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Vorlesungsmanuskript Elemente der Funktionalanalysis · In der folgenden Aufgabe 1.2.2 wird gezeigt, dass alle Kugeln o en sind; dies liegt an der Dreiecksunglei- chung für die Metrik

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Vorlesungsmanuskript

Elemente der Funktionalanalysis

Werner Balser

Institut für Angewandte Analysis

Sommersemester 2011

Literaturverzeichnis

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[2] L. Collatz, Funktionalanalysis und numerische Mathematik, Springer-Verlag, Berlin, 1964.

[3] A. Y. Helemskii, Lectures and exercises on functional analysis, American Mathematical Society,Providence, RI, 2006.

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[19] K. Yosida, Functional analysis, Classics in Mathematics, Springer-Verlag, Berlin, 1995. Nachdruckder 6. Au�age.

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Inhaltsverzeichnis

1 Metrische Räume 5

1.1 Normierte und metrische Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

1.2 Topologie metrischer Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

1.3 Stetigkeit und Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

1.4 Cauchyfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

1.5 Kompakte Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

1.6 Der Satz von Arzela-Ascoli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

1.7 Der Bairesche Satz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

2 Stetige lineare Abbildungen 15

2.1 Elementare Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

2.2 Invertierbare Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

2.3 Endlichdimensionale Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

2.4 Re�exivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

2.5 Das Prinzip der gleichmäÿigen Beschränktheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

2.6 Der Satz von der o�enen Abbildung und der Graphensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

3 Hilberträume 26

3.1 Prä-Hilberträume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

3.2 Die induzierte Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

3.3 Orthogonalität, orthogonale Projektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

3.4 Der adjungierte Operator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

3.5 Projektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

3.6 Schwache Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

3

3.7 Orthogonalsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

3.8 Orthogonalreihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

3.9 Separable Hilberträume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

3.10 Der Satz von Lax-Milgram . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

4 Spektraltheorie stetiger Operatoren 39

4.1 Einige Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

4.2 Spektrum und Resolvente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

4.3 Kompakte Operatoren und Operatoren von endlichem Rang . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

4.4 Spektraltheorie kompakter Operatoren im Hilbertraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

4.5 Selbstadjungierte Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

4.6 Unitäre und normale Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

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Kapitel 1

Metrische Räume

Inhalt der Vorlesung Analysis ist die Theorie der Konvergenz von Folgen und Reihen, sowie der Di�e-rentiation und Integration von Funktionen. Dabei ist der zugrundeliegende Vektorraum gleich Rn, mitn ∈ N, also endlichdimensional. In der linearen Algebra werden zwar unendlichdimensionale Vektorräumezugelassen, aber auch dort liegt der Schwerpunkt eher auf dem endlichdimensionalen Fall. In dieser Vor-lesung werden wir jetzt hauptsächlich unendlichdimensionale Räume untersuchen und die Begri�e undResultate der Analysis, soweit dies möglich ist, auf diesen Fall ausdehnen. Dabei ist es notwendig, dasswir die Länge eines Vektors, und damit den Abstand zweier Vektoren als die Länge des Di�erenzvektors,bestimmen können. Dies geschieht durch die axiomatische Einführung einer Norm. Da jedoch in vieleninteressanten Beispielen statt einer Norm nur eine sogenannte Metrik gegeben ist, und da viele Resultategenausogut in dieser allgemeineren Situation gelten, werden wir zunächst vor allem metrische Räume stu-dieren. Dabei werden viele Begri�e betrachtet, die so oder ähnlich zum Beispiel in Analysis II und/odereiner Vorlesung über Topologie behandelt werden, und wir werden in den ersten Abschnitten die meistenBeweise auslassen, da sie vollkommen analog zu denen in der Analysis sind.

1.1 Normierte und metrische Räume

Wenn man in der Analysis zeigt, dass die Summe zweier konvergenter Folgen wieder konvergiert, spieltdie Dreiecksungleichung für reelle und komplexe Zahlen bzw. für Vektoren in Kn eine entscheidende Rolle.Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass wir bei der axiomatischen De�nition für die Länge, oderbesser: die Norm von Vektoren ebenfalls die Gültigkeit einer Dreiecksungleichung fordern.

De�nition 1.1.1 (Normierte Räume) Sei X ein beliebiger Vektorraum über K, wobei K immer Roder C bedeuten soll. Eine Abbildung

‖ · ‖ : X −→ R , x 7−→ ‖x‖

heiÿt eine Norm auf X, wenn folgende Axiome gelten:

(N1) ∀ x ∈ X : ‖x‖ ≥ 0 ; ‖x‖ = 0 ⇐⇒ x = 0 (Positive De�nitheit)

(N2) ∀ x ∈ X ∀ α ∈ K : ‖αx‖ = |α| ‖x‖ (Homogenität)

(N3) ∀ x1, x2 ∈ X : ‖x1 + x2‖ ≤ ‖x1‖+ ‖x2‖ (Dreiecksungleichung)

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Das Paar (X, ‖ · ‖) heiÿt dann ein normierter Raum. Wir schreiben auch einfach X für einen normier-ten Raum, obwohl es auf einem Vektorraum mehrere Normen geben kann � vergleiche dazu die untenstehenden Beispiele.

Beispiel 1.1.2 Für x = (x1, . . . , xn)T ∈ Kn und 1 ≤ p ≤ ∞ sei

‖x‖p =

(|x1|p + . . .+ |xn|p

)1/p(p <∞),

sup {|x1|, . . . , |xn|} (p =∞).

Dadurch ist für jedes solche p eine Norm auf Kn de�niert; für p < ∞ ist die Dreiecksungleichung äqui-valent zur Minkowskischen Ungleichung. Wir nennen ‖ · ‖p die p-Norm auf Kn, und sprechen für p = 2auch von der euklidischen Norm. Dabei gilt immer

‖x‖∞ ≤ ‖x‖p ≤ n1/p ‖x‖∞ ,

und daher folgt ‖x‖p → ‖x‖∞ (p→∞) für alle x ∈ Kn.

Beispiel 1.1.3 Sei [a, b] ein abgeschlossenes Intervall, wobei a < b sei, und sei C[a, b] die Menge allerdort stetigen Funktionen mit Werten in K. Für f ∈ C[a, b] sei

‖f‖p =

( ∫ b

a

|f(x)|pdx)1/p

(1 ≤ p <∞),

sup {|f(x)| : a ≤ x ≤ b} (p =∞).

Dies sind Normen auf C[a, b], für jedes solche p. Man erhält aber keine Norm, wenn man statt der steti-gen Funktionen die Menge aller auf [a, b] Riemann- oder auch aller Lebesgue-integrierbaren Funktionenbetrachtet. Der in der Funktionalanalysis sehr wichtige Raum Lp[a, b] ist deshalb genaugenommen keinRaum von Funktionen, sondern von Äquivalenzklassen von fast überall gleichen Funktionen auf [a, b].

Da in vielen interessanten Beispielen und Anwendungen die Abstände von Elementen einer Menge, welchekein Vektorraum ist, eine Rolle spielen, hat man in der Mathematik auch das allgemeinere Konzept einesmetrischen Raumes eingeführt:

De�nition 1.1.4 (Metrischer Raum) Sei M eine nicht-leere Menge. Als Metrik auf M bezeichnen wireine Abbildung d : M×M→ R, für die folgende Axiome gelten:

(M1) ∀ x, y ∈M : d(x, y) ≥ 0 , d(x, y) = 0 ⇐⇒ x = y (Positive De�nitheit)

(M2) ∀ x, y ∈M : d(x, y) = d(y, x) (Symmetrie)

(M3) ∀ x, y, z ∈M : d(x, z) ≤ d(x, y) + d(y, z) (Dreiecksungleichung)

Das Paar (M, d) heiÿt dann auch ein metrischer Raum.

Beispiel 1.1.5 Wenn (X, ‖ · ‖) ein beliebiger normierter Raum ist, dann ist durch d(x, y) = ‖x− y‖ füralle x, y ∈ X eine Metrik auf X gegeben; wir sprechen dann von der durch die Norm induzierten Metrik.Jeder normierte Raum ist also auch ein metrischer Raum, aber nicht umgekehrt, denn ein metrischerRaum ist im Allgemeinen kein Vektorraum, und wenn doch, dann braucht die Metrik nicht zu einer Normzu gehören.

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Beispiel 1.1.6 Eine beliebige nicht-leere Teilmenge U eines metrischen Raumes (M, d) ist o�enbar selberwieder metrischer Raum, wenn man die Abbildung d auf U ×U einschränkt, und wir sprechen dann auchvom Unterraum U , was nicht dasselbe ist wie der Unterraumbegri� bei Vektorräumen. Beachte, dass einenicht-leere Teilmenge eines normierten Raumes natürlich im Allgemeinen kein normierter Raum, aberstets ein metrischer Raum ist.

Aufgabe 1.1.7 (Dreiecksungleichung nach unten � Vierecksungleichung) Sei (M, d) ein metri-scher Raum. Zeige:

(a) ∀ x, y, z ∈M :∣∣d(x, y)− d(y, z)

∣∣ ≤ d(x, z).

(b) ∀ x1, x2, x3, x4 ∈M :∣∣d(x1, x2) − d(x3, x4)

∣∣ ≤ d(x1, x3) + d(x2, x4).

1.2 Topologie metrischer Räume

Die in diesem Abschnitt vorgestellten Begri�e sind für den Raum Rn aus der Analysis bekannt und werdenin metrischen Räumen analog de�niert. Wir lassen hier alle Beweise aus.

De�nition 1.2.1 (O�ene Mengen, Umgebungen) Sei (M, d) ein metrischer Raum. Für x0 ∈M undε > 0 heiÿt die Menge

Uε(x0) = K(x0, ε) = {x ∈M : d(x, x0) < ε}

die ε-Umgebung von x0, oder auch die Kugel oder Kreisscheibe um x0 mit Radius ε. Eine TeilmengeO ⊂M heiÿt o�en, wenn folgendes gilt:

∀ x0 ∈ O ∃ ε > 0 : Uε(x0) ⊂ O .

Eine Menge U heiÿt Umgebung eines Punktes x ∈ M, falls eine o�ene Menge O ⊂ M existiert, für diex ∈ O ⊂ U gilt. Falls U sogar selber o�en ist, sprechen wir auch von einer o�enen Umgebung von x. MitU(x) bzw. U0(x) wird das System aller Umgebungen bzw. aller o�enen Umgebungen von x bezeichnet.Beachte, dass in manchen Büchern, z. B. in [10], Umgebungen immer o�en sein müssen, während dieshier anders ist.

In der folgenden Aufgabe 1.2.2 wird gezeigt, dass alle Kugeln o�en sind; dies liegt an der Dreiecksunglei-chung für die Metrik. Jede ε-Umgebung von x ist also auch o�ene Umgebung von x.

Aufgabe 1.2.2 Sei (M, d) ein metrischer Raum. Zeige:

(a) Für jedes x ∈M und jedes ε > 0 ist Uε(x) o�en.

(b) Eine Menge O ⊂M ist genau dann o�en, wenn sie Umgebung aller ihrer Punkte ist.

Satz 1.2.3 (Eigenschaften o�ener Mengen) In jedem metrischem Raum (M, d) haben die o�enenMengen immer folgende drei Eigenschaften:

(O1) ∅ und M sind o�en.

(O2) Die Vereinigung beliebig vieler o�ener Mengen ist wieder o�en.

(O3) Der Durchschnitt endlich vieler o�ener Mengen ist wieder o�en.

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De�nition 1.2.4 Sei (M, d) metrischer Raum. Eine Menge A ⊂ M heiÿt abgeschlossen, wenn M \ Ao�en ist. Ein x ∈M heiÿt Berührungspunkt einer Teilmenge E ⊂M, wenn gilt

∀ U ∈ U(x) : U ∩ E 6= ∅ . (1.2.1)

Beachte, dass jedes Element aus E auch ein Berührungspunkt von E ist.

Satz 1.2.5 (Eigenschaften abgeschlossener Mengen) In jedem metrischen Raum (M, d) gilt:

(A1) ∅ und M sind abgeschlossen.

(A2) Die Vereinigung endlich vieler abgeschlossener Mengen ist abgeschlossen.

(A3) Der Durchschnitt beliebig vieler abgeschlossener Mengen ist abgeschlossen.

De�nition 1.2.6 Sei (M, d) metrischer Raum, und sei E ⊂M. Ein x ∈ E heiÿt innerer Punkt (von E),falls E ∈ U(x) ist. Die Menge aller inneren Punkte von E wird mit

◦E bezeichnet und o�ener Kern von

E genannt. Die Menge aller Berührungspunkte von E heiÿt die abgeschlossene Hülle von E und wird mitE bezeichnet. Wir nennen E dicht in M, falls E = M ist.

Aufgabe 1.2.7 Finde einen metrischen Raum (M, d) sowie ein r > 0 und ein x ∈M, so dass K(x, r) 6={y ∈M : d(x, y) ≤ r} ist.

Satz 1.2.8 In jedem metrischen Raum (M, d) gilt:

(a) Der o�ene Kern von E ist die gröÿte o�ene Teilmenge von E, oder genauer:◦E ist die Vereinigung

aller o�enen Teilmengen von E.

(b) Die abgeschlossene Hülle von E ist die kleinste abgeschlossene Obermenge von E, oder genauer: Eist der Durchschnitt aller abgeschlossenen Obermengen von E.

(c) E ist genau dann o�en, wenn E =◦E ist.

(d) E ist genau dann abgeschlossen, wenn E = E ist.

(e) Für F = M \ E gilt◦F = M \ E, F = M \ ◦

E.

De�nition 1.2.9 Sei (M, d) metrischer Raum, und sei E ⊂M. Ein x ∈M heiÿt Häufungspunkt von E,falls gilt

∀ U ∈ U(x) :(U \ {x}

)∩ E 6= ∅ .

Die Menge aller Häufungspunkte von E wird mit E′ bezeichnet. Ein x ∈M heiÿt Randpunkt von E, fallsgilt

∀ U ∈ U(x) : U ∩ E 6= ∅ , U ∩(M \ E

)6= ∅ .

In Worten bedeutet dies, dass Randpunkte genau diejenigen Punkte sind, welche Berührungspunkte sowohlvon E als auch vom Komplement von E sind. Die Menge aller Randpunkte von E heiÿt der Rand vonE, in Zeichen rd (E). Ein Punkt x ∈ E heiÿt isolierter Punkt von E, falls ein U ∈ U(x) existiert mitU ∩ E = {x}.

Aufgabe 1.2.10 Gib ein Beispiel eines metrischen Raumes (M, d), in dem es ein r > 0 und ein x ∈Mgibt, für die rdK(x, r) 6= {y ∈M : d(x, y) = r} ist.

Satz 1.2.11 In jedem metrischen Raum (M, d) gilt:

(a) E = E ∪ E′.

(b) rd (E) = rd (M \ E) = E \ ◦E.

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1.3 Stetigkeit und Konvergenz

Auch die De�nitionen der Stetigkeit von Funktionen bwz. der Konvergenz von Folgen sind in einemmetrischen Raum ganz analog zu denen in Analysis.

De�nition 1.3.1 (Stetigkeit in metrischen Räumen) Seien (M, d) und (M, d) metrische Räume.Eine Abbildung f : M→ M heiÿt in einem Punkt x0 ∈M stetig, falls folgendes gilt:

∀ ε > 0 ∃ δ > 0 ∀ x ∈M : d(x, x0) < δ =⇒ d(f(x), f(x0)) < ε . (1.3.1)

Falls dies für alle x ∈M gilt, nennen wir f auf M stetig. Die Abbildung f heiÿt auf M gleichmäÿig stetig,wenn

∀ ε > 0 ∃ δ > 0 ∀ x0, x ∈M : d(x, x0) < δ =⇒ d(f(x), f(x0)) < ε . (1.3.2)

Beachte, dass jede Teilmenge von M wieder ein metrischer Raum ist, so dass die De�nition der gleichmä-ÿigen Stetigkeit auf einer Teilmenge A ⊂ M klar ist. Weiter nennen wir f Lipschitz-stetig auf M, wennes eine Konstante L gibt, für welche

∀ x1, x2 ∈M : d(f(x1), f(x2)) ≤ Ld(x1, x2) .

Jedes solche L heiÿt auch Lipschitzkonstante für f . Klar ist, dass aus Lipschitzstetigkeit die gleichmäÿigeStetigkeit folgt. Schlieÿlich sagen wir, dass f auf M lokal Lipschitz-stetig ist, falls es zu jedem x0 ∈ Meine Umgebung von x0 gibt, auf der f Lipschitz-stetig ist. Mit F (M, M) bezeichnen wir die Menge allerAbbildungen von M in M, und C(M, M) sei die Teilmenge aller stetigen Abbildungen. Eine Menge E ⊂F (M, M) heiÿt gleichgradig stetig in x0 ∈M, falls gilt

∀ ε > 0 ∃ δ > 0 ∀ f ∈ E , x ∈M : d(x, x0) < δ =⇒ d(f(x), f(x0)) < ε . (1.3.3)

Aufgabe 1.3.2 Zeige: Ist (X, ‖ · ‖) ein normierter Raum, so ist die Abbildung x 7→ ‖x‖ Lipschitz-stetigauf X.

Die Stetigkeit kann allein mit Hilfe o�ener Mengen bzw. Umgebungen formuliert werden:

Satz 1.3.3 Seien (M, d) und (M, d) metrische Räume, und sei f : M → M. Genau dann ist f stetig inx0 ∈ M, falls für jede Umgebung U von f(x0) die Menge f−1(U) Umgebung von x0 ist. Genau dann istf auf M stetig, wenn für jede o�ene Teilmenge O ⊂ M die Menge f−1(O) in M o�en ist.

De�nition 1.3.4 Sei (M, d) ein metrischer Raum. Eine Folge (xn) heiÿt konvergent in M, oder einfachkonvergent, falls ein x ∈M existiert, so dass

∀ ε > 0 ∃ N ∈ R ∀ n ≥ N : d(xn, x) < ε .

Wir schreiben dann xn → x für n →∞, oder limn→∞ xn = x, und nennen x auch Grenzwert der Folge(xn). Sei (M, d) ein weiterer metrischer Raum, und sei f : M → M. Wir nennen f folgenstetig in demPunkt x ∈M, falls für jede Folge (xn) aus M gilt

limn→∞

xn = x (in M) =⇒ limn→∞

f(xn) = f(x) (in M) .

Lemma 1.3.5 In einem metrischen Raum (M, d) hat jede Folge höchstens einen Grenzwert. Seien (M, d)und (M, d) metrische Räume, und sei f : M→ M. Genau dann ist f stetig in einem Punkt x ∈M, wennes dort folgenstetig ist.

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1.4 Cauchyfolgen

De�nition 1.4.1 Eine Folge (xn) in einem metrischen Raum (M, d) heiÿt Cauchyfolge, wenn gilt

∀ ε > 0 ∃ N ∈ N ∀ n,m ≥ N : d(xn, xm) < ε .

Wenn jede Cauchyfolge in M konvergiert, dann heiÿt (M, d) vollständig.

Aufgabe 1.4.2 Folgere aus Aufgabe 1.3.2: Ist (xn) eine Cauchyfolge in einem normierten Vektorraum(M, ‖ · ‖), so ist die Folge der Normen ‖xn‖ eine Cauchyfolge in R, also insbesondere beschränkt.

Lemma 1.4.3 Sei (M, d) ein metrischer Raum. Wenn eine Folge (xn) in (M, d) konvergiert, dann istsie Cauchyfolge. Wenn eine Cauchyfolge eine konvergente Teilfolge besitzt, dann ist sie konvergent.

Beweis: Falls gilt xn → x für n→∞, dann folgt, dass es zu jedem ε > 0 ein N ∈ N gibt, so dass für allen ≥ N gilt d(xn, x) < ε. Mit der Dreiecksungleichung folgt daraus aber d(xn, xm) ≤ d(xn, x)+d(x, xm) <2 ε für alle n,m ≥ N . Das ist äquivalent zur Cauchybedingung. Sei jetzt (xn) eine Cauchyfolge, und geltefür ein x ∈M

∀ ε > 0 ∀ N ∈ N ∃ nN ≥ N : d(x, xnN) < ε .

Dies ist gerade äquivalent zur Existenz einer Teilfolge, welche gegen x konvergiert. Daraus folgt für jedesε > 0, mit N wie in der Cauchybedingung: d(xn, x) ≤ d(xn, xnN

) + d(xnN, x) < 2 ε, falls n ≥ N ist, was

zu zeigen war. 2

Beispiel 1.4.4 Sei X die Menge der komplexen Zahlenfolgen x = (xk) mit nur endlich vielen Gliedernxk 6= 0, und sei für ein p ≥ 1

‖x‖p =( ∞∑

k=1

|xk|p)1/p

∀ x ∈ X .

Dann ist (X, ‖ · ‖p) ein normierter Raum, und für die Folgen x(n) = (x(n)k ) mit x(n)k = 1/k2 für 1 ≤ k ≤ n

bzw. = 0 für k ≥ n+ 1 folgt dann ‖x(n) − x(m)‖pp ≤∑∞k=n+1 k

−2p für m > n ≥ 1. Daher ist (x(n), n ∈ N)

eine Cauchyfolge, hat aber in X keinen Grenzwert, weil aus x(n) → x = (xk) folgen würde, dass für jedes

feste k gilt x(n)k → xk für n → ∞, und dann müsste xk = 1/k2 sein für alle k ∈ N; diese Folge gehörtaber nicht zur Menge X. Der Ausweg aus diesem Dilemma besteht darin, die Menge X zu erweitern undstatt ihrer den Raum

`p ={

(xk) :

∞∑k=1

|xk|p < ∞}

zu betrachten; in diesem Raum ist nämlich jede Cauchyfolge konvergent.

1.5 Kompakte Mengen

Es gibt verschiedene äquivalente De�nitionen der Kompaktheit; z. B. wird in [4] eine andere De�niti-on verwendet. Die hier benutzte heiÿt manchmal auch Überdeckungskompaktheit, oder die Heine-Borel-Eigenschaft und ist die gebräuchlichste.

