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10 P.S.29.05.2015 IM GESPRäCH D ie Präsidentin der Grünen Kanton Zü- rich, Marionna Schlatter, nannte Sie «unser bestes Ross im Stall», als der Vor- stand Sie als Ständeratskandidat vorschlug (vgl. P.S. vom 6. März). An der Nominations- versammlung machten Sie dann gerade mal drei Stimmen mehr als Katharina Prelicz-Huber… Bastien Girod: Der Vorstand schlug mich mit 14:1 Stimmen vor. Dass es an der Mit- gliederversammlung knapp wurde, liegt ganz einfach daran, dass Katharina gut mobilisiert hat. Bei uns können ja alle anwesenden Mit- glieder abstimmen. Sicher? Sie sagten noch im Januar, Sie sähen sich nicht als Kandidat; dann änderten Sie ih- re Meinung. Zudem hätten es einige Grüne lie- ber gesehen, wenn eine Frau kandidiert hätte. Nein, ersteres war kein Thema, da zu Jahresbeginn noch nicht feststand, dass es ei- ne Doppelvakanz geben würde; damit änder- te sich die Ausgangslage. Die Frauenfrage zu stellen, ist natürlich berechtigt. Für mich ist entscheidend, dass der Vorstand hinter mir steht und davon überzeugt ist, dass ich der richtige Kandidat bin. Hätte er sich nicht so klar entschieden, wäre ich nicht angetreten. Umso erstaunlicher, dass Sie für die Mitglieder- versammlung offenbar so schlecht mobilisierten, dass es beinahe ins Auge gegangen wäre… Ich habe nicht mobilisiert, weil ich offizi- eller Kandidat war. Es war auch lange unklar, ob Katharina an der Mitgliederversammlung überhaupt noch für den Ständerat kandidiert. Im Nachhinein ist man immer gescheiter… Wie klug ist es, angesichts grosser Herausforde- rungen in sozialen Fragen und in einer Zeit, in der grüne Themen keine Schlagzeilen machen, mit einem ‹grün-grünen› Mann anzutreten statt mit einer grünen Sozialpolitikerin? Bei dieser Wahl stehen meine Themen im Vordergrund, und deshalb hat sich die Par- tei für mich entschieden: Mein Schwerpunkt liegt auf der nachhaltigen Entwicklung. Diese sucht nach Lösungen, die sowohl soziale wie auch ökologische und wirtschaftliche Anlie- gen verbinden. Ist die Forderung nach einer nachhaltigen Ent- wicklung heute überhaupt noch bestritten? Nein, die nachhaltige Entwicklung ist glücklicherweise breit anerkannt. Sie stellt aber klare und aktuelle Forderungen: Lebens- qualität und Gerechtigkeit innerhalb der Ge- sellschaft sowie zwischen den Generationen. Und davon sind wir noch meilenweit entfernt. Das ist eigentlich ein Skandal; alle sprechen von Nachhaltigkeit, aber die Politik setzt sie nicht um. Ja bei einem Rechtsrutsch droht uns sogar ein massiver Rückschritt. Sie wollen also im Herbst mit grünen Themen über das grüne Parteispektrum hinaus punkten? Ja, die Diskussion zur Wirtschaft ist auch eine Chance, um aufzuzeigen, dass es umfassende, nachhaltige und damit grüne Lö- sungen braucht. Doch es droht das Gegenteil. Eine rechtsbürgerliche Allianz tischt uns mit der Unterstützung ihrer Medienhäuser die Rezepte als Lösung auf, die uns in die aktu- elle Krise geführt haben. Noch mehr Isolati- on, Deregulierung und Steuergeschenke. Es wird versucht, die Wirtschaft gegen ökologi- sche Anliegen auszuspielen. Wie wollen Sie es denn besser machen? Ich befasse mich sowohl als Politiker als auch als Forscher und Dozent an der ETH mit nachhaltiger Entwicklung. Lösungen zu ent- wickeln, die aufgehen, ist meine Kernkompetenz. Wichtige Re- formen