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CME 90 — der niedergelassene arzt 04/2017 Wesentliches zur Insulintherapie beim Diabetes mellitus Fortbildung Priv.-Doz. Dr. med. Markus Schubert Innere Medizin, St. Josefs-Hospital Rheingau, Rüdesheim Mittlerweile zählt der Diabetes mellitus zu den häufigsten chro- nischen Erkrankungen in den westlichen Industrienationen. Jüngste Erhebungen für Deutschland zeigen, dass die Präva- lenz des Diabetes mellitus nun vielerorts neun Prozent über- steigt. Trotz einer Vielzahl von oralen Antidiabetika wird ein Großteil von Typ-2-Diabetikern insulinbedürftig. Beim Diabetes mellitus Typ 2 handelt es sich um eine chronische Erkrankung, die im Verlauf mit dem progredienten Verlust von pankreatischen Betazellen einhergeht und so zur Insulinbedürftigkeit führt. Der Typ-1-Diabetes, der durch einen absoluten Mangel, bedingt durch die autoimmune Zerstörung der pankreatischen Betazellen, charakterisiert ist, ist vom Tage der Diagnosestel- lung an insulinpflichtig. Dementsprechend ist die Insulinthera- pie eine bedeutende Säule in der Diabetestherapie. Eine Kooperation mit

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CME

90 — der niedergelassene arzt 04/2017

Wesentliches zur Insulintherapie beim Diabetes mellitus

Fortbildung

Priv.-Doz. Dr. med. Markus SchubertInnere Medizin, St. Josefs-Hospital Rheingau, Rüdesheim

Mittlerweile zählt der Diabetes mellitus zu den häufigsten chro-nischen Erkrankungen in den westlichen Industrie nationen. Jüngste Erhebungen für Deutschland zeigen, dass die Präva-lenz des Diabetes mellitus nun vielerorts neun Prozent über-steigt. Trotz einer Vielzahl von oralen Antidiabetika wird ein Großteil von Typ-2-Diabetikern insulinbedürftig.

Beim Diabetes mellitus Typ 2 handelt es sich um eine chronische Erkrankung, die im Verlauf mit dem progredienten Verlust von pankreatischen Betazellen einhergeht und so zur Insulinbedürftigkeit führt.

Der Typ-1-Diabetes, der durch einen absoluten Mangel, bedingt durch die autoimmune Zerstörung der pankreatischen Betazellen, charakterisiert ist, ist vom Tage der Diagnosestel-lung an insulinpflichtig. Dementsprechend ist die Insulinthera-pie eine bedeutende Säule in der Diabetestherapie.

Eine Kooperation mit

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B ereits 1869 spekulierte Paul Langer­hans in seiner Dissertation, dass die

pankreatischen Inseln in der Bauchspei­cheldrüse ein Hormon produzieren. Jedoch war die Funktionsweise dieses Hormons zu Zeiten von Paul Langerhans unklar. 1921 gelang Frederick Banting und Charles Best die Extraktion von Insulin. Ein Jahr später wurde dann gereinigtes, tierisches Insulin beim Menschen zur Therapie des Diabe­tes mellitus Typ 1 eingesetzt. Erst deutlich später gelang die chemische Synthese von Insulin. 1982 wurde das erste Mal Human­insulin genetisch hergestellt, in der Folge wurden die tierischen Insuline vom Markt verdrängt. Heute werden praktisch nur noch humane Insuline zur Therapie einge­setzt. Einige der auf dem Markt befindli­chen Insuline sind jedoch modifiziert, so dass sie entweder durch einen besonders schnellen oder durch einen verzögerten Wirkungseintritt und eine verlängerte Wir­kung charakterisiert sind (Insulinanaloga).

Fokus auf endo- und parakrine Mechanismen

Wird die Nahrung oral aufgenommen, so wird eine Vielzahl von endo­ und pa­rakrinen Mechanismen in Gang gesetzt. In den letzten Jahren wurde einer dieser Mechanismen besonders bedeutsam: das sogenannte GLP1­System (GLP: Gluca­gon­like­peptide). Findet sich in der Speise Glukose, so messen dies bestimmte Zellen der Darmwand (sog. L­Zellen), daraufhin wird vor allen Dingen Glucagon­like­pep­tide­1 sezerniert, was die Insulinausschüt­tung aus den pankreatischen Betazellen erhöht. Die pankreatischen Betazellen selbst messen die Blutzuckerspiegel und setzen blutzuckerabhängig Insulin frei. Allein diese beiden Mechanismen zeigen, dass die Insulinfreisetzung hoch komplex ist. Dementsprechend kann die Injektion mit Insulin unter die Haut sicherlich nicht physiologisch sein.

