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MI., 20. JANUAR 2016 WWW.LKZ.DE KULTUR IM KREIS 12 VON PHILIPP SCHNEIDER EBERDINGEN Werke aus einer anderen Welt Die Spinifex People in der australischen Wüste kommen erst in den 50er Jahren zum ersten Mal mit Weißen in Kontakt – als die Briten in ihrer Gegend Atomtests veranstalten und einen großen Teil ihres Stammesgebiets verseuchen. Die Malerei ist für die Menschen zu dieser Zeit überle- benswichtig. Ihre Werke dienen als Be- weismittel zur Durchsetzung von Landan- sprüchen. „Sie haben damals mehr als 55 000 Quadratkilometer anhand ihrer Kunst zurückgewonnen“, sagt Robyn Kelch, Australierin mit deutschen Eltern und Galeristin aus Freiburg. Kelch ist in Nussdorf eine gute Bekann- te. Was sie mit dem Sammlerpaar Alison und Peter Klein verbindet: die Liebe zur Kunst der Aborigines. Peter Klein kam mit den Werken der australischen Ureinwoh- ner zum ersten Mal Ende der 90er Jahre in Sydney in Berührung. In seinem Kunst- werk hat er rund 400 oft großformatige, AUSSTELLUNG „Es handelt sich um rohe, archaische Werke“: Die Freiburger Galeristin Robyn Kelch im Nussdorfer Kunstwerk mit Exponaten des „Spinifex Arts Projects“. Fotos: Oliver Bürkle Zeitgenössische Kunst der Aborigi- nes ist seit Oktober in Nussdorf zu sehen – am kommenden Sonntag bekommen sie nun Unterstützung von den letzten Nomaden der aust- ralischen Wüste. bunte Stücke zeitgenössischer Aborigine- kunst zusammengetragen. Die Schau „Neue Bilder. Malerei der Aborigines“ gibt seit Oktober Einblicke in diese indigene Kunst. „Am Anfang wurde ich belächelt, weil ich Volkskunst erworben hatte“, sagt Klein. Heute ist seine Sammlung wegweisend in Eu- ropa. Die Freiburger Galeristin Kelch hat nun 27 weitere Wer- ke der Künstlerkooperative „Spinifex Arts Project“ nach Nussdorf ge- bracht, die ab dem kommenden Sonntag im dritten Obergeschoss des Kunstwerks zu sehen sind. „Es handelt sich um rohe, archaische Werke“, sagt sie. Am besten nähert man sich den Arbei- ten von oben, viele sind aus der Perspekti- ve des braun-roten Zebrafinks entstanden, der bei den Spinifex People Heiligenstatus genießt. Braun und rot sind deshalb die domi- nierenden Farben. Die Werke sind zudem visuell komplex und ungewohnt. Charakteris- tisch sind kleine Punkte, die sich zu Streifen, Bändern und Kreisen entwickeln. Kreise symbolisieren Wasserstellen, an die es die Spinifex-People als Wüsten- volk zieht. „Die magische Kraft dieser Son- derausstellung“, findet die Kuratorin Kelch, „kommt besonders in den Gemein- schaftswerken zur Geltung.“ Was aus westlicher Sicht verpönt ist, gilt bei den Aborigines als Hohe Schule. Meh- rere Künstler widmen sich einem Werk – allerdings getrennt nach Männlein und Weiblein. Eine männliche Gruppe nimmt den Betrachter in Nussdorf mit auf eine Reise in der Welt der Initiationsriten. Die Bildsprache ist streng. „Spinifex-Frauen gehen mehr in die Vollen“, sagt die Kura- torin. Mystisch bleibt es aber auch bei ih- ren „Seven Sisters“ (englisch für Sieben Schwestern). Hierbei geht es um eine Ge- schichte aus der Traumzeit der Aborigines, die von Wassernymphen handelt. In Nussdorf sind auch Arbeiten der Künstler Ian Rictor und Tjaruwa Woods vertreten. Sie gehörten zu der Gruppe von Aborigines, die vor 30 Jahren ihren ersten Kontakt mit der weißen Welt hatten – da galten Teile ihrer Heimat wegen der Atom- tests längst als Sperrgebiet. Heute stellen Rictor und Woods in der australischen Na- tionalgalerie in Canberra aus. Die 27 Exponate, die in Nussdorf zu se- hen sind, sind alle zu verkaufen. Der Erlös dient unter anderem dazu, das neu erbau- te Kunstzentrum des „Spinifex Arts Pro- ject“ an die Strom- und Wasserversorgung anzuschließen. INFO: Die Sonderausstellung mit Werken des „Spinifex Arts Projects“ ist vom kommenden Sonntag, 24. Januar, bis zum 3. April im Kunst- werk in Nussdorf zu sehen. „Die Spinifex- Kunst kann als Archetyp der Aboriginal Art bezeichnet wer- den.