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8 84 Samstig/SonnUg, !0./H.Mii)980 Nr. 108 WOCHENENDE 5leue <;3iirrf|cr Teilung Von Wölfen und Hottentotten Die Meute befand sich in einer nordafrikanischen Stadt Ob das Tunis oder Kairo oder Casablanca war, spielt hier keine Rolle. Eine Meute war es nur insofern, als es sich um Touristen handelte, die aus einem Bus gestiegen waren und die nun ihrem Reiseleiter in dichter Schar auf dem Fusse folgten. Der Reiselei- ter hielt den rechten Arm hoch nach oben ausgestreckt, auch die Hand und die Finger, damit die Leute in der Touristenschar alle sehen könnten, wohin er ging, nämlich geradeaus durch eine Gasse, und dann deutete sein Zeigefinger an einer Ecke nach rechts, und alle gingen nach rechts. Darauf deutete er nach links, und alle gingen nach links. Genauso, wie eine Meute von Wölfen dem Leittier folgt, lie- fen sie ihm allerdings nicht nach. Denn wenn Wölfe das tun, dann geht die Meute auf Beute. Und sie tut es nicht, weil sich das reimt, sondern weil man sich leicht zusammenreimen kann, wieviel sicherer es ist, als Meute zur Beute zu kommen denn als Einzelner. Freilich, wenn die Beute gemacht worden ist, dann zerfallt die Meute. Sobald es ans Fressen geht, neidet jeder Wolf dem anderen das Futter. Auf einmal sträuben sie die Haare und knurren einander an. Dort in der Stadt in Nordafrika gehen die Leute zwar nicht auf Beute, aber sie ähneln doch einer Meute. Und es handelt sich wieder nicht um den Reim, sondern 'darum, dass sich alle dicht gedrängt aneinander halten, und warum, kann man veste- hen: Wenn sich nämlich einer von der Meute trennte, könnte ihm etwas passieren, wer weisst Man hört ja so viel von Dieb- stahl und noch Schlimmerem in nordafrikanischen Städten. ' Darum suchen sie beieinander Schutz und folgen dem Reiselei- ter auf den Fersen. Einer Meute von Wölfen aber ähneln sie jetzt auch, weil sie alle hungrig sind. Einer hat sogar gerade wörtlich gesagt: «Ich habe Hunger wie ein Wolf.» Der Reiseleiter will seine Schar nun zum Mittagessen in eine Cafeteria führen, und bald hält er an; man ist vor der Cafeteria angelangt Der Reiseleiter deutet auf die Tür. Alle gehen hinein, und innen in der Cafeteria zerfällt die hungrige Meute augen- blicklich in die einzelnen Leute. «Entschuldigen Sie, aber ich war vor Ihnen da!» - «Bitte, aber Sie waren eben noch hinter mir in der Reihet» - «Lassen Sie doch das Tablett los! Ich habe zuerst meine Hand darauf gehabt.» «Hören Sie mal! Kommen Sie zu sich! Wir sind doch hier nicht bei den Hottentotten!» «Nein. Die sind näm- lich in Südafrika, und wir sind hier in Nordafrika.» «Ach, wie geistreich! Sie sind wohl mit der Giesskanne getauft wor- den?» So geht das die Reihe hindurch, und noch wenn sie mit ihren vollen Tabletten an der Kasse vorbei sind und einem leeren Tisch zustreben, knurren sie einander an, und nur die Paare hal- ten noch zueinander. «Komm, Ilse, da bei der Tür ist ein Tisch frei.» ' «Ja, aber auf dem Zettel dort steht: «Reserviert.» «Das ist mir egal. Komm, setzt dich nur!» «Schau, Gertrud, da hat sich eben jemand an unseren Tisch gesetzt! Komm, denen werden wir es zeigen! Entschuldigen Sie, aber dieser Tisch war für uns reserviert. Haben Sie den Zet- tel nicht gesehen?» «Doch. Aber den haben Sie ja sicher selbst geschrieben und ihn vorhin auf den Tisch