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Wege aus der Krise - Gedanken zur Umweltpolitik 201 Literatur KLosr., F. r:. Oar, S., 1982: Forstrecht. MiJnster: Aschendorff. LEIs.~rR,W., 1983: Waldsterben, Offentlich-rechtliche Ersatzanspriiche. K~51n, Berlin, Bonn und Miin- chen: Heymanns. MaNrv.L, K., 1965: Forstgeschichtliche Beitr~ige.Hannover: M. & H. Schaper. M.&ra'rEL, K., 1982: Forstliche Rechtslehre 2. neu bearb. Aufl. Band I. Melsungen: Neumann-Neudamm. PRtsss, H., 1975: Finanzierungszust~indigkeit des Bundesministers fi~rErn~ihrung, Landwirtschaft und Forsten (BML). Berichte fiber Landwirtschaft 53, 610-635. USSLaR, L. v., 1983: Eine Lagebeurteilung des Waldsterbens aus juristischer Sicht. Unser Wald, 35, 181-184. Anschrift des Verfassers: Dr. RIcHAaDL,~MEL, Rautenstrauchstr. 9, D-5205 St. Augustin 1 IIYF der Krise Gedanken TT | I # * / wege aus - zur umweltpolmK Von U. AMMrR Uber unserer Wohlstandsgesellschaft liegt ein Schatten. Schwer gesch~.digte W~ilder, Nach- richten iiber Umweltkatastrophen - von Harrisburg ~iber Seveso bis zum Dioxin- Sickerwasser in der M/.illkippe Hamburgs - oder Berichte iiber statistisch gesicherte Beein- tr~ichtigungen der Gesundheit (insbesondere Erkrankungen der Atem-Wege) [1] in immis- sionsbelasteten Gebieten triiben die Freude ~ber das wirtschaftlich und sozial Erreichte. Wit k6nnen es getrost often lassen, ob man diesen Schatten als 6kologische Krise oder - wie manche meinen - als Katastrophe bezeichnen soll. Sicher ist, daf~ wir Menschen an unseren natfirlichen Lebensgrundlagen in einem Maf~e Raubbau betrieben haben, wie nie in der Menschheitsgeschichte zuvor. Dabei mug man einriiumen, dat~ wir heute sicher nicht weniger Verantwortung fi~r unsere Umwelt spiiren als friiher -im Gegenteil - aber unsere M6glichkeiten der Umweltzerst6rung sind ins Gigantische gewachsen. Unsere Vorfahren haben Gebirge abgeholzt und der Verkarstung preisgegeben, W~lder fiir Schiffsbau, Salinen und Silberbergwerke geschlachtet, aber sie muf~ten dies alles yon Hand tun - und dies brauchte Zeit. Zeit auch zur Einsicht! Wir haben Maschinen, Chemie, Radioaktivit~it! M6glichkeiten, um auf grof~er Flfiche und mit atemberaubender Geschwindigkeit die Natur zu ver~indern, manchmal irreversibel. Wundert es, wenn wir angesichts di'eser Entwicklung vor unseren eigenen M6glichkei- ten Angst bekommen, wenn wit uns bedroht fiihlen? Aber gibt es Wege aus dieser Krise und wie sehen sie aus? Es gibt sie, aber sie sind lang, miihsam und teuer. Wenn es uns ernst ist, haben wir keine andere Wahl, als Stiick fiir Stfick die Wechsel einzul6sen, die wir in den Jaben des Wachs-, turns und der stiJrmischen zivilisatorischen Entwicktung ausgestellt haben. Ohne vollst~in- dig sein zu wolten, sehe ich folgende Ansatzpunkte f/Jr eine ernsthafte Umweltpolitik: 1. Verbesserung des technischen Umweltschutzes, 2. Uberprtifung der Wachstumsideologie, 3. St~irkere Beachtung 6kologischer Gesetzm~ii~igkeixen und Regulationsmechanismen, 4. Steuerung der Bev61kerungsentwicklung, 5. Bereitschaft zum Verzicht, 6. Verbesserung der Bildung und Erziehung zur Verantwortung gegenfiber der Natur. U.S. Copyright Clearance Center Code Statement: 0015-8003/84/10303-0201 $ 02.50/0 Forstw. Cbl. I03 (1984), 201-206 1984 Verlag Paul Parey, Hamburg und Berlin ISSN 0015-8003 / InterCode: FWSCAZ

