8
Original erschienen in: Ebner, M. (2015) Was E-Learning mit offener Bildung zu tun hat, Personalmanager 3/2015, S. 18-20 Autor Martin Ebner Leiter Abteilung Vernetztes Lernen, Zentraler Informatikdienst, Technische Universität Graz (http://hrm.at/profile/martin-ebner-1) Was E-Learning mit offener Bildung zu tun hat Sofern Sie sich mit den Begriffen E-Learning, Technology Enhanced Learning, L3T, MOOCS, cMOOCs, xMOOCs und iMoox noch nicht auseinandergesetzt haben, dann sollten Sie dies jetzt tun. Denn diese technischen Möglichkeiten revolutionieren das Bildungssystem, mit dem sich Ihre Mitarbeiter von morgen auf den Berufsalltag vorbereiten und mit dem Sie sich selbst in Zukunft weiterbilden können. Der Beitrag führt ins Thema ein und stellt in aller Kürze vor, welche wissenschaftlichen Ergebnisse der Technischen Universität Graz vorliegen und welche Erfahrungen sie dazu bereits gesammelt hat. Der Begriff E-Learning bezeichnet allgemein das Lernen mit dem Computer. Vor der Jahrtausendwende verschafften zumeist CDs den Zugang zu multimedialen Lernmaterialien. Seit dem Aufkommen des Internets ist dies heute fast ausschließlich mit online zugänglichen Lernportalen möglich. Der Begriff ist hier allerdings viel zu eng gefasst. In der Wissenschaft ersetzte bereits um die Jahrtausendwende der für technologiegestütztes Lehren und Lernen stehende Begriff „Technology Enhanced Learning“ (TEL) die Bezeichnung E-Learning. Ein im deutschsprachigen Raum sehr verbreitetes Lehrwerk, das Lehrbuch für Lehren und Lernen mit Technologien (L3T),

Was E-Learning mit offener Bildung zu tun hat

  • Upload
    martin

  • View
    493

  • Download
    1

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Beitrag für Personalmanager 3/2015, S. 18-20

Citation preview

Page 1: Was E-Learning mit offener Bildung zu tun hat

Original erschienen in: Ebner, M. (2015) Was E-Learning mit offener Bildung zu tun hat, Personalmanager 3/2015, S. 18-20

Autor

Martin Ebner

Leiter Abteilung Vernetztes Lernen, Zentraler Informatikdienst,

Technische Universität Graz (http://hrm.at/profile/martin-ebner-1)

Was E-Learning mit offener Bildung zu tun hat

Sofern Sie sich mit den Begriffen E-Learning, Technology Enhanced Learning, L3T,

MOOCS, cMOOCs, xMOOCs und iMoox noch nicht auseinandergesetzt haben, dann

sollten Sie dies jetzt tun. Denn diese technischen Möglichkeiten revolutionieren das

Bildungssystem, mit dem sich Ihre Mitarbeiter von morgen auf den Berufsalltag

vorbereiten und mit dem Sie sich selbst in Zukunft weiterbilden können. Der Beitrag

führt ins Thema ein und stellt in aller Kürze vor, welche wissenschaftlichen Ergebnisse

der Technischen Universität Graz vorliegen und welche Erfahrungen sie dazu bereits

gesammelt hat.

Der Begriff E-Learning bezeichnet allgemein das Lernen mit dem Computer. Vor der

Jahrtausendwende verschafften zumeist CDs den Zugang zu multimedialen

Lernmaterialien. Seit dem Aufkommen des Internets ist dies heute fast ausschließlich

mit online zugänglichen Lernportalen möglich. Der Begriff ist hier allerdings viel zu

eng gefasst. In der Wissenschaft ersetzte bereits um die Jahrtausendwende der für

technologiegestütztes Lehren und Lernen stehende Begriff „Technology Enhanced

Learning“ (TEL) die Bezeichnung E-Learning. Ein im deutschsprachigen Raum sehr

verbreitetes Lehrwerk, das Lehrbuch für Lehren und Lernen mit Technologien (L3T),

Page 2: Was E-Learning mit offener Bildung zu tun hat

Original erschienen in: Ebner, M. (2015) Was E-Learning mit offener Bildung zu tun hat, Personalmanager 3/2015, S. 18-20

spiegelt dabei die Bandbreite sehr gut wider: Heute umfasst die Online-Lehre das

Arbeiten mit Web-2.0-Technologien und das Diskutieren mit Sozialen Netzwerken, bis

hin zur Verfügungsstellung von MOOCs.

