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Wolfgang Haupt: Das "Siegerland-Orchester" in seinen Anfängen 1957 - 1963 Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein

Wolfgang haupt frühes siegerlandorchester

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Wolfgang Haupt: Das "Siegerland-Orchester" in seinen Anfängen 1957 - 1963

Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein

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Inhaltverzeichnis Inhaltverzeichnis 3 Vorwort 4 Autor 7 Prolog: Die Orchesterschule - und ihr Ende 8 Der Beginn der Ära Peter Richter und Anfang des "selbstständigen" Orchesters im Dezember 1957 12 Bis hin zum Beginn des "erweiterten" Orchesters im Oktober 1958 17 Die sogenannte "Richter-Krise". Rolf Agop wird "Künstlerischer Oberleiter" 26 Zwischenzeit: bis zur Wahl von Thomas Ungar 35 Die Ära Thomas Ungar 43 Erneute Krise 52 Erneute Übergangszeit 56 Rolf Agop auch als Chef 63 Epilog 68 Danksagung 73 Quellenverzeichnis 74 Verzeichnis der Fotos und Abbildungen 76 Anmerkungen 77 Liste der Mitglieder des "frühen" Siegerland-Orchesters 82

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Vorwort

Eigentlich soll man mit "ich" nicht beginnen, aber hier ist es ein Bekenntnis: ich war vom August 1958 bis August 1960 dritter, stellvertretender erster Flötist, danach bis August 1963 Solo-Flötist des damals "Siegerland-Orchester" genannten Orchesters in Hilchenbach. In dieser Zeit habe ich noch die zuende gehende "Orchesterschule" erlebt, zu der zwar schon immer ein Orchester gehört hatte, aus der heraus aber seit Oktober 1957 das "Siegerland-Orchester" seinen selbstständigen Weg einschlug. Im Jahr 2007 wurde deshalb das 50jährige Jubiläum des Orchesters gefeiert. Und habe 1963 noch die Anfänge jener Zeit erlebt, in der der künftige Weg des Orchesters nicht mehr (wie bisher) von der Idee eines reinen "Nachwuchs-Orchesters" (also mit Altersbeschränkungen usw.) bestimmt war, sondern von der Arbeit eines ganz normalen "Berufsorchesters" - wie es noch heute ist. Es war die Zeit der Chefdirigenten Peter Richter (1957 - 1959), Thomas Ungar (1960 - 1961) und die der ersten Jahre von Rolf Agop (ab 1962). Agop war aber schon seit 1959 "Künstlerischer Oberleiter" gewesen. Es war die Zeit, in der das Orchester zunächst noch seinen Sitz in den ehemaligen "Arbeitsdienst-Baracken" im "Langen Feld" hatte, zum Oktober 1958 in den "Kino-Saal Müller" umzog, um mit Beginn der Spielzeit 1962/ 63 in die jetzt zur "Schützenhalle" umgebauten Baracken ins "Lange Feld" zurückzukehren. Das erste Jahr des Orchesters 1957/ 58 habe ich nur gegen sein Ende hin selber miterlebt, aber es war bei meinem Eintritt noch so lebendig, daß ich es in diese "Chronik" einbeziehen konnte, als wäre ich dabei gewesen. Vor allem aber: ohne die Orchesterschule hätte es kein "Siegerland-Orchester" gegeben. Auch sie ist mir unvergeßlich geblieben: ich war dort (neben dem Orchesterdienst) gegen ihr Ende hin einer der letzten Lehrer für "Theorie" und "Gehörbildung".

Auch dies will ich erwähnen: in den Jahren von 1960 bis 63 war ich (zeitweise) "Orchester-Vorstand" und vor allem (die ganze Zeit über) "Gewerkschafts-Delegierter". Ich habe das Ringen der Obrigkeit, aber auch der "Deutschen Orchestervereinigung" um den künftigen Weg des Orchesters auf vielen Sitzungen "hautnah" miterlebt. In Siegen habe ich viel unterrichtet: in den Anfängen der dortigen Musikschule. Ich erinnere mich in vielfältiger Weise an das, was der Musiker eine "Mucke" nennt: eigentlich eine "Mugge", ein "musikalisches Gelegenheitsgeschäft". Als es dann (im Unterschied zu vielen, die nur kurze Zeit blieben) volle fünf Jahre wurden, die ich im "Siegerland-Orchester" zubrachte, war ich mehr von diesem Orchester, vom "Siegerland" und sogar von den "Siegerländern" geprägt, als ich es damals wahrhaben wollte. Heute ist es mir wichtig. Doch woher kommt die Faszination, die jene ferne Zeit "in Hilchenbach" noch immer ausübt? Wohl aus einer Lebens-Situation heraus, in der wir damals fast alle jung und gleichaltrig waren - und im sozialen Umfeld viel mehr, als es heute der Fall ist, auf einander angewiesen. Dazu der Idee eines "Nachwuchs-Orchesters" (obwohl sie wahrlich noch in den Kinderschuhen steckte) in besonderer Weise verbunden. Im Sommer 1963 bin ich von Hilchenbach weg ins berühmtere (und vielleicht sogar schönere) Baden-Baden gegangen, mehr und mehr in berufliche Aufgaben und

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Lebensumstände hinein, die dann (im Rückblick aus dem Ruhestand heraus) erst meine eigentliche "Biografie" ausmachten. Doch es war für mich selbstverständlich, daß ich, gleich in der ersten Baden-Badener Zeit, alle Tagebücher, Kalender, Notizen und so weiter, die ich aus Hilchenbach mitgebracht hatte, in einer höchst "persönlich" formulierten "Hilchenbach-Chronik" zusammengefaßt - und dann streng gehütet habe. Immer wieder habe ich, wie so viele, in Hilchenbach Halt gemacht: um mich (mehr oder minder wehmütig) an die "alten Zeiten" zu erinnern. Spätestens mit Beginn der 80er Jahre wurde es natürlich immer schwieriger, den eingetretenen Generationswechsel, aber auch die Veränderungen im Ort richtig einzuordnen. Schließlich nahm ich an jenen Treffen der "Ehemaligen" teil, die von 1999 bis 2005 alle zwei Jahre stattfanden - und die ich 2001, 2003 und 2005 maßgeblich mitorganisiert habe. Es war nicht von ungefähr, daß sich dort vor allem diejenigen trafen, die die "Anfänge" miterlebt hatten. Und nicht von ungefähr, daß ich mich schon bald meiner "alten" Chronik entsann: in der festen Absicht, daraus eine "neue" Chronik zu machen.

Recherchen in den Siegener Archiven waren notwendig: den dortigen Mitarbeitern bin ich zu großem Dank verpflichtet. Ursprünglich sollte meine "neue" Chronik in das Umfeld des Orchester-Jubiläums 2007 einbezogen werden - nun erscheint sie erst drei Jahre später - als "Rückblick im Rückblick". Wichtig war nur eins: die Devise "ein Zeitzeuge, der sich dem Orchester noch immer eng verbunden fühlt, erinnert sich." Dies sollte auch im Vordergrund stehen - nicht so sehr die Vielfalt an "Unterlagen", die mir inzwischen wieder in die Hände gefallen sind. Schon die "alte" Chronik war meiner Frau gewidmet, Flötistin wie ich, die ich in Hilchenbach kennen gelernt hatte - und die mit mir nach Baden-Baden gegangen war. Sie starb, als wir gerade die Treffen der "Ehemaligen" ins Leben gerufen hatten. Auch diese "neue" Chronik ist ihr gewidmet. In dieser "neuen" Chronik" sind alle Daten und Vorgänge, die schon in meinen "alten" Notizen als "sichere Kunde" enthalten waren und sich im Nachhinein auch verifizieren ließen, in "normaler" Schrift wiedergegeben; dazu schließlich auch alles, was ich inzwischen als „Kommentar“ glaube hinzufügen zu können. Nur weniges steht noch in kursiver Schrift und ist auch durch Anführungszeichen hervorgehoben: jene Stellen, die ich aus meiner „alten“ Chronik übernahm, weil ich sie nach vierzig Jahren als Ausdruck der damaligen Zeit noch immer für typisch hielt.

Auch wenn die "Ich-Form" im folgenden zurücktritt hinter die "Meinung des Autors": es sollte nie ein historisch genauer, objektiver Bericht werden, sondern mehr die subjektive Stellungnahme eines, der das alles miterlebt hat. Im übrigen: alle damaligen Konzerte des Orchesters aufzuzählen wäre unmöglich gewesen, auch die Erwähnung aller nur einigermaßen wichtigen. Überdies scheinen die fortlaufenden Konzert-Unterlagen des Orchesters aus dieser Zeit nicht mehr vollständig vorhanden zu sein. So mußte ich mich auf die Konzerte beschränken, die (aus meiner Sicht) den Fortgang der Dinge einigermaßen kommentieren und ergänzen. Sinzheim-Winden bei Baden-Baden Arbeitsbeginn: nach dem 2. Treffen ehemaliger Mitglieder im September 2001 Endfassung: im Frühjahr und Sommer 2007, Endredaktion Frühjahr 2010

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Autor

Der Autor Wolfgang Haupt wurde 1935 in Berlin geboren, wuchs in der Nähe von Quedlinburg am Harz auf - und studierte dann wieder im heimatlichen ("West") Berlin: Flöte, daneben viele musiktheoretische und musik-wissenschaftliche Fächer. 1958 kam er als Flötist ins "Siegerland-Orchester", das er erst 1963 verließ. Darüber ist in der vorliegenden Chronik viel zu lesen. Anschließend wechselte er als Flötist in das damalige "Symphonie- und Kurorchester Baden-Baden", die heutige "Baden-Badener Philharmonie". Neben dem Dienst hat ihn dort vor allem das 1969 gegründete "Kammermusik-Ensemble Baden-Baden" beschäftigt, in Zu-sammenarbeit mit einer Berliner Konzert-direktion.

Ab 1983 stellte er sich mehr und mehr den "organisatorischen und musikdramaturgischen Notwendigkeiten" zur Verfügung - und wurde dann der erste vollamtliche "Organisator und Dramaturg" des Orchesters am Kurhaus, also das, was man in Hilchenbach längst "Intendant" nannte. Seit dem (vorzeitigen) Ruhestand beschäftigen ihn jedoch mehr und mehr seine "musikalische Chroniken", wofür Baden-Baden (um mit Fontane zu reden) ja ein besonders "weites Feld" ist. Die in den Anfängen älteste Chronik, die er hiermit vorlegt, betraf aber das "Siegerland-Orchester". Ihre Entwicklung ist im Vorwort ausführlich dargelegt. "Nachdenken" über die frühe Geschichte des Siegerland-Orchesters: Der Autor möchte es allen "alten" und "neuen" Mitgliedern des Orchesters, aus dem inzwischen die "Philharmonie Südwestfalen" geworden ist, aber auch allen "Siegerländern" besonders ans Herz legen.

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Prolog: Die Orchesterschule - und ihr Ende 1

Zwar gab es beim Eintritt des Autors im August 1958 nur noch sehr wenige Orchester-Mitglieder, die schon in den Anfängen der "Orchesterschule" dabei gewesen waren. Er hat aber auch anderweitig einige von ihnen kennen gelernt. Vor allem gab es bei seinem Eintritt eine große Anzahl von Mitgliedern, die erst später die Orchesterschule für kurz oder länger durchlaufen hatten. So haben sie es erzählt - und so steht es auch in den erhaltenen Unterlagen: Nach Anfängen schon 1946 wurde am 01. April 1947 die "Hilchenbacher Volksmusikschule mit Orchesterschule" offiziell eröffnet - und auch ein erster Trägerverein dafür gebildet.2 Sie war vom ehemaligen Militärmusiker Friedrich Deisenroth zunächst "privat" ins Leben gerufen worden; er wurde dabei von der Familie Kindermann unterstützt, die das Hotel "Deutscher Hof" übernommen hatte: im hinteren Hof des Hotels gab es eine (heute kaum noch erkennbare) Holzbaracke als ersten "Sitz" der "Moseckschool" (wie die Hilchenbacher sie nannten) und die zunächst brachliegende Kegelbahn im Hintergebäude diente anfangs zum Wohnen und Üben. Es ist die Zeit der noch zerstörten Großstädte - und ihrer Musik-Hochschulen, die erst allmählich wieder in Betrieb gehen. Hilchenbach als Ausbildungsort fernab allen Geschehens erweist sich (zunächst) als sinnvoll. Viele Lehrer unterrichten vor Ort in Hilchenbach - oder wohnen sogar dort; zu anderen muß man in den Unterricht fahren.3 Nach und nach werden es etwa 80 Schüler, die die "Musikschule" durchlaufen; der Anteil derer, die sich dann doch lieber einem anderen Beruf zuwenden, bleibt allerdings groß. Umgekehrt gehören später so namhafte Musiker wie der Solo-Trompeter des SWF, Walther Scholz, zu den "Alt-Hilchenbachern." Nach Vorbild der früheren "Stadtpfeifen" erhalten sie "Lehr-Verträge" und müssen zum Erhalt der Schule selber beitragen: so gibt es nach einiger Zeit nicht nur ein "Sinfonie-Orchester", das überall zum Einsatz kommt, sondern auch Tanz-Kapellen, eine Big-Band - und natürlich Blasmusik in jeder Formation. Zunächst aber muß schon 1948 die Schule den "Deutschen Hof" wegen "Lärmbelästigung" der (allmählich zahlreicheren) Gäste räumen - und wird für kurze Zeit im Erholungsheim oberhalb der "Siedlung" untergebracht. Die Währungsreform trifft dann die meisten Schüler wie zu erwarten hart: sie müssen tagsüber in einer der Hilchenbacher Fabriken arbeiten, unterrichtet wird erst am Abend. Denn erst 1950 werden die ehemaligen Arbeitsdienst-Baracken im "Langen Feld" für die Musikschule (und ihr „Internat“) hergerichtet; und wird auch der Träger-Verein "Orchester und Orchesterschule Siegerland-Wittgenstein" noch einmal neu formiert. Geschäftsführer ist seitdem Moritz Weiss. In der Trägerschaft haben sich beide Landkreise (der Landkreis Siegen bzw. der damals noch bestehende Kreis Olpe/ Wittgenstein) zusammengefunden, dazu die Stadt Siegen und auch schon das Land NRW bzw. der Landschaftsverband. Da sich das Orchester inzwischen als wichtigster Bestandteil der Schule entwickelt hat, kommt es auch zur neuen Namensgebung "Orchester und Orchesterschule Siegerland-Wittgenstein". So können 1951 die ersten acht Absolventen ihre Prüfung unter einigermaßen gesicherten Umständen ablegen.

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1952 kommt noch das "Symphonische Blasorchester Siegerland" hinzu - und laut einer (leider nicht näher definierbaren) Konzert-Kritik von 1954 hat das Sinfonie-Orchester bereits "überall einen guten Ruf" erworben, es werden 40 Musiker als feste Besetzung angegeben.

Doch waren nun ganz andere Zeiten heraufgezogen. Schon im Winter 1955/56 feiert man vorzeitig das 10jährige Bestehen: die Bundeswehr war gegründet worden, Musikschul-Leiter Deisenroth geht zum 01. Mai 1956 zurück zur angestammten Militärmusik, deren Neuaufbau er übernimmt. Zwar formuliert er vorher das Anliegen der Schule und auch die nötige Weiterführung des Orchesters in einem Memo vom April 1956 geradezu vorbildlich. Es passieren aber zwei "Pannen": nicht nur der Nachfolger Oskar Tietzel (ein schon etwas älterer Militärmusiker wie Deisenroth) erweist sich von vornherein als nur wenig geeignet - sondern durch ein Versehen wird auch die Stadt Siegen nicht zur Verabschiedung Deisenroths bzw. zum Jubiläumskonzert eingeladen. Es sieht schon hier nach dem "Anfang allen Übels" für die dann allzu schnell folgende erste "Krise" des Orchesters aus: in Siegen ist man offensichtlich sehr verärgert. Und wohl fest entschlossen, insgeheim nach einem "wirklichen" Nachfolger Ausschau zu halten: nach einem jüngeren, charismatischen Dirigenten, der den Siegener Uralt-Traum von einem eigenen Orchester endlich erfüllt.4 Schon im Oktober 1956 zeigen sich die Folgen: Deisenroth hat zu viele gute Leute zur Bundeswehr mitgenommen, der Zustand der ehemaligen "Arbeitsdienst-Baracken" im "Langen Feld" wird kritisch, die Arbeit unter Oskar Tietzel ist es ohnehin, eine neue Rechtsform von Schule und Orchester erscheint mehr und mehr notwendig. Doch noch ein Gutachten vom März 1957 geht davon aus, daß hier eine Doppelfunktion von Schule und Orchester gegeben sei, die erhalten werden müsse. Es verneint zwar die angestrebte Gemeinsamkeit mit einer "Jugendmusikschule" des Siegerlandes, außer natürlich, daß Hilchenbach die Lehrer zur Verfügung stellen könnte, vor allem bei seltenen Instrumenten. Es stellt aber noch einmal (und damit letztmals) die Impulse für die Laienmusik in den Vordergrund, die von Hilchenbach bisher ausgegangen wären und weiter ausgehen müssten.

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Eigentlich ist es schade, daß nur sehr wenig präzise Unterlagen über die Zeit der "Orchesterschule" erhalten sind. Zwar gibt es noch Kostbarkeiten wie die "Lohnbücher", aber zu wenig Material, das genau über das "wann war was?" oder "wer war wann da?" Auskunft geben könnte. Und die wenigen noch einigermaßen "rüstigen" Zeitzeugen des Anfangs konnten dem Autor kaum weiter helfen.5 Es muß aber unter dem gestrengen, immer auf Disziplin bedachten Friedrich Deisenroth eine ganz interessante Zeit gewesen sein, in der man (immer unter Berücksichtigung der Nachkriegs-Verhältnisse) in Hilchenbach durchaus auf den künftigen Musiker-Beruf vorbereitet werden konnte. Man hat der "Orchesterschule" später (eigentlich bis heute) viel Unrecht getan. Es fällt auf, daß man in sehr unterschiedlicher Art und Weise "Musikschüler" sein konnte: als "Interner", der auch in der Schule wohnte, als "Externer", der nur zum Unterricht kam; man war (wohl um den Etat der Schule zu dämpfen) mitunter voll "zur Berufsschule abgemeldet" - oder manchmal auch für einige Zeit ganz beurlaubt. Doch muß hier zum Abschluß genügen, daß sich die "Alt-Hilchenbacher" (also diejenigen, die für kurz oder lang die Hilchenbacher Orchesterschule absolviert haben) im Rückblick in drei Gruppen unterscheiden lassen: in diejenigen, die beim Weggang Deisenroths schon ihren Abschluß hatten oder die er mit zur Bundeswehr nahm - bzw. die nun doch noch an eine Hochschule wechselten. Dann in die (zahlenmäßig recht große) Gruppe derjenigen, die blieben - und ab 1957 nach und nach ins "Siegerland-Orchester" übernommen wurden. Schließlich in diejenigen, von denen dies "weder/noch" zu berichten ist. Hier sind die Namen inzwischen Schall und Rauch. Aber noch gegen das Ende der Schule 1958/ 59 hin waren es ziemlich viele. Leider ist es inzwischen so geworden: für eine wirklich "lebensnahe" Chronik der "Orchesterschule" ist es heute schon zu spät. Das hat auch der Autor schließlich einsehen müssen.

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Der Beginn der Ära Peter Richter und Anfang des "selbstständigen" Orchesters im Dezember 1957

Noch in einer Sitzung am 25. Juli 1957 beschäftigte sich der Kreistag in einer Sitzung eindeutig nur mit der "künftigen Finanzierung der Orchesterschule" und dem beabsichtigten Neubau einer Unterkunft.6 Das Kultusministerium hätte an die Gewährung von weiteren Zuschüssen die Bedingung eines wirklich qualifizierten neuen Leiters, einer besseren Ausstattung des Lehrkörpers und einer besseren Unterkunft der Schule geknüpft; es hätte auch nochmals angeregt, mit der Orchesterschule die künftige "Jugendmusikschule" des Siegerlandes zu verbinden. Dies bedeutet einen Neubau, so kommt es zum Beschluß, im Jahr 1958 ein neues Gebäude für die Orchesterschule zu errichten und bis dahin ihre künftige Finanzierung sicherzustellen. Von der Einstellung Peter Richters als neuem Leiter ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Rede, erst recht nicht von einer beabsichtigten Schließung der Orchesterschule bzw. von einer "Verselbständigung" des Orchesters. Am 01. Oktober 1957 wird er jedoch nicht nur Leiter der "Orchesterschule" in Hilchenbach, sondern beginnt auch sofort mit dem Aufbau des "Siegerland-Orchesters", im Untertitel genannt "Junge Deutsche Philharmonie".7

Er erscheint "auf der Bühne", ohne daß es darüber konkrete Unterlagen gibt. Die es miterlebt haben berichten, er sei durch den Geschäftsführer Moritz Weiss als neuer Leiter von Schule und Orchester lediglich vorgestellt worden, irgendein "Auswahlverfahren" hätte es nicht gegeben.8 Der Autor muß fragen: Gab es tatsächlich und von vornherein eine Empfehlung oder Protektion seitens des WDR? Gab es sie durch die Rektoren der erst nach dem Krieg gegründeten, "etwas anderen" Musikhochschulen in Detmold und Freiburg, die sich dem gleichfalls "etwas anderen" Orchester in Hilchenbach eng verbunden fühlten? Oder seitens irgendwelcher "Siegener Kreise", denen dieser (mit Verlaub gesagt) manchmal zwar etwas "verwirrt" erscheinende, offenbar aber sehr geniale "Paradiesvogel" gerade recht kam?9 "Von der Parteien Gunst und Haß verwirrt, schwankt sein Charakterbild in der Geschichte"

heißt es im "Wallenstein". Und genau das muß auch für Peter Richter und für die schon bald beginnende "Richter-Krise" (mit allem ihrem Hin und Her) gelten. Bisher hatte das Orchester der "Musikschule" aus den in Hilchenbach und Umgebung wohnhaften Lehrern, dazu den bereits geeigneten Schülern bestanden, aber auch aus

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"Freiberuflern", von denen es damals (nach dem Krieg) gerade in Siegen noch viele gegeben haben soll.10 Das neue Konzept Richters scheint jetzt vor allem gewesen zu sein, daß die Stimmführer des Orchesters nach und nach die bisherigen Lehrer der Musikschule ersetzen sollten - und daß sich bei ihnen ("Studienleiter" genannt) auch alle diejenigen Orchestermitglieder "weiterbilden" konnten, die dies noch wollten.11 Mit besonderer Berücksichtigung übrigens auch von Kammermusik, die eine Zeitlang eine wichtige Rolle spielte. Es ergibt sich (aus Sicht des Autors) trotzdem kein klares Bild: die ca. 20 Namen auf den fragmentarischen Gehaltslisten, die sich seit Oktober 1957, wenn auch nur unter viel Mühe, als reine Orchestermitglieder identifizieren lassen, plus 5 unidentifizierbare (darunter vielleicht noch einige bisherige Lehrer) plus ca. 10 Musikschüler, die bereits im Orchester mitwirken konnten, plus ca. 10 Aushilfen (wohl die "Freiberufler" aus Siegen) ergeben zwar die vermutlich 45 Musiker des folgend genannten "1. Konzertes des neugegründeten Orchesters" in Siegen. Aber wie sich das gerechnet hat und vertraglich geregelt war, und vor allem: Wie das wirklich eine "Neugründung" gewesen sein soll, bleibt etwas unverständlich.12 Es scheint vor allem zu stimmen, daß der Status der bisherigen bzw. verbliebenen Musikschüler, soweit sie dann im Orchester mitwirkten, und der Zeitpunkt, zu dem sie "fest" übernommen wurden, nie genau definiert war - und daß auch hier eine typische "Genialität" Richters vorlag.

Das "1. Konzert" des "neugegründeten Orchesters" findet am 02. Dezember 1957 in Siegen statt: mit Schuberts "Unvollendeter", Mozarts Konzert für Flöte und Harfe - und der 7. Sinfonie von Beethoven.13

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"Einen verheißungsvollen Neuanfang", "eine unerwartete kulturelle Bereicherung", ja sogar "das bisher größte Kulturereignis in letzter Zeit" nannte es die Presse - und vor allem die Siegener selbst scheinen begeistert und voller Selbstlob gewesen zu sein. Natürlich hatte auch schon jemand vom WDR zugehört. Auf jeden Fall bleibt festzustellen: Das Konzert (und seine beiden Wiederholungen, die von vornherein terminiert waren, wohl auch stattgefunden haben, wenn auch nicht mehr vor vollem Haus) gilt zurecht als das große, verheißungsvolle Symbol am Beginn des "Siegerland-Orchesters"; es wirkte in der Erinnerung nach, wie kaum ein späteres.