Wage aus der Krise—Gedanken zur Umweltpolitik

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Wege aus der Krise - Gedanken zur Umweltpolitik 201

Literatur

KLosr., F. r:. Oar, S., 1982: Forstrecht. MiJnster: Aschendorff. LEIs.~rR, W., 1983: Waldsterben, Offentlich-rechtliche Ersatzanspriiche. K~51n, Berlin, Bonn und Miin-

chen: Heymanns. MaNrv.L, K., 1965: Forstgeschichtliche Beitr~ige. Hannover: M. & H. Schaper. M.&ra'rEL, K., 1982: Forstliche Rechtslehre 2. neu bearb. Aufl. Band I. Melsungen: Neumann-Neudamm. PRtsss, H., 1975: Finanzierungszust~indigkeit des Bundesministers fi~r Ern~ihrung, Landwirtschaft und

Forsten (BML). Berichte fiber Landwirtschaft 53, 610-635. USSLaR, L. v., 1983: Eine Lagebeurteilung des Waldsterbens aus juristischer Sicht. Unser Wald, 35,

181-184.

Anschrift des Verfassers: Dr. RIcHAaD L,~MEL, Rautenstrauchstr. 9, D-5205 St. Augustin 1

I I Y F

der Krise G e d a n k e n TT | I # * /

w e g e aus - zur u m w e l t p o l m K

Von U. AMMrR

Uber unserer Wohlstandsgesellschaft liegt ein Schatten. Schwer gesch~.digte W~ilder, Nach- richten iiber Umweltkatastrophen - von Harrisburg ~iber Seveso bis zum Dioxin- Sickerwasser in der M/.illkippe Hamburgs - oder Berichte iiber statistisch gesicherte Beein- tr~ichtigungen der Gesundheit (insbesondere Erkrankungen der Atem-Wege) [1] in immis- sionsbelasteten Gebieten triiben die Freude ~ber das wirtschaftlich und sozial Erreichte.

Wit k6nnen es getrost often lassen, ob man diesen Schatten als 6kologische Krise oder - wie manche meinen - als Katastrophe bezeichnen soll. Sicher ist, daf~ wir Menschen an unseren natfirlichen Lebensgrundlagen in einem Maf~e Raubbau betrieben haben, wie nie in der Menschheitsgeschichte zuvor. Dabei mug man einriiumen, dat~ wir heute sicher nicht weniger Verantwortung fi~r unsere Umwelt spiiren als friiher - i m Gegenteil - aber unsere M6glichkeiten der Umweltzerst6rung sind ins Gigantische gewachsen. Unsere Vorfahren haben Gebirge abgeholzt und der Verkarstung preisgegeben, W~lder fiir Schiffsbau, Salinen und Silberbergwerke geschlachtet, aber sie muf~ten dies alles yon Hand tun - und dies brauchte Zeit. Zeit auch zur Einsicht!

Wir haben Maschinen, Chemie, Radioaktivit~it! M6glichkeiten, um auf grof~er Flfiche und mit atemberaubender Geschwindigkeit die Natur zu ver~indern, manchmal irreversibel.

Wundert es, wenn wir angesichts di'eser Entwicklung vor unseren eigenen M6glichkei- ten Angst bekommen, wenn wit uns bedroht fiihlen?