“ Robyn Kelch Galeristin Eine der ältesten Kunstrichtungen der Menschheit Die Kunst der Aborigines ist rund 40 000 Jahre alt. Früher malten die australischen Ureinwohner mit Fingern oder mit Holz- stöckchen im Sand oder auf natürlichen Oberflächen wie Felsen und Körpern. Erst um 1970 beginnen Aborigines, ihre Kunst auf Leinwänden festzuhalten. Auslö- ser ist der australische Künstler Geoffrey Bardon, der eine Gruppe von Ureinwoh- nern, mit Malutensilien ausstattet. ABORIGINAL ART Themen der Werke sind oft visuelle Darstel- lungen der Schöpfungsgeschichte und das Land, aus dem die Künstler stammen. In der Gemeinschaft der australischen Ureinwoh- ner ist ein Leben, ohne seine eigenen Wur- zeln zu kennen, unvorstellbar. Charakteris- tisch für die traditionelle Malerei ist die Ver- wendung von Punktmalerei und von Sym- bolen. Dominierende Farben sind oft Rot, Braun oder Ocker. (red) KULTURKALENDER Artmann, Kraus und Schrammeln Mit ihrem Programm „Zorro – Rächer der Würstelmänner“ gastieren Fritz Karl & die Oberösterreichischen Con- cert-Schrammeln am morgigen Don- nerstag um 20 Uhr in der Bietig- heimer Kelter. Die „literarisch-musi- kalische Reise in die Welthauptstadt des schönen Scheins“ bietet Skurriles und Witziges von H. C. Artmann, Hel- muth Qualtinger und den Wiener Kaf- feehausliteraten rund um Karl Kraus, Peter Altenberg und Alfred Polgar. Der Schauspieler Fritz Karl wird be- gleitet von den 2009 neu formierten Oberösterreichischen Concert- Schrammeln, die das Lebensgefühl des Wiener Heurigenbezirks Grinzing heraufbeschwören. Winterreise mit Flüchtlingen Nach den Erfolgen mit „Così fan tut- te“ und „Zaide“ präsentiert die Stutt- garter Mezzosopranistin Cornelia Lanz ihr nächstes Kulturprojekt mit Flüchtlingen: „Labo Agen. Eine ande- re Winterreise“ heißt die Konzertle- sung in deutsch-arabischer Kopro- duktion, mit der sie morgen, 21. Janu- ar, um 20 Uhr in der Gerlinger Jahn- halle zu Gast ist. Zum Thema: Mitten im Winter sind Tausende Flüchtlinge in Europa unterwegs. Wenn sie Län- der wie Deutschland erreichen, müs- sen sie Formulare ausfüllen, in denen ihr Leben kurzgefasst hineinpassen soll. Eines dieser Formulare heißt La- bo Agen. Neben Cornelia Lanz treten der Schauspieler Ramadan Ali, der Autor Gernot Wolfram und der Musi- ker Ahmad Shakib Pouya auf. Magie im Klassenzimmer Schon zweimal, nämlich 2009 mit dem Programm „Liebeszauber“ und 2013 mit „Liebeszauber 2.0“, faszi- nierte Harry Keaton das Publikum in Steinheim. Am Freitag, 22. Januar, läutet Keaton um 20 Uhr nun auch das neue „Kult-X“-Veranstaltungsjahr 2016 ein. Mit der Aula der Erich-Käst- ner-Realschule als Spielstätte könnte der Rahmen für seine neue Magie- Humor-Show wohl kaum passender sein: Sie heißt: „Das magische Klas- senzimmer“. Egal, ob die Erinnerun- gen an die Schulzeit schön oder eher mit Horrorvorstellungen verbunden sind, Nachsitzen mit Dr. Harry Keaton wird dringend empfohlen. Moderner Gipsy Swing Josho Stephan kommt am Freitag, 22. Januar, um 20 Uhr nach Kornwest- heim in die Kleinkunstbühne Casino. Joscho Stephan prägt mit seinem Spiel den modernen Gipsy Swing: Durch seinen authentischen Ton, mit harmonischer Raffinesse und rhyth- mischem Gespür, vor allem aber mit atemberaubender Solotechnik hat er sich in der Gitarrenszene einen her- ausragenden Ruf erspielt. (red)

