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Schweizer Vogelschutz SVS - BirdLife Schweiz Wiedingstr. 78 Postfach 8036 Zürich Tel. 01 463 72 71 Fax 01 461 47 78 [email protected] www.birdlife.ch PC 80-69351-6 Kleinstrukturen-Praxismerkblatt 4 Wildbienennisthilfen Viele Wildbienen nagen sich ihre Nisthöhlen an Abrisskanten, im Erdboden, in Pflanzen- stängeln oder Holz selbst. Andere nisten in Hohlräumen in Erd-, Fels- und Mauerspalten, in Totholz oder Schneckenhäusern. Eine dritte Gruppe, die Kuckucksbienen, bauen keine eige- nen Nester, sondern schmarotzen bei andern Bienen. Die einzelnen Bienenarten stellen oft ganz spezifische Ansprüche einerseits an den Nistplatz und andererseits an die Futterpflan- zen. Wohnungsnot und Nahrungsmangel sind verbreitet. Mit geringem Aufwand können für Wildbienen diese Mangelerscheinungen behoben werden. Davon profitieren auch ver- schiedene Wespenarten, effektive Räuber vieler Schadinsekten, Käfer und Fliegen. Standort: Geeignet sind in erster Linie gut besonnte und vor Regen geschützte Stellen im Siedlungsraum (Hauswand, Pergola, Balkonbrüstung etc.) und der Kulturlandschaft; bevorzugt südwest- bis südostexpo- nierte Standorte. Material: Hartholz, hohle und markhaltige Stängel (Bambus, Brombeere, Himbeere, Holunder, Disteln, Kar- den, Sommerflieder etc.); Strangfalzziegel (Ziegel mit Löchern auf der Stirnseite); morsches Holz (starke Äste, Stammholz, Zaunpfähle etc.); nicht zu fetter Lösslehm oder leicht tonhaltiger Sand, Sand, sandiger Lehm oder Rohboden; Säge, Konservendosen, Backsteine, Draht, Bohrer, Rebschere, Schaufel, Schubkarre. Aufbau: Wildbienen nutzen verschiedene Kleinstrukturen als Nistplätze: Hohlräume aller Art: (1) Bambusrohre von 3-10 mm Innendurchmesser werden hinter dem Knoten ab- gesägt (Schilf o.ä. eignet sich dazu nicht, da es zu weich ist). Die mindestens 20 cm langen Stücke wer- den einzeln in Backsteinen oder als Bündel in Tonröhren, Konservendosen oder ähnlichen Behältnissen waagrecht ausgelegt. (2) In gelagertes, entrindetes und unbehandeltes Hartholz (z.B. Eiche, Buche, Esche) werden in einem Abstand von mindestens 2 cm Löcher von mindestens 5 cm Tiefe (maximale Bohrtiefe ausnutzen!) und 2-10 mm Durchmesser gebohrt. Die Oberfläche wird mit feinem Sandpapier geglättet, das Bohrmehl wird ausgeklopft und die Bohrlöcher werden von Holzfasern gereinigt. Markhaltige Stängel: Im Herbst werden ca. 1 m lange Stängel geeigneter Pflanzen geschnitten, Blüten- stände und Seitentriebe entfernt und die Stängel an einem trockenen Ort während des Winters einge- lagert. Im Mai werden die Stängel einzeln senkrecht oder leicht geneigt aufgestellt oder beispielsweise am Gartenzaum festgebunden. Die Stängel müssen bis im folgenden Sommer unverändert belassen wer- den, da die Larven der Bienen im Stängel überwintern. Bei Heckenrosen und Holundersträuchern ge- nügt es, mit der Rebschere die Enden dürrer Zweige abzuschneiden. Morsches Holz: Abgestorbene Bäume oder Äste und Zaunpfähle stehen lassen oder zu Haufen stapeln. Das Holz bis zur völligen Verrottung belassen. Steilwände: Bei kleinen Mäuerchen kann teilweise Lehm als Fugenfüllung verwendet werden. Eternit- kisten von mindestens 15 cm Tiefe werden mit feuchtem Lehm gefüllt und mit einem Stöckchen werden kurze Gänge von 5-8 mm Durchmesser eingestochen. Ton oder fetter Lehm sind nicht ge- eignet, da sie zu hart sind. Das Substrat sollte im trockenen Zustand mit dem Fingernagel abschab- bar sein. Die Mini-Steilwand wird 50-100 cm über dem Boden an südexponierter und vor Regen ge- schützter Stelle aufgestellt. Albert Krebs, Agasul

wildbienennisthilfen

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Standort: Geeignet sind in erster Linie gut besonnte und vor Regen geschützte Stellen im Siedlungsraum (Hauswand, Pergola, Balkonbrüstung etc.) und der Kulturlandschaft; bevorzugt südwest- bis südostexpo- nierte Standorte. Albert Krebs, Agasul

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  • Schweizer Vogelschutz SVS - BirdLife SchweizWiedingstr. 78 Postfach 8036 ZrichTel. 01 463 72 71 Fax 01 461 47 [email protected] www.birdlife.ch PC 80-69351-6