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De�nition 1.5.1 (Kompaktheit, Folgenkompaktheit) Eine Teilmenge K eines metrischen Raumes(M, d) heiÿt kompakt, wenn jede o�ene Überdeckung von K eine endliche Teilüberdeckung besitzt. Dasheiÿt genauer: Sind Oj, j ∈ J , alle o�en, und ist K ⊂ ∪jOj, so gibt es j1, , . . . , jn ∈ J derart dassK ⊂ ∪nk=1Ojk ist. Ist dies der Fall für K = M, so nennen wir (M, d) auch einen kompakten Raum. DieMenge K heiÿt folgenkompakt, falls jede Folge mit Gliedern aus K eine konvergente Teilfolge besitzt,deren Grenzwert ebenfalls zu K gehört. Wir nennen K auch präkompakt oder total beschränkt, wenngilt:

∀ ε > 0 ∃ x1, . . . , xn ∈M : K ⊂n⋃j=1

Uε(xj) . (1.5.1)

Man nennt K auch beschränkt, falls der Durchmesser

δ(K) := supx,y∈K

d(x, y) < ∞

ist. Beachte aber, dass M selber beschränkt sein kann, so dass dieser Begri� vielfach bedeutungslos ist.

Aufgabe 1.5.2 Zeige, dass ein kompakter metrischer Raum auch präkompakt ist. Zeige weiter, dass einfolgenkompakter metrischer Raum vollständig und präkompakt ist.

Aufgabe 1.5.3 Zeige: Eine Teilmenge eines folgenkompakten metrischen Raumes ist genau dann selberfolgenkompakt, wenn sie abgeschlossen ist.

Aufgabe 1.5.4 Zeige: Wenn K 6= ∅ präkompakt ist, dann gilt (1.5.1) auch, wenn wir x1, . . . , xn ∈ Kverlangen.

Aufgabe 1.5.5 Zeige, dass in einem metrischen Raum eine kompakte Teilmenge immer abgeschlossenund beschränkt ist.

Satz 1.5.6 In jedem metrischen Raum (M, d) gelten folgende Aussagen für alle Teilmenge K ⊂M:

(a) K ist genau dann kompakt, wenn es folgenkompakt ist.

(b) K ist genau dann folgenkompakt, wenn es vollständig und präkompakt ist.

Beweis: Zu (a): WennK nicht folgenkompakt ist, dann gibt es eine Folge (xn) ohne konvergente Teilfolge,und das bedeutet dass die Menge A = {xn} der Folgenglieder eine unendliche Menge ist (warum?), diekeinen Häufungspunkt besitzt und daher abgeschlossen ist. Wir nehmen o. B. d. A. noch an, dass allexn verschieden sind, denn sonst könnte man zu einer Teilfolge übergehen. Dann gibt es zu jedem n einεn > 0 derart, dass in Uεn(xn) keine weiteren Glieder der Folge liegen (wenn dies anders wäre, dann wärexn ein Häufungspunkt von A). Die o�enen Mengen

Uεn(xn) , n ∈ N , O = M \A

bilden dann eine Überdeckung von K ohne endliche Teilüberdeckung, und folglich ist K nicht kompakt.Sei umgekehrt K folgenkompakt, und seien Oj , j ∈ J , eine o�ene Überdeckung von K. Wir beweisenzunächst die folgende

Zwischenbeh: Es gibt ein ε > 0 derart, dass für alle x ∈ K ein j ∈ J existiert mit (Uε(x) ∩K) ⊂ Oj .

Wenn dem nicht so wäre, dann gäbe es für alle n ∈ N ein xn ∈ K derart, dass U1/n(xn)∩K 6⊂ Oj für allej ∈ J . Die Folge (xn) hat einen Häufungspunkt ξ ∈ K, und ξ ∈ Oj0 für ein j0 ∈ J . Daher gibt es ein ε > 0

11

mit Uε(ξ) ⊂ Oj0 , und für unendlich viele n folgt xn ∈ Uε/2(ξ), also Uε/2(xn) ⊂ Oj0 . Dies widersprichtaber der Wahl der xn.

Da aus Folgenkompaktheit wegen Aufgabe 1.5.2 die Präkompaktheit folgt, gibt es zu dem ε aus obigerBehauptung endlich viele x1, . . . , xn so, dass die Uε(xk) ganz K überdecken, und zu jedem k gibt es einjk ∈ J mit (K ∩ Uε(xk)) ⊂ Ojk . Daher bilden die Oj1 , . . . , Ojn die gesuchte endliche Teilüberdeckung.Daher ist (a) bewiesen.

Die eine Richtung von (b) wurde in Aufgabe 1.5.2 gezeigt, und daher sei jetzt K als vollständig undpräkompakt vorausgesetzt. Sei (xn) eine beliebige Folge aus K. Zu jedem ν ∈ N gibt es endlich vieley1ν , . . . , ymν ∈ M mit K = ∪kU1/ν(ykν). Für ν = 1 liegen in mindestens einem U1(yk1) unendlich vielexn, und wir bezeichnen die entsprechende Teilfolge mit xn1. Zu dieser Folge und ν = 2 gibt es wiederumein U1/2(yk2), welches unendlich viele der xn1 enthält, und diese seien mit xn2 bezeichnet. Setzt man diesfort, so erhält man Folgen xnν mit d(xnν , xmµ) < 2/ν für alle n,m, µ, ν ∈ N mit µ ≥ ν. Die Diagonalfolge(xnn) ist dann eine Teilfolge der Ausgangsfolge (xn), welche Cauchyfolge ist. Also hat sie wegen derVollständigkeit von K einen Grenzwert ξ ∈ K, was die Folgenkompaktheit von K zeigt. 2

De�nition 1.5.7 Ein metrischer Raum (M, d) heiÿt separabel, wenn er eine abzählbare dichte Teilmengebesitzt, d. h., wenn eine abzählbare Menge A ⊂M existiert mit A = M.

Satz 1.5.8 Sei (M, d) ein kompakter metrischer Raum. Dann gilt:

(a) (M, d) ist separabel.

(b) Wenn (M, d) ein weiterer metrischer Raum und f : M → M stetig ist, dann ist f sogar gleichmäÿigstetig, und f(M) ist kompakt.

(c) Wenn f : M→ R stetig ist, dann gibt es a, b ∈M derart, dass

∀ x ∈M : f(a) ≤ f(x) ≤ f(b) .

Insbesondere ist also f beschränkt.

Beweis: Da der Raum auch präkompakt ist, gibt es zu jedem n ∈ N endlich viele Punkte xnk ∈M derart,dass die U1/n(xnk) eine Überdeckung von M sind. Es folgt sofort, dass die Menge aller xnk dicht ist, unddeshalb gilt (a). Zu (b): Sei ε > 0, dann gibt es zu jedem x ∈ M ein δ(x) > 0, so dass (1.3.1) gilt. DieMenge der Uδ(x)/2(x) ist eine o�ene Überdeckung von M, und somit gibt es endlich viele x1, . . . , xn ∈M,so dass auch Uδ(x1)/2(x1), . . . , Uδ(xn)/2(xn) eine Überdeckung bilden. Seien x, y ∈ M, und sei k so, dassx ∈ Uδ(xk)/2(xk). Ist dann d(x, y) < δ := min{δ(x1)/2, . . . , δ(xn)/2}, so folgt x, y ∈ Uδ(xk)(xk), unddeshalb gilt

d(f(x), f(y)) ≤ d(f(x), f(xk)) + d(f(xk), f(y)) < 2 ε .

Das impliziert die gleichmäÿige Stetigkeit von f . Die Kompaktheit von f(M) folgt leicht aus der De�nitionund der Charakterisierung der Stetigkeit mit Hilfe von o�enen Mengen. Für (c) können wir aus (b) folgern,dass f(M) eine kompakte, also eine abgeschlossene und beschränkte Teilmenge von R ist, und jede solcheMenge besitzt ein maximales und ein minimales Element. 2

De�nition 1.5.9 Wenn (M, d) kompakt ist, wird durch

ρ(f, g) := supx∈M

d(f(x), g(x)) ∀ f, g ∈ C(M, M)

eine Metrik auf C(M, M) de�niert � wir betrachten auf diesem Raum immer diese Metrik.

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De�nition 1.5.10 In einem metrischen Raum (M, d) setzen wir für zwei nichtleere Teilmengen E,F ⊂M

d(E,F ) = inf{d(x, y) : x ∈ E , y ∈ F}

und interpretieren das als den Abstand der Mengen E und F . Beachte dazu aber die nächste Aufgabe.WennE = {x} nur ein Element hat, schreiben wir auch d(x, F ) anstatt d(E,F ).

Aufgabe 1.5.11 Seien E,F ⊂M zwei nichtleere Teilmengen eines metrischen Raumes (M, d). Zeige: ImAllgemeinen folgt aus d(E,F ) = 0 nicht, dass E ∩F 6= ∅ ist, selbst wenn beide abgeschlossen sind. Wennaber E kompakt und F abgeschlossen ist, und wenn E ∩ F = ∅ ist, dann folgt in der Tat d(E,F ) > 0.

1.6 Der Satz von Arzela-Ascoli

De�nition 1.6.1 Seien X 6= ∅ eine ansonsten beliebige Menge und (M, d) ein metrischer Raum, und seiE ⊂ F (X,M). Wir nennen E punktweise beschränkt, falls gilt

∀ x ∈ X ∃ K ∈ R ∀ f1, f2 ∈ E : d(f1(x), f2(x)) ≤ K .

Dagegen heiÿt E gleichmäÿig beschränkt, falls gilt

∃ K ∈ R ∀ x ∈ X ∀ f1, f2 ∈ E : d(f1(x), f2(x)) ≤ K .

Im ersten Fall darf also K von x abhängen, im anderen Fall dagegen nicht.

Lemma 1.6.2 Seien (M, d) ein kompakter und (M, d) ein beliebiger metrischer Raum. Wenn E ⊂C(M, M) gleichgradig stetig und punktweise beschränkt ist, dann ist E sogar gleichmäÿig beschränkt.

Beweis: Wegen der gleichgradigen Stetigkeit folgt für jedes x ∈ M die Existenz eines Ux ∈ U(x) sodass für alle f ∈ E und alle y ∈ Ux gilt d(f(x), f(y)) < 1. Wegen der Kompaktheit von (M, d) gibt esx1, . . . , xn ∈ M mit M = ∪kUxk

, und aus der punktweisen Beschränktheit folgt die Existenz von Kk so,dass für alle f1, f2 ∈ E gilt d(f1(xk), f2(xk)) ≤ Kk, für k = 1, . . . , n. Mit K = 2 + max{K1, . . . ,Kn} giltdann: Zu x ∈M gibt es ein k ∈ {1, . . . , n} mit x ∈ Uxk

, und daher ist

d(f1(x), f2(x)) ≤ d(f1(x), f1(xk)) + d(f1(xk), f2(xk)) + d(f2(xk), f2(x)) ≤ Kk + 2 ≤ K ∀ x ∈M .

Das ist die gleichmäÿige Beschränktheit. 2

De�nition 1.6.3 Wir sagen dass ein metrischer Raum die Heine-Borel-Eigenschaft besitzt, wenn jedeabgeschlossene und beschränkte Teilmenge kompakt ist. Aus den Grundvorlesungen wissen wir, dass Kndiese Eigenschaft hat. Allgemeiner besitzt jeder endlich-dimensionale normierte Vektorraum die Heine-Borel-Eigenschaft.

Satz 1.6.4 (Arzela-Ascoli) Seien (M, d) ein kompakter metrischer Raum und (M, d) ein metrischerRaum mit der Heine-Borel-Eigenschaft. Für eine beliebige Teilmenge E ⊂ C(M, M) ist E genau dannkompakt, wenn E gleichgradig stetig und punktweise beschränkt ist.

(Ohne Beweis)

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1.7 Der Bairesche Satz

Lemma 1.7.1 In jedem vollständigen metrischen Raum (M, d) gilt: Sind die Mengen An ⊂ M, n ∈ N,alle abgeschlossen und nicht leer, und ist

∀ n ∈ N : An ⊃ An+1 , d(An) := supx,y∈An

d(x, y) → 0 (n→∞) ,

so enthält ∩nAn genau einen Punkt x0 ∈M.

Beweis: Sei xn ∈ An für alle n ∈ N, dann ist für n, p ∈ N immer xn+p ∈ An, und somit folgtd(xn+p, xn) ≤ d(An). Daraus schlieÿen wir, dass (xn) eine Cauchyfolge ist und wegen der Vollständigkeiteinen Grenzwert x0 besitzt. Da alle An abgeschlossen sind, folgt x0 ∈ An für alle n ∈ N. Ist y ebenfallsim Durchschnitt aller An, so folgt d(x0, y) ≤ d(An) für alle n ∈ N, weswegen y = x0 sein muss. 2

De�nition 1.7.2 Ein metrischer Raum (M, d) heiÿt Baire-Raum, falls gilt: Wenn für alle n ∈ N dieMenge An ⊂ M abgeschlossen ist und keine inneren Punkte hat, so hat auch die Vereinigung aller Ankeine inneren Punkte.

Beispiel 1.7.3 Die Menge Q mit der euklidischen Topologie ist kein Baire-Raum, da sie die abzählbareVereinigung von einelementigen Mengen ist. Allgemeiner ist jeder abzählbare metrische Raum kein Baire-Raum.

Satz 1.7.4 (Baire) Vollständige metrische Räume sind immer Baire-Räume.

Beweis: Sei (M, d) ein vollständiger metrischer Raum mit Metrik d, und seien die Mengen An ⊂ Mabgeschlossen und ohne innere Punkte. Sei O o�en und nicht leer. Dann wollen wir nicht-leere o�eneMengen On mit O0 = O so wählen, dass On ⊂ On−1 und On ∩ An = ∅ ist, jeweils für n ≥ 1. WennO0, . . . , On−1 bereits gewählt sind, dann ist V := On−1∩ (M\An) eine o�ene Menge und nicht leer, dennsonst wäre On−1 ⊂ An, was

◦An = ∅ widerspricht. Sei x ∈ V , dann gibt es ein o�enes On, etwa eine Kugel

mit hinreichend kleinem Radius, mit x ∈ On ⊂ On ⊂ V , und dieses On hat die gewünschte Eigenschaft.O. B. d. A. können wir zusätzlich On noch so verkleinern, dass d(On) ≤ 1/n ist. Mit Hilfe des letztenLemmas folgt dann dass der Durchschnitt aller On genau einen Punkt x enthält. Also folgt nach Wahlder On dass x ∈ ∩n(M \An) = M \ ∪nAn. Wegen x ∈ O1 ⊂ O0 = O folgt dass O 6⊂ ∪nAn ist. Da O einebeliebige o�ene Menge gewesen ist, kann ∪nAn keine inneren Punkte haben. 2

Proposition 1.7.5 Ein metrischer Raum (M, d) ist genau dann ein Baire-Raum, wenn folgendes gilt:Sind die Mengen On o�en und dicht in (M, d), für n ∈ N, dann ist ihr Durchschnitt dicht in (M, d).

Beweis: Ein On ist genau dann o�en und dicht, wenn An := M\On abgeschlossen ist und keine innerenPunkte hat. Daraus folgt die Behauptung. 2

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Kapitel 2

Stetige lineare Abbildungen

Wenn nichts anderes gesagt wird, sind X, Y, Z im Folgenden immer normierte (Vektor-)Räume überdem gleichen Körper K, wobei wie üblich K = R oder K = C sein kann. Im ersten bzw. zweiten Fallsprechen wir auch von reellen bzw. komplexen Räumen. Es ist bequem, die Normen in den Räumen X,Y, Z immer mit dem gleichen Symbol ‖ · ‖ zu bezeichnen; nur falls dies zu Missverständnissen führenkönnte, wollen wir davon abweichen. Da jeder normierte Raum immer auch ein metrischer Raum ist,gelten alle De�nitionen und Ergebnisse aus dem ersten Kapitel sinngemäÿ auch für normierte Räume.Insbesondere ist klar, was ein vollständiger normierter Raum ist, und jeder solche Raum wird künftigkurz als Banachraum bezeichnet. Wir geben noch folgende wichtige Beispiele von Banachräumen, ohneihre Vollständig zu beweisen:

• Für p ≥ 1 ist `p wie in Beispiel 1.4.4 ein Banachraum mit der dort angegebenen Norm.

• Die Menge `∞ aller beschränkten Zahlenfolgen mit Gliedern in K ist ein Banachraum über K mitder Norm ‖x‖∞ = supn |xn|.

• Die Menge c aller konvergenten Zahlenfolgen ist ein abgeschlossener Unterraum von `∞ und deshalbselber ein Banachraum (mit der gleichen Norm). Dasselbe gilt für die Menge c0 aller Nullfolgen.

• Für eine beliebige nichtleere Menge D ist die Menge F∞(D) aller beschränkten Abbildungen f :D → K ein Banachraum über K unter der Supremumsnorm

‖f‖ = supt∈D|f(t)| .

O�enbar ist `∞ ein Spezialfall dieses Raumes für D = N. Noch allgemeiner sei F∞(D,X) die Mengealler beschränkten Abbildungen von D in einen beliebigen Banachraum X. Sie ist selber wieder einBanachraum unter der Norm

‖f‖ = supt∈D‖f(t)‖ ,

wobei rechts die Norm in X gemeint ist.

• Für einen metrischen Raum (D, d) ist die Menge C(D) aller auf D stetigen und beschränkten Abbil-dungen mit Werten in K ein abgeschlossener Unterraum von F∞(D), also selbst ein Banachraum.Falls (D, d) kompakt ist, ist jede auf D stetige Abbildung beschränkt, und deshalb ist C(D) indiesem Fall der Raum aller auf D stetigen Abbildungen. Für uns wird der Fall D = [a, b] einewichtige Rolle spielen, wobei [a, b] immer ein nichttriviales abgeschlossenes Intervall in R ist, d. h.insbesondere ist a < b. Wir schreiben dann auch C[a, b] an Stelle von C(D), wobei in der Regelo�en bleibt, ob wir als Wertebereich der Funktionen R oder C betrachten.

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• Die Menge C(n)[a, b] aller auf [a, b] mindestens n-mal stetig di�erenzierbaren Funktionen ist einBanachraum unter der Norm

‖f‖ =n

maxj=0

‖f (j)‖∞ .

Statt dieser verwendet man auch oft die Norm

‖f‖ =

n∑j=0

‖f (j)‖∞ ;

beide Normen sind äquivalent im Sinne der unten stehenden De�nition.

• Die Menge BV [a, b] der Funktionen, die auf [a, b] von beschränkter, d. h. endlicher Variation sind,ist ein Banachraum unter der Norm

‖f‖BV

= |f(a)| + V ba (f) .

Dabei bezeichnet

V ba (f) = supZ

n∑k=1

|f(tk)− f(tk−1)|

die Variation von f über dem Intervall [a, b], wobei sich das Supremum über alle ZerlegungenZ = {a = t0 < . . . < tn = b} erstreckt.

De�nition 2.0.6 Zwei Normen ‖ · ‖1, ‖ · ‖2 auf einem Vektorraum X heiÿen äquivalent, falls es Kon-stanten c1, c2 > 0 gibt, für welche gilt

∀x ∈ X : ‖x‖2 ≤ c1 ‖x‖1 ≤ c2 ‖x‖2 .

Beachte dass aus Beispiel 1.1.2 folgt, dass alle p-Normen auf Kn äquivalent sind! Dies ist kein Zufall �für die allgemeine Situation in endlichdimensionalen Räumen siehe Abschnitt 2.3.

2.1 Elementare Eigenschaften

Aus der linearen Algebra ist der Begri� der linearen Abbildung bekannt. Da wir jetzt normierte Räumebetrachten, können wir untersuchen, welche (falls nicht alle) linearen Abbildungen stetig sind. Dazubezeichnen wir mit BX = {x ∈ X : ‖x‖ < 1} bzw. BX = {x ∈ X : ‖x‖ ≤ 1} die o�ene bzw. abgeschlosseneEinheitskugel in X und schreiben für eine lineare Abbildung T : X→ Y statt T (x) kürzer T x.

Aufgabe 2.1.1 Zeige: Die abgeschlossene Hülle von BX ist in der Tat gleich {x ∈ X : ‖x‖ ≤ 1}, undrdBX = {x : ‖x‖ = 1}. Vergleiche dies mit Aufgabe 1.2.7 und Aufgabe 1.2.10.

Satz 2.1.2 (Stetigkeit linearer Abbildungen) Für jede lineare Abbildung T : X→ Y sind folgendeAussagen äquivalent:

(a) Es gibt ein x0 ∈ X so, dass T im Punkt x0 stetig ist.

(b) T ist stetig im Punkt x0 = 0.

(c) T ist stetig auf X.

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(d) T ist auf BX beschränkt, d. h., es gibt ein c ≥ 0 so, dass ‖T x‖ ≤ c für alle x ∈ BX.

(e) Es gibt ein c ≥ 0 derart, dass ‖T x‖ ≤ c ‖x‖ für alle x ∈ X.

Beweis: Da für alle x1, x2 ∈ X immer T (x1 ± x2) = T x1 ± T x2 ist, folgt die Äquivalenz von (a), (b)und (c). Wegen ‖T (λx)‖ = |λ| ‖T x‖ für alle x ∈ X und alle λ ∈ K folgt die Äquivalenz von (d) und (e),und aus (e) folgt sogar die Lipschitzstetigkeit von T . Um (d) aus (b) zu folgern, beachte dass BY eineUmgebung von y0 = 0 in Y ist, und somit ist T−1(BY) Umgebung von x0 = 0 in X. Also existiert einδ > 0 so, dass Uδ(0) ⊂ T−1(BY) ist. Für x ∈ BX ist δ x ∈ Uδ(0), und daher folgt T (δ x) = δ T x ∈ BY,also ‖T x‖ ≤ δ−1. Da die Menge der x ∈ X mit ‖T x‖ ≤ δ−1 abgeschlossen ist, folgt (d). 2

Aufgabe 2.1.3 Zeige, dass die Aussage (d) des letzten Satzes auch äquivalent zur Beschränktheit aufdem Rand von BX ist.