Doch noch am 18. Januar 1958 wird im Kreistag zwar festgestellt, daß das "Orchester Siegerland-Wittgenstein" nun "Siegerland-Orchester" heiße und sich inzwischen als eine eigene Institution vorgestellt habe; es setze sich zusammen aus einer Reihe von festangestellten Musikern und einer Anzahl von Schülern; die zunächst noch benötigte Verstärkung könne bereits entfallen.14 Aber auch das gehört dazu: bei einer Kreistags-Sitzung im März 1958 geht es noch immer und ausschließlich um den "Neubau", der für die Weiterführung der "Orchesterschule" notwendig sei.15 Ein merkwürdiger Widerspruch. Was war geschehen? Zumindest dies: Es gab von vornherein sehr unterschiedliche Meinungen über den "richtigen Weg" in die Zukunft, auch innerhalb des Orchesters. Es kam zu einem Hin und Her von Gegensätzen, das den Autor noch bei seinem Eintritt im August 1958 ziemlich verwirrt und auch etwas hilflos gemacht hat, das aber wohl so typisch für die ganze damalige Zeit war, daß es hier ausführlich erwähnt werden muß. Es gab die "Freiburger Clique" mit dem Oboer Michael Scheck an der Spitze, einem der Söhne jenes legendären Flötisten Gustav Scheck, der nach dem Krieg die für lange Zeit als etwas "neumodisch" geltende Musikhochschule in Freiburg/Br. gegründet hatte.16 Auch der Cellist Jan Corazolla war mit einem schon in Berlin erfolgreichen jungen Streichquartett in Freiburg gelandet, war jedoch bereit, das Quartett zu opfern, wenn er dafür nicht nur Cellist, sondern auch 2. Dirigent in Hilchenbach werden könne. Erwähnt werden muß er deswegen: Von ihm (und offenbar nicht Richter, der sie, zunächst noch uneins darüber, was er in Hilchenbach wirklich erreichen wollte, bloß eifrigst übernahm) stammte auch die (angeblich auf Furtwängler zurückgehende) Idee eines reinen Nachwuchs- bzw. Jugendorchesters, wie sie nun hier verwirklicht werden sollte.17 Und ihnen stand auch der Bratschist Bär von Randow nahe, der dann, nach seiner Rückkehr viele Jahre später, "Intendant" in Hilchenbach wurde - und dessen organisatorische Begabung schon damals auffiel: er war der letzte "Leiter" der "Orchesterschule", als diese bis zum Frühjahr 1959 hin "abgewickelt" wurde. Ihnen stand der "Sonderkonzertmeister und Studienleiter" Joseph Märkl nahe, den Peter Richter extra in München aufsuchte, um ihn zur Annahme dieser so wichtigen Funktion ab Herbst 1958 zu überreden.18 Ein relativ illustrer Kreis, wie er für diese frühe Zeit des Orchesters typisch war, es danach keinen mehr gegeben hat. Durchaus von einem gewissen Sendungsbewußtsein geprägt, dazu Richter intellektuell weit überlegen. Zwar waren es gerade die "Freiburger", die Richter beim Aufbau des Orchesters maßgeblich zur Seite standen,

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aber "logischerweise" mußte es schon bald zu Meinungsverschiedenheiten kommen - und zur Opposition gegen den "Alleinentscheidungs-Anspruch", den Richter bald mehr und mehr für sich beanspruchte. Richter selbst hatte umgekehrt in Detmold studiert, an jener Hochschule, die damals noch "Nordwestdeutsche Musikakademie" hieß und gleichfalls eine der außenseiterischen Neugründungen nach dem Krieg war. Dort war er schnell aufgefallen; es gab, als die Ausschreibungen des "Siegerland-Orchesters" in den ersten Monaten 1958 bekannt wurden, sogar in Berlin Leute, die dem Autor einen "ziemlich genialischen" Peter Richter schildern konnten. Auch aus Detmold hatte er Leute mitgebracht: nicht so zahlreich, wie die "Freiburger" und mehr und mehr "für die Mitte" zuständig, aber eine gleichermaßen wichtige Gruppe. Genannt werden muß hier (um alle wichtigen Namen zu erwähnen, ohne die der frühe "Erfolg" Richters und des Orchesters nicht denkbar ist) vor allem der Solo-Flötist Klaus Diederich. Er wurde dann, im späteren Verlauf der "Richter-Krise", eine "ausgleichende" Integrationsfigur von hohen Gnaden. Eine dritte, sehr starke "Fraktion" jedoch bildeten die ehemaligen "Orchesterschüler". Durchaus "autoritätsbedürftig", sahen sie in Richter - wie es noch heute bei ihren Erzählungen erkennbar ist - eine Art "Heilsbringer". Ihr "Studium" in Hilchenbach hatte sich also doch gelohnt, hatte doch noch eine Zukunft. Das frühe "Siegerland-Orchester" also ein "Versuch eines Versuches" in Richtung einer "demokratischen Mitbestimmung"? Auf jeden Fall erinnert sich der Autor: Der Gegensatz der drei Meinungen und die häufigen Auseinandersetzungen darüber bestimmten fast jedes noch so harmlose Gespräch. Sein Kommentar daher: Kernpunkt aller Gemeinsamkeiten, aber auch aller Diskussionen waren immer jene Ideen, die angeblich auf den großen Dirigenten Wilhelm Furtwängler zurück gingen. Auf dessen Überlegungen hinsichtlich eines "Nachwuchs-Orchesters", in dem geeignete junge Musiker (unter Gleichgesinnten und noch mit den selben "Entwicklungs-Problemen" beschäftigt) auf ihren späteren Beruf hin vorbereitet werden sollten. Sehr ehrenvolle Überlegungen - wie sie dann später vom Deutschen Musikrat in seinen "Jugendorchestern" auch verwirklicht wurden. Doch hat das alles heute einen etwas "altväterlichen" Beigeschmack: nachdem es Zeiten geradezu eines Überangebots von Landes- , Bundes- und sonstigen Jugend-Orchestern gegeben hat, dazu nicht nur von "Jungen Deutschen Philharmonien", sondern sogar "Philharmonien der Nationen" bzw. ähnlichen - und nun Zeiten herauf gezogen sind, in denen sich die Bereitschaft der Orchester, junge Musiker einzustellen, fast nur noch auf "Volontäre" erstreckt, die sie angeblich selber ausbilden. Mit allen Gründen und Gegengründen. Liest man heute die endlosen Texte des "Siegerland-Orchesters" der damaligen Zeit, sie mögen stammen, von wem sie wollen, hat man mehr und mehr den Eindruck, als sei (wieder einmal) das Rad erfunden worden - aber es erwies sich (wieder einmal) auf Dauer dann doch nur als viereckig. Denn wie sich so etwas angesichts der tatsächlichen Gegebenheiten und Zwänge im "Siegerland" überhaupt rechnen sollte, steht nirgendwo. Und deshalb noch Kommentar zwei: Natürlich könnte man auch eine "Chronik" schreiben, in der im Vordergrund steht, daß damals viele (allzu viele) zwar aus

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Neugierde nach Hilchenbach kamen, schon bald aber, falls das eigene Können es irgendwie zuließ, wieder das Weite suchten. Denn die Aussichten, daß im "Siegerland-Orchester" echte künstlerische oder finanzielle Voraussetzungen geschaffen werden konnten, die das vorgesehene, mindestens zweijährige "Bleiben" rechtfertigten, waren (zugegebenermaßen) nur gering. Nochmals: solch eine "Chronik" wäre leicht möglich. Aber sie würde nicht dem "Idealismus" gerecht, von dem damals noch (freie Stellen, mit nur wenig Probespiel-Teilnehmern, gab es genug) der Orchestermusiker-Nachwuchs geprägt war. Und erst recht nicht der Faszination, die (zumindest bis 1961) von einem längeren Bleiben gerade in diesem Orchester trotz alledem ausging. Die Diskussion um den "richtigen Weg" eines "Nachwuchs-Orchesters" dauerte jedenfalls lange - und wurde selbst dann noch nicht aufgegeben, als das "Siegerland-Orchester" längst andere Wege eingeschlagen hatte. Zu kurz kam dabei die "Orchesterschule", mit der doch alles angefangen hatte. Sie blieb nur als "Faustpfand" der Obrigkeit zurück, die sich eine so schnelle "Verselbständigung" des Orchesters nicht vorgestellt hatte, sie teilweise auch gar nicht wollte, den Veränderungen jedenfalls nur sehr zögernd zustimmte, ihnen für längere Zeit kaum folgen konnte. Und das stimmt den Chronisten heute etwas wehmütig. Wäre nicht zumindest ein "Nachdenken" darüber, wie man eine Art "Schule" neben dem "Nachwuchs- Orchester" hätte beibehalten können, sehr sinnvoll gewesen?

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Bis hin zum Beginn des "erweiterten" Orchesters im Oktober 1958

Immerhin soll das "neugegründete Orchester" vom Dezember 1957 an bis Ende April 1958 schon 22 größere und kleinere Konzert gespielt haben, wie irgendwo voller Stolz vermerkt ist. Vermutlich einschließlich der Wiederholungen, wie sie in Siegen und Weidenau (auch in der Form von "Jugendkonzerten") üblich wurden. Genau ist es nicht mehr auszumachen.19 Die wichtigsten, außer dem schon genannten "1. Konzert" in Siegen, scheinen dabei die folgenden gewesen zu sein: 11. Januar 1958: Sinfoniekonzert in Weidenau, u. a. mit der 8. Dvorak 24. Januar 1958: ebendort, u. a. mit der "Moldau" von Smetana 26. Januar 1958: dasselbe in Kaan-Marienborn 06. März 1958: Sinfoniekonzert in Arnsberg, u. a. mit der 7. Beethoven 10. März 1958: Sinfoniekonzert in Siegen, u. a. mit der 4. Schumann 25. April 1958: wieder in Weidenau, u. a. mit der 5. Tschaikowsky Dann aber folgt ab Mai 1958 schon die große Zäsur: mehr als die Hälfte des Orchesters war auf fünf Monate als "Kurorchester" nach Bad Neuenahr verpflichtet worden.

"... nach nächtlichem Umsteigen im Hannover und Marburg meine morgendliche Ankunft in Hilchenbach: wegen den Formalitäten im 'Büro Weiss' und dem Kauf eines grauen Anzugs als Dienstkleidung für Neuenahr ..."

So beginnt mit dem 29. Juli 1958 dann auch die "alte" Chronik des Autors, die hier (wie eingangs erwähnt) immer ein wenig zitiert werden soll, um sich das Hilchenbach und die Situation von damals besser vorstellen zu können.

"... man sah, wegen den vielen Schleifen, die der Zug fuhr, Hilchenbach schon mehrmals vorher, wollte es aber nicht wahrhaben. Doch dann hielt er genau dort, wo man es befürchtet hatte ..." Am 30. 07. 58 "... mit Peter Richter und Jan Corazolla im Auto nach Neuenahr, dort abends ein größeres Chorkonzert unter einem örtlichen Chorleiter, dem ich aber nur anfangs und sehr müde zuhöre ..." Am 31. 07. 58 "... mein erster Dienst als 3./1. (in Neuenahr 2.) Flötist in einer Umgebung, die mir (als Kontrast zu Berlin) fremd ist, und mit einer Musik, die ich bisher nur wenig kenne, in die ich mich aber sehr schnell finde ..."

Die fünf Monate von Mai bis September 1958 als "Kurorchester" in Bad Neuenahr waren aus finanziellen Gründen nötig gewesen; dort feierte man irgendeine "Jubiläums-Saison", die üblicherweise verpflichtete "Kurkapelle" unter dem eigenen (tüchtigen und auch vom Orchester sehr geachteten) "Kurkapellmeister" Wantzen reichte dafür nicht aus. So hatte man stattdessen die "Siegerländer" verpflichtet, die ja für größere Konzerte jederzeit durch die in Hilchenbach gebliebenen Mitglieder verstärkt werden konnten. Auch extra (von irgendwoher) einen (etwas dubiosen) "Generalmusikdirektor" als "Musikalischen Oberleiter".

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Umgekehrt spielten die "zurückgebliebenen" Musiker derweil eine Reihe von kleiner besetzten Konzerten, etwa bei den "Siegener Schloß(fest)spielen". Alles eine durchaus ehrenwerte Sache - aber sie führte erst recht zu einer tiefen Spaltung des Orchesters, in die nun der Autor (wie gleichfalls schon erwähnt) mitten hinein geriet. Zunächst aber erst gefragt: Warum kam gerade der Autor nach Hilchenbach und ins "Siegerland-Orchester"? Man mag es heute kaum noch glauben: die Berufsaussichten im damaligen "West-Berlin" waren ziemlich schlecht. Zwar gab es "Mucken" und Schüler, dazu viele "Aushilfen", aber die "grenzenlose Freiheit Westdeutschlands" lockte den jungen Flötisten damals genauso, wie die Flüchtlinge aus der "DDR". Als West-Berliner bekam man nicht einmal Probespiel-Einladungen nach Westdeutschland; erst einmal dort sein! hieß es also, dann könnte man vielleicht in Ruhe abwarten. So durfte man die Möglichkeit "Siegerland-Orchester" keineswegs auslassen, die sich allerdings mit ähnlichen "Kostengründen" präsentierte, wie die anderen Orchester: indem der schon erwähnte Jan Corazolla das Probespiel "vor Ort" in Berlin abnahm. Ironie des Schicksals jedoch erstens, daß Peter Richter (mit einer sehr merkwürdigen Begründung) nicht den erwarteten Vertrag, sondern nur eine seiner üblichen Postkarten als Bestätigung schickte: der Vertrag würde nachgereicht. Und damit sofort Mißtrauen erweckte über die Zustände, die einen in Hilchenbach erwarteten. Und Ironie des Schicksals zweitens: daß der Autor, eben erst in Neuenahr angekommen, Post aus Berlin erhielt: er könne nun doch eine der Volontärstellen bekommen, mit der die West-Berliner Orchester gerade anfingen, wenigstens ein paar gute "Nachwuchs-Musiker" da zu behalten. Es war gleichsam der Beginn jener "Berlin-Förderung", die dann immer größere Ausmaße annahm. Der Autor möge freilich nicht zurückkommen, wenn er sich "im Westen" schon eingelebt hätte.

"... ich hatte mich bereits eingelebt, ich wollte um keinen Preis zurück auf die "Insel". Also blieb ich ..." "... Vormittagskonzert, Nachmittagskonzert, Abendkonzert, bei schönem Wetter vor dem Nachmittagskonzert noch ein Konzert auf der Promenade ...dabei nur einen Tag frei, an diesem jedoch Frühkonzert, erst dann der ersehnte Radausflug in die Eifel: das war regelrecht Ausbeutung ..."

Dazu kam aber eben auch: "... das waren also nicht die Richtigen gewesen, vor denen ich mein Probespiel abgelegt hatte oder die mich in Hilchenbach in Empfang genommen hatten (Scheck, Corazolla und so weiter, damals sämtlich in ihrer 'Gegenbastion', dem 'Süßen Konrad' wohnhaft). Das waren die 'Intelligenzler', die sich vor dem Dienst im Bad gedrückt hatten ('weil sie vor der Kurmusik Schiß hatten') und angeblich dem Richter halfen, den Neuanfang im Oktober vorzubereiten. Die sog. 'Bakaluten' im Bad fühlten sich jedoch viel eher als diejenigen, von denen alles abhing, sie hätten es lieber gesehen, Richter wäre mit ihnen nach Neuenahr gegangen und dort unter ihrem Einfluß geblieben ..."

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Am 24. August 1958 ist Peter Richter Gastdirigent für eines der Kurkonzerte: "... ich wage nicht, es mir einzugestehen, aber ich bin von meinen Berliner 'Mucken-Orchestern' her besseres gewohnt - und von Richters genialischem Gehabe grenzenlos enttäuscht ..." "... seine Meldungen über den erweiterten Neuanfang sind aber noch positiv ..."

Am 29. August 1958 kommt es (von Neuenahr aus!) zum vielleicht legendärsten Abstecher, der in den frühen Annalen des Orchesters verzeichnet ist: dem nach Berleburg, um dort in einem Bierzelt unter einem keineswegs nüchternen Chordirigenten Haydns "Jahreszeiten" aufzuführen. 26. September 1958: im Vorfeld des "Abschlusses der Konzertsaison" (sinnvollerweise mit der "Unvollendeten") ein Orchesterversammlung unter Richter in Neuenahr.

"... der die als enttäuschend angesehenen 'provisorischen' Verträge mitbringt und jetzt auch schlechtere Arbeitsbedingungen ankündigen muß, als sie allgemein erwartet wurden ..."

Es waren keine "richtigen" Verträge (wie das erhaltene Exemplar des Autors zeigt) sondern nur "Vorverträge" ohne Datum, mit einer nebulösen Absichtserklärung, zum 1. Oktober (anläßlich einer neuen "Rechtsform") einen "endgültigen" Vertrag folgen zu lassen - was dann einstweilen unterblieb. Zwar ist wortreich von Aufgaben und Pflichten und sogar schon vom angestrebten "Landessinfonieorchester" die Rede, aber noch immer bedeutet der Inhalt keine rechtsgültige Aussage über die "Gründung" des Orchesters

"... Kuriosität: Richter kündigt auch Frauen im Orchester an, was bei Einigen noch immer zu Protesten führt ..."

01. Oktober 1958: Rückkehr des Orchesters aus Neuenahr nach Hilchenbach:

"... noch glaubt die Mehrheit an die Verlegung des Orchesters nach Siegen ..." Jedoch am 10. Oktober 1958 Probenbeginn des "erweiterten" Orchesters im "Kinosaal Müller", der bis zum Sommer 1962 Sitz des Orchesters bleibt; Siegen steht nie mehr ernsthaft zur Debatte.

Die fensterlose Tristesse und "Weltentrücktheit" des "Kinosaal Müller" ist heute verschwunden, man kann sie sich kaum noch vorstellen. An manchen Abenden gab es dort wirklich "Kino", der Autor hat dort etliche der damals berühmten Filme gesehen. Zu den Proben wurden die Stuhlreihen im Parkett und die

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Leinwand auf dem Podium zurück geschoben, um Platz für das Orchester zu schaffen. Seitlich gab es ein "Kabuff" für die Noten und das obligatorische "Schwarze Brett". Im übrigen hatte das damals noch einigermaßen ehrwürdige "Hotel Müller" über die "Orchesterzeit" hin auf Gäste verzichtet - und seine Zimmer an einige Orchestermitglieder vermietet. Auch den Autor hat man dort volle vier Jahre lang "beherbergt".

Das Orchester war zu diesem Zeitpunkt auf 59 Planstellen verstärkt worden: auf (samt "Sonderkonzertmeister") zehn erste Geigen, acht zweite, je sechs Bratschen und Celli, vier Kontrabässe, dreifaches Holz, vier Hörner, drei Posaunen, Tuba, Pauke, Schlagzeug, Harfe, Dirigent und Sekretärin. Wobei (um es nochmals zu erwähnen) nicht mehr klar wird, wer zunächst noch Musikschüler blieb und erst allmählich "eingegliedert" wurde. 20 Es scheint ein ziemlich kompliziertes Hin und Her gegeben zu haben, um die Zahl 60 nicht zu erreichen, geschweige zu überschreiten. Der 10. Oktober 1958 galt dann aber, schon weil nun erstmals alle Mitglieder dem Orchester fest angehörten (bzw. ehemalige Musikschüler waren, die noch fest eingegliedert werden sollten) als der "eigentliche" Beginn des Orchesters, das Jahr davor (trotz seiner legendären Konzerte im Dezember 1957) nur als "Anlaufzeit". Die Orchesterschule fristete seitdem nur noch ein Nebendasein - und sollte (angeblich) so schnell wie möglich aufgelöst werden. Noch glaubte niemand an die schon bald eintretende "Krise" des ja erst "neugegründeten" und nun bereits "erweiterten" Orchesters. Noch wählte an diesem

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ersten Tag des "eigentlichen Beginns" das Orchester Richters "Gegenpol" Michael Scheck fast einmütig als 1. "Orchester-Vorstand".21 Freilich: Die Gerüchte darüber, was "im Hintergrund" wirklich vor sich ging, dazu das überraschende "Bleibenmüssen in Hilchenbach", was so kaum jemand erwartet hatte: einige Eingeweihte" schienen es genauer - und ganz anders - zu wissen. Auch die "Abwicklung" der Orchesterschule, für die jetzt nebenher der Bratschist Bär von Randow als letzter "Leiter" (aber offenbar nur von "Richters Gnaden") zuständig wurde, schien so ganz "astrein" nicht zu sein. Der Autor erinnert sich an eine gewisse Hilflosigkeit unter den verbliebenen Schülern, so als wären sie nur noch eine Art "Manovriermasse" gewesen. Erneut ist zu fragen: was war geschehen? Wie stand es wirklich um das Orchester? Schon am 16. Juli 1958 muß es (vielleicht nur in kleinem Kreis?) jene Sitzung gegeben haben, auf die sich Peter Richter und seine Freunde dann immer wieder berufen haben: In Gegenwart (oder nur in Kenntnis?) auch der Vertreter von Kultusministerium und Landschaftsverband scheint dabei das "Auslaufen der Schule" zugunsten nur noch des Orchesters zumindest "angedacht" worden zu sein.22 Dies hatte jedoch zur Unruhe innerhalb der Trägerschaft und vor allem auch zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Richter und dem Geschäftsführer der Trägerschaft, Moritz Weiss, Hilchenbach geführt. So muß Richter, in mehreren Sitzungen, die vom 05. September 1958 an stattfinden, zu seinen künftigen Vorhaben Stellung nehmen.23 Er erklärt sinngemäß, daß die Orchesterschule in der bisherigen Form keine Zukunft mehr habe - und er die Notwendigkeit eines Neubaus nicht mehr befürworten könne. Trotz weitgehender Sympathie der Stadt Siegen (die sich tatsächlich ein eigenes Orchester erträumt? Die vehemente Verfechter des "genialen Künstlertums" Richters in ihren Reihen hat?) und auch der Siegerländer Industrie ist man allseitig über diese Deutlichkeit entsetzt - und wirft Richter vor, er habe die Trägerschaft über seine wahren Absichten nicht rechtzeitig in Kenntnis gesetzt bzw. keine klare Linie gezeigt. Zwar beruft sich Richter auch auf seine fortlaufenden Besprechungen mit Moritz Weiss, von denen er fest geglaubt hätte, daß ihr Inhalt sofort weitergeleitet worden wäre. Weiss bestreitet aber die Verbindlichkeit und Ernsthaftigkeit dieser Besprechungen - und der Landkreis beharrt darauf, daß die Sache in dieser Klarheit im Juli nicht erörtert worden sei. Salopp ausgedrückt: hier war offenbar "eine Jungfer zu ihrem Kind" gekommen. Die Situation führte zumindest dazu, daß die Musiker nicht die angekündigten Verträge bekamen, sondern daß man vorerst bei den schon erwähnten "Absichtserklärungen" verblieb. Und daß das Orchester vorerst nicht (wie es Richter immer wieder versprochen hatte) nach Siegen ging, sondern seinen Sitz in Hilchenbach behielt. Am 09. Oktober 1958 (am Vortag des eigentlichen Beginns des Orchesters in seiner erweiterten Besetzung!) einigt man sich (im Einvernehmen auch mit dem Land und dem

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Landschaftsverband) nochmals darauf, daß die Schule erhalten bleiben und weiter ein Neubau dafür geplant werden müsse.24 Man erklärt die Forderungen und Absichten Richters für "übertrieben" - und stärkt der sich mehr und mehr um Moritz Weiss formierenden "Opposition" den Rücken. Das war dann spätestens die Geburtsstunde der "Richter-Krise" - und der Autor erinnert sich deutlich an die Unruhe, die schon von den ersten Tagen im "Probenlokal Müller" an immer mehr zu spüren war. Zwar sind (wie auch an anderer Stelle erwähnt) viele Unterlagen aus der "Frühzeit" dieser Krise nicht mehr vorhanden. Aber stimmt es überhaupt, sind sie wirklich (so jedenfalls die Darstellung des Stadtarchivs Hilchenbach) bei der späteren Auflösung des "Büro Weiss" nicht in den zuständigen Archiven in Siegen, sondern auf dem Sperrmüll gelandet? Man kann sich trotzdem aus dem, was in den beiden Siegener Archiven (wenn auch in unübersichtlicher "Abheftung") übrig geblieben ist, ein eindeutiges Bild machen. Auch wenn es dem, was heute, nach fast 50 Jahren, von Richter bzw. von seinen Getreuen nacherzählt wird, in keiner Weise entspricht. 11. Oktober 1958: ein "Männerchor-Konzert" in Siegen steht dort am Anfang des

"Neubeginns". 18. Oktober 1958: erstmals "Carmina burana" in Offenbach 23. Oktober 1958: Sinfoniekonzert unter Richter in Witten: mit der "großen" g-moll-

Sinfonie von Mozart und der 5. Tschaikowsky. "... zunächst läuft alles so gut, daß uns ein Stein vom Herzen fällt ..."

29. Oktober 1958: erstes Konzert seit dem "Neubeginn" unter Richter in Siegen, wieder mit der "großen" g-moll von Mozart und der 4. Sinfonie von Bruckner

"... wir sind hinterher alle erschrocken: es gelingt erstmals nicht, Unsicherheit und Nervosität hatten sich allseits breit gemacht ..."

Am 05. November 1958 entsteht dennoch, trotz allen Spannungen, ein Trägerverein auf neuer Grundlage, wird damit der selbständigen Entwicklung seit Oktober 1957 und auch der Erweiterung des Orchesters seit Oktober 1958 wenigstens einigermaßen Rechnung getragen.25 Zum Vorstand des Vereins "Siegerland-Orchester e. V." gehören künftig der Oberkreisdirektor des Kreises Siegen-Wittgenstein, der Oberstadtdirektor von Siegen sowie ein Vertreter der Siegerländer Unternehmerschaft. Moritz Weiss, auch als Vertreter der Stadt Hilchenbach, bleibt Geschäftsführer. Jedoch weiterdauernde, spürbare Unruhe, sowohl bei den Proben wie auch in den Konzerten. Keine gute Sache für besonders "empfindsame" junge Musiker, wie es der Autor damals noch gewesen ist! 17. November 1958, nach sehr vielen Proben: ein weiteres Sinfoniekonzert unter Peter Richter in Siegen (u. a. mit den "Bildern einer Ausstellung") das der WDR aufnimmt und dann auch überträgt.