sind sicher Energiewen- de und Grüne Wirtschaft. Dass FDP und SVP hier zusammen mit der Economiesuisse Totalop- position machen, zeigt nur, wie wenig sie von der nachhaltigen Entwicklung verstanden haben. Denn diese zwei Projekte sind auch eine Chance für die Wirt- schaft. Sie sichern nicht nur lo- kale Wertschöpfung und wert- volle Arbeitsplätze in der pro- duzierenden Industrie. Sie machen die gan- ze Volkswirtschaft weniger abhängig von der Zerstörung natürlicher Ressourcen. Schliess- lich erlauben sie Start-ups in der Schweiz, zu- kunftsfähige Produkte zu entwickeln, und stärken damit die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz. Aber sogar in Bezug auf den Stand- ortwettbewerb überzeugen die rechtbürgerli- chen Rezepte nicht. Inwiefern? Die Unternehmen im Kanton Zürich sind erwiesenermassen nicht in erster Linie we- gen der tiefen Steuersätze für Unternehmen hier, sondern wegen der Lebensqualität, we- gen des guten öffentlichen Verkehrs, den top Hochschulen und der Offenheit der Schweiz und wegen den gut ausgebildeten Menschen im Kanton Zürich. Also braucht es nicht noch mehr Steuergeschenke, sondern funktionie- rende staatliche Institutionen und eine gesun- de Umwelt. Wer grün wählt, stärkt also auch die Wirtschaft, und zwar umfassend – wäh- rend die FDP immer noch ihre alten, nachweis- lich untauglichen Rezepte verkauft. Die Grünen sind die bessere FDP, nur schaffen sie es nicht, dies den WählerInnen zu übermit- teln? Das könnte man zugespitzt so sagen (lacht). Das Problem ist doch, dass sich eini- ge Promi-Unternehmer für die FDP oder SVP engagieren und es schaffen, in der Öffentlich- keit den Eindruck zu erwecken, sie und damit ihre Parteien machten eine kompetente Wirt- schaftspolitik – dabei vertreten sie in erster Linie ihre eigenen Interessen. Holen sie ein weiteres Steuergeschenk heraus, hat sich ihr Einsatz schon gelohnt. Natürlich ist es nicht verboten, so zu handeln. Aber wenn es nicht gelingt, den Unterschied zwischen Partikular- interessen und volkswirtschaft- lichen Interessen zu benennen, wird es gefährlich. Gefährlich? Inwiefern? Die FDP tut so, als seien die Regulierung und die Steuern der Schlüssel, wenn es darum geht, Unternehmen und Arbeitsplät- ze hier zu halten. Nur: Wer sein Unternehmen lediglich wegen ei- nes guten Steuerdeals hier ansie- delt, gehört normalerweise auch zu den Ersten, die den Kanton be- ziehungsweise das Land wieder verlassen. Das ist auch rein wirtschaftlich nicht nachhaltig. Wir müssen in erster Linie für jene Unterneh- men schauen, die wegen unserer Lebensqua- lität, wegen der Hochschulen, den gut ausge- bildeten Fachkräften zu uns kommen. Diese Unternehmen haben eine echte Bindung zur Schweiz und sind deshalb auch eher bereit, ih- re soziale und ökologische Verantwortung in der Schweiz wahrzunehmen. Die Rezepte der FDP hingegen führten uns direkt ins Verderben? Zumindest halten sie nicht, was sie ver- sprechen. Auch ihre Deregulierungsideologie Die besseren Rezepte sind grün Die Grünen sind im Ständerat untervertreten. Das will ihr Zürcher Kandidat, Nationalrat Bastien Girod, bei den Wahlen im Herbst ändern. Warum es ihn in der kleinen Kammer braucht, erklärt er im Gespräch mit Nicole Soland. «Energiewende und Grüne Wirtschaft machen die ganze Volkswirtschaft weniger abhängig von der Zerstörung natür- licher Ressourcen.»

