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Kleine Mitteilungen 57 Kleine Mitteilungen Waldstruktur und Insektenseh,iden Von K. ESCItERICH II In einer friiheren Bespreehung (Anzeiger |8, 1942~ S. 115--118) habe ich die Anschanungen eines sehr er- fahrenen bayerischen Forstmanns, des 0berforstmeisters SEZHOLZER, iiber das im Titel genannte Problem aus- zugsweise wiedergegeben. Heute mbchte ich iiber einen Vortrag beriehten, den Prof. ScHmn'scn~.K (Wien) auf einer Versammlung der Hermann-Obring-Akademie fiber das gleiehe Thema gehalten hat und der zu denselben Ergehnissen gelangtt). Aus dem Vortrag seien die wichtigsten Punkte hier angefiihrt: ,In deutsehen Landen und deren Nachbargebieten war dcr Anteil der Lauhhblzer an der Zusammensetzung des Waldes m~priinglich viel grbger, als dies heute tier Fall ist. Auch in den yon Natur aus vorwiegend mit Nadelhblzern bestockten Gebieten war Laubholz meist in Beimischung vertreten. In vielen Randgebieten der natiirlichen Verbreitungsgebiete der Nadelhblzer war die Beimischung der Laubhblzer ursprfinglich bedeutend. Dagegen hat sieh der Nadelholzanteil in manchen Ge- bieten gegeniiher dem Zustand am Ende des 18. Jahr- hunderts verdoppelt. So traten z. B. im Wiener Wald an die Stelle der Buchen-Tannenmischbes~nde mit voro herrschender Buche vielfach reine ~Tannenhes~nde2 ,In,die grollen Laubwaldgehiete Deutschlands wurden zum grolten Tell Nadelhblzer eingebracht, reine Lanb- waldgehiete wesentlich verkleinert und da.~ umpl~ngliche Waldgebiet stark verRndert. Nach RUnSF.R hat aber auch der Niedergang der WRIder vom 16. bis zum 18. Jahrhunder eine "V'erschlechterang der Boden- verh/iltnisse herbeigefiihrt und dadm'ch mit die Vor- bedingungen sowohl Kir den M'assenanbau der Nadel- hblzer Ms aueh fiirdie Ausdehnung des gleichaltrigen Hoehwaldes gesehaffen." ,Ira verflossenen JahJhundert drangen in die Forst- wirtschaft die 0edankengiinge kapitalistischer Wi~chaft ein. Vielfach wurds das rein erwerbswirtschaftliche Ziel der mbglichst hbchsten Verzinsung angestrebt. Dies f(ihrte zur einseitigen Bevorzugung der Nadelhblzer welt fiber das nattiriichgegehene Mal~ hinaus." ,Uber die Bevorzugung der Nadelhblzer innerha[b ihrer natiirlichenVerbreitungsgehietehinausgehend, hat dieseinerzeitige Wirtschaftauffas.~ung anch zum weitgehen- den Anbau yon Nadelhblzern aui~erhalb ihrer natiir- lichen Verbreitungsgebiet geffihrt, so z. B. der Fichte. ;Qmlich verschwanden in l~andgebieten des uatiirlichen Verbreitungsgebietes der Tanne die Mischbest~inde und. wurden vielfach in reine Tannenbest~inde umgewandelt. Augerdem hat die wirtschaftliche Behandlung ver- schiedener Holzarten deren physiologi~hen Anspriichen nicht roll und ganz Rechnung getragen. All diese Um- s~nde mugten, soweit die Gebiete innerhalb yon Haupt- l) SCHIMITSCHEK, E.. Zusammenh~inge zwischen Kulturmag- nahmen und SchtidJi~gsauftreten. Yorgetragen in der Sitzung am 14 Oktober 19H. Mitt Hermaan-Obring-Akademie der deutschen Forstwissenschaft Bd. I, 1942. 