Winkler, Ein Beispiel Liturgievergleichender Untersuchung

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  • Ein BeispielliturgievergleichenderPhilologische und strukturelle Anmerkungen

    zur Erforschung der Anamnesein den westlichen und stlichen Riten

    fr Angelus Huling OSB

    GABRIELE WINKLER

    Beim rmischen Canon Missae lllugevvi generellvom Meopfer gesprochenwerden, was schon nicht mehr n gleichen Umfang fr die nichtrmische westlicheLiturgie gilt. Das heit, selbstfr den Westen zeichnet sich bereits ein differenziertesBild ab: Die rmische Messe k~nnt das Opfer als zentralen Leitgedanken, was sichdann in der Anamnese konzentriert widerspiegelt. Nicht in diesem Ausma der alt-spanische, altgallische und keltische Ritus, wie wirnoch sehen werden.

    Beim christlichen Osten mu. als erstes zwischen Oblatio (Darbringung) und5acrificiu111 unterschieden werden, wobei den Anamnesen.in ihrer frhen Schichtselbst die Oblatio oftmals unbekannt ist, und bei den ostsyrischen Formularen un-bersehbar ist, da die Erwhnung der Oblatio primr und die des 5acrificiu111ssekundr ist. Das heit, bei den ostsyrischen Anaphoren ist z. B. ein deutlicher Ent-wicklungsproze zu beobachten: im gesamten eucharistischen Hochgebet von Addaiund Mari, dem ltesten bstsytischen Formular, kommt nur qurbl1 (= oblatio) vor,der Begriff deb~1 (= sacrificiu111) fehlt noch. In den spteren Anaphoren, die demNestorius bzw. Theodor von Mopsuestia zugeschrieben wurden, finden wir bei Durch-sicht des gesamten Eucharistischen Hbchgebets erstmals neben qurbl1 (= oblatio)auch noch debh (= sacrificht111).I Daraus ist bereits ersichtlich, wie genau man beiden bersetzungen vorzugehen hat, jedoch wurde dieser Unterschied keineswegs beiden bersetzungen immer bercksichtigt.

    Im Armenischen entspricht iJncay der oblatio und patarag dem sacnficium. Im syri-schen Sprachgebrauch ist bis heute qurbtinti als Bezeichnung der gesamten Eucharistiefeier er-halten geblieben, wie dies auch mit dem Begriff Anaphora (= oblatio) fr die byzantinischeLiturgie deutlich wird. Im armenischen Ritus ist offensichtlich ein Wandel eingetreten: Der Be-griff patarag (sacrificium) als Terminus techniclls fr die Eucharistiefeier ist bereits bei derSynode von Theodosiopolis [= Karin] zur Zeit Kaiser Justinians (685-695) belegt, wie das arme-nische Rechtsbuch (Kanonagirlc' Hayoc) erkennen lt, wo es im letzten und neunten Kanonheit: vasn zgesti lc'ahanayin or i pataragn ew sarlcawagin (ber die Kleidung des Priestersund des Diakons beim Opfer)? Im Gegensatz dazu ist auf der Synode zu Dwin von 555 nochvom Brot der Oblatio (lwc' iJncayi) die Rede.3 Das ltere iJncay (= oblatio), von dem sicht-

    1. S. dazu die theologische Untersuchung von B. Spil1lcs, Eucharistie Offering in the East Syrian Anaphoras:OrChrP 50 (1984) 347-371.2. Vgl. V. Hakobyal1, Kanonagirk' Hayoc' II. Erevan 1971, 246. Zu dieser Synode s. M. val1 Esbroeck, Arme-nien und die Penthekte: Annuarium Historiae Conciliorum 24 (1992) 82-83.3. Vgl. Girk'T'It'oc'. Tiflis 1901, 73Z. 7-8.

  • I. Der Westen

    Hier wren (1) die. rmische Messe, (2) die nichtrmischen Riten, wie z. B. die alt-gallische Liturgie, und (3) das altspanische Meformular anzufhren. In der rmi-

    sc~en Li:urgie wird z. R die Anamnese mit Unde et memores eingeleitet, und siemundet In die Darbringung des Opfers ein, mit der sich anschlieenden Bitte umseine Annahme. Sehen wir uns die Struktur und den Wortlaut genauer an:DIE LITURGIA ROMANAPrex Eucharistica, 434-4351. DIE ANAMNESEUnde et memores surnus ... beataepassionis ... etc.8

