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1 Jens Schade Was beeinflußt unsere Verkehrsmittelwahl? Entscheiden wir wirklich rational? Dr. Jens Schade www.tu-dresden.de/vpsy/

Was beeinflußt unsere Verkehrsmittelwahl? Entscheiden wir ...rcstuuwi/urv/ss07/mobilita... · Prognose:Motorisierung 1985 – 2025. Jens Schade 24 Was beeinflußt unsere Verkehrsmittelwahl?

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1Jens Schade

Was beeinflußt unsere Verkehrsmittelwahl? Entscheiden wir

wirklich rational?

Dr. Jens Schadewww.tu-dresden.de/vpsy/

2Jens Schade

Überblick

• Einige Zahlen / Fakten• Ausgewählte Erklärungsansätze und Befunde• Integrationsversuch• Fazit / Was kann man tun?

3Jens Schade

Wenn ich wollte,könnte ich ...

Ich will um8: 00 Uhr ...

Die Bewegung von Personenoder Gütern im Raum, um

Entfernungen zu überwinden.(Wege mit Ziel und Zweck)

Gelebte Realisierung

vorhandeneMöglichkeiten

vorhandenerBedarf

Heute bin ich...

Räumliche Mobilität

4Jens Schade

Alltagmobilität (I)

• Alltagsmobilität wird auf deskriptiver Ebene in der Regel unter den Aspekten Art und Häufigkeit von Aktivitäten, Zielwahl bzw. räumliche Orientierung, zurückgelegte Distanzen und Verkehrsmittelwahl untersucht.

• Weitere wichtige Aspekte der Alltagsmobilität sind ihre zeitstrukturellenzeitstrukturellen Merkmale (zeitliche Verteilung, Dauer, Rhythmik von Aktivitäten bzw. Wegen, Wegeketten).

5Jens Schade

Alltagmobilität (II)

• Inzwischen hat sich die Auffassung durchgesetzt, Alltagsmobilität weniger anhand der täglich von einer Person zurückgelegten rrääumlichenumlichen Distanzen (Kilometer) zu fassen, sondern anhand der Aktivitäten, die von einer Person pro Tag außerhalb der eigenen Wohnung unternommen werden. Je mehr Aktivitäten unternommen werden, desto höher ist die Alltagsmobilität.

6Jens Schade

Betrachtung der zeitlichen VerteilungWann?

Betrachtung der räumlichen VerteilungWelchen Weg?

Modal Split: Betrachtung der Verkehrsnachfrage pro Verkehrsträger

Womit?Was ist das Ziel?Wohin?... ist in welchem Umfang mobil?Wer?

Dimensionen der Mobilität

7Jens Schade

Untersuchungs-gegenstand

Aspekte Indikatoren

Alltagsmobilität

Häufigkeit

Raum

Zeit

Verkehrsmittel

Anteil der an einem bestimmten Tag "mobilen" Personen

Zahl der Wege pro Person und Tag

Verkehrsleistung in km pro Person und Tag

mittlere Wegelänge in km

Verkehrsbeteiligungsdauer in min pro Person und Tag

mittlere Wegedauer in min

Verteilung der Wege nach dem benutzten Verkehrs- mittel (Modal Split)

Anteil der verschiedenen Verkehrsmittel an der gesamten Verkehrsleistung

(Auswahl)

Verteilung der Wege nach dem Wegezweck

Anteil der verschiedenenWegezwecke an dergesamten Verkehrsleistung

Anlaß/Zweck

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

Auswahl gebräuchlicher Mobilitätsindikatoren

8Jens Schade

9Jens Schade

1. Kenngröße:

10Jens Schade

11Jens Schade

Entwicklung der Kraftfahrzeuge pro Einwohner in Dresden von 1960 bis 1998

12Jens Schade

Personenverkehr EU

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14Jens Schade

Country Bicycle Walking Public transit Car Other

Netherlands 30 18 5 45 2 Denmark 20 21 14 42 3 Germany 12 22 16 49 1

Switzerland 10 29 20 38 1 Sweden 10 39 11 36 4 Austria 9 31 13 39 8

England/Wales 8 12 14 62 4 France 5 30 12 47 6 Italy 5 28 16 42 9

Canada 1 10 14 74 1 United States 1 9 3 84 3

The shares of transport modes (in number of trips) in various countries (%)

