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3 Vorbereiten des Vortrags 3.1 Kliirungen, Termine, Zielgruppenbestimmung Die Einladung Die Einladung hat Sie ereilt. Jemand fragt an, ob Sie geneigt waren, in X- Stadt einen Vortrag zu halten. Vielleicht haben Sie kiirzlich mit einem Kolle- gen, der Ihnen schon immer vie1 bedeutet hat, eine dahin gehende Uberle- gung angestellt. Im Firmenbereich werden Sie der ,,Einladung" kaum aus- weichen konnen und brauchen uber ihre Annahme nicht nachzudenken; im Grundsatz gilt aber auch hier: 0 Vergewissern Sie sich, wozu Sie eingeladen werden und ob sich die Auf- gabe mit Ihren sonstigen Verpflichtungen verbinden la&. Hier einige Fragen, die Sie stellen sollten (wenn die Umstande nicht evident sind): - Wann und wo genau sol1 der Vortrag stattfinden? - In welchem Rahmen (Vortragsfolge, Seminar oder dergleichen) sol1 er stattfinden? - Welche Vortragsdauer (ohne/mit Diskussion) ist vorgesehen? - Wer sind die Horer, welchen Ausbildungsstand oder welche Interessen haben sie? - Wieviele Horer sind zu erwarten? - Wie ist der Horsaal beschaffen? Welches Ambiente ist zu erwarten? - Kann man Transparentemias einsetzen, welche technischen Einrichtungen sind vorhanden? - Welches Ziel verfolgt der Vortrag? - Gibt es ein ,,Drumherum"? Es gibt auch Fragen, die Sie an sich selbst richten mussen: - PaRt der Zeitpunkt zu rneinen sonstigen Terminen? - Auf welche Unterlagen kann ich zuriickgreifen, welchen Aufwand bedeu- tet die Vorbereitung? - Habe ich eine Chance, mich angemessen vorzubereiten? Vortragen Hans F. Ebel, Claus Bliefert Copyright 0 1994 VCH Verlaasaesellschaft mbH

Vortragen in Naturwissenschaft, Technik und Medizin || Vorbereiten des Vortrags

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3 Vorbereiten des Vortrags

3.1 Kliirungen, Termine, Zielgruppenbestimmung

Die Einladung

Die Einladung hat Sie ereilt. Jemand fragt an, ob Sie geneigt waren, in X- Stadt einen Vortrag zu halten. Vielleicht haben Sie kiirzlich mit einem Kolle- gen, der Ihnen schon immer vie1 bedeutet hat, eine dahin gehende Uberle- gung angestellt. Im Firmenbereich werden Sie der ,,Einladung" kaum aus- weichen konnen und brauchen uber ihre Annahme nicht nachzudenken; im Grundsatz gilt aber auch hier:

0 Vergewissern Sie sich, wozu Sie eingeladen werden und ob sich die Auf- gabe mit Ihren sonstigen Verpflichtungen verbinden la&.

Hier einige Fragen, die Sie stellen sollten (wenn die Umstande nicht evident sind):

- Wann und wo genau sol1 der Vortrag stattfinden? - In welchem Rahmen (Vortragsfolge, Seminar oder dergleichen) sol1 er

stattfinden? - Welche Vortragsdauer (ohne/mit Diskussion) ist vorgesehen? - Wer sind die Horer, welchen Ausbildungsstand oder welche Interessen

haben sie? - Wieviele Horer sind zu erwarten? - Wie ist der Horsaal beschaffen? Welches Ambiente ist zu erwarten? - Kann man Transparentemias einsetzen, welche technischen Einrichtungen

sind vorhanden? - Welches Ziel verfolgt der Vortrag? - Gibt es ein ,,Drumherum"?

Es gibt auch Fragen, die Sie an sich selbst richten mussen:

- PaRt der Zeitpunkt zu rneinen sonstigen Terminen? - Auf welche Unterlagen kann ich zuriickgreifen, welchen Aufwand bedeu-

tet die Vorbereitung? - Habe ich eine Chance, mich angemessen vorzubereiten?

Vortragen Hans F. Ebel, Claus Bliefert

Copyright 0 1994 VCH Verlaasaesellschaft mbH

84 3 Vorbrreitett des Vortrags

- Wie komme ich nach X-Stadt, M J t sich die Angelegenheit noch mit an- derem verbinden?

- Wie wird die Reise finanziert?

Beleuchten wir das Stichwort Vorbureitung ( s . auch folgendc Abschnitte). Wer an der Universitat eine neue Vorlesung aufbaut, muB mit einem Zeit- aufwand von ca. 10 Stunden fur die Vorlesungsstunde (45 min) rechnen, das Umsetzungsverhaltnis liegt bei I3 : I . Fur die Ausarbeitung eines 20minuti- gen Fachvortrags veranschlagt z. B. Hicrhold (1990, S. 24) ebenfalls 10 Stun- den, der Faktor ist jetzt uber 30 - eine halbe Stunde Vorhreitungszeit fur I Minute Priisentation! Haben Sie die'?

Geht es ausschlieDlich um Ihren Vortrag, dann ist die Einladung person- lich gehalten. Genauso persiinlich werden Sie Ihre Fragen klaren. Sie konnen aber auch auf eine Tagung zu einer "Invited Lecture" eingeladen werden. In diesem Fall konnen Sie Ambiente und Drumherum den Tagungsunterlagen entnehmen, aber die andercn Fragen bleiben bestehen.

0 Zu einem Kurzvortrug (Diskussionsbeitrag) auf einer Tagung melden Sie sich selbst an.

Eine Einladung, in diesem Fall cinc nicht-namentliche, existiert allerdings auch hier (engl. call for papers). Die erste gedruckte Sendung des Tagungs- veranstalters, die Ihnen zugeschickt worden ist oder die Sie sich besorgt ha- ben, heiRt tatsachlich ,,Einladung". Die Situation ist ahnlich wie bei Publi- kationen in Fachzeitschriften: Zu Ubersichtsartikeln wird man eingeladen, Zuschriften sendet man ein.

Die Anmeldung

Wir nehmen fur das Folgende an, daR Sie die Einladung - gleichviel, wie sie crgangcn ist - annehmen. Die Folge der dadurch ausgclijsten MaDnah- men habcn wir ubersichtsartig in Form einer Checkliste zusammengestellt und zuin leichteren Auffinden am SchluR des Buches abgedruckt (s. Check- liste 1 in Anhang A.1).

In der gedruckten Einladung finden Sie vermutlich ein Formular ,,Vor- tragsanmeldung", durch dessen Einreichung Sie in den Kreis der (poten- tiellen!) Tagungsredner aufgenommen sind. Sie geben das Thema an, zu dem Sie vorzutragen gedenken, schlagen vielleicht die Sitzungsrcihe vor, in die der Vortrag passen konnte, und machen Angaben uber die benotigten tech- nischen Hilfsmittel, Zahl der Dias oder dergleichen. Auch kann sich die Frage

3.1 Klarungen. Termine, Zielgruppenbestirnmung

stellen, ob Sie einen Vortrag oder ein Poster ( s . Abschn. 8 .3 ) anmelden. Schliealich liegt der Einladung oft ein weiteres Formblatt bei, auf dern Sie eine Kurgussung (engf . abstract) Ihres Vortrags niederschreiben sollen; damit verschafft sich das wissenschaftliche Tagungskomitee eine Entscheidungs- grundlage, um Ihre Vortragsanmeldung richtig einzuordnen.

0 Die Tagungsveranstalter behalten sich vor, ob sie einen angemeldeten Kurzvortrag tatsachlich berucksichtigen, d. h. in das Vortrugsprogrumm aufnehmen wollen.

Eine Ablehnung - in diesem Falle konnen Sie die Checkliste wieder verges- sen - erfolgt nur aus triftigen Griinden: etwa, wenn zu viele Anmeldungen eingegangen sind oder wenn der Gegenstand, den Sie fur Ihren Vortrag vorge- sehen hatten, nicht in das Konxpt der Veranstaltung pa5t. (Eine Nichtberiick- sichtigung aus letztem Grund w&e ahnlich, wie wenn ein Manuskript fur eine Publikation abgelehnt wird, weil es nicht bei der richtigen Zeitschrift eingereicht wurde.) Vor allem behalten sich die Veranstalter die Entschei- dung vor, in welche Sitzung der Vortrag integriert werden soll, wann genau also der Vortrag stattfinden wird. Bis Ihnen die Entscheidung dariiber mit- geteilt ist, mussen Sie sich als Anmelder alle Tage des Programms in Ihrem Terminkulender freihalten, auch wenn Sie nicht vorhaben sollten, wirklich die ganze Tagung zu besuchen.

Da5 Ihre Vortragsanmeldung angenommen worden ist, finden Sie in der gedruckten Ankundigung bestatigt, die der Einladung folgt und die das kom- plette Programm enthalt. (Bei gro5eren Tagungen gibt es wahrscheinlich eine erste und zweite Ankiindigung, wobei die erste nur die Plenar- und Haupt- vortrage enthalt.) Eine briefliche Bestatigung, dal3 Ihre Anmeldung zu einem Diskussionsbeitrag oder Poster-Vortrag angenommen worden ist, erfolgt oft nicht. Hingegen wird eine Ablehnung dem Anmelder in jedem Falle sofort mitgeteilt.

Vortragsanmeldungen zu kleineren Fachtagungen sind etwa ein halbes Jahr vor der Tagung einzureichen. Dies bedeutet, daB Ihre Vorbereitung schon friih einsetzen mu5. Mit der Angabe eines Themas ist es oft nicht getan. Wegen der Zusammenfassung, die Sie bei der Anmeldung ubersenden, mus- sen Sie schon zu diesem friihen Zeitpunkt wissen, uber welche Ergebnisse Sie im einzelnen berichten werden, und mit welcher Zielserzung Sie das tun wollen (s. unten).

Diese Konsequenz wird oftmals als widersinnig empfunden und beklagt, birgt sie doch die Gefahr, eine wirklich aktuelle Berichterstattung wahrend

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86 der Tagung gar nicht erst autkonimen zii lassen. Der Sinn einer Tagung solltc es doch sein, sich iiber neueste Ergebnisse und wissenschaftliche Trrges-

themen auszutauschen! Da hilft nur:

0 Forrnulieren Sie Ihre Zusammenfassung so allgernein. daR eher Hinter- grund und Zielsetzung erkennbar werden als Ergebnisse.