    Kleinstrukturen-Praxismerkblatt 4WildbienennisthilfenViele Wildbienen nagen sich ihre Nisthhlen an Abrisskanten, im Erdboden, in Pflanzen-stngeln oder Holz selbst. Andere nisten in Hohlrumen in Erd-, Fels- und Mauerspalten, inTotholz oder Schneckenhusern. Eine dritte Gruppe, die Kuckucksbienen, bauen keine eige-nen Nester, sondern schmarotzen bei andern Bienen. Die einzelnen Bienenarten stellen oftganz spezifische Ansprche einerseits an den Nistplatz und andererseits an die Futterpflan-zen. Wohnungsnot und Nahrungsmangel sind verbreitet. Mit geringem Aufwand knnen frWildbienen diese Mangelerscheinungen behoben werden. Davon profitieren auch ver-schiedene Wespenarten, effektive Ruber vieler Schadinsekten, Kfer und Fliegen.

    Standort: Geeignet sind in erster Linie gut besonnte und vor Regen geschtzte Stellen im Siedlungsraum(Hauswand, Pergola, Balkonbrstung etc.) und der Kulturlandschaft; bevorzugt sdwest- bis sdostexpo-nierte Standorte.

    Material: Hartholz, hohle und markhaltige Stngel (Bambus, Brombeere, Himbeere, Holunder, Disteln, Kar-den, Sommerflieder etc.); Strangfalzziegel (Ziegel mit Lchern auf der Stirnseite); morsches Holz (starkeste, Stammholz, Zaunpfhle etc.); nicht zu fetter Lsslehm oder leicht tonhaltiger Sand, Sand, sandigerLehm oder Rohboden; Sge, Konservendosen, Backsteine, Draht, Bohrer, Rebschere, Schaufel, Schubkarre.

    Aufbau: Wildbienen nutzen verschiedene Kleinstrukturen als Nistpltze: Hohlrume aller Art: (1) Bambusrohre von 3-10 mm Innendurchmesser werden hinter dem Knoten ab-

    gesgt (Schilf o.. eignet sich dazu nicht, da es zu weich ist). Die mindestens 20 cm langen Stcke wer-den einzeln in Backsteinen oder als Bndel in Tonrhren, Konservendosen oder hnlichen Behltnissenwaagrecht ausgelegt. (2) In gelagertes, entrindetes und unbehandeltes Hartholz (z.B. Eiche, Buche,Esche) werden in einem Abstand von mindestens 2 cm Lcher von mindestens 5 cm Tiefe (maximaleBohrtiefe ausnutzen!) und 2-10 mm Durchmesser gebohrt. Die Oberflche wird mit feinem Sandpapiergeglttet, das Bohrmehl wird ausgeklopft und die Bohrlcher werden von Holzfasern gereinigt.

    Markhaltige Stngel: Im Herbst werden ca. 1 m lange Stngel geeigneter Pflanzen geschnitten, Blten-stnde und Seitentriebe entfernt und die Stngel an einem trockenen Ort whrend des Winters einge-lagert. Im Mai werden die Stngel einzeln senkrecht oder leicht geneigt aufgestellt oder beispielsweiseam Gartenzaum festgebunden. Die Stngel mssen bis im folgenden Sommer unverndert belassen wer-den, da die Larven der Bienen im Stngel berwintern. Bei Heckenrosen und Holunderstruchern ge-ngt es, mit der Rebschere die Enden drrer Zweige abzuschneiden.

    Morsches Holz: Abgestorbene Bume oder ste und Zaunpfhle stehen lassen oder zu Haufen stapeln.Das Holz bis zur vlligen Verrottung belassen.

    Steilwnde: Bei kleinen Muerchen kann teilweiseLehm als Fugenfllung verwendet werden. Eternit-kisten von mindestens 15 cm Tiefe werden mitfeuchtem Lehm gefllt und mit einem Stckchenwerden kurze Gnge von 5-8 mm Durchmessereingestochen. Ton oder fetter Lehm sind nicht ge-eignet, da sie zu hart sind. Das Substrat sollte imtrockenen Zustand mit dem Fingernagel abschab-bar sein. Die Mini-Steilwand wird 50-100 cm berdem Boden an sdexponierter und vor Regen ge-schtzter Stelle aufgestellt.

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  • Offene Bodenflchen: An geeigneten Standorten wird der Boden 30 cm tief abgetragen und mit Sandoder sandigem Lehm aufgeschttet. Gut geeignet sind auch breite Fugen von Pltzen und Wegen aufSand.

    Pflege: Wildbienennisthilfen brauchen wenig Pflege. Wenn ein Grossteil der Nistgelegenheiten genutzt ist,sollte das Angebot erweitert werden. Es sollten jedes Jahr neue markhaltige Stngel ausgebracht werden,die alten sind aber einige Jahre zu belassen. Wchst die Vegetation zu stark in die offenen Bodenflchenund Anrisse ein, ist sie zu entfernen. Da neben den Nistpltzen das Bltengebot entscheidend ist, muss diePflege der Umgebung bercksichtigt werden.