Aber gibt es Wege aus dieser Krise und wie sehen sie aus? Es gibt sie, aber sie sind lang, miihsam und teuer. Wenn es uns ernst ist, haben wir keine

andere Wahl, als Stiick fiir Stfick die Wechsel einzul6sen, die wir in den Jaben des Wachs-, turns und der stiJrmischen zivilisatorischen Entwicktung ausgestellt haben. Ohne vollst~in- dig sein zu wolten, sehe ich folgende Ansatzpunkte f/Jr eine ernsthafte Umweltpolitik: 1. Verbesserung des technischen Umweltschutzes, 2. Uberprtifung der Wachstumsideologie, 3. St~irkere Beachtung 6kologischer Gesetzm~ii~igkeixen und Regulationsmechanismen, 4. Steuerung der Bev61kerungsentwicklung, 5. Bereitschaft zum Verzicht, 6. Verbesserung der Bildung und Erziehung zur Verantwortung gegenfiber der Natur.

U.S. Copyright Clearance Center Code Statement: 0015-8003/84 /10303-0201 $ 02.50/0 Forstw. Cbl. I03 (1984), 201-206 �9 1984 Verlag Paul Parey, Hamburg und Berlin ISSN 0015-8003 / InterCode: FWSCAZ

202 U. Ammer

1 Verbesse rung des t echnischen U m w e l t s c h u t z e s

Es ist/~berhaupt keine Frage, daf~ wir den technischen Umweltschutz brauchen und es ist unbestritten, dat~ in den letzten Jahren Erfolge auf diesem Gebiet erreicht wurden. Beispiele hierfiir sind die Abfallbeseitigung, die Abwasserreinigung, die Entstaubung der Luft, die Reduktion des Bleigehaltes im Benzin oder der Ersatz einiger gef~ihrlicher Umweltgifte wie DDT, Endrin u. a. Unbestreitbar ist aber auch, daflo der Stand des technischen Wissens in weiten Bereichen nicht ann~ihernd ausgesch6pft ist. Japan, das ebenso wie wit auf den industriellen Export angewiesen ist, hat dies nicht nut auf den Gebieten der Entschwefe- lung yon Kraftwerksemissionen und der Autoabgasentgift, ung eindrucksvoll gezeigt.

Wit kranken noch immer daran, daf~ wir die nati~rlichen Ressourcen ohne Wert, zum 0-Tarif, in unsere betiebswirtschaftlichen Katkulationen einsetzen. Wenn wir uns dazu verstehen k6nnten, die Umweltbelastungen den Produkten bzw. ihren Herstetlern mit den Kosten anzulasten, die ihre Beseitigung verursacht, dann wi~rde allein der marktwirtschaft- liche Mechanismus daf6r sorgen, daf~ riskante oder gef~ihrliche Entwicklungen gar nicht erst entsttinden. Der Okonom BoNus hat hier neue Wege gewiesen und beispielhaft L~Ssun- gen aufgezeigt [2]. Sicher kann r sotche Strategie nicht yon heute auf morgen und ohne Kompromisse realisiert werden; um so wichtiger ist, daf~ wit gelegentlich ein wenig cou- ragierter nachhelfen, wenn umwelttechnische Entwicklungen nicht in Gang kommen wol- ten. So wie jeder Sch/51er und jeder Student das Zeugnis oder die Pr/ifung als Stimulanz fiir das Lernen braucht, so brauchen wit alle und auch die Industrie den Druck der Verord- nungen und Gesetze. Wit werden es uns nicht mehr teisten k6nnen, den gemeinsamen Nenner fiir Gesetze und Verordnungen nach dem Prinzip des ,,kleinsten gemeinschaftli- chen Vielfachen" zu suchen. Das Abwasserabgabengesetz, oder die erste Novelle zur TA Luft 1974 sind besonders traurige, jedoch keineswegs seltene Beispiele fi.ir eine solche Praxis.

Der Umweltschutz daft nicht als 15stige Bremse wirtschaftlicher Entwicklung gesehen werden, er muflo vielmehr begriffen werden als eine Chance der Wirtschaft, als eine Her- ausforderung an den technischen Fortschritt.