„... es gibt sehr geteilte Meinungen darüber - und genau das hat dann endgültig (nun auch innerhalb des Orchesters) die Krise um Richter ausgelöst ... Und

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Richter weiß das - aber es beginnt zugleich die Zeit seines dauernden Ungeschicks, seines fast tragischen Versagens in einer Situation, die er nicht wahrhaben will, die ihm mehr und mehr entgleitet ...".26

Zwar glaubt er noch am 21. November 1958 bei einem (als sensationell empfundenen) Konzert in Siegen zusammen mit dem "Orchester Kurt Edelhagen" alle Trümpfe in der Hand zu haben. Am 12. Dezember 1958 kommt es aber zur entscheidenden Zusammenkunft von Kreisdirektor Kuhbier, Moritz Weiss, Richter und dem Orchestervorstand (mit Scheck als Sprecher) wegen der entstandenen Problematik. Scheck widerspricht Richters Forderungen nach "Alleinherrschaft"; man diskutiert den schlechten Eindruck der Rundfunkübertragung des Konzertes mit den "Bildern der Ausstellung" - und Richter

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fragt erstmals "Sind Sie der Auffassung, daß ich meiner Aufgabe nicht (mehr) gewachsen bin?"27 Kuhbier formuliert eine Art künstlerischen Beirat der Stimmführer, der künftig mitbestimmen soll; bei Meinungsverschiedenheiten entscheidet allein die Trägerschaft. Dem muß schließlich auch Richter zustimmen. Vor allem wird nochmals klargestellt, daß Richter allein keinerlei Maßnahmen mehr treffen darf, die Verpflichtungen des Trägers zur Folge haben. Also zunächst auch keine Zusagen mehr für Konzerte und Engagements geben, keinerlei Entscheidungen über Neueinstellungen oder Kündigungen von Musikern mehr treffen darf? Genau geht das daraus nicht hervor, scheint aber so beabsichtigt gewesen zu sein. 19. Dezember 1958: in einer Vorstandssitzung der Trägerschaft wird alles bestätigt. Man will zwar an Richter festhalten, vor allem, "weil bei einer Trennung Schwierigkeiten hinsichtlich der Finanzierung auftreten würden", aber die "Differenzen" sollen jetzt durch klare Dienstanweisungen und durch deutliche Richtlinien zur Abgrenzung aller Zuständigkeiten ausgeräumt werden.28 Da ist es zum ersten Mal definitiv: das Schreckgespenst, daß die finanziellen Zusagen des Landes und des WDR allein an die Person Richters geknüpft sein könnten. Wie gesagt "könnten". Es stimmte nicht. Es gibt in den Unterlagen keinerlei konkrete Hinweise. Leider läßt sich heute nicht mehr feststellen, wer dieses "Gespenst" und aus welchem Grund an die Wand gemalt hatte. Natürlich ist Richter alles andere, als einverstanden. In der "alten" Chronik des Autors steht ausdrücklich,

"... daß es um diese Zeit aussah, als würde er über Nacht hinschmeißen, um sich heimlich abzusetzen ..."

Und er verliert jetzt auch den Autor, als einen bis dato zwar sehr naiven, oft zweifelnden, aber eigentlich noch sehr begeisterten Anhänger: 19. Dezember 1958: Weihnachtsoratorium unter Richter in Witten

"... ich sage ihm (teils noch immer von ihm fasziniert, teils im guten Glauben, ich könnte ihn beeinflussen) die erbetene organisatorische Assistenz bereits für die Chorproben in Witten zu, bekomme dann später eine Grippe, fahre dennoch zur Aufführung mit, habe aber kurz vorher einen Herzanfall: so daß für die Aufführung kein 1. Flötist vorhanden ist. Wütende und vor allem beleidigende Ausfälle Richters - und viel Aufmerksamkeit seitens der Opposition, die mich ermahnt, endlich einmal nachzudenken ..."

02. Dezember 1959: Richter fordert und praktiziert (trotz Verbots) weiterhin seinen Entscheidungsanspruch in allen personellen Dingen. So verlangt er z. B. am 08. Januar 1959 von Moritz Weiss die fristlose Entlassung Märkls, der ihm mehr und mehr die Gefolgschaft verweigern will.29 09. Januar 1959: Corazolla verlangt daher umgekehrt (in einem Brief an die Trägerschaft, im Vorfeld einer geplanten Diskussion zwischen Orchester und Trägerschaft am 12. Januar) in aller Deutlichkeit, Richter als menschlich nicht mehr geeignet anzusehen.30

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Moritz Weiss jedoch bittet seine Kollegen, im bevorstehenden Gespräch mit dem Orchester zunächst noch einmal so ausgleichend wie möglich vorzugehen; das Gespräch soll für die künftige Weiterarbeit des Orchesters entscheidend sein. Fast sieht es aus, als sollte jetzt erst darüber entschieden werden, ob das Orchester wirklich als "gegründet" und "existent" anzusehen ist, oder ob alles bisherige nur ein "ungültiger Versuch" war, den man jederzeit widerrufen könnte.

"... überall wird diskutiert und verdächtigt, man kann sich kaum noch auf die Musik konzentrieren, die Zukunft erscheint völlig ungewiss ..."

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Die sogenannte "Richter-Krise". Rolf Agop wird "Künstlerischer Oberleiter"

15. - 17. Januar 1959: Sinfoniekonzerte unter Richter in Weidenau

"... es werden, ohne daß es irgendjemand für möglich hält, seine letzten Konzerte als Chef des Orchesters ..."

Vorausgegangen war am 12. Januar das schon erwähnte "Gespräch" zwischen Trägerschaft und Orchester im "Probenlokal Müller".31 Es blieb keineswegs als eine "besonders gelungene Veranstaltung" in Erinnerung, als das "klärende Gespräch", das nun notwendig war. Die Herren des Träger-Vorstandes hatten die Mahnung ihres Mitgliedes Moritz Weiss, so ausgleichend wie nur möglich vorzugehen, wohl nicht ganz ernst genommen. Sie standen zwar in allen Fragen Rede und Antwort, schienen aber die tiefe Kluft, die sich im Orchester aufgetan hatte, zu verkennen - und wollten es wohl eher mit einem "Machtwort" halten - so ähnlich wie "wenn jetzt nicht Ruhe ist, fackeln wir nicht mehr lange". Umgekehrt schien ihnen endgültig klar geworden zu sein, daß man diese "Ruhe" nur unter strengen Auflagen auch für Richter erreichen konnte. Dazu gehörte als Skurrilität sogar, daß man ihm die Einstudierung einer Oper (für die er bereits Sänger nach Hilchenbach eingeladen hatte) strengstens untersagt. Es scheint im übrigen noch eine "inoffizielle" Fortsetzung des "Gesprächs" zwischen Träger und nur der "Richter-Partei" gegeben zu haben. Darüber ist in den Protokollen zwar kaum etwas enthalten. Sonst aber läßt sich Richters überlieferte Äusserung, daß er auch "zu einer Verkleinerung des Orchesters aus finanziellen Gründen bereit wäre, wenn man ihn nur weiter gewähren ließe" nicht richtig einordnen - und vor allem nicht das berühmte Wort von Moritz Weiss, das dann lange die Runde machte, nämlich "... wer das Geld hat, hat die Macht, daran müssen Sie sich gewöhnen, und ich habe das Geld!"

Den sonst so vorsichtigen Moritz Weiss hatte man wohl "in Rage" gebracht, er wollte vermutlich nur an den Kern der Dinge erinnern. Vielleicht hat er ja auch nur gesagt "wir haben das Geld".32 Ein "Machtwort" war jedenfalls nicht das richtige "Mittel der Wahl". Der Lernprozess, der jetzt dringend hätte folgen müssen, wäre nicht nur für Richter selbst oder für die verschiedenen Gruppierungen im Orchester, sondern auch für die "Obrigkeit" äußerst wichtig gewesen.

Die Vertreter der Opposition gegen Richter (Scheck, Corazolla, Märkl und einige andere, im Orchester genannt "die Clique" und dann offiziell "die Neun") verließen das "Gespräch" jedenfalls eher - und unterschrieben noch am Abend einen bereits vorbereiteten Brief. Man schildert noch einmal die ursprünglichen Ziele, sei aber zu der Erkenntnis gelangt, daß Richter die Erwartungen nicht erfüllt habe, unter seiner Leitung

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könne die Idee des Siegerland-Orchesters auch nicht mehr verwirklicht werden. Man sähe sich daher gezwungen, das Orchester zu verlassen - und diesen Brief als Kündigung anzusehen.33 Eines der großen, wenn auch später etwas umstrittenen Ereignisse in der Geschichte des frühen Orchesters! Auf jeden Fall ist zu sagen: Richters bald verbreitete Meinung von "unverschämten Lügen", die im Brief stünden, wird schon bei oberflächlicher Lektüre völlig unverständlich. Nicht der Brief als solcher hatte die von niemandem so erwarteten Folgen, sondern allein Richters voreilige und schlecht beratene Reaktion darauf. Sie hätte wohl noch jeden Arbeitgeber auf der Welt zur "sofortigen Beurlaubung" veranlaßt. 18. Januar 1959: der Brief der "Neun" war an Moritz Weiss gegangen und von diesem offiziell an Oberstadtdirektor Seibt weitergereicht worden; Seibt übergab ihn dann (wohl anlässlich einer für diesen Tag sofort einberufenen Vorstandssitzung) an Richter zur Stellungnahme.34 In der Sitzung (mit Seibt, Kuhbier, Simony, Weiss, dazu Richter und Diederich) ist Seibt für Richter, Weiss (sehr erregt) gegen ihn. Richter und Diederich müssen die Sitzung zunächst wieder verlassen; Weiss verteidigt dann weiter die "Neun" ("und zehn weitere, die hinter ihnen stünden"), Simony aber weiter Richter - und behauptet auch dessen Rückhalt bei der Industrie. Als Richter und Diederich wieder hinzu kommen, stellt jetzt Richter ultimativ sein Bleiben infrage. Nur mühselig einigt man sich auf den Kompromiß, den WDR (Dr. Krutge) als Schiedsrichter anzurufen. Der Autor kann gar nicht anders, als so ausführlich von jenen legendären Ereignissen zu berichten, die ihm noch so lebendig in seiner Erinnerung sind: 19. Januar 1959: Abfahrt zu "Carmina burana" in Offenbach. Da es die Wiederholung eines Konzertes ist, das schon am 18. Oktober stattgefunden hatte, der Chordirigent auch schon wieder zu einer Probe in Hilchenbach gewesen war, ist in Offenbach nur eine "Verständigungsprobe" mit dem Chor notwendig. So hält Richter zunächst eine Orchesterversammlung ab, auch sie eine der legendärsten in der frühen Geschichte des Orchesters.35 Auf ihr verliest Diederich den Brief der "Clique" - und formuliert dann die Haltung des übrigen Orchesters: die „Neun“, jetzt mit Haupt zehn, sollen ausgeschlossen werden, man stehe einmütig hinter Richter. Diederich läßt schließlich eine Liste zur Unterschrift herumgehen.36 Noch von Offenbach aus wird viel telefoniert (Scheck mit Moritz Weiss, der die "Ausgeschlossenen" ermahnt, unbedingt weiter Dienst zu tun, Richter mit dem Siegener Baurat Simony) und auf der Rückfahrt gibt es einen nächtlichen Halt in Butzbach, bei dem Richter dem Orchester durch Diederich ausrichten läßt, daß Siegen den Orchesterbeschluß voll bestätigt habe, anders lautenden Gerüchten solle keinerlei Glauben mehr geschenkt werden.37 Es fällt offenbar auch der Zusatz, daß man sich bereits auf einen Vorstandsbeschluß des Trägers dazu stützen könne. Dies war dann der entscheidende Schritt, den Richter zu weit gegangen war. Denn sofort verteidigt sich Weiss in einem Brief an die Vorstandskollegen und erinnert an

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frühere Sitzungen: zwar habe man am 12. Januar vor dem Orchester eine weitgehende Kontrolle Richters zugestanden, dies sei nun aber in der Praxis nicht mehr möglich. Es gäbe "Hunderte von solchen Vorfällen" in der Vergangenheit. Auch die Darstellung der "Neun" als "gemeine Lügner" sei so nicht hinnehmbar.38 Als Scheck ihm am folgenden Tag über "Butzbach" berichtet, schreibt er noch einen weiteren Brief - und verlangt die sofortige Entscheidung jetzt. 21. Januar 1959: der Vorstand beschließt die Lösung des Dienstverhältnisses mit Richter - und teilt es ihm mündlich mit.39 Es beginnt damit auch die Zeit, in der Scheck (neben seinem Dienst als Solo-Oboer) das Amt eines "vorläufigen Verwaltungsleiters" in aller Öffentlichkeit ausübt. Dies war wohl vor allem in seinem engen Vertrauensverhältnis zu Moritz Weiss begründet. Auf Moritz Weiss muß deshalb kurz eingegangen werden: als Hilchenbacher Fabrikant und dort lange Zeit Bürgermeister war er geschäftsführendes Vorstandsmitglied schon beim Träger der Orchesterschule gewesen und wurde es dann auch beim Träger des Orchesters. Michael Scheck über ihn heute: "... obwohl er in eine ihm fremde Welt eingetreten war, versuchte gerade er, für das Orchester Sympathie und finanzielle Mittel aufzubauen. Die internen Querelen müssen ihm total unverständlich, mehr noch, ein Greuel gewesen sein." So brauchte er natürlich einen Ratgeber, dem er voll vertrauen konnte - und hatte ihn in der Person von Michael Scheck gefunden; dies offenbar schon seit längerer Zeit.40 22. Januar 1959: Weiss hat an Konzertmeister Hartig einen Text zur Verlesung vor dem Orchester gegeben, daß man mit Richter vereinbart habe, seine Stellung sofort aufzugeben. "Ruhe (so sinngemäß) sei jetzt die erste Bürgerpflicht".41 29. Januar 1959: der Vorstand stellt "amtlich" fest, daß das Beschäftigungsverhältnis mit Richter seit dem 21. Januar gelöst sei, und teilt es ihm jetzt auch schriftlich mit.42 01. Februar 1959: Doch nun gibt es mehr und mehr Briefe seiner Siegener Freunde, die an "Gott und die Welt", vor allem aber an Dr. Krutge vom WDR, der ja Schiedsrichter sein soll, gerichtet sind. Wortreich wird versucht, die Dinge aus der Sicht Richters klar zu stellen.43 Und gibt es umgekehrt auch die (heute etwas peinlich wirkenden) Erkundigungen der Trägerschaft über Richter bei seinen früheren Arbeitgebern in Hagen und Wuppertal.44 Natürlich gibt es am 03. Februar 1959 auch eine Besprechung im Kultusministerium, im Beisein von Dr. Schmücker (Ministerium), Dr. Krutge (WDR), Paasch (Landschaftsverband) und den Träger-Vorständen.45 Die "Externen" bedauern zunächst, daß sie nicht mehr gehört worden wären - und stellen die Vorgänge als "unter Künstlern üblich" dar. Krutge behauptet erneut, daß er die Befürwortung von weiteren Zuschüssen allein auf die Person Richters hin aufgebaut habe. Es kommt auch zur Sprache, daß sich der zu weit abgelegene Standort Hilchenbach nicht bewährt habe, eine "Cliquenbildung" sei dort unvermeidlich gewesen. Die "Externen" werden sehr "deutlich", sie kanzeln die Trägervorstände beinahe ab. Dr. Schmückers und Dr. Krutges Reaktionen jedoch waren so zu erwarten - und waren allzu vordergründig. Der Name der Frau Dr. Schmücker taucht in den "Quellen" im

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übrigen viel seltener auf, als man es laut anderen Darstellungen erwarten müßte; auf ihrem Schreibtisch lag wohl vor allem der "Fall Agop", von dem gleich die Rede sein wird. Die graue Eminenz des Dr. Krutge hingegen bewegte sich mehr und mehr auf Glatteis. Zwar war er wohl eine im Hintergrund sehr treibende Kraft - und vor allem der Förderer Richters schlechthin. Aber wenn er weiterhin mit der Bindung der Zuschüsse "an die Person Richters" argumentierte, während doch nach den üblichen Regeln allein dieses ungewöhnliche Orchester im Mittelpunkt hätte stehen müssen: kann man ihm kaum folgen. Und das hat er dann wohl ziemlich bald eingesehen.46 Viel eher ist hier ein (vorsichtiges) Wort über den Baurat Simony angebracht, der als "Adlatus" des Siegener Oberstadtdirektors Seibt an fast allen Sitzungen teilnahm. Aber nicht über ihn persönlich, sondern über ihn als den profiliertesten Vertreter jener Siegener Kreise, die in Richters Bestrebungen (wie schon erwähnt) wohl einen alten Traum verwirklicht sehen wollten (ein eigenes Orchester und womöglich auch Theater zu haben, wie es z. B. Hagen, Solingen und Remscheid längst hatten) und ihn deshalb so enthusiastisch unterstützten.47 Michael Scheck: "die vorherrschende Subjektivität der Siegener 'high society' wirkte sich immer wieder zum Nachteil des Orchesters aus. Denn diese Leute hatten Gewicht und Stimme in den politischen Gremien, oder konnten sie zumindest beeinflussen."48 Vom Verwaltungsjuristen Kuhbier scheint (bei Gelegenheit aller genannten Gespräche) im übrigen die Feststellung zu stammen, daß die juristischen Gründe für eine "fristlose Entlassung" allemal ausgereicht hätten, man sei sich aber über eine "grundsätzliche Kündigung" zum 31. März 1959 und eine Gehaltsfortzahlung bis zu diesem Termin einig geworden. Ob die "Fehlleistungen" Richters tatsächlich für eine "fristlose Entlassung" ausgereicht hätten, mag dahin gestellt bleiben. Auffallend ist, wie schnell man nach dem rettenden Strohhalm bloß einer "fristlosen Beurlaubung" gegriffen hat. Aber das Kind war nun in den Brunnen gefallen, die Situation blieb völlig verfahren. Und so war die Bühne frei für den nächsten "Helden" in der Geschichte des Orchesters. Am 04. Februar 1959 springt der Dortmunder GMD Rolf Agop ein und leitet als Vertretung für Richter ein Sinfoniekonzert in Siegen (u. a. mit den "Weber-Metamorphosen" von Hindemith). Agops nun beginnenden Unterlagen49 zufolge war er am 22. Januar telefonisch gebeten worden, für das Konzert einzuspringen. Neu und überraschend für ihn kann das aber nicht gewesen sein, es gibt auch keinerlei Hinweise darauf, von wem er angerufen wurde - eher darauf, daß es sich um eine "Angelegenheit" handelte, die schon "von längerer Hand" vorbereitet worden war.50 War es also schon schwierig zu erklären, wie Richter eigentlich "auf der Bühne" in Hilchenbach erschien, ergibt sich bei Agop genau dasselbe. Auf jeden Fall: Agops "Einspringen" wird als die "Wende" angesehen. Und sie beginnt so "blumig", wie es eben die Ausdrucksweise des unvergessenen Rolf Agop gewesen ist: Er sei "händeringend vom Siegerland-Orchester darum gebeten worden." Die vom Autor vermutete und auch dunkel erinnerte Wahrheit aber lag wohl eher dort, daß Agop damals vor allem um ein Ziel bemüht war: noch "richtiger" Professor in

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Detmold zu werden. Hierfür mußte entweder sein Vertrag in Dortmund gegen alles Erwarten doch noch verlängert werden, oder es mußte sich eine Aufgabe wie dieses "Nachwuchs-Sinfonie-Orchester" ergeben, das in die richtige Richtung zielte.51 So war er denn vermutlich schon sehr früh informiert - und hatte seine Fühler schon zu einem viel früheren Zeitpunkt ausgestreckt. Zwar bestätigt er, "daß sich Richter Dinge erlaubt hätte, die ihm so nicht zustanden, vor allem in vertraglicher Hinsicht" - aber er spricht eben schon gleich nach dem Konzert auch davon, daß zwar Richter "unbedingt zurückgeholt werden" solle (´er sei ja im übrigen sein Schüler gewesen), ihm aber "ein erfahrener Künstler zumindest in den ersten kritischen Wochen quasi übergeordnet werden müsse."´

"... zunächst sind erst einmal völlig freie Tage bis Anfang März. Man fängt an, wieder in Ruhe zu üben - und bekommt eine erste Ahnung davon, in welch schöne Landschaft man da eigentlich verschlagen worden ist ..." "... derweil aber Drohungen der Richter-Seite, man würde gleichfalls kündigen, wenn Richter nicht zurückberufen würde ..." "... irgendwie kam man eben doch noch nicht zur Ruhe ..."

Am 05. Februar 1959, dem Tag nach dem Siegener Sinfoniekonzert unter Agop: außerordentliche Sitzung des Kulturausschusses des Kreistages, bei der alles gründlich zur Sprache kommt, und Kreisdirektor Kuhbier noch einmal die Entwicklung "bis zum heutigen Stande" vorträgt. In der "sehr lebhaften" Debatte wird deutlich, daß es keine Mehrheit dafür gibt, an der Person Richters als allein Verantwortlichem festzuhalten. Nur drei Ausschußmitglieder sprechen sich dafür aus, sieben dagegen, drei enthalten sich.52 Insofern wird begrüßt, daß nach dem gestrigen Konzert noch ein Gespräch mit Agop stattgefunden hätte, in dem er sich sehr positiv über das Orchester, aber auch über einzelne Mitglieder der "Neun" geäußert und dies auch sofort Herrn Dr. Krutge mitgeteilt habe. Auf die spontane Frage, ob er als "Oberaufsicht" für eine Weiterarbeit Richters zu Verfügung stehen würde, habe er seine Bereitschaft bekundet. Man spricht sich sofort für diese Lösung aus, zumal sie auch ein Einvernehmen mit Ministerium, Rundfunk und Landschaftsverband verspricht, fordert Seibt zu den nötigen Verhandlungen mit der Stadt Dortmund auf - und beschließt einstimmig.

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09. Februar. 1959: Richter fordert darauf hin brieflich die Aufarbeitung seiner finanziellen Dinge. Es sei Krankheit und privates Mißgeschick gewesen, daß ein Treffen mit Agop bisher noch nicht vereinbart werden konnte; Agop hätte ja aber gebeten, erst dann zu einer Aussprache und nach Hilchenbach zurück zu kommen, wenn er wieder gesund sei.53 Schon hier fordert er jedoch seine "Herrschaft" allzu deutlich zurück, er formuliert sarkastisch, daß er "offenbar nur unter Aufsicht" wieder vor das Orchester treten dürfe. Und redet zwar von einer Neuordnung und von einem "Schlußstrich", meint aber ganz offensichtlich: zu seinen Gunsten. Vor allem: gegen die "Neun". Das drang bis ins Orchester vor. Der Autor erinnert sich um diese Zeit an erste "Friedensgespräche", mit dem Inhalt, daß Richter aus seinen Fehlern offenbar nicht lernen wolle, ganz einfach, weil er es grundsätzlich nicht könne. Viel wichtiger aber, als dies alles: um diese Zeit gibt es auch eine etwas bedenkliche Sitzung des Finanzausschusses des Kreistages. 54 Dem Sinn nach wird festgestellt: die "Sanierung" des Orchesters erfordere inzwischen eine viel höhere Summe, als erwartet. Es sei also zu überlegen, ob das Orchester "in jedem Fall" gerettet werden solle. Ein "Nachwuchsorchester" sei auch nicht Aufgabe des Siegerlandes allein. Umgekehrt sei eine Reduzierung der Orchesterstärke und damit die Rückkehr zu den Verhältnissen der "Musikschule" ebenso wenig machbar. Das Einvernehmen mit Ministerium, WDR und Landschaftsverband sei daher unerläßlich. Dann kommt es, was man kaum in die Öffentlichkeit dringen ließ: eine finanzielle "Probezeit" von zwei Jahren sei das Äußerste, dem man zustimmen könnte.55 Die Trägerschaft jedoch bleibt optimistisch: inzwischen hatte Agop auch brieflich zugestimmt, lag die Zustimmung aus Dortmund vor - und hing jetzt alles davon ab, ob Richter mit einer "Oberaufsicht" Agops einverstanden war. Ein Neubau in Hilchenbach sei vorerst unnötig geworden; notfalls könne das Orchester in die Halle in Kaan-Marienborn ausweichen.56 Man entschließt sich jedoch (wohl angesichts der vielfältigen Gerüchte, Meinungen und Gegenmeinungen) künftig alles "streng vertraulich" zu behandeln. So gibt es am 12. Februar 1959 (laut Agop erst am 13. Februar 1959 und dann "ganztägig") bereits die notwendigen Besprechungen: zwischen Agop und dem Trägervorstand, dasselbe im Beisein Richters, dann zwischen Agop und dem Orchester, dasselbe im Beisein des Trägervorstandes.57 Die Ergebnisse sollen die Grundlage für ein ausführliches Gespräch zwischen Agop und Richter sein. Eingeschlossen ist schließlich auch eine "außerordentliche, nicht-öffentliche" Kreistags-Sitzung, deren Inhalt tatsächlich als "vertraulich" ausgegeben wird. Einziger Punkt der Tagesordnung: das Weiterbestehen des Orchesters. Agop ist anwesend, spricht sich gleich zu Beginn deutlich für den Erhalt des Orchesters aus, ist bereit (falls der Kreistag heute zustimme) die "Oberleitung" (im Klartext "die künstlerische Verantwortung, die Programmgestaltung und die Schlichtung von Streitigkeiten") zu übernehmen, dies (was immer er damit meinte) ohne "materielle Forderungen"; daraufhin sei auch das Orchester "einstimmig" bereit, Frieden zu machen und einen erneuten Versuch mit Peter Richter zu unternehmen.

