine entsprechende Kreditpolitik der Reichsbank selbst, eine Kreditpolitik, die die starke, ja übermäßige Kreditnachfrage der Wirtschaft auch in den Zinssätzen zum Aus- druck kommen läßt, anstatt einer Kreditpolitik, die die niedrigen Zinssätze des damaligen Frankreichs zum Vorbild nahm; Verzicht auf die „Wechsel- jagd" der Reichsbankfilialleiter, die privatwirtschaftlich verständlich war, aber mit den volkswirtschaftlichen Aufgaben der Reichsbank nicht das Ge- ringste zu tun hatte, also Verzicht auf den Gedanken, seinen Anteil am Wechseldiskontgeschäft aufrechtzuerhalten oder auszudehnen; Erhöhung der Giroguthaben der Kreditbanken bei der Reichsbank, aber nur im Zusammen- hang mit einer wirklichen Erhöhung der Währungsreserven seitens der Reichsbank; auch Entgoldung des Verkehrs durch Ausgabe kleiner Noten zwecks Konzentration des Goldes in der Reichsbank, aber in einem ganz andern Stil und mit anderer Zielsetzung, als sie bisher seitens der Reichs- bank gehandhabt wurde.

Dieser letzte Punkt ist geradezu charakteristisch für die juristische Denkweise der Reichsbankführung einerseits, der volkswirtschaftlich orien- tierten Denkweise Plenges andererseits. In den Äußerungen der verantwort- lichen Männer der Reichsbank erschien damals und auch noch später im 1. Weltkrieg die Bemerkung, daß jedes in die Reichsbank zurückgeflossene Goldstück eine Notenausgabe im dreifachen Betrag ermögliche; es war der Reichsbankführung tatsächlich noch nicht zur Selbstverständlichkeit gewor- den, daß es zur Bewahrung oder gar Stärkung der Währungsreserven und zum Zwecke volkswirtschaftlich richtiger Geldversorgung auf etwas ganz anderes ankam. Und so hatte man denn von dem Mittel der Entgoldung des Verkehrs Gebrauch gemacht, ohne eine entsprechende Steigerung der Goldbestände der Reichsbank dabei zu erreichen; man war also dabei, die große zweite Reserve, die sich im Kriegsfall wohl großenteils in die Reichs- bank hätte hineinziehen lassen, kleckerweise zu vertun. Dieser Denkweise trat nun Plenge entgegen, um für die deutsche Kriegsbereitschaft zu retten, was noch zu retten war, und er setzte der Klaviatur kleiner Mittel, auf der die Reichsbankführung spielte, eine große Konzeption entgegen, nämlich den Übergang von der Goldumlaufswährung zur Goldkernwährung. Der ganze Block von Edelmetall, der in Form von Goldmünzen damals noch in Deutsch- land umlief, sollte in die Reichsbank hineingezogen werden, die Bevölkerung sollte schon in guten Zeiten an den ausschließlichen Gebrauch von Papier- scheinen als Geld gewöhnt werden. Aber selbstverständlich sollte diese Bal- lung des Goldes in der Reichsbank nicht zu einer Kreditpolitik führen, die mit niedrigen Zinssätzen arbeitete, bis ein dreifacher Betrag an Noten in den Verkehr eingeflossen war, vielmehr sollte die Kreditpolitik so aus- gerichtet sein, daß noch fortlaufend die Währungsreserve im Einklang mit der Vergrößerung des Wirtschaftsverkehrs wuchs. Die Gewöhnung der Be-

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völkerung an papierenes Geld, hinter dem dann die große Währungsreserve der Keichsbank stand, erschien Plenge auch als die beste Gewähr, um mit einer etwaigen politischen Panik fertig zu werden, mit der man, angesichts der Spannungen zwischen den Großmächten, damals immer rechnen mußte.

Und noch ein Punkt sei aus dem Plengeschen Werk hervorgehoben, weil er heute so aktuell ist, wie er es damals war. Die Reichsbank hatte das Schlag- wort von der Kreditüberspannung der Kreditbanken, von der mangelnden Liquidität der Volkswirtschaft aufgebracht. Plenge untersucht dieses gründ- lich, und er kommt als Anhalt für eine Kreditüberspannung auf den Punkt, daß seitens der Banken ,, Umlaufskapital in Anlagekapital" verwandelt werde. Die Lehre, die dies verbietet, bezeichnet er als eine der ,, Bauernregeln des XIX. Jahrhunderts" (S. 219). Aber schon damals kam er zu dem Ergebnis: ,,Die dauernde Marktlage des Hochkapitalismus darf als relatives Überange- bot auf dem kurzfristigen Markte angesprochen werden" (S. 221). Wir können das mit anderen Worten, auf das Gegenwartsproblem abstellend, so aus- drücken : In unserem spätkapitalistischen Wirtschaftsleben mit einer gegen- über dem XIX. Jahrhundert stark abgesunkenen Bevölkerungsvermehrung gilt die Regel, daß im Zusammenhang mit dem Reicherwerden der Bevölke- rung die Summe der kurzfristigen Einlagen immer größer, die Nachfrage nach echtem kurzfristigen Kredit, d. h. Umlaufskredit, immer kleiner wird. Die Lösung dieser Spannung ist mit der Verherrlichung der goldenen Bank- regel nicht zu schaffen, sie verlangt entweder eine massenhafte Schöpfung kurzfristiger Kredittitel durch den Staat, als Ersatz für kurzfristige Kredit- nachfrage aus dem privatwirtschaftlichen Sektor, oder Kreditbanken, die im nötigen Umfang die Scheu vor längerfristigen Direktkrediten überwunden haben oder bereit sind, in ausreichendem Maß in die langfristige Wertpapier- anlage hineinzugehen. Daß Plenge diese Dinge schon vor 40 Jahren gesehen hat, soll ihm nicht vergessen werden.

Wir fühlen uns nicht berufen, Plenges Beitrag zur Soziologie zu wür- digen, der er sich später vermehrt zugewandt hat; wir wollten nur seinen bedeutendsten Beitrag zur Geldlehre einer älteren Generation ins Gedächtnis zurückrufen und einer jüngeren Generation vor Augen führen. Daß er in späteren Jahren wenig mehr in die geldpolitische Diskussion eingegriffen hat, bedauern wir; denn seine Tatsachenkenntnis in Zusammenhang mit seiner Art theoretischer Durchdringung hätte uns mancherlei Erkenntnis beschert, die zur Meisterung schwieriger Lagen dringend erforderlich gewesen wäre.

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