Bemerkung 2.1.4 Wir werden noch sehen, dass genau dann jede lineare Abbildung T : X → Y stetigist, wenn X endliche Dimension hat.

De�nition 2.1.5 Mit L(X,Y) bezeichnen wir die Menge aller stetigen linearen Abbildungen von X nachY. O�enbar ist L(X,Y) ein Vektorraum über K. Jedes T ∈ L(X,Y) wird auch als beschränkter Operatorvon X nach Y bezeichnet. Falls Y = X ist, sprechen wir auch von einem beschränkten Operator auf X undschreiben L(X,Y) =: L(X). Für den besonders wichtigen Spezialfall Y = K schreiben wir X′ := L(X,K)und nennen diesen Vektorraum den Dualraum von X. Wir setzen noch

∀ T ∈ L(X,Y) : ‖T‖ = sup{‖T x‖ : x ∈ BX} (2.1.1)

und nennen ‖ · ‖ die Operatornorm auf L(X,Y). Dass dies tatsächlich eine Norm ist, wird im nächstenSatz gezeigt.

Beispiel 2.1.6 Die Nullabbildung O : x 7→ 0 ∈ Y für alle x ∈ X ist immer ein beschränkter Operatorvon X nach Y, und die identische Abbildung I : x 7→ x für alle x ∈ X ist immer in L(X). Weitergeben wir folgende wichtige Beispiele von beschränkten Operatoren in einigen der Banachräume, die obenvorgestellt wurden:

1. Sei X = C[a, b], und sei k eine sogenannte stetige Kernfunktion - das soll heiÿen, dass k eine stetigeFunktion auf [a, b]2 ist. Dann heiÿt die Abbildung T mit

∀ x ∈ C[a, b] : (T x)(s) =

∫ b

a

k(s, t)x(t) dt (2.1.2)

ein Fredholmscher Integraloperator. Es folgt aus der Analysis, dass T x wieder auf [a, b] stetig ist,und deshalb ist T eine lineare Abbildung von X = C[a, b] in sich. Durch eine einfache Abschätzungdes Integrals folgt

‖T x‖∞ ≤ K ‖x‖∞ , K := maxs∈[a,b]

∫ b

a

|k(s, t)| dt ,

und deshalb ist T ∈ L(C[a, b]) mit ‖T‖ ≤ K. Ob hier sogar das Gleichheitszeichen gilt, soll nichtuntersucht werden.

2. Wenn k eine stetige Funktion zweier reeller Veränderlicher auf dem Dreieck ∆ = {a ≤ t ≤ s ≤ b}ist, so nennt man den Operator

(T x)(s) =

∫ s

a

k(s, t)x(t) dt (2.1.3)

auch einen Volterraschen Integraloperator auf C[a, b]. Auch dieser Operator ist stetig.

17

3. Wie die Spektraltheorie zeigen wird, gibt es stetige Operatoren von C[a, b] in sich, deren Eigen-schaften wesentlich von denen der obigen Integraloperatoren verschieden sind; ein einfaches Beispielist (T x)(s) = s x(s).

4. Seien p, q zwei reelle Zahlen aus dem o�enen Intervall (1,∞), und sei p′ so, dass 1/p′ + 1/p = 1 ist.Sei weiter A = [ajk]∞j,k=1 eine Matrix mit unendlich vielen Zeilen und Spalten, für welche

‖A‖p,q :=

[ ∞∑j=1

( ∞∑k=1

|ajk|p′)q/p′]1/q

< ∞ . (2.1.4)

Sei jetzt x = (x1, x2, . . .) ∈ `p. Aus der Hölderschen Ungleichung folgt dass

∀ j ∈ N :

∞∑k=1

|ajk xk| ≤( ∞∑

k=1

|ajk|p′)1/p′

‖x‖p .

Daher sind die Reihen yj :=∑∞k=1 ajk xk für alle j ∈ N absolut konvergent, und aus (2.1.4) folgt

dass y := (y1, y2, . . .) ∈ `q ist. Deshalb de�niert die Matrix A eine stetige lineare Abbildung Tvon `p nach `q mit ‖T‖ ≤ ‖A‖p,q, und wir wollen A Darstellungsmatrix der Abbildung T nennen.Wir zeigen im nächsten Beispiel, dass jede lineare Abbildung T : `p → `q eine Darstellungsmatrixbesitzt - allerdings zeigt das Beispiel der identischen Abbildung auf `p, dass solche Matrizen i. a.nicht (2.1.4) erfüllen.

5. Für p, q mit 1 ≤ p < ∞ und 1 ≤ q ≤ ∞ sei jetzt T ∈ L(`p, `q) ein beliebiger beschränkterOperator. Dann ist für x = (xk) ∈ `p und T x = y = (yk) ∈ `q die Abbildung x 7→ yk, alsHintereinanderausführung stetiger Abbildungen, eine stetige Abbildung von `p nach K. Wenn wirmit en = (δnk) die Folge bezeichnen, die an der n-ten Stelle eine 1 hat, während ihre übrigen Gliederverschwinden, so konvergiert die Reihe

∑∞n=1 xn en, in Sinn der p-Norm, gegen die Folge x. Daraus

folgt dass y = T x =∑∞n=1 xn T en ist, und wenn man T en = (akn)∞k=1 setzt, ergibt sich

yj =

∞∑k=1

ajk xk ∀ j ∈ N . (2.1.5)

Also gehört in der Tat zu jedem T ∈ L(`p, `q) eine Darstellungsmatrix A. Es ergibt sich ausden Resultaten des nächsten Kapitels, dass ein Operator T ∈ L(`∞, `q) im Allgemeinen keineDarstellungsmatrix besitzt.

6. Der sogenannte Linksshift x = (x1, x2, . . .) 7→ T x := (x2, x3, . . .) ist ein stetiger Operator von `pin sich und hat die Darstellungsmatrix A, wobei alle ajk = 0 sind bis auf die direkt oberhalb derDiagonale, welche gleich 1 sind. Diese Matrix erfüllt nicht (2.1.4).

Aufgabe 2.1.7 Finde eine Bedingung, analog zu (2.1.4), dafür dass A Darstellungsmatrix einer stetigenlinearen Abbildung T von `p nach `∞, bzw. von `∞ nach `q ist.

Aufgabe 2.1.8 Sei für x = (x1, x2, . . .) ∈ c

`(x) := limk→∞

xk

gesetzt. Zeige dass die Abbildung ` : c→ K stetig ist, und berechne ‖`‖.

Aufgabe 2.1.9 Zeige für alle T ∈ L(X,Y)

‖T‖ = sup{‖T x‖ : ‖x‖ = 1} = inf{c ≥ 0 : ‖T x‖ ≤ c ‖x‖ ∀ x ∈ X} .

Folgere hieraus dass für alle x ∈ X gilt ‖T x‖ ≤ ‖T‖ ‖x‖.

18

Satz 2.1.10 Die oben de�nierte Operatornorm ist eine Norm auf L(X,Y), und falls Y ein Banachraumist, dann ist auch L(X,Y) ein Banachraum.

Beweis: Die ersten beiden Normeigenschaften folgen direkt mit der De�nition. Seien jetzt T1, T2 ∈L(X,Y). Dann gilt ‖(T1 + T2)x‖ ≤ ‖T1 x‖+ ‖T2 x‖ ≤ ‖T1‖+ ‖T2‖ für alle x ∈ BX, und daraus folgt dieDreiecksungleichung für die Operatornorm. Zum Beweis der Vollständigkeit sei (Tn) eine Cauchyfolge inL(X,Y). Dann ist ‖(Tn−Tm)x‖ ≤ ‖Tn−Tm‖ ‖x‖ für alle x ∈ X, und deshalb ist (Tn x) eine Cauchyfolgein Y, für alle x ∈ X. Wenn Y vollständig ist, existiert also ein Grenzwert, den wir mit T x bezeichnen,und dadurch wird eine lineare Abbildung T : X → Y de�niert. Da (Tn) Cauchyfolge ist, gibt es wegenAufgabe 1.4.2 ein c ∈ R+ mit ‖Tn‖ ≤ c für alle n, und daher folgt für alle x ∈ X die Ungleichung‖T x‖ = limn→∞ ‖Tn x‖ ≤ c ‖x‖. Deshalb ist T ∈ L(X,Y). Sei jetzt ε > 0, und sei N so dass für allen,m ≥ N gilt ‖Tn−Tm‖ ≤ ε. Dann folgt für jedes x ∈ X die Ungleichung ‖Tn x−Tm x‖ ≤ ε ‖x‖, und fürm→∞ ergibt sich ‖Tn x−T x‖ ≤ ε ‖x‖ für alle n ≥ N und alle x ∈ X. Nach De�nition der Operatornormfolgt ‖Tn − T‖ ≤ ε für alle n ≥ N , und daher folgt die Konvergenz von (Tn) gegen T . 2

Aufgabe 2.1.11 Zeige: Sind T1 ∈ L(X,Y) und T2 ∈ L(Y,Z), so ist T2 ◦ T1 ∈ L(X,Z), und es gilt‖T2 ◦ T1‖ ≤ ‖T2‖ ‖T1‖. Diese Eigenschaft heiÿt Submultiplikativität der Operatornorm.

2.2 Invertierbare Operatoren

De�nition 2.2.1 Ein T ∈ L(X,Y) heiÿt invertierbar, oder auch ein Isomorphismus, falls ein T ∈L(Y,X) existiert, so dass T ◦ T = IX und T ◦ T = IY ist, wobei IX bzw. IY die identische Abbildungauf X bzw. Y bezeichnet. Wenn es in L(X,Y) einen Isomorphismus gibt, heiÿen X und Y zueinanderisomorph. Beachte, dass ein invertierbares T immer bijektiv ist, und dass dann T = T−1 die inverseAbbildung zu T ist. Allein aus der Bijektivität folgt aber nicht die Invertierbarkeit, da nicht klar ist, obdie inverse Abbildung beschränkt ist. Wir nennen T eine lineare Isometrie oder linear isometrisch, wobeidas Adjektiv linear auch entfallen kann, falls die Linearität von T klar ist, wenn ‖T x‖ = ‖x‖ für allex ∈ X. O�enbar ist eine Isometrie immer injektiv und stetig, aber nicht notwendigerweise surjektiv.

Beispiel 2.2.2 Ein T : X → Y kann bijektiv sein, ohne invertierbar zu sein: Sei X die Menge allerZahlenfolgen, welche ab irgendeiner Stelle identisch verschwinden, versehen mit der ‖ · ‖1-Norm, und seiY dieselbe Menge, aber mit der ‖ · ‖∞-Norm. Dann ist die identische Abbildung I : x 7→ x von X nach Ystetig und bijektiv, aber die inverse Abbildung ist unbeschränkt, also unstetig.

Beispiel 2.2.3 Ein normierter Raum kann isomorph zu einem echten Teilraum sein: Für x = (xn) ∈ csei T x = (`, x1 − `, x2 − `, . . .), wobei ` = `(x) = limn→∞ xn bedeutet. Dann ist T : c → c0 linear undbijektiv, und T−1 y = (y1 + y2, y1 + y3, . . .). Man �ndet ‖T x‖ ≤ ‖x‖, ‖T−1 y‖ ≤ 2 ‖y‖, und daher ist Tinvertierbar.

Aufgabe 2.2.4 Zeige mit den Bezeichnungen und Voraussetzungen von Beispiel 2.1.6 Nr. 5: Wenn A =[ajk] Darstellungsmatrix eines invertierbaren Operators T ∈ L(`p, `q) ist, und wenn q < ∞ ist, so hatT−1 eine Darstellungsmatrix B = [bjk], und es gilt

∞∑k=1

ajk bkµ =

∞∑k=1

bjk akµ = δjµ ∀ j, µ ∈ N .

Aus diesem Grund ist es gerechtfertigt, die Darstellungsmatrix von T−1 als die zu A inverse Matrixaufzufassen und mit A−1 zu bezeichnen. Überlege weiter, warum der Fall q =∞ anders ist.

19

De�nition 2.2.5 Für T ∈ L(X) sei T 0 = I, und für n ∈ N bezeichne Tn die n-fache Hintereinander-ausführung von T . Dann heiÿt die Reihe

∑∞n=0 T

n auch Neumannsche Reihe.

Lemma 2.2.6 Falls die Neumannsche Reihe für ein T ∈ L(X) konvergiert, dann ist I − T invertierbar,und es gilt

(I − T )−1 =

∞∑n=0

Tn .

Ist X ein Banachraum, so ist die Bedingung ‖T‖ < 1 hinreichend für die Konvergenz.

Beweis: Sei die Neumannsche Reihe konvergent, und sei T ihr Wert (in L(X)). Dann folgt

T ◦ T = T ◦ T =

∞∑n=1

Tn = T − I .

Dies ist äquivalent zu (I − T ) ◦ T = T ◦ (I − T ) = I. Aus Aufgabe 2.1.11 folgt ‖Tn‖ ≤ ‖T‖n, undhieraus folgt dass die Neumannschen Reihe für ‖T‖ < 1 ein Cauchyreihe ist. Mit Satz 2.1.10 folgt danndie Konvergenz. 2

Aufgabe 2.2.7 Sei X ein Banachraum. Zeige dass die Neumannsche Reihe genau dann konvergiert,wenn es ein m ∈ N gibt mit ‖Tm‖ < 1.

Aufgabe 2.2.8 Seien X und Y Banachräume. Zeige dass die Menge der invertierbaren T eine o�eneTeilmenge von L(X,Y) ist. Anleitung: Schreibe

S = (IY − (T − S) ◦ T−1) ◦ T = T ◦ (IX − T−1 ◦ (T − S))

und benutze Lemma 2.2.6.

2.3 Endlichdimensionale Räume

Aus der De�nition 2.0.6 sieht man: Zwei Normen ‖ ·‖1 und ‖ ·‖2 auf demselben Vektorraum X sind genaudann äquivalent, wenn die identische Abbildung von (X, ‖ · ‖1) nach (X, ‖ · ‖2) und umgekehrt beschränktist. Dies wird im Beweis des nächsten Satzes benutzt.

Satz 2.3.1 Ein normierter Vektorraum ist genau dann endlichdimensional, wenn jede abgeschlosseneund beschränkte Teilmenge kompakt ist. Weiter gelten in jedem endlichdimensionalen Raum (X, ‖ · ‖)folgende Aussagen:

(a) (X, ‖ · ‖) ist isomorph zu (Kn, ‖ · ‖2), wobei n = dimX ist.

(b) (X, ‖ · ‖) ist vollständig.

(c) Jede andere Norm auf X ist zu ‖ · ‖ äquivalent.

Beweis: Sei (X, ‖ · ‖) ein n-dimensionaler Raum, und sei (x1, . . . , xn) eine Basis von X, sowie x =∑nk=1 αk xk ∈ X. Dann gilt wegen der Dreiecksungleichung bzw. der Hölderschen Ungleichung:

‖x‖ ≤n∑k=1

|αk| ‖xk‖ ≤ C

n∑k=1

|αk| ≤ C√n( n∑k=1

|αk|2)1/2

, C = max {‖x1‖, . . . , ‖xn‖} .

20

Also ist die kanonische Abbildung T : α = (α1, . . . , αn) 7→∑αk xk von Kn nach X beschränkt. Weiter ist

die Funktion f(x) = ‖x‖ auf X stetig, und daraus folgt die Stetigkeit von f ◦T auf der Einheitssphäre S ={α : ‖α‖2 = 1} von Kn. Nach dem Satz von Heine-Borel ist S kompakt, und somit existiert nach Satz 1.5.8ein β ∈ S mit f(T (α)) ≥ f(T (β)) für alle α ∈ S. Wäre f(T (β)) = 0, also x0 = T (β) = 0, so ergäbe sichein Widerspruch zur linearen Unabhängigkeit der Basisvektoren, und deshalb ist c := ‖T (β)‖ > 0. Darausergibt sich die Beschränktheit von T−1. Daher ist T ein Isomorphismus von (Kn, ‖ · ‖2) auf (X, ‖ · ‖),und daraus folgt auch die Vollständigkeit von (X, ‖ · ‖). Da dies für jede Norm auf X gilt, sind zweiverschiedene Normen auf X immer äquivalent. Ist jetzt K eine kompakte Teilmenge von X, so folgenmit Aufgabe 1.5.5 immer Abgeschlossenheit und Beschränktheit von K. Wenn aber für ein X immer dieUmkehrung gilt, so muss die Einheitskugel BX kompakt, also auch präkompakt sein. Dann gibt es alsoendlich viele x1, . . . , xn ∈ BX, so dass die Kugeln mit diesen Mittelpunkten und dem Radius r = 1/2ganz BX überdecken. Sei U die lineare Hülle der Mittelpunkte x1, . . . , xn, dann zeigt man mit Induktiondass zu jedem x ∈ BX und jedem m ∈ N ein um ∈ U und ein xm ∈ BX existieren mit x = um + 2−nxm.Für m → ∞ folgt ‖2−mxm‖ = 2−m‖xm‖ → 0, und deshalb konvergiert (um) gegen x. Da U endlicheDimension hat, ist es vollständig, also auch abgeschlossen, und deshalb folgt x ∈ U , d. h. sogar BX ⊂ U .Das bedeutet aber X = U , und deshalb ist dimX ≤ n. 2

Aufgabe 2.3.2 Sei dimY > 0. Zeige: Genau dann ist jede lineare Abbildung von X nach Y stetig, wennX endlichdimensional ist. Anleitung: Hier darf benutzt werden, dass jeder Vektorraum eine Basis besitzt,die natürlich im Fall unendlicher Dimension auch unendlich viele Vektoren enthält.

2.4 Re�exivität

De�nition 2.4.1 Für jeden normierten Raum X ist der Dualraum X′ wegen Satz 2.1.10 ein Banachraum.Der Dualraum von X′ heiÿt Bidual von X und wird mit X′′ bezeichnet. Zu jedem x ∈ X ist durch

∀ f ∈ X′ : jx(f) := f(x)

ein jx ∈ X′′ gegeben, und ‖jx‖ = ‖x‖. Die Abbildung j : X → X′′ mit x 7→ jx ist also eine Isometrieund wird auch die Auswertungsabbildung genannt. Ein normierter Vektorraum X heiÿt re�exiv, wenndie Auswertungsabbildung j surjektiv ist. Ist dies der Fall, so ist o�enbar X′′ isometrisch isomorph zu X.

Bemerkung 2.4.2 Ein re�exiver Raum ist isomorph zu X′′ und daher immer ein Banachraum. Es gibtaber Banachräume X, welche zu X′′ isomorph, aber nicht re�exiv sind.

Aufgabe 2.4.3 Zeige: Die oben de�nierte Auswertungsabbildung ist linear und isometrisch, also insbe-sondere auch injektiv. Wenn X ein Banachraum ist, dann ist j(X) ein abgeschlossener Unterraum von X′′.Benutze dies, um weiter zu zeigen: Zu jedem normierten aber nicht vollständigen Raum X gibt es einenBanachraum Y, der einen dichten Teilraum U enthält, welcher linear isometrisch zu X ist. Man nennteinen solchen Raum Y auch Vervollständigung von X. Etwas ungenau aber suggestiv ist es zu sagen, dassman einen nicht vollständigen normierten Raum durch Hinzunahme aller Grenzwerte von Cauchyfolgenzu einem Banachraum erweitern kann. Auch metrische Räume besitzen immer eine Vervollständigung �dies wird hier nicht bewiesen.

2.5 Das Prinzip der gleichmäÿigen Beschränktheit

De�nition 2.5.1 Eine Folge (Tn) aus L(X,Y) heiÿt punktweise konvergent, wenn es ein T ∈ L(X,Y)gibt, für welches

∀ x ∈ X : limn→∞

Tn x = T x .

21

Im Unterschied hierzu nennen wir (Tn) normkonvergent gegen T , falls ‖Tn − T‖ → 0 für n → ∞. EineTeilmenge H ⊂ L(X,Y) heiÿt punktweise beschränkt, falls gilt

∀ x ∈ X : sup { ‖T x‖ : T ∈ H } < ∞ .

Dagegen heiÿt H gleichmäÿig beschränkt, oder auch normbeschränkt, oder auch einfach beschränkt inL(X,Y), falls

sup { ‖T‖ : T ∈ H } = sup { ‖T x‖ : T ∈ H , x ∈ BX } < ∞ .

Beispiel 2.5.2 Wenn (Tn) normkonvergent gegen T ist, d. h., wenn gilt

‖Tn − T‖ = supx∈BX

‖Tn x− T x‖ → 0 (n→∞) ,

so folgt hieraus natürlich die punktweise Konvergenz der Folge (Tn) gegen T . Die umgekehrte Implikationgilt nicht allgemein; das zeigt folgendes Beispiel: Für X = Y = c0 und n ∈ N sei

∀ x = (xm) ∈ X : Tn x = (0, . . . , 0, xn, xn+1, . . .) .

Das bedeutet also, dass der Operator Tn die ersten n−1 Folgenglieder durch Nullen ersetzt und die übrigenunverändert lässt. Dann sieht man

‖Tn‖ = supx∈Bc0

‖Tn x‖ = 1 ,

aber ‖Tn x‖ = supk≥n |xk| → 0 für n→∞ und jedes feste x ∈ c0. Also ist die Folge (Tn) punktweise kon-vergent gegen die Nullabbildung, aber nicht normkonvergent. Beachte aber auch, dass dieselben OperatorenTn auf dem Raum c nicht punktweise konvergieren; siehe dazu die nächste Aufgabe.

Aufgabe 2.5.3 Sei für alle n ∈ N eine Folge xn = (xn1, xn2, . . .) ∈ c gegeben. Zeige: Wenn die Folge(xn) gegen ein x = (x1, x2, . . .) ∈ c konvergiert, so folgt für jedes feste k ∈ N, dass limn→∞ xnk = xk ist.Man sagt auch, dass Konvergenz in c die koordinatenweise Konvergenz impliziert. Benutze dies um zuzeigen, dass die Operatoren Tn aus dem obigen Beispiel in c nicht punktweise konvergieren können.