gelegt» «Habe ich auch. Aber das ist ja wohl nicht verboten!» «Nein, aber jetzt haben wir den Tisch besetzt, und das ist auch nicht verboten.» «Also, stehen Sie jetzt auf oder nicht?» «Nicht. Wir bleiben sitzen. Und ich frage Sie: Wollen Sie sich mit mir anlegen?» «Ich brauche mich nicht mit Ihnen anzulegen. Dort in der Ecke sehe ich näm- lich einen Tisch, der ist noch frei, und da sitzt man viel besser als hier bei der Tür, wo es andauernd zieht und wo man sich todsicher so Angina mit Durchfall holt Komm Gertrud! Die können mit ihrem Tisch selig werden. Scheisstisch!» Aber das ist jetzt der einzige, der noch knurrt, weil alle ande- ren schon essen. Und auch er setzt sich jetzt hin und knurrt nur einmal noch: «Wie die Leute sich hier benehmen! Wie die Hot- tentotten!» Klaus Mampell Sprache der Eisenbahner Mit grossen Augen: die Natur im Rasterelektronenmikroskop Warum uns die Nesseln auf die Nerven gehen Ein Narr, wer sich in Nesseln setzte, und doch bat man sich In Nesseln gebettet: Vor der Einführung exotischer Baumwolle behalf man sich mit einheimischen Fasern. Das heute so ver- pönte Unkraut lieferte Nesseltuch. Seit alters vertraut man der wehrhaften Staude auch seine Gesundheit an. Plinius schwärmt, dass Nesseln, im Frühjahr genossen, übers ganze Jahr vor Krankheit bewahren. Der Eisen- und der Vitamin-C-Gehalt je- denfalls sind unbestritten. Besonders Rheumatiker, Bettnässer, Zuckerkranke und stillende Mütter griffen zur Nessel-Droge. Wer vieles bringt, wird jedem etwas bringen die heutige Rezept ierkunst geht da schon etwas zielgerichteter vor. Aber die Nesseln werden auch in zeitgenössischen Kräuterbüchern noch gegen Nasenbluten, Durchfall, Weissfluss und Oedeme empfoh- len. Die Liste wäre kürzer geworden, hätten wir aufzählen wol- len, wogegen die Brennessel nichts nützt. Bevor nun der Run auf die Brennesseln losgeht, besinne man sJctf'aufjdie 'Ausschläge, die'jbei' geringer Berührung entstehen. SchOttPliriius stellt verwundert fest:' «Stechein haben sie nicht und erzeugen dennoch bei gelinder Berührung Jucken und Brandblasen.» Man tut gut daran, die Aufforderung zu befol- gen, die geernteten Stauden rasch im Schatten zu trocknen; im welken Zustand brennen die Stacheln nicht mehr. Die augen- scheinlich plumpe Ar t der Rosen, sich zudringlicher Hände und Mäuler zu erwehren, verblasst vor dem durchtriebenen Raffine- ment der Brennesseln: Hoffärtig locken die Blumen der einen, verführt das gesunde, saftige Grün der andern. Verteidigung tut beiden not Obwohl die Hagebutten ebenfalls Gesundheitsspen- der sind, gingen die alten Römer unwirsch mit Rosen ins Ge- richt: «Die Erde trägt zur gleichen Zeit heilsame und schädliche Kräuter : Nesseln und Rosen.» Dabei sind ohne Zweifel für Ovid die Rosen die Bösen. Das Rasterelektronenmikroskop lüftet das Geheimnis um den mechanischen Aspekt Eigentliche Injektionsnadeln lassen Aufschluss gegeben, nun ist der Chemiker Adressat unsere s Wissensdranges. Wie heissen die Drogen, wie die Gifte, welche uns eingeimpft werden? Das Problem ist typisch: zuerst befrie- digen wir den Gesichtssinn. Wir sind Augentiere. Wo die Sinne versagen, erweitern wir durch Maschinen. Die Lupe hilft. Das Mikroskop führt weiter in das Reich der Mikro-Strukturen. Die Lupe durchleuchtet nicht Das Mikroskop nur dünnste Schichten können deshalb betrachtet werden