2 Die f J b e r p r o f u n g unse re r Wachs tums ideo log ie

Kaum ein Begriff ist in den letzten Jahren so kont,-overs und engagiert diskutiert worden wie dieser. Nullwachstum und qualitatlves Wachstum waren die Schlagworte. Und eben in diesen Tagen erteben wit eine Wachstumstrag6die yon europ~iischer Dimension; gemeint ist der Agrarmarkt. Ein gleichermal~en iSkonomisches wie (~kologisches Trauerspie[! Ist es zu verstehen, daf~ wir durch Marktordnungen und finanzielle Garantien eine Produktion yon landwirtschaftlichen Erzeugnissen angeregt und diese fiber Jahrzehnte untersti~tzt haben, eine Produktion, bei der mit irnm0.r fragwLirdigeren Methoden (Dfinger, Biozide, Massentierhaltung, Antibiotika) immer mehr Lebensmittel erzeugt werden, yon denen ein Teil mit immer h6heren Kosten beseitigt werden mull

Warum erzeugen wit nicht weniger und dieses risikodrmer und gesander? Well es dann teurer w~.re? Wie eigenartig! Der Preis eines einfachen Automobils hat sich in den letzten 25 Jahren fund verdreifacht - d e r Getreidepreis ist seit 1952 nahezu konstant geblieben. Vern/.inftigerweise mi/l~,te man meinen, daf~ eine gesunde, gute Kost wenigstens ebensoviel wert sein sollte, wie diejenigen Gegenst~.nde unseres t~iglichen Lebens, die man haben muf~ oder auch nicht!

Ob wit nicht doch anfangen miissen, auch beim Wachstum nach der Qualit~it zu fragen? Und nach meiner Oberzeugung gilt dies nicht blof~ f'fir die Landwirtschaft; dies gilt auch und in besonderem Maf~e ffir die Wirtschaft. Okologisch orientiertes Wachstum k6nnte heit~en, unsere Wirtschaft so weiterzuentwickeln,

Wege aus der Krise - Gedanken zur Umweltpolitik 203

- dad umweltfreundliche Technologien bevorzugt werden, - dad Verfahren Anwendung finden, die eine Verringerung des Rohstoffeinsatzes erlauben,

und - daD Energie gezielter und rationeller eingesetzt wird [3].

3 Starkere Beachtung 6kologischer Gese t zm~igke i t en und Regula t ionsmechanismen

Es ist an der Zeit, daD wit begreifen, daD wit auf Dauer nicht gegen die Natur arbeiten k6nnen; wit mfissen uns vielmehr auf die Regulationsmechanismen besinnen, mit denen die Natur ihre (3kosysteme steuert. Eine solche Strategie wird uns helfen, auf eine Vielzahl yon fragwfirdigen Eingriffen, vor allem auf chemiche Pr~parate, deren Langzeitwirkungen in der Regel nicht oder nicht ausreichend bekannt sind, zu verzichten.

Hierzu ein Beispiel: Mit dem Aufkommen der Herbizide hat man die Ackerunkr~iuter in den Getreidefeldern fast vollst~indig ellminiert. Es entstanden ,,Reinkulturen" yon Wei- zen, Gerste oder Haler, und die Folge war, dad die sogenannten Fugkrankheiten (Getrei- depilze, die sich auf den bodennahen Bereich der Halme bzw. auf die Wurzeln spezialisiert haben), zugenommen haben. Zur Bek~impfung dieser Getreidefuflpilze wurden Spritzungen mit Fungiziden notwendig. Bei gleichzeitig zunehmendem Mineraldfingereinsatz nahmen auch Halmbruch- und Blattkrankheiten (Mehltau und Getreiderost) zu, auflerdem kam es dutch den Verlust an Stabilifiit zu I.agerfrucht. Die Bek~impfung der Halmbruch- und Blattkrankheiten erforderte eine weitere Behandlung mit Pilzgiften. Um der Lagerfrucht, d. h. also dem Umfallen des Getreides dutch den Wind vor der Reife, vorzubeugen, hat die chemische Industrie sogenannte Halmverki2rzer angeboten. Die Anwendung dieser Pr~i- parate hat dazu geffihrt, dad das Stroh ki2rzer wurde, d. h. die Ahre n~iher an die Bl~itter und Wurzeln heranrfickte. Heranriickte mit der Folge, dad die Rost- und Blattkrankheiten nun auch auf die ,'khren iibergegriffen haben; das Ergebnis war, daf~ bei intensivem Getrei- deanbau nun auch die ~'/~hrenkrankheiten bek~impft werden m~issen [4].