MOOCs ist das Kürzel für sogenannte Massive Open Online Courses, welche auf

George Siemens und Stephen Downes zurückgehen. Große Bekanntheit erlangten sie

aber erst, als Sebastian Thrun 2011 mehr als 100.000 Studierende in einem einzelnen

Kurs sammelte und ihnen die künstliche Intelligenz lehrte.

Massive Open Online Courses

Massive Open Online Courses sind folgendermaßen charakterisiert:

• Massive: Es handelt sich um Kurse, die mit mindestens 200 Personen viele

Lernende besuchen.

• Open: Diese Kurse sind frei zugänglich, also kostenfrei.

• Online: Die Kurse finden ausschließlich online statt und sind zumeist auf

speziell entwickelten MOOC-Plattformen zugänglich.

• Courses: Es handelt sich um Kurse mit einem Start- und einem Enddatum. Die

Kurse haben eine Struktur und veröffentlichen im Wochentakt Inhalte. Am

Ende absolvieren die Teilnehmer einen Selbstüberprüfungstest und erhalten

eine Teilnahmebestätigung.

Heute ist hauptsächlich die Unterscheidung von zwei Arten von MOOCs üblich:

cMOOCs, welche die Diskussion über den Lerninhalt im Zentrum sehen und xMOOCs,

die sehr starr der obigen Struktur folgen und den Input zumeist mit kurzen Videoclips

vorsehen.

Page 3: Was E-Learning mit offener Bildung zu tun hat

Original erschienen in: Ebner, M. (2015) Was E-Learning mit offener Bildung zu tun hat, Personalmanager 3/2015, S. 18-20

Die in Österreich einzige MOOC-Plattform betreibt derzeit die Technische Universität

Graz zusammen mit der Universität Graz.

iMooX – Erfahrungen mit MOOCs in Österreich

iMoox ist vom steirischen “i mog’s” abgeleitet und ist eine xMOOC-Plattform, die seit

Frühjahr 2014 einer breiten Masse zur Verfügung steht. Das vom Land Steiermark

geförderte Projekt hat primär das Ziel, universitäre Bildungsinhalte einer breiten

Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus ist es die Absicht, im

Themenfeld MOOCs zu forschen, um den Bildungsstandort Steiermark zu stärken.

Innerhalb eines Jahres boten die Technische Universität Graz und die Universität Graz

insgesamt neun Kurse online an. Die Palette reichte dabei von Kursen für eine sehr

breite Bevölkerungsschicht wie zum Beispiel „Gratis Online Lernen“ über Kurse für

Schulen wie beispielsweise „Der Kreis“ bis hin zu universitären Inhalten wie „Englisch

für Chemiestudierende“. Insgesamt greifen auf die Plattform nach einem Jahr 5.000

angemeldete Teilnehmer zu. Im Durchschnitt sind das mehr als 550 Lernende pro Kurs,

wobei die größten Kurse über 1.000 Lernende absolvieren. Parallele Begleitstudien

zeigen, dass 85 Prozent der Teilnehmer zufrieden mit der Plattform sind und zumeist

aus dem deutschsprachigen Europa stammen. Derzeit finden die Kurse ausschließlich in

deutscher Sprache statt.

Abbildung 1: Kursoberfläche in iMooX

Abbildung 1 zeigt die typische Kursoberfläche von iMooX. Die linke Leiste dient der

Navigation durch die wöchentlich veröffentlichten Kursinhalte, während diese in der

Mitte des Browsers stehen. Hier wiederum sind die zentralen Elemente der

Lerninhaltsvermittlung die Videos und zu deren Ergänzung weitere Dateien sowie

Links für die Vertiefung, Fragen für das Diskussionsforum und ein

Page 4: Was E-Learning mit offener Bildung zu tun hat

Original erschienen in: Ebner, M. (2015) Was E-Learning mit offener Bildung zu tun hat, Personalmanager 3/2015, S. 18-20

Selbstüberprüfungstest. Die obere blaue Leiste ermöglicht zur Ansicht der letzten

Meldungen seitens der Lehrenden zu wechseln oder zu den angebotenen Dateien, der

Kursbeschreibung beziehungsweise dem begleitenden Diskussionsforum. Sämtliche

Kurse sind identisch erstellt, um die Lernenden mit einer möglichst einfachen und

einheitlichen Benutzeroberfläche zu konfrontieren.