3. Kenngröße: Wege

15Jens Schade

Pkw-Motorisierung und Verkehrsmittelwahl in Städten (SrV)

16Jens Schade

Übliche Nutzung des Autos nach Bundesländern (MiD, 2002, 40): am wenigsten: Stadtstaaten, dann: 5 Neue Länder ...

17Jens Schade

Personenverkehrsaufkommen in Deutschland pro Tag nach Wegezweck

Quelle: Mobilität in Deutschland 2002

14,7

6,3 7,7 8,512,2

19,4

31,2

0

10

20

30

40

Arbeit Ausbildung dienst lich/geschäft lich

Begleitung Private Erledigung

Einkauf Freizeit

Wegezweck

Weg

e in

%

18Jens Schade

Entwicklung verschiedener Mobilitätskennziffern in Deutschland seit 1960(OECD, 2002)

19Jens Schade

20Jens Schade

73

56

45

3835

32

26 24

85

78

67

58

45

3429

1962 69 73 78 83 88 93 1998 200010

20

30

40

50

60

70

80

90

Ost

West

Prozent

Jahr

Anteil von Haushalten ohne Pkw in Ost- und Westdeutschland

21Jens Schade

22Jens Schade

• Zwei von fünf Wegen (44 Prozent) sind schon nachhöchstens zehn Minuten beendet. Etwa 70 Prozentaller Wege dauern nicht länger als 20 Minuten. Mehrals 30 Minuten nimmt nur etwa jeder sechste Weg in Anspruch.

• Insgesamt sind sechs von zehn Wegen nicht länger alsfünf Kilometer. Jeder zehnte mit dem Auto zurückgelegte Weg endet schon nach etwa einemKilometer oder weniger. Nur etwa ein Drittel derAuto-Wege übertrifft eine Entfernung von mehr alszehn Kilometern. Bei sieben von zehn Pkw-Fahrtensitzt der Lenker allein im Auto.

23Jens Schade

Prognose: Motorisierung 1985 – 2025

24Jens Schade

Was beeinflußt unsere Verkehrsmittelwahl?

• Def.: Unter der Verkehrsmittelwahl versteht man die individuelle Entscheidung, für einen bestimmten Weg ein spezifisches Verkehrmittel wie die eigenen Füße, das Fahrrad, öffentliche Verkehrsmittel oder das Auto zu benutzen.

• Was denken Sie?

25Jens Schade

Häufig aufgeführte Ursachen für Verkehrswachstum

• das Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum, • steigende Einkommen und Pkw-Verfügbarkeit, • eine veränderte Haushaltsstruktur („Single-Haushalt“), • die Zunahme der Arbeitsteilung und die daraus resultierenden

Personen- und Gütertransporte, • die Ausdehnung und Trennung der Siedlungsgebiete

(Suburbanisierung, Zersiedlung), • geänderte Freizeitaktivitäten, • der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, der dieses Wachstum

erst ermöglicht hat (z.B. Crawford, 2000; ECMT, 1995; Kitamura, Nakayama & Yamamoto, 1999; OECD, 2002c).

• etc.

26Jens Schade

Theoretische Erklärungsansätze

Wirtschafts- und ingenieurwiss. Modelle

- Nachfrageorientiert: - Rational Choice- Ansätze - Mikroökonom. Modelle- Aktivitätenmodelle- Angebotsorientiert: Raumstruktur- & Standortmodelle

Verhaltensbeschreibung ohne Bezug auf psychische Prozesse, das Individuum bleibt eine abstrakte Einheit.