Nun zeigen neuere Untersuchungen, dag mit einem gewissen Anteit an Unkr~iutern eine Vielzahl yon Ni~tzlingen erhalten und das Erkrankungsrisiko dutch Getreidepilze reduziert werden kann.

Was mit diesem Beispiel gesagt sein soil, ist dies: wenn wir nicht immer noch raehr spritzen, st~iuben und vergiften wollen, dann miissen wit Wieder mehr auf die nati.irlichen Regulationsmechanismen zuri~ckgreifen. Mit einigen Schlagworten heiDen diese: Frucht- wechsel, St,~rkung des Humustonkomplexes im Boden, Ersatz mineralischen Stickstoffes dutch die Bindung yon Luftstickstoff mit Hilfe yon Leguminosen, Schutz der Natzlinge durch weit- gehenden Verzicht aufdieAnwendung der Chemie im Landbau. All dieses zusammengenom- men, k6nnte ein Weg aus der Krise also darin bestehen, die agrarische Produktion in einem ganz hohen Mafle auf 6kologisch unb~denklicher Basis vorzunehmen und dabei qualitativ hochwertige Nahrungsmittel zu erzeugen. Allerdings: diese Produkte miJDten erbeblich teu- rer sein als die gegenw~irtig produzierten, denn eine an blologisch-6kologischen Grunds~it- zen orientierte Landwirtschaft mud sich im Durchschnitt mit 70 bis 80% der Ertrage begn~igen, die auf konventionelle Weise erzeugt werden, und eines mug ganz deutlicb_ gesagt werden: die Zeche f/it den notwendigen Ausstieg aus der landwirtschaftlichen Ober- fluDproduktion und die Umstellung auf einen biologisch bestimmten Landbau kann nicht der Landwirt bezahlen! SchlieDlich sirld wir es, die ihn gezwungen haben, immer mehr und immer billiger zu produzieren. Eine solche an biologisch-~Skologischen Grunds~itzen orien- tierte Landwirtschaft wi~rde nicht nur die enormen Lagerhaltungs-, Verteilungs- und Be- seitigungskosten sparen, sie wiJrde auch garantieren, daf~ unsere B6den gesund bleiben und die schleichende Verseuchung des Grundwassers durch steigende Nitratgehalte (eine 1982 in Baden-WiJrttemberg durchgefi~hrte Erhebung ergab, dad bereits rund 3 % aller fiir die

204 U. Ammer

~Sffentliche Wasserversorgung genutzten Fassungen Nitratgehalte von mehr als 50 mg/t aufweisen [5]) aufgehatten werden kann. Dies allein miil~te uns die Verteuerung landwirt- schaftlicher Produkte wert sein!

4 S t e u e r u n g der Bev()lkerungsentwicklung

Um es einmal fiberspitzt zu formulieren: wenn auf dem Quadratkilometer nur ein Einwohner leben wiirde, g~ibe es keine Umweltprobleme! Das, was dieser Einwohner an Abfall und Abwasser produziert (yon chemischen Produkten abgesehen), kann die Natur durch ihre Selbstreinigungsmechanismen entgiften. Mit dieser Feststellung soll gesagt sein, daft wir auch auf dlesem Gebiet die Wachstumsschraube anhalten m~ssen. Im Mittelalter haben Hungersnme, Seuchenzuge und hohe Kindersterblichkeit die Bev61kerungsentwicklung regu- liert und in manchen Liindern der dritten Welt tun sie es noch. Wir haben diesen grausamen Regulationsprozef~ der Natur durch unsere medizinischen Erfolge auger Kraft gesetzt. Gliicklicherweise. Dies zwingt uns aber dafiir zu sorgen, daf~ die Balance zwischen Na~ur und Mensch auf andere Weise wieder hergestellt wird. Und dies gilt nicht nur for die Liinder der dritten Welt, dies gilt auch f(ir unser Land. Die im politischen Raum immer wieder ge~iu- ferten Bef/.irchtungen, dal~ unsere Bev61kerungsentwicklun~,.in der Bundesrepublik sta- gniert oder riickl~iufig ist, sind angesichts der 6kologischen Uberlebenschancen ganz un- verst~.ndtich, und auch der Hinweis auf das sogenannte Rentenprobiem ~indert daran nichts, well eine Bev61kerungsverringerung schon aus arbeitsmarktpolitischen Gr/.inden zwingend notwendig ist.