funktioniert mit Durchlicht Das klassische Elektronenmikroskop arbeitet ana- log: Elektronen werden durch feinste Strukturen hindurch ge- hetzt. Der Unterschied wir haben es besprochen liegt in den Linsen: Elektronen lassen sich nur durch Magnete bündeln. Das Rasterelektronenmikroskop kein Instrument der Ver- grösserungsrekorde arbeitet analog der Lupe mit zurückge- worfenen Elektronen. «Grosse» Objekte können betrachtet wer- den, stufenlos kann von 20- bis zu SO OOOfacher Vergrösserung gesteigert werden. Dabei überrascht die Tiefe der Bilder. Das Rastermikroskop hat noch keine lange Vergangenheit das Elektronenmikroskop kann immerhin auf eine über 40jährige Geschichte zurückblicken, und das Lichtmikroskop ist 400 Jahre alt Keine optische Technik kann uns mehr verraten nur der Chemiker kann, mit ganz anderen Methoden, weiterhelfen. Die Analyse ergab, dass die Brennesselhaare Ameisensäure, Hist- amin und Acetylcholin enthalten. Eine klare, saubere Auskunft Sind wir zufrieden? Nun kommen der Biologe, der Pharmako- loge, der Arzt als Briefkastenonkel zum Zuge. Wir wollen wis- sen, wie die Chemikalien wirken. Die Fragen sind komplexer, verflochtener geworden. Antworten schliessen in der Forschung keine Lücken; Antworten öffnen neue Türen! Die Nesseln gehen uns nicht der vielen Fragen wegen auf die Nerven. Der Titelscherz enthält die Antwort, denn Acetylcholin ieB^snsiaim^ß!mmaaBSBmsm^s^^^i? Das Haar der Brennessel (ürtica dioeca) erweist sich unter dem Rasterelektronenmikroskop als Injektionsnadel. Links eine junge Giftspritze auf der Blauoberfläche (lOOfach); rechts die Spitze der Kanüle nach dem Bruch und in intaktem Zustand mit Köpfchen (1400/ach). Aufnahmen: D. Metzger, Institut für Pflanzenbiologie, Universität Zürich. sich auf dem Bildschirm erkennen. Durch Silikat- und Kalkein- lagerungen werden die Wände spröde und glashart. An einer vorgeplanten Stelle bricht das Köpfchen bei der geringsten Be- rührung ab. Trotz mikroskopischen Dimensionen ritzt die Ka- nüle verblüffend effektiv nicht nur Schleimhäute hungriger Mäuler, sondern auch unsere doch recht derbe Hornschicht der Haut. Das Mikroskop hat eine Frage geklärt. Neue Fragen sind dadurch entstanden. Das ist das Wesen des Wissens: geklärte Fragen werfen neue Probleme auf. Nie wird der forschende Geist zur Ruhe kommen. Wir wundern uns, dass durch so kleine Wunden so grosse Pein entsteht. Der Mikroskopiker hat ist die Ueberträgersubstanz von Nervenimpulsen in den Schalt- stellen. (Woher die Nesseln wohl wissen, wie sie uns zielgerich- tet nerven können?) Das Histamin erhöht die Durchlässigkeit im Gewebe und schürt so Entzündungen. Und die Ameisen- säure aufgepasst beim Entkalken! ist eine widerwärtige Säure, die unter die Haut geht und von innen her die Zellen zerstört Alle drei Wirkstoffe zusammen potenzieren sich in der Wirkung, etwa wie sich Kopfwehtabletten und Alkohol gegen- seitig aufschaukeln. Eigentlich sollten wir noch den Philosophen begrüssen, der uns die Frage zu beantworten hätte, wer der vermaledeiten Nes- sel das Rezept ausgestellt hat! . Martin Egt t «Chueni-Bahnhof» in Zürich oe. Wahrscheinlich wissen verschiedene Zürcher nicht, dass es in ihrer Stadt einen «Chueni-Bahnhof» gibt Damit ist in der Sprache der Eisenbahner der zum Hauptbahnhof gehörende (und nicht mehr lange in Betrieb bleibende) Rangierbahnhof