Offene Bildung als Chance der zukünftigen Bildung

Kritisch hinterfragt bleibt offen, warum Universitäten ihre Bildungsinhalte offen

zugänglich machen sollen und welchen Mehrwert Unternehmen davon haben. Drei

Thesen sollen die Notwendigkeiten herausarbeiten.

1. Offene Bildung ist die Annäherung der Universität an Unternehmen

Die wissenschaftliche Begleitstudie der TU Graz zeigt eindeutig, dass hauptsächlich

berufstätige Personen, das sind mehr als 70 Prozent, die offenen Kurse besuchen. In

Rückmeldungen schilderten Berufstätige, wie wichtig ihnen das Angebot sei, da es die

einzige Möglichkeit darstelle, neben ihrem Beruf etwas zu lernen. Insbesondere die

flexible Möglichkeit des zeit- und ortsunabhängigen Lernens ist dabei besonders

wesentlich. Eine weitere Statistik ist in diesem Zusammenhang ebenso erwähnenswert.

Über 90 Prozent der Lernenden verfügen über Matura. Die größte Gruppe hat ein

Hochschulstudium abgeschlossen. Das bedeutet, dass besonders Universitäts-Abgänger

von offenen Bildungsangeboten Gebrauch machen. Alles in allem ermöglichen es

offene Kurse, eine innovative und zeitgemäße Bildungsbrücke zwischen Wirtschaft und

Unternehmen aufzubauen. So werden Kurse vorbereitet die sehr aktuelle Informationen

enthalten um diese von der Universität an die Praxis weiterzureichen.

Page 5: Was E-Learning mit offener Bildung zu tun hat

Original erschienen in: Ebner, M. (2015) Was E-Learning mit offener Bildung zu tun hat, Personalmanager 3/2015, S. 18-20

2. Offene Bildung ist globale Bildung

Offene Online-Bildungsangebote haben einen großen Vorteil: Sofern ein

Internetanschluss vorhanden ist, sind sie prinzipiell von überall erreichbar. Natürlich

gibt es eine sprachliche Barriere, aber davon abgesehen ist die Reichweite

unbeschränkt. So zeigt sich auch, dass die bisherigen Kurse zwar mehrheitlich regional

und national ansässig Lernende besuchen, der Anteil aus dem restlichen

deutschsprachigen Europa ist mit mehr als 30 Prozent aber beträchtlich. Mit anderen

Worten bieten offene Bildungsangebote die Möglichkeit, Interessierten in einem

Themenfeld zu vereinen und so gemeinsam an den Lernzielen zu arbeiten. Das hohe

Engagement der Lernenden, die aktiv an solchen Kursen zusammen mit

Gleichgesinnten teilnehmen, kann zu einem hohen Learningoutcome führen.

3. Offene Bildung fördert lebenslanges Lernen

These 1 zeigte bereits, dass die bisherigen Lernenden über ein hohes Bildungsniveau

verfügen und sie mehrheitlich im Berufsleben stehen. Dazu kommt, dass über 55

Prozent älter als 35 Jahre sind. Das bedeutet, dass offene Bildungsangebote vor allem in

der Erwachsenenbildung von Erfolg gekrönt sein könnten. Über ein Viertel der

Lernenden sind dazu noch deutlich älter als 50 Jahre. In Zusammenhang mit der

zunehmenden Alterung der Gesellschaft sollte dies durchaus Beachtung finden.

Zusammenfassung und Gedanken zur Zukunft von Bildungsangeboten

Die vorigen Thesen haben andere Vorteile von offenen Bildungsangeboten noch gar

nicht angesprochen. So sind natürlich auch Marketingaspekte der Institution oder der

Lehrenden in Betracht zu ziehen und letztendlich auch die finanzielle Situation.