    4. Vgl. Armenischer Thesaurus (Nor bargirk' haykazean lezui) lI, 605.5. Zur L~tinisierungdes armenischen Ritus vgl. G. Winkler, Armenia and the Gradual Decline of its Liturgi-cal Practlces as a Result of the Expanding Influence of the Holy See from the 11th to th 14th C .BEL.S 7 (Rom 1976) 329~368. e entury.6. ygI.]. A. Ju~gmann, Missarum Sollemnia. Eine genetische Erklrung der rmischen Messe I-lI. Wien/FrelburgfBasel 1~62. Was Jungmann jedoch im ersten Band, 33-36, zum Verstndnis der Eucharistia alsOpfer In den .fruhen Quellen sagt, mte doch nochmals genauer hinterfragt werden; Es kann sicher nichtbehauptet werden,. ~a. der Opfercharakter ganz allgemein vorauszusetzen ist, auch scheint mir die still-schweigende IdentifIZIerung von oblatio mit sacrificium (34) nicht zulssig zu sein. Dies zeigt . h 'tbesonderer Deutlichkeit bei den stlichen Liturgien. SIC ml7.. Vgl. A. Hnggi - Irmgard Pahl (Hrsg.), Prex Eucharistica. Textus e variis liturgiis antiquioribus selecti.Fnbourg 1968.8. Zur Anamnese vgl. H. Lietzmann, Messe und Herrenmahl. Eine Studie zur Geschichte der Liturgie.Bonn 1926, 58-59.

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    weisen beide lediglich eine sehr kurze Anamneseauf, der Opfergedanke fehlt also.spricht von immolare (wrtl.: immolatur).hostia

  • 296 Gabriele 1I\fi'11I,lov Ein Beispielliturgievergleichender Untersuchung 297

    11. G. Winklei; Weitere Beobachtungen zur frhen Epiklese (den Doxologien und dem Sanctus). ber dieBedeutung der Apokryphen fr die Erforschung der Entwicklung der Riten: OrChr 80 (1996) 177-200,12. Zur Seltenheit der Anamnese vg!. Lietzmalm, 62-68.13. A. Baumstark, Die Messe im Morgenland, Kempten/Mnchen 1906, 143.

    II. Die Anamnese in den stlichen AnapllOren

    14. Vg!. H, Engberding, Das Eucharistische Hochgebet der Basileiosliturgie, Mnster 1931.15. Fr sah Bas vg!. ]. Doresse - E. Lalme, Un temoin archaique de la liturgie copte de s. Basile: Biblio-theque du Museon 47 (1960); boh Bas:]. A. Assemani,'Codex Liturgicus VII/2. Rom 1754; th Bas: S. Eurin-gel; Die thiopische Anaphora des heiligen Basilius nach vier Handschriften: Orientalia Christiana 36(1934); gr Bas: E. Renaudot, Liturgiarum orientalium collectio 1. Frankfurt 1824.16. Vg!. Engberding, LXXIII, LXXXVII.17. Vg!.]. Catergian-]. Dashiall, Die Liturgien bei den Armeniern (in Armenisch). Wien 1897.18. Vg!. I. E. Rahmani, Missale Syriacum iuxta ritum Ecclesiae Apostolicae Antiochenae Syrorum (in Sy-risch). Sharfeh 1922.

    schlieenden Anamnese ein anderes Ordnungsprinzip finden mssen. Gewi ist dieserAbschnitt nicht vom Opfergedanken geprgt, sondern in allen orientalischen Ana-phoren der antiochenischen Familie tritt an seine Stelle die Epiklese, wie wir gleichnoch sehen werden.

    Aus der berwltigenden Vielfalt stlicher Anaphoren in Griechisch, Syrisch, Kop-tisch, thiopisch, Armenisch und Georgisch soll nun eine sehr kleine Auswahl kurzvorgestellt werden; fr eine ausfhrlichere Untersuchung der Texte von der Anam-nese bis einschlielich der Epiklese mit Anfhrung der jeweiligen Quellen im Original(einer bersetzung, unter Einbezug einer Besprechung des syrischen, armenischen,georgischen, koptischen und thiopischen Vokabulars, insbesondere bei der Analyseder Epiklese) verweise ich auf meinen Beitrag in der Orientalia Christiana Periodica(1997).

    Hier soll nur kurz meine Arbeitsweise dargelegt werden: (1) die Quellen werden im Originaleingesehen; dies ermglicht das sofortige Erfassen der Termini te cl111 ici; (2) die ausschlielicheVerwendung kritischer Ausgaben, soweit sie vorliegen; (3) somit liegen also auch philologischeErwgungen meiner Liturgie companie zugrunde. Hier bleibe ich den methodischen Grundst-zen eines Anton Baumstark und seines Schlers Hieronymus Engberding verpflichtet, und dieswohlweislich, scheinen sie mir doch die beste Garantie fr ein solides Fundament bei der Errte-rung des jeweiligen Befunds zu geben.