Satz 2.5.4 Seien T, Tn ∈ L(X,Y), und sei die Folge (Tn) gleichmäÿig beschränkt. Dann sind folgendeAussagen äquivalent:

(a) Es gibt einen dichten Teilraum X0 ⊂ X, auf dem die Folge (Tn) punktweise gegen T konvergiert.

(b) Die Folge (Tn) konvergiert auf ganz X punktweise gegen T .

(c) Auf jeder präkompakten Teilmenge K ⊂ X konvergiert die Folge Tn gleichmäÿig gegen T , d. h.,

∀ ε > 0 ∃ N ∈ R0 ∀ n ≥ N , x ∈ K : ‖Tn x− T x‖ < ε .

Beweis: Es reicht o�enbar zu zeigen, dass (c) aus (a) folgt. Dazu sei ε > 0 gegeben, und C sei so, dass‖T‖, ‖Tn‖ ≤ C für alle n ∈ N. Zu ε = (4C+ 1)−1 ε gibt es x1, . . . , xm ∈ K so, dass die Kugeln um xk mitRadius ε die Menge K überdecken. In jeder solchen Kugel gibt es dann ein yk ∈ X0, und dazu existiertein N so, dass für alle n ≥ N folgt ‖Tn yk − T yk‖ < ε, für alle k = 1, . . . ,m. Zu x ∈ K wählen wir k so,dass ‖x− xk‖ < ε ist. Dann gilt für diese n

‖Tn x − T x‖ ≤ ‖Tn x − Tn xk‖ + ‖Tn xk − Tn yk‖ + ‖Tn yk − T yk‖+ ‖T yk − T xk‖ + ‖T xk − T x‖

≤ C ‖x − xk‖ + C ‖xk − yk‖ + ε

+ C ‖yk − xk‖ + C ‖xk − x‖ < (4C + 1) ε = ε .

Daraus folgt die Behauptung. 2

22

Satz 2.5.5 (Banach-Steinhaus) Sei eine gleichmäÿig beschränkte Folge (Tn) aus L(X,Y) gegeben.Weiter sei Y vollständig, und es gebe einen dichten Teilraum X0 ⊂ X derart, dass für alle x ∈ X0

die Folge (Tn x) eine Cauchyfolge ist. Dann gibt es ein T ∈ L(X,Y) für welches (Tn) auf X punktweisegegen T konvergiert.

Beweis: Für jedes x ∈ X und jedes ε > 0 gibt es ein y ∈ X0 mit ‖x − y‖ < ε. Mit C ≥ ‖Tn‖ folgt füralle n ∈ N:

‖Tn x − Tm x‖ ≤ ‖Tn x − Tn y‖ + ‖Tn y − Tm y‖ + ‖Tm y − Tm x‖≤ 2C ‖x − y‖ + ε < (2C + 1) ε ,

falls nur n und m hinreichend groÿ sind. Daher ist (Tn x) eine Cauchyfolge in Y, also konvergent, und wirsetzen T x = limTn x, also ‖T x‖ = lim ‖Tn x‖ ≤ C ‖x‖. Somit ist T eine beschränkte lineare Abbildung,und (Tn) konvergiert punktweise gegen T . 2

Satz 2.5.6 (Prinzip der gleichmäÿigen Beschränktheit) Sei X vollständig. Dann ist jede punkt-weise beschränkte Menge H ⊂ L(X,Y) sogar gleichmäÿig beschränkt.

Beweis: Für jedes n ∈ N ist die Menge An = {x ∈ X : ‖T x‖ ≤ n ∀ T ∈ H } abgeschlossen in X, undwegen der punktweisen Beschränktheit ist die Vereinigung aller dieser An gleich X. Nach Satz 1.7.4 ist Xein Baire-Raum, und deshalb gibt es ein n so, dass An einen inneren Punkt hat. Das heiÿt mit anderenWorten: Es existiert ein x0 ∈ X sowie ein ε > 0 so, dass für alle x ∈ X mit ‖x − x0‖ < ε gilt ‖T x‖ ≤ nfür alle T ∈ H. Sei jetzt y ∈ BX. Dann ist für x = x0 + (ε/2) y immer ‖x− x0‖ < ε, und somit folgt

∀ T ∈ H : (ε/2) ‖T y‖ = ‖T x− T x0‖ ≤ ‖T x‖ + ‖T x0‖ ≤ 2n .

Daher ist H gleichmäÿig beschränkt. 2

Aufgabe 2.5.7 Zeige: Ist X ein Banachraum, und ist die Folge (Tn) aus L(X,Y) so, dass für alle x ∈ Xdie Folge (Tn x) konvergiert, dann ist T , de�niert durch T x = limTn x für alle x ∈ X, automatisch stetig.

2.6 Der Satz von der o�enen Abbildung und der Graphensatz

Für die folgenden Überlegungen ist es hilfreich zu de�nieren, was die Summe von zwei Teilmengen einesVektorraumes ist:

De�nition 2.6.1 Sei X ein Vektorraum über K. Für A1, A2 ⊂ X und Λ ⊂ K setzen wir

A1 ± A2 = {a1 ± a2 : a1 ∈ A1 , a2 ∈ A2} , ΛA1 = {λ a1 : λ ∈ Λ , a1 ∈ A1} .

Ist A1 = {a1} eine Menge mit nur einem Element, so schreiben wir auch a1 + A2 anstelle von A1 + A2

und Λ a1 anstelle von ΛA1, und wir verfahren sinngemäÿ, wenn Λ nur ein Element hat.

Aufgabe 2.6.2 Wiederhole aus der linearen Algebra: Sind U, V ⊂ X Unterräume, so ist U +V ebenfallsein Unterraum von X. Ist weiter U∩V = {0}, so gibt es zu jedem x ∈ U+V genau ein Paar (u, v) ∈ U×Vmit x = u + v. In diesem Fall spricht man auch von einer direkten Summe und schreibt U ⊕ V . Zeigeweiter für jede lineare Abbildung T von X in einen zweiten Vektorraum Y über K, und für alle A1, A2,Λwie oben:

T (A1 ±A2) = T (A1) ± T (A2) , T (ΛA1) = ΛT (A1) .

Beschreibe in Worten die Mengen r BX für r > 0.

23

Lemma 2.6.3 Seien X und Y Banachräume, und sei T ∈ L(X,Y). Falls es ein r > 0 gibt, für welchesr BY ⊂ T (BX) ist, dann ist (r/2)BY ⊂ T (BX).

Beweis: Wegen Aufgabe 2.6.2 folgt aus der Voraussetzung, dass

∀ n ∈ N : 2−nr BY ⊂ 2−n T (BX) .

Sei jetzt y ∈ (r/2)BY. Wir wollen xn ∈ 2−nBX so wählen, dass yn = y −∑n−1k=1 T xk ∈ 2−nr BY ist.

Dies ist erfüllt für n = 1, und wenn es für irgendein n richtig ist, dann ist yn ∈ 2−n T (BX), und deshalbgibt es ein xn ∈ 2−nBX, dessen Bild einen beliebig kleinen Abstand von yn hat, also z. B. so, dass‖yn−T xn‖ < r 2−n−1 ist. Also existiert eine solche Folge, und die Reihe

∑∞n=1 xn ist absolut konvergent

gegen ein x ∈ X mit ‖x‖ ≤∑n ‖xn‖ < 1. Auÿerdem folgt yn → 0, und daher gilt y = T x. Dies zeigt dass

y ∈ T (BX) ist. 2

Lemma 2.6.4 Seien X und Y Banachräume, und sei T ∈ L(X,Y) surjektiv. Dann gibt es ein r > 0, fürwelches r BY ⊂ T (BX) ist.

Beweis: Sei An = nT BX = T (nBX), dann folgt ∪nAn = Y wegen der Surjektivität von T . Da Ynatürlich innere Punkte hat, ergibt sich mit Satz 1.7.4 die Existenz eines n ∈ N, für welches An eineninneren Punkt hat. Wegen der De�nition der An gilt dann aber dasselbe für alle An, also auch fürA1 = T BX. Also existiert ein y0 ∈ T BX und ein r > 0, für welches U2r(y0) ⊂ T BX ist. Für y ∈ 2r BYfolgt dann 2 y = y0 + y − (y0 − y) ∈ T BX − T BX ⊂ 2T BX, also 2r BY ⊂ T BX. Mit dem letzten Lemmafolgt daraus r BY ⊂ T (BX). 2

Satz 2.6.5 (von der o�enen Abbildung) Seien X und Y Banachräume, und sei T ∈ L(X,Y) surjek-tiv. Dann ist T o�en, d. h., für jede in X o�ene Menge O ist T (O) o�en in Y.

Beweis: Sei O ⊂ X o�en, und sei y ∈ T (O). Dann existiert ein x ∈ O mit y = T x, und dazu gibtes ein ε > 0 so, dass Uε(x) = x + εBX ⊂ O ist. Nach dem letzten Lemma existiert ein r > 0 so, dassr BY ⊂ T (BX), also εr BY ⊂ T (εBX). Daraus folgt aber y+ εr BY ⊂ T (x) + εr BY ⊂ T (x+ εBX) ⊂ T (O).

2

Als direkte Folgerung dieses Satzes ergeben sich zwei wichtige Konsequenzen:

Korollar zu Satz 2.6.5 (Satz vom inversen Operator) Seien X und Y Banachräume, und seiT ∈ L(X,Y) bijektiv. Dann ist T−1 stetig, also T invertierbar.

Korollar zu Satz 2.6.5 (Äquivalenz zweier Normen) Sei X ein Vektorraum, und seien ‖ · ‖1 und‖ · ‖2 zwei Normen auf X, für welche (X, ‖ · ‖1) und (X, ‖ · ‖2) beide vollständig sind. Falls es dann einc > 0 gibt, so dass ‖x‖1 ≤ c ‖x‖2 für alle x ∈ X gilt, dann sind die Normen äquivalent.

De�nition 2.6.6 Wir nennen für T : X → Y die Menge G(T ) = {(x, T x) : x ∈ X} den Graphenvon T . Wenn G(T ) in dem normierten Raum X × Y abgeschlossen ist, dann sagen wir kurz dass Tabgeschlossenen Graphen hat, oder dass T graphenabgeschlossen ist. Das bedeutet genau dass folgendesgilt:

limn→∞

xn = x und limn→∞

T xn = y =⇒ T x = y . (2.6.1)

Siehe dazu auch die nächste Aufgabe.

24

Aufgabe 2.6.7 Zeige: Auf X× Y ist durch ‖(x, y)‖ = ‖x‖X + ‖y‖Y eine Norm gegeben, und die beidenProjektionen

PX : (x, y) 7→ x , PY : (x, y) 7→ y

sind stetig. Zeige weiter:

(a) Wenn X und Y Banachräume sind, dann ist auch X× Y vollständig, also ein Banachraum.

(b) Die Abgeschlossenheit des Graphen von T : X→ Y ist äquivalent zu (2.6.1).

(c) Wenn T stetig ist, dann ist G(T ) abgeschlossen.

(d) Die Umkehrung der letzten Aussage gilt im Allgemeinen nicht.

(e) Wenn T linear ist, dann ist G(T ) ein Unterraum von X × Y, also ein Banachraum, falls X und Yvollständig und T graphenabgeschlossen sind.

Zwar kann man nicht allgemein aus der Abgeschlossenheit von G(T ) auf die Stetigkeit von T schlieÿen,aber es gilt jedenfalls folgender wichtiger Satz:

Satz 2.6.8 (vom abgeschlossenen Graphen) Seien X und Y Banachräume, und sei T : X→ Y linearund graphenabgeschlossen. Dann ist T stetig.

Beweis: Die Projektion PX : X × Y → X ist nach Aufgabe 2.6.7 stetig, und ihre Restriktion auf denUnterraum G(T ) ⊂ X × Y ist bijektiv. Wenn G(T ) abgeschlossen ist, ist es auch ein Banachraum, unddeshalb folgt die Stetigkeit von P−1X : X→ G(T ) aus dem Satz vom inversen Operator. Daher gibt es einc > 0 so, dass

‖x‖X + ‖T x‖Y ≤ c ‖x‖X ∀ x ∈ X ,

und daraus folgt die Beschränktheit, d. h. die Stetigkeit, von T . 2

25

Kapitel 3

Hilberträume

In der linearen Algebra betrachtet man Vektorräume mit innerem Produkt. Auch dort wird meist eineLänge eines Vektors eingeführt, welche alle Eigenschaften einer Norm im Sinne der Funktionalanalysis hat,und manchmal betrachtet man sogar sogenannte Orthogonalreihen. Dies soll jetzt ausführlicher geschehen.Dazu wiederholen wir einige Begri�e aus der LA, wobei wir teilweise andere Bezeichnungen benutzen.

3.1 Prä-Hilberträume

De�nition 3.1.1 Sei X ein Vektorraum über K. Eine Abbildung

〈 · , · 〉 : X× X→ K , (x1, x2) 7→ 〈x1, x2〉 ∈ K

heiÿt eine zweistellige Form auf X. Die Form heiÿt ein Skalarprodukt oder inneres Produkt auf X, wennfolgende Axiome gelten:

(S1) ∀ x ∈ X : 〈x, x〉 ≥ 0 ; 〈x, x〉 = 0 ⇐⇒ x = 0 .

(S2) ∀ x1, x2 ∈ X : 〈x1, x2〉 = 〈x2, x1〉 .

(S3) ∀ x, x1, x2 ∈ X : 〈x1 + x2, x〉 = 〈x1, x〉 + 〈x2, x〉 .

(S4) ∀ x1, x2 ∈ X, λ ∈ K : 〈λx1, x2〉 = λ 〈x1, x2〉 .

Falls ein solches Skalarprodukt auf X gegeben ist, nennen wir X einen Prä-Hilbertraum, oder euklidischenRaum, falls K = R ist. Statt X schreiben wir dann meistens Hp für einen solchen Raum.

Bemerkung 3.1.2 Sei jetzt Hp ein Prä-Hilbertraum. Aus den Axiomen folgen sofort die weiteren Regelnfür das Skalarprodukt:

∀ x, x1, x2 ∈ Hp, λ ∈ K : 〈x, x1 + x2〉 = 〈x, x1〉 + 〈x, x2〉 , 〈x1, λ x2〉 = λ 〈x1, x2〉 .

Man kann also kürzer sagen, dass ein inneres Produkt eine Sesquilinearform im Sinne von De�niti-on 3.10.1, also in der ersten Stelle linear und in der zweiten Stelle semilinear ist. Dabei nennt man eineAbbildung T : X → Y zwischen zwei Vektorräumen X und Y über K semilinear, wenn sie additiv ist,wenn also T (x1 + x2) = T x1 + T x2 für alle x1, x2 ∈ X gilt, und wenn weiter T (λx) = λT x ist für allex ∈ X und alle λ ∈ K. Für K = R ist natürlich Semilinearität äquivalent zur Linearität. Wichtig ist auch

26

der Hinweis, dass in der Literatur die De�nition eines Skalarproduktes unterschiedlich ist: Während diemeisten Bücher über Funktionalanalysis die gleiche De�nition wie hier benutzen, ist in anderen Werken,z. B. über lineare Algebra, ein Skalarprodukt linear in der zweiten und semilinear in der ersten Stelle. DieEigenschaft (S1) bezeichnet man auch als die positive De�nitheit der Sesquilinearform. Im Fall K = Rist ein Skalarprodukt immer eine reelle Zahl. Also bedeutet (S2) in diesem Fall einfach 〈x1, x2〉 = 〈x2, x1〉für alle x1, x2 ∈ Hp, und man spricht dann von einer kommutativen Bilinearform.

Beispiel 3.1.3 Für zwei Funktionen f, g ∈ C[a, b] ist ein kanonisches inneres Produkt durch

〈f, g〉 =

∫ b

a

f(x) g(x) dx

gegeben, wobei der Querstrich wegfallen kann, falls die Werte der Funktionen reell sind. Häu�g gebrauchtwerden aber auch gewichtete innere Produkte von Funktionen. Dabei ist eine feste Gewichtsfunktion kgegeben, die auf [a, b] stetig und bis auf endlich viele Punkte positiv ist, und man setzt

〈f, g〉 =

∫ b

a

k(x) f(x) g(x) dx .

Auf der Menge der über [a, b] integrierbaren Funktionen erhält man durch die obigen Festsetzungen keineinneren Produkte, da 〈f, f〉 = 0 sein kann ohne dass f(x) = 0 ist für alle x ∈ [a, b].

Aufgabe 3.1.4 Sei J eine nicht-leere Menge, und sei KJ die Menge aller Abbildungen f von J in K mitf(j) 6= 0 höchstens für endlich viele j ∈ J . Zeige dass KJ ein Vektorraum über K ist, und dass durch

〈f, g〉 =∑j∈J

f(j) g(j)

ein inneres Produkt auf KJ de�niert wird. Beachte: Wenn J = {1, . . . , n} ist, dann ist KJ gerade Kn,und das Skalarprodukt ist das sogenannte kanonische Skalarprodukt.

3.2 Die induzierte Norm

Wenn nichts anderes gesagt wird, sei im Folgenden Hp immer ein Prä-Hilbertraum über K.

De�nition 3.2.1 Für jedes x ∈ Hp heiÿt

‖x‖ =√〈x, x〉

die vom Skalarprodukt induzierte Norm oder Länge von x.

Aufgabe 3.2.2 Zeige für beliebige x1, x2 ∈ Hp:

(a) Es gilt das Parallelogrammgesetz

‖x1 + x2‖2 + ‖x1 − x2‖2 = 2(‖x1‖2 + ‖x2‖2

).

(b) Falls K = R ist, gilt〈x1, x2〉 = ‖(x1 + x2)/2‖2 − ‖(x1 − x2)/2‖2 .

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(c) Falls K = C ist, gilt

〈x1, x2〉 = ‖(x1 + x2)/2‖2 − ‖(x1 − x2)/2‖2 + i ‖(x1 + i x2)/2‖2 − i ‖(x1 − i x2)/2‖2 .

Folgender Satz wird in der linearen Algebra bewiesen:

Satz 3.2.3 (Cauchy-Schwarzsche Ungleichung) Für x1, x2 ∈ Hp gilt immer∣∣〈x1, x2〉∣∣ ≤ ‖x1‖ ‖x2‖ ,und das Gleichheitszeichen gilt genau dann, wenn x1 und x2 linear abhängig sind.

Korollar zu Satz 3.2.3 (Eigenschaften der Norm) Die Abbildung x 7→ ‖x‖ ist eine Norm auf Hp.

Beweis: Aus obigem Satz und den Rechenregeln für ein Skalarprodukt folgt ‖x1 +x2‖2 = 〈x1 +x2, x1 +x2〉 = 〈x1, x1〉+〈x1, x2〉+〈x2, x1〉+〈x2, x2〉 ≤ ‖x1‖2+2 ‖x1‖ ‖x2‖+‖x2‖2 = (‖x1‖+‖x2‖)2, und das ist dieDreiecksungleichung. Die anderen beiden Normeigenschaften folgen unmittelbar aus den Eigenschafteneines Skalarproduktes. 2

Ein Prä-Hilbertraum Hp ist also immer auch ein normierter Raum, so dass Begri�e wie Stetigkeit, Kon-vergenz, etc. de�niert sind.

De�nition 3.2.4 Ein Prä-Hilbertraum, welcher bezüglich der vom Skalarprodukt induzierten Norm voll-ständig ist, heiÿt ein Hilbertraum. Wir benutzen im Folgenden meistens den Buchstaben H zur Bezeich-nung eines Hilbertraums.

Aufgabe 3.2.5 (Stetigkeit des Skalarprodukts) Zeige dass in jedem Prä-Hilbertraum Hp das Ska-larprodukt auf Hp ×Hp stetig ist.

Aufgabe 3.2.6 Wir de�nieren für Folgen a = (a1, a2, a3, . . .), b = (b1, b2, b3, , . . . , ) ∈ `2

〈a, b〉 =

∞∑j=1

aj bj .

Zeige die absolute Konvergenz dieser Reihe, und überprüfe, dass 〈 · , · 〉 ein Skalarprodukt auf `2 ist.

Aufgabe 3.2.7 Zeige: Für jedes x0 ∈ Hp wird durch fx0(x) = 〈x, x0〉 ein fx0

∈ H′p de�niert, und es gilt‖fx0‖ = ‖x0‖. Zeige weiter, dass die Abbildung x0 7→ fx0

semilinear und injektiv ist. Für die Surjektivitätvergleiche Satz 3.3.6 � beachte aber, dass dort ein Hilbertraum vorausgesetzt ist.

3.3 Orthogonalität, orthogonale Projektion

Wenn nichts anderes gesagt wird, sei im Folgenden Hp wieder ein Prä-Hilbertraum über K.

De�nition 3.3.1 Zwei Vektoren x1, x2 in Hp heiÿen orthogonal, falls 〈x1, x2〉 = 0 ist. Zwei nicht-leereTeilmengen A,B ⊂ Hp heiÿen zueinander orthogonal, falls jeder Vektor aus A zu jedem aus B orthogonalist. Ist A ⊂ Hp nicht-leer, so heiÿt die Menge A⊥ aller Vektoren aus Hp, welche zu allen Vektoren aus Aorthogonal sind, das orthogonale Komplement von A. In anderen Worten: A⊥ ist die gröÿte Teilmengevon Hp, so dass A und A⊥ zueinander orthogonal sind. Für A ⊂ Hp schreiben wir spanA für die Mengealler Linearkombinationen von Elementen aus A; falls A = ∅ ist, dann besteht spanA wegen der üblichenKonvention über die leere Summe genau aus dem Nullvektor.

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Satz 3.3.2 Sei A ⊂ Hp nicht leer. Dann gilt:

(a) A⊥ ist ein abgeschlossener Unterraum von Hp.

(b) (A⊥)⊥ ⊃ A, also auch (A⊥)⊥ ⊃ spanA.

(c) span (A) ∩A⊥ = {0}.