So halten Sie sich die Miiglichkeit offen, Resultate vorzustellen, die Sie zum Zeitpunkt der Anmeldung selbst noch nicht kannten. Sollten sich tatsach- lich noch ganz neue Entwicklungen ergeben, so bleibt Ihnen immer noch, von Ihreni fruheren Konzept im Vortrag abzuweichen. Mit Formulierungen wie

,, ... anders als urspriinglich angekiindigt, ..." ,, ... entgegen unseren fruheren Erwartungen muBten wir daher ..."

kiinnen Sie im Vortrag auf diese Situation aufmerksam machen. Das ver- mittelt den Eindruck der Spontanitat und Echtheit und erhoht die Spannung.

In anderen Fallen. in denen Sie es i n der Hand haben, sollten Sie sich sogar die endgiiltige Formulicrung dcs Themas rniiglichst lange vorbehalten und zunachst nur einen Arbeijsjitel Ihres Vortrags zur Verfugung stellen.

Warurn Einladungen und Vortragsanmeldungen so fruh - bei grosen Kon- gressen sind die Fristen noch vie1 Iiinger - erfolgen miissen, hat Neuhoff in seinem Buch Der KongrrJ ( 1989) ausfiihrlich begriindet und beschrieben. Dort finden Sie auch zahlreiche Hinweise zur ,,Philosophie" und ,,Typologie" von Kongressen: Welche Arten von Kongressen (groRe/kleine; breitangelegte/ hochspezialisierte; nationalelinternationale usw.) gibt es? Welche Ziele ver- folgen sie? Als Tagungsredner muB man sich mit diesen Fragen auseinander- setzen, urn nicht spater rnit seiner Darbietung in Schieflage zu geraten.

0 Priifen Sie in den Unterlagen, welche Ziele die Tagung verfolgt, und stim- men Sie darauf Ihren Vortrag ab.

Wenn es sich urn ein Synzposiwi oder urn einen Workshop mit beschrankter T ~ ~ i l n e l ~ ~ ~ ~ r r ; - ~ i h / handelt, steht der Austausch von Experten~vissrrz im Vorder- grund. Hier kiinnen Sie rnit Ihren Ausfuhrungen sehr stark ins einzelne gehen und bcispiclsweise Ihre Methoden genau beschreiben. Bei griiBeren Tagun- gen und Kongressen geht es mehr urn das Vermitteln von Uberblicken, fur die Hiirer um das .,Hineinschnuppern" in Nachbargebiete, um ,,Horizont- erweiterung". Entsprechend sind die Vortrage zu gestalten.

3. I Klarungen, Termine, Zielgruppenhestimmung

0 Legen Sie sich Rechenschaft daruber ab, welche Erwartung Sie mit dem Besuch der Tagung als Zuhorer verbinden.

Dus Vortrugsziel

Wir gelangen zu einer Kernfrage, deren richtige Beantwortung man getrost als das A und 0 des erfolgreichen Vortrags ansehen darf:

0 Versuchen Sie herauszufinden, welche Art von Interesse die Zuhorer an Ihrem Vortrag nehrnen konnen.

Wir haben hierauf schon angespielt, und zwar unter ,,Verstandnis" in Abschn. 1.4. Das Stichwort dort war Anspruchsniveau. In einem wissenschaftlichen Umfeld geht das Interesse damit Hand in Hand: Was kann bei den Zuhorern eines Fachvortrags als bekannt vorausgesetzt werden, was wollen sie noch erfahren?

Was hier auf den Fachvortrag auf einer Tagung gemunzt ist, gilt als ,,Leit- motiv'' fur jede Art von Vortrag oder Prasentation. Schon an der fruheren Stelle haben wir deshalb von unserem ,,Zweiten Kategorischen Imperativ" gesprochen. Vortrage werden nicht um ihrer selbst willen gehalten, sondern weil damit Interessen verbunden sind. Die Zuhorer wollen - jedenfalls im beruflichen Umfeld - etwas erfahren, das sie umsetzen konnen; sie nehmen dazu aus Ihrem Vortrag mit, was fur sie relevant ist, den Rest vergessen sie sogleich wieder.

0 Versuchen Sie, Ihr Informationangebot mit den Interessen der Zuhorer in Einklang zu bringen.

Auf der Tagung konnen Sie sich selbst als Testperson sehen, da Sie dort auch Vortrage anderer anhoren werden. Als Redner lreten Sie auf der Tagung vermutlich nur einmal in Erscheinung. Als Horer werden Sie viele Vortrage besuchen. Welche Themen, welche Vortragenden werden fur Sie interessant sein, nach welchen Kriterien werden Sie ,,Ihr" Programm zusammenstellen, wenn mehrere Parallelsitzungen angeboten werden?

0 Stellen Sie sich selbst als Ihren Horer vor!

Mit dieser Maxime werden Sie vermutlich einen guten, namlich einen ,,borer-

freundlichen" Vortrag halten. Noch etwas ist wichtig schon bei Ihrer Vortragsvorbereitung, gewisser-

maBen der UmkehrschluS des zuletzt Gesagten.

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3 Vorbereiten des Vortrcrgs 88 0 Welches prrsiinliche Ziel verfolgen Sie mit Ihrem Vortrag?

Auf einer Produktvorstellung beispielsweise wollen oder sollen Sie dafiir sorgen, daB bei Ihren Zuhorern der Wunsch entsteht, das Produkt zu besit- Zen. Wenn Sie auf eine Dozententagung gehen, dann ersichtlich in der Hoff- nung auf einen Ruf. Aber es gibt noch andere Antworten auf die gestellte Frage, z. B.: Ich will ideenreich, grundlich, beharrlich, dynamisch, sachkun- dig, iiberzeugend, ausgleichend, risikobereit ... wirken! Auch Klarheit hier- iiber kann Ihnen helfen, eine Linie in Ihren Vortrag zu bringen. (Mehr iiber Zielgebundenheit von Vortragen bei Hierhold 1990.)

3.2 Stoflsurnrnlung und Stoflauswahl

Nachdem Sie sich Rechenschaft iiber Ziel und Zielgruppe verschafft haben, wenden Sie sich der Vorbrrvitung zu. Welche Unterlagen benotigen Sie fur den Vortrag? Wenn Sie eine Kurzfassung verfaBt und eingesandt haben, ist die Frdge schon vorgeklart. Beginnen Sie nunmehr mit der Stoffsnrnrnlung

(Muteriulsummlung). Es geht darum, Ihre Rede zu .,erfinden". (In der klas- sischen Rhetorik - z. B. im ersten Buch Ciceros - wurde die Phase der Stoff- sammlung und -abgrenzung inventio genannt.) Bei einem groaeren Vortrag schadet es nicht, wenn Sie in dieser Phase stets ein Notizbuch oder einen Satz Karteikarten bei sich fiihren; vielleicht stellt sich der Einfall, was Sie noch ansprechen mochten, im nachsten Verkehrsstau ein.

0 Sammeln Sic zunachst, ohne eine Bcwertung oder Ordnung herstellen zu wollen.

Einen Hauptvortrag bestreiten Sie in der Regel nicht nur aus eigenen Ergeb- nissen. Sie brauchen also die Unterstiitzung von Mitarbeitern oder Kolle- gen.

0 Machen Sie Ihre Umgebung auf Ihren Vortrag aufmerksam, damit ande- re Ihnen zuarbeiten konnen, ohne unter Zeitdruck zu geraten.

Sie konnen sich Listen anlegen und vermerken, welche Materialien schon vorliegen und welche noch beschafft werden miissen. Zur Priifung auf VoIl- stiindigkeit Ihrer Sammlung eignen sich zweidimensionale Felder, in deren Zeilen und Spalten Sie Stichworter eintragen. Diese Matrixmethode bietet

3.2 Stoffsammlung und Stoffauswahl

sich besonders zum Vorbereiten von Ubersichten an, in denen nichts fehlen soll: Leere Felder wiirden auf das Fehlen hinweisen. Beispielsweise konnen Sie MeJgrogen gegen ZielgroJ3en oder Synthesemethoden gegen Stoffe stellen.

0 Sammeln Sie lieber zu viel als zu wenig.

Ein paar Gedanken mehr festhalten kostet nicht viel. Nehmen Sie dann eine Gewichtung vor, stellen Sie Rangfolgen her, setzen Sie Prioritaten - selek- tieren und komprimieren Sie (Seifert und Pattay 1991)! Lassen Sie iiber Bord gehen, was doch nicht so wichtig ist; es fehlt dann bewuj't und nicht, weil es ubersehen oder vergessen wurde. Oder sparen Sie weniger Wichtiges fur die Diskussion auf. Der frei assoziierenden schopferischen Phase folgt also eine kritisch-analytische Auswertungsphase.

0 Teilen Sie rechtzeitig Ihren Mitarbeitern - unter Nennung von Terminen - mit, welche Ergebnisse oder Zwischenberichte Sie noch brauchen.

,,Das Gedachtnis ist die Schatzkammer der Beredsamkeit" schrieb Quintilian in einem seiner zwolf Biicher Znstitutio orutoriu (um 50 n. Chr.). Hier sehen wir erstmals einen der Griinde: Gilt es doch, aus tausend Dingen. die man irgendwann in seinen Kopf getan hat, sich jetzt wieder das Richtige einfal- len zu lassen. Die ,,Dinge" miissen dam im Gedachtnis auffindbar verwahrt sein. DaB man heute vieles auch in einem Computer speichern kann, setzt jene alte Feststellung nicht auBer Kraft.