Moderne Insulintherapien ahmen physiologische Freisetzung nach

Mit den modernen Insulintherapien wer­den wichtige Charakteristika der Insulin­wirkung nachgeahmt. Die Insulinfreiset­zung aus den pankreatischen Betazellen zeichnet sich durch eine basale Sekretion und eine von der Nahrung abhängige In­sulinsekretion aus. Circa 50 Prozent des täglich produzierten Insulins wird basal se­zerniert, die anderen 50 Prozent abhängig von der Nahrung. Ein gesunder Erwachse­ner produziert etwa 40 Einheiten Insulin

pro Tag. Die nahrungsabhängige Insulin­sekretion gliedert sich in zwei Phasen: in eine schnelle, direkt nach Nahrungsauf­nahme eintretende Sekretion von Insulin, und eine langsame Phase. Damit reagiert die pankreatische Betazelle optimal auf die verschiedenen Kohlehydratformen, die sich in der Nahrung befinden.

Molekularer Mechanismus der Insulinwirkung bekannt

Im Zuge des Fortschrittes in der moleku­laren Medizin ist mittlerweile der mole­kularer Mechanismus der Insulinwirkung bekannt. Insulin bindet an eine Rezeptor­tyrosinkinase, den sogenannten Insulinre­zeptor, der wiederum Insulinrezeptorsub­strate rekrutiert und im Wesentlichen zwei Signalwege aktiviert, die Zellwachstum und Zellstoffwechsel durch verschiedene molekulare Mediatoren beeinflussen.

Eine der wesentlichen Wirkun­gen von Insulin ist die durch einen be­stimmten Glukosetransporter ausgelöste Glukose aufnahme. Der insulinsensitive Glukosetransporter heißt GLUT4 und wird praktisch ausschließlich in Muskula­tur und Fettgewebe exprimiert. Neben der glukosesenkenden Wirkung hat Insulin aber eine Vielzahl von anderen metabo­lischen und mitogenen Effekten, so z. B. induziert Insulin die Glykogensynthese

und Speicherung in Leber und Muskeln, die Triglyceridsynthese in der Leber und im Fettgewebe sowie die Speicherung von Aminosäuren im Muskel.

Gleichzeitig inhibiert Insulin die hepa­tische Glukoneogenese und ist daher der wichtigste Regulator des Glukosemecha­nismus. Insulin ist das einzige Hormon, das in der Lage ist, den Blutglukosespiegel zu senken. Bezüglich des glukosesenkenden Effektes von Insulin sind mindestens vier Gegenspieler bekannt (Glukagon, Adrena­lin, Cortisol und Wachstumshormon).

Gängige Formen der Insulintherapie bei Typ-1- und Typ-2-Diabetes

Wie bereits erwähnt, wird Insulin seit den 20er Jahren zur Therapie des Diabe­tes mellitus Typ 1 verwendet. Heutzutage werden zur Therapie des Typ­1­Diabetikers fast ausschließlich zwei Therapieformen eingesetzt. Die erste ist die sogenannte in­tensivierte konventionelle Insulintherapie (ICT), welche durch Injektion eines Ver­zögerungsinsulins sowie eines prandialen, kurzwirksamen Insulins charakterisiert ist, oder die subkutane Insulininfusion, die mittels einer Insulinpumpe durchgeführt wird.

Beim Typ­2­Diabetiker werden heut­zutage Kombinationen von oralen Anti­diabetika mit Verzögerungsinsulinen FO

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(BOT) sowie reine Insulininjektionen zu den Mahlzeiten (SIT), konventionelle In­sulintherapien (Injektion von Mischin­sulinen, CT) oder auch eine intensivierte Insulintherapie eingesetzt (ICT).

