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Wie leben Kinder anderswo? Informationen und Hinweise für Unterrichtende

Wie leben Kinder anderswo? - EMW, dWie leben Kinder anderswo - Informationen und Hinweise für Unterrichtende 1 Vorwort W ulan, Kolja, Danid, Christian und Czena-min: Fünf Kinder

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Wie leben Kinderanderswo?

Informationenund HinweisefürUnterrichtende

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Inhalt

Vorwort ......................................................................................... 1

Indonesien .................................................................................... 2

Russland...................................................................................... 11

Kolumbien ................................................................................... 21

Kamerun...................................................................................... 29

Neuseeland/Aotearoa ................................................................... 39

Adressen ................................................................................................... 48

Literatur und Medienliste ........................................................................... 50

Unterrichtsentwürfe und Arbeitsbögen (exemplarisch) ................................. 52

Autorinnen und Autoren ............................................................................. U3

Für die wertvollen Rückmeldungen aus derpraktischen Erprobungsphase des Arbeitshef-tes danken wir an dieser Stelle ausdrücklichFrau Ute Bach und den Kindern der Klasse 3bder Grundschule in Frohnhausen-Dillenburg(Indonesien), Frau Irmtraud Duwe und denKindern der Klasse 4a an der GrundschuleEhesdorferweg in Hamburg-Harburg (Russ-land), Pastorin Franziska Schrimpf und denKindern der Klassen 3-6 an der Spartacus-Grundschule in Berlin-Friedrichshain-Kreuz-berg (Kamerun), Frau Silke Lorenz und denKindern der Klasse 3c an der GrundschuleAppen (Kolumbien) sowie Herrn Karl-R. Han-kel und den Kindern der Klasse 4b an derGrundschule Lenzinghausen der Stadt Spen-ge (Neuseeland).

Zudem gilt unser Dank all jenen, die mit ei-genen Beiträgen zu unserem Grundschulmate-rial beigetragen haben oder uns freund-licherweise Abdruckgenehmigungen erteilten.

ImpressumHerausgeber:Evangelisches Missionswerkin Deutschland e.V. (EMW), Hamburg 2005Redaktion:Karin Bräuer (verantw./EMW)Frank Kürschner-PelkmannAutoren und Autorinnen:Pebri und Christian Gossweiler (Indonesien)Fedor Kozyrev (Russland)Ursula Holzapfel (Kolumbien)Reiner Rumohr (Kamerun)Ron O’Grady (Neuseeland)Layout:Margrit Gerlach (EMW)Notenlayout:Hildburg Bothe (EMW)Bezug:EMW, Normannenweg 17-21Tel: (0 40) 2 54 56 - 148Fax: (0 40) 2 54 56 - 448E-Mail: [email protected], Spende zur Deckung der Herstellungs-kosten herzlich erbeten: Konto 400 300 bei derEDG Kiel, BLZ 210 602 37

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Wie leben Kinder anderswo - Informationen und Hinweise für Unterrichtende 1

Vorwort

W ulan, Kolja, Danid, Christian und Czena- min: Fünf Kinder aus fünf Ländern verteiltüber alle Kontinente stellen exemplarisch

ihren Lebenskontext im neu erarbeiteten Grund-schulmaterial „Wie leben Kinder anderswo“ vor. Siealle sind im Alter zwischen 9 bis 12 Jahren, sie alleberichten anhand der sich in jedem Kapitel wieder-holenden fünf Themenschwerpunkte: Familien- undWohnsituation, Alltag, Essen, Spiele, Religion undGlaube. Damit stellen die Mädchen und Jungennicht nur sich selbst vor, sondern ermöglichen dieVergleichbarkeit von Lebenssituationen durch per-sönliche Erzählungen und machen so unterschiedli-che Armuts- bzw. Reichtumskontexte anschaulich.

Ergänzt werden die Berichte der Kinder durch eineVielzahl anschaulicher Fotos und Hintergrundbe-richte der Autorinnen und Autoren, die die Kinderjeweils für einige Tage begleiteten. Pebri undChristian Gossweiler (Indonesien), Fedor Kozyrev(Russland), Ursula Holzapfel (Kolumbien), ReinerRumohr (Kamerun) und Ron O’Grady (Neuseeland)möchten wir an dieser Stelle unseren ganz herzli-chen Dank aussprechen für ihr Engagement sowiedie gute und reibungslose Zusammenarbeit übertausende von Kilometern.

Das dem Schülermaterial zugeordnete Begleit-heft hat zum Ziel, die Lehrkräfte bei Vorbereitungund Durchführung des Unterrichts zu unterstüt-zen. Zu diesem Zweck stellt es zu jedem KapitelHintergrund- und Länderinformationen zur Verfü-gung, die die Berichte des Schülermaterials er-gänzen und Inhalte vertiefen. Es bietet sich u.E.an, diese Informationen wie ein Nachschlagewerkzu nutzen, entsprechend den praktischen Erfor-dernissen. Allen Länderkapiteln gemeinsam sindInformationen zu Geschichte, wirtschaftlicherund sozialer Situation, Bildung, Kindern, Glaubeund Religion. Auch ist in jedes Kapitel ein lan-destypisches Märchen oder eine landestypischeFabel aufgenommen sowie spezifische Literatur-tipps, einige enthalten zusätzliche Anregungenfür Spiele und Rezepte.

Identisch im Aufbau sind die Hintergrundinfor-mationen jedoch nicht. Dies, um auf Besonderhei-

ten und spezielle Situationen und Schwerpunkte imZusammenhang mit einem Land eingehen und diesebearbeiten zu können. So sind zum Beispiel die Ab-schnitte zu Geschichte, wirtschaftlicher und sozia-ler Situation, Glaube und Religion im Kapitel zu Ko-lumbien stark von der dort alltäglichen und seitJahrzehnten andauernden Gewalterfahrung derMehrheit der kolumbianischen Bevölkerung ge-prägt. Im Neuseeland-Kapitel wiederum spielennatürlich die Maori, die Ureinwohner des Landes,eine große Rolle. Im Falle Russlands der Schwer-punkt Verarmung aufgrund sozialer Umbrüche, beiKamerun das Thema Großfamilie und bei Indonesi-en der Spannungsbogen zwischen Modernisierungund Tradition.

Pädagogische Hinweise wiederum, mit denen wirAnregungen zur Unterrichtsgestaltung anbieten,stehen am Ende jedes Länderkapitels. Auch wenndiese auf das jeweilige Land und auf den jeweili-gen Kontext bezogen sind, können sie zugleich beider Vorbereitung zu den anderen Länderschwer-punkten nützliche Hinweise bieten. Es lohnt sichalso, dies von Fall zu Fall zu prüfen. Am Ende desBegleithefts finden Sie zudem eine Adressenliste,ein umfassendes Material- und Literaturverzeichnisrund um das Thema „Globales Lernen“ und darüberhinaus einige beispielhafte Arbeitsbögen und Un-terrichtsentwürfe zur Anregung. Diese wurden unsdankenswerterweise von den Lehrkräften zur Verfü-gung gestellt, die sich bereit erklärt hatten,jeweils ein Länderkapitel des Grundschulmaterialsvor dessen Veröffentlichung mit ihren Klassen zuerproben (s. Impressum).

Wir hoffen, dass das nun vorliegende Arbeitshefteine ebenso große Nachfrage erfährt wie das erst-malig 1981 erschienene Vorgängermaterial unddass es für Sie als Nutzerin und Nutzer genausohilfreich sein wird, wie die Rückmeldungen aus denErprobungsstunden spiegelten. Vor allem aber hof-fen wir, dass Sie und die Schülerinnen und Schülergenauso viel Freude und Spaß haben werden beider Begegnung mit Kindern anderswo in unserer Ei-nen Welt – eine Erfahrung, die zum Alltag von Mit-arbeitenden der Missionswerke gehört und diesenbereichert.

Karin Bräuer und Frank Kürschner-Pelkmann

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Republik Indonesien

Fläche: 1.912.988 km2

(Deutschland: 357.023 km2),ca. 14.000 Inseln, die sich auf eine Meeresfläche von derGröße Europas verteilen, davon sind etwa 6.000 bewohnt.

Einwohnerzahl: 217,8 Mio.(Deutschland: 82,3 Mio.)

Einwohner je km2: 114(Deutschland: 231)

Hauptstadt: Jakarta, ca. 9 Mio.(Hauptstadtbezirk ca. 18 Mio.)

Städtische Bevölkerung: 42,0 %(Deutschland: 87,0 %)

Lebenserwartung: 69 Jahre(Deutschland: 78 Jahre)

Bevölkerungszusammensetzung:Javaner: 45,0 %Sundanesen: 15,0 %Maduresen: 7,5 %Chinesen: 6,0 %Andere: 26,5 %

Klima:Tropisches Klima mit hohen Niederschlägen undfeucht-heißer Luft, in Gebirgsregionen niedrigereTemperaturen.

Offizielle Sprachen:Bahasa Indonesia (mit dem Malaiischen verwandt)

Religionen:Muslime: 88,0 %Protestanten: 5,0 %Römische Katholiken: 3,1 %Hindus(v.a. auf Bali): 1,9 %Buddhisten und Konfuzianer: 1,0 %Naturreligionen: 1,0 %

Staatsform: Präsidialrepublik

Bruttosozialprodukt je Einwohner:710 US-Dollar pro Jahr(Deutschland: 23.560)(Quellen: Munzinger Archiv, Fischer Weltalmanach 2005)

Etwa 3.500 Jahre vor Christi Geburt wandertenProto-Malaien aus China in den indonesischen Ar-chipel ein, etwa 500 Jahre später folgten Deutero-Malaien aus Südostasien. Ab 400 nach Christi ent-standen hinduistische, schivaistische und buddhis-tische Königreiche auf Java und Sumatra. Großarti-ge historische Zeugnisse dieser Reiche sind derPrambanan-Tempel und der Borobudur, das größtebuddhistische Bauwerk der Welt. Im 8. bis 10.Jahrhundert regierte das Reich Sriwijaya von sei-nem Zentrum in Sumatra fast den gesamten indo-nesischen Archipel sowie die malaiische Halbinsel.Im 14. Jahrhundert wurden die indonesische Insel-welt, Malaysia, Teile Sri Lankas und der Philippinenvom Majapahit Königreich in Ostjava beherrscht.

Vermutlich haben nestorianische Mönche schonim 7. Jahrhundert auf Sumatra und eventuell auchauf Java missioniert. Es gibt jedoch heute keineindonesische Kirche, die sich auf diese Mission zu-

rückführt. Im 16. Jahrhundert brachte die portu-giesische Kolonialmacht das römisch-katholischeChristentum erstmals nach Maluku (auch „Moluk-ken“ oder „Gewürzinseln“ genannt). Im späten 13.Jahrhundert führten muslimische Händler den Is-lam auf Sumatra ein, der sich in den folgendenzwei Jahrhunderten über ganz Indonesien verbrei-tete. Nach dem Entstehen der islamischen Sultana-te auf Java flohen die verbliebenen hinduistischenJavanen im 16. Jahrhundert nach Bali und errich-teten dort ein hinduistisches Reich.

Im 17. Jahrhundert begann die niederländische„Vereinigte Ostindien-Kompanie“, Handelspostenim ganzen Archipel zu errichten. Sie wurden nachdem Konkurs der Handelsgesellschaft im Jahre1816 von der niederländischen Krone übernommen,die bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts die Han-delsniederlassungen zu einem geschlossenen Kolo-nialreich zusammenfasste. Die Dominanz der Nie-

Geschichte Indonesiens

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schen Gesellschaft. Auf dem Gebiet der Presse- undMeinungsfreiheit konnten einige Fortschritte er-zielt werden. Die wirtschaftlichen Probleme aber,die dadurch steigende Kriminalität, die Zunahmeethnischer Konflikte, die Korruption und der großeEinfluss des Militärs konnten weder die Regierungvon Präsident Abdurrahman Wahid (1999-2001)noch die von Präsidentin Megawati Sukarnoputri(2001-2004) in den Griff bekommen. Deshalb gingdie Golkar-Partei des alten Regimes im April 2004mit rund 21 Prozent wieder als stärkste Partei ausden Parlamentswahlen hervor. Einige Monate spä-ter jedoch – bei der ersten Direktwahl eines Präsi-denten – erteilte das indonesische Volk den vonGolkar unterstützten Kandidaten eine klare Absa-ge. Im ersten Wahlgang konnte der von Golkar no-minierte General Wiranto mit 22,2 Prozent derStimmen nur den dritten Platz belegen und schieddamit aus dem Wahlverfahren aus. Auch die in derStichwahl von der Golkar-Partei unterstützte Präsi-dentin Megawati unterlag deutlich ihrem ehemali-gen Sicherheitsminister, dem populären SusiloBambang Yudhoyono. Der aus einfachen Verhält-nissen stammende Drei-Sterne-General setzte sichin 30 der 32 Provinzen Indonesiens durch.

derländer während dieser dreieinhalb Jahrhunderteführte zur Vorrangstellung des Protestantismus ge-genüber der römisch-katholischen Kirche. Die Hol-länder unterstützten den Protestantismus aber nur,so weit er ihren Handelsinteressen dienlich er-schien, sonst behinderten sie die christliche Missi-on eher. In erster Linie wurde die Missionsarbeitvon pietistischen Missionsgesellschaften getragen.

Es gelang vor allem den Javanern, viele Kultur-güter der Kolonialmächte in ihre Kultur zu integrie-ren. So ist es zum Beispiel symptomatisch, dassWulan Seilspringen und Springgummi für javani-sche Spiele hält. Ebenso ist die javanische Keron-cong-Musik eigentlich portugiesischen Ursprungs.Im Jahr 1942 wurde Indonesien von den Japanernbesetzt. Nach deren Abzug erklärten Nationalisten1945 die Unabhängigkeit Indonesiens und kämpf-ten anschließend gegen die Niederlande, bis dieseschließlich 1949 die Unabhängigkeit anerkannten.

Der Staatsgründer Sukarno regierte Indonesienals Präsident bis 1966 auf der Grundlage der Panca-sila. Pancasila bedeutet „fünf Prinzipien“. Diesesind der Glaube an einen Gott, Humanismus, Natio-nalismus, Demokratie und soziale Gerechtigkeit.Die Pancasila war und ist eine einzigartige Doktrin.Durch sie können Christen seit der UnabhängigkeitIndonesiens relativ frei ihren Glauben in dem Landmit der größten muslimischen Bevölkerung derWelt praktizieren. Sukarno war außerdem einer derFührer der Blockfreien-Bewegung und versuchtedas Land von US-amerikanischem Einfluss fern zuhalten, war allerdings relativ offen gegenüber derVolksrepublik China und der Sowjetunion.

Im Jahr 1965 schlug General Suharto einen(wohl fingierten) kommunistischen Putschversuchnieder und ließ sich im März 1966 alle Regierungs-befugnisse übertragen. Drei Jahre später wurde eroffiziell zum Präsidenten gewählt. Die Kommunisti-sche Partei Indonesiens sowie die kommunistischeIdeologie wurden verboten, rund 700.000 angebli-che Kommunisten umgebracht, noch mehr wander-ten in Umerziehungslager. Die Pancasila wurde zureinzig legitimen Ideologie erklärt. In den folgen-den 30 Jahren baute Suharto eine immer totalitä-rere Diktatur auf, unterstützt von den USA und derwestlichen Welt. Mit massivem Wahlbetrug errangseine Golkar-Partei bei allen Wahlen über 90 Pro-zent der Stimmen.

Nach dem Sturz von Diktator Suharto am Him-melfahrtstag 1998 ging man zunächst mit viel Elanan die reformasi, die Reformierung, der indonesi-

Der Borobudur-Tempel, das größtebuddhistische Bauwerk der Welt.

Mafr Namur

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Während der 32-jährigen Diktatur von GeneralSuharto und seiner Golkar-Partei (1966-1998) er-reichte das Land einen scheinbaren Wohlstand undFortschritt, der aber nur einer kleinen Minderheitzu Gute kam und durch eine hohe Auslandsver-schuldung erkauft war. Indonesien gehörte bis indie zweite Hälfte der 1990-er Jahre zu den südost-asiatischen „Tigerstaaten“ mit einer rasch wach-senden Wirtschaft und hohen Einkommenszuwäch-sen. Jedoch entwickelte sich Indonesien unter derSuharto-Diktatur zugleich zu einem der korruptes-ten Länder der Welt.

Eine hohe Verschuldung sowie die Aktivitätenvon Spekulanten führten dazu, dass Indonesien imJahr 1997 binnen weniger Tage in eine Wirt-schafts- und Finanzkrise geriet, von der sich dasLand bis heute nicht erholt hat. Das Pro-Kopf-Ein-kommen ist deutlich gesunken und die Arbeitslo-sigkeit (2003: 9,8 Prozent) plus die Unterbeschäf-tigung erreichen einen Wert von weit über 40 Pro-zent. Die Durchschnittslöhne gehören zu den nied-rigsten in Asien. Die Kluft zwischen Arm und Reichist größer geworden. Die Hälfte der Bevölkerunglebt an der Armutsgrenze oder darunter.Demgegenüber gibt es eine kleine reiche Schicht,die in den letzten Jahren einen erheblichen Teilihres Vermögens ins Ausland transferiert hat, vorallem nach Singapur.

Etwa 43,8 Prozent der Erwerbstätigen arbeiten inder Landwirtschaft. Sie erwirtschaften rund 16 Pro-zent des Sozialprodukts. Zu den weiteren wichtigenWirtschaftszweigen gehören die Forstwirtschaft, derAbbau von Bodenschätzen und der Tourismus.

Wulan aus dem Bergdorf Kopeng-Dukuh in Zen-traljava wurde exemplarisch ausgewählt, weil sichhier viele der zuvor genannten Faktoren aufzeigenlassen: Die Wirtschaftsstruktur des Gebietes ist vorallem durch die Höhenlage von über 1.500 Meternbestimmt – Fremdenverkehr, Gemüseanbau undZierpflanzengärtnerei. Schon während der Koloni-alzeit suchten niederländische Kolonialbeamte undPlantagenbesitzer in der Bergesfrische Erholung.Hotels, Schwimmbäder und ein Park entstanden.Außerdem gediehen in dem milden Klima die ur-sprünglich niederländischen Gemüsesorten – nochheute heißen sie auf Indonesisch tomat, wortel,kol, kobis, buncis (Bohnen) und prei (Porree). Siesind inzwischen fester Bestandteil der indonesi-schen Küche geworden. Auch Geranien, Dahlien,Fuchsien und andere europäische Zierpflanzen ent-

wickelten sich hierprächtig.

Nach der Unabhän-gigkeit und vor allemwährend der Suharto-Diktatur brachten Ge-neräle und hohe Re-gierungsbeamte dieHotels und Ferienhäu-ser an sich. Sie tatenaber wenig zu derenErhaltung oder Renovierung. So ist Kopeng zu ei-nem etwas schäbigen Naherholungsgebiet herun-tergekommen, das kaum ausländische Touristenanlocken kann. Die Zimmer in den Hotels und Pen-sionen werden oft tagsüber stundenweise vermie-tet. Die Erholungssuchenden aus den Städten neh-men aber gern Gemüse und Zierpflanzen vom Marktvon Kopeng mit nach Hause. Wenn die Bauern je-doch darüber hinaus ihre Produkte an Händler ver-kaufen, drücken diese sehr brutal die Preise.Ebenso werden die Preise für den in Kopeng ange-bauten Tabak von den Zigarettenfabriken diktiert.

In den letzten Jahren steigt in den zubetonier-ten javanischen Großstädten wie Jogjakarta undSemarang das Interesse an Zierpflanzen. WulansVater, Herr Pandik, und viele andere Gärtner desKopeng-Gebietes kamen deshalb auf die Idee, ihrePflanzen direkt in den Großstädten zu vermarkten.Leider sind die Samenpflanzen von Kopeng in-zwischen ausgestorben. Deshalb müssen die Gärt-ner vielfach Setzlinge aus Westjava kaufen undgroßziehen. Früher haben Bauern von Kopeng dieZierpflanzengärtnerei nur als kleinen Nebenerwerbbetrieben. Inzwischen ist sie für einige, wie HerrnPandik, zum Haupterwerb geworden, für einzelnegar zum ausschließlichen Erwerb. Doch die größe-ren Gärtnereien gehören Kapitalgebern aus derStadt, zu wirklichem Wohlstand bringt es kaum je-mand in der Dorfbevölkerung von Dukuh-Kopeng.

Doch auch wenn man Wulans Familie nicht alswohlhabend bezeichnen kann, so genießt sie dochsozial und ökonomisch Ansehen im Dorf. WulansVater ist ehrenamtlicher Sekretär des Dorfes, seineFrau ist in der staatlichen Frauengruppe aktiv. Frü-her war Herr Pandik auch aktiv in der Demokrati-schen Partei Indonesiens, der Partei der früherenPräsidentin Megawati, eine Tochter des Staats-gründers Suharto.

Wirtschaftliche und soziale Situation

Panorama von Jakarta.

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Die indonesische Bevölkerung wächst jedes Jahrum drei Millionen Menschen, die Städte wachsendurch die Zuwanderung vom Lande noch rascher.Inseln wie Java und Bali sind mittlerweile sehrdicht besiedelt. Auf diesen beiden Inseln leben 60Prozent der Bevölkerung auf 7,2 Prozent der Flächedes Landes. Die sehr dichte Besiedlung wirkt sichnegativ auf die Lebensqualität, den Zugang zuLand zum Bebauen und zum Beispiel auch die Ver-sorgung mit Trinkwasser aus. Das hat auch Konse-quenzen für die Gesundheit der Kinder.

Angesichts der hohen Bevölkerungsdichte unter-nimmt die indonesische Regierung große Anstren-gungen, um das Bevölkerungswachstum zu vermin-dern. Hatte jede Familie Ende der 1980-er Jahrenoch 5,7 Kinder, so sind es heute etwa 2,5. Offiziellpropagiert die Regierung die Zwei-Kind-Familie.Beamte bekommen zum Beispiel nur für die erstenbeiden Kinder eine Geburtsbeihilfe und Kindergeld.Familien mit mehr als zwei Kindern werden abernicht bestraft. Verhütungsmittel werden vom Staatzum Teil subventioniert, Abtreibung ist verbotenund gesellschaftlich noch weitgehend verpönt. Inbesonders patriarchalischen Familien wünscht mansich sehr einen Sohn, aber die moderneren Familienwünschen sich als Ideal eine Tochter und einenSohn. Insofern ist es eine Ausnahme, dass Wulan

Die Namensgebung in Indonesien ist so vielfäl-tig wie seine Volksgruppen. Nur einige wenigeVolksgruppen – wie zum Beispiel die Batak in Nord-Sumatra – verwenden Sippen- oder Familiennamen.Auf Java haben die Familienmitglieder im Allgemei-nen keinen gemeinsamen Familiennamen. In vielenFällen führen die Kinder aber den Namen des Vatersoder der Mutter: So hieß zum Beispiel die früherePräsidentin Megawati Sukarnoputri, das bedeutet„Tochter von Sukarno“. Wulans erster Name ist sogaraus den Namen ihrer Mutter und ihres Vaters zusam-mengesetzt, wie sie im Schülerheft erklärt. Es istaber auch umgekehrt zumindest im engeren Freun-deskreis möglich, eine Frau mit dem Namen ihres äl-testen Sohnes oder ihrer ältesten Tochter zu rufen,mitunter auch den Vater.

In der Vergangenheit waren die Namen vor al-lem in den Dörfern und besonders für Mädchen we-sentlich einfacher. So hat zum Beispiel Wulans Mut-ter nur einen einzigen Namen: Suprihati. Oft wurdendie Kinder auch nur nach dem Wochentag benannt,

als Einzelkind aufwächst. Durch den engen Zusam-menhalt der Großfamilie fungieren ihre Cousinsund Cousinen praktisch als Geschwister. Auchsprachlich werden Cousins und Cousinen norma-lerweise als Geschwister bezeichnet.

Viele Frauen der Mittelschicht, wie auch WulansMutter, sind erwerbstätig. Die Kinder werden dannvon Verwandten oder von einer Haushaltshilfe (inden Städten) betreut. Da letztere oft ein geringesBildungsniveau haben, wirkt sich diese Betreuungdurch eine Haushaltshilfe meist negativ auf dieschulische Leistung aus. Hinzu kommen die Wir-kungen von Fernsehen und Computerspielen, dieselbst auf dem Lande immer mehr das Familienle-ben und die Freizeit der Kinder bestimmen, wovonsich auch bei Wulan erste Anzeichen zeigen.

Dass Kinder in der Landwirtschaft mithelfen, istauf dem Dorf selbstverständlich. Wulan scheint andieser Stelle relativ wenig gefordert zu sein undhilft eher spielerisch in der Gärtnerei ihrer Elternmit. Vor allem in den Großstädten gibt es aber auchregelrechte Kinderarbeit. Die Zahl der Straßenkin-der wächst dort ebenfalls – bedingt durch die Wirt-schaftskrise – mit allen negativen Begleiterschei-nungen wie Kinderprostitution, Vergewaltigungen,organisierter Bettelei, Kriminalisierung, etc.

an dem sie geboren wurden. Heute verwendet manaber auch auf den Dörfern längere Namen, wie zumBeispiel Prinandika Ayu Wulandari. Doch ist keinerdieser drei Namen der Familienname, alle drei sindEigennamen. Nur der Einfachheit halber betrachteneuropäische Standesämter den letzten (oder denersten) dieser Namen als Familiennamen. Wie anWulans Namen außerdem deutlich wird, achten diemeisten Javaner weiterhin sehr auf die Bedeutungdes Namens ihrer Kinder und nicht nur, dass er„schön klingt“.

Der Rufname wird in der Regel aus einem dieserEigennamen abgekürzt. So könnte zum Beispiel Pri-nandika Ayu Wulandari nicht nur Wulan, sondernauch Dika, Ika, Ayu oder Ndari gerufen werden.Manchmal verwenden sogar die Lehrer und Mitschü-ler einen anderen Rufnamen als die Familie. So wur-de zum Beispiel die Mitverfasserin dieses Beitrages,Kristanti Pebri Nugrahani, in der Schule Kris geru-fen, von ihrer Familie aber Pebri.

Namen in Indonesien

Pebri und Christian Gossweiler

Familien in Indonesien

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E ines Tages hörte Kantschil im Wald verzweifelte Schreie: „Hilfe, Hilfe, ich habe dir doch geholfen,und jetzt willst du mich fressen. Ist das dein Dank?“ Dann ein böses Zischen: „Ich kenne keinenDank!“ Als Kantschil näher kam, sah es eine Würgeschlange, die einen Büffel erwürgen wollte.

Kantschil fragte die beiden: „Was geht hier vor?“ Dann scheinbar verärgert zu dem Büffel: „Warum heulstdu wie ein kleines Kind? Es ist doch nur recht und billig, dass die Schlange, die Königin des Waldes, dich

fressen darf! Bei uns herrscht doch das Gesetzdes Dschungels: Der Stärkere siegt.“

Der Büffel begriff die List von Kantschil nichtund rief voller Angst: „Rede doch nicht so einenBlödsinn!“ Die Schlange freute sich natürlichüber den Rat von Kantschil: „Es ist doch wirklichbesser, wenn ich diesen blöden Büffel von seinerDummheit erlöse und ihn fresse, damit er nichtlänger mit seiner Dummheit auf dieser Erdeleben muss. Das ist das Gesetz des Dschungels:Der Stärkere siegt. Hab’ ich nicht recht, Kant-schil?“ Kantschil tat weiter so, als sei es auf derSeite der Schlange: „Ja, die tapfere Schlangehat ganz recht!“ Aber dann fragte Kantschil:„Was habt ihr da vorher von Dank und Dummheiterzählt? Das verstehe ich nicht, wahrscheinlichbin ich auch zu dumm dazu. Am besten ihr spieltmir einfach noch einmal vor, was gerade ebenpassiert ist.“ Die Schlange fühlte sich vonKantschil geschmeichelt und stimmte demVorschlag zu: „Also komm’, du dummer Büffel,und heb’ den Baumstamm dort noch einmalhoch! Wir wollen Kantschil vorspielen, wasgerade passiert ist!“ Der Büffel verstand die Listvon Kantschil immer noch nicht ganz, aber erhob den Baumstamm hoch, und die Schlangekroch darunter. Dann ließ der Büffel den Baumwieder ab, so dass die Schlange darunter einge-klemmt war.

Dann erklärte die Schlange: „Also, ich warunter diesem Baum eingeklemmt und rief: Hilfe,Hilfe! Dann kam dieser dumme Büffel, hat denBaumstamm hochgehoben und mir geholfen.Verstehst du jetzt?“ Dann rief sie dem Büffelverärgert zu: „Los, du dummer Büffel, woraufwartest du noch? Heb’ den Baumstamm wiederhoch, wie du es vorher getan hast!“ Aber Kant-

Tierfabel aus JavaViele javanische Fabeln drehen sich um Kantschil (geschrieben: kancil), eineArt Zwerghirsch oder Zwergreh (tragulus pygmaeus oder tragulus javanicus),manchmal auch mit Hirschferkel übersetzt. Sehr typisch für die indonesischeSprache ist, dass man nicht weiß, ob Kantschil männlich oder weiblich ist.Ähnlich wie bei Reineke Fuchs ist die List von Kantschil sprichwörtlich.Zugleich ist die List von Kantschil auch ein gutes Beispiel für typisch javani-sche Konfliktlösung. Allerdings hilft Kantschil mit seiner List auch anderenTieren, wie zum Beispiel in der folgenden Geschichte:

HerzogAuf Bali ziehen noch Wasserbüffelden Pflug durch die Reisfelder.

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Hinweis:Die Beiträge auf den Seiten 2-8 wurden vonChristian und Pebri Gossweiler verfasst, dieauch die Tierfabel übersetzt haben. Beide ha-ben auch den Indonesien-Teil des Schülerhef-tes erarbeitet.

Mit seiner islamischen Bevölkerungsmehrheit istIndonesien das Land mit den meisten Muslimen inder Welt. Es leben mehr Muslime in Indonesien alsim gesamten Nahen Osten. Nach den offiziellenStatistiken der Regierung sind 86,9 Prozent der In-donesier Muslime und nur etwa 8 Prozent Christen;man schätzt jedoch den tatsächlichen Anteil derChristen höher.