77--109. sch/idlingen der jeweiligen Holzart lagen, zwangsliiufig Zur Steigemng der Insektengefahr und der durch In- sekten hervorgerufenen Schitden ffihren." ,Die Wirtschaftsauffassung vergangener Zeit hat zum reinen Anbau der Fichte auBerhalb ihres nattiriichen Verbreitungsgebietes geffihrt Die kfinstliche Einbringung der Fichte hat u. a I~esonders auch in Bibhmen, Miihren und Schlesien ihre grbl~te Fbrderung erfahren. Hier wurden in den Oebieten der natfirtichen Eichen- und Kiefernwaldgesellschaften ebenso wie in jenen der na- tiirlichen Tannen- und Bpchenwaldgesellsehaften um- fangreiche kiinstliche, reine Fichtenforste geschaffen. So hatte aber auch alas Erzgebirge, ein nattirliches Fichtengebiet, nach RUB~ZRehedem vorwiegend Misch- bestride, die ans Fiehte, Tanne, Buche und Edellaub- hSlzern bestanden: an ihrer SteIle wurden meist reine Fiehtenbestlinde gesehaffen. ,Seit hundert Jahren haben die kiinstlichen Fichten- wiilder immer wieder und in zunehmendem Ausmalle unter den Massenvermehrungen der N o n n e : Lymantria monaeha L., zu leiden. Wean wir z. B. in BShmen und Miihren die Massenvermehrung der Nonne in Beziehung bringen zu den natiirliehen Waldgesell- s.chaiten, so ergibt sich deutlich, dag die Gebiete tier grogen Nonnenvermehrung fast durchwegs in den Oebieten der natiirtichen Kiefern-Eichenwaldgesell- schaften und der m~priinglichen Tannen-Buchenwald- gesellschaften liegen, an deren Stelle hiinstliche, reine Fiehtenbestiinde hegt~.indet wurden. D i e Massenver- mehrungen der Nonne hatten sich hier, in den kfinst- lichen, reinen Fiehtenbestanden katastrophal ausgewirkt." ,Es ist zweifellos nicht der eine oder der andere Umstand allein, der zu diesen verheerenden Nonnen- kalamitiiten fiihrt, vielmehr ist es eine Summe yon Um- st~inden, die in einem Oebiet, das ftir die Massenver- mehrung dieses Schiidlings an und fiir sich gtinstig ist, zu solchen katastrophalen F_,xplosionen ffihren mul~." Als weiteres Beispiel fiir die Zusammenhiinge ,Wald- struktur-lnsektenve~nehrungen" sei das Massenauf- treten der Kiefernhuschhornblattwespe, Lophy- rus (Diprion) pini L., erwiihnt. Grolie und immer wiederkehrende Massanvermehrungen dieses Schiidlings sind in Kiefernfol~ten festzustellen, die auf natur- gemiigen LaubholzbSden kiinsflieh gesehaffeu wmxten. So tmten 1890, 1935 und 1938--1940 umfangreiche Massenvermehrungen yon Lophyrus pini in der West- slowakei auf~). Die Gradatmnen yon L. pi~i spielten sich dort auf grol~eu FIRchen in einem Gebiet ab, dessen natfirliches Waldbild dutch Jahrhunderte alte Eingriffe des Menschen wesentlich ver/indert wurde. Alte Eichen, die in den Kiefernbesti4nden eingesprengt sind, geben Zeugnis yon der ehemaligen Laubholzbestockung. Orts-' weise sind auch noch einige sp~iriiche Eichenbes~nde vorhandem Von sonnigen Laubhblzern dfirften Weif~- buche, Birke und in den Niederungen auch Esche und 2) SCH|MITSCHEK, E, Die 0bervermehrung yon D/F~on pini L. im wesislowakischen Kieferngebiet. Zeitschr. f. Pflanzen- krankh~ u. -schutz 51, 1941