Psychologische Ansätze

- Lern- und verhaltens-theoretische Ansätze- Kognitive Modelle- Motivationale Theorien- Werte-Modelle und soziale Repräsentation- Theorie des geplanten Verhaltens

Individuelle Prozesse und Entscheidungsgrundlagen werden einbezogen, aber: schwer aggregierbar.

Sozioökologische und umweltpsychologische Ansätze

(- Aktivitätenmodelle)- Sozio-ökolog. Dilemma- Behavior Setting-Konzept- Constraint-Modelle

Physische, soziale und gesell-schaftliche Umweltbedingungen.

Modelltypen

27Jens Schade

• Menschen lassen sich bei ihrer Wahl zwischen verschiedenen Handlungsoption ausschließlich von egoistischen Motiven leiten, d.h. sie streben danach ihren persönlichen Nutzen zu maximieren bzw. die persönlichen Kosten zu minimieren.

• Im Kontext Verkehrsmittelwahl lässt sich aus ökonomischer Sicht der individuelle Nutzen einer Verkehrsmittelalternative anhand objektiver Geld-und Zeitkosten bestimmen

Erklärung der Verkehrsmittelwahl anhand objektiver Zeit- und Geldkosten

28Jens Schade

Anteil der Kfz-Kosten am ausgabefähigen Einkommen (real in Preisen von 1995)

29Jens Schade

• Diese Forschung zeigt, dass das Mobilitätszeitbudgeterstaunlich stabil ist. Es liegt in Deutschland seit Jahren bei etwa 80-90 Minuten pro Tag (z.B. Deutsches Mobilitätspanel1994-2001). Internationale Vergleiche zeigen, dass diese Größe auch über verschiedene Länder und gesellschaftliche Kontexte hinweg bemerkenswert stabil ist (z.B. Szalai, 1972).

• Ähnliches gilt für das Mobilitätsgeldbudget. In den letzten 20 Jahren liegt der Anteil des verfügbaren Haushaltseinkommens, der für Alltagsmobilität ausgegeben wird, relativ konstant bei 13-15%. So wie bei der Zeit geben Menschen offensichtlich auch beim Geld einen relativ gleichbleibenden Anteil für Mobilität aus

30Jens Schade

Merkmal

Brüderl & Prei-sendörfer (1995)

Diekmann (1995)

Balderjahn (1993)

Preisendörfer et al. (1999)

Alter 0 0 0 Frau 0 0 + + Bildung 0 0 + 0 Einkommen 0 Haushaltsgröße + Umweltwissen + Umweltbewusstsein 0 0 + + Zeitkosten - - - - Geldkosten - 0 0 0 Komfortkosten - - 0 Autoverfügbarkeit - - Methode Konditionales

Logit Modell Probit-

Schätzung Mixed Logit

Modell Logit-Modell

Pseudo-R2 0.58 0.73 0.51 Fallzahl 268 82 252 330

Erläuterung: Da die Studien unterschiedliche Modelle verwenden, wird nur die Richtung der signifikanten (α ≤ 0.05) Effekte angegeben (+ = positiver Zusammenhang, d.h. höhere Wahrscheinlichkeit einer ÖV-Nutzung; - = negativer Zusammenhang; 0 = kein Zusammenhang). Eine Leerstelle besagt, dass die Studie diese Variable nicht enthält. Die abhängige Variable ist die Wahrscheinlichkeit, den ÖV zu benutzen (ÖV=1; Pkw=0).

Empirische Anwendungen der ökonomischen Verhaltenstheorie auf die Erklärung der Verkehrsmittelwahl beim Weg zum Arbeitsplatz (aus Preisendörfer et al., 1999)

31Jens Schade

Raumstrukturorientierter Ansatz

• das wachsende Verkehrsaufkommen wird NICHT als Folge von Veränderungen des individuellen Mobilitätsverhaltens verstanden.

