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Wirtschaftsabkommen im System der Europäischen Gemeinschaft - Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Author(s): Claus Weber Source: Archiv des Völkerrechts, 35. Bd., 3. H. (September 1997), pp. 295-315 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40798989 . Accessed: 16/06/2014 11:07 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Archiv des Völkerrechts. http://www.jstor.org This content downloaded from 195.34.78.43 on Mon, 16 Jun 2014 11:07:33 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Wirtschaftsabkommen im System der Europäischen Gemeinschaft - Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs

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Wirtschaftsabkommen im System der Europäischen Gemeinschaft - Die Rechtsprechung desEuropäischen GerichtshofsAuthor(s): Claus WeberSource: Archiv des Völkerrechts, 35. Bd., 3. H. (September 1997), pp. 295-315Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40798989 .

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BEITRÄGE UND BERICHTE

Wirtschaftsabkommen im System der Europäischen Gemeinschaft -

Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs

I. Einleitung Die Europäische Gemeinschaft ist der wichtigste „Pfeiler" der durch

den Vertrag von Maastricht gegründeten Europäischen Union1. Wie schon die frühere Bezeichnung „Europäische Wirtschaftsgemeinschaft" besagt, ist das Gemeinschaftsrecht von seinem Ursprung her - und zum großen Teil auch noch heute - Wirtschaftsrecht. Demgemäß behandeln auch die von der Gemeinschaft geschlossenen völkerrechtlichen Übereinkünfte überwiegend wirtschaftliche Fragen, so etwa nunmehr bei Gründung der neuen Welthandelsorganisation (WTO). Beim Abschluß derartiger Ver- träge stellt sich die Frage der Rechtswirkungen der vereinbarten Vor- schriften im Hinblick auf Anwendbarkeit und Reichweite. Diese Probleme sollen im folgenden näher beleuchtet werden.

II. Inhalt der Wirtschaftsabkommen der Gemeinschaft Wirtschaftsabkommen der Europäischen Gemeinschaft beruhen im

wesentlichen2 auf den Vorschriften der Art. 113 und 238 EGV

1. Handelsverträge Da die Europäische Gemeinschaft primär eine Wirtschaftsgemeinschaft

darstellt, sieht Art. 113 Abs. 1 EGV nicht nur vor, daß die gemeinsame Handelspolitik nach einheitlichen Grundsätzen gestaltet wird, sondern auch, daß die Gemeinschaft Zoll- und Handelsabkommen abschließt.

1 Vgl. Art. A Abs. 3 EUV. 2 Auf die sog. AETR-Rechtsprechung des EuGH, die der Gemeinschaft Vertragsschluß-

kompetenzen auch außerhalb der ausdrücklichen Regelungen des Gemeinschaftsrechts zuge- billigt hat (kritisch Lecheler, AVR 1994, S. 11 f.), soll hier ebensowenig eingegangen werden wie auf spezielle Kompetenzen wie etwa für die Entwicklungszusammenarbeit Art. 130 y EGV (vgl. hierzu das Urteil des EuGH vom 3. 12. 1996, Rs. C-268/94); vgl. im übrigen zur Möglichkeit, die Lückenfüllungsklausel des Art. 235 EGV zum Abschluß völkerrechtlicher Verträge zu nutzen, das (verneinende) Gutachten 2/94 des EuGH vom 28. 3. 1996 zum Beitritt der Gemeinschaft zur EMRK.

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a) Kompetenzen der Gemeinschaft Allerdings war lange Zeit umstritten, welche Art von Vereinbarungen

die Gemeinschaft im Rahmen von Zoll- und Handelsabkommen zu schließen befugt ist. Unklar war insbesonders, ob die Kompetenz der Gemeinschaft neben Regelungen über den Austausch von Waren auch solche über die Erbringung von Dienstleistungen oder gar über den Grenzübertritt durch Personen umfaßt.

oc) Der Europäische Gerichtshof hat den Begriff der Handelspolitik zunächst recht großzügig ausgelegt. So hat er in seinem Gutachten 1/783 ausgeführt, daß die gemeinsame Handelspolitik nicht nur auf die in Art. 113 EGV aufgeführten Gegenstände der Handelspolitik wie die Änderung von Zollsätzen, den Abschluß von Zoll- und Handelsabkommen, die Vereinheitlichung von Liberalisierungsmaßnahmen, die Ausfuhrpolitik und die handelspolitischen Schutzmaßnahmen beschränkt sei, sondern auch weiterentwickelte Verfahren zur Regelung des Weltmarktes mit einschließe. Demgemäß hat der Gerichtshof etwa im Gutachten 1/78 die Errichtung von Ausgleichslagern in auf Art. 113 EWGV basierenden Grundstoffabkommen gebilligt.

Für Abkommen über die Entwicklungszusammenarbeit (vgl. Art. 130 y EGV) hat es der EuGH im übrigen gebilligt, Nebenbestimmungen aufzu- nehmen, sofern hierdurch nicht Verpflichtungen von solcher Tragweite begründet werden, daß diese Verpflichtungen in Wahrheit anderen Zielen als der Entwicklungszusammenarbeit dienen4. Entsprechendes dürfte für Abkommen gelten, die auf Art. 113 EGV basieren. Im Gutachten 1/94 hat der EuGH es demgemäß auch für zulässig erklärt, daß Nebenbestim- mungen über bloße Konsultationsverfahren oder Klauseln, mit denen die andere Partei aufgefordert wird, das Niveau des Schutzes des geistigen Eigentums zu verbessern, in Handelsabkommen aufgenommen werden5.

ß) Während in der Literatur eine Anwendung des Art. 113 EGV gene- rell auch auf Dienstleistungen gefordert wurde6, wählte der EuGH im Gutachten 1/94 vom 15. November 19947 eine differenzierende Lösung. Das Gutachten befaßt sich mit den Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft zum Abschluß des Abkommens zur Errichtung der Welt- handelsorganisation (WTO8) und insbesondere der hierin enthaltenen Abkommen über den Dienstleistungsverkehr (Anhang 1 B, GATS9) und

3 EuGH, Sie. 1979,2871. 4 Urteil vom 3. 12. 1996, Rs. C-268/94. 5 EuGH, Slg. 1994, 1-5267. 6 So etwa v. Bov dandy IN ette sheim, EuZW 1993, S. 465/466. 7 EuGH, Sie. 1994,1-5267. 8 Dieses Abkommen selbst enthält allerdings keine materiellen Bestimmungen, vgl. ABI.

1994 L 336/3. 9 „General Agreement on Trade in Services", ABI. 1994 L 336/190.

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über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum ein- schließlich des Handels mit nachgeahmten Waren (Anhang 1 C, TRIPS10).

In Art. 1 Abs. 2 des GATS werden vier verschiedene Arten der Dienst- leistung unterschieden: die grenzüberschreitende Erbringung ohne den Grenzübertritt von Personen, die grenzüberschreitende Erbringung mit Grenzübertritt von Personen (sog. Auslandserbringung), die gewerbliche Niederlassung sowie die Niederlassung natürlicher Personen. Im System des EGV sind die beiden ersten Formen unter die Dienstleistungsfreiheit der Art. 59 ff. einzuordnen, die beiden letzteren unter die Niederlassungs- freiheit der Art. 52 ff. Für Dienstleistungen im Sinne des EGV hat der EuGH nunmehr die Differenzierung des GATS aufgenommen und er- klärt, daß sich eine Außenkompetenz der Gemeinschaft aus Art. 113 EGV nur für nichtkörperliche Dienstleistungen ohne den Grenzübertritt von Personen ergebe, da nur diese Form der Dienstleistung dem Waren- verkehr „nicht unähnlich" sei und damit noch unter den Begriff der Han- delspolitik subsumiert werden könne11. Ergänzend hat sich der Gerichts- hof auch auf Art. 3 EGV berufen, der zwischen einer gemeinsamen Handelspolitik (Buchstabe b) und Maßnahmen in Bezug auf den Personenverkehr (Buchstabe d) unterscheide.

y) Regelungen, die mit dem Grenzübertritt von Personen verbunden sind, kann die Europäische Gemeinschaft somit nach der Rechtsprechung des EuGH nicht in Handelsabkommen im Sinne des Art. 113 EGV schließen12. Überdies hat der Gerichtshof im Gutachten 2/9213 ausgeführt, daß auch die Teilnahme der unter ausländischer Kontrolle stehenden Unternehmen am innergemeinschaftlichen Handelsverkehr den Binnen- marktregeln der Gemeinschaft und nicht der gemeinsamen Handelspolitik unterliegt. b) Reichweite

Die von der Gemeinschaft auf der Basis von Art. 113 EWGV/EGV abgeschlossenen Handelsabkommen können demnach zwar eine gewisse Bandbreite unterschiedlicher Regelungen betreffen, gehen aber dennoch nicht über die „klassische" Form des auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit beruhenden völkerrechtlichen Austauschvertrages hinaus.

a) Am weitesten gehen noch solche Abkommen, die den grenzüber- schreitenden Austausch von Produkten vollkommen von Beschrän- kungen freistellen. Ein Beispiel hierfür ist das Freihandelsabkommen, das

10 „Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights", ABl. 1994 L 336/213.