Intensivierte konventionelle Insulintherapie (ICT)In klinischen Studien (insbesondere der DCCT­Studie) konnte gezeigt werden, dass das Risiko mikrovaskulärer Kompli­kationen des Diabetes mellitus Typ 1 un­ter intensivierter, im Vergleich zu konven­tioneller Therapie vermindert wird. Daher gilt die intensivierte Insulintherapie heute als Standard für die Behandlung des Dia­betes mellitus Typ 1. Für die Einstellung des Insulins mittels dieser Therapie erlernt der Diabetiker die Berechnung der in der Nahrung befindlichen Kohlehydrate. Als Berechnungsgröße werden sogenannte Kohlehydrateinheiten verwendet. Dabei entspricht eine Kohlehydrateinheit circa 10 g Kohlehydraten. Die Schätzung dieser Kohlehydrate bedarf einer Schulung und einer gewissen Erfahrung. Der Diabetiker spritzt dann die berechnete Menge Insulin für die bevorstehende Mahlzeit. Getrennt von diesem Mahlzeiteninsulin wird Basal­insulin gespritzt. Das Basalinsulin wird in der Regel je nach Insulin einmal bis drei­mal pro Tag injiziert und richtet sich nach dem basalen Insulinbedarf, der je nach In­sulinresistenz erheblich schwanken kann. Einen gewissen Anhalt kann das Körper­gewicht des Patienten geben.

Der Bedarf von schnellwirksamem Insulin/Kohlehydrateinheiten schwankt über den Tag. Morgens liegt der Bedarf etwas höher (ca. 1,5 iE/KE – kann jedoch je nach Patient deutlich höher liegen), mit­tags bei circa 1 iE/KE, und abends zwi­schen 1–1,5 iE/KE. Es liegt in der Natur der Dinge, dass Patienten mit einer Insu­linresistenz, wie sie typischerweise beim Typ­2­Diabetiker vorkommt, einen deut­lich erhöhten Insulinbedarf haben. Bei der ICT misst der Patient vor der Mahlzeit seinen Blutzuckerspiegel, berechnet dann anhand der bevorstehenden Mahlzeit wie­viel Kohlehydrateinheiten er isst und wie­viel Insulin er dann benötigt. Zusätzlich zu diesem errechneten prandialen Insulin wird hier bei gegebenenfalls erhöhtem Blutglukosewerte vor der Mahlzeit, eine Korrekturdosis gespritzt.

Am häufigsten wird eine sogenannte 30er­Regel verwendet, d. h. liegt der Blut­zucker oberhalb des definierten Zielwertes, wird pro 30mg/dl Blutzuckerwert je eine iE Insulin zusätzlich verabreicht. Dieser Korrekturfaktor kann jedoch deutlich un­terschiedlich sein und auch im Verlaufe des Tages schwanken. Demzufolge lässt sich die Insulintherapie bei der intensivierten konventionellen Insulintherapie durch drei verschiedene Insulingaben charakte­risieren. Das prandiale Insulin wird vor der Mahlzeit gespritzt und deckt die Kohlehyd­rate, berechnet nach Kohlehy drateinheiten, ab. Je nach Blutzuckerwert vor dem Essen wird das Korrekturinsulin zusätzlich zum

prandialen Insulin verabreicht, um einen vor der Mahlzeit erhöhten Blutzuckerwert auszugleichen. Schließlich wird das Verzö-gerungsinsulin gespritzt, das den basalen Insulinbedarf abdeckt und insbesondere die hepatische Glukoneogenese und die Lipolyse inhibiert.

Basal unterstützte orale Therapie (BOT)Mit BOT ist die Gabe eines Verzögerungsin­sulins zur sogenannten „Bedtime“ gemeint, die zusätzlich zu einer oralen Therapie ge­geben wird. Hierfür sind Typ­2­Diabetiker geeignet, die unter einer Therapie mit ora­len Antidiabetika nicht mehr ausreichend eingestellt sind. Insbesondere bei hohen Nüchternwerten kann zu den oralen An­tidiabetika ein Verzögerungsinsulin zur Nacht gegeben werden. Eine Vielzahl von Diabetikern lässt sich entsprechend gut mit diesem Verfahren einstellen.