Sie werden entscheiden miissen, welche Experimente oder Recherchen Sie selbst noch abschlieRen miichten. Uberlegen Sie weiter, welchefremden Quellen oder Unterlagen zu beschaffen sind. Ergebnisse anderer Labors wol- len Sie im Vortrag als solche vorstellen oder fur die Diskussion irn Kopf haben. Dazu miissen Sie sie vorher gelesen haben! Wenn Sie die eine oder andere Literuturquelle nachlesen, stellen Sie fest, daR weitere Quellen ein- gesehen und moglicherweise vorher beschafft werden miissen. Wollen Sie mit Ihrem Vortrag aktuell sein, so bitten Sie vielleicht den einen oder ande- ren Kollegen um Vorabdrucke (engl. preprints) von Arbeiten, die zur Ver- offentlichung eingereicht sind oder die demnachst veroffentlicht werden sollen. Fur noch nicht publizierte Ergebnisse wiire ggf. zu fragen, ob sie ver- wendet werden diirfen. All das will rechtzeitig in die Wege geleitet sein, auch irn Zeitalter von Mailboxen und Informationsnetzen kann man den Zeit- aufwand dafiir nicht auf Null reduzieren.

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90 3 Vorbereiteri des Vortrags

3.3 Die drei Formen der Rede

Freie, hulbfreie und gebundene Re&

Wir kommen zu einem weiteren entscheidenden Punkt, der Vortragstechnik. Im folgenden Kapitel (Kap. 4) werden wir uns damit erneut befassen, doch konnen wir an dieser Stelle dem Thema nicht ausweichen. Die Art der Vorbe- reitung - welche Vortrugsunterlugen sind bereitzustellen? - hangt davon ab, wir Sie vortragen werden.

0 Es gibt drei Moglichkeiten, einen Vortrag zu halten: in freier Rede, mit Stichwortzetteln oder nach Manuskript.

I . In derfrrien Rede formuliert der Vortragende, wahrend er spricht (,,den- kendes Sprechen", ,,vorauseilendes" Denksprechm). Gedanken fassen und Gedanken in Worte kleiden finden in einem statt. Was manche hierin zu leisten vermogen, ist erstaunlich. Freies Reden (freier Vortrag) heifit frei- lich nicht unvorbereiteter Vortrag. Der Vortragende hat sich vorher sorg- filtig uberlegt, was er sagen will. Die Worte dafiir, vielleicht sogar die Abfolge der Darbietung der einzelnen Gedanken, findet e r wahrend des eigentlichen Vortrags." Das ,,Denksprechen" erfordert hochste Konzen- tration und setzt Ubung voraus. Einige Politiker scheinen ihre Gedanken in Form von ,,Textbausteinen" mit sich herumzutragen, so dalj sie fast ,,aus dem Stand" einen einstundigen Vortrag, inhaltsschwer und passend zum AnlalJ, halten konnen, den sie nie zuvor in dieser Form geboten haben. Sir sollten sich damit zunachst nur bei kleineren Anlassen versuchen.

2. Beim Vortragen mit Stichwiirtern hat man sich zuvor wichtige Gedanken oder Sachverhalte notiert, um sie dann wahrend des Vortrags frei auszu- formulieren (hufbfreie Krdr; Kiirtrhentechnik). Die Stichworter stehen auf Sticlirvnrtzetteln oder -karten, die in einer festgelegten Reihenfolge .,abgearbeitet" werden; sie sind dazu numeriert. Das Verwenden von

' In einer Betrachtung .,Fortbildnnysschulen fur Theaterdirektoren" sprach Ch. Morgcn- stern - mit Blick aufdie Schauspieler ~ vom ,.Zusammenhang zwischen Him- und Lippen- tltigkeit" und davon, dal3 das ,.gesprochene Wort das Endprodukt eines psychischen Pro- zesses" sei. Er erwartete (mit einern parodierenden oder resignierendcn [Jnterton) von der systematischen Untersuchung dieser Zusamrnenhtinge und Prozesse einen ..viilligen Um- schwung unsrer heutigen Darstellungskunst". Die Uberlrgung war riemlich modern - die meisten Rednerschulen werden heutc von Pqychologen geleitet.

3.3 Die drei Forrnen der Rede 91 Stichwortzetteln - die keineswegs verborgen werden sollten - hat rneh- rere Vorteile, die Sie vielleicht wahrnehmen wollen:

Stichwortzettel sind wie das Netz beim Drahtseilakt (s. Cartoon 19);

sie nehmen die Angst vor dem Steckenbleiben und verhindern beim Ab- sturz das Schlimmste.

Stichwortzettel helfen sicherzustellen, daS nichts Wesentliches beim Vortrag vergessen wird und dal3 die vorgesehene Reihenfolge eingehal- ten wird.

Stichwortzettel zeigen, daS sich der Redner vorbereitet hat, ohne sich einen freien Vortrag zuzumuten; das schmeichelt den Zuhorern, weil sie sich wichtig genommen fuhlen, und macht den Redner sympathisch, weil menschlich.

3. Beim Reden nach Munuskript schliealich ist der ganze Vortrag schon vor- her in Worte gefal3t worden. Man tragt eine Textkonserve vor (Vorlesung, gebundene Rede), Sprechdenken wie bei der freien Rede ist nicht erfor- derlich. Von vielen wird dieses Verfahren als ,,ungekonnt" oder gar an- stol3ig angesehen, unseres Erachtens zu Unrecht: Sehr wichtige Dinge,

Cartoon 19. (Gezeichnet von E. DCvBnyi; gefunden im Programmheft des VIII. Internatio- nal Congress of Immunology, Budapest, 23.-27. August 1992.)

92 3 Vorbereiten des Vortrugs

bei dcnen es auf den Wortlaut ankommt, sollte man nicht der spontanen Wortfindung iiberlassen, das ware vermessen und konnte fur den Redner gefahrlich werden.') Regierungserklarungen werden nicht frei oder nach Stichwortern abgegeben. Auch rnuJ ein nach Manuskript gehaltener Vor- trag keineswegs der Spontanitat ermangeln, so daB die Befurchtung, er werde steril wirken, nicht zwingend ist. SchlieRlich haben herausragende Redner aller Zeiten ihre Reden sorgfaltig vorbereitet. Und viele davon sind der Nachwelt erhalten geblieben, einige aus Epochen, in denen es noch keine Radiomitschnitte oder Pressestenografen gab (Peters 1959) - sie miissen mithin vorher schriftlich aufgezeichnet worden sein. Auch die Ars rhetoricu des Aristoteles war eine Vorlesungsaufzeichnung. Wie im- mer: fur manche kommt dieses Verfahren nicht in Betracht (,,Woher sol1 ich heute wissen, was ich rnorgen sagen will?").

Gleichvicl, woher Sie beim Vortragen Ihre Worte nehmen, Sie brauchen dazu ein gutes und schnell funktionierendes Gedachtnis. Hatten Sie es nicht, dann bliebe Ihnen nur, Augen und Finger auf dem Papier zu halten und etwas Vor- gefertigtes abzulesen - das freilich hatte mit Rede nichts mehr zu tun. Viele Rednerschulen beginnen daher noch heute - wie schon in der Antike - mit dem Uben des Gedachtnisses.

Mehr als ein paar AnstoRe konnen dabei allerdings nicht vermittelt wer- den. Denn Gedachtnisschulung ist Personlichkeitsbildung und als solche eine Lebensaufgabc (Miiller-Freienfels 1972, Vester 1993).

Ubergange

Die drei Verfahren sind nicht so streng getrennt, wie man meinen mochte. Die ,,freie" Rede konnte eine auswendig gelernte sein, gehalten nach einem Manuskript, das der Redner nur nicht mitgebracht hat. Man nennt dies ge- steuerte freie Rede oder Deklamcrtion, und auch gegen diese Form der Rede werden schwerwiegende Bedenken vorgebracht. GewiR besteht die Gefahr, dalJ die Deklamation zu einem ,,Heruntcrleiern" ohne ausreichende Hinwen-

~~ .. ... ~ ~

' Wir stehen mit unserer Meinung nicht allein. Jedenfalls dem Fachvortrag wird einge- raurnt, dai3 es ,,niitig, angebracht und nutzlich sein (kann), sich eng oder vollig an den ge- schrichenen Text zu halten" (Mackensen 1968, S.380), und mil Blick auf das ausgearbeite- te Manuskript, oh es nun zugeklappt oder aufgeschlagen vor dem Redner liegt: ,,Es steht fest, daB viele beriihmte Redner, die ihre Vortrage gleichsam mit dern guten Gewissen der iihergriindlichen Vorbereitung darbrachten, oft den Ruf glanzender Redner besaRen."

3.3 Die drei Formen der Rede 93 dung zur Zuhorerschaft wird, daB eine echte ,,Stimmung" nicht aufkommt. Wir meinen aber, dab es hier nicht urn ein Prinzip geht, sondern urn das ,,Wie" der Ausfuhrung. Manche Redner erreichen mit dieser Technik alles, was man nur erreichen kann (s. Abschn. 4.6). Irnmerhin setzt auch dieses Verfahren eine hohe intellektuelle, dem Sprechdenken ebenbiirtige Leistung voraus: das Auswendiglernen.') Wer ein schlechtes Gedachtnis fur Wortfolgen hat, wird das Sprechdenken im Vergleich zur Deklamation als leicht empfinden.

Selbst wenn keine schriftliche Aufzeichnung existiert, kann sich der Redner mit seinem bevorstehenden Vortrag so intensiv beschaftigt haben, dab er nicht mehr wirklich ,,frei" forrnuliert.

0 Vortragen mit Manuskript heiBt nicht nach Manuskript.

Manche Redner ziehen es vor, ein Manuskript anstelle von Stichwortzetteln auf das Rednerpult zu legen. Das verschafft ihnen die Moglichkeit, jederzeit auf die Formulierungen des Manuskripts als ,,Rettungsanker" zuriickzu- greifen. Ob sie es tun, ist eine andere Sache. Die Entscheidung daruber fallt erst wahrend des Vortrags, und allein darin liegt ein gehoriges MaB an Ursprunglichkeit.

Als Redner konnen Sie die Benutzung des Manuskripts von Ihrer Tages- form abhangig machen. Oder Sie konnen Stellen, die Ihnen besonders wich- tig scheinen (z. B. wortliche Zitate), dem Manuskript entnehmen, wahrend Sie andere frei formulieren. Sie konnen auch Aussagen, bei denen es Ihnen auf den Wortlaut ankornmt, auswendig lernen (z. B. Einfuhrung, SchluB). Bestimmte Elemente, wie die Erlauterungen zu den vorgefuhrten Bildern, haben Sie gar nicht zu Papier gebracht, also verwenden Sie nur fur einen Teil Ihres Vortrags ein Manuskript.