11 EuGH, Slg. 1994, 1-5267/5401. 12 Ebenso EuGH, Slg. 1996, 1-1195/1218; ohne diese Differenzierung für den Dienst-

leistungsverkehr v. Bogdandy/Nettesbeim, EuZW 1993, S. 465/466. »EuGH, Slg. 1995,1-521.

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die Gemeinschaft mit der Schweiz abgeschlossen hat14. Art. 13 dieses Abkommens entspricht dem für den Warenverkehr zwischen den Mit- gliedstaaten geltenden Art. 30 EGV und verbietet sämtliche mengen- mäßigen Einfuhrbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung15.

Auf der Konferenz von Barcelona wurde unlängst beschlossen, bis zum Jahre 2010 zwischen den der Europäischen Gemeinschaft und den Anrainerstaaten des Mittelmeers eine Freihandelszone zu schaffen. Während im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten von Amerika eine transatlantische Freihandelszone mittlerweile nicht mehr im Gespräch zu sein scheint, wurden auch im Verhältnis zur lateinamerikanischen Staaten- gruppe Mercosur16 bereits erste entsprechende Schritte vollzogen17.

ß) Andere auf Art. 113 EGV gestützte Abkommen sehen im Unter- schied zu vollkommenem Freihandel lediglich Erleichterungen für den Warenaustausch zwischen den Vertragspartnern vor. Einigen Nachfolge- staaten der Sowjetunion hat die Gemeinschaft in diversen - allerdings noch nicht in Kraft getretenen - Partnerschaftsabkommen beispielsweise eine erleichterte Einfuhr von Produkten unter Berücksichtigung von Prinzipien wie Meistbegünstigung und Nichtdiskriminierung zugesagt18. Eine mengenmäßige Beschränkung der Einfuhr von Ursprungswaren soll grundsätzlich ebensowenig stattfinden wie steuerliche Diskriminierun- gen1^

Das GATT20 basiert ebenfalls auf Art. 113 EGV, da es sich mit dem Warenaustausch zwischen den Vertragspartnern der WTO - darunter sowohl die Gemeinschaft als auch die Mitgliedstaaten - befaßt. Das GATT 199421, das ebenso wie die übrigen WTO-Übereinkünfte durch Beschluß des Rates vom 22. Dezember 199422 gebilligt und am 1. Januar 1995 in Kraft getreten ist, übernimmt dabei die materiell-rechtlichen23

14 ABI. 1972 L 300; die Freihandelsabkommen mit den übrigen früheren EFTA-Staaten sind mittlerweile weitgehend obsolet, vgl. Fn. 47.

15 Vgl. hierzu Borer, Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbe- schränkungen im Freihandelsabkommen Schweiz-EWG, Diss. St. Gallen 1988.

16 „Gemeinsamer Markt des Südens", bestehend aus Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay; weitere Staaten sollen beitreten.

17 Vgl. hierzu auch den Kommissionsvorschlag für ein Rahmenabkommen mit der Mercosur-Gruppe, KOM 95 (504) endg. 18 Vgl. etwa den Kommissionsvorschlag für ein Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation, KOM (94) 257 endg.; neben Art. 113 EGV wurde hier auch die Lückenfüllungsklausel nach Art. 235 EGV als Rechtsgrundlage genannt. 19 So etwa gemäß Art. 11 und Ila des entsprechenden Vorschlags für ein Abkommen mit Weißrußland, KOM (95) 44 endg. 20 „General Agreement on Tariffs and Trade".

21 Vgl. im Anhang 1 A des WTO- Abkommens ABI. 1994 L 336/11. 22 ABI. 1994 L 336/1. 23 Verfahrensrechtliche Regelungen finden sich nunmehr auch in der Vereinbarung über

Regeln und Verfahren über die Beilegung von Streitigkeiten, ABI. 1994 L 336/234.

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Grundprinzipien des GATT 1947 wie Meistbegünstigung, Nichtdis- kriminierung, Gegenseitigkeit, Zollabbau und Verbot nichttarifärer Han- delshemmnisse. Die Regelungen des GATT sind insbesonders im Ver- hältnis der Gemeinschaft zu den Vereinigten Staaten von Amerika von Be- deutung, da insoweit kein spezielles umfassendes Handelsabkommen besteht. Unlängst hat die Kommission allerdings einen Vorschlag für ein Abkommen zwischen der Gemeinschaft und den Vereinigten Staaten über Zusammenarbeit und Amtshilfe im Zollbereich vorgelegt24.

Häufig nehmen einzelne Handelsabkommen auch auf die Prinzipien des GATT Bezug. So sieht das Kooperationsabkommen mit Vietnam25 in Art. 3 lediglich die Meistbegünstigung entsprechend den GATT-Regeln und daneben in Art. 4 Abs. 2 noch eine „Verbesserung" des gegenseitigen Warenzugangs vor.

2. Assoziier ungsv ertrage Art. 238 EGV behandelt den Abschluß von Assoziierungsverträgen

durch die Gemeinschaft. Auch hier ist der genaue Umfang der Kom- petenzen der Gemeinschaft allerdings umstritten.

a) Kompetenzen der Gemeinschaft Typisch für Assoziierungsverträge - und zugleich unstreitig zulässig -

sind Bestimmungen, die durch das Abkommen eingerichtete Institutionen - sogenannte Assoziationsorgane - mit der Durchführung des Ab- kommens betrauen. Weitgehende Einigkeit besteht zunächst auch darü- ber, daß die Europäische Gemeinschaft in Assoziierungsabkommen inhaltliche Vereinbarungen jedenfalls hinsichtlich derjenigen Bereiche treffen darf, die sie auch in sonstigen Abkommen zu regeln befugt ist.

oc) Zunächst können damit auch in Assoziierungsabkommen handels- rechtliche Bestimmungen aufgenommen werden. Von dieser Möglichkeit hat die Gemeinschaft bei allen derzeit bestehenden Assoziierungs- verträgen Gebrauch gemacht, wobei allerdings gegenüber den nach Art. 113 EWG V/EG V geschlossenen Abkommen doch erhebliche Unter- schiede bestehen.

ß) Neben der unstreitig bestehenden Handelskompetenz der Ge- meinschaft ist umstritten, ob in Assoziierungsabkommen auch Rege- lungen der Gemeinschaft getroffen werden können, die nach dem Gutachten des EuGH zu den WTO-Übereinkünften von der Gemein- schaft nicht zum Gegenstand von Handelsabkommen gemacht werden dürfen. Solche Regelungen sind - wie oben ausgeführt - insbesondere Vereinbarungen über den Personenverkehr, d. h. die Grenzüberschreitung durch natürliche Personen.

24 KOM (96) 624 endg. 25 ABI. 1996 L 136/29; vgl. etwa auch die analogen Abkommen mit Indien (ABI. 1994 L 223/23), Sri Lanka (ABI. 1995 L 85/33) und Nepal (ABI. 1996 L 137/15).

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Der Europäische Gerichtshof hat sich dafür ausgesprochen, daß auch derartige Bestimmungen in ein auf Art. 238 EGV basierendes Assozi- ierungsabkommen mit aufgenommen werden dürfen. Begründet hat der Gerichtshof dies mit den besonderen und privilegierten Beziehungen, die durch eine Assoziierung geschaffen werden sollen26. Demgemäß hat der EuGH für sich auch in Anspruch genommen, die im Assoziierungs- abkommen mit der Türkei27 festgeschriebenen Freizügigkeitsrechte für türkische Arbeitnehmer auszulegen.

Nach diesem Konzept unterscheidet sich Art. 238 EGV in der Art mög- licher Regelungen signifikant von den auf Art. 113 EGV gestützten Abkommen. Besonders deutlich wird dies am Beispiel des EWR- Abkommens, das für den Bereich des Personenverkehrs die weitgehend- sten Regelungen enthält. Zwischen den Vertragsparteien wurde der freie Personenverkehr hergestellt, d. h. es bestehen prinzipiell keine Hinder- nisse für Einreise und Aufenthalt der Angehörigen der beteiligten Staaten28. Insgesamt entspricht das EWR-Recht damit inhaltlich - wenn auch nicht qualitativ29 - zum großen Teil dem materiellen30 Gemein- schaftsrecht. Auch aus der hieran ersichtlichen Bedeutung des Art. 238 EGV läßt sich die von Art. 228 Abs. 2 EGV geforderte Einstimmigkeit beim Abschluß von Assoziierungsabkommen erklären.