    Als erstes soll wenigstens umrihaft auf die wichtige sog. Basilius-Anaphora14 ein-gegangen werden, die in allen orientalischen Redaktionen vorliegt, wobei der gypti-schen berlieferung (mit dem sahidischen Fragment, der jeweiligen bohairischen,thiopischen und griechischen Version = sah Bas, boh Bas, th Bas, gr Bas)15 eine be-sondere Bedeutung zukommt, denn nach H. Engberding stehen wir mit diesen Zeugennoch vor der ltesten und vorbasilianischen Textgestalt.16

    Nicht minder bedeutsam sind fr unsere Untersuchung die erste armenische Redak-tion (arm Bas I?7 und die syrische Version (syr Bas),18 die zwar bereits die Weiterent-wicklung des Formulars erkennen lassen, jedoch mit dem Fehlen einer Darbringungnoch ltere Zge als die gyptische berlieferung der sog. Basilius-Anaphora aufweistund meines Erachtens an dieser Stelle die nicht erhalten gebliebene Urgestalt der Basi-

    ]lOstiasacrificiumhastiahastiahastiakein Hinweis auf das Opfen

  • liusliturgie (Ur Bas) reflektieren drften.I9 Zeitlich spter als der gyptische Tradi-tionsstrang von Bas, aber auch als arm Bas I wie syr Bas, ist die byzantinische Text-gestalt (byz Bas)20 anzusetzen, aus der arm Bas n21 hervorgegangen ist, wobei armBas n nach Engberding auch noch hochaltertmliches Formelgut bewahrt hat, das mitUr Bas im Verbindung gebracht werden mu?2 Beginnen wir mit der ersten armeni-schen Redaktion (arm Bas I) und der syrischen Textgestalt (syr Bas).arm Bas ICatergian-Dashian, 138, 140

    1. ANAMNESE(1) Und nun, Herr, denken wir aufgrund dieses Gebots an (2) das heilige Leiden dessen, der fruns (3) am Kreuz [hing], (4) das dreitgige Begrabensein, (5) die selige Auferstehung, (6) diegttliche Auffahrt in den Himmel, (7) das Sitzen zur Rechten des Vaters,laut:(8) sein herrliches und schreckliches wie nochmaliges Kommen.11. LOBPREISDas Volle:(2) In allem bist du gepriesen, Herr. (3) Wir preisen dich, (4) wir rhmen dich, (5) wir dankendir, (6) dich bitten wir, (7) Herr, unser Gott.EINSCHUBDer Priester:(1) Deshalb, Herr, wagen auch wir Elendigen, (2) die du wrdig gemacht hast fr den Dienst andeiner Heiligkeit - (3) nicht wegen unserer Rechtschaffenheit, (4) denn gar nichts Gutes habenwir auf der Erde getan, (5) sondern wegen deines Erbarmens und Mitleids, (6) das du in uns aus-gebreitet hast -, [uns] deinem makellosen und heiligen Altar zu nhern, (8) und das Beispiel desLeibes und Blutes deines Christus festzulegen.

    III. EPIKLESE

    Wie der armenische Text in deutscher bersetzung erkennen lt, besteht dieserAbschnitt: 1. aus der Anamnese, 11. einem Lobpreis, III. der Epiklese. Eine Darbrin-gung gibt es nicht! Zwischen dem Lobpreis und der Epiklese findet sich ein von mirals Einschub charakterisierter Teil, der die Unwrdigkeit des Zelebranten und Got-tes Nachsicht zum Thema hat. Dieser Einschub ist sekundr, wie ein Vergleich mit al-len gyptischen Vertretern (sah Bas, boh Bas, th Bas, gr Bas) zeigt, das heit, dieserEinschub fehlt im gesamten gyptischen Traditionsstrang ! Auch wenn wir keinegyptischen Zeugen htten, wre dies aus dem Inhalt des ganzen Abschnitts zu schlie-en, denn der Einschub unterbricht den Gedankengang von Gottes Lobpreis, der in dieEpiklese einmndet.

    EINSCHUBwenn du die Welt richtest ...[ete.: dieser Teil hat die Bitte um Nachsicht beim Jngsten Gericht zum Inhalt.]11. DANKSAGUNG UND LOBPREIS(1) und uns [elenden Sndern folge deine Huld, (2) und wir sagen dir Dank aus allem und fralles.f4Das Volk:(1) Dich preisen wir, [(2) dich rhmen wir, (3) dich beten wir an, (4) und wir flehen den Herrn,Gott, an, (5) da du uns schonen mgest in unserem Elend.f5III. EPIKLESE

    299Ein Beispielliturgievergleichender Untersuchung

    In beiden Quellen, arm Bas I und syr Bas, ist der zentrale Leitgedanke nicht eineDarbringung und schon gleich gar nicht das Opfer - beides gibt es nicht! -, son-dern der an die Anamnese sich anschlieende, vom Volk getragene Lobpreis, derwiederum in die Epiklese einmndet.