Wer grün wählt, stärkt auch die Wirtschaft

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Interview im P.S., Mai 2015

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Page 1: Wer grün wählt, stärkt auch die Wirtschaft

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P.S.29.05.2015im GESPräch

Die Präsidentin der Grünen Kanton Zü-rich, Marionna Schlatter, nannte Sie «unser bestes Ross im Stall», als der Vor-

stand Sie als Ständeratskandidat vorschlug (vgl. P.S. vom 6. März). An der Nominations-versammlung machten Sie dann gerade mal drei Stimmen mehr als Katharina Prelicz-Huber…

Bastien Girod: Der Vorstand schlug mich mit 14:1 Stimmen vor. Dass es an der Mit-gliederversammlung knapp wurde, liegt ganz einfach daran, dass Katharina gut mobilisiert hat. Bei uns können ja alle anwesenden Mit-glieder abstimmen.

Sicher? Sie sagten noch im Januar, Sie sähen sich nicht als Kandidat; dann änderten Sie ih-re Meinung. Zudem hätten es einige Grüne lie-ber gesehen, wenn eine Frau kandidiert hätte.

Nein, ersteres war kein Thema, da zu Jahresbeginn noch nicht feststand, dass es ei-ne Doppelvakanz geben würde; damit änder-te sich die Ausgangslage. Die Frauenfrage zu stellen, ist natürlich berechtigt. Für mich ist entscheidend, dass der Vorstand hinter mir steht und davon überzeugt ist, dass ich der richtige Kandidat bin. Hätte er sich nicht so klar entschieden, wäre ich nicht angetreten.

Umso erstaunlicher, dass Sie für die Mitglieder-versammlung offenbar so schlecht mobilisierten, dass es beinahe ins Auge gegangen wäre…

Ich habe nicht mobilisiert, weil ich offizi-eller Kandidat war. Es war auch lange unklar, ob Katharina an der Mitgliederversammlung überhaupt noch für den Ständerat kandidiert. Im Nachhinein ist man immer gescheiter…

Wie klug ist es, angesichts grosser Herausforde-rungen in sozialen Fragen und in einer Zeit, in der grüne Themen keine Schlagzeilen machen, mit einem ‹grün-grünen› Mann anzutreten statt mit einer grünen Sozialpolitikerin?

Bei dieser Wahl stehen meine Themen im Vordergrund, und deshalb hat sich die Par-tei für mich entschieden: Mein Schwerpunkt liegt auf der nachhaltigen Entwicklung. Diese sucht nach Lösungen, die sowohl soziale wie auch ökologische und wirtschaftliche Anlie-gen verbinden.

Ist die Forderung nach einer nachhaltigen Ent-wicklung heute überhaupt noch bestritten?

Nein, die nachhaltige Entwicklung ist glücklicherweise breit anerkannt. Sie stellt aber klare und aktuelle Forderungen: Lebens-

qualität und Gerechtigkeit innerhalb der Ge-sellschaft sowie zwischen den Generationen. Und davon sind wir noch meilenweit entfernt. Das ist eigentlich ein Skandal; alle sprechen von Nachhaltigkeit, aber die Politik setzt sie nicht um. Ja bei einem Rechtsrutsch droht uns sogar ein massiver Rückschritt.

Sie wollen also im Herbst mit grünen Themen über das grüne Parteispektrum hinaus punkten?

Ja, die Diskussion zur Wirtschaft ist auch eine Chance, um aufzuzeigen, dass es umfassende, nachhaltige und damit grüne Lö-sungen braucht. Doch es droht das Gegenteil. Eine rechtsbürgerliche Allianz tischt uns mit der Unterstützung ihrer Medienhäuser die Rezepte als Lösung auf, die uns in die aktu-elle Krise geführt haben. Noch mehr Isolati-on, Deregulierung und Steuergeschenke. Es wird versucht, die Wirtschaft gegen ökologi-sche Anliegen auszuspielen.