Waldstruktur und Insektenschäden

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Kleine Mit t e i l ungen 57

Kleine Mitteilungen Waldstruktur und Insektenseh,iden

Von K. ESCItERICH

II In einer friiheren Bespreehung (Anzeiger |8, 1942~

S. 115--118) habe ich die Anschanungen eines sehr er- fahrenen bayerischen Forstmanns, des 0berforstmeisters SEZHOLZER, iiber das im Titel genannte Problem aus- zugsweise wiedergegeben. Heute mbchte ich iiber einen Vortrag beriehten, den Prof. ScHmn'scn~.K (Wien) auf einer Versammlung der Hermann-Obring-Akademie fiber das gleiehe Thema gehalten hat und der zu denselben Ergehnissen gelangtt). Aus dem Vortrag seien die wichtigsten Punkte hier angefiihrt:

, In deutsehen Landen und deren Nachbargebieten war dcr Anteil der Lauhhblzer an der Zusammensetzung des Waldes m~priinglich viel grbger, als dies heute tier Fall ist. Auch in den yon Natur aus vorwiegend mit Nadelhblzern bestockten Gebieten war Laubholz meist in Beimischung vertreten. In vielen Randgebieten der natiirlichen Verbreitungsgebiete der Nadelhblzer war die Beimischung der Laubhblzer ursprfinglich bedeutend. Dagegen hat sieh der Nadelholzanteil in manchen Ge- bieten gegeniiher dem Zustand am Ende des 18. Jahr- hunderts verdoppelt. So traten z. B. im Wiener Wald an die Stelle der Buchen-Tannenmischbes~nde mit voro herrschender Buche vielfach reine ~Tannenhes~nde2

,In,die grollen Laubwaldgehiete Deutschlands wurden zum grolten Tell Nadelhblzer eingebracht, reine Lanb- waldgehiete wesentlich verkleinert und da.~ umpl~ngliche Waldgebiet stark verRndert. Nach RUnSF.R hat aber auch der Niedergang der WRIder vom 16. bis zum 18. Jahrhunder eine "V'erschlechterang der Boden- verh/iltnisse herbeigefiihrt und dadm'ch mit die Vor- bedingungen sowohl Kir den M'assenanbau der Nadel- hblzer Ms aueh fiir die Ausdehnung des gleichaltrigen Hoehwaldes gesehaffen."

,Ira verflossenen JahJhundert drangen in die Forst- wirtschaft die 0edankengiinge kapitalistischer Wi~chaft ein. Vielfach wurds das rein erwerbswirtschaftliche Ziel der mbglichst hbchsten Verzinsung angestrebt. Dies f(ihrte zur einseitigen Bevorzugung der Nadelhblzer welt fiber das nattiriich gegehene Mal~ hinaus."

,Uber die Bevorzugung der Nadelhblzer innerha[b ihrer natiirlichen Verbreitungsgehiete hinausgehend, hat die seinerzeitige Wirtschaftauffas.~ung anch zum weitgehen- den Anbau yon Nadelhblzern aui~erhalb ihrer natiir- lichen Verbreitungsgebiet geffihrt, so z. B. der Fichte. ;Qmlich verschwanden in l~andgebieten des uatiirlichen Verbreitungsgebietes der Tanne die Mischbest~inde und. wurden vielfach in reine Tannenbest~inde umgewandelt. Augerdem hat die wirtschaftliche Behandlung ver- schiedener Holzarten deren physiologi~hen Anspriichen nicht roll und ganz Rechnung getragen. All diese Um- s~nde mugten, soweit die Gebiete innerhalb yon Haupt-

l) SCHIMITSCHEK, E.. Zusammenh~inge zwischen Kulturmag- nahmen und SchtidJi~gsauftreten. Yorgetragen in der Sitzung am 14 Oktober 19H. Mitt Hermaan-Obring-Akademie der deutschen Forstwissenschaft Bd. I, 1942. 77--109.

sch/idlingen der jeweiligen Holzart lagen, zwangsliiufig Zur Steigemng der Insektengefahr und der durch In- sekten hervorgerufenen Schitden ffihren."