gemeint Die Bezeichnung «Chueni» geht auf die sagenhafte Zeit zurück, da viele Bauernsöhne und Knechte aus der Ost- und Innerschweiz nach Zürich kamen und froh waren, wenn sie Arbeit, auch harte und bescheiden entlöhnte, fanden. Damals war in ländlichen Gebieten der Taufname Konrad verbreitet «Chueni», seine schweizerdeutsche Kurzform, wurde, mit leicht boshaftem Beiklang, auf alle Männer vom Lande in der Stadt, dann auch auf den Rangierbahnhof übertragen, da viele dort tätig waren. Die Eisenbahner im «Chueni-Bahnhof» haben jahraus, jahr- ein nur mit Wagen voll Kisten, Kühen und anderen Gütern zu tun. Ihre Kollegen dagegen, welche die Reisezugwagen in den Personenbahnhof begleiten, kommen in Kontakt mit dem Pu- blikum und fühlen sich dadurch gehoben. Deshalb, haben die «Chueni», nun ihrerseits boshaft, den Personenbahnhof in «Herrenbahnhof»: umgetauft, obwohl dort durchaus nicht nur Herren im eigentlichen oder' weiteren Sinn ein- und ausstei- gen. Je hektischer es einst im Eilgutareal des Hauptbahnhofs zu- ging, um so häufiger garnierte der eine oder andere Rangiermei- ster seine Befehle mit Namen von hörner- oder höckertragen- den Tieren. Dies trug dem Eilgutareal den Uebernamen «Tier- garten» ein. Das einstige, ungewöhnlich schmale, aus Backstei- nen gebaute und düster wirkende Stellwerk IV war als «Hun- gerturm» bekannt Gleich wie im Zürcher Rangierbahnhof heisst es auf einer Station mit drei Weichen: «Wagelang halbe 4 2 1», wenn eine Lokomotive einen Zug an einen stillstehenden Wa- gen, der gekuppelt werden soll, langsam heranschiebt (In der Fachsprache ist vom «Anfahren» des Zuges die Rede.) Der Rangierer meldet dem allenfalls weit entfernten Lokomotivfüh- rer mit dem Funkgerät, wie gross die Distanz zwischen dem (während dieses Manövers) vordersten Wagen des Zuges und dem stillstehenden Wagen ist: eine ganze oder halbe Wagenlän- ge, vier oder weniger Meter, bis er das Haltsignal gibt und kup- pelt Die von ihm angegebene Distanz kann von der wirklichen abweichen, denn der Rangierer berücksichtigt in seinen Anga- ben bereits Geschwindigkeit und Gewicht des manövrierenden Zuges und den sich daraus ergebenden Bremsweg. Woraus folgt: ein «Bahnmeter» ist nicht immer gleich lang wie ein Nor- malmeter. Rätsel Kreuzworträtsel Nr. 176 Auflösung aus der letzten Ausgabe der Beilage «Wochenende» Waagrecht: 2 Jugoslawien, 13 TI, 15 Eiszeiten, 16 Bo, 17 emibä, 19 -ebr-, 20 Neger, 22 Adel, 23 Okapi, 25 Rosa, 26 Midi, 27 Ilion, 28 Gran, 29 Reck, 31 enR, 32 Eike, 33 der Herr, 35 Typ eins, 38 AK, 39 GE, 40 Ah, 41 Fe, 42 stupend, 46 sposati, 49 oral, 50 Ott, 52 Romy, 53 Kral, 54 amies, 56 Magd, 58 Eile, 59 Arche, 60 ata, 61 tutto, 63 Ehe, 64 flink, 65 Tm, 66 The Mon- key, 69 Ga-, 70 Gemeinderat Senkrecht: 1 Steam, 3 üblich, 4 -gia-, 5 os, 6 Szekler, 7 le bain, 8 Airport, 9 W-t, 10 Yen, 11 Energie, 12 Koran, 14 im Direktorium, 16 Besänftigung, 18 jeder, 21 Gorki, 23 o. I., 24 in, 30 Kegel, 32 Ephor, 33 das, 34 Ren, 36 Jap-, 37 sei, 43 uralt, 44 Palette, 45 Domremy, 46 stehend, 47 Somalia, 48 Amati, 51 Tichon, 53 Kette, 54 Aa, 55 -se, 57 Dekan, 62 Ohm, 64 fer, 67 -ee-, 68 -ke, Tüftelei Rosen Der quadratische, weisse Rahmen besteht aus 23 + 21+23 + 21 88 weissen, das Innere demgemäss aus 21 mal 21 = 441 und daher 147 gelben und 294 roten Rosen. Neue Zürcher Zeitung vom 10.05.1980