Wie wollen Sie es denn besser machen?Ich befasse mich sowohl als Politiker als

auch als Forscher und Dozent an der ETH mit nachhaltiger Entwicklung. Lösungen zu ent-wickeln, die aufgehen, ist meine Kernkompetenz. Wichtige Re-formen sind sicher Energiewen-de und Grüne Wirtschaft. Dass FDP und SVP hier zusammen mit der Economiesuisse Totalop-position machen, zeigt nur, wie wenig sie von der nachhaltigen Entwicklung verstanden haben. Denn diese zwei Projekte sind auch eine Chance für die Wirt-schaft. Sie sichern nicht nur lo-kale Wertschöpfung und wert-volle Arbeitsplätze in der pro-duzierenden Industrie. Sie machen die gan-ze Volkswirtschaft weniger abhängig von der Zerstörung natürlicher Ressourcen. Schliess-lich erlauben sie Start-ups in der Schweiz, zu-kunftsfähige Produkte zu entwickeln, und stärken damit die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz. Aber sogar in Bezug auf den Stand-ortwettbewerb überzeugen die rechtbürgerli-chen Rezepte nicht.

Inwiefern?Die Unternehmen im Kanton Zürich sind

erwiesenermassen nicht in erster Linie we-gen der tiefen Steuersätze für Unternehmen hier, sondern wegen der Lebensqualität, we-

gen des guten öffentlichen Verkehrs, den top Hochschulen und der Offenheit der Schweiz und wegen den gut ausgebildeten Menschen im Kanton Zürich. Also braucht es nicht noch mehr Steuergeschenke, sondern funktionie-rende staatliche Institutionen und eine gesun-de Umwelt. Wer grün wählt, stärkt also auch die Wirtschaft, und zwar umfassend – wäh-rend die FDP immer noch ihre alten, nachweis-lich untauglichen Rezepte verkauft.

Die Grünen sind die bessere FDP, nur schaffen sie es nicht, dies den WählerInnen zu übermit-teln?

Das könnte man zugespitzt so sagen (lacht). Das Problem ist doch, dass sich eini-ge Promi-Unternehmer für die FDP oder SVP engagieren und es schaffen, in der Öffentlich-keit den Eindruck zu erwecken, sie und damit ihre Parteien machten eine kompetente Wirt-schaftspolitik – dabei vertreten sie in erster Linie ihre eigenen Interessen. Holen sie ein weiteres Steuergeschenk heraus, hat sich ihr Einsatz schon gelohnt. Natürlich ist es nicht verboten, so zu handeln. Aber wenn es nicht gelingt, den Unterschied zwischen Partikular-

interessen und volkswirtschaft-lichen Interessen zu benennen, wird es gefährlich.

Gefährlich? Inwiefern?Die FDP tut so, als seien die

Regulierung und die Steuern der Schlüssel, wenn es darum geht, Unternehmen und Arbeitsplät-ze hier zu halten. Nur: Wer sein Unternehmen lediglich wegen ei-nes guten Steuerdeals hier ansie-delt, gehört normalerweise auch zu den Ersten, die den Kanton be-

ziehungsweise das Land wieder verlassen. Das ist auch rein wirtschaftlich nicht nachhaltig. Wir müssen in erster Linie für jene Unterneh-men schauen, die wegen unserer Lebensqua-lität, wegen der Hochschulen, den gut ausge-bildeten Fachkräften zu uns kommen. Diese Unternehmen haben eine echte Bindung zur Schweiz und sind deshalb auch eher bereit, ih-re soziale und ökologische Verantwortung in der Schweiz wahrzunehmen.

Die Rezepte der FDP hingegen führten uns direkt ins Verderben?

Zumindest halten sie nicht, was sie ver-sprechen. Auch ihre Deregulierungsideologie

Die besseren rezepte sind grün

Die Grünen sind im Ständerat untervertreten. Das will ihr Zürcher Kandidat, Nationalrat Bastien Girod, bei den Wahlen im Herbst ändern. Warum es ihn in der kleinen Kammer braucht, erklärt er im Gespräch mit Nicole Soland.

«Energiewende und Grüne Wirtschaft machen die ganze Volkswirtschaft weniger abhängig von der Zerstörung natür-licher ressourcen.»

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P.S.29.05.2015im GESPräch

geht nicht auf. Drehen wir immer weiter an der Deregulierungsschraube, geht es uns womög-lich erneut wie bei der Bankenkrise: Aufräu-men – sprich: bezahlen – müssen am Ende des Tages der Staat und damit die SteuerzahlerIn-nen. Dieses Szenario droht uns etwa bei den AKW: Die Sicherheitsanforderungen werden aufgeweicht, und der Axpo wird erlaubt, ihre Uralt-AKW ewig weiter zu betreiben. Bei ei-nem Unfall muss aber der Staat für die Kosten aufkommen.