,Die Wirtschaftsauffassung vergangener Zeit hat zum reinen Anbau der Fichte auBerhalb ihres nattiriichen Verbreitungsgebietes geffihrt Die kfinstliche Einbringung der Fichte hat u. a I~esonders auch in Bibhmen, Miihren und Schlesien ihre grbl~te Fbrderung erfahren. Hier wurden in den Oebieten der natfirtichen Eichen- und Kiefernwaldgesellschaften ebenso wie in jenen der na- tiirlichen Tannen- und Bpchenwaldgesellsehaften um- fangreiche kiinstliche, reine Fichtenforste geschaffen. So hatte aber auch alas Erzgebirge, ein nattirliches Fichtengebiet, nach RUB~ZR ehedem vorwiegend Misch- bestride, die ans Fiehte, Tanne, Buche und Edellaub- hSlzern bestanden: an ihrer SteIle wurden meist reine Fiehtenbestlinde gesehaffen. �9

,Seit hundert Jahren haben die kiinstlichen Fichten- wiilder immer wieder und in zunehmendem Ausmalle unter den Massenvermehrungen der N o n n e : Lymantria monaeha L., zu leiden. Wean wir z. B. in BShmen und Miihren die Massenvermehrung der Nonne in Beziehung bringen zu den natiirliehen Waldgesell- s.chaiten, so ergibt sich deutlich, dag die Gebiete tier grogen Nonnenvermehrung fast durchwegs in den Oebieten der natiirtichen Kiefern-Eichenwaldgesell- schaften und der m~priinglichen Tannen-Buchenwald- gesellschaften liegen, an deren Stelle hiinstliche, reine Fiehtenbestiinde hegt~.indet wurden. Die Massenver- mehrungen der Nonne hatten sich hier, in den kfinst- lichen, reinen Fiehtenbestanden katastrophal ausgewirkt."

,Es ist zweifellos nicht der eine oder der andere Umstand allein, der zu diesen verheerenden Nonnen- kalamitiiten fiihrt, vielmehr ist es eine Summe yon Um- st~inden, die in einem Oebiet, das ftir die Massenver- mehrung dieses Schiidlings an und fiir sich gtinstig ist, zu solchen katastrophalen F_,xplosionen ffihren mul~."

Als weiteres Beispiel fiir die Zusammenhiinge ,Wald- struktur-lnsektenve~nehrungen" sei das Massenauf- treten der K i e f e r n h u s c h h o r n b l a t t w e s p e , Lophy- rus (Diprion) pini L., erwiihnt. Grolie und immer wiederkehrende Massanvermehrungen dieses Schiidlings sind in Kiefernfol~ten festzustellen, die auf natur- gemiigen LaubholzbSden kiinsflieh gesehaffeu wmxten. So tmten 1890, 1935 und 1938--1940 umfangreiche Massenvermehrungen yon Lophyrus pini in der West- slowakei auf~). Die Gradatmnen yon L. pi~i spielten sich dort auf grol~eu FIRchen in einem Gebiet ab, dessen natfirliches Waldbild dutch Jahrhunderte alte Eingriffe des Menschen wesentlich ver/indert wurde. Alte Eichen, die in den Kiefernbesti4nden eingesprengt sind, geben Zeugnis yon der ehemaligen Laubholzbestockung. Orts-' weise sind auch noch einige sp~iriiche Eichenbes~nde vorhandem Von sonnigen Laubhblzern dfirften Weif~- buche, Birke und in den Niederungen auch Esche und

2) SCH|MITSCHEK, E , Die 0bervermehrung yon D/F~on pini L. im wesislowakischen Kieferngebiet. Zeitschr. f. Pflanzen- krankh~ u. -schutz 51, 1941

58 Kle iue M i t t e i l u n g e n

Erie das Waldbild geformt haben. Derzeit ist der Laub- holzanteil iiul~erst gering. Es wurdeu groge, zusammen- h~ngende Weillkiefernwii.lder geschaffcn, deren einzelne Bestiinde auf grogen, ansgedehnten FlSchen durehaus gleichaltfig sind. Zum Tell handelt es sich aueh um Auffomtungen ehemaliger Hutweiden und auch tim Flugsandauffol~tungen.