Christen leben vor allem in den Großstädten wieJakarta sowie auf den Außeninseln. Als Ergebnischristlicher Mission im 19. und zu Anfang des 20.Jahrhunderts gab es mehrheitlich christliche Ge-biete im Poso-Gebiet (Zentral-Sulawesi), im Mina-hasa-Gebiet (Nord-Sulawesi), auf den Molukken, inPapua/West-Neuguinea, Flores, Timor, Nord-Suma-tra und im Landesinnern von Kalimantan. In vielendieser Gebiete jedoch sind Christen durch massiveEinwanderung von Muslimen sowie Vertreibungen,Zwangs-Islamisierungen und sonstiger Folgen dergewaltsamen Auseinandersetzungen der Jahre 1999bis 2002 in die Minderheitssituation geraten. Aufder Insel Bali und einigen wenigen Enklaven aufJava dominiert der Hinduismus. Die Chinesen sindBuddhisten, Konfuzianer, Taoisten oder Christen.Im Landesinnern von Kalimantan, Sulawesi und Pa-pua findet man noch Reste von Stammesreligionen.

Traditionell sind vor allem die javanischen Mus-lime sehr tolerant. Viele von ihnen sind eigentlichAnhänger des Javanismus, einer Mischreligion ausIslam, Hinduismus, Buddhismus und altjavanischenGlaubensvorstellungen. Von der niederländischenKolonialregierung wurden viele dieser Javanistenim 19. Jahrhundert kurzerhand zu Muslimen er-klärt. Nach dem niedergeschlagenen so genanntenkommunistischen Staatsstreich am 30. September1965 ordnete Diktator Suharto an, jeder Indonesier

müsse einer derfünf anerkanntenHoch re l i g i onen(Islam, Hinduis-mus, Buddhismus,evangelisches oderkatholisches Chris-tentum) angehö-ren. Sonst macheer sich verdächtig,Kommunist zu sein.Vor allem in denHochburgen derKommunistischenPartei Indonesiensentschieden sichganze Dörfer fürdas Christentum,besonders die Men-schen mit javanis-tischem Hinter-grund. Aber auchHunderttausendenomineller Musli-me wurden in den 1970-er bis 1980-er JahrenChristen. Trotzdem blieb in den meisten ländlichenGebieten Javas der Anteil der Christen unter einProzent. Die Anhänger der Stammesreligionen ent-schieden sich (oft sehr formal) für das Christentumoder erklärten ihre traditionelle Religion zu einerVariante des Hinduismus.

Diese Massen-Konversionen erregten den Unmutder Muslime. Hinzu kam sozialer Neid. Aufgrundder Vielzahl guter christlicher Schulen waren dieChristen besser gebildet und dadurch in höherengesellschaftlichen Positionen überproportionalvertreten. Der islamische Intellektuelle NurcholisMajid bezeichnete den indonesischen Islam einmal

Religionen in Indonesien

schil sagte zu dem Büffel: „Lieber, guter Büffel,wirst du das noch einmal tun und deinen Fehlerwiederholen? Du weißt doch, was danach passie-ren wird!“ Endlich begriff der Büffel: „Ach so, dasmache ich natürlich nicht! Entschuldige, ich habevorher tatsächlich gedacht, du willst, dass dieSchlange mich frisst. Jetzt verstehe ich deine Listerst. Entschuldige!“ Darauf Kantschil: „Schon gut,komm’ wir gehen jetzt und lassen diese böse,undankbare Schlange hier!“

Die Schlange rief verärgert: „He, was soll das?Kennt ihr nicht das Gesetz des Dschungels: DerStärkere siegt?“ Aber Kantschil antwortete nur:„Nicht unbedingt der Stärkere siegt immer,sondern oft auch der Listigere!“

Moderne Batak-Kirche in Sumatramit traditionellem Dekor.

EMW/Schnorbach

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als „Majorität mit Minderheitskomplex“. Um seineMacht zu festigen, umwarb Suharto zudem von den1980-er Jahren an fundamentalistische Muslime.Christen wurden systematisch aus allen gesell-schaftlichen Schlüsselpositionen gedrängt. ImAusland machte man zwar Propaganda mit Fotos,wie in Indonesien Kirchen und Moscheen friedlichnebeneinander stehen. Verschwiegen wurde je-doch, dass fast in jedem Fall die Moschee nebendie Kirche gebaut worden war. Die umgekehrte Rei-henfolge war undenkbar.

Konflikte zwischen den religiösen Gruppen wur-den vom Suharto-Regime bewusst geschürt, um vonden Spannungen zwischen Volk und Regierung ab-zulenken. Auch nach dem Sturz des Diktators ver-stehen es die Eliten, ihre politischen Machtinteres-sen religiös zu bemänteln. Unter dem Vorwand ei-ner angeblichen Verfolgung von Muslimen in denmehrheitlich christlichen Gebieten von Zentral-Su-lawesi und auf den Molukken wurden bis vor kur-zem Tausende Islamisten zum Jihad, zum „heiligenKrieg“, dorthin entsandt. Erst nachdem dieser Kon-flikt Tausende Menschenleben gekostet hatte,konnte im Jahr 2002 der damalige Sozialministerund jetzige Vizepräsident, Jusuf Kalla, diese Kon-flikte befrieden.

Viele dieser Entwicklungen lassen sich exempla-risch an Wulans Familie und Heimatdorf aufzeigen:Erste christliche Gemeinden gab es im Gebiet vonKopeng schon zur Kolonialzeit. So hatte zum Bei-spiel der Neukirchener Missionar Gottlieb Dietzelseinen Altersruhesitz in der Bergesfrische von Ko-peng gewählt und gründete dort eine kleine Ge-meinde. Aber viele dieser ersten Gemeinden muss-ten in den Wirren des Zweiten Weltkrieges und desUnabhängigkeitskrieges fliehen. Doch die Missio-nare hinterließen der Christlichen Kirche aus Nord-mitteljava (GKJTU) bis heute eine pietistische Prä-gung, was sich zum Beispiel in dem freien Gebetvon Wulan im Schülerheft zeigt.

Als Folge des erwähnten Putsches im Jahr 1965nahmen viele Javanisten und Kommunisten auchaus dem Gebiet von Kopeng als anerkannte Hoch-religion das Christentum an. Die GKJTU, zu derWulans Familie gehört, wuchs damals beispielsweisevon gut 2.000 auf knapp 20.000 Mitglieder. Nach-dem in den letzten Jahrzehnten der Islam aber zu-nehmend an Einfluss gewann, erschien es vielen op-portuner, zum Islam zu wechseln. Allerdings ist die-ser Islam mit alten Glaubensvorstellungen und Geis-terglauben vermischt, wie sich bei der Feier des Sa-paran-Festes zeigt: Zwar ist das Fest nach einem is-lamischen Monat benannt, es werden aber den Ah-nengeistern Opfer gebracht. Auch für die Christensind die Geister eine Realität, der sie im Gebet be-gegnen – dies wird zum Beispiel in Wulans Nacht-gebet im Schülerheft deutlich.

Heute sind etwa die Hälfte der Bevölkerung vonDukuh Muslime, die andere Hälfte Christen. DasVerhältnis von Christen und Muslimen ist relativharmonisch, gleichwohl gibt es auch in DukuhMisstrauen und Angst vor Fanatikern. Auch fühlensich Christen herausgefordert, ob sie es mit ihremGlauben wirklich Ernst meinen. Wer den einfachenWeg wählt, wechselt zum Islam.

Herr Pandik und seine Frau sind kirchlich sehrengagiert, Herr Pandik ist Kreissynodalsekretär,seine Frau ist in der Frauenarbeit aktiv. Als Auf-wandsentschädigung für seinen Einsatz hat HerrPandik etwas Land von der Kirche bekommen, daser gegen eine Pacht bewirtschaftet. Frau Pandik istLehrerin in einer christlichen Grundschule, dieebenfalls der GKJTU gehört. Diese Schule war undist für die Kinder in dem abgelegenen Dorf Tekelanfast die einzige Möglichkeit, eine Schulausbildungzu bekommen.

Moderne Batak-Kirche in Pematang-Siantar(Sumatra) mit traditionellem Dekor.

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Der Abschnitt über das indonesische Kind imSchülerheft zeichnet sich dadurch aus, dassWulan meist mit eigenen Worten aus ihrem

Leben und Alltag berichtet. Diese Authentizitätwird den Schülerinnen und Schülern die Identifi-kation mit dem Mädchen erleichtern. Es ist aberwichtig, dass die Lehrerin oder der Lehrer WulansTexte im Unterrichtsgespräch um Informationenaus den Beiträgen zu Indonesien aus diesemLehrerheft ergänzt und so den Zugang zu eineranderen Kultur und Lebensweise erleichtert. Diesgilt zum Beispiel für die Informationen zur Situa-tion der Familien in Indonesien und zur Namens-gebung.

Es ist günstig, die Unterrichtseinheit mit einerkurzen Einführung des Lehrers oder der Lehrerinüber Indonesien zu beginnen, wofür die Indonesi-en-Beiträge in diesem Lehrerheft benutzt werden

können. Dazu gehört auch, auf einer Landkarteoder einem Globus Indonesien und die Insel Javazu zeigen. Es wird bei dieser Einführung wenigerdarauf ankommen, Zahlen und Fakten zu vermit-teln, sondern die Kinder auf die Reise in ein fernesLand einzustimmen, bei der sie ein indonesischesMädchen kennen lernen. Denkbar ist auch, dass dieKinder selbst Informationen recherchieren, sei esdass sie zu Hause nach Materialien forschen, in ei-ner Bibliothek oder auch im Internet.

Der einleitende Text, in dem Wulan sich selbstvorstellt, ist relativ lang. Es sollte aber versuchtwerden, ihn in einer Stunde bzw. Doppelstundeganz zu lesen und schon einmal kurz zu besprechen.In der nächsten Stunde kann dann eine Vertiefungerfolgen, hier kann der Text „Indonesien – WulansHeimat“ hinzugezogen werden. Der sehr anschauli-che Text von Wulan kann dazu anregen, über die ei-

Pädagogische Hinweise

Tuhan Cinta Semua Bangsa /Der Herr liebt alle Völker

Text und Melodie: Sutarto (nach Psalm 33:12)

wörtl. Übersetzung des indonesischen Textes:Der Herr liebt alle Völkerauf der ganzen Weltweiße, schwarze, rote und braune,sie alle liebt der Herr.

Kasih Allah Sungguh Besar /So groß ist Gottes Liebe

Text und Melodie: Sutarto (nach Joh. 3:16)

wörtl. Übersetzung des indonesischen Textes:1. So groß ist Gottes Liebe zu uns

Jesus Christus wurde gekreuzigt um die Men-schen von ihren Sünden zu erlösen

2. Alle die glauben, werden nicht verloren gehen,sondern im Himmelreich ewig leben.

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Literaturtipps:Berninghausen, Julia u.a.: Zuhause, wo der Pfeffer wächst,

Ratgeber Indonesien, Horlemann Verlag, Bad Honnef(1996)

Becker, Dieter: Kirchen und der Pancasila-Staat – Die indo-nesischen Christen zwischen Konsens und Konflikt, Verlagder Ev.-Luth. Mission, Erlangen (1996)

Missionshilfe Verlag: Süd- und Südostasien, Jahrbuch Missi-on 1998, Bezug: DEMH (s. Adressteil)

Ev. Missionswerk in Südwestdeutschland: Indonesien, Infor-mationsbrief 1998,08, Stuttgart, Bezug: EMS (s. Adress-teil)

Kampschulte, Theodor: Zur Lage der Menschenrechte in In-donesien – Religionsfreiheit und Gewalt, Aachen (2001),Bezug: Missio Aachen (s. Adressteil)

Kayam, Umur: Ein Hauch von Macht, Roman, Horlemann Ver-lag (1999)

Kordon, Klaus: Der Weg nach Bandung, Roman für Kinder,Beltz Verlag (2000)

Lubis, Mochtar: Dämmerung in Jakarta, Roman, Unionsver-lag (1997)

Magnis-Suseno: Neue Schwingen für Garuda, Indonesienzwischen Tradition und Moderne, Kindt Buchhandlungund Verlag (1989)

Misereor: Jetzt ist die Zeit – christliche Kinderlieder aus In-donesien, CD

Richardson, Don: Friedenskind, Taschenbuch, Verlag der Lie-benzeller Mission

Richardson, Don: Friedenskind, VHS-Video, Hänssler Verlag

Schumann, Olaf: Kirche und Staat in Indonesien, VereinteEv. Mission (VEM), Wuppertal (1994), Bezug: VEM (s.Adressteil)

Siebert, Rüdiger: Indonesien – Inselreich in Turbulenzen,Horlemann Verlag, Bad Honnef (1998)

Toer, Promoedya A.: Kind aller Völker, Roman, Unionsverlag(1994)

Toer, Promoedya A.: Die Braut des Bendoro, Roman, Horle-mann Verlag (2001)

Toer, Promoedya A.: Spur der Schritte, Roman, Unionsverlag(2002)

Vonzun, Ursula (Red.): Menschen – Glauben – Leben aufJava, Basler Mission (1994), Bezug: mission 21 (s.Adressteil)

Waiblinger, Martina, u.a.: Talitha Kumi – Junge Frau, steh’auf, Weltgebetstag der Frauen 2000 – Indonesien, Deut-sches Weltgebetstagskomittee, Bezug: Misereor (s.Adressteil)

Restexemplare:Beim Erlanger Verlag für Mission und Ökumene ist noch einebeschränkte Zahl von Exemplaren von zwei schön geschrie-benen und gestalteten Kinderbüchern von Nyoman Darsanefür 4,90 Euro je Buch (zuzüglich Versandkosten) erhältlich.Es handelt sich um die Bücher „Mande will die Trommelschlagen“ und „Luh’Tu, die kleine Tänzerin“. Bestellungen:Verlag für Mission und Ökumene, Postfach 68, 91561 Erlan-gen, E-Mail: [email protected]

gene Lebenssituation zum Beispiel als Einzelkindoder in einer großen Familie zu sprechen.

Zu solchen Vergleichen regt auch der Text „EinTag in Wulans Leben“ an. Eine Möglichkeit bestehtdarin, die Schülerinnen und Schüler einen ähnli-chen Text über einen Tag im eigenen Leben schrei-ben zu lassen. Es sollte aber vermieden werden,sich zu weit von Wulans Text zu entfernen oder nurdie Unterschiede bzw. Ähnlichkeiten zum eigenenAlltag zu diskutieren. In Form eines „Steckbriefes“können abschließend die Informationen über Wu-lan und ihre Familie zusammengefasst werden.

Nach dem Nasi-Goreng-Rezept lässt sich selbst-verständlich nur kochen, wenn eine Schulkücheund genügend Zeit zum Beispiel im Rahmen desProjektunterrichts vorhanden sind. Andernfallskönnen die Schülerinnen und Schüler ermutigt wer-den, das Gericht mit ihren Eltern zu kochen. In die-sem Zusammenhang ist ein Exkurs zum Reisanbauin Indonesien möglich und sinnvoll. Materialienund Informationen können wiederum über das In-ternet recherchiert werden, auch bieten die Schul-materialien des katholischen Hilfswerks Misereor(s. Adressteil) zum Hungertuch aus Indonesienhierzu Informationen.

Der Unterricht kann dann mit dem Spiel oder derTierfabel fortgeführt werden. Die Tierfabel wird dieSchülerinnen und Schüler besonders dann anspre-chen, wenn sie vom Lehrer oder der Lehrerin miteigenen Worten erzählt wica. In der Regel wird esdie einfachste Möglichkeit sein, das Dhakon-Spieldraußen zu erproben und kleine Löcher in den Sandzu graben. Es gibt übrigens Ähnlichkeiten zwischendiesem Spiel und dem Spiel, das im Kamerun-Ab-schnitt vorgestellt wicd.

Viele Kinder in Deutschland wachsen in einer sä-kularisierten Umgebung auf, und deshalb wird esdie Aufgabe der Unterrichtenden sein, ihnen denZugang zum tiefen Glauben und zum religiösen Le-ben Wulans zu erleichtern. Dafür kann der Beitrag„Religionen in Indonesien“ in diesem Heft eineHilfe sein. Mit einem der Lieder im Schüler- undLehrerheft kann ein wichtiger Teil des religiösenLebens der Familie Pandik in den Unterricht einbe-zogen werden. Das Leben in einer multi-religiösenUmgebung ist für viele Kinder bei uns eine Alltags-erfahrung, und der Text von Wulan zu diesem The-ma kann auch dazu anregen, über eigene Erfahrun-gen und Auffassungen zum interreligiösen Mitein-ander zu sprechen.

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Fläche: 17.075.400 km2

(Deutschland: 357.023 km2)

Einwohnerzahl: 144,1 Mio.(Deutschland: 82,3 Mio.)

Einwohner je km2: 8,4(Deutschland: 231)

Hauptstadt: Moskau, ca. 10,1 Mio. Einwohner

Städtische Bevölkerung: 73,3 %(Deutschland: 87,0 %)

Lebenserwartung: 66 Jahre(Deutschland: 78 Jahre)

Bevölkerungszusammensetzung:Russen: 81,5 %Tataren: 3,8 %Ukrainer: 3,0 %Tschuwaschen: 1,2 %Baschkiren: 0,9 %Andere: 9,6 % (u.a. etwa

0,6 % Deutsche)Klima:Russland erstreckt sich über mehrere Klimazonen,doch im Allgemeinen herrscht Kontinentalklimavor. Von Nord nach Süd Übergang von arktischemzu kontinentalem Klima (trocken; sehr kalteWinter, warme bis heiße Sommer). Eine Ausnahmebilden die Schwarz-Meer-Küste mit gemäßigt-subtropischem und Wladiwostok mit polaremKlima. Im Nordosten Sibiriens liegt der Kältepolder Nordhalbkugel.

Offizielle Sprachen: Russisch

Religionen:Russisch-orthodoxe Christen:52,0 %Muslime: 10,4 %Protestanten: 9,7 %Katholiken: 9,0 %Hinduisten: 0,8 %Buddhisten: 0,6 %Juden: 0,3 %

Alle Zahlen sind Schätzzahlen und variieren z.T. erheblich; einezuverlässige Religionsstatistik für Russland liegt nicht vor.

Staatsform: Präsidialrepublik

Bruttosozialprodukt je Einwohner:2.130 US-Dollar pro Jahr(Deutschland: 23.560)(Quellen: Munzinger Archiv, Fischer Weltalmanach 2005)

Russländische Föderation

Russland ist der flächenmäßig größte Staat derErde und erstreckt sich über die Hälfte des Erdballs.Allein Sibirien ist mit 12,8 Millionen Quadratkilo-metern so groß wie ganz Europa und der Rest Russ-lands zusammen. Gleichwohl leben auf einer Flä-che, die gut 47 mal größer ist als die Deutschlands,noch nicht einmal doppelt so viele Menschen.

Geographisch reicht das Gebiet des Rechtsnach-folgestaates der ehemaligen Sowjetunion von Zen-traleuropa (Kaliningrad) über das gesamte nord-asiatische Gebiet bis hin zum Pazifik im Osten unddem Arktischen Meer im Norden. Damit teilt sichdie Russländische Föderation – so die offizielleStaatsbezeichnung, um auch die nicht-russischen

Ethnien einzubeziehen – Grenzen mit insgesamt 15Nachbarstaaten, darunter auch die VereinigtenStaaten (USA).

Von Norden nach Süden erstreckt sich die russi-sche Landmasse über rund 4.000 Kilometer und vonWesten nach Osten über rund 9.000 Kilometer sowieelf Zeitzonen. Wenn der Schnellzug Moskau-Wladi-wostok den Bahnhof der im Westen gelegenenHauptstadt abends verlässt, beginnt in der 150 Rei-sestunden entfernt gelegenen Hafenstadt im FernenOsten bereits ein neuer Tag. Das ist die längste Ei-senbahnfahrt der Welt, erst nach sieben Tagen en-det sie an der Küste des Pazifischen Ozeans.

Um die halbe Welt

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Ab dem 8. Jahrhundert befuhren schwedischeWikinger die osteuropäischen Flüsse, gründetenStädte und Siedlungen und vermischten sich mitder ansässigen slawischen Bevölkerung. Diese auchWaräger oder Rus genannten Kriegerkaufleute wa-ren maßgeblich an der Gründung des ersten ostsla-wischen Staates beteiligt, der „Kiewer Rus“ mitZentren in Kiew und Nowgorod.

Im 12. Jahrhundert begann die Kiewer Rus zuzerfallen, was es den ab 1223 einfallenden Mongo-len erleichterte, die zerstrittenen russischen Fürs-tentümer zu unterwerfen. Die so genannte GoldeneHorde beherrschte nun für zwei Jahrhunderte einengroßen Teil Russlands. Das Großfürstentum Moskaukonnte sich schließlich von der mongolischenFremdherrschaft befreien, und Großfürst Iwan IV. –auch genannt Iwan der Schreckliche – ließ sich imJahr 1547 zum ersten „Zaren der ganzen Rus“ krö-nen. Unter seiner Herrschaft begann die EroberungSibiriens, die russische Kosaken erstmals im 17.Jahrhundert bis an den Pazifik brachte.

An der Wende zum 18. Jahrhundert öffnete ZarPeter I. der Große das teilweise in mittelalterli-chen Strukturen erstarrte russische Reich westeuro-päischen Einflüssen. Er förderte Wissenschaft undKultur, gründete eine Flotte, St. Petersburg lösteMoskau als Hauptstadt ab, der alte Adel wurde ent-machtet. Unter Zarin Katharina II. die Große ka-men große Ströme ausländischer Handwerker insLand, darunter auch viele Deutsche. Nach dem Siegder Truppen Zar Alexander I. über die Armee desfranzösischen Kaisers Napoleon Bonaparte Anfangdes 19. Jahrhunderts war Russland die führendeMacht in Europa.

Doch bis zur Revolution im Jahr 1917 herrschte

ein westlich feudales Gesellschafts- und Staatsver-ständnis vor. Erst im Jahr 1860 wurde endlich dieLeibeigenschaft aufgehoben. Trotz erheblicher In-dustrieproduktion (Stahl, Kohle, Öl, Militärbedarf)geriet Russland immer mehr ins Hintertreffen ge-genüber den westeuropäischen Großmächten. DieIndustrialisierung drang nicht in die ländlichenProvinzen des Riesenreichs vor. Mangelnde Infra-struktur, die Armut der Arbeiter und Bauern und diefehlende Demokratisierung bereiteten große Pro-bleme. Im Rahmen der so genannten „Februarrevo-lution“ wurde Zar Nikolaus II. gezwungen abzudan-ken. Allgemeine Knappheit als auch die vom erstenWeltkrieg zermürbte Bevölkerung wiederum führtenzum raschen Ende der ersten russischen Republik.

Am 7. November 1917 putschten sich die Bol-schewiken, „Mehrheitler“, eine Splittergruppe derKommunistischen Partei unter der Führung vonWladimir Iljitsch Uljanow, genannt Lenin, an dieMacht. Nach einem sehr blutigen Bürgerkrieg mitden politischen Gegnern, genannt die „Weißen“,wurde am 30. Dezember 1922 der Zusammenschlussaller sowjetischen sozialistischen Republiken zurUdSSR beschlossen und eine staatlich kontrollierteWirtschaftspolitik ausgerufen. Nach Lenins Tod am21. Januar 1924 setzte sich Josef Stalin in einemerbitterten Nachfolgekampf gegen Leo Trotzkidurch und festigte seine Macht durch gezieltenTerror gegen seine Widersacher. In der Zeit dergroßen Säuberungen von 1938 bis zu Stalins Tod1953 wurden schätzungsweise 10 bis 50 MillionenMenschen hingerichtet oder in den Lagern Sibiri-ens zu Tode gequält.

Nach dem Überfall Deutschlands auf Russlandam 22. Juni 1941 trat die Sowjetunion an der Seiteder Alliierten in den Zweiten Weltkrieg (in Russ-

Geschichte Russlands

Der Zug ist in Russland das mit Abstand wich-tigste und auch günstigste Verkehrsmittel. DerFahrpreis wird nach Strecke und nicht nach Entfer-nung berechnet – , so kann man z.B. in Sibirienzum gleichen Preis eine längere Strecke fahren alsim europäischen Teil. Und mit rund 87.000 Kilome-tern Schienennetz ist Russland die zweitgrößte Ei-senbahnnation nach den USA.

Das Straßennetz weist nach Dichte und Zustandgroße regionale Unterschiede auf. Vor allem in deneuropäischen Landesteilen sind die Verkehrswegezwischen städtischen und industriellen Zentren re-

lativ gut ausgebaut. Nach Osten hin verschlechternsie sich zusehends. In Sibirien und im Fernen Ostensind die wenigen Straßen im Winter meist unpas-sierbar. Hier kommt den Wasserstraßen wie Wolga,Don, Ob, Jenissei und Lena große Bedeutung zusowie den Kanälen, die Flüsse miteinander verbin-den. Da das Klima den Schiffsverkehr oft nur vonMärz bis November zulässt und angesichts der Grö-ße Russlands, ist der Luftverkehr oft die einzigeBrücke zur Außenwelt. Dies vor allem in den nördli-chen Polargebieten, die dünn besiedelt und extre-men Klimaverhältnissen ausgesetzt sind.

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Der mit dem Jahr 1992 einsetzende wirtschaftli-che Umbruch von einer administrativ gesteuertenPlanwirtschaft hin zur Marktwirtschaft ist Teil einergrundlegenden Umgestaltung des politisch-gesell-schaftlichen Gesamtsystems. Hierzu gehören insbe-sondere die Schrumpfung von der Groß- zur Regio-nalmacht und der Wechsel von einem staatsgelenk-ten, kommunistischen System hin zu einer pluralis-tischen Gesellschaft.

Die Machtfülle jedoch, die sich in der russischenPräsidialrepublik auf Amt und Person des Präsiden-ten konzentriert, ist groß. Dadurch ist es einerseitszwar gelungen, den Vielvölkerstaat zu stabilisie-ren. Dies jedoch zum Teil nur durch die Anwendungfortwährender militärischer Gewalt wie im Falle derkaukasischen Teilrepublik Tschetschenien. Darüberhinaus ist seit einiger Zeit verstärkt die Rücknah-

me der Dezentralisierung politischer Institutionenund nicht zuletzt der Einschränkung der Meinungs-und Pressefreiheit zu beobachten. Es gibt daherStimmen, die Russland als gelenkte Demokratieoder gar defekte Demokratie bezeichnen.

Der Umbruch in Staat, Wirtschaft und Gesell-schaft hat darüber hinaus alle Arten von Kriminali-tät begünstigt, wie Steuerhinterziehung, Korrupti-on, Schutzgelderpressung, Drogenhandel, Schmug-gel, Video- und CD-Piraterie, Prostitution sowiephysische Gewalt bis hin zu Mord. Die hohe Krimi-nalität führt dazu, dass in den Städten Kinder biszum Alter von etwa zwölf Jahren normalerweise nurin Begleitung Erwachsener unterwegs sein können.Die Entfernungen sind groß, in Bussen und Bahnenherrscht großes Gedränge. Auch Kolja und seineSchwester werden von den Eltern gefahren.

Ein Land im Umbruch

Der Beitrag des privaten Sektors zum russischenBruttoinlandsprodukt wird inzwischen auf insge-samt 70 Prozent geschätzt. Dieser umfasst kleine-re, mittlere und größere Betriebe und alle Wirt-schaftszweige, insbesondere aber jene, die im sow-jetischen Wirtschaftssystem kaum eine Rolle spiel-ten wie Dienstleistungen, der Finanzbereich undkonsumnahe Sektoren.

Vor allem aber ist Russland reich an Bodenschät-zen. Rund ein Drittel der Welterdgasvorräte befin-den sich in Russland, bei den Erdölreserven liegt dasLand an siebenter Stelle. Sein Anteil an der Weltpro-

Die wirtschaftliche Situation

land Großer Vaterländischer Krieg genannt) ein,entfremdete sich nach dessen Ende aber zuneh-mend von den Alliierten. Der Kalte Krieg, der dieWelt im Wesentlichen in eine sowjetische und eineUS-amerikanische Einflusszone aufteilte, domi-nierte bis 1989 die Weltpolitik. Drei Jahre zuvorhatte mit der Wahl Michail Gorbatschows zum neu-en Generalsekretär ein politisches Tauwetter be-gonnen, das unter den Namen Perestrojka (Umbau,Umgestaltung) und Glasnost (Offenheit, Transpa-renz) dem Land und seiner Bevölkerung immermehr Freiheiten gab. Dennoch scheiterte Gor-batschow mit seinem Vorhaben die Sowjetunion zureformieren und das Land zerfiel in fünfzehn ein-zelne Republiken. Eine Unionsrepublik nach der

anderen erklärte im Jahr 1991 die Unabhängigkeit– ebenso Russland, das sich jedoch zum Rechts-nachfolger der UdSSR ausrief.

Der neue Machthaber, wenn auch nur über diegrößte sowjetische Nachfolgerepublik und zudemein Land in einer sehr instabilen Phase des wirt-schaftlichen Niedergangs, war Boris Jelzin. Nachdem Amtsantritt Wladimir Putins im Jahr 2000 sta-bilisierte sich die politische und wirtschaftlicheLage vorerst. Ein international beachteter Kon-fliktherd bleibt jedoch die Situation in Tschetsche-nien, die zunehmend auch auf das restliche Landausstrahlt. In der Kaukasusrepublik führt Russlandseit 1994 bis heute einen nicht erklärten Krieg.

duktion von Aluminium beträgt 15 Prozent, bei Ni-ckel und Platin 20 Prozent. Neben den genanntenBodenschätzen haben Gold, Kupfer, Diamanten so-wie Kobalt und Uran große ökonomische Bedeu-tung. Das Bruttoinlandsprodukt jedoch liegt unterdem der Niederlande, die deutsche Wirtschaftsleis-tung ist beinahe sechsmal größer als die russische.

Diese Differenz zwischen Ressourcen und wirt-schaftlicher Leistung hat vielfältige Ursachen:veraltete Industriebetriebe, Verschwendung vonRessourcen, hoher Umweltverbrauch und -belas-tungen, extreme klimatische Bedingungen.

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Während es in der Sowjetunion eine kleine Ober-schicht, eine kleine Unterschicht und eine breiteMittelschicht gab, verstand sich die Mehrheit derrussischen Bevölkerung Mitte der 1990-er Jahre als„Unterschicht“. Und während im Jahr 2001 dasreichste Fünftel der Bevölkerung einen Anteil von47 Prozent an den gesamten Einnahmen hatte, wardas ärmste Fünftel nur mit 6 Prozent beteiligt. DasWohlstandsgefälle zwischen den Metropolen Mos-kau und St. Petersburg zum Rest des Landes ist sig-nifikant. Dabei basiert die Wirtschaftskraft haupt-sächlich in der Förderung und im Verkauf von Roh-stoffen, und damit auf den Provinzen.