I Bemerkenswerterweise wird das Auswendiglernen oft mit dem ,,HerZen" in Verbindung gebracht, obwohl es in diesem Organ sicher nicht stattfindet (engl. to learn by heart, aus- wendig lernen: ahnlich frunz. apprendre par ceur). Die Sprache scheint hier anzudeuten, dab der auswendige Vortrag - bedient sich seiner nicht auch der Schauspieler und manch- ma1 der Musiker? - als reine Belegung und Abrufung von Speicherstellen im Gehirn kaum vorstellbar ist. Cicero definierte memoria als ,,die sichere Wahrnehmung von Dingen und Wortern in der Seek" (nach Yates 1990, S. 17) - wahrscheinlich riihren die genannten Sprachwendungen aus der alten Rhetorikschule, die uber das ganze Mittelalter bis in unse- re Zeit fortgewirkt hat. Vielleicht sollten wir besser von ,,Inwendiglernen" statt von Aus- wendiglernen sprechen, und diesen Ausdruck findet man tatsachlich in der Fachliteratur (2. B. Muller-Freienfels 1972, S. 98).

3 Vorhereiteri cles V o r t r q s

0 Eine Vortragsmethode, die zwischen dern Einsatz von Stichwortzetteln und dern Vortrag mit Manuskript liegt, ist die Benutzung eines markirr- ten Manuskripts.

Wir gehen darauf nachstehend unter ,,Bereitstellen der Unterlagen" ein. Das Abfassen eines ,,VolItextmanuskripts", gleichviel o b der Vortrag ge-

nauso gehalten wird oder nicht, hat noch einen anderen Vorteil: Sie konnen ein solches Manuskript an Kollegen oder Zuhorer - oder die Pressel) - weiter- geben. Auch kdnnen Sie es bei sich archivieren, und schliefilich konnen Sie daraus eine Publikation rnachen. Dieser letzte Aspekt ist besonders wichtig irn Zusamrnenhang mit der Publikation von KongreJhiindc~rz.

0 Stellen Sie fest, ob von lhnen ein Vortragsmanuskript fur Zwecke der Publikation erwartet wird.

Wie auch imrner: die Entscheidung, wie ein Vortrag gehalten werden soll. sollte sich nach den Urnstanden ebenso wie nach den rhetorischen Talenten des Redners richten. Wir hielten es fur falsch, das eine fur gut und das ande- re fur schlecht zu erklaren. Jeder mu13 fur sich den besten Weg finden, und ein Vortrag eines Redners muR nicht wie ein anderer sein; nur:

0 Entscheiden Sie fruhzeitig, welche Vortragstechnik Sie benutzen werden, und richten Sie Ihre Vorbereitungen danach.

Wie dies geschehen kann, bedarf noch der Erlauterung. Zuvor aber sei ein Blick in eine andere Welt gestattet: die Musik. Auch Musiker kennen drei Arten des Vortrags. Wenn sic ,,amwendig vortragen" (also die Noten im Kopf haben), dann nennen sie das gerne extrmnporieren (s. Cartoon 20); wenn sie ein ,,Manuskript" benutzen, vorn Blurt spielen: und wenn sie ,,frei vortragen", improvisierm. Wenn wir eine Beethoven-Sonate horen, dann horen wir Musik ,,nach Noten". Niernand kame auf die Idee, die Leistung des Pianisten zu schrnalern, weil er sich an die Noten halt. (Oder des Schauspielers, weil er nach ,,Drehbuch" spricht.) Doch zuruck in unseren Horsaal!

0 Gleichgultig. welche Vortragstechnik Sie wahlen, lernen Sie Anfang und Ende Ihres Vortrags auswendig, oder schreiben Sie beide auf.

- . ~~. ~~

1 Fur eine sinnvolle Arbeit von Pachjournalisten sind Vortragsmanuskripte (zu den von ihnen besuchten VortrBgen) unabdingbare Voraussetzung 1s. Schrift Die Fu'c~hwel! und die 0;ffentlichkrit ~ Ein Merkblarr ;ur Pressecirheit bei Kongres.wn und Ftichmgungen (keine Jahresangabe), irn Literaturverzeichnis unter ,,Arbeitskreis Medizinpublizisten"].

3.3 Die drei Formen der Rede 95

Cartoon 20. (Mit freundlicher Genehmigung von Uwe Vaartjes, Munster).

Der erste und der letzte Eindruck, den der Vortragende macht, zlhlen am meisten, da wollen Sie sicher keine Fehler machen. Einfuhrung und Zusam- menfassung sind - wie Start und Landung beim Flug - am anspruchvollsten, da gilt jedes Wort. Auch ist ihnen die hochste Aufmerksamkeit gewil3. Dem werden Sie Rechnung tragen. Fur die ,,Uberzeugungsrede" kann es sogar sinnvoll sein, dall Sie mehrere Abschlusse vorbereiten, um dann den zu ver- wenden, von dem Sie glauben, dal3 er die zwischen Ihnen und Ihren Zuho- rern erreichte Ubereinstimmung am besten wiedergibt.

Bereitstellen der Unterlagen

Das Benutzen von Stichwortzetteln ist von Vielrednern und professionellen Redetechnikern perfektioniert und auch in Buchern beschrieben worden (z. B. in Ruhleder 1986).

0 Fur die Stichwortzettel verwenden Sie zweckmallig nicht zu dunnes Pa- pier; als Stichwortkarten eignen sich Karteikarten im Format A6 oder A7.

Fur die wichtigsten Teiie des Vortrags konnen Sie Kartchen unterschiedli- cher Farbe verwenden, z. B. grun fur die Einleitung, weiB fur den Haupt- teil, rosa fiir den Schlulj (s. auch Abschn. 4.5).

96

Stichwort

3 Vorkreiren des Vortrags

Anmerkung I S / 12

Jede Karte triigt ein Stichwort, das versteht sich. Das ,,Stichwort" mu13 nicht wirklich rin Wort sein, Sie konnen auch eine Wortkette oder eine Uber- schrift notieren (Stichsnekarte). Dazu konnen weitere Informationen kommen (,,Nebenstichworter"; s. Abb. 3- 1). Beispielsweise konnen Sie durch senk- rechte Linien linke und rechte Felder erzeugen. Links steht ein (Haupt-)Stich- wort, nach rechts kommen zusltzliche Erlauterungen, Beweismittel, Zahlen oder weitere Begriffe, die an dieser Stelle des Vortrags ,,lallen" miissen. Schriftzeichen, Symbole oder Bildchen diirfen nicht zu klein sein, damit sie problenilos und schnell zu erkennen und erfassen sind. Manche Vortragen-

Nummer des Transparents I

Hauptstichwon Nebenstichworter I Nummer des Dias I

Zeitvorgabe I

~ Argument I Begriff

D3 Beispiel

Beweis

Definition

Folgerung

Hinweis

usw.

P S t ic h wort

19/ 14

Bedeutung von Symbolen

Spezielles Zahlenbeispiel

Bedeutung eines Bilddetails r usw.

Abb. 3-1. Beispiele fiir Stichwortkarten.

3.3 Die drei Formen der Rede 97 de notieren sich ihre Gediichtnisstutzen in einer Symbolik oder Bildersprache, die wohl nur sie selbst verstehen. Aus der Stichwortkarte wird dann eine Stichbifdkarte.

0 Zusatzerlauterungen auf Stichwortzetteln diirfen das Stichwort nicht ,,er- schlagen". Eine Zusatzinformation, die nie fehlen dad, ist aber die Zetrel- nummer.

Schreiben Sie diese Nummer in das rechte obere Eck des Zettels oder der Karte. Auf Disziplin bedachte Redner verwenden Doppelnummern wie 8/12 und zeigen damit an, dal3 (im Beispiel) die 8. Karte bis zur 12. Minute rei- chen soll. Wir halten diesen Trick - nennen wir ihn Zeitvorgabe - fur sehr nutzlich.

0 Ebenfalls nicht fehlen sollten Hinweise auf Bilder (oder anderes Informa- tionsmaterial), die mit dem Stichwort in Verbindung stehen.

Wieviele Stichwortzettel sind angemessen?

0 Anzustreben ist der Einsatz eines Stichwortzettels fur eine Redezeit von etwa einer Minute.

Wenn Sie in dieser Zeit etwa 8 Satze zu je etwa 12 bis 14 Wortern, also etwa I 0 0 Worter sprechen, liegt Ihr ,,Stichwortanteil" bei 1 % - genugend Raum fur freies Formu1ieren.l) Der weniger Geubte wird mehr Stichworter verwenden, vielleicht fur jeden zweiten Satz eines, entsprechend etwa vier Stichwortzetteln pro Minute. (An dieser Grenze wird das ausformulierte Ma- nuskript die bessere Losung.) In einem Kurzvortrag von 15 Minuten kann man maximal 60 Stichworter abhandeln.

Sie konnen Ihre A6-Zettel auch ,,hochkant" nehmen und je bis zu acht Stichworter darauf schreiben.

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In einem Plenarvortrag von 45 Minuten Dauer kommen wir auf etwa 4500 Worter. In einem wissenschaftlichen Fachvortrag diirfte spatestens jedes zehnte davon ein Fachaus- druck aus dem ,,Idiom" der jeweiligen Disziplin sein, die anderen sind nur der gemein- sprachliche Kitt zu ihrer sprachlogischen Verknupfung. Als Redner miissen Sie sich aber nicht nur auf ca. 500 Termini konzentrieren, sondern auf die 2- bis 3fache Zahl; jeder Terminus ist namlich mit bestimmten ,,Zutaten"- wie Verben und Prapositionen -in Fuch- wendungen mehr oder weniger fest verbunden. Man kann also die vorige Zahl getrost mit 3 multiplizieren: 1500 Fachworter miissen in Ihren RedefluB in einer vorgegebenen Weise an den richtigen Stellen eingebaut werden - eine aukrordentliche Leistung! Gliicklicherwei- se ist man sich dessen als Vortragender kaum bewuRt. Wer zu den Experten eines Fachs gehort, vollfiihrt diese Kur mit Bravour. Jeder andere strauchelt bei den ersten Ansatzen.