WOCHENENDE Teilung

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884 Samstig/SonnUg, !0./H.Mii)980 Nr. 108 WOCHENENDE 5leue

<;3iirrf|cr Teilung

Von Wölfen und HottentottenDie Meute befand sich in einer nordafrikanischen Stadt Ob

das Tunis oder Kairo oder Casablanca war, spielt hier keineRolle. Eine Meute war es nur insofern, als es sich um Touristenhandelte, die aus einem Bus gestiegen waren und die nun ihremReiseleiter in dichter Schar auf dem Fusse folgten. Der Reiselei-ter hielt den rechten Arm hoch nach oben ausgestreckt, auch dieHand und die Finger, damit die Leute in der Touristenschar allesehen könnten, wohin er ging, nämlich geradeaus durch eineGasse, und dann deutete sein Zeigefinger an einer Ecke nachrechts, und alle gingen nach rechts. Darauf deutete er nachlinks, und alle gingen nach links.

Genauso, wie eine Meute von Wölfen dem Leittier folgt, lie-fen sie ihm allerdings nicht nach. Denn wenn Wölfe das tun,dann geht die Meute auf Beute. Und sie tut es nicht, weil sichdas reimt, sondern weil man sich leicht zusammenreimen kann,

wieviel sicherer es ist, als Meute zur Beute zu kommen denn alsEinzelner. Freilich, wenn die Beute gemacht worden ist, dannzerfallt die Meute. Sobald es ans Fressen geht, neidet jeder Wolfdem anderen das Futter. Auf einmal sträuben sie die Haare undknurren einander an.

Dort in der Stadt in Nordafrika gehen die Leute zwar nichtauf Beute, aber sie ähneln doch einer Meute. Und es handeltsich wieder nicht um den Reim, sondern 'darum, dass sich alle

dicht gedrängt aneinander halten, und warum, kann man veste-hen: Wenn sich nämlich einer von der Meute trennte, könnteihm etwas passieren, wer weisst Man hört ja so viel von Dieb-stahl und noch Schlimmerem in nordafrikanischen Städten.

'Darum suchen sie beieinander Schutz und folgen dem Reiselei-ter auf den Fersen.

Einer Meute von Wölfen aber ähneln sie jetzt auch, weil sie

alle hungrig sind. Einer hat sogar gerade wörtlich gesagt: «Ichhabe Hunger wie ein Wolf.»

Der Reiseleiter will seine Schar nun zum Mittagessen in eineCafeteria führen, und bald hält er an; man ist vor der Cafeteriaangelangt Der Reiseleiter deutet auf die Tür. Alle gehen hinein,

und innen in der Cafeteria zerfällt die hungrige Meute augen-

blicklich in die einzelnen Leute.«Entschuldigen Sie, aber ich war vor Ihnen da!» - «Bitte,

aber Sie waren eben noch hinter mir in der Reihet» - «Lassen

Sie doch das Tablett los! Ich habe zuerst meine Hand daraufgehabt.» «Hören Sie mal! Kommen Sie zu sich! Wir sinddoch hier nicht bei den Hottentotten!» «Nein. Die sind näm-lich in Südafrika, und wir sind hier in Nordafrika.» «Ach,wie geistreich! Sie sind wohl mit der Giesskanne getauft wor-den?»

So geht das die Reihe hindurch, und noch wenn sie mit ihrenvollen Tabletten an der Kasse vorbei sind und einem leeren

Tisch zustreben, knurren sie einander an, und nur die Paare hal-ten noch zueinander.

«Komm, Ilse, da bei der Tür ist ein Tisch frei.» ' «Ja, aberauf dem Zettel dort steht: «Reserviert.» «Das ist mir egal.

Komm, setzt dich nur!»«Schau, Gertrud, da hat sich eben jemand an unseren Tisch

gesetzt! Komm, denen werden wir es zeigen! EntschuldigenSie, aber dieser Tisch war für uns reserviert. Haben Sie den Zet-tel nicht gesehen?»