Beweis: Zu (a): Es ist immer 0 ∈ A⊥, also ist A⊥ 6= ∅. Weiter folgt aus den Rechenregeln für dasSkalarprodukt, dass die Unterraumaxiome für A⊥ erfüllt sind, und wegen der Stetigkeit des Skalarpro-duktes folgt, dass A⊥ abgeschlossen ist. Teil (b) ist klar nach De�nition von A⊥. Zu (c): Sei u ∈ span (A),dann gibt es u1, . . . , um ∈ A und α1, . . . , αm ∈ K mit u =

∑mj=1 αj uj . Also folgt für v ∈ A⊥, dass

〈u, v〉 =∑mj=1 αj 〈uj , v〉 = 0 ist, weil v zu allen uj orthogonal ist. Wenn u auch zu A⊥ gehört, können

wir v = u wählen und erhalten 〈u, u〉 = 0, also u = 0. 2

Aufgabe 3.3.3 Sei U ein Unterraum von Hp, und seien u ∈ U , x ∈ Hp. Zeige: Genau dann ist x− u ∈U⊥, wenn ‖x − u‖ = d(x, U) ist. Anleitung: Für die Rückrichtung zeige zunächst: Wenn x − u 6∈ U⊥

ist, dann gibt es ein u ∈ U so, dass 〈u, x − u〉 = 1 ist. Schlieÿe dann ‖x − u − δu‖ < ‖x − u‖ für allehinreichend kleinen δ > 0.

Satz 3.3.4 (Projektionssatz) Für jeden vollständigen Unterraum U von Hp gilt immer Hp = U ⊕U⊥.

Beweis: Aus Satz 3.3.2 (c) folgt U ∩ U⊥ = {0}. Sei jetzt x ∈ Hp, dann gibt es eine Folge (un) aus Umit ‖x− un‖ → d := d(x, U) für n→∞. Aus Aufgabe 3.2.2 (a) folgt für n,m ∈ N:

‖un−um‖2 = 2(‖un−x‖2 + ‖um−x‖2

)− ‖un+um−2x‖2 ≤ 2

(‖un−x‖2 + ‖um−x‖2

)− 4 d2 .

Daraus folgt, dass (un) eine Cauchyfolge in U ist, und somit gegen ein u ∈ U konvergiert. Aus Aufga-be 3.3.3 folgt dann aber x− u ∈ U⊥. 2

Aufgabe 3.3.5 Sei H ein Hilbertraum, und sei U ein Unterraum von H. Zeige dass U = U⊥⊥ ist.Schlieÿe hieraus dass U genau dann dicht in H ist, wenn U⊥ = {0} ist.

Satz 3.3.6 (von Riesz) Sei H ein Hilbertraum. Dann gibt es zu jedem f ∈ H′ ein eindeutiges xf ∈ Hso, dass f(x) = 〈x, xf 〉 gilt für alle x ∈ H. Die Zuordnung f 7→ xf ist isometrisch, bijektiv und semilinear.

Beweis: Falls f = 0 ist, ist die Behauptung richtig für xf = 0 (und dies ist auch das einzige x).Andernfalls ist U = Kern f ein abgeschlossener echter Teilraum von Hp, und U⊥ enthält (mindestens)einen Einheitsvektor e. Für x ∈ Hp und α = f(x)/f(e) folgt f(x − α e) = 0, also x − α e ∈ U . Darausfolgt aber U⊥ = {α e : α ∈ K}. Für xf = f(e) e folgt dann f(x) = 〈x, xf 〉. Der Rest der Behauptungfolgt aus Aufgabe 3.2.7. 2

Korollar zu Satz 3.3.6 Ein Hilbertraum ist immer re�exiv.

Aufgabe 3.3.7 Sei H ein Hilbertraum. Zeige: Für alle x ∈ H ist ‖x‖ = supy∈BH

|〈y, x〉|.

29

3.4 Der adjungierte Operator

Im Folgenden seien H1,H2,H3 immer Hilberträume. Beachte, dass die inneren Produkte in den dreiRäumen im Folgenden immer mit dem gleichen Symbol bezeichnet werden, obwohl sie im Allgemeinenvöllig unterschiedlich sein können!

De�nition 3.4.1 Sei T : H1 → H2 eine lineare Abbildung. Falls es eine zweite lineare Abbildung T ∗ :H2 → H1 gibt, so dass

∀x ∈ H1 , y ∈ H2 : 〈x, T ∗ y〉 = 〈T x, y〉 . (3.4.1)

gilt, heiÿt T ∗ die zu T adjungierte Abbildung. Für den Fall H2 = H1 spricht man auch vom adjungiertenOperator.

Es ist klar, dass T ∗ im Falle der Existenz eindeutig bestimmt ist, und wir werden jetzt zeigen, dass dieExistenz von T ∗ zur Stetigkeit von T äquivalent ist:

Satz 3.4.2 Genau dann existiert zu einer linearen Abbildung T : H1 → H2 die adjungierte AbbildungT ∗, wenn T stetig ist..

Beweis: Sei T stetig. Für festes y ∈ H2 ist die Abbildung x 7→ 〈T x, y〉 auf H1 linear und beschränkt, unddaher gibt es wegen Satz 3.3.6 genau ein x =: T ∗ y ∈ H1, für welches (3.4.1) gilt. Mit den Rechenregeln fürdas innere Produkt und der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung folgt die Linearität und Beschränktheitvon T ∗. Dass umgekehrt aus der Existenz von T ∗ die Stetigkeit von T (und damit auch die Stetigkeitvon T ∗) folgt, ist eine einfache Anwendung des Satzes vom abgeschlossenen Graphen; siehe dazu auchAufgabe 3.4.7. 2

Aufgabe 3.4.3 Sei A = [ajk] die Darstellungsmatrix eines Operators T ∈ L(`2). Zeige dass der adjun-

gierte Operator T ∗ die Darstellungsmatrix A∗ := AT

= [ akj ] hat.

Aufgabe 3.4.4 Beweise den folgenden Satz:

Satz 3.4.5 (Rechenregeln für adjungierte Operatoren) Für den adjungierten Operator gelten diefolgenden Aussagen:

(a) ∀ T1, T2 ∈ L(H1,H2) : (T1 + T2)∗ = T ∗1 + T ∗2 .

(b) ∀ T ∈ L(H1,H2) ∀ α ∈ K : (αT )∗ = αT ∗.

(c) ∀ T ∈ L(H1,H2) , U ∈ L(H2,H3) : (U ◦ T )∗ = T ∗ ◦ U∗.

(d) ∀ T ∈ L(H1,H2) : (T ∗)∗ = T .

(e) Ist T ∈ L(H1,H2) surjektiv, so ist T ∗ injektiv.

(f) Ist T ∈ L(H1,H2) injektiv, so ist T ∗ surjektiv.

(g) Ist T ∈ L(H1,H2) bijektiv, so ist T ∗ bijektiv, und es gilt (T−1)∗ = (T ∗)−1.

Die obigen Aussagen implizieren, dass die Abbildung T 7→ T ∗ semilinear ist.

30

Bemerkung 3.4.6 Der obige Satz entspricht genau dem für die adjungierte Matrix A∗ = AT, aufge-

fasst als lineare Abbildung. Bei Banachräumen gibt es den Begri� der dualen Abbildung, die ähnlicheEigenschaften wie die adjungierte hat.

Aufgabe 3.4.7 Wir haben gezeigt, dass es zu jedem stetigen Operator T einen adjungierten OperatorT ∗ gibt. Zeige mit Hilfe des Satzes vom abgeschlossenen Graphen: Sind H1 und H2 Hilberträume, undist T ein lineare Abbildung von H1 nach H2, zu der es eine zweite lineare Abbildung T ∗ von H2 nachH1 gibt, so dass (3.4.1) gilt, dann ist T stetig. Dies bedeutet o�enbar, dass die Existenz des adjungiertenOperators zur Stetigkeit von T äquivalent ist. Siehe dazu auch Aufgabe 4.5.3.

3.5 Projektionen

De�nition 3.5.1 Eine lineare Abbildung P : X → X eines beliebigen Vektorraums X in sich heiÿt eineProjektion, falls P 2 := P ◦ P = P ist. Sind U, V Unterräume von X, und gilt X = U ⊕ V , so nenntman U und V auch komplementär zueinander, und die Dimension von V heiÿt auch Kodimension vonU . Vergleiche dazu Aufgabe 3.5.4.

Aufgabe 3.5.2 Sei X ein beliebiger Vektorraum über K, und sei P : X→ X eine Projektion. Zeige:

(a) I − P ist ebenfalls Projektion.

(b) Kern (I − P ) = BildP , Bild (I − P ) = KernP .

(c) X = KernP ⊕ BildP . Zeige genauer: Die Gleichung x = x1 + x2 mit x1 ∈ BildP und x2 ∈ KernPgilt genau dann, wenn x1 = P x und x2 = (I − P )x ist.

Aus (c) folgt, dass eine Projektion immer eine Zerlegung von X in eine direkte Summe von Unterräumende�niert. In der nächsten Aufgabe wird umgekehrt gezeigt, dass zu einer Zerlegung auch immer eineProjektion gehört.

Aufgabe 3.5.3 Sei X ein beliebiger Vektorraum über K. Zeige: Ist X = U ⊕ V , und setzt man P x = ufür x = u + v mit u ∈ U , v ∈ V , so ist P eine Projektion, und BildP = U , KernP = V . Man nennt Pauch Projektion von X auf U entlang des Raumes V .

Aufgabe 3.5.4 (Eindeutigkeit der Kodimension) Sei X ein beliebiger Vektorraum über K, und seiX = U ⊕ V = U ⊕W . Dann gibt es nach der vorausgegangenen Aufgabe Projektionen PV und PW von Xauf V bzw. W entlang des Raumes U . Zeige, dass PV den Raum W in V abbildet, und dass die Restriktionvon PV auf W injektiv ist. Benutze dies, um zu zeigen, dass dimV ≥ dimW ist, und schlieÿe hierausdass die Kodimension von U eindeutig bestimmt ist.

Satz 3.5.5 Sei H ein Hilbertraum, und sei U ein abgeschlossener Unterraum von H. Dann gibt es immereine stetige Projektion P von H auf U .

Beweis: Nach den Sätzen des letzten Abschnitts ist U⊥ abgeschlossen, und H = U ⊕ U⊥. Also istnur noch zu zeigen, dass die Projektion P auf U entlang U⊥ beschränkt ist. Dies ist aber klar, weil ausx = u + v mit u ∈ U und v ∈ U⊥ folgt dass ‖x‖2 = ‖u‖2 + ‖v‖2 ist, und deshalb folgt ‖P x‖ ≤ ‖x‖ füralle x ∈ H. 2

31

De�nition 3.5.6 Wenn es eine stetige Projektion auf einen Unterraum U gibt, nennt man U auch pro-jizierbar. Nach dem letzten Satz ist also jeder abgeschlossene Unterraum eines Hilbertraums projizierbar� dies gilt nicht in Banachräumen.

3.6 Schwache Konvergenz

De�nition 3.6.1 Wir nennen eine Folge (xn) in einem normierten Raum X schwach konvergent, fallsein x ∈ X existiert, für welches gilt

∀ f ∈ X′ : f(xn) −→ f(x) (n→∞) .

Der Vektor x heiÿt dann schwacher Grenzwert der Folge, und wir schreiben auch

xn ⇀ x (n→∞) . (3.6.1)

Zur Unterscheidung nennen wir den üblichen, d. h. von der Norm auf X induzierten Konvergenzbegri�auch manchmal die Normkonvergenz. Auf Grund der Folgenstetigkeit von f impliziert die Normkonver-genz einer Folge ihre schwache Konvergenz, und zwar gegen denselben Grenzwert. Die Umkehrung gilti. A. nicht.

Satz 3.6.2 Sei H ein Hilbertraum. Dann ist jede schwach konvergente Folge beschränkt, und ihr schwa-cher Grenzwert ist eindeutig bestimmt.

Beweis: Sei (xn) schwach konvergent gegen x. Wenn wir die xn als Elemente von H′p au�assen, so sind sieeine punktweise beschränkte Familie, und aus Satz 2.5.6 folgt deshalb ihre gleichmäÿige Beschränktheit.Dies ist aber äquivalent zur Beschränktheit der Folge. Wenn x ebenfalls schwacher Grenzwert der Folgeist, so folgt aus der De�nition der schwachen Konvergenz, dass x− x zu allen y ∈ H orthogonal ist, wasx = x impliziert. 2

3.7 Orthogonalsysteme

De�nition 3.7.1 Ein System (xj)j∈J von Vektoren in einem Raum Hp über K mit Skalarprodukt heiÿtein Orthogonalsystem, falls keiner der Vektoren der Nullvektor ist, und wenn

∀ j, k ∈ J : 〈xj , xk〉 = 0 falls j 6= k .

Falls zusätzlich gilt ‖xj‖ = 1 für alle j ∈ J , dann sprechen wir von einem Orthonormalsystem. Beachte,dass das leere System immer ein Orthonormalsystem ist. Falls (xj)j∈J sogar eine Basis von Hp ist,sprechen wir von einer Orthogonalbasis bzw. einer Orthonormalbasis von Hp.

Aufgabe 3.7.2 Zeige, dass in dem in Aufgabe 3.1.4 eingeführten Raum KJ das System (fκ)j∈J mitfκ(j) = δκj eine Orthonormalbasis ist.

Die nächsten Resultate werden in der linearen Algebra bewiesen; wir lassen die Beweise deshalb hier aus.

Lemma 3.7.3 Ein Orthogonalsystem (xj)j∈J ist immer linear unabhängig. Falls (xj)j∈J sogar ein Or-thonormalsystem ist, und falls v =

∑j∈J αj xj ist, wobei nur endlich viele αj von 0 verschieden sind, so

folgtαj = 〈v, xj〉 ∀ j ∈ J , ‖v‖2 =

∑j∈J|αj |2 . (3.7.1)

32

Satz 3.7.4 (Gram-Schmidtsches Orthogonalisierungsverfahren)Sei Hp ein Raum über K mit Skalarprodukt, sei (w1, . . . , wn) ein linear unabhängiges System in Hp, undsei das System (x1, . . . , xn) durch folgende Rekursionsgleichungen de�niert:

vk = wk −k−1∑j=1

〈wk, xj〉xj , xk =1

‖vk‖vk , 1 ≤ k ≤ n ,

wobei für k = 1 die leere Summe wie üblich als 0 zu interpretieren ist. Dann ist (x1, . . . , xn) ein Ortho-normalsystem, und

L(x1, . . . , xk) = L(w1, . . . , wk) ∀ k = 1, . . . , n .

Korollar zu Satz 3.7.4 Ein endlich-dimensionaler Prä-Hilbertraum Hp besitzt immer eine Orthonor-malbasis.

Satz 3.7.5 (Beste Approximation)Sei Hp ein Prä-Hilbertraum, und sei (x1, . . . , xn) ein Orthogonalsystem in Hp. Dann gilt für jedes v ∈ Hp:

(a) Für α1, . . . , αn ∈ K ist ‖v −∑nk=1 αk xk‖ genau dann minimal, wenn

αk =〈v, xk〉〈xk, xk〉

=〈v, xk〉‖xk‖2

∀ k = 1, . . . , n . (3.7.2)

(b) Es gilt die Besselsche Ungleichung

n∑k=1

|〈v, xk〉|2

‖xk‖2≤ ‖v‖2 . (3.7.3)

(c) Genau dann gilt die Parsevalsche Gleichung

n∑k=1

|〈v, xk〉|2

‖xk‖2= ‖v‖2 , (3.7.4)

wenn v ∈ span (x1, . . . , xn) ist, und dann ist

v =

n∑k=1

〈v, xk〉‖xk‖2

xk .

De�nition 3.7.6 Sei (xj)j∈J ein beliebiges Orthogonalsystem in einem Raum mit Skalarprodukt Hp. Fürein v ∈ Hp nennt man die Zahlen

〈v, xj〉‖xj‖2

∀ j ∈ J

die Fourierkoe�zienten von v bzgl. des Orthogonalsystems (xj , j ∈ J).

Korollar zu Satz 3.7.5 (Orthogonale Projektion) Sei Hp ein Raum mit Skalarprodukt, und sei Uein endlich-dimensionaler Unterraum von Hp. Ist (u1, . . . , un) eine Orthogonalbasis von U , so ist

u =

n∑k=1

〈v, uk〉‖uk‖2

uk (3.7.5)

die orthogonale Projektion von v auf U .

33

3.8 Orthogonalreihen

Im Folgenden sei jetzt Hp ein unendlich-dimensionaler Prä-Hilbert-Raum über K, und (xk)∞k=0 sei einabzählbar unendliches Orthonormalsystem in Hp.

De�nition 3.8.1 Für beliebige αk ∈ K heiÿt eine Reihe der Form∑∞k=0 αk xk eine Orthogonalreihe

mit Koe�zienten αk. Für x ∈ Hp heiÿt die Reihe∞∑k=0

〈x, xk〉 xk (3.8.1)

die (verallgemeinerte) Fourier-Reihe des Vektors x.

Proposition 3.8.2 Eine Orthogonalreihe∑∞k=0 αk xk ist genau dann eine Cauchy-Reihe, wenn

∞∑k=0

|αk|2 < ∞ .

Beweis: Mit den Regeln für ein inneres Produkt ergibt sich für beliebiges m, p ∈ N0∥∥∥ m+p∑k=m

αk xk

∥∥∥2 =

m+p∑k=m

|αk|2 ‖xk‖2 =

m+p∑k=m

|αk|2 ,

woraus die Behauptung folgt. 2

Aufgabe 3.8.3 Wie in der Analysis nennt man eine Reihe∑∞k=0 xk, mit xk ∈ Hp, unbedingt konver-

gent, wenn jede Umordnung der Reihe ebenfalls konvergiert, und wenn der Wert der Reihe nicht von derUmordnung abhängt. Zeige, dass eine konvergente Orthogonalreihe auch unbedingt konvergiert.

Satz 3.8.4 (Normkonvergenz von Orthogonalreihen)

(a) Falls eine Orthogonalreihe∑∞k=0 αk xk gegen einen Vektor x ∈ Hp konvergiert, dann sind die Koef-

�zienten αk genau die Fourier-Koe�zienten von x; d. h., es gilt

αk = 〈x, xk〉 ∀ k ≥ 0 .

(b) Falls die allgemeine Fourier-Reihe (3.8.1) eines Vektors x ∈ Hp gegen einen Vektor x ∈ Hp konver-giert, dann folgt

〈x , xk〉 − 〈x , xk〉 = 〈x− x , xk〉 = 0 ∀ k ∈ N0

d. h., die Vektoren x und x haben die gleichen Fourier-Koef�zienten, oder anders ausgedrückt: dieDi�erenz x− x ist zu allen xk orthogonal.

Beweis: Zu (a): Aus x = limn→∞∑nk=0 αk xk folgt mit Hilfe der Stetigkeit des Skalarproduktes und der

Orthogonalität der xk:

〈x, xj〉 = limn→∞

n∑k=0

αk 〈xk , xj〉 = αj .

Zu (b): Wenn man in der obigen Gleichung für αk die Fourier-Koe�zienten von x einsetzt und dann xdurch x ersetzt, so folgt die Behauptung. 2

34

Aufgabe 3.8.5 (Orthonormalbasen in unendlichdimensionalen Räumen) Sei Hp ein unendlich-dimensionaler Prä-Hilbertraum, welcher eine Orthonormalbasis (ej)j∈J besitzt. Zeige, dass dann Hp nichtvollständig ist.

De�nition 3.8.6 Wir nennen das Orthogonalsystem (xk) maximal, wenn die lineare Hülle span {xk}in Hp dicht liegt; d. h., dass span {xk} = Hp ist. Wir sagen weiter, dass (xk) vollständig ist, wenn aus〈x , xk〉 = 0 für alle k ∈ N0 folgt, dass x = 0 ist. Das bedeutet also, dass die Fourierreihe eines Vektorsx bei einem vollständigen Orthogonalsystem, wenn überhaupt, nur gegen x konvergieren kann.

Satz 3.8.7 (Normkonvergenz der Fourierreihe) Sei Hp ein Prä-Hilbertraum. Dann gelten immerfolgende Aussagen:

(a) Für jedes x ∈ Hp gilt die Besselsche Ungleichung∞∑k=0

|〈x, xk〉|2 ≤ ‖x‖2 . (3.8.2)

Insbesondere ist die Fourierreihe von x immer eine Cauchyreihe.

(b) Genau dann konvergiert die Fourierreihe eines x ∈ Hp gegen x, wenn die Parsevalsche Gleichung

∞∑k=0

|〈x, xk〉|2 = ‖x‖2 (3.8.3)

gilt, d. h. also, wenn in der Besselschen Ungleichung das Gleichheitszeichen eintritt.

(c) Wenn (xk) maximal ist, gilt (3.8.3) für alle x ∈ Hp, und (xk) ist auch vollständig.

(d) Wenn Hp ein Hilbert-Raum und (xk) ein vollständiges Orthogonalsystem ist, dann ist (xk) auchmaximal, und für alle x ∈ Hp konvergiert die Fourierreihe von x gegen diesen Vektor x.

Beweis: Aus (3.7.3) folgen für n→∞ sofort (a) und (b). Falls (xk) maximal ist, gibt es per De�nitionzu jedem x ∈ Hp und jedem ε > 0 eine Linearkombination x =

∑nk=0 αk xk, mit n = n(ε), für welche ‖x−

x‖ < ε ist. Nach Satz 3.7.5 gilt dies erst recht, wenn wir die αk durch die allgemeinen Fourier-Koe�zientenvon x ersetzen. Falls x zu allen xk orthogonal ist, dann verschwinden alle Fourierkoe�zienten, und daherfolgt (c). Die allgemeine Fourierreihe von x ist wegen der Besselschen Ungleichung und Proposition 3.8.2ein Cauchy-Reihe, konvergiert also gegen ein x ∈ Hp, falls Hp ein Hilbert-Raum ist. Nach Satz 3.8.4 istx− x zu allen xk orthogonal, und daraus folgt x = x wegen der Vollständigkeit. Also gilt (d). 2

Beispiel 3.8.8 Wir setzen Hp gleich der Menge aller Linearkombinationen über C der Folgen x(k) =

(x(k)n )∞n=0, mit

x(0)n =1

n+ 1, x(k)n = δnk =

{1 (n = k)0 (n 6= k)

∀ k ≥ 1, n ≥ 0 .