• das individuelle Mobilitätsverhalten an sich ist weitgehend stabil geblieben. Was sich hingegen verändert hat, ist die RaumstrukturRaumstruktur und die VerfVerfüügbarkeitgbarkeit über motorisierte Verkehrsmittel.

• Das wachsende Verkehrsaufkommen wird als Anpassung des konstanten Mobilitätsverhaltens an sich dramatisch verändernde Raumstrukturen und Verkehrssysteme interpretiert.

32Jens Schade

Materielle Randbedingungen:Flächennutzung, Transportsystem

Bevölkerungsstruktur :Einwohner nach Beschäftigten,

Schülern, Hausfrauen etc.

Reaktionskonstanten.

- stabiles Zeitbudget- hohe Pkw-Kaufbereitschaft- hoher Pkw-Einsatz

beobachtbaresVerkehrsmittelnutzungs-

verhalten

Erklärungsmodell der raumstrukturorientierten Verkehrsforschung

33Jens Schade

• 30 Jahre empirischer Verkehrsforschung haben folgende drei ‘konstante Reaktionsweisen’ ermittelte (Kutter, 2001):– Stabiles Mobilitätszeitbudget: das für Mobilitätszwecke aufgewendete

Zeitbudget erstaunlich stabil. Auf der anderen Seite scheinen Menschen jedoch auch die Tendenz zu haben, dieses Mobilitätsbudget voll auszuschöpfen. Was sie bei der Erledigung eines Zwecks (z.B. Arbeitsweg) an Mobilitätszeit einsparen, geben sie für einen anderen Mobilitätszweck (z.B. Freizeit) wieder aus.

– Die Bereitschaft, sich einen Pkw zu kaufen ist in allen Schichten eine primär vom Einkommensniveau abhängige Grundkonstante. Sobald das verfügbare Einkommen es erlaubt, wird ein Pkw angeschafft.

– Verfügbare Pkw werden mit einem sehr hohen Anteil auch täglich genutzt; der ‘EinsatzkoeffizientEinsatzkoeffizient’ der Pkw liegt in den alten Bundesländern seit Jahrzehnten konstant bei 0.75. Der stärkste Prädiktor für den Umfang der Autonutzung ist der Autobesitz.

34Jens Schade

Psychologische Ansätze

• Ist die Verkehrsmittelwahl wirklich eineausschließlich auf Kosten und Zeit basierendeindividuell-bewußte Entscheidung bzw. eine Folge struktureller Zwänge?

• Verkehrsmittelnutzung ist ein typisches Beispiel für in stabilen Kontexten häufig ausgeführte Alltagshandlungen. Angesichts von Zeitdruck und begrenzten Informationsverarbeitungskapazitäten ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass die Ausführung solcher Alltagshandlungen jedes Mal auf einem kognitiv aufwendigen Wahlprozess beruht.

• Die Rolle des frühen Lernens

35Jens Schade

Kraftfahrzeug und Fahren als

- Mittel zum Zweck: Transportfunktion: Funktionelle/instrumentelle Bedeutung: extrinsisch motiviert;rationales Kalkül (soweit nicht habituiert)

- Symbolische Bedeutung: „Extra-Motive“: Zusatznutzen oder Psychosozialer Mehrwert

- Selbstzweck: Spaß an der Tätigkeit: intrinsisch motiviert: nachhaltiger aufgesucht, weniger anfällig für Frustrationen, änderungsresistenter

Motivationale Erklärungen

36Jens Schade

• 1. Das Auto als soziales Signal: Das Auto beinhaltet kulturell generierte Bedeutungen, es ist Symbol für Freiheit, Stärke, Kontrolle, Status, Geschmack, dient der Erhöhung des Selbstwertes, und es kann dies auch kommunizieren: die Decodierung dieser Botschaften gelingt allgemein und bereits kleinen Kindern. Autosbieten positive soziale Distinktheit, sie sind geradezu Symbol dieser Höherwertigkeit - und als solche käuflich.