    Das gleiche gilt fr die syrische Zwlf-Apostel-Liturgie (syr Ap). Dazu ziehe ich diekritische Ausgabe von A. Raes in der Serie Anaphorae Syriacae heran26 und behalteseine vorbildliche lateinische bersetzung bei, weil in einigen Beitrgen namhafterLiturgiewissenschaftler irgendein lateinischer Text verwendet wurde, der nicht mitder kritischen Ausgabe und der von Raes vorgelegten bersetzung bereinstimmt.syr ApRaes, Anaphorae Syriacae 1/2 (Nr. V), 218/2191. ANAMNESESacerdos:(1) Dum igitur memores sumus, Domine, (2) praecepti salutaris et totius oeconomiae tuae, quaepro nobis facta est, (3) crucis, (4) resurrectionis tertia die a mortuis, (5) et ascensionis in coelum,

    Die syrische Version (syr Bas) hat nicht nur einen anderen Einschub, sondern er istauch an anderer Stelle eingefgt worden. Von weitaus grerer Bedeutung als die Pr-senz eines sekundren Einschubs ist die Tatsache, da keine Darbringung vorliegt,worin syr Bas mit arm Bas I bereinstimmt.

    syr BasRahmani,181-18223

    1. ANAMNESE(1) Deshalb, Herr, erinnern auch wir uns an (2) dein Kommen im Fleisch, (3) und deinen Tod,(4) und deine Auferstehung von den Toten am dritten Tag, (5) deine Auffahrt in den Himmel,(6) dein Sitzen zur Rechten Gottes, des Vaters, (7) und deine furchtbare und herrliche Wieder-kunft,

    Gabriele Winkler298

    19. Mit meiner Behauptung modifiziere ich teilweise Engberding; seine methodisch mustergltige Unter-suchung der Basilius-Anaphora umfate leider nur den 1. Teil der Anaphora, ausgeklammert blieben: dasEnde der Oratio post Sanctus, die Narratio Institutionis, die Anamnese und die Epiklese.20. Vgl. F. E. Brightman, Liturgies Eastern and Western 1. Oxford 1896,328-329.21. Vgl. Catergian-Dashian, 204--205.22. Vgl. dazu das Stemma von Engberding, LXXXVI-LXXXVII.

    23. Ich bersetze den syrischen Text von: Rahmani, Missale Syriacum, 181-182; lat. bersetzung beiRenaudot II, 548-549.24. Nur das Incipit wird in der syrischen Ausgabe geboten; die lat. bersetzung von Renaudot bringt denganzen Text.25. S. vorangehende Anm.26. Vgl. A. Raes, Anaphora Syriaca Duodecim Apostolorum I: Anaphorae Syriacae 1/2 Nr. V. Rom 1940.

  • 27. Vgl. Assemal1i.CodexLiturgicusVII/2.56-57;amerikanischeAusgabederOrthod.St. Markuskirche(Los Angeles 1974) 176-178 und die Edition von Kairo (o.}.) 331-333 (kopt. u. arab. Pag.); die letzteren bei-den Ausgaben mit arab. Rubriken.28. Vgl. Catergial1-Dashian, 204.

    DARBRINGUNG(1) Wir bringen dir diese deine Gaben von dem Deinen dar.II. LOBPREIS(1) Entsprechend aller Dinge undfr alle Dinge in allen Dingen:Diaconus:(2) Betet Gott an in Furcht und Zittern.Populus adorat dicens:(3) Wir loben dich, (4) wir preisen dich, (5) wir dienen dir, (6) wir beten dich an.III. EPIKLESE

    Die byzantinische Textgestalt (byz Bas)und die zweite armenische Redaktion (armBas II) sind insofern von grerer Bedeutung, als sie ebenso eine beilufige Darbrin-gung bieten, die einen sehr schlichten Wortlaut hat. Ich zitiere arm Bas II: 28 Das

    Deine von dem Deinigen bringen wir dar (matuc'anemk'}; inPartizip wiedergegeben: rr:QoaepEQovn:c;.29

    Ein Beispielliturgievergleichender Untersuchung

    29. Vgl. Brigiitman, 329.30. Wie das auch bei Renaudots lateinischer bersetzung bercksichtigt wurde: pro omnibus, propter om-nia, et in omnibus bzw. secundum omnia, per omnia, et in omnibus; Rel1audot I, 67, 98.31. Vgl. A. Raes, KATA I1ANTA KAI ~IA I1ANTA: OrChr 48 (1964) 216, 217.32. Vgl. dazu meine Untersuchung der Entwicklungsgeschichte des armenischen Symbolums unter Ein-bezug des georgischen, syrischen und thiopischen Befunds (in Vorbereitung fr den Druck).