Es folgt, dass für jedes x = (xn) ∈ Hp entweder nur endlich viele Glieder xn 6= 0 sind, oder dass giltxn = 1/n für alle n ≥ n0. Als inneres Produkt zweier Folgen x = (xn), y = (yn) setzen wir

〈x, y〉 =

∞∑n=0

xn yn .

Beachte, dass die Reihe für x, y ∈ Hp immer absolut konvergent ist, denn entweder sind nur endlichviele ihrer Glieder von 0 verschieden, oder es gilt xn yn = 1/n2 für alle n ≥ n0. Die (x(k))∞k=1 sind

35

ein Orthogonalsystem in Hp, und aus 〈x, x(k)〉 = 0 für k ≥ 1 folgt, dass alle Glieder xn der Folge xverschwinden müssen, ausser evtl. dem Anfangsglied x0. Nach De�nition von Hp kann dies aber nurgelten, wenn x die Nullfolge ist. Das bedeutet, dass das Orthogonalsystem vollständig ist. Es ist aber nichtmaximal, denn ist x eine beliebige Linearkombination der x(k), k ≥ 1, so beginnt die Folge x mit 0, unddeshalb ist ‖x(0) − x‖ ≥ 1.

Beispiel 3.8.9 In C[a, b], a < b, mit dem üblichen inneren Produkt kann man mit Hilfe des Schmidt-schen Orthogonalisierungsverfahrens zu der Familie aller Monome (tk)∞k=0 ein äquivalentes Orthogonal-system (pk)∞k=0 konstruieren. Dabei ist jedes pk ein Polynom vom Grade k. Die Menge aller Polynome istdicht in C[a, b]; dies folgt aus dem sogenannten Weierstraÿschen Approximationssatz. Daraus wiederumergibt sich, dass (pk) ein maximales Orthogonalsystem ist. Orthogonalsysteme von Polynomen sind inverschiedenen Anwendungen wichtig. Wenn z. B. [a, b] = [−1, 1] ist, erhält man das Orthogonalsystemder Legendre-Polynome

pk(t) =1

2k k!

dk

dtk(t2 − 1)k , k ∈ N0 .

In der Physik und Technik ist das Orthogonalsystem der trigonometrischen Funktionen besonders wichtig:Wir setzen

f0(t) ≡ 1 , f2k−1(t) = sin(k t) , f2k(t) = cos(k t) , ∀ k ∈ N .

Diese Funktionen bilden auf jedem Intervall der Länge 2π ein Orthogonalsystem, welches wir das trigo-nometrische System nennen wollen. Wir setzen weiter für eine auf dem Intervall [−π, π] integrierbareFunktion f

ak =1

π

∫ π

−πf(t) cos(k t) dt ∀k ∈ N0 , (3.8.4)

bk =1

π

∫ π

−πf(t) sin(k t) dt ∀k ∈ N . (3.8.5)

Diese Zahlen nennt man die Fourierkoe�zienten der Funktion f . Die Reihe

a02

+

∞∑k=1

(ak cos(k t) + bk sin(k t)) (3.8.6)

heiÿt die Fourierreihe der Funktion f . Beachte, dass diese Reihe nichts anderes ist als die Orthogonalreihevon f bezüglich des trigonometrischen Systems. Siehe dazu auch die unten stehende Aufgabe.

Aufgabe 3.8.10 Zeige die Orthogonalität des oben eingeführten trigonometrischen Systems (fk)∞k=0 aufdem Intervall [−π, π]. Berechne ‖fk‖ und vergleiche (3.8.4) und (3.8.5) mit (3.7.2).

3.9 Separable Hilberträume

Mit Hilfe des Zornschen Lemmas kann man zeigen, dass ein Prä-Hilbertraum immer ein vollständigesOrthonormalsystem besitzt, was jedoch aus überabzählbar vielen Vektoren bestehen kann. Wir wollenuns hier aber auf separable Räume beschränken:

Satz 3.9.1 (Orthonormalsysteme im separablen Prä-Hilbertraum) Jeder separable Prä-Hilbert-raum Hp enthält ein abzählbares vollständiges Orthonormalsystem.

Beweis: Wenn Hp endliche Dimension hat, dann besitzt Hp eine Orthonormalbasis, und diese ist zugleichein vollständiges Orthogonalsystem. Im anderen Fall sei {yn : n ∈ N} eine abzählbare dichte Teilmengevon Hp. Indem man alle yn streicht, welche von vorausgegangenen ym, 1 ≤ m < n, linear abhängig sind,

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erhält man eine Folge von linear unabhängigen Vektoren yn, deren Linearkombinationen dicht in Hpliegen. Mit Hilfe des Schmidtschen Orthogonalisierungsverfahrens kann man ein abzählbar unendlichesOrthogonalsystem (xn)n∈N konstruieren, so dass die lineare Hülle der (xn) gleich der der (yn) ist. Darausfolgt aber, dass die Menge aller Linearkombinationen des Orthogonalsystems dicht in Hp ist, und dasheiÿt genau, dass wir ein maximales System haben. Nach Satz 3.8.7 ist aber jedes maximale System auchvollständig. 2

Mit diesem Satz erhalten wir jetzt, dass es eigentlich nur einen unendlichdimensionalen separablen Hilbert-raum gibt � jedenfalls wenn man isomorphe Räume identi�ziert:

Korollar zu Satz 3.9.1 Jeder unendlichdimensionale separable Hilbertraum ist isometrisch isomorphzu `2.

Beweis: Sei H ein separabler Hilbertraum. Nach Satz 3.9.1 gibt es ein vollständiges Orthonormalsystem(xn)n∈N in H, und jedes x ∈ H läÿt sich durch seine Fourierreihe darstellen. Mit der Besselschen Gleichungfolgt, dass die Zuordnung

x 7−→ (〈x, xk〉)∞n=1

eine Isometrie von H nach `2 ist, welche wegen Proposition 3.8.2 surjektiv ist. 2

In separablen Räumen gibt es also immer ein abzählbares vollständiges Orthonormalsystem. Dass es imallgemeinen in einem Raum Systeme jeder beliebigen Mächtigkeit gibt, zeigt die nächste Aufgabe:

Aufgabe 3.9.2 Sei J eine beliebige nichtleere Menge, und sei `2(J) gleich der Menge aller Funktionenf : J → K, für welche f(t) = 0 ist für alle bis auf abzählbar viele t ∈ J , und für die

∑t |f(t)|2 < ∞ ist,

wobei die Summe sich über alle t ∈ J erstrecken kann, da ja ohnehin nur abzählbar viele Terme nichtverschwinden. Zeige: Mit der De�nition

∀ f, g ∈ `2(J) : 〈f, g〉 :=∑t

f(t) g(t) ,

wobei die absolute Konvergenz der Reihe aus der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung folgt, wird `2(J)ein Hilbertraum, und die Funktionen fτ mit fτ (t) = δτt sind ein vollständiges Orthonormalsystem in`2(J). Es gibt also Hilberträume, in denen vollständige Orthonormalsysteme einer vorgegebenen, evtl.also auch sehr groÿen, Mächtigkeit existieren. Schlieÿe aus Aufgabe 3.8.5, dass dieser Raum nur danneine Orthonormalbasis besitzt, wenn J eine endliche Menge ist.

Aufgabe 3.9.3 Sei H ein Hilbertraum mit einem vollständigen ONS (xj)j∈J . Zeige dass H isometrischisomorph zu `2(J) ist. Anleitung: Zeige zuerst, dass für jedes x ∈ H die Menge der j ∈ J mit 〈x, xj〉 6= 0abzählbar ist, und dass x =

∑j∈J〈x, xj〉xj ist.

3.10 Der Satz von Lax-Milgram

Der Satz von Lax-Milgram ist eine einfache Folgerung aus Satz 3.3.6 und hat im Buch von Heuser [4]den Rang einer Übungsaufgabe. Trotzdem hat er zahlreiche Anwendungen in der Theorie der partiellenDi�erentialgleichungen.

De�nition 3.10.1 Sei X ein beliebiger Vektorraum über K. Eine Abbildung S : X× X→ K heiÿt eineSesquilinearform, falls für alle x, x1, x2 ∈ X und λ ∈ K gilt

(S1) S(x, x1 + x2) = S(x, x1) + S(x, x2) , S(x1 + x2, x) = S(x1, x) + S(x2, x),

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(S2) S(λx1, x2) = λS(x1, x2) , S(x1, λ x2) = λS(x1, x2).

Die Abbildung S ist also eine zweistellige Form, die in der ersten Stelle linear und in der zweiten semi-linear ist. Falls K = R ist, ist ein solches S eine Bilinearform. Falls zusätzlich gilt

(S3) S(x1, x2) = S(x2, x1),

dann spricht man auch von einer hermiteschen Form. Ein Skalarprodukt ist also eine positiv de�nitehermitesche Form.

Bemerkung 3.10.2 Eine Sesquilinearform ist, im Fall K = C, durch ihre Werte auf der Diagonaleneindeutig festgelegt: Gilt nämlich S(x, x) = 0 für alle x ∈ X, und sind x1, x2 ∈ X, α ∈ C, so folgt wegenS(x1, x1) = S(x2, x2) = 0 mit den Axiomen

0 = S(x1 + αx2, x1 + αx2) = αS(x2, x1) + αS(x1, x2) .

Wenn man jetzt einmal α = 1 und dann noch α = i einsetzt und noch durch i teilt, so erhält man

0 = S(x2, x1) + S(x1, x2) = S(x2, x1) − S(x1, x2) ,

woraus S(x2, x1) = 0 folgt.

Aufgabe 3.10.3 (Stetigkeit von Sesquilinearformen) Sei jetzt X ein normierter Raum, und sei Seine Sesquilinearform auf X× X. Zeige dass S genau dann stetig ist, wenn es ein c gibt mit

|S(x1, x2)| ≤ c ‖x1‖ ‖x2‖ ∀ x1, x2 ∈ X .

Satz 3.10.4 (Lax-Milgram) Sei H ein Hilbertraum über K, und sei S : H × H → K eine stetigeSesquilinearform. Dann gibt es genau ein T ∈ L(H) mit

S(x1, x2) = 〈T x1, x2〉 ∀ x1, x2 ∈ H . (3.10.1)

Wenn S koerziv ist, d. h. wenn es ein m gibt mit |S(x, x)| ≥ m ‖x‖2 für alle x ∈ H, dann ist dieses Tsogar bijektiv, und es gilt ‖T−1‖ ≤ 1/m.

Beweis: Für festes x1 ist S(x1, ·) ∈ H′, und daher gibt es nach Satz 3.3.6 ein x1 mit

S(x1, x2) = 〈x1, x2〉 ∀ x2 ∈ H .

Wenn wir x1 := T x1 setzen, erhalten wir eine lineare Abbildung T von H in sich. Aus Satz 3.3.6 undAufgabe 3.10.3 folgt weiter

‖T x1‖ = sup‖x2‖=1

|〈T x1, x2〉| = sup‖x2‖=1

|S(x1, x1)| ≤ c ‖x1‖ ∀ x1, x2 ∈ H .

Also ist die Abbildung T beschränkt. Wenn S koerziv ist, dann folgt mit der Cauchy-SchwarzschenUngleichung

‖T x‖ ‖x‖ ≥ |〈T x, x〉| = |S(x, x)| ≥ m ‖x‖2 ∀ x ∈ H .

Daher ist T injektiv, und T−1 ist auf U := T (H) beschränkt. Da H = T−1(U) abgeschlossen ist, folgt dieAbgeschlossenheit von U . Also ist H = U ⊕ U⊥, und für y ∈ U⊥ ist

〈T x, y〉 = S(x, y) = 0 ∀ x ∈ H .

Mit x = y folgt dann aber y = 0. Also ist U = H. 2

38

Kapitel 4

Spektraltheorie stetiger Operatoren

Wenn nichts anderes gesagt wird, sei im Folgenden X immer ein nichttrivialer Banachraum - dies sollheiÿen, dass X nicht nur aus dem Nullvektor besteht. Dabei soll allerdings erlaubt sein, dass die Dimensionvon X endlich ist, obwohl der typische Fall der eines unendlich dimensionalen Raumes ist. Weiter sei Tein fest gewählter, aber beliebiger Operator aus L(X), und b bezeichne einen festen Vektor aus X. Wirwollen im Folgenden immer die Lösbarkeit, bzw. die Lösungsmenge, der Gleichung T x = b studieren,wobei per De�nition nur Lösungen x ∈ X zugelassen sind. Dies ist eine natürliche Verallgemeinerung derentsprechenden Frage für lineare inhomogene Gleichungssysteme aus der linearen Algebra. Allerdings istes wichtig, dass wir eben nur x ∈ X als Lösungen der Gleichung T x = b zulassen wollen; vergleichehierzu auch die Beispiele im nächsten Abschnitt. Analog zur Eigenwertheorie von quadratischen Matrizenist es auch hier sinnvoll, an Stelle der obigen inhomogenen Gleichung folgende allgemeinere Beziehung zustudieren: Für beliebiges λ ∈ K betrachten wir die Gleichung

(λ I − T )x = b , (4.0.1)

und untersuchen speziell die universelle bzw. eindeutige Lösbarkeit von (4.0.1), d. h., die Surjektivitätbzw. Injektivität des Operators λ I −T . Dabei schreibt man üblicherweise auch einfacher λ−T an Stellevon λ I − T . Wichtig ist dabei, dass aus der Bijektivität von λ− T mit dem Satz vom inversen Operatorbereits die Stetigkeit der Umkehrabbildung (λ−T )−1 folgt, so dass Bijektivität und Invertierbarkeit vonλ− T hier dasselbe bedeuten.

Aus der Dimensionsformel für lineare Abbildungen folgt: Wenn dimX <∞ ist, dann ist die Surjektivitätvon λ − T zur Injektivität äquivalent. Dagegen kann im Falle eines unendlichdimensionalen Raumes Xder Operator λ− T surjektiv aber nicht injektiv, oder auch injektiv aber nicht surjektiv sein.

4.1 Einige Beispiele

Wir betrachten erneut einige Operatoren, die bereits in Beispiel 2.1.6 vorgestellt wurden. Dabei soll ins-besondere klar werden, dass die Spektraltheorie in unendlichdimensionalen Räumen deutlich von der inendlicher Dimension abweicht. Der Grund dafür liegt in der einfachen Tatsache, dass im endlichdimensio-nalen Fall Surjektivität und Injektivität eines linearen Operators T ∈ L(X) zueinander äquivalent sind,während dies im Allgemeinen anders ist.

1. Sei X = C[a, b] die Menge aller stetigen Funktionen auf einem nichttrivialen abgeschlossenen In-tervall [a, b], und sei k eine stetige Kernfunktion. Bei gegebenem f ∈ C[a, b] und λ ∈ K heiÿt die

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Gleichung

λx(s) = f(s) +

∫ b

a

k(s, t)x(t) dt , (4.1.1)

eine Fredholmsche Integralgleichung für die unbekannte Funktion x. Für λ = 0 bzw. λ 6= 0 sprichtman auch von einer Gleichung erster bzw. zweiter Art. Diese Gleichung lässt sich abstrakt in derForm (λ−T )x = f schreiben, wobei T der durch (2.1.2) gegebene Fredholmsche Integraloperator ist.Wir werden sehen, dass Fredholmsche Integraloperatoren immer kompakte Operatoren sind, derenTheorie groÿe Ähnlichkeit mit der im Fall endlicher Dimension aufweist. Tatsächlich war die Theorieder Integralgleichungen einer der Ausgangspunkte und ein starkes Motiv für die Entwicklung dermodernen Funktionalanalysis, und hier speziell für die Spektraltheorie der kompakten Operatoren.

2. Wenn k der Kern eines Volterraschen Integraloperators (2.1.3) auf C[a, b] ist, so heiÿt die zu (4.1.1)analoge Gleichung Volterrasche Integralgleichung. Wie wir noch sehen werden, ist ihre Theoriedeutlich einfacher als die der Fredholmschen Gleichungen.

3. Sei jetzt X = `p, mit 1 ≤ p < ∞, und sei T ∈ L(`p) mit der Darstellungsmatrix A = (ajk). DieGleichung (λ− T )x = b, für gegebenes b ∈ `p, ist dann ein lineares inhomogenes Gleichungssystem

λxj −∞∑k=1

ajk xk = bj (4.1.2)

in unendlich vielen Unbekannten xk. Dabei ist es wichtig, darauf zu achten, dass die Lösbarkeitdieses Systems nicht nur bedeutet, dass eine Folge x = (xk) existiert, welche die Gleichungenerfüllt, sondern dass x auch zu `p gehören muss. Dass dies nicht automatisch der Fall ist, zeigt dasnächste Beispiel.

4. Sei der Einfachheit halber jetzt p > 1 vorausgesetzt, und sei der Operator T der Linksshift x =(x1, x2, . . .) 7→ T x = (x2, x3, . . .). In diesem Fall sind die Gleichungen (4.1.2) identisch mit derDi�erenzengleichung

xj+1 = λxj − bj ∀ j ≥ 1.

Wählt man x1 beliebig, so sind die übrigen xj eindeutig bestimmt, und es folgt

xj = λj−1 x1 −j−1∑k=1

λj−k−1 bk ∀ j ≥ 1 . (4.1.3)

Sei jetzt zunächst |λ| ≥ 1 vorausgesetzt. Die Folge x = (xj) kann höchstens dann in `p liegen, wennsie eine Nullfolge ist. Da |λ|j → ∞ für j → ∞, muss also notwendigerweise x1 =

∑∞k=1 λ

−k bkgelten, woraus xj =

∑∞k=j λ

j−k−1 bk folgt. Das bedeutet, dass λ−T in diesem Fall injektiv ist. Fallssogar |λ| = 1 ist, ist die Reihe für x1 aber nicht für alle b ∈ `p konvergent, da ja p > 1 vorausgesetztist, und das bedeutet, dass die Abbildung λ− T zwar injektiv, aber nicht surjektiv ist. Ist dagegen|λ| > 1, so konvergieren alle Reihen für die xj absolut, und die Folge x = (xj) ist in der Tat in `p;um dies zu sehen, schreiben wir

x =

∞∑ν=1

λ−ν−1 T ν b = 1

und wenden die Dreiecksungleichung an. Das heiÿt, dass für |λ| > 1 die Abbildung λ − T immerinvertierbar ist. Wenn wir jetzt |λ| < 1 annehmen, so ist die Folge (λj−1 x1) für beliebiges x1 immerin `p. Aus diesem Grund ist λ − T nicht injektiv. Allerdings ist die Abbildung surjektiv, wie wirjetzt zeigen wollen: Für y = (yk) ∈ `p′ sei z =

∑∞j=1 λ

j−1 T jy, also zk =∑∞j=1 λ

j−1 yj+k, für allek ≥ 1. Dann folgt z ∈ `p′ , und deshalb ist die Reihe

∑∞k=1 zk bk absolut konvergent. Einsetzen für zk

und Vertauschen der Summationsreihenfolge zeigt aber∑∞k=1 zk bk = −

∑∞j=2 yj xj , wobei x = (xj)

durch (4.1.3) mit x1 = 0 gegeben ist. Da dies für alle y ∈ `p′ gilt, folgt x ∈ `p.

Aufgabe 4.1.1 Die Abbildung x = (x1, x2, . . .) 7→ T x = (0, x1, x2, . . .) wird meist als Rechtsshift be-zeichnet. Fasse sie als Element von L(`p) auf, �nde ihre Darstellungsmatrix und untersuche, analog zumletzten Beispiel, die Invertierbarkeit von λ− T .

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4.2 Spektrum und Resolvente

De�nition 4.2.1 Die Menge ρ(T ) aller λ ∈ K, für welche λ− T invertierbar ist, heiÿt die Resolventen-menge von T , und der Operator R(λ, T ) = (λ−T )−1 heiÿt die Resolvente von T im Punkt λ. Die Mengeσ(T ) = K \ ρ(T ) heiÿt das Spektrum von T , und die Zahl

r(T ) = sup { |λ| : λ ∈ σ(T ) }

heiÿt der Spektralradius von T , wobei wie üblich das Supremum der leeren Menge gleich −∞ gesetzt wird.

Aufgabe 4.2.2 Sei n ∈ N, und sei X ein n-dimensionaler Banachraum, so dass nach Aufgabe 2.3.2 jedelineare Abbildung von X in sich stetig ist. Wiederhole aus der Vorlesung über lineare Algebra: Zu jedemT ∈ L(X) gehört, nach Wahl einer Basis von X, eine Darstellungsmatrix A ∈ Kn×n, und für jedes λ ∈ Kist λ− T genau dann invertierbar, wenn det(λI −A) 6= 0 ist. Also besteht das Spektrum σ(T ) genau ausden höchstens endlich vielen Nullstellen des charakteristischen Polynoms von A, soweit diese in K liegen,was für K = R nicht der Fall sein muss. Alle diese Nullstellen sind dann immer Eigenwerte von T . Injedem Fall ist die Spektraltheorie im Fall eines endlichdimensionalen Raumes X für uns im Grunde ohneInteresse.

Aufgabe 4.2.3 Finde das Spektrum des Linksshifts, aufgefasst als Abbildung von `p in sich, im Fall1 < p <∞.

Aufgabe 4.2.4 Finde das Spektrum eines Multiplikationsoperators (Tk f)(s) = k(s) f(s), wobei k ∈C[a, b], also Tk ∈ L(C[a, b]) ist.

Aufgabe 4.2.5 (Spektrum des inversen Operators) Sei T ∈ L(X) invertierbar. Zeige für λ 6= 0dass λ − T = −λT (λ−1 − T−1) ist, und schlieÿe hieraus, dass λ genau dann im Spektrum von T liegt,wenn λ−1 ein Spektralwert von T−1 ist.

Satz 4.2.6 (Kompaktheit des Spektrums) Die Resolventenmenge ρ(T ) ist o�en, und der Spektral-radius von T ist höchstens gleich ‖T‖. Wenn K = C ist, dann ist das Spektrum nicht leer, also r(T ) ≥ 0,und es gibt λ ∈ σ(T ) mit |λ| = r(T ).