Auch das Massenweehselgebiet yon Lophyrus pini in der Danziger Nehrung ist nach SclmnL ,noeh ira Mittelalter yon einem Mischwald, und zwar neben Erleu, Birken, Ebereschen, Linden~ insbesondere Eichen und Buchea bestockt gewesen% Gleichzeitig sollen auch Kiefern vorhanden gewesen sein. Die kiinstlicheu &uf- fol~tungen im letzten Jahrhundert erfolgten ,nahezu ausnahmslos" mit Kiefern. Jetzt wird vemucht, die reinen Kiefernbestiinde dureh Vorbau mit LaubhSlzeru in Mischbestiinde iiberzufiihren. VoUkommen iiberein- stimmende Beobachtungen sind aueh in Bulgarien ge- maeht worden (RUSKOFF). Massenvermehrungen von Lophyrus pini trateu in Bulgarien in den kiinstlieh begriindeteu Kiefernbestanden auf ehemaligem und ur- spdinglichem Laubholzboden bei Kazanlik (siid[ich yon Schipka im Talgebiet der Tandza) auf. Auch fiir Lophyrus sertifer kSnnen eine Reihe iihnlicher BeN sptele aufgefiihrt we~en.

Jedenfalls kann festgestellt werden, dalt Masseu- vermehrungen yon Lophyrus pini und auch L. ser~i[er in grogem Ausmal~e und in groller Ausdehnung in kiinstlichen Kiefernw~ildern~ die auf ursprfingliehen LaubholzbSden geschaffen wurden, auftreten und dag die Umwandlung der Laubwaldgesellschaften ursiichlich zum Zustandekommen dieser Gradationen beitragen mug.

Endlich geht ScmmwscHzX noch auf die Zusaramen. hiiage yon ktinstlich geschaffeaen reiuen Tannenbest'anden und das T a n n e n s t e r b e n bzw. die Massenve~aneh- rungen des Tanne r t t r i ebwick l e r s~ Cacoecia mu~i- nana Hb., ein.

~Die Massenvermehrtmgsgebiete yon Caeoeeia muri. nana im Wiener Wald (insbesondere Alland, Klausen Leopoldsdorf, Lammerau, weniger schon St. Corona) and ebenso das im Gebiete des Drahauer Plateaus bei Plumenau in :MKhreu (insbesondere Forstverwaltang Scherowitz) liege n in ausgesproehenen l~andgebieten des natih'liehen Verbreitungsgebietes der Tanne. ~

~Der urspriingliche Wald war in beiden Oebieten zweifelsohne der -Mischwald: bestehend aus Rotbuche, Tanne~ Traubeneiche, Ahem, Esche, Linde, Sorbus tor- minalis, wozu im miihrisehen Gebiet noch die Weil~- kiefer hinzutrat. Durch menschliehe Eingriffe hat das urspriingliche Waldbild erhebliche VerSnderungen er- fahren, die sieh durchwegs in der Zurtickdriingung des Laubholzanteils und in der weitgehenden VergrSgerung des Tannenanteils auswirkten, und vielfach zu reinen Tannenbestiinden fiihrten. In beiden Gebieten ist der Anteil tier Alttanneabest~nde und der reinen Tannen- bestiinde sehr gro$ und iibernormal."

Nun ist der Tannentriebwickler Cacoeeia murinana ein Primiirsehiidling, der seine besten Entwieklungs- bedingungen in AltbestAnden der Tanne finder, ins- besondere in reinen Tanneualtbest~inden. In diesen umfangreieheu Altbestii, nden findet Caeoecia murinana die zusagende Nahmngsquelle und die ihm zusagenden

kleinklimatischen - - and Lichtverhiiltnisse. Sein Auf- treten als Massensch~dling ist aul~erdem gekniipft an eine watzne und regenarme Zeit w~.hrend des Einbohrens des zweiten Raupenstadinms in die schiebenden Tannen- knospen im April und Anfang Hal. Alle diese Voraus- setzungen sind in den an warme und trockene Gebiete angrenzenden Tannenrandlagen gegeben. Die gro~- ktimutischen Gegebenheiten stempeln diese Gebiete zu Massenwechse]gebieten des Tannentriebwieklers.