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Landesrat Paasch, der gleichfalls zugegen ist, stellt dafür auch die Zustimmung des Landschaftsverbandes und des WDR in Aussicht. Moritz Weiss, der sich von der eigentlichen Geschäftsführung künftig mehr zurückziehen will, legt außerdem dar, daß so auch ein verwaltungsmäßiger Neuanfang des Orchesters möglich werde. Als Agop und die "Externen" dann den Saal verlassen haben, erwähnt Moning noch, daß er die "fristlose Entlassung" bereits zurückgenommen habe (womit also endlich der Status der bloßen Beurlaubung hergestellt war) und daß die noch fehlenden Teile (Kuratorium, Satzung usw.) einer künftigen Trägerschaft endlich in die Wege geleitet worden seien. Es liest sich wie die eigentliche, nachgeholte Orchestergründung. Und das ist sie irgendwie auch gewesen: nun hatte nicht nur die Realität die Trägerschaft eingeholt, sondern hatte erstmals auch die Trägerschaft Anschluß an die Realität gefunden - und bekannte sich zuversichtlich zur Existenz eines selbständigen Orchesters. Ohne Fortbestand der Orchesterschule. Ob dabei nochmals das Wort gefallen ist, daß man jetzt "den Frieden erzwingen müsse, sonst aber das Orchester auflösen", ist nicht genau auszumachen. Der Autor hält es heute für eine sofortige "Propaganda" der Richter-Seite.

"... darüber waren wir aber alle erschrocken - und skeptisch, ob Richter zustimmen würde bzw. wie das funktionieren sollte. Einzig seine tatsächliche Rückkehr unter Agops 'Oberaufsicht' war jetzt der 'springende Punkt' ..."

Für den 18. Februar 1959 war dann das entscheidende, direkte Gespräch zwischen Agop und Richter vereinbart; es gab sogar schon einen Entwurf für den vertragsmäßigen Teil. Richter aber erscheint nicht, es findet nicht statt.58 Die für den 28. Februar 1959 geplante "Wieder-Einführung" Richters wird also abgesagt. Richter wird außerdem verboten, bis zur Rückkehr Agops von einer Reise und einem daher erst für den 6. Mai(!) angesetzten neuen Gesprächstermin nach Hilchenbach zu kommen oder mit dem Orchester in irgendeiner Weise Kontakt aufzunehmen.59 Vor seiner Reise gibt es am 04. März 1959 noch ein vielgelobtes Sinfoniekonzert unter Agop in Iserlohn, mit der "großen C-Dur" von Schubert.

"... Agop bestätigt bei dieser Gelegenheit Corazolla als Vertreter im künstlerischen Bereich - und Scheck in seinen organisatorischen Aufgaben. Er läßt aber andererseits einen neuen Orchestervorstand wählen, in dem erneut nur die Richter-Seite vertreten ist ..." "... ein nicht immer zu verstehendes, aber wie sich zeigte: sehr geschicktes Taktieren, es wird zum Anfang der tatsächlichen Beruhigung ..."

13. März 1959: Richter (jetzt und dann weiterhin mit dem Absender des heimatlichen Elternhauses in Lübeck) widerspricht plötzlich und erklärt sich generell mit dem geplanten Ablauf der Dinge nicht einverstanden; er dreht auch den Spieß um: Agop sei voreingenommen, sei beeinflußt worden - und habe seine (Richters) terminliche Gegenvorschläge von vornherein nicht akzeptiert. Er "droht" sogar mit Konsequenzen, oder deutet sie zumindest an.60

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Am 15. März 1959 scheint er seiner Sache so sicher zu sein, daß er für seine Vorbereitungen die "April-Partituren" verlangt, und nun wieder von "Entscheidungs-Befugnissen" redet. 19. März 1959: sogar Seibt weist Richter jetzt in einem "eingeschriebenen" Vorstands-Brief scharf zurecht. Richter habe nach dem Treffen am 12. Februar akzeptiert, was auch die Grundlage für das Treffen mit Agop am 18. Februar sein sollte: einen wirklichen Schlußstrich, nach dem alles Vorherige nicht mehr zur Debatte stünde. Das Gespräch am 18. Februar, sei aber leider nicht zustande gekommen. Die Rückkehr von Agop müsse jetzt abgewartet werden. Richters Briefe vom 13. und 15. März seien so nicht hinnehmbar, würde er sie aufrecht erhalten, sähe der Vorstand keine Möglichkeit mehr, das Vertragsverhältnis neu zu begründen.

"... alle sind neugierig, ob Richter die ihm gestellten Bedingungen jetzt noch annimmt - vor allem aber besorgt darüber, ob seine Stelle (zusammen mit der eines Verwaltungsleiters) sonst wirklich neu ausgeschrieben wird (wie es mehr und mehr verlautet) oder ob es doch noch zur angedrohten Auflösung des Orchesters kommt ..."

Doch schon am 04. April 1959 treffen sich Agop und Richter überraschenderweise in Köln, Krutge/ WDR scheint diesen Termin möglich gemacht zu haben und moderiert ihn: man hatte sich also doch noch einigen können.61 Sah Agop plötzlich ein, daß auch er allzu unbeherrscht reagiert hatte? 11. April 1959: Jan Corazolla "muß" in einem Brief an den Vorstand monieren, daß sich die "Neun" zwar zum Bleiben bereit gefunden hätten, jedoch nur, wenn sich Richter grundsätzlich und positiv ändere. Dies habe er aber auch seit dem Gespräch mit Agop nicht getan, er habe das Übereinkommen nachweislich bereits gebrochen.62 Zwar wird Corazolla leider nicht konkret, doch sein "Kernpunkt" dabei ist neu: er verweist darauf, daß sich die Diskussion um Richter ausschließlich auf das "menschliche" verlagert habe, über das "künstlerische" sei noch gar nicht geredet worden. Dies aber sei das Entscheidende.63 Er hat das offenbar auch an Agop geschrieben und ihm seinen Brief an den Vorstand beigefügt. Agop antwortet am 20. April 1959 zunächst noch etwas zurückweisend: daß man Richter nun erst recht die Chance einer Rückkehr geben müsse, dann würde sich sofort und deutlich erweisen, ob er dies auch nutzen könne. Es ist aber deutlich zu spüren, daß er über die "künstlerische Seite" Richters bisher noch gar nicht viel aussagen kann - oder will.64 So ganz unrecht, wie man es damals glauben machen wollte, hatte Richter mit seinem "Taktieren" nicht: inzwischen redet Agop kaum noch davon, daß es schon deswegen eine "nur vorübergehende Unterordnung" sein würde, weil er, Agop, ja eigentlich gar keine Zeit hätte und auf das Wohlwollen seiner Obrigkeit in Dortmund angewiesen sei. In Wahrheit hatte er offenbar sehr viel Zeit, und so war wohl damals schon entschieden, daß die "künstlerische Oberleitung" auf Dauer und sogar unter einem neuen Dirigenten fortbestehen würde.

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21. April 1959: dem Vorstand wird die Nachricht zugespielt, daß Richter kein echtes Interesse an einer Rückkehr habe, wenn er nicht allein verantwortlich sein dürfe und sich Agop unterordnen müsse; dies würde er dann nur heucheln, es würde ihm dann "nur noch um's Geld gehen“. 65 Daraufhin muß der Vorstand (im Einvernehmen mit Agop) sehr schnell reagiert haben, obwohl kaum noch Unterlagen darüber vorhanden sind. Schon im Vorfeld oder erst bei Probenbeginn anläßlich eines Konzertes am 25. April 1959 in Niederdresselndorf erfährt das Orchester, daß nicht Richter, der es als erstes Konzert nach seiner Rückkehr leiten sollte, dirigieren würde, sondern Agop, und daß Richter nicht mehr zurückkehrt. Am 29. April 1959 kann Oberstadtdirektor Seibt auch Krutge/ WDR davon überzeugen, daß Richter seine Äußerungen tatsächlich so getan hätte - und zwar in einem Telefonat mit Bremer vor dessen Einstellungsgespräch.66 Die Entscheidung brachte also ein telefonisches Gespräch zwischen Arne Bremer, dem designierten neuen Verwaltungsleiter des Orchesters, und Peter Richter, das auch stattgefunden haben muß, weil selbst Richter es später immer wieder erwähnt hat. Leider wird nur nicht ganz klar, von wem es ausging. Der Autor meint allerdings, daß dieser heikelste Punkt der Entwicklung lieber offen bleiben sollte. Bremer solle es den Siegenern ausdrücklich so mitteilen: wird Richter wohl seinen (vermutlich sehr ungeschickten) Sätzen am Telefon hinzugefügt haben, und Bremer hat es dann offensichtlich auch getan. Erst viel später (der Autor hat es erst unter dem Datum 28. Januar 1960 gefunden) wird Richter behaupten, daß er es so nur sinngemäß gesagt habe (etwa: helfen Sie mir, daß ich wenigstens etwas künstlerische Entscheidungsfreiheit behalte, damit ich nicht nur des Geldes wegen zurückkommen muß) und wird hinzufügen, daß es dafür Zeugen gäbe. Das ist, samt den unbenannten Zeugen, vom ganzen Vorgang her nicht glaubhaft, die offizielle Version scheint zu stimmen. Erstaunlich ist also nur, daß Bremer diese unüberlegten Äußerungen überhaupt weitergegeben hat: ausgerechnet Bremer, der doch (seiner Art gemäß und gemäß seiner Auffassung von seiner künftigen Arbeit) von vornherein "um Ausgleich" bemüht war. Daher ist zu fragen: bleibt das (aber auch nur das) also übrig von der legendären, bis heute immer wieder erwähnten "Intrige", über die Richter schließlich "gestolpert" sei: daß man Bremer überredet hat, sein Telefonat mit Richter so "ungeschminkt" weiterzugeben?67 Das Spiel war aus - und Richter muß es sehr schnell erfahren haben. Ob es als Reaktion darauf wirklich zu dem kam, was Richter in einem Brief an den Autor später "eine Verzweiflungstat meinerseits" nannte, "die dann im Krankenhaus und monatelangem Genesenmüssen endete", soll hier nicht näher untersucht werden. Zwar hat der Autor darüber einige Unterlagen gefunden. Aber was bleibt, wäre dann nur Mitleid.68

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Zwischenzeit: bis zur Wahl von Thomas Ungar

Hier zunächst noch eine Anmerkung über Jan Corazolla. Als "stellvertretenden Dirigenten" hatte ihn Peter Richter schon bald nicht mehr anerkannt - wie dann auch Thomas Ungar nicht und (ab 1962 als Chef) auch nicht Rolf Agop. Er wurde später in Köln zunächst "Organisator" des "Rheinischen Kammerorchesters", erst dann dessen Dirigent. Leider starb er viel zu früh. Als "Chef" in Hilchenbach, was er wohl gern geworden wäre, war er nicht denkbar. Aber man mag ihn sehen, wie man will: als "Chef-Ideologe" hat er sich um das Orchester verdient gemacht, wie kaum ein anderer.69 04. Mai 1959 und damit zurück zu jenem folgenreichen Telefongespräch: erst jetzt wehrt sich Agop auf einer Sitzung mit dem Vorstand und den hinzugezogenen Fachleuten gegen eine Rückkehr Richters. Man beschließt, das Vertragsverhältnis nicht neu zu begründen, sondern einen neuen Dirigenten zu suchen.70 Agop lehnt auch für die Zwischenzeit eine weitere Chance für Richter "um des lieben Friedens willen" ab. Richters Vertrag wird daher (allerdings unter Wahrung der Bezüge bis einschließlich September) endgültig aufgelöst. "Richters Vertrag": immer wieder (wie bei allen Orchestermitgliedern) muß man fragen, ob er überhaupt rechtsgültig vorhanden war. Agop spricht außerdem mehrfach von "großer Sorge um die gesundheitliche Zukunft" Richters. Davon, daß Richter in Detmold eine Weile sein Schüler gewesen sei (offenbar hatte Agop zumindest in der Zeit, als er Chef in Herford war, in Detmold einen Lehrauftrag) spricht er jetzt kaum noch. 14. Mai 1959: Auch der erweiterte Vorstand, das Kuratorium, stellt sich hinter diesen Beschluß. Es sei nicht möglich, daß Richter in dieser Zwischenzeit in irgendeiner Form noch Konzerte des Orchesters dirigiere. Er solle bis zum 25. Mai mitteilen, ob er einverstanden sei, sonst müsse man sich auf den Rechtsstandpunkt stellen. Auch Dr. Krutge schien dem inzwischen zugestimmt zu haben, mit der Regierungsrätin Dr. Schmücker hatte Agop ohnehin ein internes Einvernehmen hergestellt. 14. Mai 1959: Richter wird dies alles brieflich mitgeteilt. Zwar hält sein Vater diesen Brief zunächst noch zurück - oder leitet ihn erst verspätet an seinen Sohn weiter. So stimmt Richter (angeblich noch in der Klinik und inzwischen "gezwungen" zur Unterschrift) erst am 22. Mai 1959 schriftlich zu. Richter behauptet bis heute sinngemäß, daß das noch offenstehende, weil bis September weitergewährte Gehalt (das er dringend benötigt hätte) ohne diese Unterschrift sonst nicht ausgezahlt worden wäre; die Frist für ein arbeitsgerichtliches Verfahren "war ja inzwischen wohlweislich abgelaufen".71 Seine Vorwürfe jedenfalls , daß alles "unkorrekt" zugegangen sei, dauern bis heute an, sie standen auch noch bei den Treffen der "Ehemaligen" ab 1999 im Mittelpunkt. "Unkorrektheiten" jedoch lassen sich aus den Unterlagen so nicht herauslesen. Ein weiteres Attest der Klinik hätte auf jeden Fall Aufschub bedeutet. Und so ist es bei vielem, was er und seine Freunde noch immer behaupten.72

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Geben wir ihm aber wenigstens die Gelegenheit zu einem Schlußwort: "daß das Ganze eine zutiefst menschliche Tragödie war und ist, will wohl niemand wahrhaben." In der Sitzung vom 5. Mai war auch der Einstellung von Arne Bremer als neuer (erster richtiger, erster vollbezahlter) Verwaltungsleiter (amtlich sogar "Verwaltungsdirektor") endgültig zugestimmt worden. Zwar klaffen im Etat weiterhin große Lücken, das Orchester soll aber nun doch in voller Stärke erhalten bleiben - und die Dirigentenstelle (endlich ist es amtlich) neu ausgeschrieben werden.

"... Agop bleibt völlig Herr der Situation; er ist der hochverehrte Meister, der umwerfend gut probiert und in jeder Situation die Belange des Orchesters vertritt ..."

So vor allem am 20. Mai 1959 in Darmstadt, wo das Orchester erstmals zu den "Tagen für Neue Musik und Musikerziehung" eingeladen worden ist. In der Folgezeit ist jedoch noch immer nicht viel Dienst: viele Konzerte (und damit Einnahmen) waren infolge der "Richter-Krise" nicht zustande gekommen, nur einige Chorleiter hatten notgedrungen abgewartet. Auch jene Neuverpflichtung nach Neuenahr, die eine Weile die Gemüter erregte, kam nicht zustande - doch kam nun umgekehrt der noch immer hochgeschätzte Kurkapellmeister Wantzen wenigstens für einige "Wiener Abende" nach Hilchenbach und ins Siegerland.

"... wir knüpfen also wieder dort an, wo wir waren, als wir von Neuenahr aufbrachen, und versuchen, zu vergessen ..."

Am 08. Juli 1959 schließlich kommt es zum (wegen seiner hochsommerlichen Hitze unvergeßlichen) Sinfoniekonzert unter Christoph Stepp auf der Bundesgartenschau in Dortmund, der damit den Reigen der Probedirigate eröffnet. Der Abschluß vor der Sommerpause ist ein Serenaden-Konzert unter Dr. Krutge (höchstpersönlich!) am 17. Juli 1959 im Hof des Oberen Schlosses in Siegen - dazu eine anschließende Einladung des Vereinsvorstandes an das Orchester. Das Ende der Orchesterschule ist zwar offiziell, aber das Orchester bleibt bestehen und bekommt eine nunmehr erweiterte finanzielle Trägerschaft. "Verwaltungsdirektor" Bremer nimmt seinen Dienst auf. So stellt es auch Dr. Krutge dar, der (obwohl er doch eigentlich die Rückkehr Richters zur Bedingung des WDR gemacht hatte) weiterhin regelmäßige "Sendekonzerte" des Orchesters verspricht. Und auch andere steigen mit ins Boot, vor allem die Rektoren (bzw. ihre Vertreter) der Hochschulen in Detmold, Köln und Freiburg. Sie bilden ein "Kuratorium", das an der Dirigentenentscheidung beteiligt werden und den "richtigen" Weg in die Zukunft formulieren soll. Viele, sehr viele "Texte" über dieses "Experiment" eines idealistisch gesinnten "Nachwuchsorchesters" sind auch damals wieder entstanden - bis hin sogar zu einer ersten, höchst spektakulären "Bildfolge mit Text" in der "HörZu".73 Liest man das heute, so erschrickt man immer wieder vor so viel (mit Verlaub gesagt) Klugscheißerei. Nicht nur, weil die eigentlichen Belange der Siegener bzw. Hilchenbacher (und ihr geschilderter, fortdauernder Konflikt untereinander) dabei bloß übertüncht wurden, der Konflikt brach dann unter Thomas Ungar gleich wieder auf.

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Sondern es scheint erneut wichtiger gewesen zu sein, daß etwas geschrieben wurde, nicht was. So, wie es bei allen Orchestern überall in solchen Fällen der Fall ist. Merke: solche Texte verlieren sehr schnell an Aussagekraft. Sie sind heute fast unverständlich. Wirklich aussagekräftig auf Dauer bleiben eigentlich nur ein paar Fotos, einige Gesten, einige Gesichter hier und da, hingeworfene Notizen, einige Momente in irgendwelchen Konzerten. So kommt es dem Autor vor. Irgendwann in dieser Zeit war dann die "Musikschule" tatsächlich und endgültig "abgewickelt" worden; konnten die allerletzten Schüler noch "weitergereicht" oder sogar beim Orchester "aufgefangen" werden.

"... die Baracken im "Langen Feld" stehen nun wieder leer, werden nur noch teilweise als billiges Wohnquartier einiger unentwegter Orchestermitglieder benutzt ..."74 "... doch es hält sich natürlich das unausrottbare Mißverständnis der alteingesessenen Hilchenbacher, wir wären noch immer die 'Jongs von de Moseckschool' ..."

Das Orchesterbüro zieht in das winzige (heute längst verschwundene) Haus in der Rotenberger Straße (in der Nähe des Probenlokals "Müller") um.

"... Agop erreicht in dieser Zeit auch den endgültigen Frieden im Orchester. Zwar bleibt bestehen, daß Scheck, Corazolla und Märkl eine Art Beirat für ihn bilden (was später zur nächsten, zur 'Ungar-Krise' beiträgt), aber die vor allem von Scheck durchgesetzte Wahl Bremers ist eigentlich schon die letzte Aktion der 'Clique' ..."

Umgekehrt stecken nun auch die Eiferer "pro Richter" zurück, so daß sich eine gemäßigte Haltung in der Mitte durchsetzt. Christoph Stepp (der jedoch zu hohe Forderungen stellt, die man ihm erst später in Ludwigshafen erfüllen wird), der ältliche GMD Georg C. Winkler (ehemals Kiel und Sondershausen) und Frithjof Haas (damals schon in Karlsruhe, aber erst als "Kapellmeister") waren die namhaftesten unter den immerhin 34 Bewerbern, die Agop Ende Juni auflisten konnte.75 Die interessantesten hatten sich dann bis zur Sommerpause schon ein erstes Mal vorgestellt. Nur der eigentliche Favorit Agops, Günther Weissenborn aus Göttingen, hielt sich noch bedeckt - und die späteren Favoriten des Orchesters (Thomas Ungar, damals noch im Umfeld der "Philharmonia Hungarica" tätig, sowie Thomas Baldner, dessen Weg sich nicht mehr nachvollziehen läßt) hatten noch nicht entschieden, ob sie sich auch wirklich bewerben wollten. Hinzu kamen im übrigen schon damals Außenseiter, die das

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Orchester mehr als "Tournee-Orchester" verpflichten wollten - und die damit für eine Weile auch Gehör fanden, die Wahl eines ständigen Chefs hinausschoben. Inzwischen war es der "Jahrhundert-Sommer" 1959 geworden; nie wieder hat der Autor so schöne - und endlich wieder "entspannte" - Wochen in Hilchenbach erlebt, wie sie nun ins Land zogen. Doch gegen Ende der Sommerpause meldet sich auch Richter noch einmal zu Wort: mit einem "Leserbrief", der fast ganzseitig in der Wochenend-Ausgabe der "Westfalenpost" vom 22. August 1959 erscheint.76

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Eine kurze Entgegnung des Trägers in der folgenden Wochenend-Ausgabe vom 29. August 1959 stellt jedoch nur Richters damalige Äußerung (er käme "bloß um des Geldes wegen" zurück) in den Mittelpunkt.77 Der Kreistag beschäftigt sich dann aber noch ausführlich mit dem "Leserbrief", da dessen Wirkung "außerordentlich" gewesen sei; dies allerdings nicht in der Richtung, die Richter erwartet habe, sondern mehr in Richtung einer allgemeinen "Verwirrung". Die "außerordentliche" Wirkung des Leserbriefes kam vor allem deswegen zustande, weil er jetzt tatsächlich noch erschien: nachdem jedermann wußte, daß er längst angekündigt war - und im Vorfeld (wie schon erwähnt) von sehr vielen Briefen Richters und seiner Freunde an alle möglichen Leute begleitet wurde. Auf fast 100.000 DM Schulden sei im übrigen zu beziffern, was Richter durch die eigenmächtige Ausweitung auf 59 Mitglieder plus Dirigent plus Verwaltungsleiter, also auf 61 "Kräfte" angerichtet habe; es sei zu befürchten, daß die Summe durch die "dirigentenlose Zeit" auf 120.000 anwachsen werde.78 Doch schon in der nichtöffentlichen Sitzung am 17. September 1959 gibt der Kreistag wieder Entwarnung: die finanzielle Situation könne (dank des WDR) bis Ende des Jahres doch noch ausgeglichen, unter das "Thema Richter" daher endgültig ein Schlußstrich gezogen werden. Der Ruf des Orchesters habe nicht gelitten; seine Unterbringung hätte allerdings dahingehend geregelt werden müssen, daß bis auf weiteres noch im "Saal Müller" geprobt würde, weil noch keine Einigkeit über den künftigen Standort gefunden sei. Vorerst sei die billigste Lösung die wahrscheinlichste, nämlich die gründlich renovierten und umgestalteten Baracken "Im langen Feld" von der Stadt Hilchenbach anzumieten. Da der vom Land geforderte Neubau so schnell nicht möglich gewesen sei, sei es auch richtig gewesen, die Orchesterschule aufzulösen. Dies sei nun abgeschlossen. Landrat Büttner stellt nochmals klar, daß Agop zur festen Auffassung gelangt sei, daß Richter nicht mehr vor das Orchester treten dürfe, also habe man sich endgültig von Richter getrennt; nach seinem Leserbrief sei man zwar der Meinung gewesen, "scharf" und ausführlich antworten zu müssen, es sei aber nur zu einer kurzen Richtigstellung gekommen: in der Absicht, erst im Wiederholungsfall Klarheit zu schaffen.