Beweis: Aus Lemma 2.2.6 folgt dass λ − T = λ (I − λ−1 T ) invertierbar ist, sobald |λ| > ‖T‖ ist, undwir erhalten für die Resolvente die Darstellung

R(λ, T ) =

∞∑n=0

λ−n−1 Tn , (4.2.1)

wobei die Reihe in der Norm auf L(X) konvergiert. Daher ist r(T ) ≤ ‖T‖. Ist λ0 ∈ ρ(T ), so rechnet mannach, dass λ − T = (λ0 − T ) (I − (λ0 − λ)R(λ0, T )) ist, und deshalb ist λ − T nach demselben Lemmainvertierbar, sofern nur |λ− λ0| < ‖R(λ0, T )‖−1 ist, und es gilt

R(λ, T ) =

∞∑n=0

(λ0 − λ)n R(λ0, T )n+1 (4.2.2)

für diese λ. Das zeigt, dass die Resolventenmenge o�en, also ihr Komplement σ(T ) abgeschlossen, d.h. sogar kompakt ist. Sei jetzt K = C. Für alle f ∈ X′ und x ∈ X folgt aus (4.2.2), dass h(λ) =f(R(λ, T )x) eine holomorphe Funktion in jedem Punkt der Resolventenmenge ist, und wegen (4.2.1)

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geht diese Funktion für λ→∞ gegen 0. Falls also ρ(T ) = C wäre, so würde aus dem Satz von Liouvillefolgen, dass h für jedes f ∈ X′ die Nullfunktion wäre. Daraus würde sich R(λ, T ) ≡ 0 ergeben, was aber(4.2.1) widerspricht. Also ist σ(T ) 6= ∅. Nach De�nition von r(T ) gibt es eine Folge (λn) aus σ(T ), fürwelche |λn| gegen r(T ) konvergiert. Diese enthält aber eine konvergente Teilfolge, und deren Grenzwertist wegen der Abgeschlossenheit von σ(T ) selber ein Spektralwert. 2

Aufgabe 4.2.7 (Vorgeschriebenes Spektrum) Sei (tn) eine beschränkte Folge aus K, und sei fürx = (xn) ∈ `p de�niert T x = (tn xn). Zeige dass T ∈ L(`p) ist, und bestimme das Spektrum von T .Benutze dies, um zu zeigen, dass es zu jeder kompakten Menge σ ⊂ K ein T ∈ L(`p) gibt, welches geradedas Spektrum σ hat.

Satz 4.2.8 (Spektralradiusformel) Im Falle K = C gilt für den Spektralradius r(T ) die Formel

r(T ) = limn→∞

‖Tn‖1/n = infn∈N

‖Tn‖1/n .

Insbesondere existiert also immer der Grenzwert der Folge (‖Tn‖1/n).

Beweis: Seien m ∈ N und λ ∈ C so, dass |λ| > infn∈N ‖Tn‖1/n. Dann existiert also ein m ∈ N, so dass‖Tm‖ < |λ|m ist. Daraus folgt

∞∑n=0

‖Tn‖|λ|n+1

≤m−1∑r=0

‖T r‖|λ|r+1

∞∑ν=0

‖Tm‖ν

|λ|mν< ∞ .

Das bedeutet, dass die Reihe (4.2.1) für solche λ absolut konvergiert, und daher ist λ ∈ ρ(T ). Also istr(T ) ≤ inf ‖Tn‖1/n. Seien jetzt f ∈ X′ und x ∈ X, und sei h(λ) = f((λ− T )x) für λ ∈ ρ(T ). Dann folgtaus (4.2.2), dass h holomorph im Kreisring r(T ) < |λ| < ∞ ist, und deshalb lässt sich h dort in eineLaurentreihe entwickeln. Wegen (4.2.1) bzw. dem Identitätssatz für Laurentreihen folgt also

h(λ) =

∞∑n=0

λ−n−1 f(Tn x) ∀ |λ| > r(T ) .

Das notwendige Kriterium für die Konvergenz einer Reihe impliziert, dass die Folge (λ−n Tn x) schwachgegen Null konvergiert. Nach Satz 3.6.2 ist sie dann beschränkt. Also ist die Folge (λ−n Tn) auf Xpunktweise beschränkt, woraus aber nach Satz 2.5.6 die gleichmäÿige Beschränktheit folgt. Dies heiÿt,dass ein c > 0 existiert, für welches ‖Tn‖ ≤ c |λ|n für alle n ≥ 1 ist. Also ist lim supn ‖Tn‖1/n ≤ |λ|, undweil |λ| beliebig dicht an r(T ) sein kann, folgt sogar lim supn ‖Tn‖1/n ≤ r(T ). Insgesamt gilt also

r(T ) ≤ infn∈N

‖Tn‖1/n ≤ lim infn→∞

‖Tn‖1/n ≤ lim supn→∞

‖Tn‖1/n ≤ r(T ) ,

woraus die Behauptung folgt. 2

Aufgabe 4.2.9 Zeige dass für Volterrasche Integraloperatoren (2.1.3) immer r(T ) ≤ 0 gilt. Vergleicheauch mit Aufgabe 4.3.4.

Aufgabe 4.2.10 Zeige, analog wie im Beweis des letzten Satzes, jedoch unter Benutzung von (4.2.2),dass folgendes gilt:

∀ λ ∈ ρ(T ) : d(λ, σ(T )) = limn→∞

‖R(λ, T )n‖−1/n = supn∈N

‖R(λ, T )n‖−1/n . (4.2.3)

Schlieÿe hieraus: Ist (λn) eine Folge aus ρ(T ), welche gegen λ0 konvergiert, und für welche die Folge(R(λn, T )) beschränkt ist, dann ist auch λ0 ∈ ρ(T ).

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Bemerkung 4.2.11 Aus der Formel für den Spektralradius folgt, dass die Reihe (4.2.1) auÿerhalb desgröÿten Kreises konvergiert, in dem das Spektrum von T enthalten ist. Genauso zeigt die letzte Aufgabedie Konvergenz von (4.2.2) in der gröÿten Kreisscheibe um λ0, welche ganz zu ρ(T ) gehört. Wir sehenalso, dass sich diese Reihen, die allerdings im Wesentlichen nichts anderes als geometrische Reihen inL(X) sind, so verhalten, wie es die Potenzreihen holomorpher Funktionen tun. Tatsächlich gibt es eine gutentwickelte Theorie holomorpher Funktionen mit Werten in Banachräumen, die aber hier nicht besprochenwerden soll.

Aufgabe 4.2.12 Zeige folgende Resolventenformel: Für λ1, λ2 ∈ ρ(T ) gilt immer

R(λ1, T ) − R(λ2, T ) = −(λ1 − λ2) R(λ1, T ) R(λ2, T ) . (4.2.4)

Anleitung: Beachte (λ1 − T ) (λ2 − T ) = (λ2 − T ) (λ1 − T ) und die De�nition der Resolvente.

De�nition 4.2.13 Wir nennen λ ∈ K einen Eigenwert von T , wenn ein x ∈ X\{0} existiert, für welchesT x = λx ist. In anderen Worten ist λ genau dann ein Eigenwert von T , wenn λ − T nicht injektiv ist.In diesem Fall heiÿt Kern (λ− T ) auch zugehöriger Eigenraum von T , und jedes x ∈ Kern (λ− T ) \ {0}heiÿt ein Eigenvektor von T zum Eigenwert λ. Die Menge aller Eigenwerte heiÿt auch Punktspektrumvon T und wird mit σp abgekürzt.

Aufgabe 4.2.14 (Spektrum des Rechtsshifts) Sei der Rechtsshift T in `p wie früher de�niert. Findedessen Spektrum. Welche der Spektralwerte des Rechtsshifts sind Eigenwerte? Wie ist es beim Linksshift?

4.3 Kompakte Operatoren und Operatoren von endlichem Rang

Im Folgenden sei X immer ein Banachraume, und H bezeichne einen beliebigen Hilbertraum.

De�nition 4.3.1 Wie in der linearen Algebra nennen wir für T ∈ L(X) die Zahl dimT (X) = dimBildTauch den Rang von T . Falls diese Zahl endlich ist, heiÿt T ein Operator von endlichem Rang. Fallshingegen T (BX) präkompakt ist, nennen wir T einen kompakten Operator. Dies ist gleichbedeutend damit,dass T (BX) kompakt ist. Die Menge der kompakten Operatoren bezeichnen wir mit K(X).

Beispiel 4.3.2 Ist k stetig auf [a, b]2, a < b, so haben wir den Operator T , de�niert durch

(T f)(s) =

∫ b

a

k(s, t) f(t) dt , a ≤ s ≤ b , (4.3.1)

einen Fredholmschen Integraloperator genannt. Ist jetzt H = T (BX), für X = C[a, b], so sieht man leicht,dass H gleichmäÿig beschränkt, also erst recht punktweise beschränkt ist. Da k auf [a, b]2 gleichmäÿig stetigist, gibt es zu jedem ε > 0 ein δ > 0, so dass für s, s0, t ∈ [a, b] mit |s− s0| < δ gilt |k(s, t)− k(s0, t)| < ε.Daraus folgt für h = T f ∈ H dass |h(s)−h(s0)| < ε (b−a) ist. Das bedeutet, dass H gleichgradig stetig ist.Daher folgt aus dem Satz von Arzela-Ascoli die Kompaktheit von H, und deshalb ist ein FredholmscherIntegraloperator immer kompakt.

Aufgabe 4.3.3 Zeige, dass der von einem Polynom p in zwei Variablen de�nierte Fredholmsche In-tegraloperator von endlichem Rang ist. Benutze den Weierstrassschen Approximationssatz in C[a, b]2,zusammen mit dem nächsten Satz, um einen zweiten Beweis für die Kompaktheit eines beliebigen Fred-holmschen Integraloperators zu geben.

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Aufgabe 4.3.4 Zeige analog wie im obigen Beispiel die Kompaktheit aller Volterraschen Integralopera-toren (2.1.3). Benutze dies und Aufgabe 4.2.9, um zu zeigen dass für jeden Volterraschen IntegraloperatorT immer σ(T ) = {0} ist.

Aufgabe 4.3.5 Sei K ∈ K(X), und sei U ein abgeschlossener Teilraum von X. Zeige die Kompaktheitder Restriktion von K auf U .

Satz 4.3.6 (Eigenschaften kompakter Operatoren)

(a) Wenn T ∈ L(X) von endlichem Rang ist, dann ist T ∈ K(X).

(b) K(X) ist ein abgeschlossener Unterraum von L(X).

(c) Aus T ∈ L(X) und K ∈ K(X) folgen K ◦ T ∈ K(X) und T ◦K ∈ K(X).

(d) Ist H ein Hilbertraum, und ist K ∈ K(H), so ist auch K∗ ∈ K(H).

Beweis: Aussage (a) ist klar, da das Bild der Einheitskugel BX eine beschränkte Menge in einemendlichdimensionalen Raum ist, und da nach Satz 2.3.1 die abgeschlossene Hülle von T (BX) kompaktist. Die Unterraumeigenschaft von K(X) folgt leicht mit der De�nition. Sei jetzt T ∈ K(X), und sei zuε > 0 ein S ∈ K(X) so gewählt, dass ‖T − S‖ < ε ist. Dann wird S(BX) von endlich vielen ε- Kugelnüberdeckt, und mit der Dreiecksungleichung folgt leicht, dass dann T (BX) von den Kugeln mit gleichenMittelpunkten, aber dem doppelten Radius 2 ε überdeckt wird. Daraus folgt aber T ∈ K(X), und dahergilt (b). Da ein beschränkter Operator immer Kugeln um 0 in Kugeln um 0 abbildet, folgt (c) leichtmit der De�nition. Um den letzten Punkt zu zeigen, beachten wir, dass M := K(BH) ein kompaktermetrischer Raum ist. Für y ∈ BH ist durch fy(x) = 〈y, x〉 eine stetige Funktion fy auf M gegeben. DieMenge aller dieser Funktionen ist (im Raum C(M)) punktweise beschränkt und gleichgradig stetig, unddaher folgt mit dem Satz von Arzela-Ascoli ihre Kompaktheit. Also gibt es zu jeder Folge (yn) aus BHeine Teilfolge (xn), für welche die Funktionen fxn auf M gleichmäÿig konvergieren. Daher folgt für jedesε > 0 die Existenz von N , so dass für alle n,m ≥ N gilt

|〈xn,K x〉 − 〈xm,K x〉| ≤ ε ∀x ∈ BH .

Die linke Seite dieser Ungleichung ist aber gleich 〈K∗(xn − xm), x〉, und durch Supremumsbildung überx ∈ BH folgt daraus ‖K∗(xn − xm)‖ ≤ ε. Daher ist (K∗ xn) eine Cauchy-Folge, also konvergent. Damitist K∗(BH) (folgen-)kompakt, also K∗ ∈ K(X). 2

Aufgabe 4.3.7 Zeige: Wenn X ein unendlichdimensionaler Banachraum ist, dann ist für jedes T ∈ K(X)immer 0 ∈ σ(T ).

Aufgabe 4.3.8 (Spektrum eines Operators von endlichem Rang) Sei T ∈ L(X) ein Operatorvon endlichem Rang, und sei (x1, . . . , xn) eine Basis von BildT . Für b ∈ X und λ ∈ K \ {0} seien

T b =

n∑j=1

βj xj , T xk =

n∑j=1

ajk xj .

Zeige: Genau dann gilt für ein λ ∈ K \ {0} die Gleichung (λ− T )x = b, wenn x = λ−1 (b+∑nj=1 αj xj)

ist, mit

λαj = βj +

n∑k=1

ajk αk ∀ j = 1, . . . , n .

Benutze dies um zu schlieÿen, dass alle Spektralwerte λ 6= 0 von T Eigenwerte sind, und dass man allediese Eigenwerte und die zugehörigen Eigenvektoren berechnen kann, falls die Matrix A = [ajk] bekanntist. Untersuche, inwieweit dies auch für λ = 0 gilt.

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4.4 Spektraltheorie kompakter Operatoren im Hilbertraum

Im Folgenden sei H immer ein Hilbertraum, und K ∈ K(H) ein kompakter Operator. Wir wollen nun dasSpektrum von K untersuchen, was nach De�nition darauf hinausläuft festzustellen, für welche λ ∈ K dieAbbildung λ−K invertierbar ist. Nach Aufgabe 4.3.7 ist dies in dem wichtigsten Fall eines unendlichdi-mensionalen Raumes H nicht so, falls λ = 0 ist, und deshalb können wir vom Gegenteil ausgehen. Es istaber λ ∈ σ(K) \ {0} genau dann, wenn I − λ−1K invertierbar ist, und da λ−1K ∈ K(H) ist, werden wirzunächst den Spezialfall λ = 1 betrachten.

Aufgabe 4.4.1 Für K ∈ K(H) und T = I −K, zeige Tn = I −Kn mit Kn ∈ K(H), für alle n ∈ N.

Lemma 4.4.2 Für K ∈ K(H) sei T = I −K gesetzt. Dann ist KernT endlichdimensional und BildTabgeschlossen.

Beweis: KernT ist ein abgeschlossener Teilraum von H, also selber ein Hilbertraum, und die Restriktionvon K auf KernT ist die identische Abbildung. Diese ist aber nur dann kompakt, wenn KernT endlichdi-mensional ist. Ein endlichdimensionaler Unterraum ist aber immer projizierbar, und daher gibt es einenabgeschlossenen Teilraum U ⊂ H so, dass H = KernT ⊕ U ist. Die Restriktion von T auf U ist danninjektiv und hat dasselbe Bild wie T . Sei jetzt y Grenzwert einer Folge (yn) aus BildT . Dann gibt es alsoeine (eindeutig bestimmte) Folge (xn) aus U mit T xn = xn −K xn = yn für alle n ≥ 1. Falls (xn) nichtbeschränkt wäre, könnten wir durch Übergang zu einer Teilfolge (die wir der Einfachheit halber wieder mit(xn) bezeichnen) erreichen, dass ‖xn‖ → ∞ gelten würde. Für die normierten Vektoren un = ‖xn‖−1 xnwürde dann un −K un → 0 für n → ∞ gelten. Nach erneutem Übergang zu einer Teilfolge dürften wirwegen der Kompaktheit von K annehmen dass u = limK un existiert, und dann würde aber u = limungelten, woraus ‖u‖ = 1 und T u = 0 folgen. Wegen der Abgeschlossenheit von U und der Tatsache dassun ∈ U gilt, wäre u ∈ U im Widerspruch zur Wahl von U . Also haben wir gezeigt, dass die Folge (xn)beschränkt sein muss. Dann können wir wegen der Kompaktheit von K davon ausgehen, dass (K xn)konvergiert, denn sonst könnten wir erneut zu einer Teilfolge übergehen. Da aber xn − K xn → y gilt,muss dann auch (xn) selber konvergieren, etwa gegen x ∈ U . Daraus folgt aber y = T x, also y ∈ BildT ,was zu zeigen war. 2

Der nächste Satz ist zwar für einen endlichdimensionalen Raum H und ein beliebiges T ∈ L(H) immertrivial erfüllt, gilt aber überraschenderweise auch für allgemeines H, wenn nur T von der im letztenLemma betrachteten Form ist.

Satz 4.4.3 (Fredholmscher Alternativsatz) Für K ∈ K(H) und T = I −K ist T genau dann injek-tiv, wenn es surjektiv ist.

Beweis: Sei angenommen, dass T injektiv, aber nicht surjektiv ist. Sei Hn = BildTn für n ∈ N. AusAufgabe 4.4.1 und Lemma 4.4.2 folgt, dass alle Hn abgeschlossene Unterräume von H sind. Für y ∈ Hn+1

folgt die Existenz von x ∈ H mit y = Tn+1 x = Tn(T x), und daher ist y ∈ Hn. Da T nach Annahme nichtsurjektiv ist, gibt es ein x ∈ Hmit x 6= T y für alle y ∈ H, und wegen der Injektivität von T folgt dann auchTn x 6= Tn+1 y, und deshalb ist x ∈ Hn\Hn+1. Also ist jedes Hn+1 eine echte Teilmenge von Hn, und somitgibt es nach Lemma 4.4.2 Einheitsvektoren xn = Tn yn ∈ Hn mit d(xn,Hn+1) ≥ 1/2. Für m > n ≥ 1folgt dann K xm + T xn ∈ Hn+1, und deshalb ist ‖K xm −K xn‖ = ‖K xm + T xn − xn‖ ≥ 1/2. Daherkann die Folge (K xn) keine konvergente Teilfolge besitzen, was der Kompaktheit von K widerspricht.Also folgt aus der Injektivität von T die Surjektivität. Für den Beweis der Umkehrung sei also jetzt Tsurjektiv. Nach Satz 3.4.5 ist dann der adjungierte Operator T ∗ = I −K∗ injektiv, und nach Satz 4.3.6ist K∗ ebenfalls kompakt. Nach dem bereits bewiesenen Teil ist also dann T ∗ sogar bijektiv, woraus mitSatz 3.4.5 die Bijektivität von T folgt. 2

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Man kann den Alternativsatz auch so formulieren, dass es entweder für gegebenes b ∈ H immer eineLösung x der Gleichung x = K x + b gibt (und diese ist dann sogar eindeutig bestimmt), oder dass diehomogene Gleichung x = K x nichttriviale Lösungen hat. In dieser Formulierung wird der Name desletzten Satzes besser verständlich.

Wir haben in Aufgabe 4.3.7 bereits festgestellt, dass λ = 0 für jeden kompakten Operator in einem unend-lichdimensionalen Banachraum immer ein Spektralwert ist. Der folgende Satz gibt weitere Informationüber das Spektrum:

Satz 4.4.4 (Spektrum eines kompakten Operators) Sei K ∈ K(H). Dann ist jeder Spektralwertλ 6= 0 von K ein Eigenwert. Der Eigenraum zu einem Eigenwert λ 6= 0 ist immer endlichdimensional.Das Spektrum ist immer abzählbar, und wenn es unendlich viele verschiedene Spektralwerte λn gibt, danngilt limn→∞ λn = 0.

Beweis: Sei λ 6= 0 kein Eigenwert von K. Dann ist I − λ−1K = λ−1 (λ−K) nach dem FredholmschenAlternativsatz invertierbar, und deshalb ist λ kein Spektralwert vonK. Wenn λ 6= 0 dagegen ein Eigenwertist, ist Kern (λ−K) = Kern (I − λ−1K), und daher folgt aus Lemma 4.4.2 dass dimKern (λ−K) <∞ist. Für den Rest der Behauptung genügt es zu zeigen, dass es zu jedem ε > 0 höchstens endlich vieleEigenwerte von K mit |λ| ≥ ε geben kann. Sei das Gegenteil angenommen. Dann gibt es eine Folge (λn)von Eigenwerten vom Betrag ≥ ε, die wir als paarweise verschieden annehmen können, und wegen derKompaktheit des Spektrums können wir sogar voraussetzen, dass sie gegen einen Wert λ konvergieren(sonst können wir zu einer Teilfolge übergehen). Wir wählen zu jedem λn einen normierten Eigenvektoren, und wie in der Vorlesung Lineare Algebra bewiesen wurde, sind die en alle linear unabhängig. SeiHn die lineare Hülle von e1, . . . , en. Nach dem letzten Lemma gibt es normierte Vektoren xn ∈ Hn mitd(xn,Hn−1) ≥ 1/2. Aus xn =

∑nj=1 αj ej folgt un := (K − λn)xn =

∑n−1j=1 (λj − λn)αj ej ∈ Hn−1. Daher

gilt für 2 ≤ m < n:

‖λ−1n K xn − λ−1m K xm‖ = ‖λ−1n un − λ−1m K xm + xn‖ ≥ 1/2

da ja auch K xm ∈ Hn−1 ist. Somit kann (λ−1n K xn) keine konvergente Teilfolge besitzen, und da (λn)gegen λ 6= 0 konvergiert, folgt dasselbe für (K xn), im Widerspruch zur Kompaktheit von K. 2

De�nition 4.4.5 Nach dem letzten Satz ist der Eigenraum zu einem Eigenwert λ 6= 0 bei einem belie-bigen kompakten Operator immer endlichdimensional, und wir nennen seine Dimension auch die geome-trische Vielfachheit von λ.