Betrachtet man einen Online-Kurs als eine innovative, zentrale Lehr- und Lernressource

so ist schnell einsichtig, dass diese Inhalte unbeschränkt für weitere (offline)

Page 6: Was E-Learning mit offener Bildung zu tun hat

Original erschienen in: Ebner, M. (2015) Was E-Learning mit offener Bildung zu tun hat, Personalmanager 3/2015, S. 18-20

Bildungsangebote verwendet werden können. So gibt es erste Versuche der

Volkshochschule und von Landesinstitutionen, einen MOOC anzubieten. Dieses

Modell, als Inverse-Blended-Learning-Konzept nach Ebner und Schön bezeichnet,

greift zurück auf die Tatsache, dass Lernen ein sozialer Prozess ist und daher das

Miteinander und der Austausch zentral für einen Lernerfolg sind.

Eines der größten Probleme bei den offenen Bildungsangeboten ist derzeit, dass

Lernende über die Kompetenz des selbstgesteuerten Lernens verfügen müssen.

Hochschulabgänger bringen diese Fähigkeiten meist mit, wodurch sich wohl auch die

hohe Akademikerquote in solchen Kursen erklärt. Hier sieht die TU Graz dringenden

Nachholbedarf in unserem Bildungswesen. Selbstgesteuertes Lernen gehört möglichst

frühzeitig trainiert und angelernt.

Darüber hinaus ist bei der Erstellung von Online-Kursen besonders die Verwendung

von freien Bildungsressourcen (Open Educational Resources, OER) zu empfehlen.

Diese stellen die angebotenen Inhalte unter eindeutige und offene Lizenzen und regeln

die Wiederverwendung der Bildungsinhalte. Insbesondere im deutschsprachigen Europa

ist das strenge Urheberrechtsgesetz und dessen Anwendung auf Bildungsinhalte ein

Hindernis für die Zugänglichkeit.

Es ist wohl unumstritten dass die Weiterbildung in Zukunft immer unerlässlicher wird,

insbesondere bei der Halbwertszeit des Wissens. In manchen Themenfeldern scheint es

bereits widersinnig, überhaupt noch Schulbücher zu schreiben, da diese nach der

Produktion schon wieder veraltet sind. MOOCs oder offene Online-Kurse nehmen in

Zukunft einen wesentlichen Bestandteil in unserem Bildungswesen ein, um Zielgruppen

zu erreichen und sie adäquat auszubilden. Auch wenn es noch viele Problemfelder zu

lösen gilt, wie beispielsweise die Zertifizierung oder Anerkennung, ist eine

Page 7: Was E-Learning mit offener Bildung zu tun hat

Original erschienen in: Ebner, M. (2015) Was E-Learning mit offener Bildung zu tun hat, Personalmanager 3/2015, S. 18-20

Auseinandersetzung mit dem Thema zwingend notwendig, denn Lernen ist die

wesentliche Eigenschaft, die unsere Gesellschaft nach vorne bringt.

Gewiss ist, dass sich das gesamte Bildungswesen zunehmend digitalisiert. Jetzt heißt es

eigentlich nur, sich den innovativen Möglichkeiten zu stellen und diese bestmöglich

umzusetzen. Das Potential scheint groß und heranwachsende Lernende fordern dies

zunehmend ein.

Literaturtipps

Das Lehrbuch für Lehren und Lernen mit Technologien (http://l3t.eu). Von Martin

Ebner und Sandra Schön. Book On Demand GmbH. Norderstedt. 2013.

Das O in MOOCs – über die Bedeutung freier Bildungsressourcen in frei

zugänglichen Online-Kursen. Von Martin Ebner, Michael Kopp, Andreas

Wittke und Sandra Schön, in: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik, 52 (1),

Dezember 2014, S. 68-80.

Das erste offene Bio-Schulbuch im Fokus: Gestaltung und Nutzungsmöglichkeiten

des „Schulbuch-O-Mat“. Von Martin Schön, Sandra Schön und Martin Ebner,

in: Computer+Unterricht, 93/2014, S 32-33.

Die Zukunft von Lern- und Lehrmaterialien: Entwicklungen, Initiativen,

Vorhersagen. Von Martin Ebner und Sandra Schön. Book On Demand GmbH.

Norderstedt. 2012.

Webtipps

www.l3t.eu

Page 8: Was E-Learning mit offener Bildung zu tun hat

Original erschienen in: Ebner, M. (2015) Was E-Learning mit offener Bildung zu tun hat, Personalmanager 3/2015, S. 18-20

www.martinebner.at

www.elearningblog.tugraz.at

www.imoox.at

www.elearningblog.tugraz.at/archives/7412