Die Rechtsprechung des EuGH ist allerdings nicht vollkommen unbe- stritten. Zunächst wird von Teilen der Literatur bereits bezweifelt, ob Art. 238 EGV überhaupt einen selbständigen materiellen Kern besitzt. Dabei wird auf den lapidaren Wortlaut des Art. 238 EGV hingewiesen, der die Bestimmung eines materiellen Gehaltes verhindere31 und deshalb lediglich die verfahrensmäßige Zusammenfassung mehrerer Sachbereiche sowie die Errichtung eines institutionellen Gefüges gestatte32. Als Argument für die „Ratsmeinung"33, wonach die Assoziierung nur verfahrensrechtliche Be- deutung besitzen soll, wird desweiteren der Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung der Gemeinschaft ins Feld geführt34, der nunmehr in Art. 3 b Abs. 1 EGV ausdrücklich kodifiziert wurde. Danach stellt beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten die Regel, diejenige der Gemeinschaft aber die Ausnahme dar3*.

26 EuGH, Slg. 1987, 3719 - „Demirel". 27 ABI. 1964 L 217. 28 Vgl. Art. 28 ff. des Abkommens. 29 Supranationalen Charakter besitzt das EWR- Abkommen nicht. 30 Nicht aber dem Verfahrensrecht. 31 Oppermann, Europarecht, 1991, Rn. 1895. 32 Meessen, EuR 1980, S. 36/39; Knopf, Europarechtliche und völkerrechtliche Fragen

einer Entwicklungspolitik der EG und ihrer Mitgliedstaaten, 1983, S. 44 f. 33 Nach einer ursprünglich vom Rat vertretenen Position; ein konkreter Nachweis für eine

entsprechende Äußerung des Rates existiert - soweit ersichtlich - nicht. 34 Oppermann, aaO. (Fn. 31). 35 Von Borries, EuR 1994, S. 263/267 f.

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Ein Teil der Literatur bejaht zwar einen selbständigen Kern des Art. 238 EGV, beschränkt den sachlichen Anwendungsbereich aber auf Rege- lungen, die die Gemeinschaft auch in internen Vorschriften treffen könn- te36. Die Aufnahme von Vorschriften über die Rechtstellung Drittstaats- angehöriger in Assoziierungsabkommen ist danach ebenfalls nicht mög- lich.

Wenn diese Kritik durchaus billigenswerte Ansätze beinhaltet und für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs des Art. 238 EGV nunmehr auch Art. K. 1 EUV angeführt werden kann, der im Bereich der Rechte Drittstaatsangehöriger eine inter-gouvernementale Zusammenarbeit zwi- schen den Mitgliedstaaten vorsieht, wird man der Gemeinschaft aber den- noch nicht das Recht absprechen können, in Assoziierungsabkommen weitergehende Regelungen als die bloßen Handelsabkommen vorzuneh- men. Art. 238 EGV wäre ansonsten eine weitgehend überflüssige Vor- schrift.

In den bisher von der Gemeinschaft abgeschlossenen Assoziierungs- verträgen wird das Problem der Zuständigkeit der Gemeinschaft für die Regelung des Personenverkehrs überdies zumeist dadurch verdeckt, daß „gemischte" Verträge37 geschlossen werden, d. h. daß sich auch die Mitgliedstaaten selbst als Vertragspartner an den Abkommen beteiligen38.

b) Reichweite Unterschieden werden kann bei Art. 238 EGV zwischen Entwicklungs-,

Freihandels- und Beitrittsassoziierungen. oc) Bei den sogenannten Entwicklungsassoziierungen, die hauptsächlich

der wirtschaftlichen Entwicklung der assoziierten Staaten dienen sollen, bestehen mehr oder weniger weitgehende einseitige Zugeständnisse der Gemeinschaft. Im Unterschied zu den „klassischen" Handelsverträgen ist also das Prinzip der Gegenseitigkeit hier nicht bestimmend.

Ein Paradebeispiel stellt das Abkommen von Lomé39 mit derzeit 70 Staaten des afrikanischen, karibischen und pazifischen Raums (sog. AKP- Staaten) dar, das umfangreiche Präferenzen zugunsten der Importe aus den assoziierten Staaten enthält. Spezielle Sicherungssysteme wie Stabex und Sysmin sorgen dafür, daß die Preisstabilität bei den vornehmlich Bergbau- und landwirtschaftliche Produkte betreffenden Exporten der AKP-Staaten aufrechterhalten wird40. Im Zusammenhang hiermit steht auch die vieldiskutierte „Bananen"-Verordnung Nr. 404/9341, nach deren Titel IV traditionelle Einfuhren aus AKP-Staaten zollfrei erfolgen sollen.

36 Tomuschat, EuR 1977, S. 157/159; Meessen, EuR 1980, S. 36/40; für das Nieder- lassungsrecht offenbar auch Kuschet, EuZW 1992, S. 571.

37 Vgl. hierzu auch Lecheler, AVR 1994, S. 5 f. 38 So auch im Fall des Türkei-Abkommens. 39 ABI. 1991 L 229/3. 40 Vgl. Art. 186 ff. des Abkommens. 41 ABI. 1993 L47/1.

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ß) Bei den sogenannten Freihandelsassoziierungen treten die Aspekte der Entwicklung der assoziierten Staaten hinter demjenigen eines unge- hinderten Warenverkehrs zurück. Das unlängst paraphierte Assoziie- rungsabkommen mit Israel42 sieht etwa für den Warenverkehr in Art. 16 ein Art. 30 EGV entsprechendes Verbot mengenmäßiger Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung vor. Im Rahmen der bereits erwähnten Mittelmeerpolitik der Gemeinschaft soll auch aufgrund von Europa- Mittelmeer-Assoziierungsabkommens mit Tunesien43 und Marokko44 schrittweise eine Freihandelszone während eines Zeitraums von höchstens zwölf Jahren errichtet werden45.

Ein weiteres Beispiel für eine Freihandelsassoziierung ist das von der Gemeinschaft abgeschlossene Abkommen über den Europäischen Wirt- schaftsraum46, das derzeit im Verhältnis zu Norwegen, Island und Liechtenstein in Kraft ist47. Diese völkerrechtliche Vereinbarung konstitu- iert zwischen den Vertragsparteien eine Freihandelszone, d. h. den freien Handel mit den aus den Vertragsstaaten stammenden Produkten48. Zölle und Abgaben gleicher Wirkung sind zum großen Teil untersagt49; eine Ausnahme bilden allerdings landwirtschaftliche Produkte, bei denen nach Art. 19 Abs. 2 des Abkommens nur weitere Liberalisierungen angestrebt werden.

Einen besonderen Charakter besitzt das EWR-Abkommen deshalb, weil es in seinem Anwendungsbereich weitgehend entweder die Formu- lierungen des EGV oder auch sekundäre Regelungen des Gemeinschafts- rechts übernommen hat. Dazu zählen nicht nur die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts über den freien Austausch von Produkten, sondern auch die Regelungen über Wettbewerb50, Beihilfen51 sowie öffentliches Auftragswesen und gewerblichen Rechtsschutz52.

y) Neben diesen eher handelspolitisch orientierten Assoziierungen kann ein Assoziierungsabkommen auch den Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft vorbereiten. Auch in diesem Fall muß aber das Assoziie-

42SEK(95) 1719 endg. 43 KOM (95) 235 endg. 44 KOM (95) 740 endg. 45 Vgl. Art. 6 des Entwurfs für ein Abkommen mit Tunesien. 4& ABI. 1994 L 1/1. 47 Die bisherigen Freihandelsabkommen mit diesen Staaten bestehen fort; allerdings gehen

nach Art. 120 des EWR- Abkommens seine Bestimmungen vor, vgl. das Urteil des EuG vom 22. 1. 1997, Rs. T- 11 5/94.

48 Vgl. Art. 8 Abs. 2 und 9 des Abkommens l.V.m. Protokoll Nr. 4: Der freie Warenverkehr wird nur für Urspruneswaren verwirklicht.