Bemerkung 4.4.6 Die Resultate dieses Abschnitts gelten auch für kompakte Operatoren in Banachräu-men; die Beweise benutzen aber teilweise Eigenschaften des dualen Operators, den wir nicht eingeführthaben.

4.5 Selbstadjungierte Operatoren

Wenn nichts anderes gesagt wird, sei H im Folgenden immer ein Hilbertraum.

De�nition 4.5.1 (Selbstadjungierte Operatoren) Wir nennen ein T ∈ L(H) selbstadjungiert oderhermitesch, falls T ∗ = T ist.

Aufgabe 4.5.2 Sei A = [ajk] die Darstellungsmatrix eines Operators T ∈ L(`2). Zeige dass der adjun-

gierte Operator T ∗ die Darstellungsmatrix A∗ := AT

= [ akj ] hat.

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Aufgabe 4.5.3 (Satz von Hellinger-Toeplitz) Ist T ∈ L(H) selbstadjungiert, so gilt per De�nitiondie Gleichung

∀ x, y ∈ H : 〈T x, y〉 = 〈x, T y〉 . (4.5.1)

Folgere aus Aufgabe 3.4.7: Ist T : H → H eine beliebige lineare Abbildung, für welche (4.5.1) gilt, dannergibt sich aus dem Satz vom abgeschlossenen Graphen bereits die Stetigkeit von T .

Lemma 4.5.4 Für jedes T ∈ L(H) ist T ∗ T selbstadjungiert, und ‖T ∗ T‖ = ‖T‖2.

Beweis: Für x, y ∈ H ist 〈T ∗ T y, x〉 = 〈T y, T x〉 = 〈y, T ∗ T x〉, und deshalb ist T ∗ T selbstadjungiert.Es ist weiter ‖T ∗ T‖ ≤ ‖T ∗‖ ‖T‖ = ‖T‖2, weil ja ‖T ∗‖ = ‖T‖ gilt. Auÿerdem ist

‖T ∗ T‖ = supx,y∈BH

|〈T ∗ T x, y〉| = supx,y∈BH

|〈T x, T y〉| ≥ supx∈BH

|〈T x, T x〉| = ‖T‖2 ,

woraus ‖T ∗ T‖ = ‖T‖2 folgt. 2

Aus der linearen Algebra ist bekannt, dass hermitesche Matrizen reelle Eigenwerte haben, und dassEigenvektoren zu verschiedenen Eigenwerten immer orthogonal sind. Der folgende Satz ist eine direkteVerallgemeinerung dieser Tatsache:

Satz 4.5.5 Alle Eigenwerte eines selbstadjungierten Operators T ∈ L(H) sind reell, und Eigenvektorenzu verschiedenen Eigenwerten sind orthogonal. Weiter ist der Spektralradius r(T ) eines selbstadjungiertenOperators immer gleich ‖T‖.

Beweis: Genau wie in der linearen Algebra zeigt man: Ist x ∈ H \ {0}, so folgt aus T x = λx sowie derGleichung (4.5.1) dass 〈λx, x〉 = 〈x, λ x〉 ist, und daher gilt λ ‖x‖2 = λ ‖x‖2, woraus λ ∈ R folgt. Sindjetzt λ, µ zwei verschiedene reelle Zahlen, und gilt T x = λx, T y = µ y für x, y ∈ H \ {0}, so folgt

(λ− µ) 〈x, y〉 = 〈λx, y〉 − 〈x, µ y〉 = 〈T x, y〉 − 〈x, T y〉 = 0

und deshalb gilt 〈x, y〉 = 0. Weiter folgt aus dem letzten Lemma dass ‖T 2‖ = ‖T‖2 ist, und mit Aufga-be 3.4.4 folgt dann ‖T 2n‖ = ‖T‖2n für alle n ∈ N. Daraus folgt aber r(T ) = ‖T‖ wegen der Spektralra-diusformel. 2

Bemerkung 4.5.6 Im letzten Satz haben wir nur gezeigt, dass alle Eigenwerte eines selbstadjungiertenOperators reell sind. Tatsächlich ist aber sein ganzes Spektrum reell, denn es gilt folgendes Resultat: WennT ∈ L(H) selbstadjungiert ist, dann ist

σ(T ) ⊂ W (T ) ⊂ R , mit W (T ) = { 〈T x, x〉 : x ∈ H , ‖x‖ = 1 } . (4.5.2)

Beweis: Aus (4.5.1) und den Eigenschaften des Skalarproduktes folgt sofort, dass 〈T x, x〉 ∈ R ist füralle x ∈ H, so dass die rechte Inklusion klar ist. Sei jetzt λ ∈ C so, dass d := d(λ,W (T )) > 0. Dann folgtfür alle x ∈ H mit ‖x‖ = 1 dass

d ≤ |λ− 〈T x, x〉| = |〈(λ− T )x, x〉| ≤ ‖(λ− T )x‖ .

Also muss λ− T injektiv sein. Ist U = Bild (λ− T ), so folgt aus derselben Ungleichung dass (λ− T )−1 :U → H beschränkt ist, und deshalb ist U ein abgeschlossener Unterraum von H. Falls U 6= H wäre, danngäbe es ein x0 ∈ U⊥ mit ‖x0‖ = 1, und

0 = |〈(λ− T )x0, x0〉| = |λ− 〈T x0, x0〉| ≥ d ,

was ein Widerspruch zu d > 0 ist. Also muss U = H sein, und das heiÿt dass λ ∈ ρ(T ) ist. 2

47

Bemerkung 4.5.7 Wenn K ∈ L(H) \ {0} gleichzeitig selbstadjungiert und kompakt ist, dann ist dasSpektrum von K nach Satz 4.4.4 eine abzählbare, evtl. sogar endliche Teilmenge der reellen Zahlen, undalle λ ∈ σ(K) \ {0} sind Eigenwerte. Weil r(T ) = ‖T‖ > 0 ist, ist die Menge dieser Eigenwerte nichtleer. Auÿerdem ist der Eigenraum zu jedem solchen λ endlichdimensional. Wir können dann zu jedemvon Null verschiedenen Eigenwert von K eine Orthonormalbasis des Eigenraumes wählen,und da Eigen-vektoren zu verschiedenen Eigenwerten immer orthogonal sind, erhalten wir insgesamt ein abzählbaresOrthonormalsystem von Eigenvektoren (en)n∈J , wobei entweder J = N oder J = 1, . . . ,m ist, mit ei-nem m ∈ N. Dabei können wir die Indizierung der en bzw. der Eigenwerte von K so vornehmen, dassK en = λn en für alle n ∈ J gilt, und dass die Beträge der λn monoton fallen; beachte aber, dass dabeidie λn nicht unbedingt alle verschieden sind. Falls J = N ist, folgt aus Satz 4.4.4 dass die Folge (λn) eineNullfolge ist. Wir wollen im Folgenden das System (en, λn)n∈J als das zu K gehörige Orthonormalsystemvon Eigenvektoren und Eigenwerten bezeichnen. Beachte aber, dass auch λ = 0 ein Eigenwert von K seinkann, bzw. sogar sein muss, falls H unendlichdimensional ist, und dass es in diesem Fall sogar unendlichviele linear unabhängige Eigenvektoren zum Eigenwert λ = 0 gibt, welche in dem zu K gehörigen Systemnicht vorkommen.

Satz 4.5.8 (Entwicklung von selbstadjungierten kompakten Operatoren) Sei H ein beliebigerHilbertraum, sei K ∈ L(H) \ {0} kompakt und selbstadjungiert, und sei (en, λn)n∈J das zugehörige Or-thonormalsystem von Eigenvektoren und Eigenwerten. Dann gilt

∀ x ∈ H : K x =∑n∈J

λn 〈x, en〉 en . (4.5.3)

Weiter ist KernK = {en : n ∈ J}⊥, und λ = 0 ist genau dann ein Eigenwert von K, wenn (en)n∈J keinvollständiges Orthonormalsystem ist.

Beweis: Sei U = span {en}. Dann ist U selber ein Hilbertraum, und (en) ist ein vollständiges Orthonor-malsystem in U . Deshalb gilt für alle u ∈ U nach Satz 3.8.7 die Darstellung u =

∑n〈u, en〉 en. Daraus

folgt aber K u =∑n〈u, en〉K en =

∑n λn 〈u, en〉 en ∈ U . Jedes x ∈ H lässt sich nach Satz 3.3.4 schrei-

ben als x = u + v mit eindeutig bestimmten u ∈ U und v ∈ U⊥, und 〈x, en〉 = 〈u, en〉 für alle n ∈ J .Weil 〈u,K v〉 = 〈K u, v〉 = 0 ist, da ja K u ∈ U ist, folgt dass K v ∈ U⊥ ist für alle v ∈ U⊥. Deshalbist die Restriktion K1 von K auf U⊥ ein selbstadjungierter Operator, für den σ(K1) = {0} ist, dennsonst hätte K noch einen weiteren Eigenwert, der nicht zur Folge (λn) gehören würde. Daraus folgt aber‖K1‖ = r(K1) = 0, also K1 = 0. Daher gilt K v = 0 für alle v ∈ U⊥. Also ist

K x = K u =∑n∈J〈x, en〉K en ,

und deshalb gilt (4.5.3). 2

Bemerkung 4.5.9 Wenn der Hilbertraum H separabel ist, kann man das System der Eigenvektorendes Operators K durch Hinzunahme von Eigenvektoren zum Eigenwert λ = 0 zu einem vollständigenOrthonormalsystem ergänzen, und man erkennt dann, dass der letzte Satz genau dem Satz über dieHauptachsentransformation aus der Linearen Algebra entspricht.

4.6 Unitäre und normale Operatoren

De�nition 4.6.1 Sei H ein Hilbertraum. Ein Operator U ∈ L(H) heiÿt unitär, wenn U U∗ = U∗ U = Igilt. In anderen Worten heiÿt das, dass ein unitärer Operator immer invertierbar ist, und dass seinInverses gleich dem adjungierten Operator ist. Ein Operator N ∈ L(H) heiÿt normal, wenn er mit seinemadjungierten Operator kommutiert, also wenn gilt N N∗ = N∗N .

48

Aufgabe 4.6.2 Zeige, dass ein Operator U ∈ L(H) genau dann unitär ist, wenn er surjektiv und iso-metrisch ist. Benutze zum Beweis der einen Richtung die Aufgabe 3.2.2. Zeige weiter am Beispiel desRechtsshifts, dass ein Operator isometrisch sein kann, ohne surjektiv zu sein.

Ein unitärer Operator ist nur dann kompakt, wenn der zugrundeliegende Raum H endliche Dimensionhat. Deshalb können wir mit den bisher entwickelten Methoden nur relativ wenig zu seinem Spektrumsagen:

Satz 4.6.3 (Spektrum eines unitären Operators) Sei H ein Hilbertraum, und sei U ∈ L(H) unitär.Dann ist σ(U) eine Teilmenge des Einheitskreises.

Beweis: Da ein unitärer Operator isometrisch ist, folgt ‖U‖ = 1, und da auch U∗ = U−1 isometrischist, ist auch ‖U∗‖ = 1. Also folgt aus Satz 4.2.6 dass σ(U) und σ(U∗) Teilmengen der abgeschlossenenEinheitskreisscheibe sind. Aus Aufgabe 4.2.5 folgt dann die Behauptung. 2

Für normale kompakte Operatoren wollen wir ein Resultat beweisen, welches im Grunde vollkommenanalog zu Satz 4.5.8 ist, mit dem Unterschied, dass die Eigenwerte eines normalen Operators nicht reellsein müssen. Wir beginnen mit einem Resultat für nicht notwendig kompakte normale Operatoren:

Satz 4.6.4 (Eigenwerte und Spektralradius eines normalen Operators) Sei H ein Hilbertraum,und sei N ∈ L(H) normal. Wenn x ∈ H ein Eigenvektor von N zum Eigenwert λ ist, dann ist dasselbe xauch Eigenvektor von N∗, aber zum Eigenwert λ. Auÿerdem sind Eigenvektoren von N zu verschiedenenEigenwerten immer orthogonal. Weiter gilt immer r(N) = ‖N‖.

Beweis: Sei N x = λx, dann folgt durch eine einfache Rechnung

‖(N∗−λ)x‖2 = 〈(N∗−λ)x, (N∗−λ)x〉 = 〈x,N∗N x〉 − λ 〈x,N x〉 − λ 〈N x, x〉 + |λ|2 ‖x‖2 = 0 ,

so dass N∗ x = λx folgt. Wenn N y = µ y gilt, und wenn λ 6= µ ist, dann folgt durch eine ähnlicheRechnung, dass |λ − µ|2 〈x, y〉 = 〈(λ − µ)x, (λ − µ) y〉 = 0 ist, und deshalb sind x und y orthogonal.Weiter ist 〈N∗ x,N∗ x〉 = 〈N N∗ x, x〉 = 〈N∗N x, x〉 = 〈N x,N x〉, also ‖N∗ x‖ = ‖N x‖ für alle x ∈ H.Daraus folgt ‖N x‖2 = 〈N x,N x〉 = 〈N∗N x, x〉 ≤ ‖N∗N x‖ ‖x‖ = ‖N2 x‖ ‖x‖ ≤ ‖N2‖ ‖x‖2 für allex ∈ H, und das impliziert ‖N‖2 ≤ ‖N2‖. Da die umgekehrte Ungleichung immer gilt, folgt sogar dieGleichheit, und deshalb folgt r(N) = ‖N‖ genau wie im Beweis von Satz 4.5.5. 2

Satz 4.6.5 (Entwicklung von normalen kompakten Operatoren) Sei H ein Hilbertraum, und seiK ∈ L(H) \ {0} kompakt. Genau dann ist K normal, wenn es ein endliches oder abzählbar unendlichesOrthonormalsystem (en)n∈J sowie Zahlen λn 6= 0, n ∈ J , gibt, für die die Darstellung (4.5.3) gilt. Istdies der Fall, dann jedes en Eigenvektor von K zum Eigenwert λn, und KernK = {en : n ∈ J}⊥. Deradjungierte Operator K∗ ist dann gegeben durch die Entwicklung

∀ x ∈ H : K∗ x =∑n∈J

λn 〈x, en〉 en . (4.6.1)

Beweis: Sei zunächst K als normal angenommen. Dann können wir wegen Satz 4.6.4, genau wie imselbstadjungierten Fall, ein zuK gehöriges System (en, λn)n∈J von Eigenwerten λn 6= 0 und Eigenvektorenen wählen, wobei allerdings jetzt die Eigenwerte nicht unbedingt reell sein müssen. Sei U = span {en}.Dann zeigt man wie im Beweis von Satz 4.5.8, dass K die Räume U und U⊥ in sich abbildet, so dassdie Restriktion K1 von K auf U⊥ ein normaler Operator mit σ(K1) = {0} ist. Daraus folgt aber ‖K1‖ =

49

r(K1) = 0, also K1 = 0. Daher gilt die eine Richtung der Behauptung. Zur Umkehrung sei (4.5.3)angenommen. Dann de�nieren wir einen Operator K durch die Reihe in (4.6.1), welche o�enbar für allex ∈ H konvergiert. Dann folgt dass für alle x, y ∈ H gilt 〈K x, y〉 = 〈x,K y〉, woraus K = K∗ folgt. Weiterfolgt

K (K∗ x) =∑n∈J

|λn|2 〈x, en〉 en = K∗ (K x) ,

und deshalb istK normal. Durch Einsetzen von x = em und Benutzen von 〈em, en〉 = δmn folgt schlieÿlichK em = λm em für alle m ∈ J . 2

Wenn man, wie allgemein üblich, die Darstellungsformel (4.5.3) als unitäre Diagonalisierung von K be-zeichnet, so sagt der letzte Satz in etwa, dass ein kompakter Operator K genau dann unitär diagonali-sierbar ist, wenn er normal ist. Dies entspricht genau einem Resultat aus der linearen Algebra.

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Index

abgeschlosseneHülle, 8Mengen, 8

Abstand von Mengen, 13adjungiert, 30Äquivalenz von Normen, 16, 24Arzela-Ascoli, 13Auswertungsabbildung, 21Axiome

einer Metrik, 6einer Norm, 5einer Sesqilinearform, 38eines Skalarprodukts, 26

BX, BX, 16Baire, 14Baire-Raum, 14Banach-Steinhaus, 23Banachraum, 15Basis

Orthogonal-, 32Berührungspunkt, 8beschränkt, 11, 22

gleichmäÿig, 22punktweise bzw. gleichmäÿig, 13total, 11

Besselsche Ungleichung, 35Bidual, 21

c, c0, 15C[a, b], 6C(D), 15Cauchyfolge, 10

d(E,F ), d(x, F ), 13De�nitheit, 5, 6dicht, 8Dreiecksungleichung

für Metriken, 6für Normen, 5nach unten, 7

Dualraum, 17Durchmesser, 11

◦E, E, 8en, 18

Eigenraum, 43Eigenvektor, 43Eigenwert, 43eindeutige Lösbarkeit, 39Einheitskugel, 16ε-Umgebung, 7erster Art, 40euklidische

Norm, 6euklidischer Raum, 26

F∞(D), 15F∞(D,X), 15Folgen

-kompaktheit, 11-stetigkeit, 9Cauchy-, 10

FormBilinear-, 38hermitesche, 38Sesqilinear-, 38zweistellige, 38

Fourierkoe�zienten, 36Fourierreihe, 36

allgemeine, 34Fredholm, 45Fredholmsche Integralgleichung, 40Fredholmscher Integraloperator, 17Funktionen von beschränkter Variation, 16

G(T ), 24geometrische Vielfachheit, 46gleichmäÿige Beschränktheit, 13Gram-Schmidtsches Orthog.-Verf., 33Graph, 24graphenabgeschlossen, 24Grenzwert, 9

Häufungspunkt, 8Heine-Borel-Eigenschaft, 13Hellinger-Toeplitz, 47hermitesch, 46Hilbertraum, 28

Prä-, 26Homogenität, 5Hülle (abgeschlossene), 8

51

I, 20IX, 19innerer Punkt, 8inneres Produkt, 26Integralgleichung

Fredholmsche, 40Volterrasche, 40

invertierbar, 19isolierter Punkt, 8Isometrie, 19Isomorphismus, 19

K(x0, ε), 7Kern

o�ener, 8Kernfunktion, 17Kodimension, 31kompakt, 11

folgen-, 11prä-, 11

komplementär, 31Konvergenz, 9

Norm-, 22, 32punktweise, 22schwache, 32

Kreisscheibe, 7Kugel, 7

L(X), 17L(X,Y), 17`∞, 15`p, 10Legendre-Polynome, 36lineare Isometrie, 19Linksshift, 18, 40Lipschitz

-konstante, 9-stetigkeit, 9lokale, 9

Lösbarkeituniverselle, eindeutige, 39

MatrixDarstellungs-, 18inverse, 19

Mengenabgeschlossene, 8kompakte, 11o�ene, 7

Metrik, 6zur Norm gehörige, 6

metrischer Raum, 6Minkowski, 6

Neumannsche Reihe, 20

Norm, 5p-, 6eines Operators, 17euklidische, 6

normal, 48normbeschränkt, 22normierter Raum, 6normkonvergent, 22Normkonvergenz, 32

o�ene Mengen, 7o�ener Kern, 8Operator

adjungierter, 30beschränkter, 17Fredholmscher Integral-, 17hermitescher, 46invertierbarer, 19normaler, 48selbstadjungierter, 46unitärer, 48Volterrascher Integral-, 17

Operatornorm, 17orthogonal, 28Orthogonalbasis, 32orthogonales Komplement, 28Orthogonalisierung, 33Orthogonalreihe, 34

Normkonvergenz, 34Orthogonalsystem, 32

der trigonometrischen F., 36maximales, 35vollständiges, 35von Polynomen, 36

Orthonormalbasis, 32Orthonormalsystem, 32

Parallellogrammgesetz, 27Parsevalsche Gleichung, 35p-Norm, 6Positive De�nitheit, 5, 6Prä-Hilbertraum, 26präkompakt, 11Prinzip der gleichm. Beschränktheit, 23Projektion, 31Projektionssatz, 29Punkt

Berührungs-, 8Häufungs-, 8innerer, 8isolierter, 8Rand-, 8

Punktspektrum, 43punktweise

Beschränktheit, 13

52

Konvergenz, 22

ρ(T ), 41rd (E), 8Rand, 8Randpunkt, 8Raum

Baire-, 14Banach-, 15dualer, 17euklidischer, 26Hilbert-, 28kompakter, 11metrischer, 6normierter, 6Prä-Hilbert-, 26

re�exiv, 21Regeln

für abgeschlossene Mengen, 8Resolvente, 41Resolventenmenge, 41Riesz, 29

SatzFredholmscher Alternativ-, 45Projektions-, 29vom abgeschlossenen Graphen, 25vom inversen Operator, 24von Arzela-Ascoli, 13von Baire, 14von Banach-Steinhaus, 23von der besten Approx., 33von der gleichm. Beschränktheit, 23von der o�enen Abbildung, 24von Hellinger-Toeplitz, 47von Lax-Milgram, 38von Riesz, 29

schwach konvergent, 32selbstadjungiert, 46semilinear, 26separabel, 12Sesquilinearform, 26, 38Skalarprodukt, 26spanA, 28Spektralradius, 41Spektrum, 41

Punkt-, 43Stetigkeit, 9

Folgen-, 9gleichmäÿige, 9Lipschitz-, 9

Submultiplikativität, 19Symmetrie, 6System

Orthogonal-, 32

Orthonormal-, 32

total beschränkt, 11trigonometrisches System, 36

Uε(x0), 7U(x), U0(x), 7Umgebung, 7

o�ene, 7Ungleichung

Besselsche, 35Dreiecks-, 5, 6nach unten, 7

Minkowskische, 6Vierecks-, 7

unitär, 48universelle Lösbarkeit, 39Unterraum, 7

Variation, 16Vervollständigung, 21Vierecksungleichung, 7Vollständigkeit, 10Volterrasche Integralgleichung, 40Volterrascher Integraloperator, 17

Zerlegung, 16zweistellige Form, 26zweiter Art, 40

53