«Doch. Aber den haben Sie ja sicher selbst geschrieben undihn vorhin auf den Tisch gelegt» «Habe ich auch. Aber dasist ja wohl nicht verboten!» «Nein, aber jetzt haben wir denTisch besetzt, und das ist auch nicht verboten.» «Also, stehenSie jetzt auf oder nicht?» «Nicht. Wir bleiben sitzen. Und ichfrage Sie: Wollen Sie sich mit mir anlegen?» «Ich brauchemich nicht mit Ihnen anzulegen. Dort in der Ecke sehe ich näm-lich einen Tisch, der ist noch frei, und da sitzt man viel besserals hier bei der Tür, wo es andauernd zieht und wo man sichtodsicher so Angina mit Durchfall holt Komm Gertrud! Diekönnen mit ihrem Tisch selig werden. Scheisstisch!»

Aber das ist jetzt der einzige, der noch knurrt, weil alle ande-ren schon essen. Und auch er setzt sich jetzt hin und knurrt nureinmal noch: «Wie die Leute sich hier benehmen! Wie die Hot-tentotten!» Klaus Mampell

Sprache der Eisenbahner

Mit grossen Augen: die Natur im Rasterelektronenmikroskop

Warum uns die Nesseln auf die Nerven gehen

Ein Narr, wer sich in Nesseln setzte, und doch bat man sichIn Nesseln gebettet: Vor der Einführung exotischer Baumwollebehalf man sich mit einheimischen Fasern. Das heute so ver-pönte Unkraut lieferte Nesseltuch. Seit alters vertraut man derwehrhaften Staude auch seine Gesundheit an. Plinius schwärmt,

dass Nesseln, im Frühjahr genossen, übers ganze Jahr vorKrankheit bewahren. Der Eisen- und der Vitamin-C-Gehalt je-

denfalls sind unbestritten. Besonders Rheumatiker, Bettnässer,

Zuckerkranke und stillende Mütter griffen zur Nessel-Droge.

Wer vieles bringt, wird jedem etwas bringen die heutigeRezept ierkunst geht da schon etwas zielgerichteter vor. Aber dieNesseln werden auch in zeitgenössischen Kräuterbüchern nochgegen Nasenbluten, Durchfall, Weissfluss und Oedeme empfoh-

len. Die Liste wäre kürzer geworden, hätten wir aufzählen wol-len, wogegen die Brennessel nichts nützt.

Bevor nun der Run auf die Brennesseln losgeht, besinne mansJctf'aufjdie 'Ausschläge, die'jbei' geringer Berührung entstehen.SchOttPliriius stellt verwundert fest:' «Stechein haben sie nichtund erzeugen dennoch bei gelinder Berührung Jucken undBrandblasen.» Man tut gut daran, die Aufforderung zu befol-gen, die geernteten Stauden rasch im Schatten zu trocknen; imwelken Zustand brennen die Stacheln nicht mehr. Die augen-

scheinlich plumpe A rt der Rosen, sich zudringlicher Hände undMäuler zu erwehren, verblasst vor dem durchtriebenen Raffine-ment der Brennesseln: Hoffärtig locken die Blumen der einen,

verführt das gesunde, saftige Grün der andern. Verteidigung tutbeiden not Obwohl die Hagebutten ebenfalls Gesundheitsspen-

der sind, gingen die alten Römer unwirsch mit Rosen ins Ge-

richt: «Die Erde trägt zur gleichen Zeit heilsame und schädlicheKräuter: Nesseln und Rosen.» Dabei sind ohne Zweifel fürOvid die Rosen die Bösen.

Das Rasterelektronenmikroskop lüftet das Geheimnis umden mechanischen Aspekt Eigentliche Injektionsnadeln lassen

Aufschluss gegeben, nun ist der Chemiker Adressat unseresWissensdranges. Wie heissen die Drogen, wie die Gifte, welcheuns eingeimpft werden? Das Problem ist typisch: zuerst befrie-digen wir den Gesichtssinn. Wir sind Augentiere. Wo die Sinneversagen, erweitern wir durch Maschinen. Die Lupe hilft. DasMikroskop führt weiter in das Reich der Mikro-Strukturen. DieLupe durchleuchtet nicht Das Mikroskop nur dünnsteSchichten können deshalb betrachtet werden funktioniert mitDurchlicht Das klassische Elektronenmikroskop arbeitet ana-log: Elektronen werden durch feinste Strukturen hindurch ge-

hetzt. Der Unterschied wir haben es besprochen liegt inden Linsen: Elektronen lassen sich nur durch Magnete bündeln.Das Rasterelektronenmikroskop kein Instrument der Ver-grösserungsrekorde arbeitet analog der Lupe mit zurückge-

worfenen Elektronen. «Grosse» Objekte können betrachtet wer-den, stufenlos kann von 20- bis zu SO OOOfacher Vergrösserunggesteigert werden. Dabei überrascht die Tiefe der Bilder. DasRastermikroskop hat noch keine lange Vergangenheit dasElektronenmikroskop kann immerhin auf eine über 40jährige