5 Bere i t schaf t z u m Verz i ch t

Ffir viele unserer Zeitgenosseri ist dieser Begriff ein Reizwort. Wir haben uns daran ge- w6hnt, yon allem reichlich und immer mehr zu erhalten. Dabei iibersehen wit geflissent- lich, dai~ dieses Mehr oft einen recht fragwi~rdigen Zuwachs darstellt und daf~ wit oft genug an inneren Werten verlieren, was wit an materiellen gewinnen. Trotzdem, es bleibt, daf~ wir unsere Anspr~iche ungern zur~ckschrauben! Hand auf's Herz, wer w[irde auf sein Auto, ~.uf Olheizung, Licht, elektrischen Strom verzichten? Wahrscheinlich noch nicht einmal dann, wenn bewiesen w~ire, daf~ ohne solchen Verzicht unsere Enkel sich kaum noch mit Pferd und Wagen bewegen k6nnten. Abet soweit brauchen wir gar nicht zu gehen, noch nicht! Was hier gemeint ist, ist nicht ,sin neorornantisches Zur~ck im Sinne" Rousseaus, ein Leben auf dem Niveau friihgeschichtlicher Kulturen, sondern der Verzicht auf ~Skologisch hochgef~hrliche, im Grunde abet relativ unwichtige Dinge: das ,,Hantieren" mit Treibgas, das den fi.ir uns lebenswichtigen Ozonschild anzligreifen scheint, die Verwendung von Bleichmitteln und Weift6nern in den Waschmitteln, die unsere Fl(isse verschmutzen, die immerhin noch bis Herbst 1985 zugelassen~ Anwendung des Pflanzenschutzmittels 2,45T, bei dem als Nebenprodukt TCDD (Tetrachlordibenzo-p-dioxin), das beriichtigte Seveso- gift, entsteht [6], und schliel~lich ist auch die Erzeugung yon elektrischer Energie mit einer Technologie gemeint, fiir die - v o n Katastrophen einmal ganz abgesehen - immer noch die Beseitigung der Abfallstoffe im Sinne einer Endlagerung ungel6st ist. Bei letzterem Beispiel w~ire nicht einmal Verzicht, sondern nur ein wenig Sparsamkeit notwendig, um nach den Berechnungen ernstzunehmender Fachleute den Energiebedarf bis zur Jahrtausendwende zu sichern.

Zu diesem Verzicht geh6ren aber auch ganz ,harmlose" Dinge, wie die in Zuriickhal- tung umgesetzte Einsicht, dai~ der noch verbliebene Lebensraum freilebender Tiere und Pflanzen nicht grenzenlos dutch eine reiche Freizeitgesellschaft eingeengt und in ihrer Existenz gef~ihrdet werden darf, sei es durch Skilangl~iufer, Jogger, Surfer, Tourengiinger oder Tief- schneefahrer [7].