• 2. Das Auto als Kostüm hat in dieser sozialen Funktion die Kleidung ersetzt und ist für viele eine Möglichkeit, sich auszudrücken (Kleidung kann kopiert werden und ist zu billig, um wirklich Status-unterschiede deutlich zu machen), es ist distinkt – und macht den Unterschied. Autos werden somit zum persönlichen Statement, zum Persönlichkeitsausdruck. Sie lenken die Aufmerksamkeit weg von persönlichen Unzulänglichkeiten.

Neben Transportfunktion („Gebrauchsgegenstand“) weitere Funktionen und soziale Bedeutungen:

37Jens Schade

• 3. Das Auto als Droge: Mit dem Pkw verbunden ist psychophysisches und emotionales Arousal durch sensorische Aktivation, Längs- und Querbeschleunigung, hohe Geschwindigkeit.

• Diskutiert wird, ob die Wirkung auf das ZNS ähnlich einer Droge ist. Dabei ist eine physiologische Basis des arousal die (positiv) stressinduzierte Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin, deren evolutionäre Funktion es war, den Organismus für „fight and flight“vorzubereiten.

• Gelungene Situationsbewältigung hat in diesem Kontext in besonderem Maß verstärkende Wirkung, wird also zu wiederholen gesucht..

38Jens Schade

Instrumentelle Motive Symbolische, sozial expressive Motive

Emotionale, intrinsische Motive

- Transportmotiv, - Räumliche Verfügbarkeit, - Erreichbarkeit und Zugänglichkeit des Verkehrsmittels und von Reisezielen, - Verfügbarkeit zu jeder Zeit, - Zeitgewinn, geringer Zeitaufwand für Zugang und Umsteigen, keine Wartezeiten (incl. Verkehrsstaus), - Direktverbindung ohne Verkehrsmittelwechsel, - Mobilität am Zielort, - niedrige Fahrtkosten (bes. out-of-pocket-Kosten), - Zuverlässigkeit, - Komfort/Bequemlichkeit, - Gepäckbeförderung, - Wetterschutz, - Sauberkeit, - Sicherheit (safety), - Schutz vor Belästigung und Kriminalität (security), - Verfügbarkeit von Hilfe/Unterstützung, - Ermöglichung von Neben-, Mehrfachtätigkeit, - Ökologischer, gesundheitlicher, sozialer Nutzen (bzw. kein Schaden).

- Kommunikation von Status, Prestige, Überlegenheit, Macht, - Komparative Vorteile, - positive Identität demonstrieren, - Erfüllung sozialer Normen / Erwartungen, - soziale Teilhabe, Kontakt, - Privatheit (persönlicher Raum, kein Engegefühl) bzw. Wahlfreiheit über Privatheit und Kontakt, - Chancengleichheit im sozialen Vergleich, kein Benachteiligungsgefühl (equity), - Kommunikation von ökologischem, gesundheitlichem, sozialem Nutzen.

- Wahlfreiheit, - Gefühl der Unabhängigkeit, - Kontrollerleben, Planbarkeit und Orientierung, - Flexibilität und Spontaneität (auch während der Fahrt), - Freude an der Fahrt (hedonistischer Wert), - flow-Erleben, - Anregungswert, Risikofreude, - Eigenaktivität (Aktivationswert), - das entspannt betrachtete Vorbeiziehen der Landschaft („streaming“), - optimale (mentale, visuelle, motorische) Beanspruchung während der Fahrt, beim Ticketerwerb u.a., - kein Distreß / Ärger, - Selbstdarstellung und Selbstwertgefühl, - Belohnungsmacht (anderen Gutes tun können), - persönliches Wachstum, - Selbstkongruenz / Identifikation mit dem Verkehrsmittel und sein Beitrag zur eigenen Identität („das passt zu mir“, ist Teil meines Selbst).

