Werner Nohl: Ist Das Landschaftsbild Messbar Und Bewertbar

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Es hat sich in vielen empirisch-wissenschaftlichen Untersuchungen zum Landschaftsbild gezeigt, daß Landschaftsästhetik keine schiere subjektive Angelegenheit ist.

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    Prof. Dr. Werner Nohl:

    Ist das Landschaftsbild mebar und bewertbar?

    Bestandsaufnahme und Ausblick

    Zusammenfassung eines Referats an der Universitt fr Bodenkultur Wien, 2010

    Fr mich stellt sich die Frage, wie sinnvoll unter den Bedingungen, wie derzeit Schutz und

    Entwicklung des Landschaftsbildes von Politikern und Fachleuten im Naturschutz

    eingeschtzt werden, eine Fortentwicklung etwa des von mir entworfenen Verfahrens zur

    Erfassung und Bewertung der 'Beeintrchtigungen des Landschaftsbildes durch

    mastenartige Eingriffe' (NOHL, 1993) ist.

    Derzeit erscheint es mir sinnvoller, die von Investoren, Spekulanten und Politikern

    bedrohten Brgergruppen und Gemeinden vor Ort, die sich gegen den sthetischen

    Ausverkauf ihrer heimatlichen Landschaft durch die Errichtung von Windkraftanlagen

    wehren, in ihrem Kampf gegen die sinnlose Zerstrung ihres landschaftlichen Lebens- und

    Erholungsraumes gutachterlich zu untersttzen.

    Es hat sich in vielen empirisch-wissenschaftlichen Untersuchungen zum Landschaftsbild

    gezeigt, da Landschaftssthetik keine schiere subjektive Angelegenheit ist.

    Landschaft vs. Ortschaft

    Fundamentale, langfristige Grundstze der Orts- und Regionalplanung sind dem

    binnenlndischen Windkraftwahn sinnlos geopfert worden.

    Seit weit ber 100 Jahren wird in Deutschland in baurechtlicher Hinsicht zwischen

    Innenbereich und Auenbereich unterschieden.

    Noch heute stellen diese Bereiche im Groen und Ganzen so unterschiedliche

    Erlebniswelten dar, da niemand Schwierigkeiten hat, zwischen besiedelten und

    unbesiedelten Bereichen oder zwischen Ortschaft und Landschaft auf Anhieb zu

    differenzieren.

    Das heit, auch heute noch erleben die Menschen die agrarisch und forstlich genutzte

    Landschaft im Auenbereich - im Gegensatz zum urbanisierten Innenbereich - in aller

    Regel als ein Bild friedvoller, sthetisch-emotional anrhrender Natur, die sie in den

    Siedlungs- und vor allem in den verstdterten Gebieten oft vergeblich suchen, dort

    bestenfalls in Surrogatformen wie Parkanlagen oder Grten vorfinden.

    Masterplan

    Wurden Verfahren ursprnglich dazu entwickelt, zgig und effektiv Planungsentscheidungen

    herbeizufhren, so mssen wir heute feststellen, da sie benutzt werden, um zgig und

    effektiv den Menschen ihre Heimat und ihre Naherholungsgebiete zu zerstren - und das

    mglicherweise fr eine Energie-Schimre, die freilich fr Einige ein Goldesel zu sein

    scheint.

    kologie und sthetik (vgl. 'Was heit hier schn? ' J. Payr)

    Auch der studierte Landschaftsplaner ist hier gegen Fehleinschtzungen nicht gefeit, da er

    oftmals nur eine kologische Ausbildung besitzt aber keine landschaftssthetische.

    Landschaftssthetik als Grundlagenfach gibt es bekanntlich nicht in der Ausbildung zum

    Landschaftsarchitekten in der Bundesrepublik Deutschland.

    Ausnahmeregelungen fr Growindanlagen

    Hinter der Privilegierung steckt bekanntlich die politische Absicht, regenerative

    Energien strker als bisher frdern zu knnen.

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    Diesem Ziel wurde die Grundsatznorm des Naturschutzes, nmlich Vielfalt, Eigenart und

    Schnheit sowie den Erholungswert der Landschaft als Lebensgrundlage des Menschen und

    in Verantwortung fr die knftigen Generationen zu sichern, bedingungslos geopfert.

    So wird mit der Privilegierung, die von rat- und seelenlosen Politikern in das

    Naturschutzgesetz eingeschleust wurde, in einem bisher nicht vorstellbaren Ausma eine

    sthetische Landschaftszerstrung betrieben, die auf eine Entwertung der alltglichen

    Lebenswelt der groen Mehrzahl der Bevlkerung hinausluft.

    Sinnlosigkeit von Ausgleichsmanahmen

    Bei derart hohen Eingriffsobjekten, die sich mit 6-facher Hhe ber die Wlder und

    Siedlungen erheben, ist die Vorstellung, mit Kompensationsmanahmen solche Eingriffe

    ausgleichen zu knnen, schlicht sinnlos.

    Auch kann mit landschaftspflegerischen Manahmen kein gleichwertiger Ersatz

    herbeigezaubert werden.

    Wie viel auch immer kompensiert wird, die sthetische Beeintrchtigung durch einen 180 m

    hohen Masten ist - insbesondere in seiner Fernwirkung - nicht aufzuheben.

    Alles Kompensieren hat nur noch vorgetuschte aber keine tatschliche Wirkung mehr.

    Es ist eine dauerhafte Pseudoveranstaltung, auf der Politiker, Behrden und Planer

    gleichermaen Volksverdummung betreiben.

    Unter Bedingungen der Privilegierung stellen die nutzlos verpulverten Planungskosten

    einen volkswirtschaftlichen Skandal dar, und die vorgetuschte Ernsthaftigkeit des

    Planungsverfahrens ein demokratisches Desaster.