Geschichte zurückblicken, und das Lichtmikroskop ist 400Jahre alt

Keine optische Technik kann uns mehr verraten nur derChemiker kann, mit ganz anderen Methoden, weiterhelfen. DieAnalyse ergab, dass die Brennesselhaare Ameisensäure, Hist-amin und Acetylcholin enthalten. Eine klare, saubere AuskunftSind wir zufrieden? Nun kommen der Biologe, der Pharmako-loge, der Arzt als Briefkastenonkel zum Zuge. Wir wollen wis-sen, wie die Chemikalien wirken. Die Fragen sind komplexer,

verflochtener geworden. Antworten schliessen in der Forschung

keine Lücken; Antworten öffnen neue Türen!

Die Nesseln gehen uns nicht der vielen Fragen wegen aufdieNerven. Der Titelscherz enthält die Antwort, denn Acetylcholin

ieB^snsiaim^ß!mmaaBSBmsm^s^^^i?Das Haar der Brennessel (ürtica dioeca) erweist sich unter dem Rasterelektronenmikroskop als Injektionsnadel. Links eine junge Giftspritze auf derBlauoberfläche (lOOfach); rechts die Spitze der Kanüle nach dem Bruch und in intaktem Zustand mit Köpfchen (1400/ach). Aufnahmen: D. Metzger,

Institut für Pflanzenbiologie, Universität Zürich.

sich auf dem Bildschirm erkennen. Durch Silikat- und Kalkein-lagerungen werden die Wände spröde und glashart. An einervorgeplanten Stelle bricht das Köpfchen bei der geringsten Be-rührung ab. Trotz mikroskopischen Dimensionen ritzt die Ka-nüle verblüffend effektiv nicht nur Schleimhäute hungrigerMäuler, sondern auch unsere doch recht derbe Hornschicht derHaut.

Das Mikroskop hat eine Frage geklärt. Neue Fragen sinddadurch entstanden. Das ist das Wesen des Wissens: geklärteFragen werfen neue Probleme auf. Nie wird der forschendeGeist zur Ruhe kommen. Wir wundern uns, dass durch sokleine Wunden so grosse Pein entsteht. Der Mikroskopiker hat

ist die Ueberträgersubstanz von Nervenimpulsen in den Schalt-stellen. (Woher die Nesseln wohl wissen, wie sie uns zielgerich-

tet nerven können?) Das Histamin erhöht die Durchlässigkeit

im Gewebe und schürt so Entzündungen. Und die Ameisen-säure aufgepasst beim Entkalken! ist eine widerwärtigeSäure, die unter die Haut geht und von innen her die Zellenzerstört Alle drei Wirkstoffe zusammen potenzieren sich in derWirkung, etwa wie sich Kopfwehtabletten und Alkohol gegen-seitig aufschaukeln.

Eigentlich sollten wir noch den Philosophen begrüssen, deruns die Frage zu beantworten hätte, wer der vermaledeiten Nes-sel das Rezept ausgestellt hat! . Martin Eg tt

«Chueni-Bahnhof» in Zürichoe. Wahrscheinlich wissen verschiedene Zürcher nicht, dass

es in ihrer Stadt einen «Chueni-Bahnhof» gibt Damit ist in derSprache der Eisenbahner der zum Hauptbahnhof gehörende(und nicht mehr lange in Betrieb bleibende) Rangierbahnhofgemeint Die Bezeichnung «Chueni» geht auf die sagenhafte

Zeit zurück, da viele Bauernsöhne und Knechte aus der Ost-und Innerschweiz nach Zürich kamen und froh waren, wenn sieArbeit, auch harte und bescheiden entlöhnte, fanden. Damalswar in ländlichen Gebieten der Taufname Konrad verbreitet«Chueni», seine schweizerdeutsche Kurzform, wurde, mit leichtboshaftem Beiklang, auf alle Männer vom Lande in der Stadt,

dann auch auf den Rangierbahnhof übertragen, da viele dorttätig waren.