    ber die Funktion des Lobpreises und des >>nach allem und im Hinblick auf alle oder entsprechend allem und fr alle;bohairisch: entsprechend aller Dinge und fr alle Dinge und in allen Dingen); die berset-zung sollte also mglichst wortgetreu den einzelnen orientalischen Versionen folgen.30 A. Raeshatte bereits berzeugend dargelegt, da sich dieses Xata JtCXVta xat {'na Jtavta nicht auf dieDarbringung bezieht, wie das in allen Ausgaben auf so miverstndliche Weise nahegelegtwird, sondern dem Lobpreis zugeordnet werden mu.31

    Der Priester verweist mit dem Xata JtCxvta xat {'na Jtavtu auf den von ihm gesprochenenLobpreis und die Danksagung, genauer gesagt auf die vor allem christologischen Heils-geheimnisse, die im Lobpreis und in der Danksagung zur Sprache kommen, um dann vomVolk in seinem Lobpreis bernommen zu werden. Beides, das Xata Jtavta xaL {)la JtCIvta wieder nachfolgende Lobpreis, wre demnach vor allem als an Christus gerichtet aufzufassen, dennin den aufgezhlten Heilstaten bei der Oratio post Sanctus, der Narratio Institutionis undAnamnese geht es ja um die verschiedenen Heilsetappen, wobei die gesamte Oratio post Sanc-tus mit der Narratio Institutionis und der Anamnese des fteren dem christologischen Teil desTaufbekenntnisses folgen.32 Hier fgt sich auch nahtlos der Befund mehrerer, vor allem syri-scher Anaphoren an, die die Oratio post Sanctus an Christus richten.

    Zum Abschlu ist nochmals darauf hinzuweisen, da eine groe Vielfalt stlicherAnaphoren keine Darbringung und schon gleich gar keine Darbringung des Op-fers nach dem Einsetzungsbericht bzw. der Anamnese kennt. Ja, es ist sogar fest-zustellen, da die orientalischen Christen an dieser Stelle nicht gerade beeindrucktwaren vom Gedanken der Oblatio oder des 5acrificium. Dazu gehren z. B. dieAnaphoren folgender Riten (diejenigen, die nicht einmal eine Anamnese besitzen,wurden mit einem Asterisk gekennzeichnet):armenisch: arm Bas I, arm Jak arm Kyrill, arm Ignatius etc.;thiopisch: Kyrill I U. IP, Marienanaphora P, 318 orthod. Vter", Athanasius", Basilius,

    Gregorius", Epiphanius", Chrysostomus, Jakob von Sarug", Dioskur";westsyrisch: Gregor von Nazianz, 12 Apostel I u. II, Dioskur I U. II, Kyrill, Jakob von Sarug I,

    Johannes Saba, Thomas, Johannes von Bostra, Jakob von Edessa etc. etc.

    Gabriele Winkler

    (6) et sessionis ad dexteram maiestatis Patris, (7) et adventus tui secundi gloriosi in quo futuruses cum gloria iudicare vivos et mortuos et retribuere omnibus hominibus secundum operaeorum cum philanthropia; (8) namque supplicat tibi ecclesia tua (9) et grex tuus et per te actecum Patri tuo dicens: (10) Miserere mei.Populus:(11) Miserere.II. DANKSAGUNG UND LOBPREISSacerdos:(1) Nos quoque, Domine, gratias agentes (2) confitemur tibi (3) pro omnibus et propter omnia.Populus:(4) Te laudamus. [= Incipit]III. EPIKLESE

    Auch hier folgen auf die Anamnese die vom Priester gesprochene Danksagung undder vom Volk getragene Lobpreis, an die sich nahtlos die Epiklese anschliet.

    Eine Darbringung, die alles andere als zentral angelegt ist, sondern eher beilufigam Rande mit vermerkt ist, findet sich z. B. in der koptischen (d. h. bohairischen) Basi-lius-Anaphora (boh Bas), die ich nach der Ausgabe von Assemani zitiere und insDeutsche bertragen habe (unter Einbezug des bohairischen Textus receptus vonKairo, der im Unterschied zum Text in Assemani die Rubriken auf arabisch bietet).boh BasAssemani VII/2, 56_5727

    1. ANAMNESE(1) Indem auch wir gedenken seines heiligen Leidens, (2) und seiner Auferstehung von denToten, (3) und seines Hinaufgehens in den Himmel, (4) und seines Sitzens zu deiner Rechten,Vater, (5) und seiner zweiten Ankunft, die vom Himmel kommt, die schrecklich und voll derHerrlichkeit ist.