Ausgelöst wurde der soziale Wandel durch Hyper-inflation und Privatisierung – wesentlichen Elemen-ten der marktwirtschaftlichen Reformen – in derenFolge Geschäftsleute, Unternehmer und Manager zugroßen Vermögen kamen. Die breite Masse der Be-völkerung jedoch wurde zu Reformverlieren. Die ho-hen Preissteigerungsraten zwischen 1992 und 1995vernichteten die Ersparnisse und verminderten dieGehälter und Renten. Letztere betrugen im Durch-schnitt des Jahres 2003 lediglich rund 50 US-Dol-lar. Der Durchschnittslohn lag im gleichen Jahr beirund 150 US-Dollar (2004: rund 180 US-Dollar).

Ein weiterer wesentlicher Aspekt des sozialen

Sozialer und gesellschaftlicher WandelWandels nach dem Zusammenbruch der Sowjetunionist der Rückgang der Bevölkerungszahl. Nach russi-schen Prognosen wird sie bis zum Jahr 2015 um 15Prozent sinken. Im Jahr 2000 gab es erstmals mehrMänner über 60 und Frauen über 55 Jahren als Kin-der und Jugendliche unter 15 Jahren.

Parallel zum Geburtenrückgang sank die durch-schnittliche Lebenserwartung von knapp 70 JahrenAnfang der 1990-er Jahre auf 66,6 Jahre im Jahr2001, wobei die Differenz zwischen Männern (60,6)und Frauen (72,9) mit über zwölf Jahren unge-wöhnlich groß ist. Die Vergleichszahlen fürDeutschland lagen in 2001 bei 74,9, für Männerund 81,0 für Frauen.

Als Ursachen für die geringe Lebenserwartungwerden genannt: schlechte Ernährung, Medikamen-tenmangel, schlechter Zustand der medizinischenEinrichtungen, Umweltverschmutzung, Armut, dieweit verbreitete Trunksucht – jeden Monat sterbenrund 3.500 Russen durch Alkoholvergiftung – , derbesorgniserregende Drogenkonsum sowie die dras-tische Zunahme von Infektionskrankheiten wie Tu-berkulose und AIDS.

Nirgendwo auf der Welt verbreitet sich die durchdas HI-Virus übertragene Immunschwächekrank-

Dauerfrostboden bedeckt über 47 Prozent derLandesfläche und erschwert und verteuert im äu-ßersten Nordrussland sowie in weiten Teilen Sibiri-ens und des Fernen Ostens den Bau von Verkehrs-wegen, aber auch Gebäuden. Der Untergrund istteilweise 200 Meter tief gefroren und taut währendder sommerlichen Erwärmung nur in einer dünnenBodenschicht auf.

Auch der landwirtschaftliche Anbau ist durch dieklimatischen Verhältnisse beeinträchtigt und be-schränkt sich im Wesentlichen auf das so genannteAgrardreieck, das durch die Städte St. Petersburg,Rostow und Nowosibirsk markiert wird. ErheblicheSchwankungen der Niederschläge, dies sowohl hin-sichtlich der regionalen Verteilung als auch derMenge von Jahr zu Jahr, führen jedoch zu großenUnterschieden bei den Ernteerträgen. Diese blei-ben zum Teil erheblich unter dem Bedarf.

Die unsicheren Witterungsbedingungen sindaber nicht der alleinige Grund für unzureichendelandwirtschaftliche Erträge. Die Landwirtschaft ge-

hört zu den am wenigsten reformierten Branchen.Sie leidet stark unter Investitionsmangel, hohenSchulden und mangelhafter technischer Ausstat-tung. Eine große Agrarreform steht noch immeraus, insbesondere die extensive Viehwirtschaftsteckt in einer tiefen Krise. Ein großes Problemstellt zudem die Bodenerosion dar und die fehlen-de Verkehrsanbindung von mehr als 30.000 russi-schen Dörfern. Von den insgesamt rund 129 Millio-nen Hektar Ackerland liegen 15 Millionen brach –das entspricht dem Doppelten der landwirtschaftli-chen Nutzfläche Deutschlands.

Ungeachtet vieler ungelöster institutionellerFragen steht die russische Wirtschaft jedoch seit1999 im Zeichen eines anhaltenden Aufschwungs.Diese positive wirtschaftliche Entwicklung hat fürRussland, seine politische Führung sowie sein in-ternationales Umfeld erhebliche Bedeutung. Zumersten Mal seit dem Ende der Sowjetunion er-scheint die frühere Weltmacht nicht mehr als „ab-gekoppeltes Transformationsland“.

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Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion kames auch im Bildungsbereich zu einem radikalen Pa-radigmenwechsel. War im Sozialismus alles von„oben“ geregelt worden, rückte nunmehr die freiePersönlichkeitsentwicklung des Individuums insZentrum der Erziehungskonzeption. Dies nicht zu-letzt um die wirtschaftliche KonkurrenzfähigkeitRusslands auf den Weltmärkten zu stärken. Gleich-wohl waren viele Pädagogen mit dem raschen Wan-del des Systems überfordert. Noch immer herrschtan russischen Schulen unbedingte Disziplin und

Kontrolle, werden Eigeninitiative und Kreativitätnicht ausreichend gefördert.

Viele Schulen konnten den Rückzug des Staatesaus dem Bildungsbereich finanziell nur überleben,weil sie von den Eltern Gebühren für besondere An-gebote und Zusatzleistungen verlangten. Schulen inRussland dürfen eigene Einnahmen erwirtschaften.Ein Schulgeld erheben jedoch nur Privatschulen, dieim Jahr 2001/2002 etwa einen Anteil von einemProzent aller Schulen ausmachten. Was die Lerner-

Bildungswesen

Obdachlose, vernachlässigte und arbeitendeKinder gehören heute immer häufiger zum Straßen-bild russischer Städte. Jedes Jahr fliehen über50.000 Kinder in Russland auf die Straße. Denn Ar-mut und Arbeitslosigkeit haben seit dem Zusam-menbruch der Sowjetunion zugenommen und zu Al-koholismus und Gewalt in den Familien geführt. Vie-le Eltern können nicht mehr ausreichend für ihreKinder sorgen, 60 Prozent schlagen ihre Söhne undTöchter.

Offiziellen Erhebungen zufolge gibt es etwa100.000 bis 150.000 Straßenkinder in Russland. Al-lein in Moskau verbringen laut Internationaler Ar-beitsorganisation (ILO) 30.000 bis 50.000 Kindereinen Großteil ihres Alltags auf der Straße. In St.Petersburg sollen es rund 15.000 Straßenkinder un-ter 13 Jahren sein. Viele Straßenkinder kommen ausFamilien mit nur einem Elternteil oder mit Stiefel-tern. Die Eltern jedes zehnten Straßenkindes in Mos-kau sind arbeitslos, staatliche Hilfe für arme Famili-en gibt es kaum.

Die meisten Kinder auf der Straße arbeiten. Siewaschen Autos, sammeln Flaschen – um sich ein Ta-schengeld zu verdienen, um Essen zu kaufen oderihre Eltern zu unterstützen. Jedes Vierte arbeitetfürs bloße Überleben. In St. Petersburg üben bis zu30 Prozent der Straßenkinder verbotene Tätigkeitenaus: Sie verkaufen gestohlene Waren, betteln oderhandeln mit Drogen. Etwa 20 Prozent der Straßen-kinder, überwiegend Mädchen, prostituieren sich.Viele von ihnen sind erst zwölf Jahre alt.

Das St. Petersburger Gesundheitsamt schätzt dieZahl der drogensüchtigen Jugendlichen auf über50.000. Moskau meldet offiziell über 6.000 Drogen-abhängige unter 18 Jahren, Experten gehen jedochvon zehnmal mehr aus. Durch Drogenkonsum undProstitution infizieren sich viele Straßenkinder mitder Immunschwächekrankheit AIDS.Quelle: www.unicef.de/index.php?id=169

Straßenkinder

heit derart rasant wie in Osteuropa, vorwiegend inder Ukraine und Russland. 144 Menschen, so Sta-tistiken, stecken sich in Russland pro Tag mit demVirus an, sechs in jeder Stunde. Die Zahl der an

AIDS Erkrankten schätzten Experten der VereintenNationen Ende 2003 auf mindestens 1,5 MillionenMenschen.

Peter Dammann

In einer Toilette in St. Petersburg haben diesebeiden Jungs einen Schlafplatz für die Nachtgefunden.

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„Warum hat Russland Moskau so geliebt?“, dieseFrage beantwortete der russische KulturphilosophGeorgij Fedotow Anfang des 20. Jahrhunderts wiefolgt: „Weil es sich in der Stadt wieder erkennenkonnte, Moskau hat die provinzielle Lebensart be-wahrt und mit dem Prunk und den Kulturgütern ei-ner Hauptstadt vereint.“ An der Newa jedoch, in de-ren sumpfigen Mündungsgebiet Zar Peter I. der Gro-ße im Jahr 1703 die Peter-und-Paul-Festung erbau-en ließ und damit auch den Grundstein für die StadtSt. Petersburg legte, nennt man Moskau immer nochein Dorf. Trotz der Glaspaläste der Öl- und Gaskon-zerne, des Bolschoi-Theaters und der Kremlmauer,ist Moskau geprägt von Spuren dörflicher Lebensart,ist Moskau „russischer als Russland“ und mit seinen„vierzigmal vierzig Kirchen“ so etwas wie die heiligeMitte Russlands.

St. Petersburg hingegen, dessen VerwirklichungTausende Kriegsgefangene, Soldaten und Bauerndas Leben kostete, war schon im 18. Jahrhunderteine europäische Metropole und eines der führen-den kulturellen Zentren. 1714, ein Jahr nachdemPeter I. die Stadt an der Newa zum Regierungssitzernannt hatte während Moskau Krönungsstadt blieb,wird der berühmte Sommerpalast fertig gestellt.1738 wird in St. Petersburg Russlands erste Ballett-schule gegründet. 1757 entsteht die berühmte Aka-

demie der Künste. Im 1762 fertig gestellten Winter-palast ist heute die Eremitage untergebracht, eineder größten Kunstsammlungen der Welt. Von An-fang des 19. Jahrhunderts an wird eine Reihe vonGymnasien, Hochschulen und Universitäten in St.Petersburg gegründet. Schriftsteller wie Puschkin,Gogol und Dostojewskij prägen das literarische Le-ben der Stadt.

Parallel entwickelt sich St. Petersburg zu einerHandels- und Industriemetropole, in der es immerwieder zu gewaltsamen politischen Auseinanderset-zungen kommt. Und im Oktober 1917 nimmt hierder Aufstand der kommunistischen Bolschewiken ih-ren Anfang. Regierungssitz der im Jahr 1922 ge-gründeten Sowjetunion aber wird Moskau. Im Zwei-ten Weltkrieg wird Leningrad – wie St. Petersburgseit dem Tod des Revolutionsführers heißt – 900

Tage von deutschen Truppen bela-gert. Der Befehl lautet: „Der Führerhat beschlossen, die Stadt Peters-burg vom Erdboden zu tilgen.“ Fasteine Million Menschen sterben.

Heute zählt die am nördlichstengelegene Millionenstadt der Erdemehr als fünf Millionen Einwohnerund damit nur halb so viele wie

Moskau. Für viele Russen aber ist St. Petersburg –wie die Metropole an der Newa seit einer Volksbefra-gung 1991 wieder heißt – die heimliche Hauptstadt.Etwa 10.000 restaurierte Wohnhäuser, Paläste undKirchen aus den letzten drei Jahrhunderten zeugenvon ihrer glanzvollen Geschichte und ihrem kulturel-len Reichtum. Doch auch in St. Petersburg reichtder Glanz oftmals nicht hinter die Fassaden (vergl.hierzu die Beiträge „Ein Land im Umbruch“ und„Straßenkinder“).

Frank Kürschner-Pelkmann

Gegensätze

gebnisse anbelangt, übertreffen jedoch nur wenigedie staatlichen Schulen. Unterricht wird halbtagserteilt, das Notensystem geht von 1 bis 5, wobei dieschlechteste Note 1 so gut wie nie vergeben wird.

Etwa zwei Drittel aller Schülerinnen und Schüler– in den Städten weitaus mehr – besuchen nachabsolvierter neunjähriger Pflichtschule die zwei-jährige Oberstufe, die mit der Abiturprüfung abge-schlossen wird. Eine Zugangsberechtigung zu einerHochschule erhält jedoch nur, wer die obligatori-sche Aufnahmeprüfung an den Universitäten be-standen hat. Ohne die Vorbereitung durch kost-spielige Tutorien ist dies kaum zu schaffen, was

Schülerinnen und Schüler aus den unteren Einkom-mensschichten und aus der Provinz, wo der Lebens-standard ohnehin geringer ist, trotz Bestnoten imAbitur benachteiligt.

Für die etwa 160 nicht-russischen Nationalitä-ten und ethnischen Gruppen (etwa 19 Prozent derBevölkerung) gibt es so genannte nationale Schu-len, in denen laut Verfassung Unterricht in derMuttersprache und in nationalspezifischen Inhal-ten angeboten wird. Größere Minderheiten sind dieTartaren, die Tschuwaschen und die Baschkiren. Zuden kleineren Minderheiten zählen u.a. die Me-scheten und Deutsche.

Spiele, die nach Russland entführenSt. Petersburg – ein KartenspielPrachtvolles Moskau – ein Puzzle

s. a.: www.anastassia.net/spiele_russland.htmlwww.reich-der-spiele.de/specials/SpielenInRussland.php

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Russlands religiöse Landkarte ist ebenso buntwie die ethnische oder geographische. Am Nördli-chen Eismeer leben Karelen, Jakuten, Tschuktschen– viele von ihnen sind bis heute so genannte Hei-den oder Anhänger der Schamanen. Burjaten undTuwinen praktizieren den Buddhismus. Die Völkerim Nordkaukasus, Tatarstan und Baschkirien sindMuslime.

Unter den rund 144 Millionen Einwohnerinnenund Einwohnern ist jedoch die Russische OrthodoxeKirche eindeutig die stärkste Glaubensgemein-schaft. Das Moskauer Patriarchat beziffert die Zahlihrer Mitglieder auf 70 bis 110 Millionen. Die rund15 Millionen Muslime stellen die zweitgrößte Glau-bensgemeinschaft. Auf Katholiken und Protestan-ten entfallen jeweils gut eine Million Gläubige.Darüber hinaus gibt es eine Viel-zahl von Freikirchen, z.B. Evange-liumschristen-Baptisten, Adven-tisten und Pfingstchristen, Me-thodisten, Reformierte, Heilsar-mee, aber auch Zeugen Jehovasund Pfingstler, unter denen cha-rismatische Gruppen eine großeRolle spielen. Sie gelten als dieam stärksten wachsende christli-che Denomination. Hinduismus(vor allem die Hare-Krischna-Be-wegung) und Buddhismus bewe-gen sich bei 740.000 bzw.600.000 Gläubigen. Die Anzahlder Juden hingegen, die Mitte der1990-er Jahre noch mit rund700.000 angegeben wurde, liegtgegenwärtig bei etwa 230.000,was in der hohen Auswanderungs-rate begründet liegt.

Noch unter Michail Gor-batschow war im Jahr 1990 einReligionsgesetz erlassen worden,das alle Religionsgemeinschaftenim Wesentlichen gleich behandel-te. Dieses wurde jedoch im Jahr1997 durch ein neues ersetzt,welches der Russisch Orthodoxen Kirche in der Prä-ambel eine führende Rolle zubilligt und die Entfal-tung der nicht-orthodoxen Religionsgemeinschaf-ten einschränkt. Zur Begründung der zivilrechtli-chen Benachteiligung der nicht-orthodoxen Religi-onsgemeinschaften beruft sich die Russische Or-thodoxe Kirche auf das theologische Argument des

Religion und Kirche„Kanonischen Territoriums“, wonach jede Missiondurch Nicht-Orthodoxe, auch die an Ungläubigen,als Abwerbung von der Orthodoxie verstanden wird.

Doch auch der Russischen Orthodoxen Kirchesind Grenzen gesetzt. Von denen, die sich heute or-thodox nennen, sind nach übereinstimmenden de-moskopischen Untersuchungen lediglich drei Pro-zent praktizierende Christen in dem Sinne, dass siemindestens einmal im Monat an der sonntäglichenLiturgie teilnehmen. Für die meisten von ihnensind kulturelle, historische und nationale – weni-ger aber religiöse – Gesichtspunkte für ihre Zuge-hörigkeit zur Kirche maßgeblich. Viele neu entste-hende nationalistische Gruppen und Parteien ge-ben sich orthodox, darüber hinaus ist die Orthodo-xie mittlerweile Kern einer nationalrussischen

Staatsideologie. Doch auch wenn sich PräsidentPutin in der Öffentlichkeit demonstrativ als prakti-zierender Orthodoxer zeigt, kann er das MoskauerPatriarchat nicht zur Staatskirche erheben. Die„Eurasismus-Idee“ betont vielmehr die europäi-schen und asiatischen sowie die orthodoxen undislamischen Wurzeln Russlands.

WCC Photo: Peter WilliamsTrinity Kathedrale im Kloster Sagorsk.

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Aufgrund des langen Winters essen die Russenviel Eingelegtes und Eingemachtes wie Salzgurken,Sauerkraut und marinierte Pilze. Frisches Obst undGemüse kommt nur in den kurzen, aber heißen Som-

mermonaten auf den Tisch. Für die kalte Jahreszeitlagern die Haushalte verschiedene Rüben und Kohl-köpfe, trocknen Pilze und kochen Obst ein.

Während der von der orthodoxen Kirche vorge-schriebenen Fastenzeiten dürfen ausschließlich

Russische Küche

Die erste Erwähnung russischer Märchen findetsich in der Kiewer Rus, doch ihre Wurzeln verlierensich in unbekannter Vorzeit. Die frühesten Nach-richten von russischen Märchenerzählern gehörendem 12. Jahrhundert an. Mitgroßer Sicherheit kannman annehmen,dass sich dieMärchen im al-ten Rus von derSage, Legendeund dem Mythos ab-gesondert hatten.

Bereits im 13. Jahrhun-dert entwickelten sichdie vier Hauptarten desrussischen Märchens – Zauber-märchen, Tiermärchen, Aben-teuermärchen und Alltagsmär-chen – wie auch die traditionel-

Russische Märchen

Eine Sammlung russischer Märchen ist im Internet zusammengestellt unterhttp://private.addcom.de/märchen/index.htm, „Russische Märchen“ von Elkeund Sergejoder einfach unter Google-Suche eingeben das Stichwort: Russische Märchen

len Märchengestalten und Märchensujets: die HexeBaba-Jaga, Koschej der Unsterbliche, Morosko dergestrenge Frost, Meerzar und der Räuber Nachtigal.

Wie alle Märchen spiegeln auchdie russischen die Geschichte

des Volkes, dass sie schufund durch die Jahrhun-derte getragen hat. Wasdie nationale Besonder-

heit des russisches Mär-chen angeht, so besteht

sie in der Eigenart seiner reichen Sprache, impoetischen Stil, in den rein russischen Alltagsde-tails und in den Besonderheiten des russischen

Lebens.

Speisen aus pflanzlichen Zutaten verzehrt werden.Milch, Milchprodukte, Butter und Fleisch sind fürdie Fastenden tabu. Lediglich Fisch ist an be-stimmten Fastentagen erlaubt. Durch die kirchli-chen Regeln entstand im Lauf der Jahrhunderteeine Vielzahl an traditionellen vegetarischen Re-zepten, obwohl sonst fisch- und fleischhaltige Ge-richte die Speisekarte prägen.

Nach der Oktoberrevolution im Jahr 1917 verur-teilte die Partei das Fasten als unsozialistisch underklärte die Kirche und ihre Regeln als Aberglaube.Viele alte Speisen gerieten in Vergessenheit. Nachdem Zusammenbruch des Kommunismus entdecktenjedoch immer mehr Russen ihren Glauben und ihreTraditionen neu. Längst vergessene Gerichte wie derWeihnachtskuchen Kulitsch, ein lockeres Hefe-gebäck mit Rosinen, sind seit dem wieder populär.

Quelle: www.rhellbart.de/sibir/RuRezept.html

Rezepte wie Borschtsch, Pliny, Soljanka, Pelmini oderBoef Stroganow sind im Internet abrufbar unter:www.petersburg-info.de/html/russische_kuche_st__petersburg.htmlwww.babuschka-magazin.de/Russische_Kuche/russische_kuche.htmloder einfach unter Google-Suche eingeben dasStichwort: Russische Küche

Hinweis:Die Texte auf den Seiten 11-17 beruhen – sofern nicht anders gekennzeichnet – auf Grundinformationen von Fedor Kozyrev,der auch den Russland-Teil des Schülerheftes erarbeitet hat, sowie den nachfolgend genannten Quellen: Bundeszentrale fürpolitische Bildung: Informationen zur politischen Bildung, Russland (Nr. 281/4. Quartal 2003); Studienkreis für Tourismusund Entwicklung e.V.: Russland verstehen, Sympathie Magazin Nr. 49/2001; Missionshilfe Verlag: Osteuropa/Zentralasien,Jahrbuch Mission 1996; Ev. Kirche in Deutschland: Bedrohung der Religionsfreiheit, Erfahrungen von Christen in verschiede-nen Ländern, EKD-Arbeitshilfe, Nr. 78/2003, S. 65-68.

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Die Begegnung mit Kolja in St. Petersburg bietet auf den ersten Blick Vertrau-tes: Wie die meisten Kinder hierzulande

lebt er mit Vater, Mutter, Schwester zusammen,also in einer Kleinfamilie und auch das Haustierfehlt nicht. Die Schule bestimmt einen Großteilseines Alltags und seiner Zeiteinteilung. Dochgleich in den ersten beiden Kapiteln berichtet erauch von Details, die wesentliche Unterschiedeanschaulich machen: das die Eltern zwei bis dreiJobs nachgehen müssen, um den Unterhalt derFamilie zu bestreiten; dass er dreimal in der Wo-che zusätzlich zur regulären Schule noch eineKunstschule besucht; dass er sich für Bücher,„altmodische“ Musik und Museen interessiert.

Im Vordergrund sollte jedoch zunächst das Ken-nenlernen stehen, welches sich anhand der erstenvier Texte eröffnet. Sowohl der erste und zweite(„Kolja“ und „Kolja und seine Familie“) als auchder dritte und vierte („Immer wieder montags“ und„In den Ferien“) können (und sollten u.E.) als Ein-heit behandelt werden. Als Einstieg könnten dieTexte durchgelesen werden – entweder einzeln zuHause (als Hausaufgabe) oder gemeinsam in derKlasse (laut vorlesen). Anschließend sollten imKlassenverband Unklarheiten besprochen und we-sentliche Aussagen zusammengetragen werden.Letzteres kann auch als Einzel- oder Kleingruppen-arbeit (schriftlich) mit anschließender „Präsentati-on“ im Klassenverband erfolgen.

Ein Vergleich zur eigenen Lebenssituation undzum eigenen Alltag bietet sich in diesem Zusam-menhang an und wird auch die Gemeinsamkeitenund Unterschiede deutlich machen. Sofern von denKindern nicht ohnehin eingebracht, kann die Leh-rerin, der Lehrer das Augenmerk auf die bereits er-wähnten mehreren Jobs der Eltern richten undauch auf die – im Vergleich zu Deutschland – be-engten Wohnverhältnisse. Die Kinder sollten nachMöglichkeit die Gründe hierfür selbst erarbeiten(u.a. Einkommensverhältnisse, Mietpreise, zur Ver-fügung stehender Wohnraum, u.Ä.). Durch ein (un-gefähres) Nachstellen der Räumlichkeiten im Klas-senraum kann zudem die Wohnsituation anschau-lich und erlebbar gemacht werden.

Und auch wenn Ganztagsschulen in Russlandeher die Ausnahme sind, ist es doch für russischeKinder durchaus üblich, eine weitere Schule zu be-suchen – wie im Falle Koljas die Kunstschule.Kunst- und Musikschulen bieten in Russland eine

sehr gute, vielseitige Zusatzausbildung, die bei er-folgreichem Abschluss eine Weiterarbeit schon aufprofessionellem Niveau erlauben. Ihr Besuch istalso weniger als Hobby einzustufen denn als Zu-satzqualifikation mit dem entsprechenden Arbeits-aufwand. Koljas Texte zu Schule und Ferien machendies deutlich und bieten das Gespräch mit denSchülerinnen und Schülern an zu eigenem Arbeits-und Freizeitverhalten, der Gestaltung von Freund-schaften. Sofern ein Kind aus Russland in der Klas-se sein sollte, kann dieses – die Bereitschaft vor-ausgesetzt – von seinen Erfahrungen mit beidenLebenswelten berichten und auch wie es war, vonder einen in die andere zu wechseln.

Der Abschnitt zum Essen in Russland veran-schaulicht nochmals die materielle Lebenssituati-on russischer Familien, ihr Angewiesensein auf denAnbau eigener Lebensmittel. Darüber hinausschlägt er eine Brücke zu Essensgewohnheiten,Traditionen und kirchlichen Festen und damit auchzum Abschnitt „Koljas Glaube“. Was sind inDeutschland typische Gerichte? Kann man hier-zulande von bestimmten Essensgewohnheitensprechen? Wie werden in Deutschland Feste kulina-risch begangen? Spielen Fastenzeiten eine Rolle?Diese und andere Fragen können Nachdenken undRecherche anregen.

Und auch wenn viele Kinder in Deutschland ineinem säkularen Umfeld aufwachsen, so gibt esbestimmt unterschiedliche Erfahrungen der Kinder,die sich austauschen und zusammentragen lassen,wie Gottesdienstbesuch, Teilnahme am Abend-mahl, Geschichten aus der Bibel, etc. Texte ausKinderbibeln können gemeinsam gelesen und – wieim Schülermaterial – nacherzählt und gemalt wer-den. Vorstellbar ist auch ein gemeinsamer Gottes-dienstbesuch und vielleicht ist ja auch eine ortho-doxe Kirche oder Gemeinde in ihrer Nähe. SolltenKinder aus weiteren Glaubensgemeinschaften inihrer Klasse sein (z.B. Islam, Judentum), solltenderen Erfahrungen und ggf. Gotteshausbesuche un-bedingt einbezogen werden.

Das Gericht aus dem Schülerheft lässt sich – so-fern eine Schulküche vorhanden ist – einfach nach-kochen; im Internet unter Goggle-Suche „RussischeKüche“ finden sie weitere Anregungen. Und auchdie Spiele bieten sich zum Ausprobieren an.

Unerlässlich ist es, den Schülerinnen und Schü-lern einen Einblick in das Land Russland jenseits

Pädagogische Hinweise

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Literaturtipps:- Akunin, Boris: Die Bibliothek des Zaren, Roman, Gold-

mann (2005)- Amnesty International/Sektion Deutschland: Solidarität

für Russland – eine Nation zwischen Demokratie undWirklichkeit, Bonn (2002)

- Dammann, Peter: Wir sind klüger als ihr denkt – Straßen-kinder in St. Petersburg, Dölling und Gallitz Verlag, Ham-burg (1995)

- Dostojewski, Fjodor M.: Schuld und Sühne, dtv (1997)- Dostojewski, Fjodor M.: Der Idiot, Roman, dtv (2001)- Iwanow, Wladimir: Russland und das Christentum, IKO-

Verlag für Interkulturelle Kommunikation, Frankfurt amMain (1995)

- Jerofejew, Wenedikt: Die Reise nach Petuschki, Roman,Piper (2000)

- Kharitidi, Olga: Das weiße Land der Seele, Roman, Lübbe(2002)

- Paternak, Boris: Doktor Schiwago, Roman, Fischer Tb.- Puschkin, Alexander S.: Der eherne Reiter, Erzählungen

aus St. Petersburg, Insel Verlag- Puschkin, Alexander S.: Der Postmeister, Erzählungen, Re-

clam (1997)- Solschenizyn, Alexander: Ein Tag im Leben des Iwan De-

nissowitsch, Roman, Weltbild Buchverlag- Solschenizyn, Alexander: Der Archipel Gulag, Roman (gek.

Ausgabe) Rowohlt Tb. (1988)- Tolstoi, Leo N.: Krieg und Frieden, Roman, dtv- Tolstoi, Leo N.: Anna Karenina, Roman, dtv- Turgenjew, Iwan S.: Aufzeichnungen eines Jägers, Roman,

Manesse (2004)

der Stadt St. Petersburg zu ermöglichen. Denn St.Petersburg ist nicht Russland. Schon die Lage zeigtdie Hinwendung der Stadt nach Westen, zu ihrerErrichtung engagierte Peter I. der Große die bestenBaumeister aus Westeuropa. Deutlich wird dies indem Beitrag „Gegensätze“. Wie sehr wiederumRussland von und durch die Provinzen lebt, veran-schaulichen die Beiträge zur Wirtschaft und Land-wirtschaft in diesem Material. Die Prägungen undHerausforderungen durch die geographische Di-mension und die extremen klimatischen Bedingun-gen wiederum spiegeln der einleitende Abschnittsowie die Beiträge „Ein Land im Umbruch“ und„Geschichte Russlands“, aber auch der Beitrag zu„Religion und Kirchen“.

Um ein Gefühl für die Dimensionen des größtenLandes der Welt zu bekommen, bietet sich an, an-hand eines Globus’ dem Streckenverlauf der Trans-sibirischen Eisenbahn zu folgen (Hinweise zu Stre-ckenverlauf, Fahrplan, etc. unter www.transsib.de)und einige markante Zwischenstopps auszuwählen(s.u. www.trans-sib.de/city-vsib.htm): Moskau na-türlich, als Ausgangspunkt der Reise und den be-kannten Sehenswürdigkeiten wie Roter Platz undKreml, der Basilius-Kathedrale und dem KaufhausGum. Weiterhin Novosibirsk, die Hauptstadt Sibiri-ens und Irkutsk, eine der schönsten Städte Sibiri-ens. Irkutsk liegt zudem in der Nähe des Baikal-sees, dem tiefsten See der Erde mit einer einzigar-tigen Flora und Fauna. Ulan-Ude schließlich ist einKnotenpunkt, von wo aus man nach Süden in dieMongolei fahren kann oder weiter nach Osten bisWladiwostok, dem Endpunkt der Reise und Stütz-punkt der russischen Pazifik-Flotte.

Auch die Kinder sollten in die Informationsre-cherche einbezogen werden. Bei den o.g. sechsStationen (inkl. Baikalsee) zum Beispiel bietet essich an, ebenso viele Kleingruppen zu bilden und indiesen über Internetrecherche und Lexika, in Bibli-othek und Büchereien, Informationen zu sammeln,in der Kleingruppe zusammenzutragen und an-schließend – Kleingruppe für Kleingruppe – imKlassenverband zu präsentieren. Auch könnte ein„Stadtpanorama“ in Form einer Collage erstelltwerden, mit Ansichten der jeweiligen Stadt undden dort lebenden Menschen sowie wesentliche In-formationen zu Sehenswürdigkeiten, Besonderhei-ten, etc. Schließlich können mithilfe des Globusauch die 15 Nachbarstaaten Russlands recherchiertwerden, die auf mehreren Kontinenten liegen.