    Aufwand: Der Aufwand fr den Bau und Unterhalt der Nisthilfen ist generell gering. Mit wenig Materialund einem geringen Zeitaufwand kann einiges erreicht werden. Der Aufwand fr die Umgebungsgestal-tung ist grsser: pflanzen und hegen geeigneter Nektar- und Pollenpflanzen.

    Besonderes: Nisthilfen anzubieten, macht dann Sinn, wenn in der Nhe naturnahe Flchen mit einheimi-schen Bltenpflanzen vorhanden sind. Da einige Wildbienen bereits ab Mrz fliegen, sind frhblhende Ar-ten wie Lungenkraut, Hohler Lerchensporn, Kriechender Gnsel, Taubnessel wichtig. Wildbienen haben sichteilweise auf Pflanzen oder Pflanzengruppen spezialisiert. Es ist deshalb sinnvoll, mehrere nah verwandtePflanzenarten wie Schmetterlingsbltler oder Rosengewchse anzupflanzen, damit bei Schlechtwetterpe-rioden auf verwandte, spter blhende Arten ausgewichen werden kann. Wildstrucher wie Schwarzdorn,Brombeeren oder Wildrosen sind begehrte Nahrungsquellen. Idealerweise ist von Mrz bis September eineandauernde Bltenfolge vorhanden. Blumenreiche Wiesen sollten locker eingest werden, damit zugleichNistpltze fr im Boden nistende Wildbienen geschaffen werden.Die Liste wichtiger Bltenpflanzen ist lang. Unten stehend eine Auswahl: Blumenwiesen: Horn- und Hufeisenklee, Esparsette, Zaunwicke, Flockenblume, Schafgarbe, Margerite,

    Wiesen-Salbei, Kriechende Gnsel, Witwenblume, Skabiose, Wiesenplatterbse, Gamander-Ehrenpreis,Glockenblumen, Hahnenfuss, Wiesen-Kerbel, Wiesen-Pippau, Rauher Lwenzahn, Gewhnliches Fer-kelkraut, Disteln (ausser Ackerkratzdistel)

    Bume und Strucher: Ahorne, Weiden, Obstbume, Beerenobst, Weissdorn (Achtung: Feuerbrand),Schwarzdorn

    Flachdcher: Fetthennen, Steinkraut, Frberkamille, Rundblttrige Glockenblume Kchen- und Gewrzkruter: Garten-Salbei, Muskateller-Salbei, Ysop, Melisse, Bergbohnenkraut, Fen-

    chel, Boretsch, Thymian

    Bewohner und Nutzer: Knapp 600 Wildbienenarten leben in der Schweiz, davon rund die Hlfte auch imSiedlungsraum. Geeignete Niststandorte und ein vielfltiges Bltenangebot sind die wichtigsten Lebens-raumrequisiten. In Hohlrumen nisten Mauer-, Lcher-, Dster-, Scheren- und Blattschneiderbienen; inmarkhaltigen Stngeln Keulhorn-, Mauer-, Dster-, Masken-, Blattschneider- und Kegelbienen; im mor-schen Holz neben zahlreichen Kferarten Blattschneider-, Holz- und Pelzbienen; in Steilwnden Pelz-, Sei-den-, Masken-, Furchen- und Blattschneiderbienen. Bodennistende Wildbienen sind u.a. Woll- und Blatt-schneiderbienen, die auch unter Steinen und in Erdspalten in Steingrten nisten. Von Wildbienennisthilfenprofitieren auch verschiedene Wespenarten, effektive Ruber vieler Schadinsekten, Kfer und Fliegen.

    Vernetzung: Viele Wildbienen brauchen zum Nisten, fr das Baumaterial und zum Nektar- und Pollensam-meln verschiedene Strukturen nebeneinander. Generell gilt: je nher, desto besser. Als grobe Faustregel berden Aktionsradius um die Brutzelle gilt: Kleine Bienen (4-5 mm Krperlnge): bis 50 m Mittelgrosse Bienen (5-10 mm): bis 300 m Grosse Bienen (grsser als 10 mm): bis 500 m.

    Weitere Unterlagen:Mosler-Berger, C. (1994): Hilfe fr Wildbienen. Merkblatt 13/1. Infodienst Wildbiologie & Oekologie, Zrich.Mller, A., Krebs, A. & Amiet, F. (1997): Bienen. Mitteleuropische Gattungen, Lebensweisen, Beobachtung. Naturbuch

    Verlag, Mnchen.Pro Natura Baselland (2001): Ein Haus fr Wildbienen. Nisthilfen zum Ansiedeln und Beobachten von Wildbienen im

    Siedlungsraum. Pro Natura Baselland, Liestal.Westrich, P. (1990): Die Wildbienen Baden-Wrttembergs. Band 1: Allgemeiner Teil; Band 2: Spezieller Teil. Verlag Eu-

    gen Ulmer, Stuttgart.Westrich, P. (1998): Wildbienen am Haus und im Garten. Arbeitsbltter zum Naturschutz 22. Landesanstalt fr Um-

    weltschutz Baden-Wrttemberg, Karlsruhe.

    Schweizer Vogelschutz SVS BirdLife Schweiz, 2003