49 Vgl. Art. 11 f. des Abkommens. 50 Vgl. Art. 53 ff. des Abkommens. 51 Vgl. Art. 61 des Abkommens. 52 Vgl. Art. 65 des Abkommens; das maßgebliche sekundäre Gemeinschattsrecht wird in

den Anhängen XVI und XVII zum Abkommen aufgeführt.

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rungsabkommen zunächst eine Erleichterung des Warenaustausches zwi- schen der Gemeinschaft und dem assoziierten Staat vorsehen, die das Endziel einer Integration in den Gemeinsamen Markt zur Folge hat.

Hieraus folgt, daß auch über die Errichtung einer Freihandelszone hin- ausgegangen werden kann, beispielsweise mit der Konstruktion einer Zollunion, d. h. der Übernahme des Zolltarifs der Gemeinschaft durch den assoziierten Staat und damit der Errichtung einer gemeinsamen wirt- schaftlichen Außengrenze. Auch Waren aus dritten Staaten können damit ungehindert zirkulieren. Eine solche Zollunion ist im Verhältnis zur Türkei nunmehr beschlossen53; nur für landwirtschaftliche Produkte bestehen Sonderregelungen54. Auch die Assoziierungsabkommen mit Zypern55 und Malta56 sprechen für die Zukunft die Errichtung einer Zollunion an.

III. Rechtswirkungen der Wirtschaftsabkommen der Europäischen Gemeinschaft

1. Rechtsnatur Die Rechtsnatur der in völkerrechtlichen Verträgen der Gemeinschaft

enthaltenen Vereinbarungen ist ein entscheidender Aspekt für ihre Bedeutung im innergemeinschaftlichen Rechtsverkehr. Stellen die Be- stimmungen eines von der Gemeinschaft abgeschlossenen völkerrechtli- chen Vertrages nämlich Gemeinschaftsrecht dar, so kann die zentrale Instanz des Europäischen Gerichtshofes die einheitliche Auslegung des Vertragswerks jedenfalls innerhalb des Bereichs der Gemeinschaft garan- tieren57. Außerdem kann das Gemeinschaftsrecht in seinem Anwendungs- bereich die unterschiedlichen nationalen Rechtsordnungen verdrängen.

Dabei ist zwischen den in den Verträgen selbst getroffenen Verein- barungen und den erst von den vertraglichen Institutionen geschaffenen Bestimmungen zu unterscheiden.

a) Primäres Vertragsrecht Explizit gibt keine Norm des EGV darüber Auskunft, wie Bestim-

mungen in völkerrechtlichen Verträgen in das Gefüge des Gemeinschafts- rechts einzuordnen sind. Art. 228 Abs. 7 EGV bestimmt lediglich, daß

53 Vgl. den Assoziationsratsbeschluß Nr. 1/95, ABI. 1996 L 35/1; schon Art. 5 des 1963 unterzeichneten Assoziierungsabkommens sah die Errichtung einer Zollunion vor.

54 Vgl. Art. 2 des Beschlusses Nr. 1/95. 55 ABI. 1973 L 133. 56 ABI. 1971 L61. 57 Ein an der Vereinbarung beteiligte Drittstaat kann dagegen grundsätzlich nicht der

Rechtsprechung des EuGH unterliegen; dies kann zu Unterschieden in der Anwendung führen, vgl. zum Assoziationsratsbeschluß Nr. 1/95 EWG/Türkei Rumpf, RIW 1997, S. 46/47.

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geschlossene Abkommen „für die Organe der Gemeinschaft und für die Mitgliedstaaten verbindlich" sind, wiederholt also im Grunde lediglich den Grundsatz „pacta sunt servanda" sowie die Bindung der Mitglied- staaten an die Handlungen der Gemeinschaft. Art. 189 EGV erwähnt völ- kerrechtliche Verträge nicht als Quelle des Gemeinschaftsrechts.

oc) Aufgrund ihrer Herkunft sind Regelungen in völkerrechtlichen Ab- kommen primär völkerrechtlicher Natur58. Nach ganz h. M. stellen völ- kerrechtliche Verträge der Gemeinschaft zugleich aber auch einen Be- standteil des Gemeinschaftsrechts dar. In der Rechtssache „Haegeman"59 hat der Europäische Gerichtshof dies aus der Tatsache abgeleitet, daß der Abschluß eines Abkommens mit der Handlung eines Gemeinschafts- organs i.S.v. Art. 177 Abs. 1 lit. b EGV notwendigerweise einhergeht. Der Gerichtshof hat also seinen Grundsatz, daß unter die besagte Vorschrift alle Rechtsakte fallen, die einem Gemeinschaftsorgan zuzurechnen und geeignet sind, irgendwelche Rechtswirkungen zu erzeugen60, auch auf den Abschluß eines völkerrechtlichen Vertrages erstreckt61.

Generell wird damit auch in diesem Bereich rechtlich relevanter Tätigkeit ein gemeinschaftsrechtlicher Aspekt entnommen. Der von Generalanwalt Trabucchi in der Rechtssache Bresciani geäußerten Ansicht, wonach internationale Abkommen als bilaterale bzw. multilate- rale Rechtsakte keine „ihrem Wesen nach" einseitige Handlungen der Gemeinschaftsexekutive sein könnten62, ist der Gerichtshof nicht gefolgt. In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird dem Ergebnis des EuGH zugestimmt, wobei aus Art. 228 Abs. 7 EGV (bzw. Art. 228 Abs. 2 EWGV) eine Transformations- oder Vollzugsanordnung63 herausgelesen wird, die zum sogenannten „seif executing"-Charakter der von der Ge- meinschaft geschlossenen völkerrechtlichen Verträge führen soll64. Dabei wird auch nicht als wesentlich angesehen, wie im innergemeinschaftlichen Verfahren die Zustimmung zum Vertrag (Verordnung, schlichter Beschluß65) ausgedrückt wird66. Ob der eher nichtssagende Wortlaut des Art. 228 Abs. 7 EGV allerdings derartige Erklärungsversuche stützt,

58 Vgl. Generalanwalt Trabucchi in EuGH, Slg. 1976, 129/147- „Bresciani", der sogar von einer alleinigen Zuordnung zum allgemeinen Völkerrecht ausgeht.

59 EuGH, Slg. 1974,449. 60 Vgl. EuGH, Slg. 1973, 1135 - „Schlüter". 61 Internationale Übereinkünfte besitzen nach Ansicht des EuGH im übrigen auch

Vorrang vor sekundärem Gemeinschaftsrecht, vgl. Urteil v. 10. 9. 1996, Rs. C-61/94, Rn. 52. 62 EuGH, Slg. 1976, 129/146 f. - „Bresciani"; der Generalanwalt bejaht aber trotzdem eine

Befugnis des EuGH zur Heranziehung internationaler Abkommen, vgl. aaO. « Vgl. Y edder, in Grabitz/HilU EUV/EGV, Stand 1994, Art. 228 Rn.46. 64 AaO. Rn. 48. 65 Die Praxis schwankt. 66 Unklar Krück, Völkerrechtliche Verträge im Recht der europäischen Gemeinschaften,

1977, S. 46, der die „Abschlußverordnung samt Anlage, die den Vertragsinhalt enthält", als Gemeinschaftsrecht ansieht.

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Wirtschaftsabkommen im System der Europäischen Gemeinschaft 305

erscheint eher fraglich. Vorzugswürdig ist die Argumentation des EuGH mit seinem Bezug auf Art. 177 EGV.

ß) Auch die - oft umfangreichen - Anhänge und Protokolle zu einem Abkommen sind im übrigen Bestandteile der völkerrechtlichen Verein- barung und bilden deshalb - sofern nicht anders vereinbart - ungeachtet ihrer Bezeichnung (Protokoll, Erklärung etc.) einen integralen Bestandteil des Abkommens67. Sie sind mithin nicht nur völkerrechtlich verbindlich, sondern ebenfalls Bestandteile des Gemeinschaftsrechts68. b) Sekundäres Vertragsrecht

Eine Vielzahl der von der Europäischen Gemeinschaft abgeschlossenen Abkommen - insbesonders die Assoziierungsabkommen - sieht vor, daß die geschaffenen Verbindungen durch die Schaffung besonderer Institu- tionen intensiviert werden. Diese vertraglichen Organe69 sind auch zu- meist zur Abgabe bindender Beschlüsse oder nichtbindender Empfehl- ungen befugt70.

oc) Nach der Rechtsprechung des EuGH bilden die von Abkommens- organen gefaßten Maßnahmen ebenso wie die Bestimmungen eines Ab- kommens selbst einen Bestandteil des Gemeinschaftsrechts. Zur Be- gründung hat der EuGH in der Rechtssache „Sevince"71 darauf verwiesen, daß die bindenden Beschlüsse einer durch ein Abkommen geschaffenen Institution unmittelbar mit dem Abkommen selbst in Zusammenhang stünden und außerdem die Notwendigkeit einer einheitlichen An- wendung in der Gemeinschaft bestehe72. Auf den unmittelbaren Zu- sammenhang hat der EuGH bereits in dem weniger beachteten Urteil in der Rechtssache 30/8873 abgehoben und seine Haltung auch in den Entscheidungen „Kus"74, „Eroghi"75 und „Bozkurt"76 bestätigt.