Auch russische Märchen erzählen von der Le-benswelt und den Erfahrungen der Menschen, diesie weiter getragen haben. So thematisieren zumBeispiel „Morosko der gestrenge Frost“ und „Ma-scha und der Bär“ die Herausforderungen und Be-drohungen, denen die Menschen in den WeitenRusslands mit den extremen klimatischen Bedingun-gen begegnen müssen und wie ihnen dies auch ge-lingt, indem sie diese annehmen und (listig) damitumzugehen wissen (s.u. http://private.addcom.de/maerchen oder Google-Suche: Russische Märchen).Ausgewählte Märchen können somit dazu beitragen,Russland und seine Menschen zu verstehen. Diesesollten zunächst gemeinsam gelesen werden. An-schließend können die wesentlichen Inhalt entwe-der einzeln oder in Kleingruppen (schriftlich) zu-sammen gefasst und anschließend im Klassenver-band, die Kernaussage herausgearbeitet werden.

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3.200 Kilometer Küste, Regenwälder, Berge, kul-turgeschichtliche Reichtümer: Kolumbien müssteein touristisches Traumziel sein. Dennoch verirrtsich kaum ein Ausländer nach Kolumbien. Schulddaran trägt ein Bürgerkrieg, der in den vergange-nen 40 Jahren mehr als 250.000 Tote gefordert hat.Statt tropischer Strände bestimmen Massaker, Ent-führungen und Drogenmafia das Bild Kolumbiensim Ausland. Die Gewalt hat die Entwicklung desLandes tief geprägt und bestimmt bis heute denAlltag in Kolumbien.

Bereits die Eroberung durch die Spanier verliefalles andere als friedlich. Das Land war eines derEpizentren der Unabhängigkeitskriege von der Kolo-nialmacht Spanien in den Jahren 1811 und 1819.Aus ihnen gingen zwei politische Strömungenhervor, die Kolumbiens Geschichte fortan prägten:die Zentralisten, die für ein starkes und vereintes

Fläche: 1.141.748 km2

(Deutschland: 357.023 km2)

Einwohnerzahl: 43,7 Mio.(Deutschland: 82,3 Mio.)

Einwohner je km2: 38(Deutschland: 231)

Hauptstadt: Santa Fé de Bogotá (Bogotá),ca. 8 Mio. Einwohner

Städtische Bevölkerung: 77,4 %(Deutschland: 87,0 %)

Lebenserwartung: 71,4 Jahre(Deutschland: 78 Jahre)

Bevölkerungszusammensetzung:Mestizen: 58 %Weiße und Kreolen: 20 %Mulatten: 14 %Afro-Kolumbianer: 4 %Zambos*: 3 %Indigene Bevölkerung: 1 %

* (Nachkommen von Schwarzen und Indios)

Offizielle Sprachen: Spanisch(daneben gibt es 64 indigene Sprachen)

Religionen:Katholiken: 95%Protestanten: 5%

Staatsform: Präsidialrepublik

Republik Kolumbien

Bruttosozialprodukt je Einwohner:1.820 US-Dollar pro Jahr(Deutschland: 23.560)

Kolumbien – Von Gewalt geprägtSüdamerika kämpften, und die Föderalisten, die sichdem Machtmonopol der neuen Führer widersetzten.Doch schon 1830 zerbrach der Traum des „Befreiers“Simón Bolivar: „Groß-Kolumbien“ zerfiel in Venezu-ela, Ecuador und Kolumbien. Die Föderalistenschlossen sich zur Konservativen Partei zusammen,während die Zentralisten die Liberale Partei gründe-ten. Die Rivalität zwischen beiden entlud sich in ei-ner langen Serie von Bürgerkriegen, blutigen Staats-streichen und Massenunruhen. Trauriger Höhepunktwar die Phase der violencia, der Gewalt, die zwi-schen 1948 und 1953 rund 300.000 Tote forderte.Dieser Bürgerkrieg mündete in eine Ära politischerInstabilität, die bis heute andauert.

Akteure der Gewalt

Man kann zwischen vier Akteuren unterscheiden,die direkt am bewaffneten Konflikt in Kolumbien

Klima:In Kolumbien herrscht das ganze Jahr überbis zu einer Höhe von etwa 1.000 Metern einheißes Klima. Besonders in der Küstenregion sinddie Niederschläge hoch. In den Gebirgsregionenfindet man trotz der Nähe zum Äquator einalpines Klima. Die höchsten Berge sind das ganzeJahr über schneebedeckt.(Quellen: Munzinger Archiv, Fischer Weltalmanach 2005)

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de oder Entführungen durch die Guerilla Motiv fürdie Gründung einer paramilitärischen Gruppe.Mittlerweile ist die Truppenstärke der Paramilitärsauf schätzungsweise 17.000 angestiegen. Unterdem Vorwand, die Bevölkerung von der „Plage derGuerilla“ zu befreien, haben die Todesschwadronenweite Teile des Landes in ihre Gewalt gebracht, ge-waltige Besitztümer angehäuft und eine Massen-flucht unter der Bevölkerung ausgelöst. Im Jahr1997 schloss sich ein Großteil der paramilitärischenGruppen zu einer losen Koalition zusammen und gabsich den Namen „Selbstverteidungseinheiten Ko-lumbiens“ (AUC). Dessen ungeachtet bleiben die Pa-ramilitärs eine diffuse, schwer zu berechnende Be-wegung aus Söldnern, ehemaligen Militärs, Drogen-baronen und Großgrundbesitzern.

Weit stärker noch als die linksgerichtete Guerillaverfolgen die AUC die Taktik der gezielten Ein-schüchterung. Ein Großteil der Massaker und selek-tiven Morde geht auf ihr Konto. Ziel der ultrarech-ten Todesschwadronen ist es, jegliche Form der bür-gerlichen Mitbestimmung, sei es in Form von Ge-werkschaften, Nichtregierungsorganisationen oderkirchlichen Menschenrechtsgruppen, im Keim zu er-sticken. Die Tatsache, dass paramilitärische Einhei-ten ihre Feldzüge oft unter den Augen der Militärsdurchführen und über beträchtliche Geldmittel ver-fügen, lässt auf ein enges Beziehungsgeflecht zwi-schen AUC, Armee, hochrangigen Politikern undUnternehmern schließen.

Im Jahr 2002 trat Staatspräsident Álvaro Uribemit dem Versprechen an, gegen die bewaffnetenGruppen ins Feld zu ziehen und die vollständigeKontrolle über das Land zurückzugewinnen. Mitmassiven Militärhilfen aus den USA startete Uribeeine groß angelegte Offensive gegen die beidengrößten Guerilla-Verbände des Landes. Sowohl dieFARC als auch die ELN mussten eine Reihe von Ge-bieten preisgeben und wurden vielerorts in die Ber-ge zurückgedrängt. Einer Regierungseinheit gelanges, den von der FARC entführten damaligen Präsi-denten des Lateinamerikanischen Bischofsrates,Erzbischof Jorge Jiménez Carvajal, nach nur fünfTagen zu befreien. Erfolge wie diese können jedochebenso wenig wie die Festnahme hochrangigerFARC-Offiziere darüber hinwegtäuschen, dass einmilitärischer Sieg gegen die Guerilla noch langenicht in Sicht ist.

Eine andere Taktik verfolgt Uribe bei der Ent-waffnung der zweiten militärischen Bewegung, denParamilitärs. Ein Auslieferungsgesuch der USA ge-gen führende Vertreter der Paramilitärs sowie die

beteiligt sind: linksgerichtete Guerilla-Bewegun-gen, ultrarechte Paramilitärs, die Drogenmafia undder Staat.

Die bedeutendste Guerillabewegung Kolumbiensist die FARC („Revolutionäre Streitkräfte Kolumbi-ens“). Sie hat ihre Wurzeln in der Zeit der Violen-cia. Ursprünglich war sie eine von Kleinbauern ge-gründete Schutzmiliz, doch sie entwickelte sichrasch zu einer straff geführten Untergrundarmeestalinistischer Prägung. Heute hat sie etwa 18.000Männer und Frauen unter Waffen. Die Strategie derFARC zielt darauf ab, einzelne Landstriche militä-risch zu erobern, um die „befreiten“ Gebiete auto-nom zu verwalten.

Rang zwei in der Hierarchie der Befreiungsbewe-gungen belegt die ELN („Nationale Befreiungsar-mee“). Sie steht in der Tradition der lateinameri-kanischen Stadtguerilla und wurde im Jahr 1964von linksgerichteten Intellektuellen gegründet.Die ELN bezieht ihren Gründungsmythos aus derkubanischen Revolution. Nachdem die Geldströmeaus Kuba versandet waren, stand die ELN Mitte der1990-er Jahre vor dem Ruin. Die spektakuläre Ent-führung eines österreichischen Mannesmann-Inge-nieurs im Jahr 1995 und das daraus erpresste Löse-geld in Millionenhöhe brachte die Rebellenarmeezurück ins Geschäft. Innerhalb weniger Jahre bautedie auf wenige Dutzend Kämpfer geschrumpfte ELNihre Truppenstärke auf rund 5.000 Kämpfer aus. Er-pressungen und Entführungen sowie Sprengan-schläge auf Ölpipelines sind seitdem ihre strategi-schen Schwerpunkte.

Spätestens mit dem Einstieg in den Drogen- undWaffenhandel verließen Kolumbiens Guerrilla-Be-wegungen ihre ideologischen Wurzeln. Die ur-sprünglichen Ziele – eine umfassende Land- undEigentumsreform (FARC) bzw. die nationale Befrei-ung im Rahmen einer lateinamerikanischen „Inter-nationale“ (ELN) – sind nur noch den wenigstenKolumbianern bekannt. Sowohl ELN als auch FARCtragen ihren Feldzug auf dem Rücken der Bevölke-rung aus. Ihre Glaubwürdigkeit innerhalb der Be-völkerung haben sie dadurch weitgehend verloren.

Paramilitärs

Die zweite Gruppe der „irregulären Truppen“ bil-den die Paramilitärs. Seit den 1980-er Jahren sprie-ßen diese Privatarmeen wie Pilze aus dem Boden.Die meisten wurden von Großgrundbesitzern, Indus-triellen und Drogenbaronen zum Schutz wirtschaftli-cher Interessen gegründet. Oftmals waren auch Mor-

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offizielle Einstufung der AUC als terroristische Ver-einigung haben die Position der Killerkommandosempfindlich geschwächt. Die um Schadensbegren-zung und Straffreiheit bemühte Führung der AUCerklärte im Dezember 2002 einen einseitigen undunbefristeten Waffenstillstand, dem sich nahezualle Verbände anschlossen. Zudem verpflichtetensich die Paramiltärs, aus dem Drogenhandel auszu-steigen und die Menschenrechte zu achten. In derLesart der Todesschwadronen heißt dies, dass se-lektive Morde Massakern vorzuziehen sind undnicht mehr als drei Personen auf einmal exekutiertwerden dürfen. Folter, Zwangsrekrutierung und diegezielte Ermordung von Zivilisten gehören weiter-hin zur gängigen Praxis. Es existiert sogar eine ArtGeheimquote zum „Schutz der Menschenrechte“,die jedem Gebiet eine Obergrenze der zu tötendenPersonen zuordnet.

Im Juli 2003 fanden die ersten Verhandlungenzwischen Regierung und AUC statt, die zur Unter-zeichnung einer gemeinsamen Erklärungführten. Die Führung der AUC verpflich-tete sich, ihre Verbände bis 2005 zu ent-waffnen und restlos aufzulösen. Im Ge-genzug können die Paramilitärs aufweitreichende Sicherheitsgarantien undwirtschaftliche Wiedereingliederungshil-fen hoffen. Die Verhandlungstaktik derRegierung brachte Präsident Uribe denVorwurf ein, im Vorgehen gegen Parami-litärs und Guerilla mit zweierlei Maß zumessen. Menschenrechtsorganisationenwittern zudem die Gefahr einer schlich-ten Legalisierung der Paramilitärs, dieunter zivilem Deckmantel weiter ihr Un-wesen treiben könnten. Dem hält Uribeentgegen, die Tür der Verhandlung steheallen irregulären Truppen offen, sofernsie zu einer Waffenruhe bereit seien, auch den Gue-rilla-Verbänden.

Die starke Armeepräsenz in den Städten und aufwichtigen Verbindungsstraßen hat die Sicherheits-lage etwas entspannt. Trotz des wiederholt ver-hängten Ausnahmezustandes werden dennoch täg-lich Entführungen und Massaker gemeldet. Leidtra-gende sind vor allem die Bewohner in ländlichenRegionen. Mehr als zwei Millionen Menschen muss-ten aus Furcht vor den bewaffneten Gruppen ihreHeimatorte verlassen und sind zu Flüchtlingen imeigenen Land geworden. Eine weitere Million Ko-lumbianer sind wegen des innenpolitischen Konf-likts ins Ausland geflüchtet.

Rolle der Kirche

Die Kirche genießt das ungeteilte Vertrauen derBevölkerung Kolumbiens. Nicht ohne Grund: Nebendem akuten Krisenmanagement bei festgefahrenenVerhandlungen, Geiselübergaben oder Gefängnisre-volten setzt sie sich langfristig für den Frieden ein.Sozial- und Jugendprojekte bieten Tätern wie Op-fern Alternativen zur alltäglichen Gewalt. Ziel istes, die sozialen Ursachen des Konflikts zu behebenund langfristig eine „Kultur des Friedens“ zu säen.Zudem hat sich die Kirche des Schicksals der Bin-nenflüchtlinge angenommen und fordert den Wie-deraufbau zerstörter Gebiete. Bei den Friedensver-handlungen vertritt die Kirche eine klare Position.Sowohl auf regionaler als auch auf nationaler Ebe-ne hat sie aktiv zwischen Regierung und Paramili-tärs vermittelt. In zähen Verhandlungen erreichtenVertreter der Kirche die Rückgabe okkupierterLandflächen sowie Sicherheitsgarantien für Men-schenrechtsgruppen und Zivilbevölkerung. Durch

Bildungsprogramme, Projekte zum Wiederaufbauund aktive Menschenrechtsarbeit entzieht sie denbewaffneten Gruppen den Nährboden und stärktdie Selbstverwaltung der betroffenen Gebiete.„Auch wenn die Friedensverhandlungen bislang nurin eine Richtung verlaufen, haben sie viele Men-schenleben gerettet und den Weg in einen mögli-chen Frieden geebnet“, begründet der Bischof derDiözese Montería, Julio César Vidal Ortiz, das Enga-gement der kolumbianischen Kirche. Zugleich for-

In Lateinamerika sind christliches Engagementund politischer Kampf nicht zu trennen. Was hierwie eine politische Versammlung aussieht, ist einJugendgottesdienst in Kolumbien.

Escher

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Wie leben Kinder anderswo - Informationen und Hinweise für Unterrichtende24

Der seit einigen Jahrzehnten anhaltende, be-waffnete Konflikt in Kolumbien und die Auseinan-dersetzungen um den Drogenanbau haben zur Ver-treibung von Millionen von Kolumbianerinnen undKolumbianern geführt. Außer unter der Härte einesKrieges leiden die gut zwei Millionen Binnenflücht-linge unter den gleichen Problemen, die die Mehr-zahl der Kolumbianer erleben: Arbeitslosigkeit,mangelnde Bildungschancen, unzureichende Ge-sundheitsversorgung, fehlende Infrastruktur.

Dabei verfügt Kolumbienüber große Öl- und Kohle-vorkommen. Der Bürger-krieg hat jedoch zu einerReduzierung der Produktiongeführt. Die Bevölkerungprofitiert zudem wenig vonden Erlösen. Während rundein Viertel des nationalenHaushaltes – so die offiziel-len Zahlen der kolumbiani-schen Regierung des Jahres2004 – in Verteidigung undnationale Sicherheit inves-tiert wurden, lag der Anteilfür Soziales bei lediglichsechs Prozent. Die Zahlun-gen der Auslandsschuld Ko-lumbiens belaufen sich aufrund 40 Prozent. Hinzukommen die laufenden Kos-ten des Staates, die zu einem Haushaltsdefizitführen. Dies wiederum versucht die Regierungdurch ständige Steuererhöhungen und neue Steu-ern, den Verkauf von rentablen staatlichen Firmenund erneuten Kreditaufnahmen zu extrem hohenZinssätzen zu decken.

Diese Finanzlage ist im Alltag der meisten Kolum-bianer zu spüren. Von den rund 26 Millionen Armen,

die es in Kolumbien gibt, leben laut den Aussagender Vereinten Nationen etwa 11 Millionen in absolu-ter Armut. Als Ursache der Misere führt die Regie-rung die Auswirkungen des bewaffneten Konfliktsan. Dies sei lediglich ein Vorwand, die sozio-ökono-mischen Maßnahmen der neoliberalen Wirtschafts-politik zu rechtfertigen, die ihrerseits die verarmte,kolumbianische Wirtschaft erstickten, sagen hinge-gen oppositionelle Stimmen im Land.

Unbestreitbar ist es wichtig, den bewaffnetenKonflikt zu lösen. Doch die zunehmende Militari-sierung seitens des Staates hinterlässt immer mehrTote, Vertriebene und unschuldig Verhaftete undbringt keine effektiven Resultate für das Volk.Durch den Krieg entsteht vielmehr eine übermäßi-

Wirtschaftliche und soziale Situation

dert Vidal, dass die Todesschwadronen für ihre Ver-brechen zur Verantwortung gezogen werden müs-sen: „Es darf keine Straflosigkeit geben. “

Mit ihrem Einsatz für die Menschenrechte hatsich die Kirche viele Feinde gemacht. Seit 1984sind rund fünfzig Bischöfe, Priester und Missionareermordet worden. Prominentestes Opfer war der imJahr 2002 ermordete Erzbischof von Cali, Isaias

Duarte Cancino, der sich mutig gegen die Drahtzie-her des Drogenhandels einsetzte. Im Jahr 1999 ex-kommunizierte er Mitglieder der ELN, die 150 Gläu-bige aus einer Kirche entführt hatten.

Michael Brücker

Wir entnehmen diesen Beitrag in gekürzter Form der Bro-schüre „Kolumbien – Mit dem Wort gegen die Gewalt“(2004) und danken der katholischen Bischöflichen AktionADVENIAT für die freundliche Genehmigung.

Kaffee-ErnteHerzog

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Wie leben Kinder anderswo - Informationen und Hinweise für Unterrichtende 25

VERWENDUNG: Seit Urzeiten wird im Chocó dieChontaduro-Palme angebaut. Ihre Frucht kann aufverschiedene Weisen gegessen werden: einfach ab-gekocht oder als Konserve in Salzwasser oder Essigabgefüllt, sei es gewürzt oder mit Aromen. Der ge-mahlene oder körnige Chontaduro wird bei der Vor-bereitung von Soßen, Truthahnfüllung, Suppen,Kompott, Getränken und Eis sowie als Brotmehl ver-wendet. Mit Chontaduro lässt sich außerdem Brot-aufstrich, Wein, Likör und Essig zubereiten. Er wirdauch als Futter für Schweine, Geflügel und Rinderbenutzt.

Von der Chontaduro-Palme stammt der Palmito:die zarte Palmspitze der Jungpflanze, die dem Spar-gel sehr ähnelt. Damit lassen sich Salate zubereitenund abgefüllt in Dosen werden sie sogar exportiert.Dies greift jedoch die Natur an, da dafür die Palmegefällt werden muss.

ÖKOLOGIE: Der Chontaduro stammt aus war-men, regnerischen Gebieten, weshalb der Chocósich sehr für seinen Anbau eignet.

PRODUKTION: Der Samen ist sorgfältig zu put-zen, bis sämtliche Fasern oder Mehl beseitigt sind. Esmuss kontrolliert werden, dass er mindestens zweiZentimeter vergraben ist. Seine Keimzeit beträgtzwei bis vier Monate. Für eine gute Produktionbraucht er wenigstens drei Zweige oder Knoten. UmPalmitos zu ernten, müssen die Palmen in einem Ab-stand von zwei Metern gepflanzt werden. Bei der Pro-duktion von Chontaduro-Früchten soll der Abstandsieben bis acht Meter betragen. Die Chontaduro-Pal-me hat eine Produktionsdauer von etwa zehn Jahren.

SAAT: Die Saat muss an feuchten Tagen zu Be-ginn der Regenzeit erfolgen. Der Boden darf keinUnkraut haben, da der Chontaduro eine oberflächli-che Wurzel hat. Die Palmen müssen stets dem Lichtausgesetzt sein. Ursula Holzapfel

EXKURS: Der Chontaduro,die wichtigste Frucht an der kolumbianischen Pazifikküste

Situation der KinderUnter den gut zwei Millionen Binnenflücht-

lingen sind rund eine Million Kinder unter 15Jahren. Außerdem sind zahlreiche Kinder vonbewaffneten Gruppen als Kindersoldaten rekru-tiert worden. Allein im Jahr 2002 wurden 2.000Kinder entführt.

Immerhin 92 Prozent aller Kinder in Kolum-bien werden eingeschult. Aber die durchschnitt-liche Länge des Schulbesuchs beträgt bei Mäd-chen 3,7 Jahre und bei Jungen 3,8 Jahre. DerSchulbesuch der afro-kolumbianischen und derindigenen Kinder ist deutlich niedriger als der-jenige der übrigen Kinder. Eine Million Kinderim Alter von 5 bis 17 Jahren arbeiten bereits,auch die Zahl der sexuell ausgebeuteten Kinderist hoch.

Ursula Holzapfel

ge Konzentration des Landbesitzes in Händen derParamilitärs und der Rauschgifthändler, die einenbeachtlichen Anteil der anbaufähigen Flächen kon-trollieren.

Wichtigstes legales Anbau- und Exportproduktist Kaffee, wobei Kolumbien wie andere Anbaulän-der in den vergangenen Jahren hohe Verluste durchdie niedrigen Weltmarktpreise hinnehmen musste.Der Preisverfall hat die zahlreichen Klein- undKleinstbetriebe in eine existenzielle Krise gestürzt.Die Ausweitung landwirtschaftlicher Flächen, derAnbau von Drogen und die kriegerischen Auseinan-dersetzungen, haben darüber hinaus zu einer be-schleunigten Zerstörung der tropischen Regenwäl-der geführt. Eine Agrarreform steht gleichwohlnicht auf der politischen Agenda. In den Städtengibt es indes bereits Millionen Arbeitslose, die kei-ne würdige Chance finden, mit ehrlicher Arbeit ihreFamilien zu ernähren.

Auch von einem Freihandelsabkommen für dengesamten amerikanischen Kontinent, dessen Reali-sierung die USA anstrebt, verspricht sich die Mehr-heit der Kolumbianer keine Verbesserung der Situa-tion. Viele zivile Organisationen in Kolumbien su-chen daher – sowohl auf wirtschaftlicher als auch

politischer Ebene – internationale Solidarität: Inder Wirtschaft, um einen Mindestunterhalt für allezu garantieren. In der Politik, um Freiräume für de-mokratische Beteiligung zu verwirklichen, um dieKonzentration des Reichtums zu dezentralisierenund die Wahrheitsfindung in Kolumbien zu unter-stützen.

Hinweis:Die Beiträge auf den Seiten 24-26 wurden von Ursula Holzapfel verfasst,die auch den Kolumbien-Teil des Schülerheftes erarbeitet hat.

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Kolumbien ist ein traditionell katholisches Land.Der Anteil der Katholiken liegt bei über 90 Prozentder Gesamtbevölkerung. Andere historische Kirchenwie Lutheraner, Anglikaner, Mennoniten, Presbyteri-aner, Baptisten und Methodisten bilden Minderhei-ten, die vom Staat nach der Verfassung von 1991 alsgleichberechtigt anerkannt werden. Eine Herausfor-derung stellt die Ausbreitung von fundamentalisti-schen Sekten dar. Diejenigen US-amerikanischerHerkunft begünstigen oftmals eine eher fatalisti-sche und konformistische Mentalität.

Allerdings geben auch in den historischen Kir-chen diejenigen Kräfte den Ton an, die eher einesystemerhaltende und regierungsnahe Linie vertre-ten. Daneben gibt es aber auch Kräfte, die gesell-

schaftskritische und prophetische Positionen ein-nehmen mit dem Ziel, bewusstseinsbildende undorganisatorische Prozesse an der Basis in Gang zusetzen und zu unterstützen. So genießen die Kir-chen in allen Bevölkerungsschichten ein recht gro-ßes Vertrauen. Ohne ihr soziales Engagement, vorallem im Erziehungs- und Gesundheitswesen, wäredie Lage der Armen, die nach offiziellen Statistikenrund 55 Prozent der Bevölkerung ausmachen, nochkatastrophaler als sie es so schon ist. Um ihre sozi-ale Arbeit in diesem Umfang leisten zu können,sind die Kirchen auf finanzielle Unterstützung vonaußen angewiesen, vor allem von den kirchlichenHilfswerken in Europa und den USA.

Was die Sondierung von Möglichkeiten für Frie-densverhandlungen oder zu-mindest für humanitäre Ab-kommen zwischen den ver-schiedenen Guerillaorgani-sationen und der kolumbia-nischen Regierung angeht,hat die katholische Kircheeine wichtige Vermittlerrol-le. Hier besteht ein breiterKonsens, dass die Lösungdes langjährigen bewaffne-ten Konflikts nicht auf mili-tärischem Weg durchgesetztwerden kann, sondern nurauf dem Verhandlungsweg,wobei Strukturveränderun-gen zur Überwindung dersozialen Ungerechtigkeitunumgänglich sind. Auf die-sem Weg zur Erreichung ei-nes Friedens auf der Grund-lage von sozialer Gerechtig-keit erwarten alle gesell-schaftlichen Kräfte von denKirchen einen entscheiden-den Beitrag. So tragen dieKirchen eine große Verant-wortung für die Zukunft Ko-lumbiens.

Kirchen in Kolumbien

Die Kathedrale an derPlaza Bolivar imHerzen Bogotás wurde1823 fertiggestellt.H

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Pädagogische Hinweise

D as Leben von Danid und seiner Familie in Kolumbien wird sehr stark dadurch be-stimmt, dass sie vor der Gewalt des Bürger-

krieges flüchten mussten und nun in Armut in ei-ner Flüchtlingssiedlung wohnen. Mehrere MillionenMenschen sind aus ihren Heimatregionen geflüch-tet und leben jetzt in etwas sichereren Teilen Ko-lumbiens oder im Ausland. Danids Eltern haben ei-nen kleinen Laden eröffnet, aber angesichts dergeringen Einkommen der Menschen in der Umge-bung reichen die Einnahmen nicht aus, um die Fa-milie zu ernähren. Deshalb arbeitet der Vaterzeitweise in Spanien. Wenn es in Ihrer Klasse Kin-der aus armen Ländern und/oder Bürgerkriegsregi-onen der Welt gibt, werden diese von ähnlichenLebenssituationen in ihrer Heimat berichten kön-nen. Es sollte im Unterricht Raum gegeben werden,über solche Erfahrungen zu sprechen – ohne Danid„aus dem Auge zu verlieren“.

Wir haben in dieses Lehrerheft ausführliche In-formationen über die politischen, wirtschaftlichenund sozialen Hintergründe der gewaltsamen Kon-flikte in Kolumbien aufgenommen. Sie können hel-fen, die Fragen der Schülerinnen und Schüler zubeantworten, warum Danid und seine Familie in ei-ner Flüchtlingssiedlung leben. Bei der Beschäfti-gung mit dem einleitenden Text im Schülerheft,mit dem Danid sich vorstellt, ist es wichtig heraus-zustellen, dass sich die Familie nicht in ihre Lagefügt. Vielmehr unternimmt sie viele Initiativen,um die eigene Situation zu verbessern (Arbeit desVaters in Spanien, die Mutter arbeitet zusätzlichzur Arbeit im eigenen Laden in einem kleinenHandarbeitsbetrieb).

Aus dem einleitenden Text von Danid und nochstärker aus dem späteren Abschnitt „Ein heißerSchultag“ geht hervor, dass er und seine Schwesterim Laden und im Haushalt helfen. Dies kann dazuanregen, darüber zu sprechen, ob die Schülerinnenund Schüler selbst im Haushalt oder zum Beispielim elterlichen Laden oder auf dem elterlichen Bau-ernhof mithelfen. Im Blick auf den letzten Absatzdes einleitenden Textes kann im Unterrichtsge-spräch erläutert werden, dass Menschen in Armen-vierteln und Flüchtlingssiedlungen in Kolumbienkaum Zugang zu Gesundheitseinrichtungen haben,und schwere Krankheiten für sie deshalb noch mehrals bei uns lebensbedrohliche Konsequenzen ha-ben. Die Hoffnung Danids auf ein langes, gesundesLeben ist auch vor diesem Hintergrund zu sehen.

Für den Abschnitt „Leben in der Flüchtlingssied-lung“ sollte genügend Unterrichtszeit eingeplantwerden, weil sicher viele Erläuterungen durch dieLehrerin oder den Lehrer gefragt sind. Zur Vorberei-tung sollten Sie unbedingt die Hintergrundinfor-mationen in diesem Lehrerheft lesen sowie im Kin-derheft (S. 25) den Text „Leben in der Flüchtlings-siedlung“.

Der Abschnitt „Ein heißer Schultag“ beschreibtsehr anschaulich den Tageslauf Danids, der Schwer-punkt liegt dabei auf der Zeit in der Schule. Die Un-terschiede zur Situation an deutschen Schulen sindunübersehbar, angefangen mit den fehlenden Hef-ten und Bleistiften. Es wird deutlich, was es heißt,

Im Gebiet des Chocó leben fast ausschließlich Afro-Amerikaner, Nachkommen der ehemals aus Afrikahierhin verschleppten Sklaven. Doch auch heute ist ihrewirtschaftliche Situation nicht gut. Die Kinder müssendaher kräftig mit Hand anlegen bei der Arbeit.