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Doch dazu kommt es nicht. So erhält Richter mit Datum des 15. Oktober 1959 auch noch ein (erstaunlich positiv formuliertes) Zeugnis, mit dem Hinweis auf eine "Trennung im gegenseitigen Einvernehmen".79 Er gibt sich aber noch immer nicht zufrieden und geschlagen: Noch im Januar 1960 fordert er vehement sein "Abschiedskonzert", und auch eine Würdigung seiner "höchst persönlichen Verdienste um die Idee eines Nachwuchs-Sinfonieorchesters". Und um dieses "Abschiedskonzert" und damit um die Möglichkeit, den Fuß in der Tür zu behalten, ging es wohl. Für den Autor bei der Wiederentdeckung zunächst ein Buch mit sieben Siegeln, kann er inzwischen Richters "Leserbrief", angesichts von so viel Hintergrundmaterial, einen gewissen Respekt nicht versagen: Die Polemik hält sich in Grenzen, der Stil ist viel weniger chaotisch, als alles, was es von Richter sonst gibt; offenbar hatte er endlich gute Ratgeber gefunden. Der Zeitpunkt des Erscheinens war sogar gut gewählt: Die Dirigenten-Neuwahl war ins Stocken gekommen und sollte erst im Herbst entschieden werden. Vielleicht wäre also mittels seiner "Haupt-Forderung", ihm ein Abschiedskonzert zu gewähren, noch etwas zu machen gewesen. Doch es tritt nur die Situation ein, wie sie sich später, nach dem plötzlichen Weggang Thomas Ungars im Herbst 1961, sogar noch einmal wiederholt. Aus diesem Herbst 1961 ist (in den Unterlagen des Autors, damals Orchestervorstand) ein Brief erhalten, der es auf den Punkt bringt: es sei unmöglich, an ein Abschiedskonzert zu denken, so lange Richter noch um eine neue Anstellung bemüht sei und das Orchester noch um die Suche nach einem neuen Chef. Das war auch schon in diesem Herbst 1959 nicht nur die offizielle Meinung, sondern auch die der Mehrheit des Orchesters. Es hatte (früher als erwartet) den ersten großen Wechsel unter den Mitgliedern gegeben. Und die, die blieben, wollten jetzt nur noch eins: endlich vergessen, was so lange Unruhe gestiftet hatte. Und so ist es denn zu Richters "Abschiedskonzert" überhaupt erst nach der Wahl Agops zum neuen Chef 1962 gekommen.80 Wegen einer wieder wachsenden Zahl von Verpflichtungen des Orchesters (meist jedoch zu Chorkonzerten) wird dann zunächst der 25. Oktober, später erst der 25. November als Entscheidungstermin für die Neuwahl festgelegt. Inzwischen war im September noch die Bewerbung von Thomas Ungar erfolgt, der auf jeden Fall bereits für das dem Wahltermin unmittelbar folgende Sinfoniekonzert in Weidenau verpflichtet wird, und auch noch die Bewerbung von Thomas Baldner, der am 05. Oktober 1959 das Orchester sogar für ein Sinfoniekonzert im "Gürzenich" zur Verfügung hat, das der WDR aufnimmt. Es ist jenes, das in der "HörZu" angekündigt wurde - und Baldner war also anstelle von Richter zum Favoriten Dr. Krutges avanciert. Aber auch das Orchester war voll von ihm überzeugt.

"... doch der Vereinsvorstand nimmt ihn, zur allgemeinen Enttäuschung, nicht in die engere Wahl ..."81

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So bleiben als Kandidaten für die "Durchgänge" am 24. und 25. November 1959 in Stift Keppel nur noch die von Agop und dem Vereinsvorstand favorisierten Älteren (Weissenborn und Winkler) übrig, dazu Haas und Ungar, und wird Ungar "... bei dem jetzt alle denkbaren Chancen seitens des Orchesters lagen, er machte den neuesten und unbelastetsten Eindruck ..." dann schließlich gewählt - darf sich also am 26. November 1959 in Weidenau (mit der "Jupitersinfonie" und der "großen C-Dur" von Schubert) auch gleich als neuer Chef vorstellen.

"... er heißt nicht nur Ungar, sondern er ist auch einer: war das wichtigste, was wir über ihn herausfanden ..."

Ein sehr charmanter und gut aussehender junger Mann: fand vor allem die Damenwelt - wie bald zu spüren war. Er war offenbar Arztsohn aus Budapest, hatte dann nach dem Ungarn-Aufstand 1956 beim legendären Swarowsky in Wien studiert - aber enge Bindung an seine Landsleute in der "Philharmonia Hungarica" gehalten - und so auch Kontakt nach Hilchenbach bekommen.82 Seine "Ära" wurde dann viel kürzer, als erwartet. Und erstaunlicherweise kürzer, als sie in Erinnerung blieb: aber das lag wohl daran, daß er "dirigistisch" sehr viel besser war, als sein Vorgänger. Und, wenn er es nur wollte, sogar "offenherziger" und "gewinnender", als sein direkter Gegenspieler und Nachfolger Rolf Agop. Was viel heißen will. Daß es unter ihm (im Ganzen gesehen) trotzdem kaum besser lief, als vorher, stand zwar schon bald wieder "im Buch der Orchesterentwicklung" geschrieben - war aber auch (er wird diese Kritik verzeihen) in seiner nicht eben leicht zu schildernden, häufig sehr widersprüchlichen Persönlichkeit begründet. Der Autor kann nur versuchen, es im folgenden zu schildern. Zwei Konzerte müssen vorher noch getrennt erwähnt werden, weil sie zeigten, wie sehr das Orchester "die große Krise" überwunden hatte, wieder voll belastbar war - und in die Dirigentenwahl mit großem Selbstbewußtsein hineinging: 20. September 1959: Sinfoniekonzert unter Agop in Lüdenscheid, mit Haydns "Uhr" und Mozarts "Jupiter", Orchestermitglieder spielen die "Konzertante B-Dur" von Haydn. Am 18. November 1959 ein wichtiges Chorkonzert unter Philipp Röhl in Köln: neben dem "Psalmus Hungaricus" von Kodaly kommt eine Kantate von Rudolf Petzold zur Uraufführung, die lange Proben benötigt hatte. Philipp Röhl und seine "Philharmonischer Chor Köln": Auch das wird dann noch eine lange Geschichte haben.

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Die Ära Thomas Ungar

06. Januar 1960: der eigentliche Dienstbeginn Thomas Ungars. Und damit wieder ein "Neuanfang" des Orchesters. Der Unterschied zu 1957 bzw. 1958 bestand allerdings darin, daß diesmal alle Karten offen auf dem Tisch lagen, es keine "Heimlichkeiten" gab. Damit aber auch alle (vor allem finanzielle) Zwänge und Notwendigkeiten offen auf dem Tisch lagen, denen das Orchester nun erst recht unterworfen blieb. Daß sie keineswegs so schnell in den Griff zu bekommen waren, hat dann zur unerwarteten Kürze der "Ära Ungar" geführt - die trotzdem von Vielen als "die große Zeit in der frühen Geschichte des Orchesters" empfunden wurde - und so auch vom Autor erinnert wird. 04. Februar 1960: erstes großes Sinfoniekonzert Ungars in Siegen, mit der 3. Brahms, Edith Peinemann spielt das seltene Violinkonzert von Pfitzner. 11. Februar 1960: Sinfoniekonzert unter Agop in Siegen, mit Piere Fournier als Solist im Dvorak-Cello-Konzert.

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05. März 1960: vielbeachtetes Sinfoniekonzert Ungars in Herborn, diesmal mit der 2. Brahms. 09. März 1960: wieder Ungar in Siegen, u. a. mit dem "Feuervogel". 05. April 1960: Sinfoniekonzert unter Agop in Iserlohn, diesmal er mit der zweiten Brahms, dazu mit der Uraufführung einer "Sinfonie" des Freiburger Professors Artur Hartmann; das Konzert wird vom WDR aufgenommen. Ungar und Agop also im steten Wechsel - und manchmal sogar mit den selben Werken. Obwohl Agop nun wieder streng darauf achtet, daß seine Konzerte "Gastkonzerte" genannt werden. Aber Agops Konzert mit Fournier (das irgendwer auf Tonband nimmt, das lange kursiert) wird sofort als "das Konzert schlechthin in der bisherigen Geschichte des Orchesters" hochstilisiert. Kein guter Start für Ungar als neuem Chef, möchte man sagen.

"... dennoch: das war wohl die Zeit, in diesen ersten 4 Monaten 1960, in der sich entschied, was noch aus dem Siegerland-Orchester werden konnte. Es entschied sich alles Positive, das die Zeit in Hilchenbach für diejenigen, die damals dort gewesen sind, so unverwechselbar gemacht hat: Weil wir eine gefährlichen Lebensabschnitt an einem gefährlichen Ort so unbeschadet überstanden hatten, lohnte es sich auch, diesem Orchester (und seinem neuen Chef) alles zu geben, was man vermochte ..." "... wir waren dem Orchester verhaftet, weil eine so wichtige Zeit seiner Entwicklung auch unsere Entwicklung gewesen war, und es bekam nun für eine ganze Weile das Ansehen als der Ort einer besonders intensiven Gemeinschaft, als die Stätte eines ganz besonderen Musizierens ..."

Den Heutigen sei's ins Stammbuch geschrieben. Freilich folgt schon bald dies: "... aber leider ging damit Hand in Hand auch alles Negative, das uns schon bald so zu schaffen machte: die Chance, daß wir noch einmal davongekommen waren, wurde auch bereits in diesen 4 Monaten vertan. Die idealistische Gemeinsamkeit dieses Neuanfangs bekam viel zu bald wieder Sprünge - und erst jetzt die entscheidenden. Ungar geriet, genau wie vor ihm Richter, bereits in diesen Siegener Konzerten an die Grenzen, die ihm gegenüber einem so unerfahrenen Orchester nur gesetzt waren - und auch er verlor viel zu schnell die Geduld, das zu überwinden. Dies aber, indem er (anders als Richter) in Vorsicht und Unentschlossenheit verharrte, sich nie mehr ganz verausgabte, in eleganter Weise resignierte ..."

Und Agop (der in großzügiger Weise Zeugnisse schreibt, denn die Fluktuation im Orchester ist infolge der Richter-Krise noch immer groß) überläßt zwar Ungar sofort seinen Sitz in den Beratungen der Trägerschaft, läßt auch einen Vertreter der Hochschulprofessoren als weiteren "künstlerischen Oberleiter" hinzuwählen.83

"... aber er gab in seinem Siegener Konzert nur allzu schnell zu erkennen, daß er in Wahrheit das Orchester nie mehr aus seinen Händen geben, daß er keineswegs länger nur sein weiser Erzieher und Berater sein wollte - und fing bereits jetzt damit an, was später (als er nach Ungar alleiniger Chef wurde) einmal unser Verhängnis sein würde: das Orchester, wie in diesem fragwürdigen Iserlohner Funkkonzert, rücksichtslos zu überfordern, die Grenzen nicht mehr zu sehen, die uns gesetzt waren ..."

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Am 25. Januar 1960 ist man bei den Sitzungen der Trägerschaft immerhin noch allgemein überzeugt von der "Bescheidenheit" des neuen Dirigenten und seiner Pläne.84 Diese scheinen tatsächlich auf sehr viele "Arbeitswochen" im klassischen Bereich und auch auf "Gruppenarbeit" abgezielt zu haben; die Tragik Ungars entwickelt sich also auf der Basis, daß er selber zunächst nur wenig davon profitiert - und daß umgekehrt das Orchester zu wenig Zeit hat, um so zu arbeiten, weil es weiterhin zu viele Konzerte aus finanziellen Gründen spielen muß. Das hat Ungar wohl sehr schnell eingesehen - und auch deshalb viel zu früh resigniert. Allzu bald liest man auch dies, zu finden in einer undatierten Vorlage für eine Sitzung, vermutlich im Frühjahr 1960: Trotz aller zu erwartenden Einwände geht man weiterhin davon aus, daß das Orchester (aus finanziellen Gründen) im Sommer "Kurmusik" spielen müsse.85 Die ins Auge gefassten "internationalen" Konzerte würden voraussichtlich Defizite erbringen - wie umgekehrt die vom Landkreis geforderten, häufigeren "kleineren" Konzerte auch. Es ergäben sich im kommenden Sommer fünf Monate ohne größere Einnahmen, deshalb auch wieder Fehlbeträge von erneut 100.000 DM.

Die "Entwarnung" im Herbst war also voreilig gewesen. Die Forderung Ungars nach mehr Probenarbeit in kommenden Monaten (heißt es weiter) sei nicht stichhaltig, weil gerade da ein großer Wechsel im Orchester bevorstünde. Die DOV (die Orchester-Gewerkschaft) sähe sogar Probleme, ob das Orchester generell seine Existenz sichern könne: es gäbe zu wenig Nachwuchs. Tatsächlich dreht sich in dieser Zeit die Diskussion völlig um: war bisher von einer "Höchstdauer" die Rede, die man nur in einem "Nachwuchsorchester" bleiben dürfe, ist nun mehr und mehr von einer "Mindestdauer" die Rede, die gefordert wird, schon um den Betrieb aufrecht erhalten zu können.

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Im übrigen habe der Pächter der kommenden Siegerland-Halle bereits Verträge mit "namhaften" Orchestern abgeschlossen, die Sorge um die Zukunft des Orchesters sei also nach wie vor berechtigt.

"... Ungar war auch alles andere, als der geborene Diplomat, der er 'als Ungar' doch hätte sein müssen - und wie es gerade für diese Position nun endlich erwartet wurde ..." "... so groß war der Unterschied zu seinem Vorgänger also auch wieder nicht. Und das gab schon bald wieder (internen) 'Krach'. Zwar einen kurzen Krach nur, bis zum Sommer verlief sich das weitgehend, das Orchester hatte auch einfach keine Lust mehr, schon wieder zerstritten zu sein ..." "... wesentlich dazu beigetragen hatte im übrigen das "Kammerorchester" unseres Konzertmeisters Märkl, das um diese Zeit an den Start ging, als Orchester neben dem Orchester. Zwar galt es schon bald als ein 'besonderer Glanzpunkt' - aber auch wieder nicht: denn es blieb mit seiner Arbeit ziemlich unter sich, fand bei der Mehrheit des Orchesters kaum Zustimmung, dies vor allem, weil sich Ungar nicht präzise dazu äußerte“ 86 "... kam man also nicht vom Regen allzu bald wieder in die Traufe?"

Die Fluktuation (der ständige Wechsel der Orchestermitglieder in andere Orchester) hielt jedenfalls an: nach kürzerer "Verweildauer" und häufiger, als man es bei einem so "vorzüglichen Sprungbrett" eigentlich erwarten durfte. Und auch anders, als es eigentlich im "Aufgabenbereich" lag: man wechselte gar nicht so sehr in die "größeren" oder "künstlerisch bedeutenderen" Orchester, sondern vorwiegend in die "kleinen", "bedenklichen". Hauptsache, man kam irgendwie weg.

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Das lag natürlich am nach wie vor allzu geringen "Honorar", das nur gezahlt wurde - und auch nur gezahlt werden konnte: die Zahlen der Etat-Planung, die man in den Unterlagen aus dieser Zeit zu lesen bekommt, sind geradezu kläglich.87 Aber selbst dieser geringe Etat scheint nur nach einem ziemlich "festgefahrenen" System möglich gewesen zu sein, bei dem jeder der Geldgeber eifersüchtig darauf achtete, daß ihm nun auch die entsprechenden Rechte zustanden. Man sieht es am besten an der Frage des Orchester-Standortes: der "Kinosaal Müller" war nur ein Provisorium gewesen, das allmählich unerträglich wurde. Ein schneller Umzug nach Siegen, etwa in die jetzt fertige neue "Siegerland-Halle", kam jedoch nicht infrage, weil man nach wie vor den Einspruch der Hilchenbacher, des Landkreises und der Unternehmerschaft befürchtete. Der Umbau der Baracken im "Langen Feld" hingegen, den man als weiteres Provisorium (er wurde dann zum Dauerprovisorium) beschloß, sollte "gottseidank" zwei Jahre in Anspruch nehmen: Zeit genug also, um vielleicht doch noch neue oder andere Geldgeber zu finden - und die Gewichte entsprechend zu verschieben. Anders gesagt: Voraussetzung für jede "gedeihliche" Entwicklung wären gerade in dieser Zeit klare künstlerische Perspektiven und ein entsprechendes Konzept gewesen. Davon aber ist in den erhaltenen Unterlagen nichts (oder viel zu wenig) zu finden. Es war jetzt die Zeit, in der einige kleinere Orchester endlich Jahresverträge ausstellen konnten und dafür ihren angestammten sommerlichen Bäder-Dienst aufgaben. Es begann die Zeit des Niedergangs der "großen Kurorchester", die es dann schon bald nur noch in Baden-Baden und Reichenhall gab. Gießen jedenfalls suchte (noch vor der Dirigentenwahl) auch in Hilchenbach (zunächst übrigens nur "verschlüsselt") dringend nach einem Ersatz für Bad Nauheim: für den einen Monat August 1960, in dem das Gießener Orchester nun erstmals einheitlichen Sommerurlaub bekommen sollte. Nach einigem Bedenken (und trotz Ungars Empörung, als er damit konfrontiert wurde) scheinen sich Agop und Bremer durchgesetzt zu haben, die das Einspielergebnis für wichtiger hielten - und also zusagten. "Nauheim" (nur mit der Hälfte der Mitglieder besetzt: mit den "Freiwilligen", die sich dafür meldeten) wurde so noch einmal zu einer künstlerisch höchst bedenklichen Episode.88 Nochmals: notwendig wären klare Konzepte - und auch ein wenig Einsicht gewesen. Das Problem war ja weniger der ständige Wechsel, sondern es begann nun auch im "Siegerland-Orchester" jene Zeit, die man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann, die aber in den folgenden Jahren zum Problem für alle kleineren Orchester wurde: es meldeten sich zu wenig neue Interessenten, man fing an, nach jedem nur halbswegs flüggen "Ostblock-Kandidaten" Ausschau zu halten, der eine Geige halten konnte. Es gab an den deutschen Hochschulen viel zu wenig Nachwuchs, vor allem im Streicher-Bereich. Warum hat der zuständige "Beirat" der Hochschul-Professoren das nicht gesehen, auf die Warnungen der "DOV" nicht geachtet, nicht von sich aus die nötigen "Ratschläge" beigesteuert? Fragen über Fragen, die man sich auch heute noch stellen muß.

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Am 09. Mai 1960 Abfahrt 06.00 Uhr morgens vor dem Hotel Müller, mit den beiden üblichen Bussen nach Paris. Dort am 10. Mai 1960: von 21.00 bis fast 24.00 Uhr Sinfoniekonzert unter Ungar im Palais de Chaillot, mit der "Nacht auf dem kahlen Berg", dann dem 2. Rachmaninoff- und dem 1. Tschaikowsky-Klavierkonzert (samt einem jungen, damals noch namenlos französischen Pianisten89) und schließlich auch noch der 5. Tschaikowsky-Sinfonie; am 11. Mai 1960 (spätabends und völlig übermüdet) die Schallplatten-Aufnahme des Tschaikowsky-Konzertes, am 12. Mai 1960: "endlich" die Rückfahrt. Das Orchester spielt unter dem Fantasie-Namen "Orchestre Philharmonique de Cologne", da "Siegerland-Orchester" nicht opportun erschien. Der Anlaß aber war wohl ein Nachfahre jener (oben erwähnten) "Bewerber", die im Orchester ein günstiges "Miet-Objekt" gesehen hatten - so offenbar der junge französische Pianist aus Gründen seiner "promotion".90 21. Mai 1960: Pfitzners "Deutsche Seele" unter Chorleiter Meyer-Giesow in Witten. ("... zwischendurch also immer wieder Konzerte, die viel Arbeit erfordern, dann aber regelrecht "heruntergeschludert" werden ...") Danach das Orchester wieder zu den Tagen für "Neue Musik und Musikerziehung" in Darmstadt: 06. Juni 1960: "Eröffnungskonzert" unter Agop, mit Henzes "Nachtstücken", Wolfgang Marschner spielt das Violinkonzert von Alban Berg 08. Juni 1960: "Symphonisches Konzert" unter Ungar, u. a. mit dem "Feuervogel" 11. Juni 1960: "Sinfonie-Konzert", geleitet von den Teilnehmern eines vorangegangenen Dirigierkurses, u. a. mit der 2. Brahms und den "Weber-Metamorphosen" von Hindemith 12. Juni 1960: Rückfahrt und bereits Beginn des Sommer-Urlaubs.91 Nach dem Sommer-Urlaub am 31. Juli 1960 die Abreise nach Bad Nauheim, am 01. September 1960 die Rückkehr von dort.92

"... wir spielen (mit nur einem Teil des Orchesters) zweimal nacheinander ein auf 14 Tage angelegtes Kurmusik-Programm unter dem dortigen (sehr schlechten) Dirigenten, zusätzlich einen (mäßigen) sinfonischen Abend ..."

Aus dem ursprünglich beabsichtigten "großen Sinfoniekonzert" des ganzen Orchesters wird nichts, wohl weil sich diejenigen, die sich "gedrückt" hatten (zu hause oder sogar im Urlaub geblieben waren) probenmäßig nicht integrieren ließen.

"... das führte prompt zu neuen, erheblichen Kontroversen... und es ging also zunächst nicht besser mit Ungar, eher genau so ungeschickt weiter, wie unter Richter ..." "... bloß sah man nun allmählich ein, wie wenig der Vereinsvorstand (sic!) seinen Aufgaben als 'Träger' eben doch nur gewachsen war. Außerdem sagte Ungar immer wieder, und wir glaubten es ihm zunächst gerne: 'wartet ab, wie es in meiner ersten eigenen Saison vom Herbst an sein wird' ..." "... und so war das Orchester gut zu verstehen, daß es die vorangegangenen Frühjahrs-Monate richtig genossen hatte: das war doch nun endlich mal was, Paris! oder diese ganze Woche bei solch zauberhaft schönem Wetter in Darmstadt. Da fühlten wir uns endlich einmal in allen unseren Wunschträumen bestätigt ..."

Aus der Zeit "Nauheim" ist mit Datum des 15. August 1960 ein ungewöhnlich scharfer Brief Ungars an Bremer erhalten, in dem er sich, ausgehend von einer Beschwerde, die

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er (jetzt endlich) in Sachen Nauheim an den Vereinsvorstand zu Händen des "Büro Weiss" gerichtet hatte, über viel zu viele "Nebenkonzerte" unter zu schlechten Chor- und Gast-Dirigenten beklagt, die Bremer annehmen würde; also auch über zu schlechte Arbeitsmöglichkeiten, die ihm selbst nur blieben. Er habe so "keine künstlerischen Perspektiven" mehr und verlange Korrekturen noch für die kommende Saison.93 Er verspricht am Schluß sogar "konkrete Vorstellungen", die er "umgehend" formulieren wolle. Bremer antwortet am 21. September natürlich mit dem Hinweis auf die Einspielergebnisse, die er vorweisen müsse; man könne nur hoffen, das es bald die erwarteten Zuschüsse gäbe, die eine Reduzierung (etwa der Chorkonzerte) möglich machen könnten. Aber Bremer muß auch die "konkreten Vorstellungen" anmahnen, die Ungar noch immer nicht gemacht hat - und dann auch weiter schuldig bleibt. Es wurde damals viel geredet und "formuliert", aber es passierte wenig. "Passieren" tat nach Erinnerung des Autors eigentlich nur, daß nun eine Periode begann, in der ein enger Schulterschluß zur DOV (der "Deutschen Orchestervereinigung") gesucht wurde, von der alle glaubten, daß sie am ehesten helfen könnte. Über diese "Periode" muß ausführlich berichtet werden: Die DOV saß damals noch im nahen Düsseldorf und wurde damals noch vom legendären Hermann Voß regiert.94 Es ging im wesentlichen um folgendes: es sollten nun endlich, nach so langer Anlaufzeit und nach vielfältigen Diskussionen, "Verträge" ausgegeben werden, die ersten einigermaßen "professionellen" überhaupt. Das Orchester bat aber selbst um Verschiebung: mit der Frage, ob der immer wieder neu formulierte Text wirklich schon so vollständig und gründlich eine Stabilisierung der Verhältnisse im Siegerland-Orchester garantieren könnte, wie man es erwarten müsse, und ob überhaupt eine Vertragsunterzeichnung zu diesem Zeitpunkt, nämlich noch vor der erhofften finanziellen Stabilisierung, überhaupt sinnvoll sei. Über das wohl wichtigste Gespräch, das Anfang November 1960 gewesen sein muß und zu dem Ungar, Bremer und der Autor (in seiner damaligen Funktion als Gewerkschafts-Delegierter des Orchesters) bei unglaublich schlechtem Wetter in Bremers Auto nach Düsseldorf fuhren, gibt es leider kein Protokoll und auch keine direkten Aufzeichnungen des Autors. Der Autor erinnert sich, daß zuerst Ungar und Bremer vorgelassen wurden - und ihre Vorstellungen über einen neu zu formulierenden Aufgabenbereich des Orchesters (samt den dazu nötigen Zuschüssen und vertraglichen Abmachungen) vorgebracht haben, auf die hin Voß sogar noch nach dem "Prinzip Hoffnung" reagiert haben soll. Es waren übrigens noch keinesfalls die Vorstellungen, wie sie dann später, von 1964 an, nach und nach umgesetzt wurden: als man auf das "Nachwuchs-Orchester" verzichtete, das Orchester dafür als "Landesorchester" mit dem entsprechenden Aufgabenbereich und den entsprechenden TVK-Verträgen aufwertete. Sondern es waren noch Vorstellungen, die auch weiterhin von einem reinen "Nachwuchs-Orchester" ausgingen, das aber nun vertraglich und finanziell wenigstens "angeglichen" werden sollte. Umso mehr erstaunte, daß Voß im (kurzen) zweiten Teil des Gesprächs, in dem der Autor nun allein diese Vorstellungen erläutern wollte, regelrecht "abkanzelte", ihm

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beinahe brutal ins Wort fiel - und ihm beizubringen versuchte, daß die Mitglieder des "Siegerland-Orchesters" aus seiner Sicht "Volontäre" wären, die man vertraglich und finanziell kurz halten müsse, die jedenfalls ihre Träume vom "TVK" und einer "Angleichung" begraben könnten. Basta.95 Das führte nicht nur zu einer heftigen und anhaltenden Kontroverse zwischen Ungar und dem Autor, sondern führte (wenn auch vielleicht nicht beabsichtigt) mitten hinein in die schon jetzt folgende "Krise" um Thomas Ungar.