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  • 302 Gabriele WinkleI' Ein Beispielliturgievergleichender Untersuchung 303

    arm Bas II, boh BasI. AnamneseDarbringung

    LobpreisH. Epiklese

    LobpreisII. Epiklese

    arm Bas I, syrAp, arm JakI. Anamnese

    rm Canon MissaeI. Anamnese(Schlacht-)Opfer (hostia)

    II. Bitte um Annahme des Opfers(sacrificium)

    (1) Der Gestalt der Anamnese im rmischen Canon Missae mit der expliziten Er-whnung des Schlacht-Opfers (hostia) steht in der ersten Gruppe orientalischerTexte (arm Bas I, syr Ap, arm Jak) auer der gemeinsamen Anamnese nichts Ver-gleichbares gegenber, denn diese Anaphoren kennen nicht einmal eine schlichte

    Zusammenfassung des philologischen und strukturellen Befunds(1) Weder die ursprngliche Gestalt der Basiliusliturgie (Ur Bas) noch die der Jako-

    bus-Anaphora (Jak) oder die der Zwlf-Apostel-Liturgie (syr Ap) hatte eine Darbrin-gung bei der Anamnese. Die ursprngliche Form von Bas spiegelt sich in der syrischenund armenischen Textgestalt wider (= arm Bas I + syr Bas). Die lteste Struktur derJakobusliturgie zeigt sich in arm Jak. Es mu wohl generell davon ausgegangen wer-den, da einst keine der stlichen eucharistischen Formulare eine Oblatio bei derAnamnese gekannt hat, wie auer den angefhrten Zeugen zahlreiche westsyrische,thiopische und weitere armenische Anaphoren nahelegen.

    (2) Das erste Stadium der Weiterentwicklung von Bas wird mit der byzantinischenVersion byz Bas und der zweiten armenischen Redaktion (arm Bas II) belegt; ich zi-tiere (arm Bas II): Das Deine von dem Deinen bringen wir dir dar (matuc'anemk'),in byz Bas: JtQoOc!>EQOVLEEQO!tEV). Ein Terminus technicus fr die Darbringung (Qblatio) fehlt (imArmenischen wre dies z. B. Jncay, im Syrischen: qurbn)!

    (3) Zu der weiteren Evolution, oder aber bedingt durch regionale Unterschiede, trittnun WQov zum Verb hinzu, so z. B. im frhen gyptischen Traditionsstrang der Basi-liusliturgie bezeugtduch kopt Bas.

    (4) Vielleicht erst mit dem sechsten Jahrhundert oder sogar erst danach ist WQovdurch den Opfergedanken (sacrificium) erweitert worden. Mglicherweise ist die-ser Proze von Syro-Palstina ausgegangen, wie die Jakobusliturgie in ihrer griechi-schen und syrischen Textgestalt nahelegt (gI' Jak: 8uoLu, syr Jak: debhJt).

    Zeitlich betrachtet sind dem rmischen Canon Missae, dessen Kern bereits im vier-ten Jahrhundert bezeugt ist, orientalische Anaphoren dieser Zeit gegenberzustellen.Dazu bieten sich mehrere Rezensionen der Basilius-Anaphora an, auerdem, was dieGestalt der Anamnese anbetrifft, gewi auch die syrische Zwlf-Apostel-Liturgie (syrAp), aber auch arm Jak, und an zweiter Stelle ebenso boh Bas und arm Bas II.

    Struktureller Vergleich zwischen rmischem Canon Missaeund einigen orientalischen Anaphoren

    ++

    AnamneseOpfer-Darbringung

    DarbringungLobpreis

    berblick ber die orientalischen Rezensionen der Jakobus-Anaphoraarm Jak syr Jak gr Jak georg Jak

    + + + ++ + +

    Bei den meisten dieser Formulare folgt auf die Anamnese die Epiklese, so z. B. inden westsyrischen und armenischen Anaphoren. Viele der thiopischen Anaphorenkennen auch keine Anamnese,33 sondern die gesamte Oratio post Sanctus mit demTeil nach dem Einsetzungsbericht ist ein Praeconium, also ein Lobpreis. Ebensoweist die hochbedeutsame syrische Petrus-Anaphora (nach ihrem Incipit auch Sarrargenannt) zwar keine Anamnese auf, hat dafr jedoch eine kurze Darbringung (ohneOpfergedanken !).