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Literaturtipps:- Adveniat (Hrsg.): Kolumbien – Mit dem Wort gegen die

Gewalt, Broschüre zur Adveniat-Aktion 2004, Bezug: Ad-veniat (s. Adressteil/ dort wird außerdem u.a. eine Dia-Serie angeboten)

- Brandenberger, Erna/Dilger, Gerhard (Hrsg.): Cuentos hi-spanoamericanas – Erzählungen aus Spanisch-Amerika: Ko-lumbien, Deutscher Taschenbuch Verlag, München (1997)

- Diakonisches Werk der EKD e.V. für die Aktion „Brot für dieWelt „ (Hrsg.): Kolumbien - so grausam schön, Stuttgart(2004)

- Helfrich-Bernal, Linda: Kolumbien: Wahlen und Parteien-konflikt, Vervuert Verlag, Frankfurt am Main (2002)

- Kurtenbach, Sabine (Hrsg.): Kolumbien zwischen Gewalteskalation und Friedenssuche – Möglichkeiten und Gren-zen der Einflussnahme externer Akteure, Vervuert Verlag,Frankfurt am Main (2001)

- Marquez, Gabriel Garcia: Hundert Jahre Einsamkeit, Fi-scher Tb., Frankfurt am Main (2004)

- Marquez, Gabriel Garcia: Die Liebe in den Zeiten der Cho-lera, Fischer Tb., Frankfurt am Main (2004)

- Marquez, Gabriel Garcia: Leben, um davon zu erzählen, Fi-scher Tb., Frankfurt am Main (2004)

- Missionszentrale der Franziskaner (Hrsg.): Vertrieben imeigenen Land!, „Demokratische Sicherheit“ in Kolumbien,Berichte-Dokumente-Kommentare 95, Bonn (2004), Be-zug: MdF (s. Adressteil)

- Osa, Veronica de Bruyn de: KolumbiensGold wog schwerer als KolumbiensBlut, Faqué Verlag, Egelsbach (2001)

- Runnerström, Bengt Arne: Arhuaco –Ein Indiojunge aus Kolumbien erzählt,Peter Hammer Verlag, Wuppertal(1986)

- Schultze-Kraft, Peter: Und träumtenvom Leben. Erzählungen aus Kolumbi-en, Edition 8, Zürich (2001)

- Streissler, Anna Isabella: Jugendlichein Bogotá, ethnologische Studie,Brandes & Apsel, Frankfurt am Main(1999)

- Zinecker, Heidrun: Kolumbien – wie vielDemokratisierung braucht der Frieden?Frankfurt am Main: Hessische Stiftung Friedens- und Konf-liktforschung (2002).

arm zu sein in Kolumbien. Diese Tatsachen solltennicht dadurch überdeckt werden, dass die Kinder inDanids Klasse fröhlich und sich laut unterhaltendaus der Pause kommen. Armut ist eine bedrückendeRealität, und es ist bewundernswert, dass die Kin-der in der Flüchtlingssiedlung trotzdem nicht ihrenLebensmut verlieren.

Die Unterrichtsstunde über den Abschnitt „Tro-pische Genüsse“ kann damit eröffnet werden, dassdie Schülerinnen und Schüler aufzählen, welche

Früchte aus warmen und heißen Ländern sie ken-nen. Chontaduro wird sicher nicht darunter sein.Die Zusatzinformationen in diesem Abschnitt wieauch im Lehrerheft helfen Ihnen, mehr über dieseFrucht ins Unterrichtsgespräch einzubringen. Fürdas Kochen des Gerichts „Rote Bohnen“ sind dannweniger „exotische“ Zutaten erforderlich.

Für den Abschnitt „Spiele“ haben wir drei kolum-bianische Spiele ausgewählt. Das Spiel „Der Ringmit dem Band“ kann in der Klasse gespielt werden,

während die anderen beiden Spieleviel Platz im Freien brauchen. BeimSpiel „Yuca-Wurzel-Ausreißer“ solltedarauf geachtet werden, dass es zukeinem zu großen Krafteinsatzkommt, um die „Wurzel“ auszurei-ßen. Es gilt schließlich, die Wurzelwohlbehalten aus der Erde zu bekom-men.

Als Hintergrundinformation zumAbschnitt „Danids Glaube“ haben wireinen Kasten zu den Kirchen in Ko-lumbien in dieses Lehrerheft aufge-nommen. Für evangelische sowienicht-christliche Schülerinnen undSchüler wird es erforderlich sein, ei-nige Erläuterungen zum Sachtextund zu den Gebeten im Schülerheftzu geben, zum Beispiel zur heiligenBarbara.

Escher

Hauptverkehrsmittel im feucht-heißenChocó ist das Kanu oder das Motorboot.

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Fläche: 475.442 km2

(Deutschland: 357.023 km2)

Einwohnerzahl: 16,5 Mio.(Deutschland: 82,3 Mio.)

Einwohner je km2: 33,7(Deutschland: 231)

Hauptstadt: Jaunde, ca. 1,4 Mio. Einwohner* die wirtschaftliche Hauptstadt ist Douala,ca. 1,6 Mio. Einwohner

Städtische Bevölkerung: 52,9 %(Deutschland: 87,0 %)

Lebenserwartung: 46 Jahre(Deutschland: 78 Jahre)

Bevölkerungszusammensetzung:Ethnisch-linguistische Heterogenität von ca. 250Gruppen

Klima:An der Küste und im Süden herrscht eintropisches Klima mit hohen Niederschlägen.Im Osten und Norden sind die Niederschlägeniedriger, ganz im Norden ist die Trockenheit sogroß, dass es immer wieder zu Dürren kommt.

Republik Kamerun

Offizielle Sprachen: Französisch und Englisch,daneben gibt es etwa 250 einheimische Sprachenund Dialekte.

Religionen:Christen: ca. 52 %Muslime: ca. 22 %Naturreligionen: ca. 26 %

Staatsform: Republik

Bruttosozialprodukt je Einwohner:550 US-Dollar pro Jahr(Deutschland: 23.560)(Quellen: Munzinger Archiv, Fischer Weltalmanach 2005)

In dem Land Zentralafrikas, das seit etwas mehrals hundert Jahren Kamerun heißt und dessenGrenzen im Verlauf der vergangenen 120 Jahre vonden europäischen Kolonialmächten gezogen undmehrere Male verändert wurden, leben rund 250Völker mit ebenso vielen Sprachen. Im Süden, Wes-ten und Osten sind es Bantu- und Halbbantuvölker.Man bezeichnet sie so, weil es viele sprachlicheÄhnlichkeiten zwischen ihnen gibt. Sie zogen vorHunderten von Jahren entlang der Flüsse in dieWälder oder siedelten an deren Rändern und lebtenvon Ackerbau, Viehzucht, Fischfang und der Jagd.Im Norden Kameruns, einem Savannengebiet, le-ben die Nachkommen vieler sudanesischer Völker,die in erster Linie Ackerbau betreiben. Es gilt alssicher, dass die Pygmäen die ersten Einwohner imsüdlichen Kamerun waren. Sie lebten schon vorvielen tausend Jahren in den Urwäldern. Die ande-ren Völker waren gekommen, weil sie neue Lebens-räume und fruchtbare Böden suchten.

Die Völker Kameruns hatten ihre eigenen Spra-chen, sozialen Strukturen und Religionen. Das

soziale und politische Leben organisierte sich umdie Sitze von Königen oder Dorfältesten. Es wa-ren orale Gesellschaften. Wissen wurde von Ge-neration zu Generation durch die praktische Ver-mittlung von Erfahrungen und das Erzählen vonlehrreichen Geschichten erworben. Die Menschenkannten den Einen Gott, der alle Welt geschaffenhatte. Er war für sie überall und konnte sichdurch viele Dinge äußern. Aber er war nicht je-mand, den man zu jeder Zeit ansprach. Dafür gabes die Ahnen und andere geistige Wesen. Sie riefman an, um sich ihres Beistandes zu versichern.Es gab das Gute, das Leben in Heilung und Har-monie bedeutete, und das Böse, das Krankheit,vorzeitigen Tod und Unglück verursachte. Afrika-nisches religiöses Tun war sehr stark darauf aus-gerichtet, sich gegen das Böse, das von Men-schen und unsichtbaren Wesen ausgehen konnte,zu schützen, indem man vor allem den Ahnenund Geistern zu essen gab, ihnen opferte.

Der europäische Einfluss begann im Jahr 1472nach Christus. Unter dem Kommando von Fernando

Geschichte Kameruns

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Die Landwirtschaft ist die Haupterwerbsquelleder Kameruner. Kamerun wird zu Recht als Speise-kammer Zentralafrikas angesehen. Die landwirt-schaftliche Produktion war in den vergangenenJahrzehnten fast immer mehr als ausreichend, umdie heimische Bevölkerung zu versorgen. Der Über-schuss wird in die Nachbarländer exportiert. Diewichtigsten landwirtschaftlichen Erzeugnisse sindKakao, Kaffee, Essbananen, Baumwolle, Kautschukund Palmöl. Vor allem für den häuslichen Bedarfwerden Maniok, Makabo, Taro, Kochbananen, Igna-me, Zwiebeln, Tomaten und Karotten angebaut.

Die wirtschaftliche und soziale Situation

do Poo landeten portugiesische Seeleute an derKüste Kameruns, im Delta des Wouri Flusses. Auf-grund der vielen Krabben, die sie in dem Flussentdeckten, nannten sie ihn Rio de Camarões(Krabbenfluss) von dem sich der Name des Lan-des ableitet. In den Jahren nach dem Erscheinender Portugiesen wurden erste Zuckerrohrplanta-gen angelegt. Zudem setzte um 1520 ein regerHandel insbesondere mit Palmöl, Elfenbein undSklaven ein. Haupthandelspartner waren vor al-lem die Küstenstämme beispielsweise die Königevon Douala. Nicht nur an der Küste, sondern imganzen Bereich des heutigen Kamerun gab es biszum 19. Jahrhundert immer wieder bedeutendeReichsbildungen. Hervorzuheben ist in diesemZusammenhang das Maoui-Reich, das entlang derKüstenregion vom 16. bis zum 18. JahrhundertBestand hatte.

Mit der Errichtung von Handelsniederlassungenan der Mündung des Wouri durch das HamburgerHandelshaus Woermann und Jantzen-Thormählenbegann im Jahr 1868 der Einfluss der Deutschenauf Kamerun. Auf Druck dieses Handelshauses kames am 14. Juli 1884 zu dem Auftrag des damaligenReichskanzlers, Otto von Bismarck, die deutscheFahne zu hissen und auf diese Weise Kamerun zudeutschem „Schutzgebiet“ zu erklären. Die Königedes Doualavolkes unterzeichneten mit den Vertre-tern des Hamburger Handelshauses einen Vertrag,der diesen das Recht gab, ein genau umgrenztes

Gebiet entlang der Küste zu verwalten und die da-rin lebende Bevölkerung „zu schützen“.

Deutsche Militärs drangen in den folgenden Jah-ren weit ins Innere des Kontinents vor. Noch heutewird man an fernen Orten Kameruns auf „deutsche“Gebäude und Brücken aufmerksam gemacht. An vie-len Stellen des Landes vertrieb man die Kleinbauernvon ihren fruchtbaren Feldern, um auf großen Flä-chen Kakao, Palmbäume, Kaffee und Tee anzubauen.Es gab kaum einen Flecken Kameruns, den sich dieDeutschen nicht mit Gewalt nehmen mussten. ImErsten Weltkrieg eroberten englische und französi-sche Soldaten die von den Deutschen besetzten Ge-biete. Im Jahr 1919 wurde Kamerun dem Völker-bund unterstellt, der den überwiegenden Teil desLandes Frankreich zur Verwaltung übergab und ei-nen kleineren Teil – etwa 20 Prozent, an der Grenzezu Nigeria gelegen – den Engländern.

Kamerun war die einzige französische Kolonie inAfrika, die in den 1950-er und 1960-er Jahren ei-nen langen, bewaffneten Unabhängigkeitskampfführte. Aber es gelang der französischen Kolonial-macht, eine Regierung einzusetzen, die nach derformalen Unabhängigkeit am 1. Januar 1960 denKrieg gegen die Befreiungskämpfer mit Unterstüt-zung französischen Militärs als Bürgerkrieg weiter-führte. Die von Frankreich und von England verwal-teten Teile Kameruns wurden 1961 wieder zu einemLand vereinigt.

Hinweis:Die Texte auf den Seiten 29-34 beruhen– sofern nicht anders gekennzeichnet – im Wesentlichen auf dem Buch „Ganz nahdie Ferne rückt, Begegnungen mit Kulturen Kameruns“ von Reiner Rumohr, das 2003 im Verlag Otto Lembeck erschienenist. Reiner Rumohr stellt in seinem Buch dar, welche Erfahrungen und Einsichten er bei der Begegnung mit der Kultur, denReligionen und vor allem den Menschen in Kamerun gewonnen hat. Wir danken dem Verlag für die Genehmigung zumAbdruck der Texte. Reiner Rumohr hat auch den Kamerun-Teil des Schülerheftes erarbeitet.

Kamerun deckt 70 Prozent seines Bedarfes anFleisch selbst.

Da die Landwirtschaft in Kamerun in erster Linieder Eigenversorgung dient, sind die kultiviertenFlächen selten größer als 10.000 Quadratmeter,also ein Hektar. Eine Person allein könnte in einemJahr zwei oder drei solcher Felder bearbeiten. Inder Gegend, in der Christian lebt, werden vor allemFrüchte wie Makabo, Taro und Mais angebaut. DieGroßmutter Christians bearbeitet wie beschriebenein Feld. Sie kultiviert es für ihren eigenen Bedarf

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und zur Versorgung ihrer Kinder in der Stadt. Diesemüssen das Feld von Bäumen, Sträuchern und Grä-sern befreien, damit es die Großmutter anschlie-ßend bearbeiten kann.

Nach der Landwirtschaft kommt dem Handel diegrößte wirtschaftliche Bedeutung zu, allerdingsfindet 60 Prozent davon im informellen Sektorstatt. Auf industriellem Gebiet besitzt Kamerunviele Verarbeitungsbetriebe, unter anderem in denBereichen Chemie, landwirtschaftliche Weiterver-arbeitung und Metallverarbeitung. Andere wichtigeWirtschaftszweige sind der Bergbau und der Touris-mus.

Das Straßennetz ist ziemlich dicht, auch wenndie Sand- und Erdpisten überwiegen. Alle Provinz-hauptstädte sind durch asphaltierte Straßenmiteinander verbunden. Eine Eisenbahnverbindungvon ungefähr 1.000 Kilometern Länge verbindet

Die noch zuneh-mende Verarmunggroßer Teile derBevölkerung hatdazu geführt, dassdie Kindersterb-lichkeitsrate wie-der gestiegen ist.Trotzdem wächstdie Bevölkerungum knapp 2 Pro-zent im Jahr, wasdazu führt, dass 56Prozent der Bevöl-kerung jünger als20 Jahre alt sind.

Trotz der Armutdes Landes beträgtdie Einschulungs-quote 79 Prozent.Diese Rate ist nichtim ganzen Landgleich hoch. ImNorden und OstenKameruns ist sie

niedriger, vor allem aus kulturellen und religiösenGründen. Rund 90 Prozent der 15- bis 24-Jährigenkann Lesen und Schreiben. Dies ist nur möglichdurch die großen Opfer, die Eltern und Verwandtebringen, damit die Kinder eine Schule besuchen

können. In den städtischen Gebieten ist die Nach-frage nach Einschulungsmöglichkeiten größer alsdas Angebot. Das hat dazu geführt, dass in beinaheanarchistischer Weise Schulen gegründet werdenund gleichzeitig die Klassen in vielen Schulen weitüberbelegt sind – im Durchschnitt 110 Schüler ineiner Klasse mit einem Lehrer. Rund 30 Prozent al-ler Schulen sind konfessionelle (katholisch, protes-tantisch, muslimisch), rund 30 Prozent private undrund 40 Prozent staatliche Schulen. Es gibt in Ka-merun sechs staatliche Universitäten und eine ka-tholische Universität.

Vermindert wird der Schulerfolg dadurch, dassviele Kinder im elterlichen Betrieb oder für Firmenarbeiten müssen. Besonders im informellen Sek-tor gibt es einen hohen Bedarf an billiger Kinder-arbeit. Bezahlte Kinderarbeit ist zwar durch nati-onale Gesetze verboten und daher selten. Den-noch: Viele Kinder betreiben einen (fast immerambulanten) Kleinhandel. Auf dem Lande helfendie Kinder ihren Eltern bei der Arbeit auf demFeld, was keine bezahlte Arbeit darstellt, son-dern eher eine normale Beteiligung an der Fami-lienarbeit.

Die wachsende Ausbreitung von HIV/AIDS in Ka-merun hat zur Folge, dass viele Kinder geboren wer-den, die bereits HIV-positiv sind. Außerdem verlie-ren viele Kinder in jungen Jahren ihre Eltern undmüssen von Verwandten aufgenommen werden.

Situation der Kinder

die Hafenstadt Douala im Süden mit Ngaoundere,dem Tor zum Norden und dem Nachbarland Tschad.

Kamerun gehört zu den am höchsten verschulde-ten Ländern der Welt. Dies ist umso beunruhigen-der, als die Erdölförderung zurückgeht, die bisherwesentlich zum Wirtschaftswachstum beigetragenhat. Etwa die Hälfte der Bevölkerung existiert un-terhalb der offiziellen Armutsgrenze.

Bei der Gesundheitsversorgung bestehen großeProbleme: Die vorhandenen medizinischen Einrich-tungen sind unzulänglich verglichen mit den Be-dürfnissen der Bevölkerung. Sie befinden sichzudem oft sehr weit von den Menschen entfernt,denen sie dienen sollen. Auf 100.000 Einwohnerkommen acht Ärzte. Außerdem sind die Behand-lungskosten höher als es sich die meisten Men-schen leisten können.

SchulklasseStark

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In den Städten ist die Wohnsituation gelegent-lich anarchisch und hängt stark von den finanziel-len Möglichkeiten jedes Einzelnen ab. Auch wennStrom fast überall vorhanden ist, ist ein Trinkwas-seranschluss seltener, ebenso eine Straßen- undVerkehrsanbindung. Die Lebensbedingungen sinddaher sehr schwierig. Die Menschen leben auf engs-tem Raum zusammen, um nicht zu sagen „durchein-ander“, was die ohnehin mangelhaften hygieni-schen Bedingungen verschlechtert.

Wohnsituation

In Kamerun kann man heute drei wichtige Reli-gionsrichtungen unterscheiden: Christentum, Is-lam und traditionelle Religionen. Die traditionel-len Religionen sind von Volk zu Volk unterschied-lich, doch haben sie grundsätzliche Gemeinsamkei-ten: Im Mittelpunkt steht das Leben, welches diesichtbare und die unsichtbare Welt zusammenhält.In der unsichtbaren Welt steht Gott an erster Stel-le, gefolgt von den Ahnen. In der sichtbaren Weltleben die Menschen, in hierarchischer Abstufungvom König bis zu den Kindern. Das Leben nach demTod ist eine Wiederholung des jetzigen Lebens. DieSchriftreligionen Islam und Christentum sinddabei, die schriftlosen traditionellen Religionen zuverdrängen, doch gehen Elemente des traditionel-len Glaubens in den Islam und das Christentumüber.

Wettlauf um Glaube und Macht

Das Vordringen des Islam in Kamerun ist bis ins17. Jahrhundert zurückzuverfolgen. Der Fulani-Pre-diger Scheich Uthman Dan Fodio unternahm ab1804 einen Jihad, einen heiligen Krieg, was zu ei-ner Islamisierung der nördlichen Volksgruppen Ka-meruns führte.

Die Christianisierung begann im 19. Jahrhun-dert. Missionare der Baptist Missionary Society(BMS) ließen sich mit einer Gruppe von 39 befrei-ten Sklaven aus Jamaika Mitte der 1840-er Jahreals Evangelisten, Lehrer und Siedler in Kamerunnieder. Dort begegneten sie unabhängigen Men-schen, die daran gewöhnt waren, mit Weißen Han-del zu treiben. So soll der Häuptling von Deidoüber einen Missionar gesagt haben: „Warum sollich mich wegen dieses armen Weißen bemühen?Die anderen Weißen haben in ihrem Gepäck Wein-

Religionen in Kamerunbrand, Waffen oder Stoffe. Dieser aber besitzt nureinen Stapel Papierblätter.“

Ein brutaler Einschnitt war die Berliner Konfe-renz von 1884/85, mit der die europäischen Impe-rialmächte den Kontinent in koloniale Interessen-sphären untereinander aufteilten. Kamerun gerietunter deutsche Herrschaft. Durch die enge Zusam-menarbeit zwischen den Missionsgesellschaftenund ihren jeweiligen Regierungen veränderte sichdie missionarische Arbeit in Kamerun drastisch. DieEinheimischen, die in der Periode vor der BerlinerKonferenz bereits Verantwortung für die Kirchen-leitung tragen konnten, wurden nun zu einflusslo-sen Komparsen herabgesetzt.

Die BMS zog sich zurück und übergab ihre Arbeitan die Basler Mission. Die Missionare bekamen nunauch Zugang zum Hinterland, was einen „Wettlauf“unter den Vertretern verschiedener Konfessionenauslöste. Im Jahr 1891 kam die Berliner Missions-gesellschaft und 1893 die American PresbyterianMission hinzu. 1890 gelang auch den Katholiken,so zum Beispiel der Missionsgesellschaft der Pallo-tiner, der Vorstoß nach Kamerun. Der deutscheReichskanzler, Otto von Bismarck, hatte ihnen dieEinreise unter der Bedingung erlaubt, dass sie pro-testantische Gebiete nicht berühren durften.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Kolonial-gebiet in eine französische und eine britische Ver-waltungszone aufgeteilt. Die Basler Mission über-gab ihre Arbeit in der französischen Sphäre 1917der Pariser Mission. Im britischen Mandatsgebietübernahmen katholische Mill-Hill-Missionare 1922den Dienst. Ab 1924 konnte die Basler Mission ihreArbeit in Kamerun fortsetzen. Nach dem ZweitenWeltkrieg kämpften die aus der Missionsarbeit ent-

Auf dem Lande gibt es viele Dörfer, die keineElektrizität haben. Mit Trinkwasser versorgen sichdie meisten Familien aus den Flüssen und anderen,wenig vertrauenerweckenden Quellen. Auch aufdem Lande ist es sehr selten, dass die Zahl der Zim-mer in einem Haus so groß ist, dass jede Bewohne-rin und jeder Bewohner ein Zimmer für sich alleinhat. Die Menschen schlafen meist zu mehreren ineinem Zimmer und in einem Bett.

Reiner Rumohr

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Zur Christianisierung der Bevölkerung ge-hörte es, dass man jedem Kameruner bei derTaufe einen biblischen Vornamen gab. Das istheute noch so, auch wenn inzwischen einigeMenschen nicht-biblische Vornamen bekom-men. Aber alle stammen weiterhin aus den euro-päisch-nordamerikanischen Kulturkreisen. DieKameruner kennen in ihrer Tradition den Vorna-men nicht. Sie haben meist drei bis vier Namen.Der erste oder die ersten finden sich im Stamm-baum der Familie wieder. Der oder die folgendenNamen haben entweder einen Bezug zu den Um-ständen der Geburt oder sind von Menschenübernommen, die einem nahe stehen.

Alle sind „Nachnamen“, keine Vornamen.Der erste „Nachname“ ist die Verbindung derVergangenheit zur Zukunft. Ihr Träger ist vor al-

standenen Kirchen, wie zum Beispiel die Presbyte-rianische Kirche, um Autonomie. Im Jahr 1960wurde Kameruns Unabhängigkeit verkündet.

Aktuelle Situation

In Kamerun sind heute rund 26 Prozent der Be-völkerung Anhänger traditioneller Religionen, 22Prozent bekennen sich zum Islam und etwa 52 Pro-zent sind Christen, etwa je zur Hälfte Katholikenund Protestanten. Die Religionsfreiheit ist gesetz-lich verankert. In den vergangenen zwanzig Jahren

lem ein Glied in der Lebenskette der Familie. Erwird daher in der Regel aus der Generation derGroßeltern ausgewählt. Man ist derjenige, des-sen Namen man trägt. Und umgekehrt. Stirbtein Kind, das den Namen des Großvaters trägt,sagt man, der Großvater sei ein zweites Mal ge-storben. Man bekommt den Namen seines Groß-vaters nicht nur, damit dieser weiterlebt, son-dern auch, um geschützt zu werden. Name undPerson bilden eine Einheit, und damit ist diePerson über den Namen verwundbar. Um denNachnamen zu schützen und dennoch täglichangerufen werden zu können, hat man einenoder mehrere Kosenamen. Sie sind die Rufna-men. Heute haben die Vornamen in vielen Fällendie Kosenamen ersetzt.

Reiner Rumohr

Namen in Kamerun

konnte man einen Zustromchristlicher Sekten und asiati-scher religiöser Gruppierungenbeobachten. Die christliche unddie muslimische BevölkerungKameruns konstituieren sichmehr und mehr in sich vonein-ander abgrenzenden Gesell-schaften innerhalb des Staates.Der Norden ist vom Islam ge-prägt, Westen und Südostendes Landes vom Christentum.

Kirchen und Moscheen über-nehmen in den Großstädten zu-nehmend die Funktion von Ge-meinschaftszentren und erset-zen die sich auflösenden Stam-messtrukturen. WirtschaftlicheKrisen, Arbeitslosigkeit, Korrup-tion und mangelnde Infrastruk-tur tragen dazu bei, dass etwa

die Hälfte der Kameruner unterhalb der Armuts-grenze lebt. Mit dem wirtschaftlichen Niedergangdes Landes verschlechterte sich die Gesundheits-versorgung. Vor allem in abgelegenen Regionen zo-gen sich staatliche Träger fast vollständig zurück,weshalb die Kirchen in vielen Gebieten die einzi-gen zuverlässigen Träger von Gesundheitsarbeitsind, wo sie sich auch im Kampf gegen HIV/AIDSengagieren. Sie übernehmen ebenfalls eine wichti-ge Rolle in den Bereichen Bildung, Armutsbekämp-fung, Frauenförderung und Theologie.

Cornelia Kabus

Messfeier einer kleinen christlichen Gemeindemit einem philippinischen Missionar.

Mel

ters

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Manche geschnitzten afrikani-schen Figuren zeigen mehrereaufeinander stehende oder sit-zende Menschen. Sie sind wie einBaum, bilden unten einen starkenStamm und werden nach oben et-was schlanker. Dieser Menschen-baum drückt afrikanische Gemein-schaft und Solidarität aus. Fürfast alle abgebildeten Menschengilt, dass sie auf den Schultern ei-nes anderen stehen, selbst aberebenfalls jemanden tragen. Weroben ist, auf allen anderen steht,trägt geerntete Feldfrüchte aufdem Kopf. Und der Mensch ganzunten, der das Gewicht aller ande-ren zu tragen hat, weiß sich ge-stärkt von der Kraft, die aus derErde kommt.

Die traditionelle Wirtschafts-weise in Kamerun war bestimmtvon beinahe religiösen Regeln. Al-les hatte seinen Platz, auch das,was man erarbeitete. Die Aufrech-terhaltung des Gleichgewichts ineiner Gemeinschaft war Maßstaballer Dinge. Sie bestimmt die Zeit,die man für die Arbeit, die Familie,die Toten, die Feste, die Riten ver-wendete.

Was jemand besaß, gehörte ihmnicht allein. Es gehörte dem Foo –so heißt der „Dorfchef“ beim Volkder Bamileke – , dem Dorf oder derGroßfamilie. Nicht dem Foo persön-lich, sondern ihm als Verkörperungdes Volkes. Was man ihm gab, nahmer nicht selbst entgegen, sondernüberließ es seinen Getreuen zur Ver-waltung. Er bewahrte Überschüsseauf, damit das Dorf in Zeiten der Notnicht hungerte. Dem Foo gehörte al-les Land. Er verteilte es an die, diearbeiten wollten. Nachdem die Ernteeingeholt worden war, gab man esihm wieder zurück.

Der MenschenbaumDie weißen Händler brachten eine ganz andere

Wirtschaftsweise mit. Die Menschen erfuhren, dassÜberleben auch anders möglich ist. Indem mansich am großen Handel beteiligt, das eingetausch-te Geld für sich behält und damit alles kaufenkann, was man braucht: Essen, Gesundheit, Frauen,Land. Doch die Werte einer Gesellschaft verändernsich nur langsam. Als Maßstab der Wertschätzungeiner Person gilt (noch heute) seine Freigiebigkeit,die Bereitschaft, von seinem Besitz an die Gemein-schaft abzugeben. Aber was als natürliches, zumeigenen Überleben notwendiges Teilen angelegtwar, wird jetzt zum Austeilen von Wohltaten beiden Reichen und zu Bettelei, verbunden mit einemNeidkomplex, bei den Armen. Niemand fragt, wo-her der Reichtum kommt. Das scheint egal zu sein.Der Reiche „als solcher“ wird zum Mittelpunkt derGesellschaft, zum Maßstab aller Dinge.

Die traditionelle Ordnung beruht auf Bewah-rung, die moderne auf ununterbrochener Wand-lung. Das schafft eine eigene Dynamik der Entwick-lung. Jede Woche werden in den Kaufläden neue,unbekannte Waren ausgestellt. Auf allen Kanälendes Fernsehens zeigt man Filme aus Amerika undEuropa. Alles dreht sich in ihnen um das einzelne,handelnde Individuum. Je rücksichtsloser es ist,umso erfolgreicher. Die kamerunische Gesellschaft,in der bisher jedermann Geber und Nehmer war,driftet auseinander. Es werden wenige zu Gebern,und sie bleiben dennoch sehr reich, und sehr vielezu Nehmern, und sie besitzen auch weiterhinnichts.

Es herrscht ein großes Mit- und Neben- undDurcheinander. Und irgendwo, mittendrin, liegtdas Gleichgewicht des heutigen Kameruners.Spricht man mit Kamerunern über den Menschen-baum, fangen einige wenige an zu lachen, als hät-te man einen Witz erzählt. Sie erleben die Wirk-lichkeit anders als dieses schöne Bild beschreibt.Sie sagen, dass die traditionelle, afrikanische Soli-darität zerbrochen sei, und sie führen viele Bei-spiele an. Andere, und das ist (noch) die Mehrheit,sagen spontan, dass es ihn natürlich noch gebe,und auch sie haben viele Beispiele. Sie sind nochim Dorf aufgewachsen, für sie ist ein Afrikaner mitseiner Erde verbunden, der Familie, denen, die wis-sen, dass die Erde und deren Früchte niemandemallein gehören.