39Jens SchadeSteg (2005)

40Jens Schade

0

1

2

3

4

5

6

7

conv

enien

ceind

epen

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comfor

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pleasu

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edom stress cosy

traffi

c safe

tyco

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status

many e

xperi

ences

arousa

lsex

ypri

ce

Car

Public transport

Importance Ratings of Aspects Related to Car Use and the Use of Public Transport

Steg (2003)

41Jens Schade

Die Werbung deutscher Automobilhersteller

Schnell · Sportlich · Abenteuerlich · UnverantwortlichUnverantwortlich

42Jens Schade

LernenLernen:Mobilität junger Erwachsener: Aufbau von

Verhaltensmustern pro Kfz; schwer änderbar:

• Elastizität des Entscheidungsverhaltens ist abhängig von:– Notwendigkeit vs. Substituierbarkeit des Produktes– Einkommen und Preis

• Entscheidung bei Erstanschaffung eines Kfz noch elastisch(substituierbar und teuer)

• In der Folge Lernprozesse: Subjektive und objektive Lebensanpassungan Kfz-Verfügbarkeit (zeitlich + räumlich): erleichtert und verstärkend

• Konsequenz: Elastizität ist bei späteren Fahrzeuganschaffungenverloren

• PKW wird vom subjektiven Luxusgut zum notwendigen / alsunverzichtbar erlebten Alltagsobjekt: “car dependence”.

43Jens Schade

Verkehrsmittelwahl als rational geplantes Verhalten

• Die Theorie geplanten Verhaltens geht davon aus, dass sich die Kosten-Nutzen Analyse, auf der die Intentionsbildung beruht, anhand folgender drei Konzepte fassen lässt:

– Das Konstrukt Einstellung repräsentiert den einer Verhaltensalternative global zugeschriebenen persönlichen Nutzen,

– das Konstrukt subjektive Norm den insgesamt wahrgenommenen sozialen Druck, eine Verhaltensalternative auszuführen bzw. nicht auszuführen und

– das Konstrukt Verhaltenskontrolle repräsentiert die Einschätzung, wie schwer bzw. leicht die Ausführung einer Verhaltensweise in der Situation sein wird.

44Jens Schade

Verhalten

Behaviorale Überzeugungen

Einstellung zum Verhalten

Normative Überzeugungen

Kontroll- überzeugungen

Subjektive Norm

Wahrgenommene Verhaltens-

kontrolle

Intention

Tatsächliche Verhaltens-

kontrolle

45Jens Schade

Sechs empirische Anwendungen der Theorie geplanten Verhaltens im Bereich Verkehrsmittelwahl

Bamberg,

1996

Harland et al.,

1999a

Bamberg et

al., 2002

Heath &

Gifford, 2002

Bamberg

et al.,

2003b

Bamberg

et al.,

2003b

Verhalten Pkw ÖPNV ÖPNV ÖPNV ÖPNV ÖPNV

Intention Verhalten .72 --- .41 .71 .71 .51

PBC Verhalten .10 --- .49 n.s. n.s. n.s.

Einstellung Intention .36 .24 .25 .34 .19 .43

Subj. Norm Intention .31 .18 .48 .66 .15 n.s.

PBC Intention .26 .49 .18 .43 .71 .21

Erklärte Verhaltensvarianz 67% --- 66% 51% 50% 26%

Erklärte Intentionsvarianz 67% 51% 67% 70% 88% 28%

Stichprobengröße u. -art N = 1.166

deutsche

Studierende

N = 200

holländische

Bürger

N = 241

Umzügler

N = 175

kanadische

Studierende

N = 796

Frankfurter

Bürger

N = 437

Bochumer

Bürger

Anmerkung: Bei den dargestellten Koeffizienten handelt es sich um standardisierte Regressionskoeffi-zienten; a = Harland et al. (1999) untersuchen nur Intention als abhängige Variable; b = Bamberg et al. (2003) berichten die Befunde aus zwei unabhängigen Datensätzen (Frankfurt und Bochum/Dortmund); n.s = p > .05; PBC = wahrgenommene Verhaltenskontrolle

46Jens Schade

• die Pkw-Verfügbarkeit die zentrale Determinante der wahrgenommene Verhaltenskontrolle über die Pkw-Nutzung ist.