98 Auf eine verwandte Methode, die Verwendung von Handzetteln (statt

Stichwortzetteln), gehen wir in Abschn. 4.5 ein.

0 Vortragsunterlagen - glcichviel, ob es sich um Stichwortzettel, Handzettel oder Manuskriptblatter handelt - werden nur auf einer Seite beschrieben.

Sie konnen so besser Ordnung halten und brauchen die nicht mehr benotig- ten Blatter wahrend des Vortrags nur beiseite zu schieben: Das lenkt Sie und die Hiirer weniger ab als Umblattern.

Weniger zu sagen ist uber das Vorbereiten eines Vortragsmanuskri~~ts. Es sollte wie ein zur Publikation einzureichendes Manubkript in doppeltern Zeilenabstand auf A4-Blatter geschrieben werden. Eine Randspalte konnte wiederum fur Stichworter benutzt werden. Ansonsten werden Sie Wichtiges unterstreichen oder, noch besser, mit Murkern in fluoreszierender Signal- farbe ,,anleuchten". Dazu kijnnen Sie verschiedene Farben benutzen, z. B. Rot fur Stichworter, Grun fur (wichtige) Abschnittsanfange und Gelb fur andere wichtige Stellen und Formulierungen.

Sie brauchen dann fur einen 15-Minuten-Vortrag etwa siebcn solcher Sci- ten mit 1500 Buchstaben, wenn Sie die mittlere Wortlange mit 7 Buchsta- ben und die Sprechgeschwindigkeit mit 100 Wortern pro Minute (vgl. oben sowie ,,Tempo, Pausen, Lautstarke" in Abschn. 1.3) ansetzen. Fur ,,Extra- zeiten" - besonders nicht-aufgezeichnete Bilderlauterungen - verringert sich die Lange des Vortragsmanuskripts entsprechend.

Manche Vortragende bevorzugen groBere Schrift als ublich. Mit einer Schriftgrofie von 14 Punkt eines Textverarbeitungssystems kann man einer Sehschwache oder auch der oft schlechten Beleuchtung am Pult begegnen. Gelegentlich ziehen es Redner vor, das Manuskript anders auszugeben als gewohnt: mitjedem Satz am linken Schreibrand beginnend! Zweifellos kann man dadurch das ,,Lesen mit schweifendem Blick" wahrend des Vortrags (s. ,,Lessprechen" in Abschn. 4.6) ungemein erleichtern. Man kann auch Pau- senzeichen (,, l ") eintippen oder zu betonende oder langsam zu sprechende Teile hervorheben, z. B. durch gesperrtes Schreiben. Ob noch weitere An- weisungen von Hand hinzugefugt werden sollen - wie ,,wieder ruhiger werden", ,,spottisch" - entscheide jeder fur sich. Als Vortragender legen Sie sich durch solche MaBnahmen selbst eine Zwangsjacke an, und Ihr Lacheln wirkt vermutlich, wie es dann ist: kunstlich. (Nuchrichrensprecher allerdings erreichen durch solche MaBnahmen in Verbindung mil den genauen Zeit- vorgaben, dafi jede einzelne Nachricht sekundengenau zu Ende geht.)

3.3 Die drei Formen der Rede 99 0 Numerieren Sie die Seiten fortlaufend, indem Sie die Seitenzahlen an gut

sicitbarer Stelle, z. B. oben in der Mitte oder rechts, auf die Blatter schreiben.

ZweckmaRig tun Sie dies von Hand in groRen kraftigen Ziffern - denken Sie daran, was passieren konnte, wenn Ihnen die Seiten aus irgendeinem Grund durcheinander geraten!

Der Text sollte iiberwiegend aus Hauptsatzen mit allenfalls kurzen Neben- satzen bestehen und viele Verben enthalten. Auch so eignet er sich zur Publi- kation! Beim Abfassen des Vortragsmanuskripts miissen Sie unter Umstan- den Ihren sonstigen Schreibstil aufgeben und dem Zweck anpassen (mehr zurn Vortragsstil s. Abschn. 1.2). Statt ,,Nachdem wir sornit die Ursache ken- nen, wollen wir ..." und ,,Weil sich die Ursache so nicht zweifelsfrei klaren lie& muBte ...", konnen Sie sagen:

,,Wir kennen somit die Ursache. Jetzt wollen wir ..." ,,Die Ursache lieB sich also nicht zweifelsfrei feststellen. Deshalb muRte ..."

Sprechen Sie ofter ,,mit Doppelpunkt", als Sie den Doppelpunkt sonst in einern Schriftsatz anwenden wiirden, z. B.

,,Somit steht fest: X ist groRer als Y." (statt: ,,Somit steht fest, daR X groRer als Y ist.")

Eine solche Sprache muB nicht kurzatrnig oder grobschlachtig wirken. Aber sie ist leicht aufzunehmen.') Wenn Sie, z. B. fur einen KongreRband, ein Ma- nuskript vorbereiten, konnen Sie dort noch imrner etwas anders formulie-

' Fur die Freunde des Skurrilen bemiihen wir hier noch einmal Tucholsky aus unserer Uralt-Taschenbuchausgabe (1952) Tucholsky bei Rowohlt, und zwar aus dem vielzitierten Traktat ,,Ratschlage fur einen schlechten Redner". Es heiBt dort: ,.Du m u h alles in die Neben- satze legen. Sag nie: .Die Steuern sind zu hoch.' Das ist zu einfach. Sage: Jch miichte zu dem, was ich soeben gesagt habe, noch kurz bemerken, daB mir die Steuern bei weitem ._: So heifit das." Und: ,,Sprich mit langen, langen Satzen - solchen, bei denen du dich zu Hause, wo du ja die Ruhe, deren du so sehr benotigst, deiner Kinder ungeachtet, vorberei- tet, genau weiBt ...".

Stellen Sie sich vor, Wagner hatte zu Faust statt

,,lch fiihl' es wohl, noch bin ich weit zuriick"

gesagt: ,, Ich wiirde schon sagen, daB ich noch weit zuruck bin" - entsetzlich! (Statt des Kommas nach ,,wohl" hatte ein Doppelpunkt stehen konnen, auch ein Beispiel von Dop- pelpunkt-Sprechen.)

I 00 3 Vorbereiten des Vorrrugs

ren. Niemand heiljt Sie, genau in den Worten zu sprechen, die geschrieben stehn.

0 Ein gutes Vortragsmanuskript kann man auch publizieren, aber nicht jedes fur die Publikation geeignete Manuskript ist ein gutes Vortragsmanuskript.

Plant der Veranstalter eine Publikation, so wird er Richtlinien ausgeben, was die auljere Form des einzureichenden Manuskripts angeht. Unterlagen dazu werden Ihnen moglicherweise vom Verlag, der die Publikation vornehmen wird, zugehen. Sie konnen zu einer reibungslosen und ziigigen Publikation bald nach der Tagung (oder auch schon zur Tagung) beitragen, indem Sie diese Richtlinien beachten (Naheres s. Neuhoff 1989).

3.4 Bild-, Demonstrations- und Begleitmaterial

Bild- und Demonstrationsmaterial

Die Hauptstutzen des wissenschaftlichen Vortrags sind Bilder. Der Einsatz von Bildern macht den Vortrag zum bildunterstutzten Vurtrag oder (kurzer) zum Bildvortrag. Dieser Terminus ist allerdings nicht ublich, man spricht eher vorn Lichtbifdvorfrag und spielt damit auf die Technik an, mit der die Bilder in Szene gesetzt werden: mit Licht auf dem Wege der Projektion. Man darf die Behauptung wagen, daM fast alle Vortrage in Naturwissenschaft, Technik und Medizin heute bildunterstiitzt sind. Auf der nachsten Tagung konnen Sie sich davon iiberzeugen. Wer keine Bilder wahrend seines Vor- trags zeigt, scheint etwas Wichtiges vergessen zu haben, er wiirde seine Zu- hiirer beunruhigen. (Gewilj, friiher ging es auch anders; wir mogen auch heute das Wort Lichtbildvortrag nicht, weil es so klingt, als kame es beim Vortrag darauf an, die Lichtbilder durch Worte zu erklaren - dabei ist es gerade umge- kehrt!)

0 Treffen Sie rechtzeitig eine Entscheidung hinsichtlich der Bildrechnik.

Werden Sie Transparente (Folien) oder Dias zeigen? Die Vor- und Nach- teile beider Bildsysteme werden wir in Kap. 5 erortern. Miiglicherweise sind Sie auch durch die Gegebenheiten am Ort des Vortrags gebunden, erkundi- gen Sie sich! Oder sehen Sie die Einladungsunterlagen darauf an.

Fur einen Vortrag wird man in der Regel nur die eine oder die andere Technik einsetzen, doch gibt es Redner, die sich uber solche ,,Regeln" sou-

3.4 Bild-, Demonstrations- und Begleirmuterial

veran hinwegsetzen. Kurz vor Drucklegung der ersten Auflage dieses Bu- ches erlebte der eine von uns einen hervorragenden Plenarvortrag auf der gemeinsamen Hauptversammlung der deutschen und osterreichischen Che- miker, in dem beide Bildsysteme nebeneinander eingesetzt wurden. Auf einer Bildwand erschienen die Projektionen - freihand gezeichneter! - Transpa- rente; hier handelte es sich zumeist um modellhafte Bildmotive rnit relativ einfacher Linienfiihrung. Auf eine zweite Bildwand wurden Spektren und andere detailreiche Darstellungen als Dias projiziert. Die Bilder der einen und der anderen Serie fugten sich in einer virtuosen Choreografie zu einem Gesarnteindruck zusarnmen.