    Alternative: Die Eingriffsbeschreibung

    Eine schonungslose Eingriffsbeschreibung [Anm.: statt eines

    Kompensationsflchenverfahrens] knnte Grundlage fr eine Bilanzierung, eine Art

    Kosten-Nutzen-Erhebung sein, in der z.B. die windenergetischen Gewinne und die

    Landschaftsbildverluste in einem Eingriffsgebiet gegenbergestellt wrden.

    Mit dieser Vorgehensweise knnte mglicherweise besser verdeutlicht werden, welche

    gigantischen Heimat- und Lebensraumverluste etwa im Falle von Windkraftanlagen gegen

    eine bescheidene Ausbeute an umweltfreundlicher Energie in aller Regel eingetauscht

    werden.

    Solche Bilanzierungen htten zudem den Vorteil, da der Abwgungsprozess durch

    Versachlichung der Willkr von Politikern wenigstens teilweise entrissen wrde.

    Dann brauchte sich auch der Naturschutz als Fachbehrde nicht mehr zu verbiegen.

    Zu einer verbesserten Eingriffsbeschreibung gehrt in jedem Fall eine systematische

    Darstellung der visuell beeintrchtigten Flchen im Umgriff des Eingriffsvorhabens.

    Dabei darf an der 5-km-Grenze der dritten visuellen Wirkzone nicht haltgemacht werden.

    10 km sollte hier das Minimum sein.

    Insbesondere in bergigen Lagen sollten bei Hhen ber 100 m auch weiter entfernt

    liegende, prominente Landschaftsbereiche wie etwa Hhenzge, Tallagen, Gewsser usw.

    herausgearbeitet werden, wenn von ihnen aus die Eingriffsobjekte an schnen Tagen

    sichtbar sind.

    Derartig beeintrchtigte Gebiete knnen manchmal bis zu 60 - 80 km entfernt liegen.

    sthetische Auswirkungen von Windkraftanlagen auf die Umgebungslandschaft

    1 Mastabsverluste

    2 Eigenartsverluste

    3 Technische berfremdungen

    4 Strukturbrche

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    5 Belastungen des Blickfeldes

    6 Horizontverschmutzungen

    7 Zerstrung exponierter Standorte

    8 Sichtverriegelungen

    9 Rotorbewegungen

    10 Verlust der Stille

    11 Strungen der Nachtlandschaft

    1 sthetische Maverhltnisse der Landschaft werden auer Kraft gesetzt.

    2 Starke Beeintrchtigungen des typischen, naturrumlichen und kulturrumlichen

    Landschaftscharakters, die als Heimatverlust erlebt werden.

    3 Windparks belasten durch ihren hochtechnischen Charakter insbesondere naturnahe

    Landschaftsbilder und Bilder der buerlichen Kulturlandschaft.

    4 Wegen ihrer gigantischen Hhen sprechen Windkraftanlagen die Wahrnehmung des

    Betrachters besonders leicht an, und 'strahlen' in ihrer Aufflligkeit visuell tief in die

    Umgebungslandschaften hinein.

    5 Windkraftanlagen stren das sthetisch einzigartige Gliederungsgefge der Landschaft,

    indem sie deren geomorphologischer Grundstruktur neue, landschaftsfremde Leitlinien und

    Leitpunkte berstlpen

    6 WKA und Windparks heben sich oft in dominanter Weise vertikal gegen die flach lagernden

    Horizontlinien ab.

    Auf diese Weise wird das landschaftssthetisch wirksame Erlebnis der ungestrten

    horizontalen Schichtung von Himmel und Erde in fast aggressiver Weise kontaminiert.

    8 Windparks stellen sperrige Infrastrukturen dar. Wegen der Flle der Einzelanlagen kommt

    es oft zu sthetischen 'Sichtblockaden'. Die Betrachter fhlen sich durch einen 'Vorhang' aus

    gigantischen Stahlgitter- oder Betonmasten sthetisch-visuell ausgesperrt.

    9 Die permanent kreisenden Rotoren stellen eine ausgesprochen landschaftsfremde

    Bewegung mit starker Suggestivwirkung und groer Anziehungskraft dar. Sie wirken wie

    magische 'Blickfnger', die vom sonstigen landschaftlichen Angebot ablenken und damit den

    sthetischen Landschaftsgenu gravierend beeintrchtigen.

    10 Durch Lrm und Dauergerusche der Windkraftanlagen geht in greren Bereichen jene

    landschaftliche Stille verloren, die notwendig ist, um landschaftstypische Tne und Klnge

    (Vogelgezwitscher, Baumrauschen, Bachgepltscher usw.) sthetisch wahrnehmen und

    genieen zu knnen.

    11 Die flashlightartige Befeuerung der hohen WKA zieht oft eine erhebliche Beeintrchtigung

    der typischen lndlichen 'Nachtlandschaft' nach sich, in der sich die nchtlichen

    Lichtverhltnisse ber Naturphnomene bestimmen wie z.B. eine wolkenlose Strahlungsnacht,

    eine Mondnacht.

    Autor: Landschaftswerkstatt - Dr. Werner Nohl, Hon.-Prof. (TU Mnchen), 85551 Kirchheim, Stockckerring 17

    Tel. 0049 89 903, 83 46

    Zusammengefat und mit eingefgten berschriften versehen von Mag. Johann Aschenberger,

    Verein zum Schutz des Kobernauer und Hausruckwaldes, 4910 Ried im Innkreis

    http://www.pro-mensch.info/Pro_Mensch/Lebensraum.html

    http://www.pro-mensch.info/Pro_Mensch/Lebensraum.html