Die Eisenbahner im «Chueni-Bahnhof» haben jahraus, jahr-

ein nur mit Wagen voll Kisten, Kühen und anderen Gütern zutun. Ihre Kollegen dagegen, welche die Reisezugwagen in denPersonenbahnhof begleiten, kommen in Kontakt mit dem Pu-blikum und fühlen sich dadurch gehoben. Deshalb, haben die«Chueni», nun ihrerseits boshaft, den Personenbahnhof in«Herrenbahnhof»: umgetauft, obwohl dort durchaus nicht nurHerren im eigentlichen oder' weiteren Sinn ein- und ausstei-gen.

Je hektischer es einst im Eilgutareal des Hauptbahnhofs zu-ging, um so häufiger garnierte der eine oder andere Rangiermei-

ster seine Befehle mit Namen von hörner- oder höckertragen-

den Tieren. Dies trug dem Eilgutareal den Uebernamen «Tier-garten» ein. Das einstige, ungewöhnlich schmale, aus Backstei-nen gebaute und düster wirkende Stellwerk IV war als «Hun-gerturm» bekannt

Gleich wie im Zürcher Rangierbahnhof heisst es auf einerStation mit drei Weichen: «Wagelang halbe 4 2 1»,

wenn eine Lokomotive einen Zug an einen stillstehenden Wa-gen, der gekuppelt werden soll, langsam heranschiebt (In derFachsprache ist vom «Anfahren» des Zuges die Rede.) DerRangierer meldet dem allenfalls weit entfernten Lokomotivfüh-rer mit dem Funkgerät, wie gross die Distanz zwischen dem(während dieses Manövers) vordersten Wagen des Zuges unddem stillstehenden Wagen ist: eine ganze oder halbe Wagenlän-

ge, vier oder weniger Meter, bis er das Haltsignal gibt und kup-pelt Die von ihm angegebene Distanz kann von der wirklichenabweichen, denn der Rangierer berücksichtigt in seinen Anga-

ben bereits Geschwindigkeit und Gewicht des manövrierendenZuges und den sich daraus ergebenden Bremsweg. Worausfolgt: ein «Bahnmeter» ist nicht immer gleich lang wie ein Nor-malmeter.

Rätsel

Kreuzworträtsel Nr. 176Auflösung aus der letzten Ausgabe der Beilage «Wochenende»

Waagrecht: 2 Jugoslawien, 13 TI, 15 Eiszeiten, 16 Bo, 17emibä, 19 -ebr-, 20 Neger, 22 Adel, 23 Okapi, 25 Rosa, 26 Midi,27 Ilion, 28 Gran, 29 Reck, 31 enR, 32 Eike, 33 der Herr, 35Typ eins, 38 AK, 39 GE, 40 Ah, 41 Fe, 42 stupend, 46 sposati,

49 oral, 50 Ott, 52 Romy, 53 Kral, 54 amies, 56 Magd, 58 Eile,59 Arche, 60 ata, 61 tutto, 63 Ehe, 64 flink, 65 Tm, 66 The Mon-key, 69 Ga-, 70 Gemeinderat

Senkrecht: 1 Steam, 3 üblich, 4 -gia-, 5 os, 6 Szekler, 7 lebain, 8 Airport, 9 W-t, 10 Yen, 11

Energie, 12 Koran, 14 imDirektorium, 16 Besänftigung, 18 jeder, 21 Gorki, 23 o. I., 24 in,30 Kegel, 32 Ephor, 33 das, 34 Ren, 36 Jap-, 37 sei, 43 uralt, 44Palette, 45 Domremy, 46 stehend, 47 Somalia, 48 Amati, 51Tichon, 53 Kette, 54 Aa, 55 -se, 57 Dekan, 62 Ohm, 64 fer, 67-ee-, 68 -ke,

Tüftelei

Rosen

Der quadratische, weisse Rahmen besteht aus 23 + 21+23+ 21 88 weissen, das Innere demgemäss aus 21 mal 21 =441 und daher 147 gelben und 294 roten Rosen.

Neue Zürcher Zeitung vom 10.05.1980