Reicht diese Therapie nicht aus, kann unter Umständen zu einer Mahlzeit (häufig morgens), bei der es zu einem besonders starken Blutzuckeranstieg kommt, noch ein schnellwirksames Insulin hinzugegeben werden (BOT+). Diese Therapie wäre eine Alternative zur sogenannten konventionel­len Insulintherapie.

Konventionelle Insulintherapie (CT)Bei der konventionellen Insulintherapie wird in der Regel zum Frühstück und zum Abendessen ein Mischinsulin gegeben, das sowohl einen schnellwirksamen Anteil als auch einen Verzögerungsanteil hat. Diese

Bei der basal unterstützten oralen Therapie (BOT) wird ein Verzögerungs-insulin zusätz-lich zu einer oralen Therapie gegeben.

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Insulintherapie ist insbesondere für ältere Patienten mit sehr regelmäßigem Tagesab­lauf und regelmäßiger Nahrungsaufnahme geeignet. Ist dies nicht gewährleistet, z. B. bei Patienten, die situativ die Nahrungsauf­nahme ablehnen, ist eine solche Therapie nicht geeignet.

Die Verteilung des Mischinsulins liegt bei circa 2/3 der Tagesdosis am Morgen und 1/3 am Abend.

Supplementäre Insulintherapie (SIT)Bei einem Teil der Diabetiker ist insbe­sondere die prandiale Insulinsekretion vermindert, so dass der Blutzucker beson­ders nach der Mahlzeit ansteigt. Nüch­tern­Blutzucker sind aber häufig in tole­rablem Bereich. Dementsprechend wird bei der supplementären Insulingabe nur schnellwirksames Insulin zu den Mahlzei­ten gespritzt.

Insulin: Reinpräparate und Mischpräparate

Auf dem deutschen Markt steht eine Viel­zahl von verschiedenen Insulinpräparaten zur Verfügung. Grundsätzlich unterschei­den sich Reinpräparate, die nur eine Art des Insulins enthalten, von sogenannten Mischinsulinen. Bei den Insulinpräparaten, die nur eine Wirkkomponente haben, un­terscheiden wir kurzwirksame Insuline von den intermediärwirksamen Insulinen und den wirklich langwirksamen Insulinen.

Sicherlich noch am meisten verwen­det sind die sogenannten Humaninsuline. Hier wird in der Tat das chemisch gleiche Insulin eingesetzt, das beim Menschen pro­

duziert wird. Dieses humane Insulin hat einen Wirkeintritt nach 30 Minuten und ein Wirkmaximum nach circa zwei bis vier Stunden sowie eine maximale Wirkdauer von acht Stunden.

Von diesem humanen Insulin sind soge­nannte Insulinanaloga abgeleitet, die durch eine Veränderung der Aminosäuresequenz einen sehr schnellen Wirkeintritt haben. Hier sind Insulin lispro, Insulin aspart und Insulin glulisin erhältlich. Der Wirkeintritt liegt zwischen fünf und 20 Minuten, das Wirkmaximum bei circa einer Stunde und die maximale Wirkdauer bei vier Stunden.

In Zukunft wird noch ein weiteres schnellwirksames Insulinanalogon auf

den Markt kommen, welches einen noch schnelleren Wirkeintritt haben soll. Hier liegen jedoch noch keine praktischen Er­fahrungen vor.

Das seit Langem auf dem Markt befind­liche NPH Insulin hat einen Wirkeintritt nach einer bis circa drei Stunden, ein Wirk­maximum nach fünf bis sieben Stunden und kann bis 16 Stunden wirken, jedoch liegt die Wirkdauer in der Praxis deutlich darunter. Das NPH­Insulin hat beim Wirkmaximum in der Tat einen Wirkgipfel und kann in die­ser Zeit Hypoglykämien hervorrufen.

Sogenannte langwirksame Insuline sind Insulin detemir und Insulin glargin. Insulin detemir wirkt nach circa einer Stunde und hat ein Wirkmaximum zwi­schen drei und 14 Stunden, je nach Patient wirkt es bis maximal 24 Stunden. Beim Typ­1­Diabetiker wird es jedoch häufig zweimal pro Tag gegeben, ähnlich wie die NPH­Insuline.