In der Literatur werden die Beschlüsse von Abkommensorganen viel- fach als völkerrechtliche „ad-hoc-Verträge" angesehen77, die in einem ver-

67 Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, 8. Aufl. 1994, Rn. 205; speziell für Abkommen nach Art. 238 EGV Gilsdorf, in Groeben/Thiesing/Ehlermann, EWGV, 1991, Art. 238 Rn. 42.

68 Vgl. zum Protokoll Nr. 5 zum Lomé- Abkommen auch EuGH, Sie. 1995, 1-4533. 69 Mangels Völkerrechtsfähigkeit der Assoziationen liegen allerdings keine Organe im

engeren Sinne vor; andererseits spricht etwa Art. 29 des Vierten Abkommens von Lomé (ABI. 1991 L 229/3) ausdrücklich von Organen des Abkommens, die Überschrift des vierten Teils desselben Abkommens von der „Arbeitsweise der Organe"; der EuGH geht in Slg. 1991, 1-6079 hinsichtlich des E WR- Abkommens ebenfalls von der Existenz von Organen aus.

70 Vgl. etwa den bisher praktisch wichtigsten Fall des Art. 36 S. 2 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen mit der Türkei.

71 EuGH, Sie. 1990,1-3461. 72AaO. S. 3501. 73 EuGH, Slg. 1989, 3711/ 3738. 74 EuGH, Sie. 1992, 1-6781/6818. 75 EuGH, Sie. 1994,1-5113. 76 EuGH, Sie. 1995, 1-1475. 77 Petersmann, ZaöRV 1973, 266/278; Vedder, aaO. (Fn. 63), Art. 238 Rn. 35.

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306 Claus Weber

einfachten Verfahren geschlossen werden78. Dagegen spricht allerdings, daß der EuGH im Gutachten 1/91 ausgeführt hat, daß durch das EWR- Abkommen „keine Übertragung von Hoheitsrechten auf die mit ihm ein- gesetzten zwischenstaatlichen Organe" vorgesehen sei"79; hieraus kann geschlossen werden, daß der EuGH nicht von einer selbständigen Tätig- keit der Assoziationsorgane ausgeht.

ß) In der Rechtssache „Deutsche Shell"80 hat der EuGH im Hinblick auf eine „Absprache" des aufgrund des zwischen der Europäischen Gemein- schaft und Island, Norwegen, Schweden, Finnland, Österreich und der Schweiz abgeschlossenen Übereinkommens über ein gemeinsames Versandverfahren81 eingerichteten Gemischten Ausschusses entschieden, daß auch derartige nichtbindende Resolutionen dem Gemeinschaftsrecht zugehörig und deshalb bei der gerichtlichen Entscheidungsfindung zu berücksichtigen sind. Hierbei hat sich der Gerichtshof erneut auf den „unmittelbaren Zusammenhang" mit dem Übereinkommen selbst beru- fen und sich auch auf die Entscheidung „Sevince" bezogen.

2. Unmittelbare Anwendbarkeit Unter unmittelbarer Anwendbarkeit einer Bestimmung des Gemein-

schaftsrechts ist nach der Rechtsprechung des EuGH die Frage zu verste- hen, ob die betreffende Bestimmung in einem gerichtlichen Verfahren zur Entscheidung unmittelbar herangezogen werden und damit auch Rechts- wirkungen zugunsten einzelner erzeugen kann. Dies gilt auch für Be- stimmungen in völkerrechtlichen Verträgen82.

Die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit ist dabei von der Vorfrage der Rechtsnatur assoziationsrechtlicher Bestimmungen zu trennen, da völkerrechtliche Verträge sich zunächst lediglich an die vertragsschlie- ßenden Parteien wenden. Wenn gegen eine Unterscheidung zwischen Rechtsnatur und unmittelbarer Anwendbarkeit vorgebracht wird, daß hierdurch die Frage der Rechtsnatur belanglos werde83, so ist dem nicht zuzustimmen; bei fehlender unmittelbarer Anwendbarkeit kann eine Abkommenbestimmung jedenfalls als Auslegungshilfe84 und Maßstab bei Ermessensentscheidungen verwendet werden85.

78 Vedder, EuR 1994, 202/210; Gäsdorf, EuZW 1991, 459/461. 79 EuGH, Sie. 1991, 1-6079. 80 EuGH, Slg. 1993,1-363. 81 ABI. 1987 L 226/2. 82 Vgl. EuGH, Sie. 1972, 1219 - „International Fruit". 83 Berrisch, EuR 1994, S. 461/469. 84 Vgl. zur Auslegung sekundären Gemeinschaftsrechts anhand des GATT EuGH, Slg.

1989, 1781 - „Fediol" und Slg. 1995, 1-3231. 85 Vgl. Oehmichen, Unmittelbare Anwendbarkeit der völkerrechtlichen Verträge der EG,

1992, S. 114.

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Wirtschaftsabkommen im System der Europäischen Gemeinschaft 307

Allerdings können nach der Entscheidung „Nakajima"86 ausnahms- weise auch die Bestimmungen eines nicht unmittelbar wirkenden Ab- kommens herangezogen werden, um sekundäres Gemeinschaftsrecht auf seine Gültigkeit zu überprüfen; Voraussetzung hierfür ist aber, daß die Gemeinschaft mit der Verordnung bzw. Richtlinie die Verpflichtung aus dem völkerrechtlichen Vertrag unmittelbar ins Gemeinschaftsrecht um- setzen wollte. Synonym zum Begriff „unmittelbare Anwendbarkeit" ver- wendet die herrschende Meinung auch den Terminus „unmittelbare Wirkung"87. Sofern völkervertragsrechtliche Vorschriften unmitttelbar anwendbar sind, können sie auch entgegenstehendes Recht der Mitglied- staaten verdrängen; andernfalls ist der eindeutige Wortlaut einer nationa- len Vorschrift entscheidend. a) Primäres Vertragsrecht

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH zur Bestimmung der unmit- telbaren Anwendbarkeit einer Abkommensbestimmung hat sich die ent- sprechende Auslegung an „Sinn und Zweck des Abkommens sowie Wortlaut und Aufbau"88 zu orientieren. Dies bedeutet, daß eine Vorschrift „unter Berücksichtigung ihres Wortlautes und im Hinblick auf den Sinn und Zweck des Abkommens eine klare und eindeutige Verpflichtung" enthalten muß, „deren Erfüllung oder deren Wirkungen nicht vom Erlaß eines weiteren Aktes abhängen"89.

oc) Eine Vertragsbestimmung kann demnach etwa so formuliert sein, daß sie bereits aufgrund der Unklarheit ihres Wortlautes nicht mehr der Auslegung zugänglich ist und deshalb auch nicht als unmittelbar anwend- bar aufgefaßt werden kann90. In der Entscheidung „Demirel"91 hat der EuGH beispielsweise judiziert, daß Art. 12 des Assoziierungsabkommens mit der Türkei92, der die Herstellung von Freizügigkeit vorsieht, keine hinreichend bestimmten Rechtsfolgen entnommen werden können.

ß) In seiner „Kupferberg" -Entscheidung hat der EuGH desweiteren als Voraussetzung der unmittelbaren Anwendbarkeit einer Vorschrift ange- nommen, daß diese „unbedingt" ist93. Hierunter ist zu verstehen, daß eine

86 EuGH, Slg. 1991, 1-2069. 87 Vgl. hierzu Vedäer, aaO. (Fn. 63), Art. 228 Rn. 47; insgesamt herrscht ein wenig frucht- barer Begriff s wirrwar, vgl. Cheyne, ELR 1994, S. 581/585, die zwischen „direct applicabili- ty" und „direct effect" unterscheidet; ähnlich für die von der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 2. Aufl. 1994, § 32 II 3a) bb.

88 EuGH, Slg. 1972, 1219/1228 - „International Fruit"; ähnlich Slg. 1976, 129/140 - „Bresciani"; 1982, 3641/3665 - „Kupferberg"; in Slg. 1991, 1-199 - „Kziber" wird die Systematik des Abkommens nicht erwähnt.