    Abschlieend soll jedoch auch noch die Jakobusliturgie angefhrt werden, die auf-grund ihrer Bedeutung ebenso in allen orientalischen Rezensionen vorliegt. Ein ber-blick ber die verschiedenen Versionen erlaubt ein rascheres Erfassen des Befundes,der zunchst etwas kompliziert erscheinen mag, sich jedoch relativ gut aufschlsselnlt.

    33. Ein auffallendes Merkmal der altgallischen Liturgie ist ebenso das mit groer Bestndigkeit festzustel-lende Fehlen einer Anamnese; vgl. Lietzmann, 62.34. VgI. Catergian-Dashian, 441-442.35. VgI. O. Heiming, Anaphora Syriaca sancti Iacobi Fratris Domini: Anaphorae Syriacae II/2 Nr. XIV. Rom1953, 148/149-150/151.36. VgI. A. Baumstark, Denkmler altarmenischer Meliturgie. 3. Die armenische Rezension der Jakobus-liturgie: OrChr n. S. 7-8 (1918) 6-8.

    Epiklese + + + +

    Die noch ungeklrte Entwicklungsgeschichte der Jakobus-Anaphora, bei der uns dielteste Schicht sehr wahrscheinlich mit der armenischen Textgestalt (arm Jak)34 ent-gegentritt, ist im Laufe der Zeit angereichert worden, und zwar mit einer schlichtenDarbringung, so nur syr Jalc. 35 Diese Darbringung mit dem sich anschlieenden Lob-preis gehrt mit groer Wahrscheinlichkeit nicht der ursprnglichen berlieferungder Jakobusliturgie an, sondern wurde von der sog. Basilius-Anaphora bernommen.In spterer Zeit ist auch noch eine explizite Darbringung des Opfers hinzugekommen.Wann dies geschehen ist, bedarf noch der Klrung. Der armenische Text (arm Jak), be-stehend aus der Anamnese und Epiklese, ist nach A. Baumstark aus einer nicht ber-lieferten syrischen Vorlage hervorgegangen, die mglicherweise mit dem sechstenJahrhundert zu verbinden ist,36 jedoch m. E. auch noch ltere Schichten aufweist.Wenn diese Datierung A. Baumstarks sich als richtig herausstellt, dann gehrt die unsberlieferte syrische Textgestalt (syr Jak) und gr Jak, aus der dann noch georg Jak her-vorging, die alle ausdrcklich die Darbringung des Opfers belegen, in die Zeit nachdem sechsten Jahrhundert.

  • Darbringung. Der Lobpreis kann insofern nicht als wirkliche Entsprechung her-angezogen werden, als der Lobpreis vom Volk getragen wird (und nur manchmalauch vom Priester mit einem Dank eingeleitet wird), whrend Anamnese wie Epiklesevom Priester gesprochen werden.

    In der zweiten Gruppe orientalischer Anaphoren (boh Bas, arm Bas II), wo auerder bohairischen Textgestalt der Basilius-Anaphora (boh Bas) noch eine Reihe unter-schiedlichster armenischer und anderer orientalischer Anaphoren angefhrt werdenknnte, ist andie Anamnese eine uerst knappe Darbringung angehngt worden,die in ihrem beilufigen Charakter meist nur folgenden schlichten Wortlaut umfat:Das Deine bringen wir von dem Deinen dar. Hufig fehlt also sogar noch der Termi-nus technicus Oblatio, ganz zu schweigen von Sacrificium.

    (2) Der Bitte um die Annahme des Opfers (= Supra quae) im rmischen CanonMissae, die ausdrcklich auf das alttestamentliche Opfer des Patriarchen Abrahamund des Hohenpriesters Melchisedech verweist, steht in den orientalischen Anaphorender antiochenischen FamiHe die Bitte um die Herabkunft des Heiligen Geistes gegen-ber.

    Bei beiden Traditionsstrngen handelt es sich also um eine Bitte im Zusammenhangmit Brot und Wein, jedoch ist sie sehr unterschiedlich gestaltet: in der rmischenberlieferung ist es eine Bitte um Annahme des Opfers, die aufgrund ihres innerenZusammenhangs mit der Anamnese eine christozentrische Ausrichtung hat, in denstlichen Anaphoren ist es eine Bitte um die Herabkunft des Geistes auf die Gabenvon Brot und Wein.