Werke aus einer anderen Welt - ARTKELCH

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MI., 20. JANUAR 2016

WWW.LKZ.DE ■■■■■■KULTUR IM KREIS12

VON PHILIPP SCHNEIDER

EBERDINGEN

Werke aus einer anderen Welt

Die Spinifex People in der australischenWüste kommen erst in den 50er Jahrenzum ersten Mal mit Weißen in Kontakt –als die Briten in ihrer Gegend Atomtestsveranstalten und einen großen Teil ihresStammesgebiets verseuchen. Die Malereiist für die Menschen zu dieser Zeit überle-benswichtig. Ihre Werke dienen als Be-weismittel zur Durchsetzung von Landan-sprüchen. „Sie haben damals mehr als55 000 Quadratkilometer anhand ihrerKunst zurückgewonnen“, sagt RobynKelch, Australierin mit deutschen Elternund Galeristin aus Freiburg.

Kelch ist in Nussdorf eine gute Bekann-te. Was sie mit dem Sammlerpaar Alisonund Peter Klein verbindet: die Liebe zurKunst der Aborigines. Peter Klein kam mitden Werken der australischen Ureinwoh-ner zum ersten Mal Ende der 90er Jahre inSydney in Berührung. In seinem Kunst-werk hat er rund 400 oft großformatige,

AUSSTELLUNG

„Es handelt sich um rohe, archaische Werke“: Die Freiburger Galeristin Robyn Kelch im Nussdorfer Kunstwerk mit Exponaten des „Spinifex Arts Projects“. Fotos: Oliver Bürkle

Zeitgenössische Kunst der Aborigi-

nes ist seit Oktober in Nussdorf zu

sehen – am kommenden Sonntag

bekommen sie nun Unterstützung

von den letzten Nomaden der aust-

ralischen Wüste.

bunte Stücke zeitgenössischer Aborigine-kunst zusammengetragen. Die Schau„Neue Bilder. Malerei der Aborigines“ gibtseit Oktober Einblicke in dieseindigene Kunst. „Am Anfangwurde ich belächelt, weil ichVolkskunst erworben hatte“,sagt Klein. Heute ist seineSammlung wegweisend in Eu-ropa.

Die Freiburger GaleristinKelch hat nun 27 weitere Wer-ke der Künstlerkooperative„Spinifex Arts Project“ nach Nussdorf ge-bracht, die ab dem kommenden Sonntagim dritten Obergeschoss des Kunstwerkszu sehen sind. „Es handelt sich um rohe,archaische Werke“, sagt sie.

Am besten nähert man sich den Arbei-ten von oben, viele sind aus der Perspekti-ve des braun-roten Zebrafinks entstanden,

der bei den Spinifex PeopleHeiligenstatus genießt. Braunund rot sind deshalb die domi-nierenden Farben. Die Werkesind zudem visuell komplexund ungewohnt. Charakteris-tisch sind kleine Punkte, diesich zu Streifen, Bändern undKreisen entwickeln. Kreisesymbolisieren Wasserstellen,

an die es die Spinifex-People als Wüsten-volk zieht. „Die magische Kraft dieser Son-derausstellung“, findet die KuratorinKelch, „kommt besonders in den Gemein-schaftswerken zur Geltung.“

Was aus westlicher Sicht verpönt ist, giltbei den Aborigines als Hohe Schule. Meh-rere Künstler widmen sich einem Werk –allerdings getrennt nach Männlein undWeiblein. Eine männliche Gruppe nimmtden Betrachter in Nussdorf mit auf eineReise in der Welt der Initiationsriten. DieBildsprache ist streng. „Spinifex-Frauengehen mehr in die Vollen“, sagt die Kura-torin. Mystisch bleibt es aber auch bei ih-ren „Seven Sisters“ (englisch für SiebenSchwestern). Hierbei geht es um eine Ge-schichte aus der Traumzeit der Aborigines,die von Wassernymphen handelt.

In Nussdorf sind auch Arbeiten derKünstler Ian Rictor und Tjaruwa Woodsvertreten. Sie gehörten zu der Gruppe vonAborigines, die vor 30 Jahren ihren erstenKontakt mit der weißen Welt hatten – dagalten Teile ihrer Heimat wegen der Atom-tests längst als Sperrgebiet. Heute stellenRictor und Woods in der australischen Na-tionalgalerie in Canberra aus.

Die 27 Exponate, die in Nussdorf zu se-hen sind, sind alle zu verkaufen. Der Erlösdient unter anderem dazu, das neu erbau-te Kunstzentrum des „Spinifex Arts Pro-ject“ an die Strom- und Wasserversorgunganzuschließen.

INFO: Die Sonderausstellung mit Werken des

„Spinifex Arts Projects“ ist vom kommenden

Sonntag, 24. Januar, bis zum 3. April im Kunst-

werk in Nussdorf zu sehen.