89 EuGH, Slg. 1987, 3719/3751 - „Demirel". 90 Vgl. Tomuschat, Gedächtnisschrift für Constantinesco, 1983, S. 801/811. 91 EuGH, Slg. 1987,3719. 92 ABI. 1964,3687. 93 EuGH, Slg. 1987, 3641/3663.

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vertragliche Verpflichtung sich bereits unmittelbar aus den getroffenen Vereinbarungen ergeben muß, d. h. daß die Anwendung nicht im Er- messen der Vertragsparteien liegt oder von weiteren Maßnahmen abhängt.

Eine gesonderte Umsetzung eines Abkommens durch den Erlaß ge- meinschaftlichen Sekundärrechts ist deshalb nicht vonnöten, sofern der Text einer Bestimmung deutlich und klar ist94. In der Entscheidung „Polydor"95 hat der Gerichtshof demgemäß auch nicht der Ansicht von Generalanwältin Rozès widersprochen, daß die Billigung eines Ab- kommens durch eine Verordnung nur „instrumentale Bedeutung" besit- ze96, zumal in der gemeinschaftlichen Praxis nicht stets die Verordnung als Mittel der Billigung eines Abkommens verwendet wird97.

Ausnahmen, die unter bestimmten Voraussetzungen - etwa zum Schutz des ordre public98 - Privilegierungen wieder einschränken können, be- sagen ebenfalls noch nichts über die eigentliche Anwendbarkeit99. Bei einer solchen Konstellation ist die von der bedingten Ausnahmeregelung betroffene Rechtsfolge selbst zunächst unbedingt angeordnet100, da anson- sten die Anordnung gar nicht erforderlich wäre101.

y) Keine unmittelbare Wirkung soll nach Ansicht des EuGH allerdings das GATT 1947 besitzen, da sich dieses multilaterale Abkommen durch ein umfangreiches System von Schutzklauseln auszeichnet. So enthält das GATT 1947 etwa die Regelung des Art. XXII, wonach die Vertrags- parteien die Vorstellungen der anderen Vertragsparteien „wohlwollend" zu prüfen und auf Antrag Konsultationen zu führen hat. Der Gerichtshof hat daraus auf eine „große Geschmeidigkeit" der Bestimmungen des GATT geschlossen102, die eher politische Verfahren der Konsensbildung fordern; in der Rechtssache „International Fruit" wurde demgemäß ent- schieden, daß ein einzelner sich nicht auf das Verbot der mengenmäßigen Beschränkungen der Ein- und Ausfuhr nach Art. XI des GATT berufen könne, da das Abkommen Konsultationen über seine Anwendung und die

94 Eine Ausnahme ist dann möglich, wenn die unmittelbare Anwendbarkeit aus anderen Gründen zu verneinen ist, vgl. EuGH, Slg. 1991, 1-2069 - „Nakajima".

95 EuGH, Sie. 1982,329. *> AaO. S. 353. 97 Oehmichen, aaO. (Fn. 85), S. 143 ff. 98 Häufig enthalten die von der Gemeinschaft geschlossenen Abkommen auch Klauseln

zur Beachtung von demokratischen und menschenrechtlichen Prinzipien; derartige Klauseln können es gestatten, nach Art. 60 der Wiener Vertragsrechtskonvention das Abkommen auf- zulösen, vgl. die Schlußanträge von Generalanwalt La Pergola vom 23. Mai 1996 in der Rechtssache C-268/94, Tz. 28.

99 Vgl. zu Art. 10 des EWR-Abkommens das Urteil des EuG vom 22. 1. 1997, Rs. I'- ll 5/94.

loo Vgljarass, NJW 1990, S. 2420/2424. 101 So auch Generalanwalt Darmon in EuGH, Slg. 1990, 1-3461/3488 - „bevince ; zwei-

felnd bei einem rein politischen Verfahren allerdings Bebr, EuR 1983, S. 128/158. 102 EuGH, Slg. 1972, 1219.

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Wirtschaftsabkommen im System der Europäischen Gemeinschaft 309

Möglichkeit von - u. a. auch einseitigen - Reaktionen auf Maßnahmen anderer Vertragsparteien vorsehe103. Hiervon ist der EuGH auch nicht in den Entscheidungen „Fediol"104 und „Nakajima"105 abgerückt, wie er in der „Bananen-Klage"106 und in der Rechtssache C-469/93107 noch einmal klargestellt hat.

Ob der Gerichtshof auch im Hinblick auf das GATT 1994 und die übri- gen WTO-Abkommen bei seiner Meinung bleiben wird, muß abgewartet werden. In der Literatur wird bereits darauf verwiesen, daß die bisherige Rechtsprechung nicht übertragbar sei108. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, daß mit dem „Dispute Settlement Understanding" im Annex 2 nunmehr zwar ein gemeinsames und stärker institutionalisiertes Verfahren der Streitschlichtung geschaffen werden soll, dieses Verfahren jedoch immer noch auf speziellen „politischen" Mechanismen der Streitbeilegung beruht109. Als ultima ratio ist nach wie vor auch ein Mechanismus wech- selseitiger Retorsion möglich. Die Europäische Kommission hat jedenfalls vorgeschlagen, die auch in Zukunft fehlende unmittelbare Wirkung aus- drücklich klarzustellen110; im Beschluß zur Annahme der WTO-Ab- kommen führt der letzte Erwägungsgrund demgemäß aus, daß das Über- einkommen nicht so angelegt sei, daß es unmittelbar vor den Recht- sprechungsorganen angeführt werden könne111. Fraglich wäre bei fehlen- der unmittelbarer Anwendbarkeit aber jedenfalls auch, ob diejenigen spe- ziellen Handelsabkommen, die auf materielle Regelungen des GATT ver- weisen, dann ebenfalls keine unmittelbaren Wirkungen zeitigen112.

Im übrigen verlangt der EuGH grundsätzlich keine Ausgewogenheit der Verpflichtungen aus einem Abkommen, um dessen Bestimmungen unmittelbare Wirkungen zuzuerkennen. Sogar die Tatsache, daß der Vertragspartner die unmittelbare Anwendbarkeit verweigert, ist für den EuGH ohne Belang. Folgerichtig hat der EuGH in der Rechtssache „Kupferberg" entschieden, daß jede Partei selbst für ihre Verpflichtungen aus einem Abkommen und die Art ihrer Durchführung verantwortlich sei und die Ablehnung der unmittelbaren Wirkung durch die Justiz einer Partei deshalb noch nicht zu fehlender Gegenseitigkeit führe113. Auch das

103 AaO. 104EuGH,Sk. 1989, 1781. 105 EuGH, Sie. 1991,1-2069. 106 EuGH, Slg. 1994, 1-4933. 107 EuGH, Sie. 1995,1-4573. 108 So Becker-Celik, EWS 1997, S. 12/14 f. 109 Vgl. aber Beneyto, EuZW 1996, S. 295/298: „almost of a 'judical' nature". 110 KOM (94) 143 ende. Nr. 5a, 7a. 111 ABI. 1994 L 330/2; da nach Art. II Abs. 2 der Übereinkunft auch die Anhänge

Bestandteil des Abkommens sind, dürften auch diese von der Anmerkung erfaßt sein. 112 Vgl. oben II Ib. 113 EuGH, Slg. 1982, 3641/3663 f.

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mit den AKP-Staaten geschlossene Abkommen von Lomé soll demgemäß „dem einzelnen Rechte verleihen" können, „auf die er sich vor den natio- nalen Gerichten berufen könnte"114. Folgt man dieser Ansicht trotz der vielfältigen in diesem Abkommen enthaltene Absichtserklärungen, so stellt sich aber doch wieder die Frage, ob nicht konsequenterweise das- selbe auch beim GATT angenommen werden sollte115. Die Tatsache, daß das Abkommen von Lomé im Unterschied zum GATT als Assoziierung im Sinne des Art. 238 EGV konzipiert ist, wird einer unmittelbaren Anwendbarkeit einzelner GATT-Regeln jedenfalls unter Zugrundelegung der bisherigen EuGH-Rechtsprechung nicht von vornherein entgegenge- halten werden können.