0 Legen Sie fest, welche Bilder Sie zeigen wollen.

Wissenschaftler, die haufig vortragen, fiihren umfangreiche Dia-Archive oder Folienalben - neuerdings zunehmend auch als Bilddateien ihres Computers - oder beides. Sie versuchen, ihr Bildmateriul modular aufzubauen, d. h. so, da13 man die Bilder unabhangig vom AnlaS und in beliebigen Abfolgen ein- setzen kann, je nach Zweck. In einer Sammlung dieser Art finden sich viel- leicht einige Bilder von vorausgegangenen Anlassen, die fur den neuen Vor- trag wieder verwendet werden konnen. Andere miissen erstmals geschaffen werden. I )

0 Wenn Sie mit der Herstellung der Bilder jemanden betrauen konnen oder wollen, sprechen Sie rechtzeitig Termine ab, und stellen Sie Ihre Ent- wiirfe nicht zu spat zur Verfiigung.

Auch wenn Sie sich selbst ans Zeichenbrett oder an den Bildschirm setzen, tun Sie das nicht in Jetzter Minute". Gute Bilder wollen erarbeitet sein, sie kommen nicht im Handumdrehen zustande. Jedes Motiv sollte genau iiber- legt und handwerklich einwandfrei - technischen und asthetischen Ansprii- chen genugend - entwickelt werden (s. ,,Anforderungen an die Bilder" in

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I In einem lesenswerten Buch iiber Communication in Medicine (Harlem 1977. S. 70) fanden wir eine Schilderung folgender schoner Begebenheit: Ein fur seine Vortragskunst bekannter Wissenschaftler war schon um die halbe Welt gereist, um Uber seine jiingsten Ergebnisse zu berichten. In X-Stadt angekommen, bat er seinen Gastgeber - zu dessen Ver- bluffung - einige Stunden vor dem Vortrag, ihn doch in seinem Hotelzimmer zu besuchen, er brauche seine Hilfe. Die Hilfe bestand in genauer Auskunft uber die aul3eren Umstande (Horsaal. Vortragsdauer) und vor allem die Zuhorerschaft: "How many people would come and what type of people would be there? On the basis of this information he worked for about 2 hours picking out slides and writing down a few keywords. Needless to say his lecture was a great success."

101

202 3 Vorbereireri des V o r t r q s

Abschn. 4.7 sowie Teil 11). Sorgen Sic also dafiir, dab lhnen zu gegebener Zeit f u r alle wichtigen Sachverhalte, die Sie Ihren Zuhiirern in Bildform vor- fuhren wollen, ein Dia oder ein Transparent zur Verfugung steht.

Auf den Einsatz anderen L)rmori.s~rrrtionsmcrrerials (statt von Bildern), etwa in Experimentalvorlesungen, wollen wir nicht naher eingehen (s. Taylor 1988). Ein Abschnitt daruber wiirde am besten von einem Vorlesungs- assistenten verfaljt werden; manche Tricks dieses leider im Aussterben be- griffenen Berufsstandes sind anekdotentrachtig. [Wir vermerken uberhaupt, und mit Bedauern, einen Niedergang der klassischen Exl'erirnerztalvorlesung,

wenngleich eine neue Veroffentlichung im Verlag dieses Buches (Roesky und Miickel 1994) wieder Hoffnung schopfen Ial j t . ]

Schrijiliche Utiterlagen

Eine Art von ,,Begleitmaterial" sol1 uns noch kurz beschaftigen, namlich die schriftlichen Unterlagen, die Sie bei manchen Gelegenheiten Ihren Zuho- rern zur Verfiigung stellen wollen (Teilnehmerunterlugen).

0 Tcilen Sic schriftliche Unterlagen fur die Teilnehmer an Ihrer Vortrags- veranstaltung nicht wiihrend des Vortrag aus.

Das wurde storen. Wenn Sie zu Beginn Ihrer Ausfuhrungen erst einmal bitten, Stapel mitgebrachter Blatter zur gefalligen Bedienung weiterzureichen, mus- sen Sie gerade wahrend der wichtigen Einfuhrungsworte auf die ungeteilte Aufmerksamkcit Ihrer Zuhorer verzichten.

Auch YOT dem Vortrag ausgelegte Unterlagen lenken ab, weil zunachst darin geblattert wird. Am besten stellen Sie die Unterlagen nach dem Vor- trag zur Verfiigung. Kundigen Sie Ihr Material an mit Anrnerkungen wie

,, .._ alle Bilder kiinnen Sie den Unterlagen entnehmen, die ich Thnen nach meinen Ausfuhrungen gerne uberlassen werde ..."

,, ... fur lnteressierte habe ich einige Unterlagen zusammenge- stellt, in denen die wichtigsten Fakten zusammengestellt sind. Ich will sie Ihnen gerne zusenden, wenn Sie mir nach dem Vortrag Ihre Anschrift gehen ..."

Geben Sie auf dem Deckblatt der Teilnehmerunterlagen lhren Namen samt Anschrift, Ort und Datum des Vortrags und das Thema an. Stellen Sie dann einige Kernaussagen Ihrer Ausfiihrungen zusammen, und verbinden Sie diese mit wichtigen Abbildungen, Tabellen und kurzen erlauternden Texten. Die

3.5 Gliederung des Vortrags

Unterlagen sind auch ein geeigneter Platz, um auf zusatzliche eigene Arbei- ten und sonstige weiterfuhrende Literatur hinzuweisen.

Bei einer Management-Prasentation konnen Sie die Unterlagen als Tisch- vorlage einige Tage vor der Veranstaltung zusenden, damit sich Ihre Zuho- rer vorbereiten und ggf. Fragen notieren konnen.

Manche Vortragende bevorzugen halbfertige Unterlagen: In den Kopien, die den Zuhorern zur Verfugung stehen, fehlen wesentliche Zahlen, Beschrif- tungen, Verbindungslinien usw. Die Teilnehmer mussen diese Vorlagen wahrend des Vortrags erganzen und somit besonders aufmerksam Ihren Aus- fuhrungen folgen. Selbstgeschriebenes hat hoheren Erinnerungswert, und ein personliches Skript ist in mancher Hinsicht nutzlicher als Fertigware. Aber dieses Vorgehen halten wir nur bei Schulungsveranstaltungen fur angebracht.

3.5 Gliederung des Vortrags

Bilder gliedern den Vortrag. Deshalb und weil man die Gliederung selbst zu einem Bild machen kann, sprechen wir das Thema an dieser Stelle an.

Schon ehe Ihre Stoffsammlung komplett ist, konnen Sie mit dem Glie- dern (Strukturieren des Stoffes) beginnen.

Dieses Strukturieren ist nichts anderes als der zweite der funf Teile der klas- sischen Rhetorik, die dispositio, die dem ersten, der inuentio, folgt; namlich das ,,Anordnen der aufgedeckten Dinge".') Um zu einer optimalen Anord- nung zu gelangen, konnen Sie sich des Mehrsatz-Schemas bedienen, das wir in Abschn. 2.3 vorgestellt haben. Andere Methoden beruhen auf der Bildung von Ideen-Clustern auf grol3en Papierbogen oder auf dem Sortieren von Ideen-Karten in der optimalen Anordnung (Ebel und Bliefert 1994, Abschn. 2.3.1; Alteneder 1988 spricht in diesem Zusammenhang von Freewheeling, aus dem Englischen fur ,,Freilauf'). Bei anderer Gelegenheit schon festge-

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I Wer jetzt neugierig geworden ist, dem seien auch noch die drei weiteren Teile genannt: elocutio, memoriu und pronunriufio, frei ubersetzt: in Worte fassen, einpragen, vortragen. In der Aufzahlung der funf Teile wird der eigentliche Vortrag als SchluS- und Hohepunkt eines Entwicklungsvorgangs empfunden. Vielleicht kann man die Antwort. die ein beriihmter Prediger auf die Frage gab, wie lange er fur die Vorbereitung einer seiner Predigten brau- che, von daher verstehen. Er sagte: 40 Jahre. - In der christlichen Predigtlehre unterschei- det man ebenfalls funf Etappen der Vorbereitung und des Vortrags von der Kanzel: Exegese, Meditation, Ausfuhrung, Aneignung, Vollzug. Die Parallelen sind unschwer zu erkennen.

103

104 3 Vorhereiten des Vortrags

haltene Notizen auf Karteikarten konnen bei der zuletzt genannten Methode unmittelbar mitverwendet werden. Uberlegen Sie, ob die sachliche Zusam- mengehorigkeit den Aufbau lhres Vortrags oder Referats bestimmen sol1 - manchmal ist eine abweichende Aufbereitung besser vermittelbar.

0 Man kann zwischen dem logischen und dem didaktischen Vortragskonzept unterscheiden.

Es kommt darauf an, wie die Zuhorer den Stoff am besten verstehen, nicht, wie der Stoff ,,an sich" ist. Vielleicht wollen Sie die Zuhorer an gewissen fehlerhaften Ansatzen oder Irrwegen teilhaben lassen, obwohl das zum Zeit- punkt des Vortrags nicht mehr ,,Sache" ist; schlierjlich haben auch Sie aus den Fehlern gelernt. Anders der streng logisch aufgebaute Fachvortrag; e r schreitet - ahnlich wie der Artikel in einer Fachzeitsehrift - von den Pramissen uber Methoden und Ergebnisse zu Ihren Schlubfolgerungen (s.

Abschn. 2.4) voran. Doch auch lings dieser Bahn konnen Sie ,,didaktische", das Verstandnis fordernde Stutzpunkte errichten.

0 Hilfreich ist, wenn Sie den Aufbau Ihres Referats oder Vortrags zu Be- ginn Ihrer Ausfuhrungen als Bild zeigen.

Der Uberblick, den die Zuhorer dadureh gewinnen, erleichtert das Verstandnis Ihres Vortrags. Unter Umstanden k6nnen Sie dieses Bild auch mit einem zweiten Projektor wahrend des Vortrags ,,stehen" lassen. (Diese wirkungs- volle Doppelleinwand-Technik kann man auch auf andere wichtige Bilder und Bildserien anwenden, wofiir wir oben schon ein Beispiel gegeben haben.) Das Bild kann die Form einer Liste ahnlich einem Inhaltsverzeichnis anneh- men (s. Abb. 3-2 a), visuell einpragsamer ist aber eine Darstellung als FlieJ- schema (s. Abb. 3-2 b). Moderne Prasentations-Software bietet vielfaltige Moglichkeiten, solche Schemata am Bildschirm zu entwerfen.