MenschenbaumAus: Reiner Rumohr, Ganz nah die Ferne rückt,Lembeck

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E ine Landschildkröte wohnte am Ufer eines Flusses und nährte sich von kleinen Zwiebeln, die dort wuchsen. Eines Tages nun stieg ein Flusspferd ans Land, und als die Landschildkröte es erblickte, war sie zu Tode erschrocken. Als sie aber an einem

anderen Tag einen Elefanten daherkommen sah, da war sie vor Staunen und Schreckensprachlos. Als sie sich von ihrem Schreck erholt hatte, sprach sie: „Ich ahnte ja nicht,dass es ein noch größeres Tier gibt als das Flusspferd, aber jetzt glaube ich, dass dasFlusspferd doch nicht das stärkste ist.“

Da nun die Landschildkröte sehr schlau ist und wusste, dass das Flusspferd im Wasserund der Elefant auf dem Land wohnt, ging sie zum Flusspferd und sagte: „Lieber Freund,der Elefant rühmt sich überall, dass er stärker sei als du. Wenn dumir etwas schenkst, sage ich dir alles, was der Elefant über dichgeredet hat.“ Das Flusspferd fragte: „Was willst du dafür?“ Sieerwiderte: „Gib’ mir eine Frau!“ Aber das Flusspferd wollte aufden Handel nicht eingehen, sondern lachte sie aus und sagte:„Ach, bist du dumm! Ich glaube nicht, dass von all’ den Tierenhier im Wald auch nur eins so stark ist wie ich. Wer kann wie ichim Wasser und dann wieder längere Zeit auf dem Land leben?“Die listige Landschildkröte aber entgegnete ihm: „Oh, bist dudumm, ich selbst will dich besiegen.“ Da sah das riesengroßeFlusspferd die kleine Landschildkröte verächtlich an und sprach:„Ach, du arme Landschildkröte, du bist doch viel schwächer alsich, wie willst du mich denn besiegen?“ Sie erwiderte darauf:„Wenn du das nicht glaubst, so lass’ uns ein langes Seil nehmenund daran ziehen. Wenn du mich ins Wasser ziehst, dann bin ichbesiegt. Punkt zwölf Uhr soll der Kampf beginnen.“

Darauf entfernte sich die Landschildkröte, lief sofort zumElefanten und sagte zu ihm: „Du, das Flusspferd behauptet, es seistärker als du.“ Der Elefant erwiderte: „Wie kann es denn stärkersein als ich?“ Sie sagte: „Ja, das Flusspferd hat mir ein Seilmitgegeben. Punkt zwölf Uhr sollst du mit ihm um die Wetteziehen.“ Der Elefant traute aber der Landschildkröte nicht. Dasagte die listige Landschildkröte: „Lieber Elefant, dann will ichmit dir um die Wette ziehen.“ Das war dem Elefanten geraderecht, denn er dachte, er würde sie ja doch besiegen, und wolltesie dann töten. Die Landschildkröte sagte dann noch: „Wenn duum zwölf Uhr das straffe Seil siehst, dann bin ich am Ziehen.“

Als der Elefant um zwölf Uhr das straffe Seil sah, begann ersofort mit aller Kraft zu ziehen; dasselbe tat das Flusspferd imWasser. Die Landschildkröte dagegen hatte sich im Gebüschversteckt und weiter nichts zu tun, als zuzusehen, wie die beidengroßen Tiere am Seil um die Wette zogen. Der Elefant schämtesich und sagte nur: „Sie zieht mich!“ Und das Flusspferd warzornig und sagte: „Soll ich mich von der Landschildkröte etwaziehen lassen?“ Als beide Tiere endlich ganz müde waren, gingdie Landschildkröte zum Elefanten und fragte ihn: „Hast dugespürt, was ich kann?“ Der Elefant schnaufte und sprach: „Dubist aber stark, wie hast du es nur gemacht, dass ich dich nichtziehen konnte?“ „Ich hatte mich fest in die Erde eingekrallt,

Die Landschildkröte und das Flusspferd Eine Fabel aus Kamerun

Sprichwörter aus Kamerun

Die Völker in Afrika haben Weishei-ten und Maßstäbe für das persönlicheVerhalten in Sprichwörtern festgehaltenund von Generation zu Generation wei-tergegeben. Wir haben einige kameruni-sche Sprichwörter ausgewählt, dieGrundschülerinnen und -schüler dazuanregen können, afrikanische Einsichtenund eigene Erfahrungen und Auffassun-gen miteinander in Beziehung zu setzen.

- Besser ein Fehler am Anfang als amEnde.

- Niemand ist ohne Wissen, ausge-nommen der, der keine Fragenstellt.

- Willst du Neuigkeiten des Herzenserfahren, frage das Gesicht.

- Was Klugheit verdeckt, wird Klug-heit aufdecken.

- Der Weg zur Geliebten ist nichtdornig.

- Bemühst du dich zu sehr, etwas zubekommen, verlierst du es.

- Schweigen redet auch.- Ein Satter weiß nicht, wie einem

Hungrigen zu Mute ist.- Ein großer Stuhl macht noch keinen

König.

Die meisten der hier veröffentlichten Sprich-wörter sind dem Buch „In stillen Teichen lau-ern Krokodile – Afrikanische Sprichwörter“,Ibekwe (Hg.) entnommen, das im Jahre 2000im Peter Hammer Verlag (Wuppertal) erschie-nen ist. Es enthält nach Themen geordnetHunderte von Sprichwörtern aus allen Teilendes Kontinents.

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Die ersten Kakaoplantagen in Mittelamerikawurden bereits um das Jahr 600 angelegt. Die Mayaund Azteken schätzten den Kakao sehr und verwen-deten die Bohnen sogar als Zahlungsmittel. Diespanischen Eroberer brachten Kakao im 16. Jahr-hundert nach Europa, wo das neue Getränk durchHinzufügen von Zucker rasch an den königlichenund fürstlichen Höfen sehr beliebt wurde. Baldwurde die Trinkschokolade auch in Kaffeehäusernausgeschenkt.

Im Jahr 1875 gelang es in der Schweiz, die ersteMilchschokolade herzustellen. Bald darauf trat dieSchokoladentafel ihren Siegeszug in Europa undNordamerika an. Mit den wachsenden Absatzmärk-ten wuchs auch der Kakaoanbau in anderen Län-dern, in denen ein warmes und feuchtes Tropenkli-ma herrscht. In Kamerun ließen die deutschen Ko-lonialherren große Kakaoplantagen anlegen.Hierfür wurde das Land afrikanischer Gemeinschaf-ten enteignet und einheimische Männer unter oftunmenschlichen Bedingungen zur Arbeit für diedeutschen Kolonialunternehmen gezwungen. Diedeutschen Kakaoplantagen in Kamerun sind eindüsteres Kapitel der Kolonialgeschichte.

Kamerun gehört heute zu den wichtigsten Ka-kao-Anbauländern der Welt, aber die meisten Men-schen in Kamerun können sich nur selten oder garnicht Schokolade leisten. Über 90 Prozent derweltweit verkauften Schokolade wird in Industrie-ländern konsumiert. Umgekehrt werden die Roh-stoffe Kakao und Rohrzucker ausschließlich in är-

Kakao und Schokolade

meren Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikasangebaut. Etwa 70 Prozent der Weltproduktion vonKakao kommt aus den westafrikanischen LändernKamerun, Nigeria, Ghana, Elfenbeinküste und Gui-nea. Der meiste Kakao wird hier von Kleinbauernfa-milien angebaut. Der Anbau der Kakaopflanzen unddie Ernte sind sehr arbeitsintensiv und auch heuteweitgehend Handarbeit.

Auf den internationalen Märkten für Kakao undZucker sind die Preise seit Jahren ständig gesun-ken. Lag der Weltmarktpreis für eine Tonne KakaoEnde der 1970-er Jahre noch bei 7.000 US-Dollar,so sank er bis zum Juli 2001 auf 800 US-Dollar.Auch wenn der Weltmarktpreis bis April 2004wieder auf das Doppelte stieg, können die Kakao-bauern weiterhin nicht kostendeckend produzierenund verarmen weiter. Ein Ergebnis ist, dassvielerorts Kinderarbeit eingesetzt wird, um dieKosten zu senken. Die meisten Schokoladentafelnhaben 24 Stückchen. Eine Kakaobauernfamilie inKamerun bekommt von dem Preis der Schokoladen-tafel aber kaum mehr als den Gegenwert von einemStückchen.

Angesichts der ständig sinkenden Roh-stoffpreise und der Unwägbarkeiten desWeltmarktes hat der faire Handel mit Ka-kao eine große Bedeutung. Fair gehan-delte Schokolade kann man am TransFair-

Siegel erkennen. Kakao und Zucker, die zu dieserSchokolade verarbeitet wird, müssen unter Einhal-tung von sozialen und ökologischen Mindeststan-

deshalb konntest du mich nicht ziehen.“ Da sprach der Elefant: „Du hast gewonnen.“ Und ergab ihr eine Frau.

Nun ging die Landschildkröte zum Flusspferd, und auch dieses musste eingestehen: „Dubist sehr stark. Obwohl du so klein bist, vermochte ich dich nicht zu ziehen. Wie hast du dasnur angestellt?“ Da sagte sie ihm dasselbe wie dem Elefanten. Da gab auch das Flusspferd ihreine Frau, lobte sie und sprach: „Du kleine Landschildkröte bist sehrstark, und ich sehe, dass du das stärkste von allen kleinen Tieren imWald bist, denn keins sonst wäre imstande, mich zu ziehen. Ich willjetzt zum Löwen gehen und dir ein Zeugnis ausstellen lassen, dass dudas stärkste Tier bist.“

Als aber das Flusspferd zum Löwen kam und ihm alles erzählt hatte,sagte der Löwe, er wolle sich erst selbst von der Stärke der Landschild-kröte überzeugen. Und so hat diese bis heute noch nicht das Zeugnisbekommen.

Wir haben diese Fabel dem Band„Afrikanische Märchen“ entnommen(S. 185-187), hrsg. von Carl Meinhof,erschienen in der Reihe „Märchen derWeltliteratur“ bei Diederichs im Hein-rich Hugendubel Verlag Kreuzlingen/München. Wir danken dem Verlag fürdie freundliche Abdruckgenehmigung.

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Christian und seine kamerunische Welt kennenzu lernen, bedeutet zunächst einmal, sich auf das Leben in einer Gesellschaft einzulassen,

in der die Großfamilie von zentraler Bedeutung ist.Christian beschreibt deshalb ausführlich, wer allesin dem Haus der Familie lebt. Der Beitrag „DerMenschenbaum“ von Reiner Rumohr in diesem Leh-rerheft bietet die notwendigen Hintergrundinfor-mationen zur Bedeutung der Familien und ihrerFortführung von Generation zu Generation in Ka-merun. Die Namensgebung in Kamerun ist für unszunächst ungewohnt, auch hierzu gibt Reiner Rum-ohr Erläuterungen.

Es bietet sich an, den Bericht Christians und denanschließenden Text „So lebt Christian“ in Bezie-hung zu setzen zum Familienleben bei uns, auchzum Rückblick auf die Zeit, als bei uns die Familiengrößer waren als heute. Wenn bereits der Abschnittüber Kolja in St. Petersburg erarbeitet wurde, bie-tet sich ein Vergleich zu dieser Familie an, auchein Vergleich zum Abschnitt über das indonesischeKind wäre sinnvoll.

Der Text „Mein Tag“ und „Singend in die Schule“ergänzen einander und sollten möglichst zusam-men in einer Stunde gelesen und besprochen wer-den. Die Unterschiede zwischen dem schulischenAlltag in Kamerun und Deutschland können mit denSchülerinnen und Schülern herausgearbeitet wer-den. Ergänzende Informationen finden Sie in derLänderübersicht Kamerun und im Abschnitt „Diewirtschaftliche und soziale Situation“ in diesemHeft.

Das Märchen „Die Landschildkröte und das Fluss-pferd“ kann im Unterricht vorgelesen werden, bes-ser ist es natürlich, es mit eigenen Worten zu er-

Pädagogische Hinweisezählen. Das Märchen lässt erkennen, dass auch kör-perlich schwache Tiere zum Erfolg kommen können,wenn sie es klug anstellen. Allerdings ist der Löweklug genug, die Stärke der Landschildkröte anzu-zweifeln. Es gibt also genug Stoff, mit den Schüler-innen und Schülern darüber zu sprechen, was die-ses Märchen uns sagen kann.

dards produziert worden sein. Die Produzenten er-halten einen Garantiepreis, der über dem Welt-marktpreis liegt. In den Eine-Welt-Läden wird un-ter dem Markennamen „Fairena“ Schokolade ver-kauft, die sowohl fair gehandelt wurde als auch un-

Tipp zum Weiterlesen:Die Hilfsorganisationen Brot für die Welt und Misereor haben Informationen zum Anbau von Kakao und Zucker, zur Schoko-lade und zum fairen Handel mit diesem Produkt zusammengestellt. „Schokolade – Materialien für Bildungsarbeit und Akti-onen“ mit einem Umfang von 36 Seiten kann bei den beiden Hilfswerken bestellt werden (Anschriften, s. Adressteil). DasMaterial bietet eine gute Informationsgrundlage, um im Unterricht auf das Thema Schokolade einzugehen.

Spiel: AcatalaaIn der Mitte eines Platzes wird ein Kreis von

etwa drei oder vier Metern Durchmesser gezeich-net. Jedes Kind erhält den Namen eines afrikani-schen Landes (ev. können auch europäische Län-dernamen gewählt werden). Ein Mitspieler odereine Mitspielerin wird zum leader, zum Leiteroder zur Leiterin. Er oder sie steht im Kreis undbeginnt das Spiel damit, den Namen eines afrika-nischen Landes zu rufen. Der oder die Aufgerufe-ne rennt so schnell wie möglich in den Kreis. Dieanderen rennen auf dem Platz herum. Hat dieaufgerufene Person den Kreis erreicht, ruft sie„Stopp“. Nun müssen alle anderen dort verharren,wo sie gerade stehen. Jetzt muss die aufgerufenePerson erraten, wie viele Schritte sie bis zumnächsten Mitspielenden braucht. Anschließendist es an der aufgerufenen Person, tatsächlich zuder nächsten Mitspielenden zu gehen. War dieSchätzung der erforderlichen Schritte zutreffend,wird die am nächsten stehende Person zum Lea-der, war sie falsch, übernimmt die aufgerufenePerson diese Rolle. Und weiter geht’s.

ter Beachtung strenger ökologischer Kriterien pro-duziert wurde. Mit dem Kauf von fair gehandelterSchokolade können Kinder ein Zeichen setzen, dasssie sich für eine gerechtere Welt einsetzen wollen.

Frank Kürschner-Pelkmann

Wir haben dieses Spiel der Arbeitsmappe „Kinderspielerund um die Welt“ entnommen, die vom katholischenKindermissionswerk herausgegeben worden ist. Die Map-pe mit Spielen aus allen Teilen der Welt, ist zu beziehenbeim Kindermissionswerk (s. Adressteil). Die Rechte fürdas Spiel liegen bei mission 21, Basel.

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Literaturtipps:- Bebey, Francis: Eine Liebe in Douala, Roman aus Kamerun,

Peter Hammer Verlag, Wuppertal (1994)- Bebey, Francis: Das Regenkind, Roman, Peter Hammer Ver-

lag, Wuppertal (1997)- Belinga Belinga, Jean-Félix: Wenn die Palme die Blätter

verliert, Erzählungen aus Kamerun, Verlag der Ev.-Luth.Mission, Erlangen (1988)

- Belinga Belinga, Jean-Félix: Ngono Mefane – das Mädchender Wälder, Ein Märchen aus dem Regenwald, missio aktu-ell Verlag und Verlag der Ev.-Luth. Mission, Aachen undErlangen (1990)

- Belinga Belinga, Jean-Félix: Wir drei gegen Onkel Chef,Kinder- und Jugendbuch, Beltz Verlag, Weinheim (2002)

- Clauss, Mechthild (Hrsg.): Der große Stuhl macht nochkeinen König, Junge Afrikaner schreiben, Verlag der Ev.-Luth. Mission, Erlangen (1974)

- Mandela, Nelson: Meine afrikanischen Lieblingsmärchen,C.H. Beck Verlag (2005)

- Philombe, René: Der wei-ße Zauberer von Zangali,Roman, Verlag Otto Lem-beck, Frankfurt am Main(1980)

- Rumohr, Reiner: Ganz nahdie Ferne rückt, Begeg-nungen mit Kulturen Ka-meruns“ Verlag OttoLembeck (2003)

- SÜDWIND Edition Struktu-relle Gewalt in den Nord-Süd-Beziehungen - Band4: Kamerun: Die Kehrsei-te der Globalisierung -Koloniales Erbe, Armutund Diktatur, Siegburg(2005)

Der Abschnitt „Kakao – ein seltener Genuss“kann die Schülerinnen und Schüler dazu anregen,sich genauer mit diesem Produkt und der daraus

erzeugten Schokolade zu beschäftigen. Der Ab-schnitt „Kakao und Schokolade“ in diesem Heftbietet einige Hintergrundinformationen. Bitte be-achten Sie auch die Literatur- und Medienhinweisezu diesem Thema.

Die Kochbananen-Gerichte sind relativ einfach

von Grundschülerinnen und Grundschülern herzu-stellen, beim Frittieren ist natürlich Vorsicht erfor-derlich. Kochbananen zählen neben Makabo undManiok zu den Grundnahrungsmitteln in Kamerun.Sie wachsen in der Erde genau wie Kartoffeln. Auchder Geschmack ist dem der Kartoffel nicht unähn-lich und wie diese werden Makabo und Maniok ge-schnitten und zuvor gepellt. Dann kann man sie imheißen Wasser kochen.

Das Spiel Ngeka ist für Grundschülerinnen und-schüler relativ anspruchsvoll. Um es im Unterrichteinzusetzen, sollte die Lehrerin oder der Lehrer dasSpiel gut beherrschen und zunächst einmal mit ei-ner Schülerin oder einem Schüler vormachen unddabei erklären. Das Spiel selbst gibt es in einigenEine-Welt-Läden und afrikanischen Läden zu kau-fen. Bitte achten Sie darauf, dass Sie ein Spiel er-werben, das neben den beiden Reihen mit jeweilssechs Löchern an beiden Enden jeweils ein weite-res Loch hat. Es gibt ein ähnliches Spiel, für dasdiese zusätzlichen Löcher nicht benötigt werden.

In den meisten Fällen wird es am Einfachstensein, Ngeka draußen zu spielen und Löcher in denSand zu graben. Lassen Sie sich durch die Spielan-leitung nicht abschrecken, wenn man einmal be-gonnen hat, ist das Spiel nicht zu schwierig – undkamerunische Kinder lernen es spielend. Alternativkann das auf der vorhergehenden Seite beschriebe-ne Spiel in den Unterricht einbezogen werden.

Im Abschnitt „Christians Glaube“ werden sowohlInformationen über das gottesdienstliche Lebenvermittelt, als auch Beispiele für das Erzählen bib-lischer Geschichten und das Singen von Kirchenlie-dern. Hintergrundinformationen finden Sie im Bei-trag „Religionen in Kamerun“ in diesem Heft.

Star

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Marktszene

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Neuseeland/AotearoaFläche*: 270.534 km2

(Deutschland: 357.023 km2)*bestehend aus zwei Hauptinseln –Nordinsel 113.729 km2, Südinsel 150.437 km2

sowie einer Anzahl kleinerer Inseln, die von diesenteilweise weit entfernt liegen, wie z.B. die Chatham Inseln.

Einwohnerzahl: 4 Millionen(Deutschland: 82,3 Millionen)

Einwohner je km2: 14,8(Deutschland: 231)

Hauptstadt: Wellington, ca. 165.000

Städtische Bevölkerung: 85,4 %(Deutschland: 87,0 %)

Lebenserwartung: 78 Jahre(Deutschland: 78 Jahre)

Bevölkerungszusammensetzung:Europäische Herkunft: 72,2 %Maori: 14,7 %Herkunft aus Asien: 6,6 %Herkunft aus Polynesien: 6,5 %

Klima:Neuseeland liegt in den gemäßigten Breiten derSüdhalbkugel. Aufgrund der großen, das Landumgebenden Wassermassen gibt es nur relativgeringe Temperaturschwankungen mit warmenSommern und milden Wintern. Westwinde sorgenfür reichliche Niederschläge; die Ostseite derBerge ist jedoch erheblich trockener. Sorge be-reitet die zunehmende UV-Strahlung auf Grunddes Ozonlochs über der Antarktis.

Offizielle Sprachen: Englisch und Maori**im öffentlichen Leben jedoch kaum präsent, meist für Feier-lichkeiten und andere besondere Gelegenheiten vorbehalten.

Religionen*:Christen: 58,9 %Konfessionslos: 29,6 %Maori-Kirchen: 6,0 %

* Die Angaben basieren auf der Volkszählung des Jahres2001. Das nicht-Erreichen von hundert Prozent ist auf dielediglich ungefähre Zahlenangabe mit „über 30.000“ bei denMitgliedern der Maori-Kirchen zurückzuführen sowie darauf,dass knapp sieben Prozent der Bevölkerung eine Angabeverweigerten.

Staatsform:Parlamentarisch-demokratische Monarchie mit derenglischen Königin als Staatsoberhaupt.

Bruttosozialprodukt:13.290 US-Dollar pro Jahr(Deutschland: 23.560)

Neuseeland wurde von Polynesiern entdeckt undbesiedelt, wann genau ist unbekannt. Sie kamen inmehreren Migrationswellen in das Land, das sie Ao-tearoa nannten, und begründeten die einheimischeMaori-Kultur. In der Maori-Mythologie wird dieReise ausgehend von der Insel Hawaiki in seetüch-tigen Kanus, den waka, beschrieben. Jeder Stamm(iwi) der Maori lässt sich in der Genealogie (whaka-papa) mit einem dieser Wakas in Verbindung brin-gen. In der Geschichte der Ngpuhi, einem der zah-lenmäßig größten Stämme, ging während der Reisedie Sonne für drei Tage nicht unter. Historiker ha-ben dies mit dem Auftreten einer von chinesischenAstronomen auf das Jahr 1054 datierten Supernovain Verbindung gebracht.

Geschichte Neuseelands/Aotearoas

(Quellen: Munzinger Archiv, Fischer Weltalmanach 2005)

Als die ersten Europäer im 17. Jahrhundert aufdie beiden großen Inseln im Südpazifik kamen,lebten hier etwa 100.000 Maori. Der niederländi-sche Entdeckungsreisende Abel Tasman betrat alserster Weißer das Land, dem er nach seiner HeimatSeeland den Namen Nieuw Zeeland gab. Er skizzier-te Teile der Westküste der beiden Hauptinseln,doch als er von Maori angegriffen wurde, segelte erweiter Richtung Australien. Erst mehr als hundertJahre später, 1769, landete der englische EndeckerJames Cook in Neuseeland/Aotearoa. Er kartiertedas Land und nahm es für die englische Krone inBesitz. Die europäische Besiedlung begann ab1791 mit der Errichtung von Walfängerstationen.

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Bald darauf folgten Händler- und Siedlerfamilien,vor allem aus England. Diese ließen sich zunächstauf der Südinsel nieder, später auch auf der Nord-insel.

Im Jahr 1819 kam es zu ersten schweren Ausein-andersetzungen zwischen den Maori und den euro-päischen Einwanderern. Als der Konflikt auch nachmehr als einem Jahrzehnt noch andauerte, ent-sandte die englische Krone im Jahr 1833 den Ge-sandten James Busby, um die Streitigkeiten zuschlichten. Doch erst im Jahr 1840 unterzeichne-ten 500 Stammesführer der Maori mit der engli-schen Krone den Treaty of Waitangi. In diesem Ver-trag traten die Maori ihre Souveränität über die In-seln ab. Im Gegenzug erhielten sie das alleinigeBesitzrecht an ihrem Land, den Fischgründen undden Wäldern sowie das Recht auf die britischeStaatsbürgerschaft. Die Kolonialmacht verpflichte-te sich, über jedes Stück Land, das sie erwerbenwollte, mit der jeweils betroffenen Maori-Gemein-schaft direkt zu verhandeln.

In den folgenden Jahren kam es jedoch zur sys-tematischen Kolonialisierung durch die Europäerund damit zu fortwährenden Spannungen mit denUreinwohnern, die 1843 im Beginn der Maori-Krie-ge gipfelten. Diese währten – mit Unterbrechungen– bis 1872. Fünf Jahre zuvor hatte die britischeKrone den Maori erstmals das Wahlrecht und vierSitze im Parlament zugestanden. Als erstes Landder Welt führte Neuseeland/Aotearoa im Jahr 1893das Frauenwahlrecht ein. Seit 1907 ist Neusee-land/Aotearoa Mitglied im Commonwealth, damitwurde der Kolonialstatus überwunden. Die bereits1931 vom britischen Parlament zuerkannte voll-ständige Unabhängigkeit allerdings akzeptierteNeuseeland/Aotearoa erst 16 Jahre später mit derUnterzeichnung des Statuts von Westminster.

Als Geburtsstunde des heutigen Neuseeland/Ao-tearoa jedoch wird in der ganzen Gesellschaft derTag der Vertragsunterzeichnung von Waitangiwahrgenommen und schon in früheren Jahren ge-hörten Bezeichnungen und Symbole der Maori zumAlltag. Anstandslos beförderte die Post Briefe nachTamaki Makau Rau, die von hundert Liebhabern be-gehrte Braut, oder nach Akarana – beides Maori-Namen für Auckland, die größte Stadt Neusee-lands. Von vielen Maori wurde dies aber keineswegsals Würdigung ihrer Bedeutung für den Inselstaatverstanden. Die jährlichen Feiern zum Waitangi-Day empfanden sie vielmehr als Provokation, alsWürdigung eines Ereignisses, das ihnen Landraubund Verarmung gebracht hatte. Stattdessen fordernsie „zwei gleichberechtigte Völker in einer Nation“.

Die wiederholten undmilitanten Ausschreitun-gen zum 6. Februar be-antwortete die Regie-rung im Jahr 1995 mitder Ankündigung, künf-tig keine offiziellen Fei-ern mehr auszurichten.

Gegenwärtig nimmt inder neuseeländischenGesellschaft die Bedeu-tung der Maori deutlichzu. Betrug ihre Anzahlzu Beginn des 20. Jahr-hunderts gerade nochrund 42.000 – die krie-gerischen Konflikte mit

englischen Siedlern und Truppen und einge-schleppte Krankheiten hatten zu einem drasti-schen Bevölkerungsrückgang unter den Ureinwoh-nern um mehr als zwei Drittel geführt – so liegtihre Anzahl heute bei gut einer halben Million, dasentspricht etwa 15 Prozent der gesamten Bevölke-rung. Sie sind in allen Berufen zu finden, und vonden 120 Abgeordneten des Parlaments sind 19 Ma-ori. Sprache und Kultur der Maori werden in-zwischen an vielen Schulen unterrichtet. Ganz all-mählich wird das Land zweisprachig.

Auch haben Regierungen in der jüngeren Ver-gangenheit einige Land- und Fischereirechte andie Maori zurückgegeben und Entschädigungen fürdas Unrecht der Vergangenheit gezahlt. Die Debat-ten darüber, was den Maori zusteht, werden heuteim Parlament geführt und vor Gericht ausgetragen.Das im Mai 2004 von der neuseeländischen Regie-rung beschlossene Uferland- und Meeresbodenge-setz, das die gesamte Küstenlinie zu Staatseigen-tum erklärt, betrachten die Maori jedoch als Bruchdes Vertrages von Waitangi. In der Folge kam es zustarken Protestbewegungen. Angeheizt wurde derKonflikt zudem durch die rechtsgerichtete Natio-nalpartei, die dafür eintritt, die für Maori reser-vierten Parlamentssitze zu streichen.

Doch trotz aller Probleme haben viele Menschenin Neuseeland/Aotearoa die Hoffnung, dass dasLand einmal zu einem Modell für bi-kulturelle Be-ziehungen zwischen der ursprünglichen Bevölke-rung und den Zuwanderern vieler Rassen wird, diedieses Land heute ihre Heimat nennen. Czenaminist ein Symbol für diese Hoffnung.

Schnitzerei einesMaori-Kriegers.

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Essen und Trinken –Kiwi Life

Zu den Spezialitäten derneuseeländischen Küche gehö-ren Lamm-Gerichte, wie z.B.die Lamb Chops, Lammkote-letts. Auch verschiedene Hühn-chen- und Fisch-Variationenwerden geschätzt. Rund 50 ver-schiedene Fisch- und Schalen-tierarten werden gehandelt.Eine Gaumenfreude sind derCrayfish, eine Hummerart, White-bait, eine schmackhafte Sardi-ne, und Austern. Wohlschme-ckend sind Pies, Teigtaschenmit Füllung, meist Hackfleisch,und die Kumara, eine Süßkar-toffelart.

Tee nimmt die überragendeRolle unter den neuseeländi-schen Getränken ein, keinWunder bei den britischen Ein-flüssen. Aber auch Bier gibt esreichlich und wird von den Ki-wis – wie die Neuseeländersich selbst nach ihrem flügello-sen und flugunfähigen Wap-penvogel nennen – am liebstenkalt getrunken. Neuseeländi-sche Weine genießen weltweiteinen ausgezeichneten Ruf.aus: www.new-z.net/neuseeland/kiwi_life/essen_trinken.htm

Im Jahr 1814 brachten die ersten Missionareerstmals in der Geschichte Neuseelands/AotearoasSäugetiere wie Schafe, Rinder und Pferde ins Land.Seither ist die Landwirtschaft in Form der Schaf-zucht ein wichtiges Standbein der neuseeländi-schen Gesellschaft. Zunächst dienten Schafe aus-schließlich als Wolllieferant, seit den 1880-er Jah-ren, als der Export per Kühlschiff möglich wurde,zusätzlich als Fleischlieferant. Heute zählt Neusee-land/Aotearoa zu den weltweit führenden Export-nationen für landwirtschaftliche Produkte. DieHälfte der Exporte entfallen auf diesen Bereich. Inder Industrie spielt die Verarbeitung landwirt-schaftlicher Produkte eine wichtige Rolle.Weiterhin besitzt Neuseeland/Aotearoa nennens-werte produzierende Tourismus- und Dienstleis-tungsindustrien.

Als stark exportorientierte Nation ist Neusee-land/Aotearoa von den entsprechenden Weltmarkt-preisen, der Wechselkursentwicklung, den Witte-rungsverhältnissen und nicht zuletzt von Entwick-lungen seiner wichtigsten Handelspartner abhän-gig. So stürzte der EU-Beitritt Großbritanniens inden 1970-er Jahren das Land in eine Wirtschafts-krise – trotz der großen Entfernungen war die eins-tige Kolonialmacht Hauptabnehmer für neuseelän-dische Molkereiprodukte, Obst und Früchte. Undauch die Wirtschaftskrise in Ostasien 1998/1999zog das Land in Mitleidenschaft, denn mittlerweilesind die ostasiatischen Tigerstaaten sowie Austra-lien, Japan und die USA die wichtigsten Handels-partner Neuseelands/Aotearoas.