"... Ungar war wütend, daß ich vom Scheitern meines Gespräches erst anschließend im Auto berichtete, anstatt das Gespräch mit Voß zu unterbrechen und ihn und Bremer wieder hinzu zu ziehen ..."

"Nun müsse man wieder ganz von vorne anfangen" meinte er. Das schien ihm schwer zu fallen. Und es kam dann ja auch ganz anders.

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Erneute Krise

24. September 1960: festliches Sinfoniekonzert unter Müller-Brühl im Treppenhaus von Schloß Brühl. Ein Sponsor aus dem Siegerland hatte es ermöglicht. 02. Oktober 1960: ziemlich eindrucksvolles Sinfoniekonzert (mit der 4. Brahms) unter Ungar in Siegen. 13. Oktober 1960: Sinfoniekonzerte unter Ungar mit den "Weber-Metamorphosen" von Hindemith und den "Nocturnes" von Debussy: morgens (zu Werbe-Zwecken) in der Hochschule Köln und dann noch abends in Neuss. 20. November 1960: Verdi-Requiem unter einem (tüchtigen) Chorleiter in Aschaffenburg. 24./25. November 1960: zum ersten Mal die Doppel-Chorkonzerte unter Chorleiter Thuebben "linksrheinisch" in Homberg und Rheydt. 29. Dezember 1960: Philipp Röhl beginnt in wachsendem Maße, zu seinen Chorkonzerten in Köln das Orchester heranzuziehen.

"... wie positiv erschien dann zunächst noch Ungars so lange angekündigte erste 'eigene' Spielzeit, und wie positiv wirkte es sich nun endlich, endlich aus, daß nicht mehr irgendwelche "Gremien" aus dem Hintergrund heraus das Wort führten, sondern Ungar, der Orchestervorstand samt dem Gewerkschafts-Delegierten - und sonst niemand ..." "... da war es schwer zu verstehen, daß der Vereinsvorstand unschlüssig blieb und vor allem die DOV sagte: es wird ja doch nichts draus ..." "... bis wir es verstehen mußten: Ungar fuhr Anfang Dezember 1960 kurz hinter Hilchenbach gegen einen Lastwagen und war ziemlich lange außer Gefecht. Da kamen wir ohne ihn nicht recht weiter, da fing er hinterher wieder an, zögerlich und unentschlossen zu sein. Da gab es immer mehr die deprimierende Einsicht, daß wir diesmal mit unserem 'Neuanfang' wohl schon den Zug verpasst hatten ..."

Im übrigen: seit Dezember 1960 weiß Agop (ohne daß es weiter bekannt wird) endgültig, daß sein Vertrag in Dortmund über die Spielzeit 1961/ 62 hinaus nicht mehr verlängert wird. In einem Brief aus dieser Zeit (in ganz anderer Sache) klingt an, daß er "aus finanziellen Gründen" bis zum Ruhestand noch etwas suchen muß - dort aber auch seinen "so sehr ersehnten Alterssitz" einrichten will.96 Wenn Ungar das gewußt (oder auch nur geahnt) hat, ist sein folgendes Verhalten durchaus erklärlich. Und ist auch die nun beginnende Trendwende hin zum reinen "Berufsorchester" erklärlich: ein "Nachwuchsorchester" in Verbindung mit Agops "Alters-Sitz" (also längst nicht mehr mit dem Ziel einer Professur in Detmold) machte keinen rechten Sinn mehr. Es hatte bereits, und diesmal völlig anders, ein ganz neuer Abschnitt in der Geschichte des Orchesters angefangen: schon hier endete der 1957/ 58 unter Richter begonnene, so stürmische "Aufbruch"; schon hier zeichnete sich – in ersten Umrissen - die Trendwende zu ganz neuen Ufern ab. 24. Januar 1961: "... während im Orchester große Unruhe ist über sehr seltsame Entscheidungen Ungars, der sein Orchester vom Krankenbett aus oder als

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Rekonvaleszent regiert, als einziges Positivum der Beginn von Wilhelm Schweglers Tätigkeit als Studienleiter für die Bläser; wir mochten ihn sehr ..."

30. Januar 1961: großangelegtes Sinfoniekonzerte unter einem Dr. Cremer (mit der 6. Tschaikowsky) in Marburg, "... als Beispiel für die unablässige Folge von Gastdirigenten, die jetzt einspringen müssen ..." 04. Februar 1961: Sinfoniekonzert unter Agop in Siegen, Maurice Gendron spielt Haydn D-Dur und Tschaikowskys "Rokoko" 26. Februar 1961: Bruckners "Te Deum" und 4. Sinfonie in Krefeld. Zwar ein recht gutes Konzert, aber wieder nur unter einem "namenlos" gebliebenen Gastdirigenten. Schließlich als die große, in jeder Weise unvergeßliche Unterbrechung: ab 06. März 1961: Proben mit dem Philharmonischen Chor unter Philipp Röhl in Köln 08. März 1961: Abreise nach Brüssel, dort am 09. März 1961: "Messias", 10. März 1961: Weiterreise nach Paris, 11./12. März 1961: "Mathäuspassion", 13. März 1961: Rückreise 18./19. März 1961: "Matthäuspassion" in Köln. Und danach - als Beginn vieler folgender Oratorien-Aufführungen in der dortigen Reinoldi-Kirche 31. März 1961: "Matthäuspassion" unter KMD Büchsel auch in Dortmund.

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03./04. April 1961: unter Agop doch noch einmal zu den Tagen für Neue Musik und Musikerziehung in Darmstadt; "... aber nur noch in kleiner Besetzung und zum Eröffnungskonzert - und mit der seltsamen Begründung, daß man dort über weniger Mittel als bisher verfüge, das Orchester jedoch auf höhere Einspielergebnisse angewiesen sei ..." Erst im April wieder größere Konzerte unter Ungar: 15. April 1961: in Kreuztal mit der 5. (oder 6.?) Beethoven 20. April 1961: als Rundfunkkonzert u. a. mit dem "Siegfried-Idyll" und Tschaikowskys Romeo und Julia" in Dahlbruch. "... er ist noch nicht gut drauf - und es mißrät ziemlich ..." Wohl deshalb auch weiterhin viele Gastdirigenten, so am 08. Juni 1961: Dirigentin Gisela Jahn und die 8. Dvorak im fernen Eschwege, Tibor Varga spielt dabei Mozarts A-Dur-Konzert. Schließlich jedoch am ("... und wieder unter dem 'alten' Thomas Ungar ...") 15. Juni 1961: Sinfoniekonzert in Dahlbruch, mit der 1. Brahms: "... doch es wird – unerwartet - bereits sein letztes größeres Sinfoniekonzert als Chef ..." Nun war die Zeit der "Ungar-Krise" da, die zwar vom Orchester längst nicht als so bedrohlich, wie seinerzeit die "Richter-Krise" wahrgenommen wurde, die aber für die Zukunft des Orchesters viel entscheidender blieb. Ungar regierte (wie eben erwähnt) sein Orchester erst vom Krankenbett aus oder als Rekonvaleszent, dann aber mehr und mehr von unterwegs her: während einer von ihm fast überstürzt betriebenen Zeit als Gastdirigent - und er machte das teilweise äußerst ungeschickt.97 Schaut man jedoch (im Rückblick) näher hin, erscheinen auch diese Vorgänge nur als Vorboten einer ganz anderen Zeit, als es die "Richter-Krise" je gewesen war. Man hat im Rückblick (auch bei Ungar selbst) eher den Eindruck eines "ein jeder drängt nun jeden, bald ein 'Probespiel' zu gewinnen", oder sogar eines "rette sich, wer kann, bevor es zu spät ist." Denn das Orchester hatte inzwischen überdeutliche Probleme bei der Besetzung frei werdender Stellen, es fehlte überdeutlich an geeigneten Interessenten. Und man kann Ungar kaum widersprechen, wenn er in einem Brief vom 03. Mai 61 (den ihm weiß Gott wer mitformuliert hat) auch diesmal entgegenhält, daß seine Weiterarbeit infrage gestellt sei, "weil die aus finanziellen Gründen nötige Überbeanspruchung des Orchesters jeder echten künstlerischen Aufbauarbeit und Schulung entgegensteht... die eigentliche Attraktion des Orchesters, seine unverbrauchte jugendliche Spielfreude, geht damit verloren."98 Ungar verlangt dringend Abhilfe, auch bei der Frage des Proben-Raumes. "Es bleibt sonst nur die Feststellung, das bisherige Konzept eines 'Nachwuchsorchesters' als Fehlinvestition zu erklären... und genau dies ist zu einem echten Politikum geworden." Der Vereinsvorstand umgekehrt wirkt inzwischen mehr und mehr hilflos. Die Sitzungs-Protokolle aus dieser Zeit wirken längst nicht mehr so lebendig, wie vorher - so daß der Autor sie auch kaum noch erwähnt. Zwar soll es eine (geringe) Gehaltserhöhung geben, aber die bisherigen Geldgeber sind damit an der Grenze ihrer Möglichkeiten. Und man ahnt wohl, daß noch eine ziemliche Durststrecke nötig ist, bis man endlich das (faktisch ja schon eingetretene) Alternativ-

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Konzept eines vollprofessionellen Landesorchesters "richtig" auf den Weg bringen kann, bis man also das "Nachwuchsorchester" tatsächlich als "Fehlinvestition" begreift. Mit Datum des 21. Juni 1961 wird diese Situation in einer Sitzung der Trägerschaft auch besprochen: es fehle der finanzielle Anreiz für Hochschulabsolventen. Zwar will man den Status eines "Landesorchesters" zunächst noch vermeiden, sähe aber für ein "Nachwuchsorchester" nur noch Chancen, wenn es "breitgefächerte" Zuschüsse dafür gäbe.99 Das räumliche Problem und der nach wie vor zu abseits gelegene Sitz des Orchesters kämen hinzu. Zunächst versucht man es also weiter (fast "händeringend") mit dem alten Konzept - und wendet sich an alle nur denkbaren Stellen. Doch die Talsohle des Nachwuchsmangels sogar an den Hochschulen ist ja noch nicht einmal erreicht. Es dauert noch lange, bis man endlich mit Projekten wie "Jugend musiziert" gegensteuert. Und man ist noch Lichtjahre von der heutigen Einsicht entfernt, daß es auch einmal zu viel Nachwuchs geben könnte. Und noch ebenso weit entfernt von (dann völlig anders, als das "Siegerland-Orchester" konzipierten) Projekten wie den Landes- und Bundesjugendorchestern. Noch einmal sei es gesagt: es wurde zum tragischen Geschick, daß ein Unterfangen, wie es das Siegerland-Orchester ursprünglich sein sollte und bis dahin auch gewesen war, einfach noch nicht aktuell und "zeitgemäß" genug erschien, als daß man brauchbare "Spielregeln" dafür aufstellen konnte oder wollte. So hat Agop diesmal ein viel leichteres Spiel, um die Wogen zu glätten. Und er läßt vor allem die Katze aus dem Sack: Im nächsten Jahr würde er "wahrscheinlich" als alleiniger neuer Chef zur Verfügung stehen, man solle also Ruhe bewahren und "Herrn Ungar keine Steine mehr in den Weg legen". Soll heißen: er, Agop, würde es dann schon richten.100 Ungar jedoch weiß offenbar längst, wohin der Hase laufen soll, daher auch seine vielen Gastdirigate. Im Juni bittet auch er Agop um ein "Zeugnis", das Agop ihm als "briefliche Beurteilung" wortreich ausstellt.101 Und als das Orchester diesmal (wieder schon im Juli) aus den Ferien zurückkommt, ist es bereits geschehen,

"... daß wir nur noch den Dreck wegräumen können. Ungar gibt nur noch kluge Ratschläge und kommt ab und zu als Gastdirigent vorbei. Seit der neuen Spielzeit ist er Musikdirektor in Remscheid ..."

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Erneute Übergangszeit

Obwohl er es zunächst dementiert: Corazolla hatte sofort, bereits mit Datum des 25. Juli 1961, seine "Verantwortung" für die Übergangszeit angeboten, in der zunächst alle Probleme geklärt werden müßten. Er bleibt auf diese Weise nun doch 1. Kapellmeister, mit aller Entscheidungsfreiheit.102 Zu Beginn der neuen "Spielzeit" hatte sich die Situation so zugespitzt, daß man am 3. August 1961 seitens der Trägerschaft (analog der 1959 geforderten zweijährigen Bedenkzeit) offen über eine Verkleinerung des Orchesters bzw. über seine Auflösung diskutiert.103 Hierzu scheint auch jene Zusammenstellung aus dieser Zeit zu gehören, in der die Orchestermitglieder bereits nach dem aufgelistet sind, was wir heute "Sozialverträglichkeit" nennen würden: wie alt, ob verheiratet, ob schon Kinder, und so weiter. Der Landkreis betont: Er würde zwar erhebliche Mittel beisteuern, Tätigkeit und Ziele eines "Nachwuchsorchesters" seien aber erstens ganz andere und nicht regional betont, sie wären zweitens beim "Siegerland-Orchester" durch den fehlenden Nachwuchs und die sich abzeichnenden neuen Konzepte des Deutschen Musikrates sogar infrage gestellt. Es gäbe auch immer wieder Klagen, daß die "kleineren" Konzerte im Landkreis von den Orchestermitgliedern nicht recht ernst genommen würden. So wird zwar festgestellt, daß die Stadt Siegen (die ja zu diesem Zeitpunkt noch immer "kreisfrei" ist und erst 1966 in den Kreisverbund zurückkehrt) und auch das Land NRW bzw. der WDR am Orchester in seiner bisherigen Zielsetzung bis auf weiteres festhalten wollen. Aber es wird ein Kompromiß gesucht: um den Landkreis "im Boot" zu behalten und um ihm weiterhin seinen Einfluß zu sichern, wird ihm zumindest zugestanden, daß ihn ein neuer finanzieller Verteilerschlüssel nicht stärker belastet, und daß es auch weiterhin genügend "Konzerte im Landkreis" geben soll, zudem mehr Auftritte in den Schulen. Bei der "Standortfrage" zeige sich (als Vermächtnis von Moritz Weiss, der nun als Geschäftsführer ausscheidet) daß Hilchenbach zwar auf einen Neubau verzichten, andererseits das Orchester nicht hergeben will. Es schält sich also jetzt als "endgültige" Lösung der Ausbau der alten "Baracken" heraus; man verzichtet hier, an dieser Stelle und aus diesen Gründen, auf die immer wieder geplante Verlegung in die "Siegerland-Halle". Durch diesen Kompromiß können dann (endlich!) die "längerfristigen Verträge" in Angriff genommen werden. Es sind - wie schon mehrfach erwähnt - die ersten rechtsgültigen Verträge, die die Orchestermitglieder überhaupt erhalten. Und das Orchester bietet natürlich wieder seine Mitarbeit bei den Vertragstexten, aber auch bei den "Disziplinar-Ordnungen" an. 03. August 1961: ein mit Namen nicht überlieferter Gastdirigent beim Sinfoniekonzert (mit der "Neuen Welt" von Dvorak) in Siegen kandidiert zu diesem ungewöhnlichen Termin (gleich nach dem Urlaub) schon als neuer Chef. (Ein kulturgeschichtliches Kuriosum: der Autor hatte sich vorher an der Nordsee einen Bart stehen lassen und beharrte eigensinnig darauf, daß er auch noch zu diesem ersten

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Konzert nach dem Urlaub "dranbleiben" sollte. So etwas aber war damals noch "unerhört".) 17. September 1961: Sinfoniekonzert (mit Beethoven 4) unter Ungar in Bensheim/Bergstraße. (Zur Erinnerung: es ist gerade Bundestagswahl; Brandt als Herausforderer kann sich noch nicht durchsetzen, Adenauer wird ein letztes Mal Kanzler) 24. September 1961: Sinfoniekonzert (mit Leonore III und der "Eroika" von Beethoven) unter Agop in Herborn. 25. Oktober 1961: Sinfoniekonzert (mit Kodaly, "Pfauen-Variationen") unter Ungar in Bergisch Gladbach. 28. Oktober 1961: mit Rudolf Schock unter Agop in Wiesbaden. Und mit den üblichen, geradezu peinlich "entzückten" älteren Damen in der ersten Reihe...

04. November 1961: letztes Konzert unter Ungar (jetzt immer schon als "Gastdirigent") ausgerechnet in Kreuztal, Märkl spielt das Brahms-Konzert. 07./08.11./09.12.1961: drei Sinfoniekonzerte unter Willi Hanuschke mit der 2. Brahms (Magda Rusy spielt vorher das 3. Beethoven-Konzert) in Weidenau. Gerade zu diesem Zeitpunkt war es für viele ein Wiedersehen der seltsamsten Art, auch für den Autor. Deshalb muß es kurz kommentiert werden: Hanuschke (beileibe kein guter Dirigent und ursprünglich wohl Bratscher) hatte in Berlin vom experimentier- und spendierfreudigen "Rundfunk im amerikanischen Sektor" den Auftrag für das "RIAS-

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Jugendorchester" erhalten, das dann zum deutschen "Studenten-Orchester" schlechthin wurde, immer wieder mit Mitgliedern, die sich später auf viele berühmte Orchester verteilten. Hanuschkes Orchester wurde so nicht nur das Vorbild für das frühe Siegerland-Orchester, sondern auch für alles, was nun an Landes- und Bundes-Jugendorchestern nachfolgte. Hanuschke, endlich einmal in Hilchenbach und inzwischen ein älterer Herr geworden, genoß im übrigen die Huldigungen seiner "Ehemaligen" (und auch die der Damen im "Deutschen Hof") sehr. So ganz klar war die Sache mit Agops Kommen "als Chef" noch längst nicht gewesen: am 14. September 1961 bringt Krutge/ WDR noch einmal Richter als Nachfolger Ungars ins Spiel.104 Agop umgekehrt äußert auf offizielles Befragen am 15. September 1961 noch keine definitive Bereitschaft zur Nachfolge. Da die künstlerische Vertretung durch Corazolla gesichert und die Saison 61/62 "vorbildlich" geplant sei, sieht er "keinen Grund zur Eile". Das klingt fast etwas schamlos angesichts seiner Bemühungen gerade um diese Zeit, noch etwas anderes zu finden, bevor er Hilchenbach zusagen muß. Sein Vertrag in Dortmund läuft nur noch bis Ende der Spielzeit 61/ 62 - und sein Abgang dort gleicht in vielen Dingen bereits dem Abgang Richters aus dem Siegerland: auch in Dortmund gibt es negative Zeitungsberichte (und sie werden auch in Siegen wahrgenommen) die seine Freunde bereits zur "Ehrenrettung" veranlassen.105 Intern bleibt die "cheflose" Zeit seit dem Ausscheiden Ungars erst recht von großer Problematik geprägt. Zwar wird die so lange geplante Gehaltserhöhung tatsächlich bis zur vom Orchester geforderte Höhe des Grundgehalts von 420,- DM aufgestockt - und gibt es (erstmals in der Geschichte des Orchesters) ein Weihnachtsgeld von sage und schreibe 20,- DM.106 Hinzu kam aber die allgemeine Enttäuschung, daß Ungar, der anfangs so sehr verehrte, sich nicht nur immer mehr zurückgehalten hatte, sondern nun auch so abgegangen war.

"... irgendwie war damit aller Idealismus, der sich mit diesem Orchester verband, fraglich geworden - und wurden wir aus allen Träumen aufgeweckt. Jeder der 'alten Garde' sah plötzlich die Notwendigkeit ein, auch über sein eigenes künftiges Leben nachzudenken - und zog, sobald er konnte, daraus die Konsequenzen ..."

Dazu passte ein sehr heftiges Zerwürfnis mitten durch das Orchester, das vom Herbst 61 bis in das Frühjahr 1962 anhielt. Dem neuen 3./1. Flötisten war im Frühsommer (damals noch in "einmütiger" Meinung des Orchesters) mitgeteilt worden, daß er sein Probejahr nicht bestehen würde, wenn er sich bis zu einer endgültigen Entscheidung im Oktober nicht wesentlich gebessert hätte. Er hatte sich dann "nicht wesentlich" gebessert, eine Entscheidung wurde aus dienstlichen Gründen nötig. Im Oktober fehlte nun aber der "Chef", der die volle Verantwortung übernahm. Es kam zu einer negativen Entscheidung "ohne Chef" - aber nur unter wütender und lang anhaltender "Mißbilligung" des größten Teils des Orchesters. In einer Vorstandssitzung des Trägers am 31. Oktober 1961 wurde zunächst noch einmal beschlossen, die Stelle Ungars neu auszuschreiben - was dann eine Weile lang auch vom Orchester geglaubt wird.107 Es ist lediglich Bremer, der die mögliche engere Bindung Agops weiter ins Spiel bringt, allerdings auch an die ja seinerzeit von Krutge/

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WDR so favorisierte "alte" Lösung, nämlich an die Rückkehr Richters unter der Oberleitung Agops, erinnert. Es liest sich so, als wollte Bremer seinen "Fehler" von 1959 wieder "gutmachen". So kommt es erst am 13. Dezember 1961 zu einer Besprechung mit Agop , in der er sich definitiv als "Chef" bereit erklärt, zunächst aber sehr hohe finanzielle Forderungen stellt. Auch will man in einer Sitzung des Trägers am 28. Januar 1962 eigentlich doch wieder einen jungen Dirigenten berufen.108 Krutge/ WDR nimmt noch einmal selbst Partei: Man habe Richter nicht in gebührender Form verabschiedet, daran sei Agop entscheidend beteiligt gewesen; Krutge will also einer Wahl Agops nur zustimmen, wenn dieser auch so schnell als möglich Richters Abschiedskonzert terminiert. Es steht tatsächlich und bis zuletzt die Uralt-Lösung im Raum, Agop nur als Oberleiter zu bestätigen - und aus Richters Abschiedskonzert eine Wiederannäherung als Chef abzuleiten. So wird erst nach einer Vorstandssitzung des Trägers am 15. Februar 1962 endgültig bekannt gegeben, daß Agop zum 01. Juli 1962 "als Chef" zugesagt hätte - und bereits ab sofort für alle wichtigen Dinge zur Verfügung stünde. Er würde dann auch seinen Wohnsitz nach Hilchenbach verlegen. Zwar opponiert Krutge in einem Brief vom 19. Februar 1962 noch immer: die Presseberichte aus Dortmund würden den WDR zur Vorsicht mahnen, auch der Landschaftsverband habe noch Einwände. Er bittet um Aufschub bis zu einer Kuratoriumssitzung, die bald stattfinden soll. Doch da ist der Vertrag Agops schon unterzeichnet.

Er tritt dann also erst mit Beginn der neuen Spielzeit 1962/63 sein Amt als "alleiniger Chef" an: unter Beibehaltung des GMD-Titels und verbunden mit dem sofortigen Baubeginn seines Hauses oben auf der "Wilhelmsburg". Aber ein großer Unterschied besteht bis dahin nicht, irgendwie ist er ja noch immer "Künstlerischer Oberleiter" und hat damit schon alle Entscheidungsvollmacht. Das Jahr 1962 verläuft daher fast ohne größere Zäsur. Der "reaktivierte" Jan Corazolla und Verwaltungsleiter Bremer regieren freilich das Orchester nur unentschlossen, die "Übergangszeit" wird immer länger und deutlicher.109 Und nochmals gesagt: Sie wird zur "Trendwende", die sich mehr und mehr kundtut: weg vom "als enge Gemeinschaft" erlebten Orchester, hin zu einem "persönlich gefärbten

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Eigenleben" der Mitglieder, das sich vom Orchestergeschehen abspaltet. Oder anders gesagt: das "Orchestergeschehen" und das "private Leben" werden nun zwei getrennte Paar Schuhe. Das war noch vor kurzer Zeit unvorstellbar gewesen.110 Der Autor erinnert sich in aller Vorsicht vor allem eine gewisse Hoffnungslosigkeit, die sich damals mehr und mehr breit machte. Darüber, ausgerechnet hier, in diesem Orchester gelandet zu sein - und sogar mit großer Begeisterung an dessen Zukunft als "Nachwuchsorchester" mitgearbeitet" zu haben - für das sich nun aber keine "echte" Lösung mehr abzeichnete. Die meisten, die die Aufbruchstimmung der Jahre 1957 bis 59 miterlebt hatten, waren nun, Anfang 1962, schon wieder weg oder wollten sich gerade verabschieden. Nur noch wenige waren geblieben - und unablässig damit beschäftigt, entweder an die "alten Zeiten" zu erinnern, mit denen sie ihr "Dasein in Hilchenbach" rechtfertigen konnten, oder jetzt, da es die "alten Zeiten" nicht mehr gab, allen und jedem zu versichern, daß sie ebenfalls und "so bald als möglich" die Flucht ergreifen wollten.111 An dieser Stelle auch noch ein längeres, und wie der Autor meint sehr wichtiges "Zitat" aus seiner "alten" Chronik:

"... wie war es denn nun mit dem, was wir immer 'Hilchenbachitis' nannten? Wie waren wir denn überhaupt (und auf so lange) mit Hilchenbach und den Siegerländern zurecht gekommen? Damals, als auch Hilchenbach noch viel mehr von den 'alten Zeiten' geprägt war, als es heute erkennbar ist? Drei Tendenzen muß man da unterscheiden: erstens das persönliche Verhältnis zu Land und Leuten, das auch bei mir zunächst von den 'ganz netten' Anfängen und dem ständigen Bemühen, diesen vertrackten Dialekt nachzuahmen geprägt war - und dann leider mit einer immer stärkeren Abkühlung endete, die das 'einfache' Hilchenbach ebenso betraf wie das 'prominente' Siegen. So daß man am Schluß, hinter vorgehaltener Hand, nur noch von einem heftigen Drang, 'weglaufen' zu müssen, sprach, wenn nicht von Schlimmerem... Und das Verhältnis des Orchesters zum gleichen Gegenüber, das so betont herzlich begonnen hatte - um dann doch (schon bald und mehr und mehr, in aller Widersprüchlichkeit und Verfahrenheit) da zu enden, wo es 'typischerweise' auch hinzugehören schien: unter diese 'schrecklichen' Siegerländer. Denen es nie ganz beizubringen war, was dieses Orchester bedeuteten sollte bzw. ihnen eigentlich bedeuten müßte. Schließlich aber das 'Drumherum', das einen mehr und mehr prägte - und bei mir mit einem starken Erleben der Landschaft begonnen hatte, in der ich nun wohnte und arbeite, dann (hauptsächlich durch das Unterrichten und die Vorstandstätigkeit) zwar abgelöst wurde durch das 'Mitmachen' bei dem, was kulturell und politisch 'das Siegerland' bedeutete - schließlich und plötzlich aber (Gott sei's geklagt!) im Gewahrwerden von Lebensgewohnheiten endete, die man hier, am Ende der Welt, entwickelt hatte, zwar entwickeln mußte, so aber 'niemals' hätte entwickeln dürfen ... „

"Harte" Worte, aber es ist ja nur ein Zitat "von damals". Bei der "Philharmonie Südwestfalen" und beim Siegerland von heute ist natürlich alles ganz anders geworden.