Fiir den derzeitigen Zustand der reinen Tannen- altbest~nde kann in beiden Oebieten nicht das jeweils jiingste Sch~dlingsauftreten verantwortlich gemaeht werden, sondern es handelt sich vielmehr um eine ganze Ursachenverkettung. Ein Oiled in dieser Kette bildet aueh die wirtschaftliche Behandlung der Tannen- bestiinde in diesen Randgebieten. Hie/" mii6te die Ver- jiingung der BestSnde friihzeitig ginsetzen und sich auf eiuen entspreehend langen Verjiingungszeitraum aus- dehnen. Dies win'de meist vers~umt~ so da~ heute vielfaeh iiberalterte~ verlichtete, nicht verjiiuTe und kriinkelnde reine Tannenaltbestiinde vorliegen. Ist nun die ]:anne berelts physiologiseh gesch~-iAigt, dann kann sich schon in der vierten Altemklasse ein starker Frail dutch Caeoeeia murinana sehr empfindlich auswirken.

Die verliehteten Bes~nde weisen gegentiber den gesunden unvemeM~en Tannenbest~inden, wie SCHrmTSCnEX dureh zahlreiehe Messnngen festgestellt hat, eineallgemeine TemperaturerhShung auf. Und diese wirkt sich bei den Folgeschiidlingen (Pissodts und Tannenborkenkiifern) in einer ausgesproehenen Beschleunigung der Entwieklungs- gesehwindigkeit aus. Es werden also die Umwelt- verhiiltnisse nicht nur hinsiehtlieh der biotischen Fak- toren (geeigneter Nahrungsfaktor), sondern aueh hin- sichtlich der abiotischen Faktoren ftir die Entwicklung der Taunenschiidlinge besonders giinstig gestaltet Gleich- zeitig wirkt die Veriinderung des Bestandesklimas aber der natiirlichen Verjiingung der Tanne entgegen.

,Betraehtet man die geh~iuften und sieh immer wiederholenden Massenvermehrungen der Orol~eh:,idlinge in jenen Kulturw~dern, die aus nicht standor~gem/igen Holzm'ten bestehen, oder in jenen Kul~rwhIdern, wo Monokulturen an die Stelle ehemaligen Misehwaldes traten, so zeig~t sich, biologiseh gesehen, eine einheitliche Linie. ~

,Die urspriingliche Waldgesellschaft ist eine in Jahr- tansendeu gewordene, prim~ire Lebensgemeinsehaft. An ihre Ste]le hat die menschli'che Wirtschaft kiinstliche, offene, sekund~re Lebensgemeinschaften gesetzt. Be- trachtet man nun die Ma.~senvermehrungen in diesen sekund~iren Lebensgemeinschaften von" dem Gesichts- punkte grogen~ biologischen Oeschehens aus, so kmm man sie als eine natiirliehe Reaktiou auf eine un- natiirliche Beeinflussung des urspriinglichen Beziehungs- gefiiges betrachten. Diese Massenvermehrungen wirken in der Richtung, etwas Standol~sfremdes, kfinstlich Ge- schaffenes wegzur~umen und so den Weg fiir die Riick- kehr der naturgem~l~en Lebensgemeinschaft trod deren Fortentwicklung freizumachen. In diesem Lichte ge- sehen, kSnnen - - in den entsprechenden Oehieten sich h/iufende und immer wiederkehrende Massen- vermehrungen Naturereignisse sein, die, wohlverstanden und bewul3t anfgefal~t, fiir produktive menschliche Wirt- schaftsmagnahmen richtungweisend sein sollten. ~