Wege aus der Krise - Gedanken zur Umwel tpol i t ik 205

6 Bi ldung und E rz i ehung z u r V e r a n t w o r t u n g gegeniiber der N a t u r

Wenn man davon ausgehen darf, dag die meisten Menschen die Zerst6rung oder Geffihr- dung unserer Umwelt nicht b6swillig betreiben, bleibt nur der Schluf~, daft dies aus Un- wissenheit geschieht. Wege aus der Krise miJssen deshalb nicht zuletzt begleitet seln yon einem Mehr an Information und 6kologischem Wissen. Wer weifl, wie natiirliche Okosy- sterne funktionieren, wie und wo der Mensch in diese natiirlichen Regulationsmechanismen eingreift, wird sensibel und vorsichtig gegeniiber der Vielzahl der antropogenen St6rungen! Informiert und umweltpolitisch engagiert zu sein, ist aber auch aus einem anderen Grunde notwendig: diejenigen politischen Kriifte, die sich in unserer Demokratie - und dazu gibt es keine Alternative - fiir einen progressiven und verniinftigen Schutz unserer natiirlichen Lebensgrundlagen einsetzen, brauchen die Besditigung durch den W~ihler. Niemand kann auf die Dauer gegen den Strom schwimmen. Das sollten wir fairerweise sehen und die Vers~iumnisse der Vergangenheit, die wir beklagen, nicht einfach denen in die Schuhe schieben, die wir mit der Wahrnehmung unserer Interessen beauftragt haben; wit waren doch mit vielem, das uns heute sehr problematisch vorkommt, sehr zufrieden! Ich glaube, wit machen es uns zu einfach, wenn wir alle technischen, 6konomischen und zivilisatori- schen Fortschritte - oder das was wit dafi~r halten - einfach miterleben, um nachtr~iglich v611ig iiberrascht zu sein, wenn die Folgen das biochemische oder 6kotogische Gleichge- wicht in gef~ihrlicher Weise verschieben.

Diese Einsch~itzung nimmt dem politisch Verantwortlichen nichts yon seiner Verpflich- tung, vorauszudenken und notfalls Unbequemes vorzuschlagen oder zu verlangen. Aber man darf annehmen, dag er dies um so engagierter und mutiger tun wird, je mehr er sich verstanden und akzeptiert fiihlt.

Im Rausch des Wachstums und im Glauben an die technische Machbarkeit haben wit in den letzten 50 Jahren ein beachtliches Defizit an Umweltvorsorge hervorgebracht und den Sch6pfungsauftrag ,,Machet Euch die Erde untertan" griindlich migverstanden - und tun dies noch!

Gleichzeitig darf man wohl feststellen, dal~ - zumindest in Westeuropa - noch nie so viele Menschen beunruhigt fiber das nachgedacht haben, was mit dem St/ickchen Natur geschieht, das sic umgibt. Darin liegt Hoffnung. Abet zur Besserung ist mehr notwendig als das Herumbasteln an Symptomen. Das hat uns nicht zuletzt das Waldsterben gelehrt. Den- noch: vielleicht ist gerade das Waldsterben die Chance zur Umkehr, vielleicht miissen wir einen grol~en Teil unserer Wiilder verlieren, um zu begreifen, daf~ die Fortsetzung unserer bisherigen Art zu leben t6dlich w~re.

Eine Kurskorrektur, die ja viele wollen, ist deshalb so schwierig, weil es kein Patentre- zept gibt, sondern weil st~indig neu entschieden und abgewogen werden mug, was not- wendig und vertretbar ist und weil es in aller Regel lange braucht, bis sich der Erfolg einstellt. Umweltpolitik eignet sich yon der Natur der Sache her nicht fiir Schlagzeileva und kurzfristige Erfolge - wenn man von'der Verkiindigung von Programmen absieht! Sic ist eine langfristige, mi/hsame Angelegenheit, verbunden mit dem Problem, daf~ andere die Frtichte unserer Arbeit und unserer Entbehrungen ernten werden! Forstteute wissen das, weil sie immer nur das ernten konnten, was ihre Vorg~inger gepflanzt und gepflegt haben. Alle, die Verantwortung for die naeh uns folgenden Generationen sp/~ren, brauchen den Mut, einige von den Wegen zu gehen, die aus der Krise Rihren, auch wenn uns der Erfolg nicht garantiert ist!