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Das weiß auch der Autor. Und meint deshalb, frei nach Fontane: "Hilchenbachitis? ein weites Feld!" Das könnte fast, wenn sie nicht sehr "ernsthaft" gemeint wäre, als Motto über dieser Chronik stehen. 112 18. März 1962: Sinfoniekonzert (mit der 2. Tschaikowsky) unter Agop in Köln. 22. März 1962: Sinfoniekonzert (mit de Fallas "Dreispitz") unter Agop in Neuss.

"... es war nicht nur, daß auch für mich das 'ganz Andere' begonnen hatte, so daß in den Hintergrund trat, was eben noch meine Leidenschaft gewesen war: die Orchesterdinge ... sondern: wenn sie nun plötzlich in den Hintergrund traten, so doch auch, weil sich Agop schon bald als 'die große Enttäuschung schlechthin' entpuppte: der, statt liebenswerter (manchmal sehr liebenswerter) 'Künstlerischer Oberleiter' zu bleiben, unser 'Chef' niemals hätte werden dürfen - weil er nun den Wandel vollzog vom gefeierten Gastdirigenten zum beinahe gehassten Diktator ...er machte sehr schnell die Enttäuschung über Ungar vergessen, dem man anfing 'Abbitte' zu leisten und der nun so zum Symbol einer vergangenen, großen' Zeit wurde ...dabei dirigierte Agop zunächst bloß öfter, als bisher, und sogar noch in der alten, beliebten Manier: mit wenig Proben durch viel Temperament recht gute Konzerte. Die genannten Konzerte in Köln und Neuss waren dafür Beispiele ... Er konnte auch mit dem selben Recht, wie seinerzeit Ungar, verlangen: laßt mich doch erst einmal ganz richtig da sein und meine erste eigene Saison in Angriff nehmen ...aber dies war es wohl, was so schnell als negativ empfunden wurde und den Ausschlag gab: es zeigte sich plötzlich, wie wenig er jetzt als 'Chef' auf die alten Spielregeln achten würde. Darauf, was in diesem 'Nachuchsorchester' einmal üblich gewesen war oder nicht, was man als Abmachung für eine Art 'Mitbestimmung' offiziell festgelegt hatte oder nur stillschweigend. Daß er auf keinen Orchestervorstand mehr hören würde, auf uns 'alte Hasen' schon gar nicht. Und daß es also bis dahin, daß seine erste 'eigene' Saison auch wirklich begann, er dann aber krampfhaft abstreiten mußte, daß seine Vorstellungen nun erst recht nichts taugten, kein weiter Weg mehr war ..."

Erst recht "harte Worte", und der Autor hat große Probleme, schon wieder eine Krise zu schildern - so als sei die frühe Geschichte des Orchesters nur eine Abfolge von Mißgeschick gewesen. Was sie vielleicht sogar war. Denn an einen allzeit "fröhlichen Aufschwung" kann sich der Autor nur stellenweise erinnern. Sicher ist aber: es war diesmal nicht allein Agops Schuld. Denn vor allem: er war natürlich davon geprägt, daß er sich "ein Ende in Hilchenbach" für seine Karriere ebenso wenig vorgestellt hatte, wie wir es uns für unsere vorstellen konnten. Daß er sich also erst einmal "zurechtfinden" mußte. Im übrigen war also etwas dran gewesen an den Gerüchten (und viel mehr war ja nicht durchgesickert) daß es fast keine andere Wahl mehr gegeben hatte? Daß die baldige Auflösung des Orchesters ebenso diskutiert worden war wie die Rückkehr Richters? Daß Agop tatsächlich bis zum letzten Moment gezögert hatte, "ganz" nach Hilchenbach zu kommen?

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09. April 1962: „Matthäuspassion“ unter Röhl in Köln 17./18. April 1962: Dvorak-Requiem in Homberg und Rheydt 26. April 1962: „Johannespassion“ in Dortmund 24. Mai 1962: "König David" unter Röhl in Gummersbach 06. - 09. Mai 1962: Proben und Aufführung von Bachs h-moll-Messe in Göttingen Als Kontrast also zunächst eine sehr "geistlich" geprägte Zeit. Erst am Schluß, vor der Sommerpause, wurde es (teilweise) noch einmal "weltlich". 20./21. Juli 1962: das Orchester begleitet Siegerländer Chöre auf einem großen Chor-Festival in Essen. „ ... es muß mehrere Tage gedauert haben. Den Zungenbrecher bei einem Text, der irgendwie lautete ´Telegramm für Hiob, schlagende Wetter zerstören die Gruben´ versuchten wir (mit dem rollenden `r“ der Siegerländer) unablässig nachzuahmen. Allerlei Notenmaterial stammte nach aus der Zeit von ´vor 1945` und war nur notdürftig überklebt worden. Vor allem aber: ich wohnte privat bei Leuten in einer Werkssiedlung. Und am Ende der Straße lag tatsächlich Krupp ....“

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Rolf Agop auch als Chef

06. September 1962: Sinfoniekonzert (u. a. mit "Nobilissima Visione" von Hindemith und dem "Feuervogel" von Strawinsky) unter Agop in Dahlbruch:

"... bei diesem ersten Konzert nach dem Urlaub geschah es dann doch noch - und war zum letzten Mal die Spannung da, wie es denn werden würde. Wir bekamen Auftrieb durch den endlichen Auszug aus dem 'Kino-Saal Müller', hinaus zur alten 'Orchesterschule', die sich zur einigermaßen respektablen 'Schützenhalle' gemausert hatte ...das Orchester war (vorläufig zum letzten Mal) für ein paar Monate auch noch überraschend vollständig besetzt, nicht nur in den Bläsern, sondern sogar in den Streichern. Das Dahlbrucher Konzert erschien noch lange als das letzte Konzert im alten Stil des Siegerland-Orchesters, für das man nun so lange gelebt und 'gelitten' hatte ..."

Das neue "Schützenhaus": sieht man es heute, so wie es nun noch immer das Quartier der "Philharmonie Südwestfalen" ist, erscheint es (mit Verlaub gesagt) erst recht als "ein Provisorium gebliebenes weiteres Provisorium". Doch wie komfortabel ist alles geworden gegenüber dem, was man im Herbst 1962 zunächst nur vorfand! Und so überwiegen in der Erinnerung vor allem die kalten, ungemütlichen Proben, die der erste, lange Winter mit sich brachte.

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Als Auswahl von einer dann ziemlich gedrängten Anzahl von Konzerten, deren Intensität jedoch mehr und mehr nachließ - und mitten in den als sehr desolat empfundenen Winter 1962/ 63 hineinführte: 20. September 1962: Sinfoniekonzert (mit der Beethoven 4.) unter Agop in Fulda 27. September 1962: Sinfoniekonzert (mit der 3. Brahms) wieder unter Gisela Jahn in Eschwege "eingeklemmt" bereits zwischen die Fahrten zu den Chorproben in Köln am 10. Oktober 1962: das legendäre Opernkonzert mit Rudolf Schock unter Agop in Dortmund, nach dem es anschließend auch irgendeine nächtliche - und mehr als seltsam verlaufene – Schallplattenaufnahme gab. Erst folgend am 12./13. Oktober 1962: die beiden Aufführungen der "Missa solemnis" unter Philipp Röhl in Köln 25. Oktober 1962: Beethoven 5 und "Leonore 2" unter Agop in Dahlbruch 30. Oktober 1962: Sinfoniekonzert (mit der 3. Bruckner) unter Agop in Limburg 04. November 1962: Sinfoniekonzert (wieder mit der 3. Bruckner) unter Agop in Siegen 24./25. November 1962: Probe und dann Aufführung Bachs h-moll-Messe in Dortmund 06. Dezember 1962: Sinfoniekonzert in Eschwege; "... dazu ein Privatausflug an die winterliche 'Zonengrenze', die damals für immer und ewig erscheint ..."

"... dann aber fing es an, daß Agops Proben so zähflüssig wurden, so gar nichts mehr gemeinsam hatten mit seiner alten, zupackenden Art. Wohl deshalb erreichte der Orchestervorstand für kurze Zeit sogar eine 'Viertage-Woche'. Es erschien allerdings noch unfaßbar, was dann passierte: daß Märkls Nachfolgerin sich so wenig mit Agop einigen konnte, daß sie einfach von heut' auf morgen wegblieb ... und noch fiel es schwer einzusehen, daß unsere Sorgen um Streichernachwuchs, interessantere Programme und bessere Probenarbeit nun fast täglich wachsen würden; unsere Konzerte konnten plötzlich an wichtigen Orten wieder sehr unkonzentriert und 'geschludert' sein. Sie waren in Siegen plötzlich sehr schlecht besucht. Unser Ruf in den 'Fachkreisen' bröckelte ab, von den vielen 'Mentoren' und 'Beiräten', die noch die Ungar-Zeit beherrscht hatten, sprach kein Mensch mehr ..."

Aber dies hat der Autor damals noch hinzugefügt:

"... trotzdem der Entschluß, mit dem ich mich ein letztes Mal wandele zu einer Pflicht, die selbst Agop zu halten wäre bis zum Ende. Denn daß wir uns derartig gehen lassen, ist denn das unsere Opposition? sind denn nicht wir immer noch gefragt, wenn wir von diesem Orchester mehr erwarten?"

Unvergeßlich: 26. Januar 1963: ein recht gutes Opernkonzert (mit großen Teilen des "Fidelio") in Krombach, von wo offenbar der (sehr eindrucksvolle) Tenor113 stammte, der irgendwo an den Opern zwischen Köln und Dortmund Karriere gemacht hatte.

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Und erst jetzt am 14. Februar 1963 das Gastkonzert ("Abschiedskonzert") Peter Richters in Dahlbruch, mit der 3. Brahms und vorher dem "Eulenspiegel" von Strauss. In Dahlbruch deswegen, weil der wohl wichtigste Richter-Apologet, Wolfgang Burbach, dort die Kulturgemeinde leitete, damals auch schon seine "Brüder-Busch-Gesellschaft" in den Startlöchern hatte. Und es war sogar ein "Funk-Konzert", weil sich Krutge/ WDR für Richter noch immer weit aus dem Fenster lehnte. Aber ein "Erfolg" wurde es nicht. Eher konnte man sagen, "daß Berge kreißten, aber nur ein Mäuslein geboren wurde."114 Erst hier also der letzte Vorhang zum Thema "Richter". Und noch der Epilog. Sein "Schlußwort" hat ihn der Autor schon weiter vorn sprechen lassen. Hier ist noch das Schlußwort des Autors: Ohne Peter Richter (und gerade dadurch, daß er nun einmal war, wie er war) gäbe es das Orchester ganz sicher nicht. Die Gründung des "Siegerland-Orchesters mag zwar auch ein Ausdruck "bürgerlichen Musik-Verlangens" gewesen sein. Ohne diesen "Paradiesvogel" (noch einmal soll dieses Wort benutzt werden) wäre es aber nicht so weit gekommen. Darin liegt sein Verdienst. Er und seine anfänglichen Berater (dann sehr bald Gegner) müssen sich aber vorhalten lassen, daß ihr Konzept für ein "Nachwuchs-Sinfonieorchester" keineswegs ausreichte - und auch viel zu wenig Unterstützung fand. Und daß sie für ihre Alleingänge eben doch nicht "die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort" waren. Und deswegen hätte auch die selbst heute noch nicht verstummte Forderung, "gebt Richter endlich eine richtige Chance", nur wieder und immer wieder in die selbe Sackgasse geführt, wie vorher. Die Chorleiter verstanden es manchmal besser, als Agop. Sie leiten Konzerte, die sehr lange nachklingen. So am 09./10. März 1963 Verdi-Requiem unter Röhl in der Kölner Universität 12. April 1963 Matthäuspassion unter Büchsel in Dortmund. Inzwischen wurde der "Nachwuchsmangel" an Streichern im Orchester derartig eklatant, daß zumindest die Proben, aber auch einige Konzerte kaum noch darstellbar waren. Es funktionierte nur noch, weil nun zu den letzten Proben und zu den größeren Konzerten regelmäßig die Mitglieder der Geigenklasse Tibor Varga und auch einige Mitglieder des "Kammerorchester Varga" aus Detmold erschienen.115 Doch sie kamen eben nicht zu allen Konzerten.116 Ein Konzert am 21. April 1963 mit Händels "Samson" in Gummersbach

"... wird daher, durch das erstmals von fremden, laienhaften und ungenügenden Aushilfen völlig verunsicherte Orchester, derartig heruntergehudelt, daß keiner mehr weiß, was noch kommen soll ..."

Was am 30. April 1963 kam, war dann das gewonnene Probespiel des Autors in Baden-Baden. Die Frage aber muß er sich an dieser Stelle gefallen lassen: Hätte nicht gerade er unverdrossen in Hilchenbach bleiben sollen?117 04. Mai 1963: "Missa solemnis" unter Röhl auch noch bei der "Kulturabteilung Bayer Leverkusen" 15. Mai 1963: Sinfoniekonzert (mit der 1. Schumann) unter Agop in Dahlbruch, tatsächlich noch einmal als "Funk-Konzert".

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30. Mai 1963: Bläserkonzert unter Wilhelm Schwegler im Stift Keppel. Auch er ist (damals gerade noch) weiter aktiv - und es gibt sehr schöne Fotos davon. 20./21. Juni 1963: Sinfoniekonzerte (mit der 7. Beethoven) unter Agop in Bad Nauheim und Wetzlar

An dieser Stelle zunächst noch "der Einschub welcher", denn die vorstehenden Konzerte waren die letzten "Abstecher", die der Autor mit dem "Siegerland-Orchester" nach Orten außerhalb des damaligen Landkreises Siegen gemacht hat; es sind in fünf Jahren fast 125 gewesen, in über 50 Orte. Am häufigsten übrigens nach Köln - das mit vielen, vielen Aufenthalten (dienstlichen und privaten) auch sonst Spitzenreiter war - und wohl auch blieb. Wir fuhren zu den Abstechern natürlich mit dem Bus.118 Deshalb: Vor allem die niederrheinischen Chor-Konzerte, wie sie ab 1960 in Mode kamen, wurden zu recht als "viel zu weit" empfunden, es gab auch Proteste. Zwar wurde nach der Probe und (wenn es Doppel-Konzerte waren) nach dem ersten Konzert in der Regel übernachtet, aber die Heimfahrt nach dem letzten Konzert folgte dann eben doch. Und Oratorien zeichnen sich nun mal nicht durch prägnante Kürze aus. Sie finden auch nur selten an lauen (und dann sogar im "Sauerland" schneefreien) Sommertagen statt. Selbst wenn in geradezu fliegender Hast "abgebaut" und eingeladen

worden war: Es wurde spät, bis man wieder in Hilchenbach war, sehr spät. Oder sehr früh, ganz wie man es sehen will. Der Autor hat deshalb anläßlich dieser Chronik extra ausprobiert, wie lange es von Hilchenbach aus "wenigstens nur bis Köln" dauert, wenn man die alten Pfade benutzt und nicht die heutige Autobahn - und sich ungefähr an das Tempo der damaligen Busse hält. Er war ziemlich erschrocken!119

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Ein letztes Zitat aus der "alten" Chronik des Autors; "Sindbad der Seefahrer" kommt darin vor, einer der Helden aus den Erzählungen der "Scheherazade" in "1001 Nacht", sozusagen als orientalische Fassung von der "Odyssee" eines umherirrenden Menschen:

"... es folgt nur noch der Rest, da ist er schon ..." 26. Juni 1963: Kammerkonzert in großer Besetzung bis hin zum "Nonett" im "Deutschen Hof" "... Hilchenbach also noch einmal zu seinen Anfängen zurückgekehrt ..." schließlich: 09. Juli 1963: Sinfoniekonzert unter Agop in Siegen, mit der "Scheherazade" von Rimsky-Korssakoff

"... Ungar ist zufällig auch da - und schilt mich, daß ich ihm nicht nach Remscheid nachgefolgt bin ..." "... ich nehme vor allem Abschied von meinen Schülern ..."120 "... dies also sind die letzten Töne im Siegerland: 'Sindbad der Seefahrer' als völlig konfuser Ausklang. Nun gehe ich tatsächlich fort. Nun muß ich erst Abstand finden - und dann anfangen nachzudenken: was denn gewesen ist und was denn übrig bleibt. Trotz alledem doch noch übrig bleibt ...“

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Epilog

Es war unmöglich, daß ich diese Chronik dort enden ließ, wo von meinem Weggang aus dem "Siegerland-Orchester" die Rede ist. Mein Weggang im August 1963 geschah genau so "mittendrin", wie mein Kommen im August 1958. Daher vorne ein Rückblick bis in die Anfänge der "Orchesterschule" - und hier ein Ausblick. Kein richtiger Ausblick auf jene Entwicklung, die damals erst ganz allmählich begann, sich erst abzeichnete: zwar nicht gleich endgültig weg vom "Nachwuchs-Orchester" führte (lange Zeit noch geistert ein "Stamm-Orchester" durch die Veröffentlichungen, zu dem dann erst der "Nachwuchs" tritt) aber schließlich doch bis hin zum "Landes-Orchester" von heute, mit Mitgliedern aus allen Altersstufen. Ich habe diese Zeit nicht mehr als "Zeitzeuge" erlebt, diese Chronik war aber bis hierher gekennzeichnet, daß ich immer wieder persönlich, eben als "Zeitzeuge" Stellung nahm. So muß ich mir einen "richtigen" Ausblick versagen - und möchte viel eher die Frage beantworten: Wie wird man denn ein auch "weiterhin teilnehmender Zeitzeuge", wie wird man es über viele Jahrzehnte hin? Wie wird man aus einem, der damals froh war, endlich gehen zu können, zu einem, der heute seine in Hilchenbach verbrachte Zeit sehr wichtig nimmt, sie in Zusammenhang mit der Geschichte des Orchesters sehen, sie mit ihr in "Einklang" bringen möchte? Ich will versuchen (obwohl diese "Chronik" nun wahrlich ausufert) auch darauf noch zu antworten.

Anfang August 1963 kam ich zum packen aus dem Urlaub zurück, am 10. August war der Aufbruch nach Baden-Baden, am 12. August dort mein erster Dienst. Meine künftige Frau aber blieb zunächst in Hilchenbach: Sie hatte Ehrgeiz, und wollte noch meine Nachfolgerin als Solo-Flötistin werden, dann erst hinterher-kommen. Doch bekam auch sie schon bald Möglichkeiten, in Baden-Baden tätig zu sein, und bat ab Dezember 1963 um die "Gewährung der vorzeitigen Kündigung". Um dies (jetzt mit dem Rückkehrer Bär von Randow) endgültig zu klären, nahm ich selber eine Gelegenheit wahr, in Hilchenbach Station zu machen, unsicher allerdings, wie es werden würde. Umso herzlicher war damals noch die Begrüßung durch die ehemaligen Kollegen. Sie war es schon nicht mehr, als ich fast genau zwei Jahre später, im Oktober 1965 wieder für ein paar Stunden "nach dem Rechten sehen" wollte. Zwar war da der Neuanfang beim "Siegerland-Orchester" schon unübersehbar, manches

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erschien mir bereits fremd. Aber es gab ja (dachte ich) noch genug Mitglieder, die "meine" Zeiten miterlebt hatten, die mich auch jetzt wieder freudig begrüßen würden. Merke: Nicht auf Dauer sind die ehemaligen Kollegen willkommen, wenn sie mit freundlichem Grinsen "nur noch einmal vorbeischauen" wollen! So kam ich ein weiteres Mal erst im Frühjahr 1972, und diesmal in der festen Absicht, möglichst unerkannt zu bleiben. "Nur mal kurz mal umschauen, sich erinnern, aber nicht weiter Stellung nehmen". Es war die Haltung, von der auch andere "Ehemalige" erzählt haben. Und es war wohl auch eine Zeit, in der man nicht unbedingt nur "Siegesmeldungen" aus Hilchenbach hörte, sondern sich (Verzeihung!) auch die Frage aufdrängte, "gibt's die denn immer noch?". Auf jeden Fall: Obwohl ich sogar übernachtete (damals noch im "Menn" am unteren Markt) muß ich tatsächlich schon "gefremdelt" haben: ich habe fast keine Erinnerung mehr behalten. Ganz anders jene Durchreise im Frühjahr 1981, in einer Art Urlaub, bei der ich "endlich auch einmal selber" im "Deutschen Hof" übernachten und diesmal ganz bewußt wieder ins "Lange Feld" hinaus laufen wollte. Jetzt, nach fast 20 Jahren traf es zu: "Vater und Mutter sind lange tot, es kennt mich dort keiner mehr". Ich zitiere eine meiner kurzen Notizen aus einem damaligen Tagebuch:

"... ein nachmittäglich-abendlicher Schock, der mich tief betroffen macht. Hilchenbach genau eine Generation später. Man findet im 'Cafe Kramer' dasselbe junge Mädchen, das man einst bewunderte - aber es ist längst die Tochter. So will fast keine Erinnerung mehr passen - und es sind doch unendliche, sich überstürzende, mich erschreckende Erinnerungen ..."

Doch geschah immerhin dies: Ich muß wohl vom "Langen Feld" aus bis zum "Sonnenhang" weitergelaufen sein und dann im weiten im Bogen die "Wilhelmsburg" wieder hinunter. Und sah nun plötzlich Agop . Völlig in sich versunken, stark gealtert und vornüber gebeugt stand er in seinem Garten - und betrachtete ein spielendes Kind, das sogar ich sofort als den Nachwuchs "derer von Randow" identifizieren konnte. Erschrocken trat ich in den Wald zurück, Agop registrierte mich kaum - und hat mich jedenfalls nicht erkannt. So ist es eben: hinter diesem einen, versöhnlichen Bild war später alles Widrige zurückgetreten, das ich mir deshalb nur zögernd, manchmal fast stockend aus meiner "alten" Chronik erst wieder zusammensuchen mußte. Doch auch das gehört zu diesem Wiedersehen 1981: Inzwischen hatte ich herausgefunden, daß ja auch mein Großvater väterlicherseits ein "geborener Siegerländer" gewesen war. Das gefiel mir im Nachhinein gar nicht! Das mußte ich bei dieser Gelegenheit "dringend" untersuchen. Doch war das "nur" in den Gebäuden einer um 1860 für kurze Zeit wiederbelebten Kupfer-Grube in der Nähe von Eisemroth gewesen. Das erwies sich (gottseidank) schon als "hessisches" Siegerland. Der Aufenthalt meiner Vorfahren hatte auch nur kurze Zeit gedauert: man war von irgendwoher gekommen, blieb eine Weile - und zog dann weiter, kehrte nie wieder zurück. Ich aber war nun schon öfter "auf Besuch heimgekehrt". Warum?