Insulin glargin zeigt praktisch kein Wirkmaximum mehr, sondern eine konti­nuierliche Wirkung über 24 Stunden. Der Wirkeintritt wird in der Regel zwischen einer bis zwei Stunden angegeben.

In Deutschland nicht mehr verfügbar ist Insulin degludec, das hier nur der Voll­ständigkeit halber erwähnt wird.

Bei den Mischinsulinen werden am häufigsten Mischungen mit Anteil von 25/75 oder 30/70 humanem Insulin mit ei­nem NPH­Anteil sowie Lispro­Mix 25/75 oder Aspart­Mix 30/70 verwendet. Der Wirkungseintritt ergibt sich entsprechend aus den Wirkungseintritten der Einzelkom­ponenten, ist bei einer praktischen Anwen­dung jedoch etwas verzögert (s. Tab. 1).

Insulinpräparat Wirkeintritt Wirkmaximum (h) Wirkdauer (h)Kurzwirksame Insuline

Humaninsulin 30 – 60 Min. 2 – 4 6 – 8

Insulin lispro 5 – 20 Min. 1 – 1,5 2 – 4

Insulin aspart 5 – 20 Min. 1 – 1,5 2 – 4

Insulin glulisin 5 – 20 Min. 1 – 1,5 2 – 4

Intermediär-Insuline

NPH-Insulin 1 – 3 h 5 – 7 13 – 16

Langwirksame Insuline

Insulin detemir 1 h 3 – 14 Bis 24

Insulin glargin 1 – 2 h Kein Peak 24

Mischinsuline

Humaninsulin 25/75 15 – 60 Min. 2 – 8 9 – 18

Lispro Mix 25/75 20 Min. 1 – 4 16

Aspart Mix 30/70 20 Min. 1 – 4 16

Tabelle 1: Charakteristika häufig verwendeter Insuline in Deutschland FOTO

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HypoglykämieEbenfalls lebensbedrohlich ist das Auf­treten von Hypoglykämien bei einer In­sulintherapie. Daher muss der Patient bei einer Insulintherapie geschult werden, ins­besondere über das Auftreten von Hypo­glykämien, bezüglich der Symptome sowie einer schnellen Therapie. Es empfiehlt sich, nicht nur den Patienten, sondern auch die Angehörigen diesbezüglich zu schulen. Bei gering ausgeprägten Hypoglykämien sollten sofort 1 – 2 KE als Traubenzucker oder ein Glas Saft oder Cola eingenom­men werden und danach eine langsam resorbierbare Kohlehydrateinheit, z.B. Brot. Bei schweren Hypoglykämien muss Glukose intravenös gegeben werden. Hier eignet sich vor allen Dingen die Gabe von 40%­ iger Glukoselösung intravenös.

Hohe NüchternwerteDie Ursache für hohe Nüchternwerte kann sehr verschieden sein und bedarf daher besonderer Aufmerksamkeit. Ist der Blut­zucker morgens zu hoch, kann das daran liegen, dass zu wenig Verzögerungsinsulin gespritzt wurde und der Blutzucker lang­sam über die Nacht steigt.

Es kann jedoch auch das Gegenteil der Fall sein und zu viel Insulin gespritzt wor­den sein. Dies führt zu einer nächtlichen Hypoglykämie, dann steigt der Blutzucker aufgrund der Stresssituation und der Aus­schüttung kontrainsulinärer Hormone. Es empfiehlt sich daher eine nächtliche Messung des Blutzuckers (zwischen 2 und 3 Uhr) vor einer Therapieanpassung. Ins­besondere beim Typ­1­Diabetiker gibt es ein drittes Phänomen, hier werden insbe­sondere kontrainsulinäre Hormone in der Nacht (Wachstumshormon) ausgeschüttet, die eine Insulinresistenz bewirken. Häufig sind solche Situationen nur mit einer kon­

tinuierlichen subkutanen Insulininfusion (Insulinpumpe) zu behandeln.

Fazit

Typ-1-DiabetesBeim Typ­1­Diabetiker ist die Insulin­therapie eine Überlebensnotwendigkeit, da der absolute Insulinmangel zu einer Ketoazidose und zum Tode führt. Dement­sprechend sollte der Typ des vorliegenden Diabetes bei jedem Patienten bekannt sein.