Kle ine M i t t e i l u n g e u 59

Diese Uberlegungen sollten, so fiihrte SCIIIMITS(:IIEK am Schlul~ seines sehr beherzigenswerten Vortrages aus, bei den grol~en Neuauffomtungen und Kulmrumwand- Iungea, die in den eingegliederten Ostgebieten geplant sind, nicht aul~er acht gelassen werden. Vor allem sollten Monoku|turen grunds:,itzlich vermieden werden, zum mindesten in solchen R~iumen, die in Dauerschad- gebieten oder Massenweehselgebieten der Hauptschiidlinge der betreffendea Holzart liegen. ,Bei den geplanten gml~zfigigen huffoJ~tungen im Laufe der n~ichsten Jah rzehnte sollten alle jene Maliinahmen vermieden werden, die nach menschlicbem Ermessen tibernorma]es Sch~idlings- auftreten herbeiffihren kSnnen. Ich erblicke die grSl~te Gefahr ffir die Forstwirtschaft in einem mechanisehen Denken. Was wit erzielen wollen, ist eine biologische Harmonie ira Waldo und damit die Ausschaltung der fiber das norma|e Ma~ hinaasgeheaden Seh/idiings- M'assenvermehrungen. Dies ist abet einzig und allein nur dana zu erreiehen, wenn der Waldaufbau entspreehend der riehtigen A~ffa~ung der ira st/indigem.Fliellen, in stiindiger Bewegung befindlichen Lebensgemeinschaft Wald als eines vielgestaltigen Beziehungsgeftiges natur- gem/ifl erfolgt. ~

In derdem Vortrag sioh ansehlie~enden Diskuss ion ist yon waldbaulicher Seite auf die gmi~en Schwierigkeiten hingewiesen worden, die einer nach rein 5kologischen Gesichtspunkten ausgerichteten ~.ufforstang yon solchen Riesenfl~iohen (mehrere Millionen Hektar), wie sie im Osten geplant sind, entgegenstehen. Trotz der nicht zu verkenneniien Schwierigkeiten soUten wir uns aber bei der Autforstung die Einsicht, die wir in den letzten Dezenaien in die Physiologie des Waldes als Uber- organismus gewonnen haben, und die bitteren Edahnmgen, die wit infolge hul~erachtlassung der 5kologisehen Grand- gesetze machen mutton, als richtungsgebend stets vor hugen halten - gleich wie auch der menschliche Arzt und Hygieniker immer mehr nach de~a G r u n d s a t z de r V o r b e u g u n g baadelt, auch bei Krankheiten, za derea Heiltmg uns sicher wirkende Spezifica zur Verfiigung stehen.

Pflanzenimpfung (Innere Therapie) und Assimilation Die Bem~hungen, Pflanzen durch Impfstoffe kfinst-

lich zu immunisieren, gehen von dem Gedanken aus, da~ lokal aufgenommene Stoffe imstande sind, auf dem Wege durch die Pflanze vor allem saugende Iusekten abzutiiten odor zur Abwanderung zu veranlassen. Er- fahrungen mit dieser Methode der Seh~diingsbekfimpfung wurden yon englisch sprechenden ~utoren mehrfaeh verSffentlichf (BRooKS" uad BR~CBLEY 1929, HOLLISTER und J.~KOBS 1928, ME'rCALF 1918, MOORE und RUeoE~s 1915, RANKIN 1917, RU~BOLD 1914, SCOTT, ABO~T and DUDLEY 1918, SUP.FXe~. 1914). In Deutschland teilte A. Mt~LLER seine lind andere Vemuche in einer ]~Iono- grapbie 1926 mit. Einiges davon wurde 1931 yon TmEM einer Kritik unterzogen.

Soweit sieh feststeUen liil~t, wird eine grunds~tzliche Beobachtung als mal~gebend fiir das Verfahren be- trachtet: FarblSsungen wandern dureh die Leitungs- bahnen im Pflanzenorganismus, werden also in ihm ver- teilt. So besteht eiue gewisse J~hnlichkeit mit dem Impf-

verfahren in der Medizin, das ja auch nach 5rtlicher V'erabreichung Stoffe ia den Gesamtorganismus bringt.