Ô) Desweiteren sind die Vertragsparteien auch frei, ausdrücklich zu ver- einbaren, ob eine Bestimmung unmittelbar anwendbar sein soll oder nicht116. Solche Vereinbarungen sind in der Praxis nicht selten. So ordnet etwa die h. M. in Deutschland der Europäischen Sozialcharta117 (ESC) nicht die Fähigkeit zu, unmittelbare Rechte einzelner Bürger zu begrün- den; eine solche Rechtsfolge sei durch Teil III des Anhangs118 zur ESC, der nach Art. 38 der ESC Bestandteil der Charta ist, ausgeschlossen119. Denk- bar ist auch eine einseitige Erklärung eines Vertragspartners zur Frage der unmittelbaren Anwendung eines Abkommens. Die Begründung des Rates zum Beschluß über die Annahme der WTO-Abkommen120 dürfte jedoch noch keine derartige Erklärung darstellen121.

Nach der neueren Rechtsprechung des EuGH liegt es allerdings nahe, ohne ausdrückliche Vereinbarung des Gegenteils von einer Vermutung der unmittelbaren Anwendbarkeit völkerrechtlicher Verträge auszugehen. Nachdem der EuGH nämlich bis zum Jahre 1982 nur einer Bestimmung in den Abkommen von Jaunde122 ausdrücklich unmittelbare Wirkung zuerkannt123 und sich noch in der Entscheidung „Polydor"124 trotz ent-

114 Sie. 1995,1-4533. 115 Kritisch zur GATT- Rechtsprechung des EuGH auch ein Großteil der Literatur, vgl.

aus jüngster Zeit etwa Müller-Ibold, in Lenz (Hrsg.), EGV, Art. 113 Rn. 57; Hobmann, EWS 1995, S. 381 f.

116 EuGH, Slg. 1982, 3641/3663 f. 117 BGB1. 1964 II 1261. 118 Danach enthält die Charta nur „rechtliche Verpflichtungen internationalen Charak-

ters", „deren Durchführung ausschließlich der in ihrem Teil IV vorgesehenen Überwachung unterliegt". 119 BVerwGE 65, 188/196; 66, 268/274, BVerwG vom 22. 2. 1995, NVwZ 1995, 1113/1116; Hailbronner, Ausländerrecht, A 1, § 1 Rn. 18; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 1994, S. 399.

12° Oben c. 121 Nach der Formulierung des Erwägungsgrundes handelt es sich eher um eine nichtbin-

dende Auslegungserklärung. 122 Die Vorgänger der Lome-Abkommen, ABI. 1964, 1430 und ABI. 1970 L 282/1. 123 EuGH, Sie. 1976, 129/141 - „Bresciani". 124 EuGH, Slg. 1982,329.

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Wirtschaftsabkommen im System der Europäischen Gemeinschaft 311

sprechender Ausführungen der Generalanwältin125 nicht zur unmittelba- ren Wirkung der Vorschrift eines Freihandelsabkommens äußerte126, ging der Gerichtshof mit den Entscheidungen „Pabst"127 und „Kupferberg"128 dazu über, die Regelungen völkerrechtlicher Verträge der Gemeinschaft regelmäßig für unmittelbar anwendbar zu erklären129. Besonders signifi- kant ist diese Änderung in der Rechtsprechung des EuGH, weil sowohl die Rechtssache „Polydor" als auch die im gleichen Jahr entschiedene Rechtssache „Kupferberg" das seinerzeitige Freihandelsabkommen mit Portugal betrafen.

Für gewisse Typen von Abkommensbestimmungen hat auch der EuGH bereits ausgesprochen, daß diese generell geeignet seien, unmittelbare Wirkungen herbeizuführen, so etwa für Vereinbarungen zu Verkehrsbe- scheinigungen über den Ursprung von Waren130 oder auch für Dis- kriminierungsverbote131. b) Sekundäres Vertragsrecht

Da das von Organen völkerrechtlicher Verträge gesetzte Recht grund- sätzlich Gemeinschaftsrecht darstellt, ist auch nach dessen unmittelbarer Anwendbarkeit zu fragen.

oc) Die herrschende Meinung - insbesondere der EuGH - vertritt die Ansicht, daß die Prüfung der unmittelbaren Anwendbarkeit von sekun- därem Vertragsrecht nach denselben Kriterien wie bei der Auslegung der unmittelbaren Wirkung von Abkommensbestimmungen vorzunehmen ist132.

Grundlegend war hierfür das Urteil des EuGH in der Rechtssache „Sevince", in der der Gerichtshof lapidar ausgeführt hat, daß die Beschlüsse Nr. 2/76 und 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei nicht nur einen „integrierenden Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung" bildeten133, sondern daß auch nach denselben Kriterien wie bei einem Abkommen deren unmittelbare Wirkung zu ermitteln sei134. Als diese Kriterien hat der EuGH Wortlaut sowie Sinn und Zweck des Ab-

125 AaO. S. 352 ff. 126 AaO. S. 348 f.; entgegen der Ansicht von Vedder, aaO. (Fn. 63), Art. 228 Rn. 48 hat der

EuGH nicht die unmittelbare Wirkung verneint, sondern lediglich die materielle Reichweite der in Rede stehenden Vorschrift überprüft. Dies ergibt sich bereits daraus, daß er die Frage nach der unmittelbaren Anwendbarkeit im Vorlagebeschluß (aaO. S. 346) ausdrücklich nicht beantwortet (aaO. S. 350).

127 EuGH, Sie. 1982, 1331/1350. 128 EuGH, Slg. 1982, 3641/3664. 129 Vgl. EuGH, Slg. 1991, 1-199/226 - „Kziber". 130 EuGH, Slg. 1994, 1-3087/3128. 131 Vgl. EuGH, Slg. 1991, 1-199 - „Kziber". 132 Vgl. zum Assoziationsratsbeschluß Nr. 1/95 EWG/Türkei auch Rumpf RIW 1997,

46/51. 133 EuGH, Slg. 1990,1-3461. 134 AaO.

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kommens genannt135. Dem wird in der Literatur u. a. mit dem Argument zugestimmt, daß derartige Beschlüsse in ihrer Eigenschaft als vereinfachte Vertragsschlüsse denselben Grundsätzen unterliegen müßten wie das Abkommen selbst136. Dieser Schluß sei zumindest für Vertragsgremien wie Assoziationsräte gerechtfertigt, da sich hier Gemeinschaft und Dritt- staat gleichgeordnet gegenüberstünden137.

Ob allerdings Organbeschlüsse tatsächlich stets zur unmittelbaren An- wendung geeignet sind, erscheint indes noch nicht endgültig geklärt. Sieht man diese Beschlüsse als Parallele zum sekundären Gemeinschaftsrecht, so wäre es auch denkbar, ihnen wie bei Richtlinien keine unmittelbare Geltung, sondern nur eine Pflicht der Mitgliedstaaten zur Umsetzung zu entnehmen.

Für den Beschluß Nr. 3/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei „über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften auf die türkischen Arbeitnehmer und auf deren Familienangehörige"138 ist der EuGH in der unlängst ergange- nen Entscheidung „Taflan-Met" zum selben Ergebnis gekommen139. Ob- wohl jedenfalls der Wortlaut einzelner Bestimmungen des Beschlusses Nr. 3/80 hinreichend bestimmt und unbedingt ist, hat der Gerichtshof die unmittelbare Wirkung des gesamten Beschlusses abgelehnt; begründet hat er dies mit einem Vergleich mit dem sekundären Gemeinschaftsrecht und insbesonders mit der korrespondierenden Verordnung Nr. 1408/71, für deren Geltung der Erlaß einer Durchführungsregelung vonnöten war.

ß) Von verbindlichen Beschlüssen sind im übrigen unverbindliche Emp- fehlungen zu unterscheiden. Solche Empfehlungen der vertraglichen Institutionen setzen bereits nach ihrem Wortlaut kein verbindliches Recht. Sie sind daher nicht unmittelbar anwendbar, sondern können nur bei der Auslegung gemeinschaftlichen bzw. nationalen Rechts berücksich- tigt werden140.

3. Inhaltliche Auslegung Bei der inhaltlichen Auslegung141 der von der Gemeinschaft abgeschlos-

senen Wirtschaftsabkommen stellt sich die Frage, welche Grundsätze hier heranzuziehen sind.

135 AaO. 136 Vedder, EuR 1994, S. 202/212 f.; Gilsdorf, aaO. (Fn. 67), Art. 238 Rn. 49 f. 137 Tomuscbat, in Groeben/Thiesing/Ehlermann, EWGV, Art. 228 Rn. 65. 138 ABI. 1983 C 110/60. 139 Urteil vom 10. 9. 1996, Rs. C-277/94, Z. Taflan-Met, S. Altun-Baser, E. Andal-

Bugdayci gegen Bestuut van de Sociale Verzekeringsbank und O. Akol gegen Bestuur van de Nieuwe Algemene Bedriifsvereniging.