„Die Spinifex-Kunst kann alsArchetyp derAboriginal Artbezeichnet wer-den.“Robyn Kelch Galeristin

Eine der ältesten Kunstrichtungen der Menschheit

Die Kunst der Aborigines ist rund 40 000

Jahre alt. Früher malten die australischen

Ureinwohner mit Fingern oder mit Holz-

stöckchen im Sand oder auf natürlichen

Oberflächen wie Felsen und Körpern.

Erst um 1970 beginnen Aborigines, ihre

Kunst auf Leinwänden festzuhalten. Auslö-

ser ist der australische Künstler Geoffrey

Bardon, der eine Gruppe von Ureinwoh-

nern, mit Malutensilien ausstattet.

ABORIGINAL ART

Themen der Werke sind oft visuelle Darstel-

lungen der Schöpfungsgeschichte und das

Land, aus dem die Künstler stammen. In der

Gemeinschaft der australischen Ureinwoh-

ner ist ein Leben, ohne seine eigenen Wur-

zeln zu kennen, unvorstellbar. Charakteris-

tisch für die traditionelle Malerei ist die Ver-

wendung von Punktmalerei und von Sym-

bolen. Dominierende Farben sind oft Rot,

Braun oder Ocker. (red)

KULTURKALENDER

Artmann, Kraus und Schrammeln

Mit ihrem Programm „Zorro – Rächer

der Würstelmänner“ gastieren Fritz

Karl & die Oberösterreichischen Con-

cert-Schrammeln am morgigen Don-

nerstag um 20 Uhr in der Bietig-

heimer Kelter. Die „literarisch-musi-

kalische Reise in die Welthauptstadt

des schönen Scheins“ bietet Skurriles

und Witziges von H. C. Artmann, Hel-

muth Qualtinger und den Wiener Kaf-

feehausliteraten rund um Karl Kraus,

Peter Altenberg und Alfred Polgar.

Der Schauspieler Fritz Karl wird be-

gleitet von den 2009 neu formierten

Oberösterreichischen Concert-

Schrammeln, die das Lebensgefühl

des Wiener Heurigenbezirks Grinzing

heraufbeschwören.

Winterreise mit Flüchtlingen

Nach den Erfolgen mit „Così fan tut-

te“ und „Zaide“ präsentiert die Stutt-

garter Mezzosopranistin Cornelia

Lanz ihr nächstes Kulturprojekt mit

Flüchtlingen: „Labo Agen. Eine ande-

re Winterreise“ heißt die Konzertle-

sung in deutsch-arabischer Kopro-

duktion, mit der sie morgen, 21. Janu-

ar, um 20 Uhr in der Gerlinger Jahn-

halle zu Gast ist. Zum Thema: Mitten

im Winter sind Tausende Flüchtlinge

in Europa unterwegs. Wenn sie Län-

der wie Deutschland erreichen, müs-

sen sie Formulare ausfüllen, in denen

ihr Leben kurzgefasst hineinpassen

soll. Eines dieser Formulare heißt La-

bo Agen. Neben Cornelia Lanz treten

der Schauspieler Ramadan Ali, der

Autor Gernot Wolfram und der Musi-

ker Ahmad Shakib Pouya auf.

Magie im Klassenzimmer

Schon zweimal, nämlich 2009 mit

dem Programm „Liebeszauber“ und

2013 mit „Liebeszauber 2.0“, faszi-

nierte Harry Keaton das Publikum in

Steinheim. Am Freitag, 22. Januar,

läutet Keaton um 20 Uhr nun auch

das neue „Kult-X“-Veranstaltungsjahr

2016 ein. Mit der Aula der Erich-Käst-

ner-Realschule als Spielstätte könnte

der Rahmen für seine neue Magie-

Humor-Show wohl kaum passender

sein: Sie heißt: „Das magische Klas-

senzimmer“. Egal, ob die Erinnerun-

gen an die Schulzeit schön oder eher

mit Horrorvorstellungen verbunden

sind, Nachsitzen mit Dr. Harry Keaton

wird dringend empfohlen.

Moderner Gipsy Swing

Josho Stephan kommt am Freitag, 22.

Januar, um 20 Uhr nach Kornwest-

heim in die Kleinkunstbühne Casino.

Joscho Stephan prägt mit seinem

Spiel den modernen Gipsy Swing:

Durch seinen authentischen Ton, mit

harmonischer Raffinesse und rhyth-

mischem Gespür, vor allem aber mit

atemberaubender Solotechnik hat er

sich in der Gitarrenszene einen her-

ausragenden Ruf erspielt. (red)