Dasselbe Lied bei AHV und IV: Sowohl Staat wie auch Unternehmen sollen ihre Un-terstützung reduzieren, sagen die Bürgerli-chen. Dass das nicht aufgeht, ist klar – wer am Schluss zur Kasse gebeten wird, ebenfalls. Im Ständeratswahlkampf ergreife ich deshalb die Chance, aufzuzeigen, dass es so nicht geht – und dass wir Grünen mit unserer der Nachhal-tigkeit verpflichteten Gesamtsicht ganz ein-fach die besseren Lösungen haben.

Was AHV/IV betrifft, findet möglicherweise der Ständeratskandidat der SP, Daniel Jositsch, hier habe seine Partei die besseren Rezepte…

Da sehe ich kein Problem: Wir ergänzen uns inhaltlich gut und haben unterschiedliche Schwerpunkte. Die Frage, wer von uns bei-den das noch etwas bessere Rezept hat, stellt sich somit höchstens im zweiten Wahlgang – und dann steht aus meiner Sicht klar die gute Zusammenarbeit unserer beiden Parteien im Vordergrund.

Im ersten Wahlgang treten Sie also gegen nie­manden an?

Gegen niemanden ausser die untaug-lichen rechtsbürgerlichen Rezepte – und ich hoffe, dass mich dabei auch die SP unter-stützt: Es hat ja zum Glück zwei Linien auf dem Wahlzettel. Dieser Wahlkampf bietet auch ei-ne Chance, um einen Lernprozess voranzu-bringen. Wir müssen aufzeigen, dass wir ei-ne offene, innovative und verantwortungsvol-le Schweiz verteidigen müssen. Gelingt dies, kommen wir einen Schritt weiter, was auch dringend nötig wäre.

Weshalb?Wir stehen insofern vor einer histori-

schen Wahl, als es während der letzten acht Jahre im nationalen Parlament meist gelungen ist, über Parteigrenzen hinweg konstruktive Lösungen zu finden. Das steht jetzt angesichts des Erstarkens des rechtsbürgerlichen Flü-gels auf dem Spiel. Umso wichtiger ist die Mo-bilisierung jener Menschen, die sich im Alltag bereits umweltfreundlich verhalten und dies-bezüglich keine Rückschritte wünschen.

Sie bestehen also darauf, in der aktuellen po­litischen Grosswetterlage mit grünen Themen punkten zu können?

Umweltthemen eigenen sich gut für die Mobilisierung. Wenn es gelingt, Menschen wegen der Umwelt an die Urne zu bringen, wählen sie mit grosser Wahrscheinlichkeit Grün und keine rechtsbürgerlichen Kräfte. Das Thema eignet sich auch gut für den Stän-deratswahlkampf, weil Umweltanliegen mehr-heitsfähig sind. Sonst wären weder die Kultur-

landinitiative noch die Zweitwohnungsinitiati-ve angenommen worden.

Sie sind schon aufgefallen mit der Unterstützung von Elektroautos: Sind die wirklich grün?

Elektroautos sind definitiv besser für die Umwelt als benzinbetriebene, und sie sind heutzutage auch nicht mehr teurer. Dennoch denken viele Leute gar nicht daran, sich auch bei den Elektroautos umzuschauen, wenn sie sich entschieden haben, ein neues Auto zu kaufen. Der Grund dafür ist nicht allein in den Kosten zu suchen, wichtig sind auch irrationa-le, soziale und emotionale Faktoren: Viele Leu-te schauen nur auf den Kaufpreis der Elektro-autos und vergessen die tieferen Betriebskos-ten. Auch werden Elektroautos immer noch als unzuverlässig und wenig attraktiv wahrge-nommen.

Nachhaltig zu leben, muss erst noch ‹sexy› wer­den?