    Der rmische Canon Missae hat in nicht zu berbietender Nchternheit ganz all-gemein die Bitte zum zentralen stilistischen Baustein gemacht, inhaltlich kreisenfast alle wie an einer Kette aufgereihten Bitten um den Opfergedanken:mit der ersten Bitte (= Te igitur) um Annahme der Opfergaben (haec sacrificia),mit der zweiten Bitte (= Hanc igitur) um Annahme der Oblatio,der dritten Bitte um Wandlung der Oblatio

    mit dem Hhepunkt im Einsetzungsbericht,gefolgt von der Anamnese mit der nochmaligen breiten Auffcherung des Opfergedankens(wrtl.: des Schlacht-Opfers): hostia pUl"a, hostia sancta, hostia immaculata,

    und einer letzten, vierten Bitte (= Supra quae) um Annahme des Opfers (sacrificiulJ1).Auffllig ist die unterschiedliche Terminologie:

    - sacrificia bei Bitte 1 (= Te igitur); sacrificium bei Bitte 4 (= Supra quae);- oblatio bei Bitte 2 (= Hanc igitur) und 3 (= Quam oblationem);- 11Ostia bei der Anamnese.37

    Mglicherweise lt das unterschiedliche Vokabular von oblatio und sacrificium bzw.hostia auf die Verschmelzung von unterschiedlichen Traditionsstrngen schlieen,38 wobei

    vielleicht an die rmische und ambrosianische berlieferung gedacht werden knnte. Zudemwar zu beobachten, da die nichtrmischen westlichen Riten niemals die Hostia und das 5a-crificiulJ1 zusammen erwhnen, sondern stets entweder die Hostia oder das 5acrifichtlJ1,ein Befund, der m. E. wichtig ist und wiederum die Vermutung nahelegt, da hIer unterschIed-liche berlieferungen vorliegen knnten, die dann miteinander verkettet wurden.

    Fest steht jedenfalls, da sich der rmische Canon Missae stilistisch aus mehrerenBitten zusammensetzt, die inhaltlich hauptschlich um den Opfergedanken kreisen.

    Nicht so die orientalischen Anaphoren. Die Eucharistischen Hochgebete, um alsBeispiel die antiochenische Familie von Anaphoren zu nehmen, beinhalten, wenn mandas gesamte Hochgebet bercksichtigt, (1) einen Lobpreis, (2) eine Danksagung, (3)die Epiklese. Das heit, das Hochgebet bewegt sich vom oftmals kosmisch orientiertenLobpreis ber die Schpfung dem Heilig-Ruf (= Sanctus) zu, fhrt fort in einerDanksagung ber das Heilsgeschehen, das in mehreren Anaphoren entsprechenddem Taufbekenntnis alle Etappen des Lebens Jesu durchluft, darunter auch das Mahlim Kreis der Jnger (= Einsetzungsworte) wie sein Leiden, Sterben, die Auferstehungund Himmelfahrt und seine Wiederkunft (= Anamnesis), was. wiederum in einemdiesmal vom Volk getragenen Lobpreis kulminiert und zur Herabrufung des Heili-gen Geistes (= Epiklesis) fhrt, oftmals in erster Linie auf die versammelten Men-schen und dann auch auf die Gaben. Die stilistische Achse ist hier: Lobpreis - Dank-sagung - Epiklese. InllnseremuntersuchtenSegment des Hochgebets, nmlich demUmfeld der Anamnese, ist es (1) die eigentliche Anamnese, (2) die Epiklese, dazwi-schen der vom Volk getragelie Lobpreis.

    Diese grundlegend unterschiedlichen religisen Vorstellungen wurden in den Kir-chen ber viele Jahrhunderte tradiert und haben den Klerus wie das Volk mageblichgeprgt, wobei der rmische RitusherIange Zeitden Anspruch erhob, als normativzu gelten, und ganz allgemein die wissenschaftliche Fragestellung und Beurteilung bisheute beeinflut hat. Diesen vorgestellten stlichen Anaphorenfehlt jedoch nichtdie blatio oder der Opfergedanke, wie mehreren stlichen Riten auch die fir-mung bzw. Beichte keineswegs fehlt, sondern hierhaben eben andere religise Vor-stellungen die Riten geprgt.

    Wenn man den Blick nochmals auf den rmischen Mekanon lenkt, so ist es dochbemerkenswert, wie rasch er mit den neuen Formularen (und den darin erstmals ver-ankerten Epiklesen) zur Seite gedrngt wurde und welch rascher Umschwung sich imBewutsein der westlichen Forschung mit dem Einbezug stlich inspirierter westlicherFormulare bereits anzubahnen scheint. In einem nchsten Schritt wren die theologi-schen und kumenischen Implikationen aus dem vorgelegten Forschungsbericht dar-zustellen.

    304 Gabriele Winlcler Ein Beispielliturgievergleichender Untersuchung 305

    37. Bemerkenswert ist, da diese keineswegs identischen Begriffe im Schott durchgngig mit Opferwiedergegeben wurden: sacrificia = Opfergaben, oblatio = Opfergaben (2x), hostia = Opfer,sacrificiul11 = Opfer