Standardtherapie des Typ­1­Diabetes ist die intensivierte konventionelle Insu­lintherapie oder die kontinuierliche sub­kutane Insulininfusion (Insulinpumpe). Heutzutage steht eine Vielzahl von kurz­wirksamen, intermediär­ und langwirksa­men Insulinen zur Verfügung, die praktisch für jeden Diabetiker eine gute Einstellung ermöglichen.

Typ-2-DiabetesAufgrund der kontinuierlichen Abnahme der Betazellmasse wird im Verlauf der Er­krankung eine Vielzahl von Typ­2­Diabe­tikern insulinbedürftig. Hierbei haben sich in den letzten 20 Jahren Kombinationen aus langwirksamen Insulinen zur Nacht und oralen Antidiabetika etabliert (BOT). Sollte diese Therapieform nicht ausreichen, ist eine weitere Gabe von kurzwirksamem Insulin zu den Mahlzeiten zu überlegen oder eine konventionelle Insulintherapie. Steigen die Werte nur postprandial an, ist eine supplementäre Insulingabe, d. h. eine Insulingabe zu den Mahlzeiten zu erwägen.

Grundsätzlich sollte jeder Patient, der eine Insulintherapie bekommt, im Umgang mit Blutzuckermessung und den Insulinen so-wie dem Erkennen von Hypoglykämien und deren Behandlung geschult sein.

Spritz-Ess-Abstand

Bedingt durch den langsameren Wirkein­tritt und die längere Wirkungsdauer der Humaninsuline, muss bei der Verwendung dieses Insulins ein Spritz­Ess­Abstand, der in der Regel zwischen 20 und 30 Minu­ten liegt, eingehalten werden. Durch die lange Wirkdauer sollte eine sogenannte Zwischenmahlzeit, die eine späte Hypo­glykämie verhindern soll, eingenommen werden (ca. 1 KE). Hier wird in der Regel eine Kohlehydrateinheit veranschlagt.

Das Einhalten eines Spritz­Ess­Abstan­des ist bei den schnell wirksamen Insu­lin­Analoga nicht nötig. Prinzipiell können kurzwirksame Insulin­Analoga auch nach der Mahlzeit gegeben werden.

Neu: Höhere Insulinkonzentrationen

In den letzten Jahren wurden die genannten Insuline teilweise in höher konzen trierten Formen auf den Markt gebracht, dement­sprechend nicht als U100­ (100 iE/ml) son­dern als U200­ oder U300­Insuline.

Ein U300­Insulin ist gegenüber dem U100­Insulin dreifach konzentriert und enthält 300 iE/ml. Ob diese Formulierun­gen aus medizinischer Sicht substantielle Vorteile bieten, wird die praktische Erfah­rung zeigen. Jedoch ist zu erwarten, dass die Hersteller irgendwann ihre U100­For­mulierungen vom Markt nehmen und entsprechend dann nur noch U200­ oder U300­Formulierungen vertreiben.

Mögliche Therapiebesonderheiten

KetoazidoseEin Patient mit Diabetes mellitus Typ 1 ist immer insulinpflichtig, d. h. ohne Insulin ge­rät er in eine Ketoazidose. Die diabetische Ketoazidose verläuft unbehandelt tödlich, daher ist das Erkennen und die adäquate Reaktion lebensrettend. Kommt es beim Typ­1­Diabetiker durch Therapiefehler oder plötzliche Begleiterkrankungen zu einer mangelnden Insulinwirkung, fehlen wichtige Wirkkomponenten des Insulins.

Nicht nur der Blutzucker steigt, sondern es kommt zu einer gesteigerten Lipolyse und durch gesteigerte Glukoneogenese zu einer Verarmung der Intermediate des Citratzy­klus. Dies führt letztendlich zur Ketogene­se und zur Blutazidose, die nicht adäquat behandelt zum Tod führt. Das Auftreten einer Ketoazidose bedarf einer stationären Behandlung und ggf. einer intensivmedizi­nischen Betreuung. Ein Typ­1­Diabetiker sollte bezüglich der Messung von Keton­körpern im Urin geschult sein. FO

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