Ja, definitiv. Ich möchte im Wahlkampf auf zeigen, dass der gesellschaftliche und wirt-schaftliche Wandel, der uns bevorsteht, nicht mit Verzicht in Verbindung zu bringen ist. Vie-les von dem, was es zu tun gibt, lässt sich mit intelligenter Technologie oder gesellschaftli-chen Innovationen erreichen. Ein gutes Bei-spiel dafür ist die Siedlung Kalkbreite in Zü-rich: Wer hier wohnt oder arbeitet, verbraucht ein Minimum an Energie und geniesst gleich-zeitig ein Maximum an Lebensqualität. Das zeigt, dass Suffizienz nicht nur möglich ist, sondern ein innovatives, attraktives und vor al-lem real funktionierendes Konzept sein kann.

Wenn Sie also wieder mal am Steuer eines Ca­brios erwischt werden, ist das kein Fauxpas, son­dern ein Statement?

Es ist tatsächlich schon vorgekommen, dass ich bewusst damit kokettiert, ja provo-ziert habe, um zu zeigen, dass grün leben nicht heisst, auf solche Dinge verzichten zu müssen. Im Wahlkampf geht es mir aber in erster Linie darum, klar zu machen, wie wichtig die Poli-tik und damit die Wahlen für eine nachhaltige Entwicklung sind. Auch dies zeigt das Beispiel Kalkbreite: Ohne die grüne Politik wäre das Projekt nicht entstanden. Und nun gibt es eine lange Warteliste von Menschen, die gerne dort so nachhaltig leben möchten. Wenn die Rah-menbedingungen stimmen, kommt das nach-haltig Leben von alleine.

Wer Sie wählt, bekommt folglich Nachhaltigkeit ohne Nebenwirkungen?

Genau, Ziel der nachhaltigen Entwick-lung ist es gerade, die sozialen und ökologi-schen Nebenwirkungen der heutigen einseiti-gen und kurzsichtigen wirtschaftlichen Ent-wicklung zu überwinden. Wer mich wählt, bekommt einen Ständerat, der sich für Le-bensqualität, Gerechtigkeit und den notwen-digen Wandel in Gesellschaft und Wirtschaft einsetzt. Ich habe mich in den letzten 15 Jah-ren prioritär mit diesen Themen auseinander-gesetzt; das ist mein Fachgebiet, hier bin ich kompetent.

Die Behauptung, wir könnten mit weniger Geld umweltfreundlicher und sozialverträglicher pro­duzieren als heute, gilt doch gemeinhin als das Markenzeichen des Ständeratskandidaten der Grünliberalen, Martin Bäumle…

Von sozialer Verträglichkeit habe ich von der GLP noch nicht viel gehört. Doch wenn wir einen ökologischen Wandel wollen, müs-sen wir auch die sozialen Anliegen ernst neh-men, schon nur um die SP im Boot zu behal-ten. Und was die Umwelt betrifft, sind Mar-tin Bäumles Grünliberale leider wenig konse-quent: Sie haben die Zweitwohnungsinitiative ebenso bekämpft wie die Kulturlandinitiative – und beide Male verloren. Bei diesen umwelt-politischen Meilensteinen war die SP klar die ökologischere Partei.

Immerhin wird die GLP als eher bürgerliche Par­tei wahrgenommen – im bürgerlichen Kanton Zürich nicht per se ein Nachteil.

Das mag sein, umso wichtiger ist es auf-zuzeigen, dass wir Lösungen suchen, die nicht nur für uns oder Menschen in der Stadt funkti-onieren. Wir brauchen auch Lösungen, die je-ne ansprechen, die auf dem Land wohnen und ein Auto brauchen. Denn wer auf dem Land lebt, hat häufig auch eine Affinität zur Natur und damit auch zum Schutz der Umwelt: Was also spricht dagegen, dass er oder sie die Grü-nen wählt?

Ist das jetzt schon opportunistisch, oder tönt es bloss so?

Man muss zwischen dem Weg und dem Ziel unterscheiden: Beim Weg braucht es eine gewisse Portion Opportunismus. Nicht aber was das Ziel betrifft. Es gibt in Bezug auf den Weg auch keine absolute Wahrheit, vielmehr braucht es ein Suchen nach nachhaltigen und mehrheitsfähigen Lösungen.

Bastien Girod, Ständeratskandidat der Grünen. zvg