140 Vgl. die Entscheidung „Deutsche Shell", EuGH, Slg. 1993, 1-363/388. 141 Zu unterscheiden von der Auslegung im Hinblick auf unmittelbare Anwendbarkeit.

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Wirtschaftsabkommen im System der Europäischen Gemeinschaft 313

a) Völkerrechtliche Grundsätze Wie der EuGH im Hinblick auf den Vertrag über den Europäischen

Wirtschaftsraum betont hat, ist dieser „auf der Grundlage eines völker- rechtlichen Vertrages zu verwirklichen"142.

Folglich sind bei der Auslegung der von der Gemeinschaft geschlosse- nen Verträge auch die entsprechenden Normen des Völkerrechts anzu- wenden143, so etwa die Wiener Vertragsrechtskonventionen144 oder jeden- falls die in diesen Konventionen kodifizierten allgemeinen Prinzipien des Völkerrechts. b) Gemeinschaftsrechtliche Grundsätze

Neben der vorrangig völkerrechtlichen Natur der von der Gemein- schaft abgeschlossenen Verträge ist allerdings zu beachten, daß diese Ver- träge auch einen Bestandteil der Gemeinschaftsordnung darstellen und deshalb unter Umständen auch mit Gemeinschaftsrecht parallelisiert wer- den können, obwohl völkerrechtliche Verträge - mit Ausnahme von Verträgen zur Errichtung internationaler oder supranationaler Organisa- tionen145 - traditionell nicht stark ideologisch interpretiert werden146.

a)Der EuGH stellt insoweit maßgeblich auf den Zweck ab, der mit dem jeweiligen Abkommen verfolgt wird. So wurde etwa in der Entscheidung „Kupferberg"147 festgestellt, daß das Verbot diskriminierender steuer- licher Behandlung im damaligen Freihandelsabkommen mit Portugal nicht derart weitreichend sein könne wie das vergleichbare Verbot des Art. 95 EWGV, da das Freihandelsabkommen lediglich eine Liberali- sierung des Handels bezwecke. Dasselbe wurde in einer Entscheidung zum Freihandelsabkommen mit Österreich ausgesprochen148. Zu Be- stimmungen des Freihandelsbkommens mit Portugal, die die Beseitigung von Beschränkungen des freien Handels vorsahen, wurde ebenfalls ent- schieden, daß diese Bestimmungen nicht derart weitgehende Verbote beinhalten wie die entsprechenden Vorschriften des Gemeinschafts- rechts149; dabei hat sich der Gerichtshof darauf berufen, daß das Gemein- schaftsrecht als Besonderheit einen Gemeinsamen Markt geschaffen hat,

142 EuGH, Slg. 1991, 1-6079; da der EWR-Ausschuß gemäß Art. 104 EWRV verbindliche Beschlüsse fassen kann, ist allerdings die Annahme des EuGH, eine Übertragung von Souveränitätsrechten finde nicht statt, zweifelhaft.

143 Everting, ZaöRV 1964, S. 472/525. 144 Vgl. Art. 31 ff. des Übereinkommens über Verträge zwischen Staaten, BGBl. 1985 II

926. 145 Vgl. Seidl-Hohenveldern, aaO. (Fn. 67), Rn. 352 ff. 146 Tomuschat, aaO. (Fn. 90), S. 801/819. 147 EuGH, Slg. 1982, 3461. 148 EuGH, Slg. 1993, 1-3751/3774 f. 149 EuGH, Slg. 1992,329.

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während das Freihandelsabkommen keinen derart weitgehenden Zweck verfolge. Nachdem der EGV nun auch das Ziel eines „Binnenmarktes"150 beinhaltet, gilt diese Argumentation umso mehr.

Völkerrechtliche Verträge der Gemeinschaft sind damit in der Regel zurückhaltender zu interpretieren als das eigentliche Gemeinschaftsrecht. In seinem ersten Gutachten zum EWR-Vertrag hat der EuGH sogar aus- gesprochen, daß der gleiche Wortlaut von Gemeinschaftsrecht und Ab- kommen selbst dann noch keine gleiche Auslegung gewährleistet, wenn eine ergänzende Bestimmung dies so vorsieht151. Da aber gleicher Wortlaut im Regelfall doch auch auf identische Bedeutung hinweist, wird man trotzdem von einer entsprechenden Vermutung ausgehen können, während umgekehrt bei unterschiedlichen Formulierungen eher auch unterschiedliche Rechtsfolgen anzunehmen sind. So sprechen etwa die geplanten Partnerschaftsabkommen mit den Nachfolgestaaten der Sowjet- union lediglich von einem Verbot mengenmäßiger Beschränkungen152, nicht aber auch - wie Art. 30 EGV - von Maßnahmen gleicher Wirkung153.

Art. 5 und 6 des Beschlusses Nr. 1/95 des Assoziationsrates EWG/ Türkei entsprechen dagegen im Wortlaut den Art. 30 und 34 EGV. Auch hier ist jedoch zu beachten, daß etwa nach Art. 47 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen sowie Art. 44 ff. des Assoziationsrats- beschlusses handelspolitische Schutzmaßnahmen - z. B. Antidumping- maßnahmen - nach wie vor zulässig sind154.

ß) In Ausnahmefällen können allerdings auch nach der Rechtsprechung des EuGH die Bestimmungen völkerrechtlicher Verträge durchaus die- selbe Reichweite wie das vergleichbare Gemeinschaftsrecht besitzen. Beispielsweise wurde in der Rechtssache „Legros", die ebenfalls ein Freihandelsabkommen zum Gegenstand hatte, im Ergebnis eine iden- tische Auslegung von Gemeinschaftsrecht und völkerrechtlichem Vertrag bejaht155.

150 Ygl< Art. 7 a EGV: ein Markt ohne Binnengrenzen. 151 EuGH, Slg. 1991, 1-6079/6101 ff.; im Falle des EWR- Abkommens sehen die Art. 6 und

104 ausdrücklich eine übereinstimmende Auslegung vor. 152 Siehe oben III 1 b) ß. 153 Im eigentlichen Gemeinschaftsrecht soll nach Ansicht des EuGH dagegen auch bei

unterschiedlichem Wortlaut ein identischer Wortsinn möglich sein; so soll nach Slg. 1995, 1- 4385 zum Protokoll Nr. 2 zur Beitrittsakte Spanien/Portugal ein Verbot von Zöllen auch ohne ausdrückliche Nennung ein Verbot von Abgaben gleicher Wirkung umfassen; diffe- renzierend insoweit Generalanwalt Fennelly in seinen Schlußanträgen v. 14. 12. 1995 in der Rs. C-300/94.

154 Vgl. EuG, Beschluß vom 26. 8. 1996, Rs. T-75/96 R. 155 EuGH, Slg. 1992, 1-4625/4669.

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Diejenigen Vorschriften des EWR-Abkommens, die Bestimmungen des EGV entsprechen, sind im übrigen schon aufgrund von Art. 6 des EWR- Abkommens identisch auszulegen. So hat das EuG etwa für den den Art. 12 ff. EGV entsprechenden Art. 10 des Abkommens über Ein- und Ausfuhrzölle sowie Abgaben gleicher Wirkung entschieden, daß für diese Vorschrift eine identische Auslegung geboten ist156.

IV. Zusammenfassung Wirtschaftsabkommen der Europäischen Gemeinschaft umfassen eine

weite Palette möglicher Regelungen, die von der Gründung einer Zoll- union bis zur bloßen Erleichterung der Handelsbeziehungen reicht. Regelungen über den Personenverkehr und die Rechtsstellung Dritt- staatsangehöriger können grundsätzlich nur in Assoziierungsabkommen getroffen werden.

Praktische Bedeutung hat das Völkervertragsrecht im System der Ge- meinschaft insbesonders durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gewonnen, der sich als zuständig für die Überprüfung der Anwendung der völkerrechtlichen Verträge der Gemeinschaft in den Mitgliedstaaten ansieht. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann sich auch der einzelne regelmäßig auf die ihm zugute kommenden Abkommensbestimmungen berufen. Dasselbe gilt für die Maßnahmen derjenigen Vertragsorgane, die durch ein Abkommen eingerichtet worden sind.

Obwohl völkervertragsrechtliche Normen oft mit dem Gemeinschafts- recht vergleichbare wirtschaftliche Zielsetzungen verfolgen, ist ihr Inhalt aufgrund der strukturellen Unterschiede grundsätzlich zurückhaltender auszulegen.

Rechtsassessor Dr. Claus Weber, Wiss. Mitarbeiter, Konstanz

156 EuG, Urteil vom 22. 1. 1997, Rs. T-l 15/94.

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