Zusammenfassung

Die 6kologische Krise zwingt zu einer Oberprtifung unserer Umwettpolitik. Wir miissen uns fragen, ob wit nicht deutlicher und - wenn es sein mug - schmerzhafter zupacken mtissen, um irreversible Schliden an unseren natiirlichen Lebensgrundlagen zu vermeiden. Die Verbesserung des technischen Umweltschutzes, die Korrektur unserer Wachstumsvor-

206 U. Ammer

steUungen, eine st~irkere Beachtung 6kologischer Gesetzm{igigkeiten, die Steuerung der Bev61kerungsentwicklung und eine Erziehung zu mehr Verantwortung gegenfiber der Natur k6nnten Wege aus der Krise sein.

Summary

Methods to overcome the crisis - thoughts on env i ronmenta l pol icy

The ecological crisis forces us to think our environmental policy over. We have to wonder, if we need to act more powerful - and if necessary - e.ven more painful, to prevent irreversible damages on our naturai life resources. The improvement of the environmental protection technology, the rectification of our economic growth conceptions, a stronger consideration of ecological principles, the control of population growth, a better education to take more reponsibility for nature might show ways to overcome the crisis.

Li tera tur

1. Ministeri~m f/.ir Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NW, Dortmund, Luftreinhalteplan Ruhrgebiet - Os~ 1979bis 1983.

2. BoNus, H., 19S0: Emissionsrechte als .Mittel der Pr{vatlsierung 6ffentlicher Ressourcen aus der Umweh. Fakult~it f~r Wirtschaftswissenschaften und Statistik, Universit~it Konstanz. Diskussions- beitr~ige, Serie B, Nr. 10, 295.

3. S,~'.~,~.Ns, P. v., 1983: Okologie mit Okonomie - Wirtschaftswachstum ffir eine gesunde Umwelt. Vortrag anl~t~lich des XI. Symposiums der Ludwig-Erhard-Stiftung e. V. Bonn. Neue Wege in der Umwehpolitik. Unver6ffentlichtes Manuskript, S. 26.

4. Scrtuu, A., 1979: Landwirtschaft und Agrarpolitik zwischen Okonomie und ()kologie. Forstw. Cb[. 3, 98, S. 139-148.

5. Landesanstalt f/3r Urnweltschutz, Baden-Wfirttemberg, 1983: Zweiter Umwehqualit~itsbericht 13a/ Wii. S. 315.

6. Bundesministerium des lnnern, 1983: Produktion und Vernichtung yon Dioxin. Umwelt, Infor- mationen des BMI zur Umweltpianung und zum Umweltschutz, H. 93, S. 10-11.

7. AM.~rrt, U., 1983: Erholung und Landschaft - haben wit des Guten zuviel getan? Forstw. Cbl. 4, 102, S. 217-232.

Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. UtRIcH AMMErq Institut for Landschaftstechnik, Winzererstrage 45, D-8000 M/hachen 40

Mitteilung

Forstliche Hochschulwoche 1984 in Miinchen

Die diesj~ihri2e Forstiiche Hochschulwoche wird in der Zeit yore 24.-26. 10. 1984 yon der Forstwis- senschaftlichen Fakultkit der Ludwig-Maximilians-Universit~it M/.inchen veranstaltet.

Tagungsprogramm Mittwoch, 24. Oktober 1984, 10 Uhr c. t. (H/Srsaal 201 im Hauptgebfude, Eingang Adalbertstraf~e)

Er/Sffnung der Forstlichen Hochschulwoche 1984 dutch den Dekan der Forstwissenschaftlichen Fakuhfit Prof. Dr. ULRmu AM~Ert Verieihung der Ehrendoktorwi~rde der Forstwissenschaftlichen Fakuldit an Prof. Dr. Gz.~l^~ MiTscu~'ruacia, Universitiit Freiburg, und Dr. T~F.o KEr.r.ER, Eidg. Anstalt fi~r das forstliche Versuchs- wesen Birmensdorf (Schweiz) Verleihung des Thurn und Taxis F6rderpreises for die Forstwissenschaft an Dr. Jo~cmM SxBo~ows~1, Forstwissenschaftlicher Fachbereich der Universit~.t G6ttingen, und Dr. HE,Nz ROHLt~., Forstwissen- schaftliche Fakult~it der Universit{it M/2nchen