0 Halten Sie niemals einen Vortrag, ohne wenigstens in Gedanken eine Glie- derung dafur entworfen zu haben!

Sie brauchen nicht ein Wort aufzuschreiben, wenn Sie nicht wollen (und wenn Sie sich auf Ihr Gedachtnis und Ihre rasche Formulierkunst verlassen kon- nen). Aber Sie mussen dariiber meditiert haben (wie der Kanzelredner bei der Predigtvorbereitung; vgl. vorstehende F u h o t e ) , was Sie in welcher Rei- henfolge sagen wollen. Errichten Sie also Ihren Vortrag wie ein Haus, nach Plan; nur beim Domino-Spielen 1iIJt man es darauf ankommen, ob und wo der nachste Baustein gesetzt werden kann.

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106 3 Vorbereiten des V o r t r q y

Das Meditieren kann ein In-sich-Hineinhorchen, im Wechsel rnit Phasen des Jauten Denkens", sein; eine Selbstbefragung, die man so lange fortfiihrt, bis die Sinnkontur sich klar und deutlich abzeichnet. [In ihrem Buch Frei reden oknr Angst und Lampenfieher riickt Natalie Rogers (1992) die Stoff- gliederung in den Mittelpunkt der Rcdnerschule; ihr ,,Talk-Power-Programm" der Stoffaufbereitung eignet sich wohl weniger fur wissenschaftliche Fach- vorlriige als fur die Uberzeugungsrede, aber wenn Sie sich zu diesem Ge- genstand noch mehr Anregung wunschen - wir haben nichts konsequenter Durchdachtes dazu gelesen.]

0 Pragen Sie sich die Sinnkontur Ihres Vortrags ein. Schreiben oder zeich- nen Sie die Gliederung auf, wenn Sie sicher gehen wollen.

Meditieren setzt Konzenfrafion voraus: das Abschalten anderer Gedanken, das Abstellen storender AuBeneintliisse und vor allem die intensive innere Anteilnahme und Zuwendung auf den Gegenstand des Vortrags.

Der Konzentration bedarf es natiirlich auch, urn Stichwortzettel oder ganze Vortragsnianuskripte (vgl. Abschn. 3.3) in das Gedachtnis aufzunehmen. Wie Sie diese ,,vierte Stufe der Rede" bewlltigen, ist Ihre Sache. Auch wie langc Sie dazu brauchen und wie oft Sie lhre Rede iiben, kann Ihnen niemand vor- schreiben. Der cine sucht sich wie fur den Probevortrag (s. nachsten Abschn.) eine ruhige Stunde in seinem Arbeitszimmer, der andere geht lieber mit seinen Gedanken und Konzepten in den Wald. Wahlen Sie, wenn Sie diesen Bewe- gunsgdrang haben," eine Wegstrecke ohne Verkehr und Ampeln; denn wenn Sie die Sache richtig machen, sind Sie so in Ihre Gedanken vertieft, dal3 Sie bei Rot iiber die StraBe gehen!

Wir sind hier vom Gliedern zum Einpragen, von der dispositio zur memoria, gesprungen. Der Sprung ist nicht so weit, wie er scheinen mag. Nur was Struktur hat, kann man sich einpragen. Nicht umsonst verknupften die alten Gedachtniskunstler die Stiitzpunkte in ihrem Kopf mit Wegmarken.

I Fur motorisch vcranlagte Menschen gehorl das Gehen zum Denkcn. Von den alten Grie- chen, die am liehsten einherwandelnd philosophierten, iiher die Monche des Mittelalters mit ihren klosterlichen Kreuzgangcn his hin zu vielen Zeitzeugen, Gelehrren ebenso wie Schriftstellern, ist immer wieder belegt worden, wie wichtig ihnen die korperliche Bewe- gung war, uni Gedanken freizusetzen. - Wer einen Text durch Anfertigen eigener hand- schriftlicher Exzerpte, durch stilles odcr halblautes Nachsprechen mil Bewegen der Lippen am besten aufnehmen kann, darf sich ebenfalls zurn ,.rnotorischen Typ" zahlen. Manche Fachleute ziihlcn sclbst das Horen Lur Motorik - schliel3lich Iauft cs auf dcr Gmndlage von Schallwellen und Bewegungen von Rezeptoren im Ohr ab. Fur die eigene geistige Arbeit. auch fur das Vorbereiten eines Vortrags, kann es nicht schaden. sich dieser Zusammenhan- ge fur die optimale Entfaltung des ..lch" bewuRt zu sein.

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107 3.6 Probevortragen

3.6 Probevortragen

Proben oder nicht?

Eine letzte Vorbereitung konnte darin bestehen, daB Sie den ganzen Vortrag vor dem Ernstfalle ,,zur Probe" halten, vielleicht auch, um selbst noch zu gedanklichen Klarungen zu kommen (Sprechdenken als kreative Ubung). Geschieht das ,,im stillen Kammerlein", dann ist die Situation ziemlich kunst- lich. Wenn die Exerzitie einen Nutzen haben soll, mussen Sie den Vortrag laut halten, also tatsachlich mit etwa der Stimmsttirke sprechen wie beim Vortrag selbst. Und das heiRt laut! Meistens hat man die Raumlichkeiten gar nicht, urn dies ungestort, und ohne zu storen, tun zu konnen. Vielleicht gelingt es Ihnen stattdessen, sich die Vortragssituation so intensiv vorzu- stellen, daB Sie Ihre Rede halten konnen, ohne auch nur die Lippen zu be- wegen. Was Sie dann tun, gehort in den Bereich des mentulen Trainings. (Auch bei der Abfassung dieses Buches sind wir ohne die Kunst des Sich- versetzt-Denkens nicht ausgekommen; sie schliel3t die intensive Erinnerung an eine erlebte Situation wie auch die Vorwegnahme einer kommenden ein.) Wir haben mit dieser Methode des ,,sturnmen Sprechens" gute Erfahrungen gernacht, andere offenbar auch (Lemmermann 1992, S. 64).

Ein wichtiges Ergebnis eines Probevortrugs ist die Ermittlung der Vor- tragsdauer.

Zu diesem Zeitpunkt konnen Sie noch etwas gegen einen zu lang geratenen Vortrag unternehmen, namlich kiirzen. Aber lohnt der Aufwand dafiir? Einen Vortrag von einer dreiviertel Stunde Lange zur Probe zu halten, wird Sie anstrengen, wenn Sie die Sache richtig machen. (Wenn nicht, lassen Sie es besser bleiben.) Eine Unterbrechung bringt die Zeitrnessung durcheinander. Sie konnten dem begegnen, indem Sie die ,,Auszeit" mit einer bereitgehal- tenen Stoppuhr messen. Aber auch so ist die Situation durch die Unterbre- chung gefalscht, und Sie fragen sich als kritischer Wissenschaftler zu Recht, was da eigentlich noch gemessen wird.

Uberhaupt muate die Vortragssituation moglichst genau simuliert wer- den, wenn eine zuverlassige Beurteilung herauskommen soll. Beispielswei- se miiBten auch die Bilder an die Wand projiziert und besprochen werden. Lohnt das? Die Proberei kann sogar auf eine falsche Fahrte fuhren. Hierhold (1990) empfiehlt von vorneweg, zum Zeitbedarf der laut (und mit allen Hand- griffen) gesprochenen Probe noch einmal 10 % fur den echten Auftritt hin-

108 3 Vorbereiten des Vortrags

zuzuschlagen, und wenn es sich um eine stark bildorientierte Prasentation handelt sogar 20 % gegenuber dem .,berechneten" Zeitbedarf.

0 Der wirkliche Vortrag wird mit ziemlicher Sicherheit langer dauern als der Probevortrag, weil Sie ohne Zuhorer doch zu schnell gesprochen haben.

Auf Widerwillen stoBt meist der Rat, den Vortrag vor dem Spiegel zu halten, um auch die Mimik und Gestik richtig einstudieren zu konnen. Sein eigenes Bild zu fixieren, ist nicht jedermanns Sache. Wir wissen von hervorragen- den Rednern, die sich der Spiegelubung nie unterzogen haben, weil sie ihnen (wie uns) albern erscheint. Wollen Sic sich kontrollieren und Ihren Vortrags- stil verbessern, gehen Sie zweckmaBig auf einen einschlagigen Kurs.')

Wenn es richtig ist, dalj die erfolgreiche Rede vom Wechselspiel zwi- schen Redner und Publikum lebt, dann mul3te auch dieses beim Probevor- trag zugegen sein. Wir erinnern uns an eine Horfunksendung Der Tribun,2) in der ein erdachter ,,enter Mann im Staat" vor einem leeren Marktplatz nachtens eine Rede probt und sich dazu den Jubel der Masse, Marschmusik und anderes akustisches Zubehor selbst einspielt. Die autosuggestive Wirkung reifit den Redner schlieljlich zu einer Suada hin, in der selbst inhaltsleere Satze Sprengkraft entfalten. Gerne rief man sich - als Horer der Sendung - nachher ins BewuBtsein, dab alles nur literarische Fiktion war. Vielleicht mochten Sie ahnlich vorgehen, dann mussen Sie zuerst akademisches Raunen, Beifallklopfen und FuDescharren als Stimulantien auf Band aufnehmen.

ZeitmaJ

Wir wollen der Frage der Vortragsdauer noch etwas weiter nachgehen. Probe- vortragen ist vor allem bei Kurzvorfriigen in engen Zeitrahmen angezeigt. Da es hier fast auf jedes Wort ankommt, ware es fahrlassig, Ablauf und Zeit-

I Ein zweitagiger Kurs mit Proben vor der Videokamers ist allerdings nicht unter 1000 DM LU haben. * Das Wort (/of., altromischer Fuhrer) lcbt in der Rednertribunc fort. - Die genannte Hiir- funksendung ist einem aus Siidamerika geburtigen Theaterwissenschaftler, Mauricio Kagel, zu verdanken, der sich jahrelang mil der politisch-demagogischen Rhetorik befdfite.