• Die wahrgenommene Qualität einer ÖV-Verbindungen (Frequenz und Fahrzeit) sowie die Einschätzung wie gut man sich über Haltestellen und Abfahrtszeiten informiert fühlt sind wichtige Determinanten der globalen Verhaltenskontrolle über die ÖV-Nutzung.

• Die Verhaltenskonsequenzen ‘schnell’ und ‘bequem’ sind wichtige Determinanten der Einstellung, während das Attribut ‘billig’ eine eher nachgeordnete Rolle spielt.

• Gleichzeitig liefern diese Arbeiten deutliche Hinweise darauf, dass neben den direkten Zeit- und Komfortkosten noch weitere, indirekt Zeit- und Komfortkosten abbildende Verkehrsmittelattribute wie ‘flexibel’, ‘zuverlässig’ und ‘stressfrei’ die Einstellung zu einem Verkehrsmittel beeinflussen.

47Jens Schade

Hat das Umweltbewußtsein (UB) einen Einfluss auf die Verkehrsmittelwahl?

48Jens Schade

Einflußstärke des UB auf tatsächliches Verhalten

49Jens Schade

Beruht die Verkehrsmittelnutzung wirklich auf einer bewussten

Entscheidung oder ist sie GewohnheitGewohnheit?

50Jens Schade

Verkehrsmittelnutzung als Gewohnheit

• Gewohnheit (habit) kann definiert werden als die Tendenz, das gleiche Verhalten unter stabilen unterstützenden Bedingungen zu wiederholen (nach Ouellette & Wood, 1998).

• Habit ist eine starke mentale Verknüpfung von Ziel, Hinweisreizen und Handlungsplänen, wobei die Verhaltensausführung bei Konfrontation mit den entsprechenden Hinweisreizen automatisch aktiviert wird

• Das Verhalten erfolgt dann automatisch, schnell, mit minimiertemkognitiven Aufwand und es kann gleichzeitig (parallel) mit anderen Aktivitäten ausgeführt werden: Es hat im Alltag große Vorteile und von daher Verstärkungswert. Solches Verhalten ist änderungsresistent.

• Als empirischer Beleg für die Wirksamkeit von Habits wird der oft replizierte Befund angeführt, dass vergangenes Verhalten der beste Prädiktor für zukünftiges Verhalten ist (z.B. Ajzen, 1991; Bagozzi, 1981; Bentler & Speckart, 1979).

51Jens Schade

Befunde zu Gewohnheiten

• Bei Personen mit niedriger Gewohnheitsstärke zeigt sich ein starker linearer Zusammenhang zwischen Intention und Pkw-Nutzung. Bei Personen mit hoher Gewohnheitsstärke ist hingegen die Wahrscheinlichkeit der Pkw-Nutzung immer hoch, egal ob die berichtet Intention hoch oder niedrig ist.

• Habitualisierung haben einen stark negativen Effekt auf die Wahrnehmung und Verarbeitung neuer verhaltensbezogener Informationen. Personen mit hoher Gewohnheitsstärke interessieren sich deutlich weniger für neue Informationen über mögliche Verhaltensalternativen als Personen mit niedriger Gewohnheitsstärke.

• Ferner wird davon ausgegangen, dass eine starke Habitualisierung die Umsetzung einer intendierten Verhaltensveränderung erschwert.

52Jens Schade

Integration der Ansätze

• Alltagsmobilität ist durch das komplexe Zusammenspiel ökonomischer, raumstruktureller, sozialer undpsychologischer Faktoren geprägt.

• Die Komplexität dieser Zusammenhänge ist sicherlich auch ein Grund dafür, warum die Mobilitätsforschung derzeit noch keinen konsistenten integrativen Theorierahmen entwickelt hat.