Ein praktischer Erfolg war bisher der inneren Therapie der Pflanzen nicht beschieden. Es liegt dies wohi vet allem daraa, da$ no'oh nicht genug Einsicht in die SaffstrSme der Pflanzen vorlag. Eine neuerdi~gs erschienene Untersuchung yon B. HIunEa fiber die Sieb- rShren der Pflanzen als ]Nahrungsquelle fremder Organis-

-men und als Tran~portbahnen yon Krankheitskeimen (Biologia Generalis Bd. XVI; Heft 1--3, 1942) ist ge- eignet, die innere Therapie yon einem neuen Oesichts- winkel aus zu beurteilen. Es soil daher niiher auf sie eingegaDgen werdem obwohl sie das Goblet der inneren Therapie nieht berfihrt.

Die hShercn Pflanzen besitzen zweierlei SaftstrSme: ,1. den aus den Wurzeln in die Sprosse aufsteigen-

den Transpirationsstrom, der die verh~ltnismiiBig wenig gefiitel~e mineralisehe BodenlSsung (yon den alton Autoren ,Rohsaft' geaannt) vor allem in die BlOtter sehafft, we das LSsungsmittel Wasser im physiologiseh geregelten Vorgang der Transpiration grogenteils ver- dampft and damit die Mineraistoffe angereiehert werden;

2. den aas den Bl/ittern alien Verbrauehsst/itten (Knospen, Triebspitzen, in die Dieke wachsenden Spm~en, Wurzeln und Speicherorganen) zustrSmenden, seiner Hauptriehtung naeh ,absteigenden' Assimilatstrom, der die in den Bl/ittern gebildeten organisohen Stoffo, vor allem Zueker befSrdert (,Bildungssaft ' der alton Autoren).

Der Transpiratioasstrom bewegt sleh auf dem grSB- ten Tell seines Weges in den toten Oef/il~bahnen des Holzes, der Assimilatstrom in den lebenden SiebrShren."

Es besteht demnach eine gewisse Ahaliehkeit mit dem zum Herzen bin- und yon ibm wegffihrenden Blutstrom der Wirbeltiere, doeh sind Transpirationsstrom und Assimilatstrom nioht zu einem geschlosseaen Kreislauf verbunden, ,indem tier weitaas grSi]ere Tell des Transportwassers der ersteren durch Transpiration verloren geht; im Assimilatstrom kehren daher nur wenige Prozent des ursprfinglieh aufgestiegenen Wassers wieder zurtiek. Infolge dieser Eindampfung des LSsungs- mittels ffihrt der hssimilatstrom eine hoehkonzentnerte, meist etwa 15--30% -LSsuag, darunter vorwiegend Rohzucker mit sieh, wiihrend der Traaspirationsstrom in der l~egel nut eine kaum 0,1 ~ bewegt. Grundversehieden veto tierisohen Hlutkreis- lauf ist auoh die Meehanik tier Sfriimung ~. Der Tran- spiratioasstrom wird dtu'ch Transpirationssaugung er- zeugt, die Unterdrueke zur Folge hat. In den'Sieb- rShren werden daher h~iufig Oberdrucke gefunden.

Was folgt aus diesen botanischen E rkenntnissen f fir die Bearteilung deslmpfverfahrens? DerTranspiratioas- strom, der kaum N/iJarstoffe ffihrt, ist ftir saugende In- sekten wertlos, obwohl er fiir das u giinstig w~ire, dean er bewegt sich yon unten naoh oben. Der Assimilatstrom anderm~eits, der wortvolle Bestaadteile mitffihrt, die yon saugenden Insekten aufgesueht wer- den, nimmt den tungekehrten Weg. Eine Impfung des Stammes eines Baumes z. B. h/itfe nur besch~.nkten Wert, da die Stoffe nicht in die Krone gelaagen, we sieh Schildl~iuse~ Blattliiuse und andere Pflanzensauger