Wer die Demagogie der Rede in Perfektion beherrschte, wissen Deutsche sehr genau: Einer der .,erfolgreiehsten" Redncr aller Zeiten (gemessen an seiner Wirkung auf die Mas- sen und den Folgen dieser Wirkung) war zweifellos Adolf Hitler, der - nach unserer Kennt- nis, und wir vernierken es mit lnteresse - nie eine Rednerschule besucht hat. Vielleicht sollten a u k Historikern auch Rhetoriker und Medienwissenschafiler versuchen, dieses Phanomen aufzuarbeiten; Kagel hat einen Anfang gemacht.

3.6 Probevortragen

einhaltung uberhaupt nicht zu prufen. In mancher Hinsicht mu8 die Vorbe- reitung urn so intensiver sein, je kurzer der Vortrag ist.

Setzen Sie sich Zeitmarken.

Sehen Sie bei einem Kurzvortrag etwa 15 % (etwas uber 2 Minuten) fur die Einfuhrung, etwa 75 % (etwas uber 11 Minuten) fur den Hauptteil und etwa 10 % (ca. I l/2 Minuten) fur die abschlieRende Zusammenfassung vor.

Bei einem 45-Minuten-Vortrag konnten Sie beispielsweise festlegen, daB die Einfuhrung nach 12 Minuten und der Hauptteil nach (insgesamt) 38 Mi- nuten beendet sein miissen. Dann bleiben Ihnen noch 7 Minuten fur Zusam- menfassung und SchluBworte. Den Hauptteil stecken Sie zweckrnahig mit weiteren Marken ab. (Beachten Sie, was wir hier suggeriert haben: mehr Zeit fur die Einfuhrung - ein Viertel der ganzen Redezeit! Manche erfahrene Red- ner verbringen ihre Zeit vor einem gr6Reren Publikum bis zu zwei Dritteln mit einer sorgfaltigen Ein- und Hinfiihrung und verwenden nur den Rest fur die neuen Ergebnisse und technischen Einzelheiten - sie durfen sicher sein, allen Zuhorern etwas zu geben.)

a In den Hauptteil konnen Sie ,,Pufferaussagen" einbauen.

Das sind Teile, auf die Sie zur Not - sollten Sie beim spateren Vortrag die Zeitmarken uberschreiten - verzichten konnen. Es mag geschehen, daR Sie einige davon tatsachlich opfern mussen. Lassen Sie im Vortrag lieber ganze Blocke weg, bevor Sie Zugestandnisse an die Qualitat Ihres Vortrags machen oder anfangen, schnell zu sprechen. Bereiten Sie fur Notfalie ,,Sollbruch- stellen" im Vortrag vor, und stellen Sie sich auf Zwangslagen (die Sie viel- leicht gar nicht zu vertreten haben) ein. Eine Zwangslage ergibt sich bei- spielsweise, wenn der Vortrag erst mit Verspatung beginnen kann und von Anfang an unter Zeitnot steht.

0 Kiirzen Sie nie an Einfiihrung und SchluR.

Umgekehrt konnten einige Aussagen als Reserven bereitstehen fur den - seltenen - Fall, daB Sie zu friih mit Ihren Ausfuhrungen fertig werden sollten.

Der langen Sprechprobe konnen Sie dadurch entgehen, d d Sie nur Einfuh- rung und SchluBteil zur Probe sprechen. So bekommen Sie gerade die wichtigsten Teile des Vortrages unter Kontrolle!

0 Bestandteile des Vortrags, die Sie probesprechen konnen, sind auch Bild- erluuterungen.

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Wenn Sie nicht das ganze Ereignis ubungshalber abspulen wollen, kann es niitzlich sein zu testen, wie lange Sie fur die Besprechung eines typischen Bildes brauchen. Auch selbstcrklarende Bilder, bei denen der Vortragende eine Sprechpause einlegen wird, sind dabei zu beriicksichtigen. Der Routinier wird auf dieses alles moglicherweise verzichten.

Wenn Sie ein Manuskript verwenden, mussen Sie sich wegen des Zeit- mal3es keine groljen Sorgen machen. Sie brauchen nur die Anzahl der Wor- ter abzuschatzen und durch Ihre Sprechgeschwindigkeit zu dividieren und bekommen die Sprechzeit in Minuten. Konnen Sie dann noch mit friiheren Vortragen vergleichen, so haben Sie sich ohne vie1 Aufwand gut abgesichert.

0 Man spricht in der Minute etwa 800 bis 900 Zeichen oder etwas iiber 100 Worter.

Rogers (1992) nennt 150 Worter pro Minute, was nur bedeuten kann, dal3 sie cine gcringere mittlere Wortlange annimmt; das Malj mag im Englischen und im gemeinsprachlichen Bereich stimmen, sicher nicht fur einen in Deutsch gehaltenen Fachvortrag.

Um eine Manuskriptseite (2zeilig geschrieben, ca. 50 Zeichen pro Zeile) vorzutragen, brauchen Sie etwas weniger als 2 Minuten, fur einen 45-Minu- ten-Vortrag miissen Sie rnithin etwa 22 Seiten eines 2zeilig oder etwa IS Seiten eines I zeilig geschriebenen Manuskripts vorsehen. Sind die Erliiu- terungen L U den Bildern im Text nicht enthalten, so vermindert sich die Manuskriptseitenzahl entsprechend.

Ton bnndaujiinhme

Einigen Ausprobierens wert ist auch ein Vortrag in einer Frerndspruche. Wcr seinen erstcn Vortrag in fremder Zunge halt, sollte versuchen herauszu- bekommen, wie er klingt und ob er von den Muttersprachlern verstanden wird. Auch den vorgesehenen Text selbst (wenn er aufgczeichnet ist) sollte man einen Sprachkundigen durchsehen lassen, denn Fehler entstehen auf zwei Ebenen: bei Ausspmche und Intotintion sowie bei Wortwahl und Satzbau.

Hier ist die 7onhnndaufnuhrne zur Probe angezeigt, dercn sprachliche Qua- litat Sie prufen lassen. Dann verbessern Sie sich so lange, bis die Testperson zufrieden ist. Sie konnen auch den umgekehrten Weg gehen und z. B. einen Englander bitten, das englische Vortragsmanuskript auf Band zu sprechen. Das hiircn Sic sich dann - nachsprechend - so lange an, bis Sie glauben, es ahnlich gut zu konnen.

111 3.6 Prohevortragen

Manche Redner setzen die Tonbandaufnahrne auch in der eigenen Sprachc ein, urn die Wirkung eines Vortrags nach Manuskript zu prufen. Dazu soll- ten Sie den auf Band gesprochenen Vortrag wenigstens eine Woche beiseite legen, um ihn dann - Sie werden so zu Ihrem eigenen Zuhorer - aus der zeitlichen Distanz auf sich wirken zu lassen. Klingt das ganze zu ,,geschrie- ben", ist es noch immer moglich, schlecht gelungene Stellen zu verbessern.

Der Vortrag soll sich schwungvoll anhoren. Besonders die Einfuhrung darf nicht fade wirken.

Noch konnen Sie einen ,,nach Nichts schrneckenden" Vortrag aufbessern. Vielleicht konnen Sie hier und da ein Quentchen Humor oder Ironie als Reiz- mittel einbauen. In der Einleitung ist das Moment Uberruschung gefragt. Irgendwie mussen Sie das Interesse der Zuhorer einfangen, die ja zunachst mit eigenen Gedanken beschaftigt sind (die Englander sprechen von "catch interest"; s. auch die AIDA-Formel in Abschn. 2.4). Wenn Sie sich, von einer anderen Arbeit herkornmend, vor das Tonbandgerat setzen, konnen Sie fest- stellen, ob Ihnen dieses Einfdngen gelungen ist - gegebenenfalls nachwurzen!

Sie konnen einen Probevortrag auch dazu benutzen, um die Sammlung der Stichwortzettel oder das Vortragsmanuskript zu einem ,,Drehbuch" auszubauen.

Dazu vermerken Sie auf der rechten Halfte der Stichwortzettel (s. ,,Bereit- stellen der Unterlagen" in Abschn. 3.3) oder am Rande des Manuskripts ent- sprechende Hinweise. Mit den Abkurzungen ,,D" und ,,T" fur Dia bzw. Trans- parent konnen Sie dann am Manuskriptrand etwa anrnerken: ,,D 10 ein" oder ,,T 5 aus". Zusatzlich konnen dort Hinweise stehen wie ,,Licht a d ' , ,,5 s Sprechpause", ,,20-min-Grenze" fur die Verdunkelung des Saallichts, eine besonders wichtige Sprechpause oder eine Zeitrnarke.

Alles Proben und Probieren steht naturlich in einem inneren Widerspruch zurn Ideal des freien Vortrags. Auch hier werden Sie abwagen und Kornpro- rnisse schlie5en mussen.

Generalprobe

Anders als die Spiegelubung ist der Probevortrag vor einer echten Zuhorer- schaft zu beurteilen: Der macht immer Sinn. Wenn Sie einen Arbeitskreis leiten, haben Sie eine gute Moglichkeit. Warurn tragen Sie Ihren nachsten Vortrag nicht zuerst Ihren Mitarbeitern vor? Sie rnachen dann etwas, was

auch Kunstler kennen und worauf sie ungern verzichten - eine Genrrulpro- be. Und wenn Sie Mitarbeiter in einem Arbeitskreis sind, wird Sie der Leiter bestimmt bitten, in einer Arbeitskreissitzung vor der Tagung Ihren Vortrag zum Nutzen aller zu prasentieren. Wir wissen von Firmen, die aus dieser Bitte eine Verpflichtung gernacht haben. Niernand durf als Vertreter der Firrna cinen Vortrag halten, der nicht zuvor zur Probe vor Kollegen gehal- ten und ggf. verbessert worden ist - Ausdruck starken Corporate-Identity- B e w u k e i n s (s. ,,Das Wort und die Karriere“ in Abschn. 1 . 1 ) . - Zur Probe vortragen kann man auch in sehr kleinem Kreis (s. Cartoon 21).

Eine Checkliste der beirn Probevortrag zu priifenden Kriterien findet der Lescr am SchluB des Buches (Checkliste 2 in Anhang A.2).

Cartoon 21. Garland, J.C. 1991. “Advice to Beginning Physics Speakers”, Physics Todoy 42 - 45; S. 44. (Gczcichnet von Michael Ramus; mit freundlichcr Gcnehmigung des American institute of Physics.)