53Jens Schade

Individuum Umfeld

Subjektive Faktoren (Werte, Wünsche, Erwartungen)

Objektive Faktoren (z. B. ÖV-Angebot, Alter)

Aktivitäten-nachfrage

Mobilitätsverhalten

54Jens Schade

Kurz(meisthabituiert)

Fahrsituation

(“Verkehrs-management”)

Fahrstil

Geschwindigkeitswahl

Eile, Emotionalität usw.

FahrverhaltenIII

Mittel(routinisiert, tw. habituiert)

Fahrtenfrequenz

Verkehrsmittelwahl

Car pooling

Routenwahl

Fahrtenlänge

Fahrtenkombination

Fahrtenzeiten

MobilitätsverhaltenII

Lang (seltene Entscheidungen)Räumliche

Struktur, Landnutzung,

Mobilitätsinfra-

struktur / -

angebote

(“Mobilitäts-

management”)

Ortswahl und Relationen:

Wohnen, Arbeiten, Freizeit u.a.

Aktivitäten vermindern /

einstellen (bes.: Freizeit)

Aktivitäten ändern / verlagern

Fahrzeugbesitz

Fahrzeugart

Übergeordnete

Entscheidungen mit

Konsequenzen für

die Mobilität

I

ZeithorizontUmweltVerhaltensweisenEntscheidungsniveau

Hierarchische Struktur des Mobilitätsverhaltens

55Jens Schade

Ein Orientierungsmodell für die psychologische Mobilitätsforschung

Raum-Zeit-Strukturen als objektive Ressource /

Barrieren

sozioökonomischeMerkmale eines Haushalts als objektive Ressourcen /

Barrieren

Wahrnehmungund BewertungraumstrukturellerMerkmale"subjektive Gelegenheits-struktur"

Generelle individuelleAktivitäts-

präferenzen

Distanz Verkehrs-mittel

individuellerEntscheidungs-prozess, in einer

spezifischen Situation eine

spezifische Aktivitätsoption

auszuführen

verkehrsrelevante Aspekteder Alltagsmobilität

Bamberg (in Druck)

Objektive Gelegenheits-

struktur

Subjektive Gelegenheits-

struktur

56Jens Schade

Entscheiden wir rational?

57Jens Schade

Soziale Dilemmastruktur der individuellen Entscheidungssituation

• Während der Nutzen der Autonutzung intern und sofort anfällt, wird ein beträchtlicher Anteil der entstehenden Kosten an die Allgemeinheit und spätere Generationen externalisiert und somit nicht von den Verkehrsteilnehmern bei ihren Entscheidungen berücksichtigt.

• Es besteht ein eklatantes Mißverhältnis zwischen den von den einzelnen Verkehrsnutzern bezahlten Preisen und den verursachten „wahren“ Kosten.

58Jens Schade

Gesamte externeexterne Kosten 2000 (EU 17) nach Verkehrsmittel und Kostenart

Schreyer et al. (2004)

Akzeptanz von Straßenbenutzungsgebühren: Entwicklung und Überprüfung eines ModellsJens Schade 27.10.2005

58

59Jens Schade

Fazit

• Alltagsmobilität ist durch das komplexe Zusammenspiel ökonomischer, raumstruktureller, sozialer undpsychologischer Faktoren geprägt.

• Die Komplexität dieser Zusammenhänge ist sicherlich auch ein Grund dafür, warum die Mobilitätsforschung derzeit noch keinen konsistenten integrativen Theorierahmen entwickelt hat.

60Jens Schade

Verhaltensangebote MobilitätsbezogensWissen

Mobilitätsverhalten

HandlungsanreizeWahrgenommene/s

Verhalten /Konsequenzen

Einstellungen /Werte

III II I6

71 3

2 4

5

V IV

Ein Rahmenmodell; s. Schlag, Schade, Risser, in Druck

Interventionsmöglichkeiten

61Jens Schade

Vielen Dank!