Elementar abhängig ist Neuseeland/Aotearoavom internationalen Schiffsverkehr, und auch derKüstenschiffsverkehr und der Luftverkehr habeneine besondere Bedeutung. Zwischen der Nord- undder Südinsel verkehren Auto- und Eisenbahnfähren.Und trotz der dünnen Besiedlung sind Straßen- undSchienenverkehr sehr gut ausgebaut.

Eine konsequente Liberalisierungspolitik hatseit Mitte der 1980-er Jahre eine der am stärkstenregulierte Volkswirtschaft der Welt in eine der amstärksten deregulierte und privatisierte Volkswirt-schaft transformiert. Subventionen wurden radikalgestrichen, die Sozialsysteme stark zurückgebaut.Trotz dieser Maßnahmen gelang es Neuseeland/Ao-tearoa aber zunächst nicht, das Wirtschaftswachs-tum signifikant zu erhöhen. Zurückhaltung beimPrivatkonsum, ein Rückgang im Baugewerbe unddie Folgen der Asienkrise trafen zusammen undführten bis Ende der 1990-er Jahre zu einem, wennauch leichten, Rückgang des Bruttoinlandspro-dukts und zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit.Produktivitätssteigerungen der Unternehmen wa-ren nicht von der Schaffung neuer Arbeitsplätzebegleitet.

Im Durchschnittder vergangenen Jah-re jedoch betrug dasjährliche Wirtschafts-wachstum Raten zwi-schen zwei und vierProzent, die Arbeits-losenrate sank auf 4,7Prozent (2002). UnterJugendlichen aller-dings betrug sie imgleichen Jahr 15,3Prozent. Gleichzeitigmangelt es Neusee-land/Aotearoa an qua-lifizierten Arbeitskräf-ten. Viele einheimi-sche Fachkräfte wan-dern ab vor allemnach Australien, dadort die Reallöhnehöher sind.

Die Finanzierungder Sozialsysteme er-folgt ausschließlichaus Steuermitteln.Wichtige Bestandtei-le des Leistungssys-tems sind verschiede-ne Renten, Lohnfort-zahlungen, Beihilfenfür Alleinerziehendeund häusliche Pflegesowie Arbeitslosen-

Wirtschaftliche und soziale Entwicklung

Fähre zwischen der Nord- und Südinsel.

Gerla

ch

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Neuseelands/Aotearoas Bildungssystem ist drei-gegliedert. Die schulische Laufbahn unterteilt sichin die Primarstufe (Klassen 1-8) und die Sekundar-stufe (6. bzw. 8.-13. Klasse). Es gibt 20 Fachhoch-schulen und 8 Universitäten; die 1991 eingeführ-ten Studiengebühren sind abhängig vom Einkom-men der Eltern. Kinder, die in abgelegenen Gebie-ten wohnen oder aus sonstigen Gründen die Schulenicht erreichen können, werden über das staatlicheFernlehrinstitut unterrichtet. Private Schulen ste-hen unter staatlicher Aufsicht.

Landesweit gelten die selben bildungspoliti-schen Auflagen. Auch die Aufnahme und die Ab-schlüsse an Schulen unterliegen im ganzen Landden selben Kriterien bzw. geforderten Qualifikatio-nen. Schulpflicht besteht für alle Kinder zwischensechs und sechzehn Jahren, wobei die Mehrheitbereits im Alter von fünf mit der Schule beginnt.Der Besuch staatlicher Einrichtungen ist kostenlos,insgesamt genießt das neuseeländische Bildungs-system einen sehr guten Ruf. Besonders hervorzu-heben sind das breite Fächerangebot, eine intensi-ve sportliche und musische Förderung sowie einfortschrittlicher Umgang mit neuen Medien.

Die Maori sind offiziell voll in das Bildungssys-tem integriert, seit einigen Jahren werden jedochverstärkt Forderungen nach einem eigenen Bil-dungssystem oder verstärkter Durchsetzung zwei-sprachiger Lehrpläne an staatlichen Schulen laut.An Universitäten waren im Jahr 2001 rund 8 Pro-zent Maori immatrikuliert. Zudem gibt es für Maorispezielle Bildungsprogramme auf Fachhochschul-und Hochschulniveau. Von den rund 4.200 Einrich-tungen im Vorschulbereich sind 545 von Maori ge-gründete, alternative Vorschulen für ihre Ethnie,die Te Kohanga Reo. In diesen so genannten„Sprach-Lernnestern“ erlernen Maori-Kinder ihreeigene Sprache und wesentliche Inhalte der Maori-Kultur.

Das erste Sprach-Lernnest wurde 1982 gegrün-det, um dem zunehmenden Sprachverlust der Kin-der entgegenzuwirken. Hatten im Jahr 1923 noch80 Prozent der Kinder Maori gesprochen, so warenes 1970 nur noch fünf Prozent. Auch der zweispra-chige Unterricht in den Grundschulen hat heutzu-tage deutlich zugenommen. Die erste ausschließ-lich Maori-sprachige Grundschule begann 1985 mitdem Unterricht. Bis 1991 gab es schon neun Maori-

Grundschulen mit250 Schülern. DieTe Kohanga Reosbesuchen rund 32Prozent aller Maori-Kinder im Vorschul-alter.

aus: Munzinger Archiv– Internationales

Handbuch

Das neuseeländische Bildungssystem

geld. Kindergeld richtet sich nach der Bedürftig-keit der jeweiligen Familie. Der Grad der Gesund-heitsversorgung ist dem anderer westlicher Ländervergleichbar. Mütter- und Säuglingsfürsorge sowieschulärztliche Untersuchungen gelten als beispiel-haft.

Was die Situation der Maori anbelangt, so wirddiese vielfach als gut beschrieben, gerade im Ver-gleich mit anderen indigenen Völkern. Gleichwohlgibt es innerhalb der Maori-Gemeinschaft schwer-

wiegende Probleme. Das durchschnittliche Einkom-men liegt noch immer deutlich unter dem gesamt-neuseeländischen, Maori sind in der Unterschichtüberproportional vertreten, Gewalt und Alkoholis-mus spielen eine große Rolle. Ein weiteres Problemist der starke Einfluss der westlichen Kultur auf dieMaori. Gleichzeitig gehen ihnen traditionelle Er-werbszweige wie die Fischerei zunehmend verloren,weil die Industrie ihre Abwässer direkt in die Flüs-se einleitet. Wo diese dann ins Meer münden, wer-den Seetiere und Meeresfrüchte ungenießbar.

Die Whakarewarewa-Schule in Roturoa.O’Grady

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Land ist für die Maori nicht nur Wirt-schaftsgrundlage, sondern hat zentrale Be-deutung für ihre Kultur und Geschichte. DieMaori haben eine tiefe Bindung an dieErde. Ihrem Glauben nach ist die Natur be-lebt, Bäume, Pflanzen oder Steine habeneine mana, eine spirituelle Kraft.

Das Mana eines Maori innerhalb seinerGruppe wiederum beeinflusste ausschlag-gebend seine Stellung und das Gewicht sei-ner Meinung. Besaß ein Krieger viel davon,wurde seinen Ausführungen Gehör ge-schenkt, und er besaß damit die Möglich-keit Andere um sich zu scharen und aufdiese Weise das Geschick der eigenen Grup-pe mitzubestimmen. Verlor er jedoch sei-ne Position durch fehlerhaftes Verhalten,konnte dies fatale Auswirkungen für ihnhaben. So verlor zum Beispiel der berühmteKrieger Te Waru nach einer Liaison mit der

Frau eines Anderen seine Position und wurde in derSchlacht von seinen Männern verlassen.

Während die Ehre, das Ansehen und damit diegesellschaftliche Stellung eines jeden maia odertoa, eines jeden Kriegers, durch sein Mana bestimmtwurde, regelten die beiden anderen zentralen Be-griffe im kosmologischen Weltbild der Maori denHandlungsraum eines jeden. Ob beim Bau eineswaka (Kanu, Boot) oder eines whare (Haus, Gebäu-de), beim Zubereiten von Speisen oder bei derKriegsführung – immer war der korrekte Umgang mittapu und noa lebensentscheidend. Umgangssprach-lich und vereinfachend werden die beiden Begriffeoftmals mit „Heilig“ und „Gewöhnlich“ übersetzt.

Aufgrund eines starken Tapu unantastbar zu sein,barg in sich die Möglichkeit einer gehobenen Stel-lung und den damit einhergehenden Annehmlich-keiten. Wurde diese Stellung jedoch durch eigenesunangemessenes Verhalten oder das Anderer ge-stört, so kam es auf das Mana desjenigen an. War esstark, so vermochte das Problem durch bloße Prä-senz geklärt werden. Reichte der Status jedochnicht aus, hatte die Person den Verlust ihrer Positi-on und jeglicher Ehren zu befürchten.

In aufwendigen Zeremonien war es ausgewähltentohunga – ein zumeist als Priester oder Schamaneübersetzter Begriff – möglich, die Konflikte zwi-schen Noa und Tapu zu beheben. Dem Fällen einesBaumes zum Beispiel ging stets eine Zeremonie zurVersöhnung mit Tane (der Entität des Waldes – dieBezeichnung Gott oder Geist wird vermieden) vor-

aus, um auf diese Weise einen Tapu-Bruch vorzu-beugen. Ausschlaggebend für den Titel des Tohungawar (und ist) jedoch vor allem die Spezialisierungund besondere Fähigkeit in wichtigen Handwerkenund Künsten. So gab es zum Beispiel auch tohungatarai waka, Kanubauer, oder tohunga whare, Haus-bauer.

Obwohl mit Beginn des Kontaktes mit den pakeha– das sind alle Nicht-Maori, vor allem aber die Men-schen westeuropäischen Ursprungs – neue Werte ih-ren Einzug in die Gesellschaft hielten, wird die Tra-dition in hohen Ehren gehalten. Mit zahlreichen Bü-chern, Kongressen und nicht zuletzt durch die le-bendige Gemeinschaft werden jungen Maori Werteund kulturelle Identität vermittelt. Insbesondereauf den hui, den Gemeinschaftstreffen in den wharewhenui, den Versammlungshäusern, und auf demmarae, dem Dorfplatz, Gemeinschaftsplatz vor demVersammlungshaus, werden die eigenen Werte undIdeen lebendig gehalten. Lebendig ist auch die tra-ditionelle Begrüßung, hongi, die Berührung zweierMenschen mit ihren Nasen und der Stirn – ein Zei-chen der Verbundenheit mit hoher zwischen-menschlicher Qualität.

Berühmt sind Maori fürihre kunsthandwerklichenFertigkeiten – insbesondereSchnitzereien aus Holz- undPounamu (Nephrit). GroßeTraditionen haben zudemRhetorik, Gesang, Tanz undTätowierungen. Letzterewurden in früheren Zeiten miteiner Tinte aus Asche und Rußmit Haizähnen zu kunstvollenMustern auf dem ganzen Körpereingeritzt; moko werden die Gesichtsbilder genannt.

Die wenigsten der heute mehr als 526.000 Maorisind jedoch von der Abstammung her ausschließlichMaori; die Zuordnung zu mehreren Ethnien ist mög-lich. Maori ist, unabhängig von der Anzahl der Mao-ri- beziehungsweise Nicht-Maori-Vorfahren, wer sichmit der Kultur der Maori identifiziert. Die steigendeAnzahl derer, die sich als Maori identifizieren, wirdmit dem gestiegenen Stellenwert des Maoritums inder neuseeländischen Gesellschaft, aber auch eini-gen Privilegien erklärt, wie zum Beispiel Besonder-heiten im Wahlrecht oder die stärkere Ausbildungs-förderung.

aus: www.nzvillage.com/neuseeland/maori-gebraeuche.php

Maoritanga – Das Weltbild der Maori

Tätowierung

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Im Jahr 1814 gründete die Anglikanische Kirchedie erste ständige Missionsstation in Neuseeland/Aotearoa und begann ihre Missionsarbeit unter denUreinwohnern. 24 Jahre später hatte sie dort 35Mitarbeitende und unterhielt 21 Schulen. Die Mis-sionare entwickelten eine Schriftsprache und be-gannen, die Bibel und andere christliche Literaturzu übersetzen. Bis zum Jahr 1872 gab es unter denzur Anglikanischen Kirche gehörenden Maori 23 or-dinierte Pastoren, bis zum Jahr 1900 stieg ihreZahl auf 69. Um das Jahr 1914 schließlich – gutdreißig Jahre nachdem die Christian Missionary So-ciety die Verantwortung an die Church of New Zea-land übergeben hatte, die von Neuseeländern euro-päischer Abstammung ins Leben gerufen wordenwar –, konnten sich die Maori mit der Forderungdurchsetzen, sich innerhalb des anglikanischenKirchensystems selbst zu organisieren mit einemstellvertretenden Bischof als Oberhaupt. Ins-gesamt gehörten der Anglikanischen Kirche Anfangdes 20. Jahrhunderts 42 Prozent der BevölkerungNeuseelands/Aotearoas an. Zwar ist ihr Anteilseither auf 16,9 Prozent (Volkszählung 2001) ge-sunken, doch noch immer ist sie die größte Glau-bensgemeinschaft.

Über Jahrzehnte bildete die PresbyterianischeKirche die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft. Dererste presbyterianische Geistliche war im Jahr1839 nach Neuseeland/Aotearoa gekommen. Docherst als fünf Jahre später eine große und Jahre an-dauernde Einwanderungswelle von Schotten ein-setzte, nahm die Zahl ihrer Gemeindeglieder signi-fikant zu. Sie siedelten mehrheitlich im Südostender Südinsel, dort wo heute die fünftgrößte und

schottischste Stadt Neuseelands liegt, Du-nedin. Fern der Heimat wollten die Pres-byterianer eine christliche Gemeinschaftmit Modellcharakter gründen, wie zuvordie Anglikaner in Christchurch.

Mit 12,6 Prozent war die Zahl derPresbyterianer im Jahr 2001 dann ge-

ringer als die der katholischenKirche, zu der sich rund

14 Prozent der Neusee-länderinnen und Neu-seeländer bekannten.Deren Mitglieder sindin der großen Mehr-zahl britischer Ab-stammung, aber auchviele mit irischer Her-kunft. Auch so genann-

te Minderheitengruppen stellen eine nicht uner-hebliche Anzahl an Gemeindegliedern, daruntermehrheitlich Maori. Diese Tatsache liegt in derstarken Abwanderung von Maori aus ländlichen Ge-bieten begründet. Rund die Hälfte aller Maori lebtim Gebiet der Diözese von Auckland.

Neben weiteren, zahlenmäßig kleineren christli-chen Gemeinschaften (z.B. Methodisten 3,5 %,Baptisten 1,5 %) sowie einer kleineren Zahl vonu.a. Muslimen und Buddhisten, gibt es so genannteindigene Kirchen in Neuseeland/Aotearoa, dasheißt sie gehen nicht auf Gründungen von Europä-ern zurück. Ihr Ursprung liegt in der zweiten Hälftedes 19. Jahrhunderts, als die Maori vom Aussterbenbedroht waren aufgrund des stetigen Zustroms voneuropäischen Siedlern, eingeschleppten Krankhei-ten und Stammeskriegen. Dieser Gefahr begegne-ten sie unter anderem mittels indigener Kulte,darunter auch die „Königsbewegung“. Diese ver-suchte mit Hilfe biblischer Lehren, alle Maori-Stämme unter einem König zu einen und somit zustärken – ein Fehlschlag, da dies zu verlustreichenKämpfen mit der Kolonialmacht führte.

Bis heute existiert die 1860 gegründete Ringa-tu-Gemeinschaft. Sie hat eine eigene Liturgie ent-wickelt, die von allen Gemeindegliedern ausgeübtwerden kann. Die zweite indigene Kirche ist die1918 gegründete Ratana-Kirche, die drittgrößteDenomination unter den Maori. Sie hat eigene so-ziale und ökonomische Strukturen aufgebaut undauch schon für Maori wichtige politische Ämtermehrheitlich durch Mitglieder ihrer Gemeinschaftbesetzt.

Anders als im einstigen Mutterland gibt es inNeuseeland/Aotearoa keine Staatskirche. Und auchwenn die Anglikanische Kirche nach wie vor diegrößte Glaubensgemeinschaft ist, genießt sie kei-nerlei Privilegien vor dem Gesetz. Ohnehin ist inNeuseeland/Aotearoa das Verhältnis von Staat zuKirchen nicht gesetzlich geregelt. Es gibt wederein Regierungsbüro für religiöse Angelegenheitennoch müssen sich Kirchen staatlich registrierenlassen. Auch gibt es keine direkte finanzielle Un-terstützung des Staates für Kirchen, jedoch werdenkirchliche Schulen und Sozialeinrichtungen unter-stützt. Diese sind zudem von einigen Steuern be-freit, Geistliche müssen keinen Militärdienst leis-ten. Alle staatlichen Mittel werden nach „säkula-ren“ Kriterien gewährt, eine Bevorzugung einer be-stimmten Religionsgemeinschaft oder Konfessiongibt es nicht.

Kirchen in Neuseeland/Aotearoa

Die Kathedrale von Christchurch.

Gerla

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Mitten auf der nördlich gelegenen Insel Neuseelands liegt der Blaue See von Rotorua. Und mitten in dem Blauen See liegt eine Insel. Auf dieser Insel lebte einmal ein Mann mit seinen sechs Söhnen. Sie alle wussten von der wunderschö-

nen Häuptlingstochter Hinemoa, die im Dorfe Rotorua wohnte, und alle sechs hätten sienur allzu gerne zur Frau gehabt. Sie brüsteten sich damit, dass einer von ihnen derAuserwählte sein würde, nur der jüngste Bruder sagte nichts. Er war schüchtern und wagtenicht zu hoffen, dass gerade er einmal Hinemoa heimführen könnte. Er hatte gelernt, dieFlöte zu spielen. Er saß jeden Abend am Wasser und spielte, was ihm das Herz gebot, undträumte von Hinemoa.

Eines Tages fuhren die sechs Brüder in ihrem langen Boot nach Rotorua, wo es ein Festgab. Dabei lernte der Flötenspieler Hinemoa kennen, und die beiden verliebten sichineinander. Sie versprach, eines Tages zu ihm zu kommen und seine Frau zu werden. IhreEltern wollten jedoch nichts davon wissen. Eines Abends, als die Töne der Flöte wiederverführerisch an ihr Ohr drangen, beschloss sie, zur Insel zufahren. Ihre Eltern aber hatten alle Boote vom Strandentfernt, und sie wollte niemanden bitten, ihr zuhelfen, sonst hätten ja ihre Eltern von ihrem Planerfahren. So beschloss sie, zur Insel zu schwimmen.Es war ein kalter Abend, und die Insel war weit. EinZurück aber gab es nicht, und so schwamm sie, bissie Boden unter den Füßen spürte. Sie zitterte amganzen Körper. Plötzlich aber sah sie Dampf aus demBoden aufsteigen und eine Quelle mit herrlichwarmem Wasser, denn in Rotorua gibt es heißeQuellen. Und dann hörte sie einen Mann näherkommen. Es war ein Diener des Flötenspielers. Erkam zum Teich, um Wasser zu holen.

Hinemoa, die hinter einem Baum stand, verstellteihre Stimme, so dass sie wie die eines Mannes klang,und befahl dem Manne, ihr die Kalebasse zu reichen.Er tat so, und sie zerbrach das Gefäß. Der Mann eiltezu seinem Herrn zurück und erzählte ihm, was geschehen war. Da wurde derFlötenspieler zornig und eilte zur Quelle. Als er aber fragte, wer sich hinter dem Baumverberge, antwortete Hinemoa mit ihrer natürlichen Stimme: „Ich bin es, Hinemoa. Ichhabe versprochen, zu dir zu kommen, und hier bin ich.“ Er hüllte sie in seinem Unhangund führte sie heim. Und noch heute zeigen die Leute von Rotorua die Stelle, wo diewunderschöne Häuptlingstochter Hinemoa ans Land stieg, und die Quelle, an der sie aufihren Geliebten wartete.

Hinemoa und der Flötenspieler Ein Märchen aus Aotearoa

Hinweis:Die Texte auf den Seiten 39 bis 44 beruhen – sofern nicht anders gekenn-zeichnet – auf Grundinformationen von Ron O’Grady, der auch den Neusee-land-Teil des Schülerheftes erarbeitet hat, sowie aus nachfolgend genann-ten Quellen: Munzinger Archiv – Internationales Handbuch, World ChristianEncyclopedia (2nd edition, Vol. 1), http://de.wikipedia.org/wiki/Maoriund www.gfbv.de/voelker/pazifik/maori.htm.

Die Fabel haben wir dem Band entnommen“Märchen der Südsee“ von ErnstAdler, der als Fischer-Taschenbuch im Jahr 1976 erschienen ist. Die Rechteliegen beim Kinderbuchverlag, Berlin.

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Pädagogische Hinweise

Das Land am schönsten Ende der Welt“ – mit diesem Slogan wirbt Neuseeland/Aotearoaum Touristen und verweist damit (indirekt)

auf seine Randlage. Wie im Abschnitt zur wirt-schaftlichen Situation dargestellt, ist der Insel-staat im Südpazifik elementar vom internationalenSchiffsverkehr abhängig. Selbst die nächsten Nach-barn (Australien, Fidschi, Rarotonga, etc.) sindrund drei Flugstunden entfernt, für die direktesteFlugverbindung von Deutschland aus müssenmindestens 24 Stunden einkalkuliert werden.

Neuseeland/Aotearoa liegt auf der Südhalbkugelder Erde, Spanien genau gegenüber. Das heißt, dieJahreszeiten sind unseren entgegengesetzt, derMond nimmt anders herum ab und zu und auchwenn viele Naturlandschaften Assoziationen zu Eu-ropa hervorrufen (Fjorde wie in Norwegen, Geysirewie auf Island, Strände und Buchten wie in der Al-garve), so sind die ursprüngliche Flora und Faunades Landes doch grundsätzlich verschieden – Säu-getiere zum Beispiel wurden erst im Zuge der euro-päischen Besiedlung heimisch. Lebensstil und -standard weisen viele Parallelen auf, der nachhal-tige Einfluss der früheren Kolonialmacht Großbri-tannien ist überall spür- und erfahrbar.

In der Begegnung mit Czenamins Heimat ist so-wohl für die Lehrkräfte als auch für die Schüler-innen und Schüler also die Herausforderung impli-zit den Spannungsbogen zwischen Ferne und Nähe,Bekanntem (da Ähnlichem) und Fremden aufzuspü-ren und sich zu vergegenwärtigen. Für den Unter-richt bieten sich dementsprechend viele Ansatz-möglichkeiten, gleichzeitig aber ebenso viele Her-ausforderungen, die Balance zu wahren – also beiall den Ähnlichkeiten die Unterschiede nicht zuübersehen und bei allen Unterschiedlichkeiten undtrotz der großen geographischen Distanz die Ähn-lichkeiten nicht aus dem Blick zu verlieren.

Zum Einstieg bietet sich an, Neuseeland/Aotea-roa mit Hilfe eines Globus zu lokalisieren und denKindern dabei zu verdeutlichen, dass das Land un-serem fast genau gegenüber liegt. Dies kann inForm einer Suchaufgabe an die Kinder geschehen,bei der es darauf ankommt, nicht nur festzustellen,wo das Land geographisch liegt. Vielmehr solltedabei u.E. nach auch die Strecke nachvollzogenwerden, die ein Flugzeug zurücklegen muss, umdorthin zu gelangen. Es gibt zwei Möglichkeiten:Die Ostroute über Asien z.B. Bangkok oder Singa-pur oder Jakarta; letztere böte eine Bezugnahme

zu Wulan aus Indonesien, sofern dieses Länderka-pitel bereits im Unterricht behandelt wurde.

Die zweite Möglichkeit nach Neuseeland zu ge-langen ist über die Westroute via USA und Südsee.Diese wiederum bietet – allerdings erst zu einemspäteren Zeitpunkt des Unterrichts – die Möglich-keit der Bezugnahme zur Route, der die Maori beiihrer Entdeckungsfahrt nach Aotearoa möglicher-weise folgten. Vielleicht ist ja auch ein Kind in derKlasse, dass Neuseeland/Aotearoa bereits besuchthat und von ihren/seinen Reiseerfahrungen undden vor Ort gesammelten Eindrücken und Erfahrun-gen berichten kann.

Anschließend bietet sich die Begegnung mitCzenamin, ihrer Familie und ihrem Alltag an –durch Lesen der ersten beiden Texte des Neusee-landteils („Czenamin“ und „Bei Regen ist die Schu-le früher zu Ende“). Dies kann entweder im Schul-unterricht erfolgen durch gemeinsames Lesen oderaber als Hausaufgabe zu Hause. In beiden Fällensollte nach dem Lesen die Klärung von möglichenFragen erfolgen. Anschließend kann in Einzel- oderKleingruppenarbeit die Begegnung mit Czenaminper „Steckbrief“ vertieft werden (s. Musterbogenim Anhang). In diesen Arbeitsschritt kann auchCzenamins Schultag einbezogen werden und an-schließend das Gespräch über Gemeinsamkeitenund Unterschiede (Neuseeland/Aotearoa zuDeutschland) geführt werden.

Ausführlich wird im Schülerheft über CzenaminsSchule berichtet, eine der ältesten Maori-Schulenin Neuseeland/Aotearoa. Dies wird schon durchden Namen deutlich, aber auch vor allem durch dendort vermittelten Lehrstoff, die Methodik und Di-daktik, den Leitspruch der Schule. Die Beschäfti-gung mit der Whakarewarewa-Schule bietet dahereinen guten Einstieg in Leben und Kultur der Mao-ri, der Ureinwohner Neuseelands, der in den an-schließenden Abschnitten „Kapa Haka – ein großesFest der Maori“ und „Essen wie die Vorfahren“ nochvertieft wird. Diese Abschnitte sollten u.E. jedochnacheinander, in separaten Unterrichteinheitenerarbeitet und damit genügend Zeit für das Ken-nenlernen der Maori-Kultur eingeplant werden.

Es ist übrigens möglich, der Whakarewarewa-Schule einen virtuellen Besuch abzustatten überhttp://www.whakarewarewa-school.co.nz/whakarewarewa.htm. Der Internetauftritt ermög-licht nicht nur visuelle Ansichten, sondern auch

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Wie leben Kinder anderswo - Informationen und Hinweise für Unterrichtende 47

zusätzliche Informationen zu Visionen undZielen der Schule, der praktischen Arbeit, etc.Die Internetadresse www.maori.org.nz/ ent-hält allgemeine Informationen zu Kultur undAlltag der Maori.

Hilfreich kann es sein, diese Arbeitsein-heit mit dem Erstellen einer Gruppenarbeitabzuschließen, in der die Schülerinnenund Schüler Poster oder Kollagen erstellenzu Themen wie beispielsweise Feiern, Es-sen, Musik. Die gegenseitige Präsentationim Klassenverband kann in ein kleines Festeingebunden werden, zu dem zuvor dastita-torea, das Stockspiel eingeübt und CzenaminsRezept ausprobiert werden können. Anzac-Keksesind jedoch keinesfalls ein Maori-Rezept. Dochauch wenn die im Schülermaterial erwähnten Kräu-ter, die Czenamins Vater sammelt, schwerlich inDeutschland zu finden sind, könnte gleichwohl dieGelegenheit genutzt werden, während eines Aus-fluges essbare hiesige Kräuter und Pflanzen zusammeln und daraus eine Mahlzeit zu erstellen, wiezum Beispiel Löwenzahnsalat.

Der Abschnitt „Czenamins Glaube“ wiederumkann dazu anregen, mit den Schülerinnen undSchülern über ihren jeweils eigenen, gelebtenGlauben ins Gespräch zu kommen. Wo und wannspielt Religion in ihrem Alltag eine Rolle? WelcheBedeutung hat Religion in ihrer Familie, für dieKinder selbst? Welche Glaubensrichtungen gibt esin Deutschland? Möglich ist auch ein gemeinsamerGottesdienstbesuch in einer christlichen Kirche,einer Moschee, einer Synagoge.

Sinnvoll erscheint uns vor dem Hintergrund derBegegnung mit Czenamin auch die Auseinanderset-

zung mit den Themen Kolonisation, Migration undMinderheiten – auch wenn dies sehr komplexe The-men sind und für Grundschulkinder nicht einfachaufzubereiten. Denn auch Deutschland hat eine ko-loniale Vergangenheit, die bis heute ihre Spurenhinterlässt – im Jahr 2004 zum Beispiel die vor US-amerikanischen Gerichten eingereichte Klage derHerero (Namibia) auf Entschädigung anlässlich desMassakers vor gut hundert Jahren. Und gewisskennt jedes Kind in Deutschland Kinder andererHerkunft, die in Deutschland leben. Hier kann esinteressant sein, den Beweggründen für Wande-rungsbewegungen nachzuspüren und zum Beispielnachzufragen, welche Konsequenzen dies hat aufdie Migrantinnen und Migranten einerseits und aufdie Ursprungsbevölkerung andererseits. Zudem giltes, den Blick auch auf die seit Jahrhunderten inDeutschland lebenden Minderheiten zu richten,wie beispielsweise die Sorben im Osten Deutsch-lands.

Literaturtipps:- Baker, Hertaunga P.: Die letzte Prophezeiung, ein Maori-

Epos, Mana-Verlag, Blankenburg (2000)- Bauer, Elke/Krämer, Bert: Kiwis können nicht fliegen –

ein Reise- und Lesebuch, Verlag Jugend & Politik, Frank-furt am Main (1989)

- Campion, Jane: Das Piano, Roman, Piper Verlag, München(2002)

- Duff, Alan: Warriors, Roman, Unionsverlag, Zürich (1998)- Fletcher, Beryl: So weit war das Land, Roman, Goldmann

Verlag, München (2003)- Frame, Janet: Ein Engel an meiner Tafel, Roman, Piper

Verlag, München (2001)- Grace, Patricia: Potiki, Roman, Unionsverlag, Zürich

(1993)- Grace, Patricia: Unter dem Manukabaum, Kinder- und Ju-

gendbuch, Nagel & Kimche, Zürich (1995)- Grace, Patricia: Drei Cousinen, Roman, Unionsverlag, Zü-

rich (1997)

- Grace, Patricia: Anapuke, Berg der Ahnen, Roman, Uni-onsverlag, Zürich (2003)

- Hulme, Keri: Unter dem Tagmond, Roman, Fischer Tb.,Frankfurt am Main (1990)

- Hulme, Keri: Der Windesser, Te Kaihau, Erzählungen, Fi-scher Tb., Frankfurt am Main (1992)

- Ihimaera, Witi: Whalerider, Roman, Rowohlt Tb., Reinbek(2003)

- Ihimaera, Witi: Aroha. Maori-Geschichten aus dem Jade-land, Edition Isele, Eggingen (1998)

- Taubert, Eva (Hrsg.): Tangata, Tangata, Geschichten zuAlltag und Kultur der Maori, Edition Isele, Eggingen(1999)

- Taylor, Chad: Lügenspiele, Roman, Mana-Verlag, Blanken-burg (1999)

- Welle, Anja: Magnus – Fünf Zufälle aus Neuseeland, Kin-derbuch, Mana-Verlag, Blankenburg

Han

kel

Eine Herausforderung, die Spaß macht –Schulkinder üben das Stockspiel ein.

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Wie leben Kinder anderswo - Informationen und Hinweise für Unterrichtende48

Arbeitsstelle für Ev. Religionspädagogik Ostfries-land (ARO), Georgswall 7, 26603 Aurich,Tel.: 04941/96860, Fax: 04941/968261,e-mail: [email protected],http://www.aro-aurich.de

Bischöfliche Aktion Adveniat, Am Porscheplatz 7,45127 Essen, Tel.: 0201/1756-0, Fax: 0201/1756-111, e-mail: [email protected],http://www.adveniat.de

Brot für die Welt, Stafflenbergstr. 76, 70184Stuttgart, Tel.: 0711/2159-0, e-mail:bfdwbildung@brot-fuer-die welt.org,http://www.brot-fuer-die-welt.de

Bundeszentrale für politische Bildung,Adenauerallee 86, 53113 Bonn, Fax: 01888/515-309, e-mail: [email protected],http://www.bpb.de

Comeniusinstitut, Schreiberstr. 12, 48149 Münster,Tel.: 0251/98191-0, e-mail: [email protected],http://www.comenius.de

Deutsche Welthungerhilfe, Friedrich Ebert Str. 1,53113 Bonn, Tel.: 20228/2288-129, e-mail:[email protected], http://www.welthungerhilfe.de

Deutscher Entwicklungsdienst, Postfach 120120,53043 Bonn, Tel.: 0228/2434-0, e-mail:[email protected], http://www.ded.de

Deutscher Volkshochschulverband, Fachstelle fürinternationale Zusammenarbeit, Obere Wilhelm-str. 32, 53225 Bonn, Tel.: 0228/97569-43, e-mail: [email protected], http://www.iiz dvv.de

Entwicklungspolitisches Bildungs- und Informati-onszentrum (EPIZ), Urbanstr. 71, 10967 Berlin,Tel.: 030/69264-18/-19, e-mail: [email protected], http://www.epiz-berlin.de/bildungsnetzwerk.html

Entwicklungspädagogisches Informationszentrum,Planie 22, 72764 Reutlingen, Tel.: 07121/491060, e-mail: [email protected], http://www.epiz.de

Evangelischer Entwicklungsdienst (EED),Ulrich-von Hassell-Str. 76, 53123 Bonn,Tel.: 0228/8101-0, Fax: 0228/8101-160,e-mail: [email protected], http://www.eed.de

Adressen

Evangelische Kirche in Deutschland (EKD),Herrenhäuser Str. 12, 30419 Hannover,Tel.: 0511/2796-0, Fax: 0511/ 2796-707,http://www.ekd.de

Evangelisches Missionswerk in Deutschland,Normannenweg 17-21, 20537 Hamburg,Tel.: 040/254 56-148, Fax: 040/254 56-448,e-mail: [email protected],http://www.emw-d.de

Mitgliedswerke und Vereinbarungspartner s.u.:http://www.emw-d.de/de.root/de.ueber/de.ueber.mitglieder/index.html bzw.http://www.emw-d.de/de.root/de.ueber/de.ueber.partner/index.html

Evangelisches Missionswerk in Südwestdeutschland,Vogelsangstrasse 62, 70197 Stuttgart,Tel.: 0711/636780, Fax: 0711/6367855,e-mail: [email protected],http://www.ems-online.org/

GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft),VB Schule, Reifenberger Str. 21,60487 Frankfurt, Tel.: 069/78973-0,http://www.gew.de

Hessisches Landesinstitut für Pädagogik (HelP),Stuttgarter Str. 18-24, 60329 Frankfurt am Main,Tel.: 069/38989-505, Fax: 069/38989-233,http://help.bildung.hessen.de/ oder überBuchhandel

Infostelle Bildungsauftrag Nord-Süd, World Univer-sity Service, Goebenstr. 35, 65195 Wiesbaden,Tel.: 0611/9446170,e-mail: [email protected],http://www.wusgermany.de

Institut für Friedenspädagogik Tübingen e.V.,Corrensstraße 12, 72076 Tübingen,Tel.: 07071/920510, Fax: 07071/920511,e-mail: [email protected],www.friedenspaedagogik.de

INWENT – Internationale Weiterbildung und Ent-wicklung (7.01), Postf 120623, 53048 Bonn,Tel.: 0228/2434-5, e-mail: [email protected],http://www.inivent.org

Kindernothilfe, Düsseldorfer Landstr. 180,47249 Duisburg, Tel.: 0203/7789-0,e-mail: [email protected],http://www.kindernothilfe.de

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Wie leben Kinder anderswo - Informationen und Hinweise für Unterrichtende 49

Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ – PäpstlichesMissionswerk der Kinder in Deutschland,Stephanstraße 35, 52064 Aachen,Tel.: 0241/4461-0, Fax: 0241/4461-40,e-mail: [email protected],http://www.kindermissionswerk.de

Misereor, Mozartstr. 9, 52064 Aachen,Tel.: 0241/442-0,e-mail: [email protected],http://www.misereor.de

missio e.V. – Internationales KatholischesMissionswerk, Goethestr. 43, 52064 Aachen,Tel.: 0241/7507-00, Fax: 0241/7507-335,e-mail: [email protected],http://www.missio-aachen.de

missio München, Internationales KatholischesMissionswerk, Ludwig-Missionsverein,Postfach 201442, 80014 München,Tel.: 089/5162-0, Fax: 089/5162-335,e-mail: info@missio-muenchen,http://www.muenchen. missio.de

mission 21 – Evangelisches Missionswerk Basel,Missionsstrasse 21, CH-4003 Basel,Tel.: 0041/61/2602120,Fax: 0041/61/2602268,e-mail: [email protected],http://www.mission-21.org

Missionshilfe Verlag (DEMH), Normannenweg 17-21, 20537 Hamburg, Tel.: 040/25456-143,Fax: 040/254 56-443, e-mail: [email protected],http://www.emw-d.de

Projekt ,,Eine Welt in der Schule - Klassen 1-10" –Uni Bremen – FB 12, Postfach 330440,28334 Bremen, Tel.: 0421/218-29 63,e-mail: [email protected],http://www.weltinderschule.uni-bremen.de

Schulprojektstelle Globales Lernen, Corrensstr. 12,72076 Tübingen, Tel.: 07071/9205 10,e-mail: [email protected],http://www.global-lernen.de

SÜDWIND e.V. Lindenstr. 58-60,53721 Siegburg, Tel.: 02241-53617Fax: 02241-51308,e-mail: [email protected],http://www.suedwind-institut.de/

Studienkreis für Tourismus und Entwicklung e.V.,Kapellenweg 3, 82541 Ammerland/StarnbergerSee, Tel.: 08177/1783, Fax: 08177/1349,http://www.studienkreis.org

Studienkreis GfM – Gesellschaft für angewandteMethodik im Schulunterricht mbH,Universitätsstraße 104, 44799 Bochum,Tel.: 0234/9760-01, Fax: 0234/9760-200,http://www.studienkreis.de

Terre des hommes, Ruppenkampstr. 11a,49084 Osnabrück, Tel.: 0541/7101-0,e-mail: [email protected], http://www.tdh.de

Unesco-Projektschulen, Langwartweg 72,53129 Bonn, Tel.: 0228/2425-706,e-mail: coord @asp.unesco.de,http://www.ups-schulen.de

Unicef, Deutsches Komitee, Höninger Weg 104,50969 Köln, Tel.: 02 21/93650-0, e-mail:[email protected], http://www.unicef.de

Vereinte Evangelische Mission, Postfach 201963,42219 Wuppertal, Tel.: 0202/89004-0,Fax: 0202/89004-179,e-mail: [email protected],http://www.vemission.org/

Welthaus Bielefeld, August-Bebel-Str. 62,33602 Bielefeld. Tel.: 0521/98648-0,e-mail: [email protected],http://www.welthaus.de

Werkstatt Ökonomie, Obere Seegasse 18,69124 Heidelberg, Tel.: 06221/43336-0,Fax: 06221/43336-29, e-mail: [email protected],http://www.woek.de

www.praynet.de, Schweinfurter Str. 40,97359 Münsterschwarzach, Tel.: 09324/20255oder 09324/20260, Fax: 09324/20460,e-mail: [email protected]

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Wie leben Kinder anderswo - Informationen und Hinweise für Unterrichtende50

3 x Aussetzen – Spiele zum Thema Flucht und Asyl,Martin Milk/Jürgen Rau/Annette Windgasse,Verlag der VEM (1994)

AIDS – das Schicksal einer betroffenen Familie,Textheft, Diaserie (nur im Verleih), Missionswerkder Ev.-Luth. Kirche in Bayern, Neuendettelsau

Anders – na und?Karikaturen zum Thema Diskriminierung, Studien-

kreis GfM, Bochum (2002)

„Basic Needs“,CD-ROM, unterschiedliche, multimedial aufberei-tete Zugänge zum Themenbereich Grundbedürf-nisse, Brot für die Welt, Stuttgart

Bausteine – Für Schule und Jugendarbeit,Bischöfliche Aktion Adveniat, Essen

Benjamin (monatlich) – Evangelische Zeitschriftfür Mädchen und Jungen Ev. GemeindepresseGmbH, Stuttgart

Bücher für eine Erde der Menschlichkeit,Buchreihe (vier Publikationen), Erfahrungen vonKindern des Südens, terre des hommes, Osna-brück (2003)

der überblick (4x jährlich),Zeitschrift für ökumenische Begegnung undinternationale Beziehungen, Heft 3/2002 zumThemenschwerpunkt Migration, Redaktion derüberblick, Hamburg

Die Welt ist buntPraxismappe Grundschule, Deutsche Welthunger-hilfe, Bonn (2001)

Eine Welt im Grundschulunterricht 2001,Materialien, Medien, Adressen, Welthaus Biele-feld (Hrsg.)

Eine Welt im Unterricht (1x jährlich),Materialien für die Schule im Überblick, Brot fürdie Welt, Stuttgart

Eine Welt in der Schule (4x jährlich),Projekt des Grundschulverbandes – ArbeitskreisGrundschule e.V., Prof. Dr. Rudolf Schmitt,Andrea Pfahl, Wolfgang Brünjes (Hrsg.), Bremen

Fair Play und Eine Welt,Ideen und Materialien für einen handlungsorien-tierten Unterricht in allen Fächern zum Themen-bereich “Sport”, Brot für die Welt

Filme für die Bildungsarbeit,Videoproduktion Weltfilme, zahlreiche Produkti-onen zu Nord-Süd-Themen auf DVD, schulischeund außerschulische Bildungsarbeit,www.weltfilme.de

Fortbildungsveranstaltungen zum Thema Eine WeltArbeit mit Kindern, Interkulturelle pädagogischeAktivitäten für Kinder, Projekt „Käthe – dieErdumseglerin“, Spielpädagogische Praxismateri-alien, Unperfekthaus und Julius-Leber-Haus inEssen, www.unperfekthaus.de

Global Lernen (3x jährlich),Service für Lehrerinnen und Lehrer,Schulprojektstelle Globales lernen,Brot für die Welt (Hrsg.) in Kooperati-on mit dem Arbeitskreis Pädagogik,Stuttgart

Globales Lernen Info,Hintergründe – Unterrichtsthemen –Veranstaltungen – Netzwerke,Amt für Lehrerbildung Hessen, Archiv:http://www.bildung.hessen.de/gl21/gl-info-archiv.html

Guck mal übern Tellerrand! – Lies malwie die andern leben!, Erfahrungsbe-richte, Praxistipps, Plakat, DeutscheWelthungerhilfe, Bonn (2003/04)

Literatur und Medienliste

Literatur zur KolonialgeschichteJule in Namibia: Auf den Spuren deutscher Kolonialge-schichteEine Kilimann-TV Produktion Essen im Auftrag der Ökumene-Abteilung im Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche imRheinland (2002)Namibia – Grenzen nachkolonialer Emanzipation,Henning Melber (Hrsg.),Brandes & Apsel, Frankfurt am Main (2003)Waterberg: Kolonialkrieg und Völkermord in NamibiaEine Dokumentation von Gisela und Udo Kilimann hergestelltim Auftrag der Evangelischen Kirche im Rheinland (2004)Völkermord in Deutsch-Südwestafrika.Der Kolonialkrieg (1904-1908) in Namibia und seine FolgenJürgen Zimmerer/Joachim Zeller (Hrsg.), Ch. Links Verlag,Berlin (2003)

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Wie leben Kinder anderswo - Informationen und Hinweise für Unterrichtende 51

Hände können viel...,Unterrichteinheit zum Thema Hände gebrau-chen, handeln (das Thema Kinderarbeit nimmtin der Unterrichtseinheit breiten Raum ein),Brot für die Welt, Stuttgart

Heimat ist da, wo ich mich fühle,Unterrichteinheit zum Thema Heimat undFremde, Brot für die Welt, Stuttgart

„Jakobs Weg“ – die etwas andere Pilgerreise,EKD-Online-Spiel, Ev. Kirche in Deutschland(Hrsg.), Hannover (2005)

Kinderarbeit in der Einen Welt,Materialien und Ideen für die Arbeit in derGrundschule und im Kindergottesdienst, Kinder-nothilfe, Duisburg

Kinderarbeit in Zeiten der Globalisierung,Heidel, Klaus (Hrsg.), Werkstatt Ökonomie imAuftrag des Deutschen NRO-Forums Kinderarbeit,Heidelberg

Kinderhandel,Plakatserie von Anti-Slavery International undWerkstatt Ökonomie, Heidelberg (2003)

Kindergarten & Mission (2x jährlich),Spielend Lernen in der Einen Welt, Kindermissi-onswerk „Die Sternsinger“, Aachen

Kinderarbeit Kinderrechte,Arbeitshilfe für Konfirmandenunterricht undJugendarbeit, Ökumenische Werkstatt Wuppertal(2003)

Kinder des SüdensGeschichten, Reportagen, Gespräche, terre des

hommes, Osnabrück (2002)

Kinder der Welt,Postermappe zum Thema Lebenswelten-Religion(auch als Fotoausstellung geeignet), Kindermis-sionswerk „Die Sternsinger“

Lebenswege,Religion in der Grundschule, Patmos Verlags-haus, Düsseldorf

Meine Bibel zum Mitmachen,Anne de Graaf, Herder Verlag

Menschenskinder,Gedichte über Kinder und Kindheit, terre deshommes Deutschland, Osnabrück (2004)

Mission weltweit (6x jährlich),Ausgabe 5/2003 „Kinder und Jugendliche inanderen Ländern“, Liebenzeller Mission (Hrsg.),Bad Liebenzell

Nord-Süd-Rundbrief (4x jährlich),Informationsstelle Bildungsauftrag Nord-Süd,World-University-Service (Hrsg.), Wiesbaden

Reichtum und Armut,Arbeitsmaterialien für Gemeinde, Schule undGruppen, Zentrum für Gesellschaftliche Verant-wortung, Zentrum Ökumene und Diakonie(Hrsg.)

Schätze suchen, Schätze finden,Werkheft, Diakonisches Werk Bayern, ReferatBrot für die Welt (Hrsg.), Nürnberg (2002)

Schulen für SchulenEine Bildungsmappe über die Tsunami-Katastro-phe und den Wiederaufbau in Süd- und Südost-asien, Deutsche Welthungerhilfe in Kooperationmit logo!, den Nachrichten für Kinder im ZDFund im KI.KA

EMW-Literatur

Arche Noah – Ein Grundschulprojekt

Ein neues Bild der Erde – Flächentreue Weltkarte(Peters Projektion)

Erntedank hier und anderswo –Ein Arbeitsheft für Schülerinnen und Schüler

Mach mit! Gewalt erkennen – Konflikte lösenEin Jugendmagazin zur Dekade zur Überwindungvon Gewalt

Ostern hier und anderswo –Ein Arbeitsheft für Schülerinnen und Schülerder vierten bis zur neunten Klasse

Unser tägliches Brot gib uns heute –Materialheft für Kinder in Kindergottesdienstund Grundschule

Vom Turm zur Taube –Pfingsten hier und anderswoEin Heft für Schülerinnen und Schülerder vierten bis zur neunten KlasseWasser ist Leben – Schöpfung, Sintflut, TaufeEin Arbeitsheft für Schülerinnen und Schülerder vierten bis zur neunten Klasse

Weihnachten hier und anderswo –Ein Arbeitsheft für Schülerinnen und Schülerder vierten bis zur neunten Klasse

MedienMappe 2005

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Wie leben Kinder anderswo - Informationen und Hinweise für Unterrichtende52

Aktion „fair spielt. Für faire Regeln in der Spiel-zeugproduktion!“ www.fair-spielt.de

Aktion für Kriegskinder – Weihnachtsaktion 2003jährliche, themenbezogene Weihnachtsaktiondes Kinderhilfswerks Unicef, Düsseldorf

Aktion PrayNet – Beten im Netz,ökumenisches Netzwerk junger ChristInnen, dieGebete schreiben und weltweit austauschen

Aktion Schutzengel, Aids & Kinder,Praxisheft, Plakat, CD, missio Aachen

Aktion WeltFrühstück,Projektmappe und CD-ROM, DeutscheWelthungerhilfe u.a. (Hrsg.), Bonn(2003)

Aktionszeitung „Fair Play for Fair Life“2004, Brot für die Welt

Ein Oscar für Kinder – www.junior-oscar.de – Unicef, Düsseldorf (2004)

Kinder helfen Kindern … und ich bindabei – Weltmissionstag der Kinder,jährliche Aktion des Kindermissions-werks „Die Sternsinger“, Aachen

Komm, ich zeig dir Jerusalem,Bausteine zur Kinderaktion 2004,missio Aachen

Schule & Mission (2x jährlich),Materialien zum „Lernen in der Einen Welt“,Kindermissionswerk „Die Sternsinger“, Aachen

Service-Eine-Welt.de,Publikationen zum Herunterladen, ServicestelleKommunen in der Einen Welt, http://www.service-eine-welt-de/publikationen.php

Shari – ein Kinderleben in Indien,Theaterstück zur Kinderarbeit mit Anleitung zumBau von Handpuppen, Brot für die Welt, Stutt-gart

So leben sie! – Ein Erkundungsprojekt rund um dieWelt, Bildermappe und Broschüre, Porträts vonFamilien aus 16 Ländern, Verlag an der Ruhr(2001)

Spiele zur Entwicklung,EED-Bildungsstätte-Nord „Haus am Schüberg“/Hamburg-Ammersbek (Hrsg.), Verlag Internatio-nales Kulturwerk e.V., Hildesheim-Achtum(1998)

Unter Gottes weitem Himmel,Hörbibel für Kinder, Christiane Herrlinger,Deutsche Bibelgesellschaft (Hrsg.)

Was habt ihr mit der Welt gemacht?,Gedichte. Meditative und provokative Kurztexte,terre des hommes, Osnabrück (2001)

Werkstatt ku/ru (4x jährlich),Arbeitstelle für ev. Religionspädagogik Ostfries-land (ARO), www.aro-aurich.de, Aurich

Zeitschrift Entwicklungspolitik (2x monatlich),Ausgabe 8/9/2004 Themenschwerpunkt Kinder-arbeit, Verein zur Förderung der entwicklungspo-litischen Publizistik e.V. (Hrsg.), Frankfurt amMain

ZEP – Zeitschrift für internationale Bildungsfor-schung und Entwicklungspädagogik (4x jähr-lich), Heft 3/2003 „Kinderarbeit und Globalisie-rung“, Verlag für Interkulturelle Kommunikation(IKO), Frankfurt am Main

AktionenLasst uns Kinder Kinder sein! – Wasser ein Kinder-

recht, Aktionsmappe zum Weltkindertag 2004,Bundesvereinigung Ev. Tageseinrichtungen fürKinder e.V. (Hrsg.), Stuttgart

„Ökologische Bildung und Globales Lernen“,Arbeitsvorhaben im Amt für LehrerbildungHessen, Ansprechpartner: Martin Geisz undNina Melchers

www.weltweit-wichteln.org

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Wie leben Kinder anderswo - Informationen und Hinweise für Unterrichtende 53

Entwurf I(exemplarisch)

1. Allgemeine Informationen zum (jeweiligen)Land, dabei- Kinder in Recherche einbeziehen- mögliche Quellen: Eltern, Bibliotheken, Büche-

reien, Internet etc. (im Internet unter www. hmyne.net können

die Flaggen und einige Nationalhymnenaufgerufen werden)

2. Geographische Erkundung: Wo liegt ….?

3. Texte lesen- im Unterricht- als Hausaufgabe- Texte im Unterricht gemeinsam besprechen,

Fragen klären

4. - „Steckbrief“- Aufsatz (z.B. „Ich bin … und erzähle über

mein Leben/meine Familie/meinen Glauben)

5. Leben und Alltag vergleichen und nach jedemAbschnitt herausarbeiten:- Unterschiede (nach der Schule mitarbeiten, eine weitere

Schule besuchen, u.Ä.)- Gemeinsamkeiten (z.B. Liebe zum Fußball, Freude an gemeinsa-

mer Zeit mit dem Vater, u.Ä.)

6. Vertiefung:- Worin liegen die Unterschiede begründet?- Nachstellen von Situationen (z.B. Kolumbien: Wie es ist, mit vielen Men-

schen auf engem Raum zu leben.)

7. Spiele nachspielen,Rezepte ausprobieren,Lieder einüben

8. Bibelgeschichten gemeinsam lesen undin Bildern darstellen

9. Exkurse:- Reisanbau (Indonesien)- Kolonisation (Neuseeland)- Flucht und Migration (Kolumbien)- Fairer Handel (Kamerun)- HIV/AIDS (Russland) ggf. mit Besuch bei einer örtlichen Aidshilfe

oder Aidsseelsorge)- Glaubensgemeinschaften (ggf. Besuch eines evangelischen, katholi-

schen, orthodoxen Gottesdienstes und/oder einer Moschee oder Synagoge)

Entwurf II(am Beispiel Neuseelands)

1. Suchaufgabe: Wo liegt Neuseeland?

2. Text 1 Czenamin stellt sich vor ➜ „Steckbrief“ erstellen

3. Vortrag: Mein Schultag in Rotorua1. Markieren2. Stichwortliste3. Üben im Doppelkreis4. Einzelvorträge

4. Die Whakarewarewa-Schule1. Wir erstellen ein Informationsposter

(Gruppenarbeit)- Wichtige Zahlen- Darauf ist die Schule stolz- Das lernt man in der Schule- Die Schule und die alten Menschen des

Dorfes- Die Schulversammlung

2. Präsentation und Besprechung derGruppen-Poster

5. Feiern, Essen und Musik:1. Einüben des Liedes mit der ganzen Klasse2. Einüben des Stockspiels in Gruppenarbeit3. Präsentation der drei Gruppen4. Planung Anzac-Kekse für zwei Gruppen:

4.1. Wer bringt was mit?4.2. Wie wird die Arbeit aufgeteilt?

5. Essen wie die Vorfahren (Klassengruppe A)und Erdofen (Klassengruppe B)5.1. Lesen5.2. Stichwortliste5.3. Vortrag

5.3.1. Üben in den beiden Gruppen5.3.2. Doppelkreis

6. Czenamins Glaube1. Planen und Ausfüllen einer vergleichenden

Tabelle in Partnerarbeit2. Gemeinsame Reflexion

- Vergleich der Tabellen- Was haben wir mit diesem Thema Neues und

Wichtiges erfahren?

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Wie leben Kinder anderswo - Informationen und Hinweise für Unterrichtende54

Das bin ich: Ein Mädchen aus Neuseeland

Vorname

Nachname

Alter

Name Heimatland

Wohnort (seit)

Wohnortlage

Entfernung Stadt

Wohnung

Meine Mutter

Beruf

Mein Vater

Beruf

Mein Bruder

Berufswunsch

Mein Lieblingsfilm

Mein Star

Mein Hobby

Meine Instrumente

So sieht Neuseelandungefähr aus

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Wie leben Kinder anderswo - Informationen und Hinweise für Unterrichtende 55

Das bin ich: Ein Junge aus Russland

Kolja heißt eigentlich: ...................................................................................................................

Er hat noch einen 2. Namen: .......................................................................................

Kolja lebt in der großen russischen Stadt: .....................................................................

Das erzählt Kolja über sein Leben:..................................................................................................................................................

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Die Mama arbeitet viel:..................................................................................................................................

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Davon träumt Kolja:..................................................................................................................................

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Ein typischer Tag (am Beispiel Koljas)

Kolja muss morgens um 7.15 Uhr aufstehen. Und du? ....................................................

Äußerst ungern steht Kolja auf. Und du? ......................................................................

Daraus besteht Koljas Frühstück: ..................................................................................

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Am meisten nervt es Kolja morgens, dass er .................................................................

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Für den Schulweg brauchen Kolja und seine Schwester morgens etwa ...............................

Welche Schulfächer mag Kolja am liebsten?....................................................................

Was machen die Kinder nach dem Mittagessen? ............................................................

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Wie leben Kinder anderswo - Informationen und Hinweise für Unterrichtende56

Früchte aus aller Welt

Du findest hier Früchte, die Du auf dem Markt oder im Geschäft kaufen kannst. Mache einen Kreis umdie Früchte, die nicht bei uns wachsen. Wir bekommen sie aus Ländern, in denen es wärmer ist als beiuns. Versuche herauszubekommen, wo diese Früchte wachsen und auf welchem Wege sie zu uns gelan-gen. Du kannst die Früchte mit Buntstiften oder Wasserfarben anmalen.

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Pfarrer Dr. Christian Gossweiler und seine javanische Ehefrau Kristanti PebriNugrahani Gossweiler arbeiten seit 1995 in der Christlichen Kirche aus Nordmittel-java und unterrichten an der Theologischen Hochschule Abdiel, ausgesandt von derNeukirchener Mission. Christian Gossweiler ist Dozent unter anderem für BiblischeExegese, Missionswissenschaft sowie Christliche Kunst, Pebri Gossweiler unterrichtetdeutsche und italienische Bühnenaussprache im kirchenmusikalischen Zweig derHochschule.

Ron O’Grady, Theologe aus Neuseeland, war von 1973 bis 1981 stellvertretenderGeneralsekretär der Christlichen Konferenz von Asien und hat in dieser Zeit ent-scheidend zur Gründung der Asiatischen Vereinigung für Christliche Kunst beigetra-gen. Er ist als nebenamtlicher Pastor in einer Unionsgemeinde in Auckland tätig.Über Asien hinaus bekannt geworden ist er nicht nur durch seine Arbeiten zurchristlichen Kunst, sondern vor allem durch sein Engagement gegen die vorherr-schenden Formen des Tourismus und gegen die Kinderprostitution. Er gehört zuden Gründern der „Ökumenischen Koalition zum Tourismus in der Dritten Welt“und der „Ökumenischen Kampagne zur Beendigung der Kinderprostitution im asiati-schen Tourismus“ (ECPAT).

Ursula Holzapfel ist Gemeindereferentin und Pastoralpsychologin. Seit 23Jahren arbeitet die Saarländerin aus der Diözese Trier als Fachkraft der Arbeits-gemeinschaft für Entwicklungshilfe (AGEH) in Kolumbien. Zunächst zehn Jahre inder integralen Pastoralarbeit in der Diözese Quibdó/Chocó, dann neun Jahre in derMenschenrechtsarbeit im Pastoralteam der Kommission der Ordensleute für Gerech-tigkeit und Frieden in Medellín del Ariari/Meta, Turbo/Urab und Quibdó/Chocó undseit vier Jahren in der Kommission für Leben, Gerechtigkeit und Frieden der DiözeseQuibdó.

Dr. Fedor Kozyrev ist Biologe und Agrarwissenschaftler. Im Jahr 1994 schlosser ein Zusatzstudium für Lehrkräfte an der Theologischen Akademie St. Petersburgab und unterrichtete anschließend u.a. Religionspädagogik und arbeitete als Autor.Fedor Kozyrev ist Direktor am Religionspädagogischen Institut der InterchurchPartnership „Apostolic City“, Leiter der religionspädagogischen Abteilung derChristlichen Akademie für Geistes- und Sozialwissenschaften und Dozent an derChristlichen Universität St. Petersburg. Zudem engagiert er sich als Laie in derOrthodoxen Kirche und ist Mitglied von ISREV, des International Seminar onReligious Education and Values.

Reiner Rumohr ist Industriekaufmann und Volkswirt. Im Jahr 1983 übernahm erzum ersten Mal die Aufgabe, in einer afrikanischen Kirche die Finanzverwaltung zuorganisieren und Projektarbeit aufzubauen, damals in Äquatorialafrika. Seit 1992arbeitet Reiner Rumohr als Finanzberater bei der unierten Evangelischen KircheKameruns. Er ist verheiratet mit einer Kamerunerin und Autor des Buches „Ganznah die Ferne rückt – Begegnungen mit den Kulturen Kameruns, das im Jahr 2003im Verlag Otto Lembeck in Frankfurt am Main erschienen ist.

Autorinnen und Autoren

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Ein neues Bild der ErdeFlächentreue Weltkarte,

Peters Projektion

Jede Übertragung der Kugelgestalt der Erde aufeine Fläche bewirkt Verzerrungen, und es müssenKompromisse gefunden werden.Die üblichen Weltkarten verzerren die Größenver-hältnisse, wodurch die Länder nördlich des Äqua-tors größer erscheinen: Europa wirkt dann zumBeispiel doppelt so groß wie Südamerika (istaber nur halb so groß), Skandinavien wirkt sogroß wie Indien (obwohl Indien dreimal größerist), Grönland scheint größer als China (ist abernur ein Viertel so groß).

Die flächentreue Weltkarte, entwickelt vondem Ende 2002 verstorbenen Bremer HistorikerProf. Dr. Arno Peters, hebt diese Verzerrungenauf und verhilft so zu einem neuen Weltbild.Die flächentreue Weltkarte, herausgegeben vomEvangelischen Missionswerk in Deutschland, istim Missionshilfe Verlag erschienen und kostet11,80 Euro (zzgl. Versand). Bestelladresse:Missionshilfe Verlag, Normannenweg 17-21,20537 Hamburg, Tel. (040) 25456-143, Fax(040) 254556-443, E-Mail [email protected]