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Ob es übrigens schon damals war, daß ich eine Weile lang, ganz unauffällig, einer Probe des Orchesters zuhörte, und erstaunt feststellte, wie sehr es sich inzwischen "fortentwickelt" hatte, weiß ich nicht mehr. Dabei blieb es aber, wieder für lange Zeit. Doch natürlich hatte es sogar in Baden-Baden (in den inzwischen vergangenen Jahren) auch andere Wiederbegegnungen "in Sachen Hilchenbach" gegeben. Die Welt ist klein - und Musiker treffen sich überall. Erstens lebten auch in Baden-Baden einige "Alt-Hilchenbacher". Darunter vor allem Walter Scholz, Solo-Trompeter des SWF-Sinfonieorchesters und als "Trompeter vom Schwarzwald" fast weltberühmt. Vor allem traf ich in Baden-Baden einen Freund aus "meiner" Zeit in Hilchenbach wieder. Mit ihm zusammen habe ich dann alte Pläne verwirklicht - und so hatte auch meine im Südwesten lange Zeit sehr erfolgreiche Kammermusik ihre Anfänge im längst so fernen Hilchenbach gehabt. Vor allem aber ist meine Sicht der Dinge stark geprägt von der Wiederbegegnung mit Thomas Ungar in Baden-Baden. Er war inzwischen GMD in Freiburg geworden, als ich ihn 1971 zum ersten Mal wieder traf. Doch hatte er da schon die Berufung als Dirigier-Professor an die Musikhochschule in Stuttgart erhalten - was seinen Namen über 30 Jahre hin weitaus geachteter und bekannter machte, als man es in Hilchenbach nur vermuten konnte. Ungar nun hatte den Einfall, seine Schüler zu uns ins Kurhaus Baden-Baden zu schicken, damit sie nicht nur die Stücke üben konnten, die immer "geradeaus" gehen, sondern auch die, die von unerwarteten "Fallstricken" geprägt sind. Dies viele Jahre lang. Dabei durchaus von jenem gesundheitlichen Zwischenfall gezeichnet, durch den man dem "späteren" Thomas Ungar immer nur unter großem Mitgefühl entgegentrat. Etwas, was die etwas kritische Darstellung der "Ära Ungar" in dieser Chronik mehr als problematisch gemacht hat. Wir wissen alle nie und nicht, was noch kommt.

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Ich muß zum Schluß kommen - und erwähne nur noch die "nostalgischen" Treffen derer, die die frühe Zeit in Hilchenbach erlebt haben. Das erste 1999 war ursprünglich ein Einfall zweier Hornisten gewesen, die einander mit großem Elan ansteckten. Mit bewundernswerter Mühe fingen sie an, die heutigen Adressen der "Ehemaligen" heraus zu finden. Trotz großer Zweifel, die wir alle hatten (mußte man sich nicht über so viel Sentimentalität schämen? Würde man nicht, wie ich es tatsächlich überlegte, in Hilchenbach eben erst angekommen, gleich wieder weiterfahren?) hat uns gerade dieses erste Treffen zu Tränen gerührt, es war ein großartiger Einfall. Es galt zunächst sogar das Prinzip, daß fast nicht erlaubt war, über die "Positionen" zu berichten, in die man es später noch geschafft hatte. Sondern daß alle gleich sein sollten: die, die auch nach ihrem Weggang aus Hilchenbach nur "mühselig und beladen" blieben, und die, "die es so herrlich weit gebracht". So haben wir es auch noch 2001 und 2003 gehalten. Erst dann habe ich selber für Unruhe gesorgt: weil ich nun meine "alte" Chronik (mit den vielen, vielen Namen und Ereignissen) wiedergefunden hatte und plötzlich der festen Überzeugung war, daß sie in einer "neuen" Chronik aufgehen sollte. Sozusagen als Vermächtnis der Treffen an die "Nachgeborenen". So weit aber wollten nicht alle gehen: ein häufiges Phänomen bei den sogenannten "Ehemaligen-Treffen". Ein paar "private" oder sogar "rührende" Erinnerungen? Das ja. Aber ein "dokumentiertes" Sich-Verbunden-Fühlen? Das doch lieber nicht. Ich hatte (bei immer neuen Reisen nach Siegen und Hilchenbach) bereits begonnen, nach den entsprechenden Unterlagen zu suchen, fand sie zuerst noch weitgehend beieinander in den verstaubten Aktenschränken des "jetzigen" Orchesters, dann aber (und mehr und mehr) in den Siegener Archiven. Oft kaum kenntlich, meist "seit damals" fast unbenutzt. Ich konnte nur hoffen, daß die Archivare (durch mich oder das bevorstehende 50jährige Jubiläum vielleicht aufgeschreckt) nun auch für das "frühe Siegerland-Orchester" das bekommen würden, was sie so nötig brauchen: mehr Platz. Damit will ich (der Autor) schließen. An den über das ganze Jahr verteilten und auch häufig in ihrem Konzept geänderten Jubiläums-Terminen 2007 habe ich leider, trotz allem guten Willen, kaum teilnehmen können. Immerhin lagen die Prospekte jederzeit greifbar auf meinem Schreibtisch. In diesem selben Jahr 2007, in dem ich meine Chronik im Prinzip abgeschloßen hatte, war auch noch immer nicht abzusehen, wann sie endlich erscheinen konnte. Meine Aufgabe war jedoch zeitlos und immer die eines einigermaßen präzisen Berichterstatters über die "Jugend und Lehrjahre" des "Siegerland-Orchesters", der heutigen "Philharmonie Südwestfalen" geworden. Nicht immer kam dabei das richtige "Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium" auf. Ich mag aber das, was da zutage trat, nie und nimmer missen. Geschichte führt uns immer auch zurück zu uns selbst. Zwar ist "Pathos" hier völlig fehl am Platz. Dennoch fällt mir ein Gedicht von Hölderlin ein, mit Anspielungen sogar darauf, daß dies nun eine "Chronik" mit viel zu viel Einzelheiten geworden ist - die sich aber alle aufgedrängt haben, fast nicht zu "bändigen" waren. Außerdem war Hölderlin (im Nebenberuf) ja auch ein ganz

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brauchbarer Flötist. Etwas, was ich in Hilchenbach (im Hauptberuf) immer wieder und immer wieder nur erst versuchen konnte, endlich zu werden. So sei's gewagt: " Größeres wolltest auch du doch es kehret umsonst nicht unser Bogen, woher er kommt. Alles prüfe der Mensch daß er danken für alles lern', und verstehe die Freiheit, aufzubrechen, wohin er will."

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Danksagung

Mein besonderer Dank gilt vor allem jenen ehemaligen Kollegen, die meine Recherchen und die sehr viele Arbeit mit Rat und Tat unterstützt haben, darunter nenne ich besonders Michael Scheck und Axel Fürch. Er gilt ebenso den beiden Archivaren in Siegen, vor allem dem Leiter des "Kreis-Archivs", Thomas Wolf. Mit viel Nachsicht hat er mich immer wieder aufgefordert, meine Arbeit zu Ende zu bringen und den richtigen Zeitpunkt für ihre Veröffentlichung abzuwarten. Er gilt jener Familie in Hilchenbach, die (obwohl wir keineswegs verwandt sind) so heißt wie ich - und in deren einfachen, aber liebenswerten (und inzwischen sehr häufig benutzten) Quartier ich mehr und mehr den Unterschied vom damaligen zum heutigen Hilchenbach, vom damaligen Siegerland zum heutigen Siegerland, von den damaligen "Siegerländern" zu den heutigen "verinnerlicht" habe. Von diesem Quartier aus bin ich zu den Siegener Archiven fast immer Bahn gefahren. Auch dabei ist heute alles anders als "früher". Aber eigentlich nur hier, irgendwo zwischen Hilchenbach und Kreuztal bzw. umgekehrt, floß das "damals" und "heute" derartig ineinander über, wie ich es kaum je erlebt habe.

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Quellenverzeichnis

Der Autor bedauert es sehr, daß die Unterlagen vor allem der Spätzeit der Orchesterschule und der allerersten Zeit des Orchesters (bei seinem Arbeitsbeginn scheinbar noch in beeindruckender Vielfalt vorhanden) sich bei näherem Hinsehen selten als brauchbar erwiesen: meist war nur eine punktuelle Auswertung möglich, kein Zusammenhang feststellbar. Der Autor hat deshalb häufiger aus eigener Sicht entscheiden müssen, als es ihm eigentlich lieb war. Er mußte vor allem hinnehmen, daß die vielleicht wichtigsten Unterlagen dieser Zeit, nämlich die aus dem Büro des Geschäftsführenden Vorstandes der jeweiligen Trägerschaft, beim Ende dieses Büros nicht archiviert, sondern vernichtet wurden: so jedenfalls die Auskunft des Stadt-Archivs Hilchenbach. Ähnliches gilt erst recht für den Versuch, einigermaßen verlässliche Daten und "Mitglieder-Listen" dieser Zeit herauszufinden. Auch die anderen "Zeitzeugen" konnten dabei kaum weiterhelfen. Das gilt insgesamt leider auch für die "heiligen und unverletzlichen" Personalakten. Beim Arbeitsbeginn des Autors wurden sie noch ziemlich sorglos im Orchesterbüro aufbewahrt, später dann unter der vorgeschriebenen Kontrolle im Kreis-Archiv. Als sich der Autor dort aber näher damit befaßte (weil er eigentlich nur weitere Namen für seine Mitgliederlisten finden wollte) war er einigermaßen schockiert. Viele Akten (wie auch seine eigene) waren auf seltsame Weise unvollständig, manche deutlich "gefilzt" oder gar nicht mehr vorhanden. Merke: Auskünfte über "Mitgliedschaft" und den jeweiligen "Leumund" sollte man nur sehr vorsichtig erteilen. Um der Frage "Warum ist das so?" zu entgehen, weist der Autor eiligst auf wenigstens eine "Insel der Seeligen" hin: zwar auch nur für "Eingeweihte" verständlich, aber doch einigermaßen "liebevoll" beieinander, hat er im Archiv der Stadt Siegen eine wenigstens "hilfreiche" Ansammlung an Unterlagen über die ersten Jahre des Orchesters vorgefunden. War man also in Siegen zwar deutlich von "Wunschdenken" geprägt, wie es der Autor stellenweise geschildert hat, aber doch einigermaßen "professionell" vorgegangen? Darf sich aber der Autor jetzt noch zu seiner Liebe auch für's "Kreis-Archiv" bekennen? Ob es die andere "Insel der Seeligen" gibt, kann der Autor nur vermuten: einen Ort, wo nicht nur "Verwaltungs-Vorgänge" archiviert sind. Sondern tatsächlich das archiviert ist, worauf es doch eigentlich ankommt: einigermaßen komplette Sammlungen von Konzert-Terminen, Programmen und vor allem deren Rezensionen in der Presse. So etwas ist erst jetzt, aber nur in Umrissen wieder aufgetaucht, der Autor konnte es nicht mehr einbeziehen, hatte auch einen ziemlich „chaotischen“ Eindruck davon. Er hofft aber, mit dieser Chronik einem gewissenhaften Nachfolger den Weg geebnet zu haben. Die wichtigsten Quellen und ihre Signaturen: ALT eine sog. "Hilchenbach-Chronik", die der Autor nach seinem Ausscheiden aus dem "Siegerland-Orchester" 1963 in den ersten Folgejahren aus seinen noch vorhandenen (und dann vernichteten) Tagebüchern, Taschenkalendern, Dienstplänen, "Merkzetteln" usw. zusammengestellt hat AUTOR vom Autor gesammelte Prospekte und Drucksachen aus verschiedenen Jahren, zugehörig einzelne, zusammenhanglose "Findlinge" bzw. Duplikate aus den offiziellen Unterlagen. Zugehörig aber auch eine Sammlung von Briefen und Gesprächsnotizen betr. wichtige damalige Orchestermitglieder und Zeitzeugen: wie etwa

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Peter Richter, Michael Scheck, Josef Märkl, Klaus Diederich und so weiter, aber auch einige "Alt-Hilchenbacher". Dazu Berichte von denen, die den Wandel vom "Orchesterschüler" zum "Orchestermitglied" miterlebt haben; gerade diese Sammlung ergab einen beträchtlichen Fundus an "Wissen", das der Autor sorgfältig eingearbeitet hat AGOP ein dicker, überquellenden Ordner aus dem Besitz von Rolf Agop, den der Autor 2002 vom verstaubten Boden seines Hauses in Hilchenbach in Sicherheit brachte, Agop hatte ihn im unmittelbaren Zusammenhang mit seinem "Einspringen" für das Konzert am 04. 02. 59 angelegt und bis zu seiner Ernennung als alleiniger "Chef" des Orchesters im Februar 62 weitergeführt. Er darf als die wichtigste "Quelle" für die Geschichte des Orchesters in dieser Zeit angesehen werden, auch wenn sein Verwesungsgeruch den Gebrauch stark einschränkt. Während der Arbeit an dieser Chronik noch im Besitz des Autors, wurde er inzwischen an das Kreis-Archiv weitergeleitet. DIRIG Ordner "Dirigenten-Angelegenheiten" im Kreis-Archiv Siegen, der unter "Ungar" und "Agop" fast nur Unwesentliches enthält, im älteren Teil jedoch das wichtigste Material zur "Richter-Krise". Zum Zeitpunkt der ersten Einsichtnahme durch den Autor waren darin (überraschenderweise) noch Vorgänge sehr "personeller" bzw. "privater" Art enthalten, sie wurden später getrennt abgeheftet. BURB mit "Richter" bezeichneter Ordner im Kreis-Archiv Siegen, der bis zur Einsichtnahme durch den Autor als "Personalakte Richter" angesehen wurde, bei näherem Hinsehen enthielt er aber ausschließlich Originale und Kopien jener Briefe, die Richter und seine Siegener Freunde im Umfeld des "Leserbriefes" von 1959 und noch später geschrieben haben; er stammte ursprünglich aus dem Besitz von Wolfgang Burbach, Dahlbruch, später der Orchester-Verwaltung. KREIS Kreistagsprotokolle im Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein SIEG Protokolle des Kultur-Ausschusses usw. der Stadt Siegen im Stadtarchiv Siegen Das Problem eines jeden "Historikers", daß die jeweiligen Protokollanten des Kreises und der Stadt ein und dieselbe Sitzung mitunter höchst unterschiedlich dargestellt bzw. datiert haben, hat der Autor gewissenhaft zu lösen versucht.

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Verzeichnis der Fotos und Abbildungen Die ursprünglich aus dem Besitz des Autors bzw. einzelner ehemaliger Mitglieder stammenden Fotos usw. sind inzwischen sämtlich im Besitz des Kreis-Archivs. Titebild: Siegerlandorchester 1958 unter Peter Richter, Thomas Ungar bei einer Probe 1959, Rolf Agop und das Siegerland-Orchester in Feuervorgel-Besetzung, Sept. 1962. S. 5: Wolfgang Haupt 1962 bei einer Bläserprobe S. 7: Orchesterschüler für der Hilchenbacher Baracke, 50er Jahre S. 8: „Schulzeitung“ der Orchesterschule 50er Jahre S. 10: Peter Richter, entnommen aus Orchester-Broschüre, 1957/58 S. 11: Orchesterlogo, entnommen aus Orchester-Broschüre, 1957/58 S. 17: Probe im Saal Müller, 1958 S. 18: Orchestermitglieder vor dem Saal Müller: 1. v. l. Michael Scheck, 4. v. r. Jan Corazolla, S. 21: Quelle: Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein S. 24: Moritz Weiß S. 28: aus einem Brief von Rolf Agop, Februar 1959 S. 35: Rolf Agop S. 36: Quelle: Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein S. 37: Rolf Agop bei einer Probe im Saal Müller, Herbst 1959 S. 39: aus der „HörZu“ 12959, Quelle: Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein S. 41: Thomas Ungar S. 43: Thomas Ungar bei seiner „Bach-Probe“ vor der Presse, 1959 S. 44: Konzertmeister Josef Märkl mit seinem Kammerorchester, 1961 oder 1962 S. 46: Quelle: Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein S. 51: Studienleiter Wilhelm Schwegler bei einer Bläserprobe, 1962 S. 55: Rolf Agop, Konzertmeister Josef Märkl, Rudolf Schock S. 57: Pressebericht 27.02.1962 S. 61: Rolf Agop und das Siegerland-Orchester in „Feuervorgel-Besetzung“, Sept. 1962 S. 64: v. r. Busfahrer Günther Geisweid und Walter Blanke S. 65: Schienenbus bei Hilchenbach S. 66: Rolf Agop und Bär von Randow S. 68: Schnappschuss vom ersten nostalgischen Treffen, Hilchenbach 1999

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Anmerkungen 1 Hier noch einmal die wichtigsten Signaturen für die benutzten Unterlagen, alles Weitere siehe unter "Quellen": ALT betrifft die im Vorwort erwähnte "alte" Hilchenbach-Chronik des Autors AUTOR betrifft Materialsammlungen des Autors AGOP betrifft einen Aktenordner aus dem Besitz von Rolf Agop, in dem dieser vom Februar 1959 an über 3 Jahre

hin alle ihn betreffenden Vorgänge abgeheftet hat DIR betrifft den Ordner "Dirigenten-Angelegenheiten" im Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein KREIS betrifft die "Kreistags-Protokolle" im Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein SIEG betrifft entsprechend die "Protokolle des Kulturausschusses" usw. der Stadt Siegen 2 Zum ganzen Komplex "Orchesterschule" siehe vor allem AUTOR und SIEG; wie auch anderweitig erwähnt sind alle übrigen erhaltenen Unterlagen weder fortlaufend noch vollständig. 3 Beim Durchblättern fallen Namen wie von Klepacki/ Flöte, Kretschmer/ Fagott, Metzger/ Geige, Lauffs/ Trompete bzw. Cello, Stark/ Posaune, Dr. Schreiber/ Theorie und Vollstedt/ Klavier als Namen der Lehrer ins Auge, die "vor Ort" unterrichtet haben. Vor allem aber der Name des stellvertretenden Leiters Fritz Liesegang - der auch noch später (in den Anfängen des Orchesters) die Notenbestände hütete, die er über den Krieg retten konnte: vorher war er Musikdirektor in Witten gewesen. 4 Über diesen "Uralt-Traum" der Siegener soll es schon Anfänge einer "Forschungs-Arbeit" geben, die dem Autor jedoch nicht zugänglich war. Eine ganze Menge davon ist aber mit dem neueröffneten "Apollo-Theater" noch immer übrig geblieben 5 Diese Gruppe der "echten" Alt-Hilchenbacher (die also die Orchesterschule erlebt hatten, aber nicht mehr das "Siegerland-Orchester") hat sich zwar später (den Ruheständler Deisenroth in ihrer Mitte) ein paar Mal in Hilchenbach getroffen. Versuche des Autors jedoch, sie näher zu kontaktieren oder sogar in die seit 1999 stattfindenden Treffen der ehemaligen Orchestermitglieder einzubeziehen, schlugen weitgehend fehl. Es waren nun alles ältere Herren geworden, die sich zwar noch an "dies und jenes" erinnerten, dabei aber "nicht mehr gestört" werden wollten. 6 siehe KREIS unter dem entsprechenden Datum 7 Über die Wahl und die Ernennung Peter Richters hat der Autor keinerlei Unterlagen mehr gefunden, er war allein auf das angewiesen, was er in "AUTOR" zusammengestellt hatte. 8 laut Richters Darstellung in einem irgendwo veröffentlichten Lebenslauf: 1930 geb. in Prag; nach dem Krieg aufgewachsen in Lübeck, der Vater ist dort Pfarrer; erste Kompositionen und Dirigierversuche. Ab 1950 Studium in Detmold und Hamburg: Dirigieren, Komposition, Klavier und Waldhorn (das deutet eher auf ein Schulmusik-

Studium hin) später dann Sommerkurse; 1954 Korrepetitor und Kapellmeister in Hagen, 1957 dasselbe, mehr aushilfsweise in Wuppertal. Wie erst nachträglich berichtet wurde, aber auch aus den Unterlagen zu ersehen ist, war seine Zeit in Hagen und Wuppertal wohl etwas mißlich zuende gegangen (teilweise in SIEG) 9 Leider fehlen diesbezügliche Unterlagen beim WDR ebenso wie in Siegen - und natürlich auch verlässliche Berichte der Zeitzeugen. Der Autor bleibt dennoch bei einer "sehr starken Vermutung". 10 auch dies im Material AUTOR 11 Die sogenannten "Studienleiter" traten beim Eintritt des Autors (vom Sommer 1958 an) kaum noch in Erscheinung. Michael Scheck, für die Kammermusik zuständig, war schon bald mit ganz anderen Aufgaben beschäftigt. "Studienleiter" (für die Streicher des Orchesters, nicht mehr für die verbliebenen Schüler der auslaufenden Musikschule) war dann eigentlich nur noch der "Sonderkonzertmeister" Joseph Märkl - und war für die Bläser ab etwa 1961 der Solo-Flötist des WDR-Sinfonieorchesters, Wilhelm Schwegler. 12 Der Autor ist sich bewußt, daß er damit einem auf Dezember 1957 bezogenen 50jährigen Jubiläum etwas den Boden entzieht. Aber zu einer "Neugründung" gehört auch irgendwie ein Beschluß und eine Rechtsform. Genau das jedoch ist nirgendwo zu finden. Das Orchester vom Dezember 1957 läßt sich (aufgrund des Materials "AUTOR") einigermaßen genau rekonstruieren. "Neu" waren eigentlich nur der genialische Dirigent und seine Absichten; die Zusammensetzung der Musiker muß den regelmäßigen Konzertbesuchern noch immer wie das gewohnte "Orchester der Musikschule" vorgekommen sein. 13 Ab hier dann wieder einigermaßen vollständig in SIEG, aber auch KREIS; Solisten bei Mozart waren im übrigen der damalige Solo-Flötist des Orchesters, Klaus Grünow, und eine Harfenistin aus Freiburg, die dann aber nicht ins Orchester eintrat. 14 in KREIS 15 desgleichen

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16 Er soll weitgehend bereit gewesen sein, die Hilchenbacher Absolventen an seine Freiburger Hochschule zu übernehmen. 17 So ergibt es sich überall in AUTOR 18 Dabei war diese "Gruppe" eigentlich durch Werbung des Geigers Christoph Richter entstanden, den sein Bruder Peter für eine Weile bewogen hatte, seine (später so erfolgreiche!) Laufbahn als Schulmusiker noch nicht einzuschlagen; er holte zuerst den Bratschisten Walter Eichert und den Fagottisten Christoph Rüschemeyer hinzu - und dann eben auch Michael Scheck, mit dessen so vielverheißenden Verbindungen . Corazolla bot außerdem an, Leute vom "RIAS-Jugendorchester" in Berlin (das damalige Vorbild schlechthin für alle solche Unternehmungen) mitzubringen, dem er noch immer verbunden war. Auch der Autor ist letztendlich auf diese Weise nach Hilchenbach gelangt. 19 Erwähnt in einer neuen "Programmübersicht", die aufgrund erst jetzt aufgefundener Unterlagen durch das Kreisarchiv begonnen wurde. Sie ist unvollständig und noch nicht "ausgereift" - und konnte für diese Chronik nur "sehr bedingt" benutzt werden. 20 So zumindest der zusätzliche Orchesterwart, der dann beim nächsten Wechsel zugleich die Tuba übernahm: um auch die Stelle des Intendanten (die anfangs amtierende Intendantin hatte nur einen Aushilfsvertrag) "offiziell" machen zu können. Notenwart und eigentlicher Orchesterwart war in Personalunion der 2. Flötist. Dem späteren "Studienleiter" der Bläser wurde zunächst sogar die Harfenstelle geopfert. 21 Ein Begriff, der im Siegerland übrigens immer den Einspruch des Trägervereins herausgefordert hat. Zwar war er von den Musiker-Gewerkschaften (damals gab es noch mehrere) durchgesetzt worden. Aber "Vorstände", fand die Obrigkeit im Siegerland, sollte es nur beim Trägerverein geben. Dem Orchester sollten allenfalls "Orchester-Vertreter" zugestanden werden. 22 vor allem in SIEG. 23 Mit teilweise um einen Tag voneinander abweichenden Daten in SIEG und KREIS. 24 vor allem in SIEG 25 nicht sehr präzise und teilweise unklar datiert in SIEG und KREIS 26 Er verlangt jetzt offiziell die absolute künstlerische und personelle Entscheidungsgewalt, beginnt ein kleinliches Gezänk (mit Moritz Weiss) wer denn nun für das geheiligte Ritual, nämlich das Entgegennehmen und Öffnen der Post zuständig sei - und lehnt die weitere Zusammenarbeit mit jener Frau de Wolf ab, die im September "hilfsweise" als "Verwaltungsleiterin" gekommen war, aber den "Freiburgern" nahe stand; für kurze Zeit muß jetzt Klaus Diederich dieses Amt zusätzlich übernehmen: so in DIR und im Material AUTOR. 27 in DIR 28 vor allem in KREIS 29 in DIR; es soll im Beisein von Klaus Diederich geschehen sein. 30 desgleichen 31 einigermaßen rekonstruierbar in SIEG und DIR 32 deutliche Hinweise in BURB (s. unter Quellen), weniger deutlich in SIEG 33 Dies und alles folgende in DIR, soweit es jedenfalls bei der ersten Einsichtnahme des Autors dort noch abgeheftet war. "Er" ist also tatsächlich noch im Original erhalten; die Suche war nur deshalb so mühsam, weil zunächst niemand in diesen optisch und stilistisch nicht sehr überzeugenden Bögen "den Brief schlechthin" erkannt hatte, der alles auslöste. Die Namen (samt Funktion im Orchester und in der "amtlichen" Reihenfolge) sind eingangs vorgedruckt - deswegen konnte der Autor (als Wolfgang Haupt) nicht mehr unterschreiben. Die Unterschriften folgen dann formlos in der Reihenfolge Hinrichsen, Hungerland, Eichert, Märkl, Fiedler, Corazolla, Locher, Scheck und Rüschemeyer. Die Kündigung am Schluß ist nur sehr vorsichtig formuliert, und verrät, daß der Text erst ein Entwurf war. Insofern erübrigt es sich auch, den Brief hier vollständig zu zitieren. Er war offensichtlich schon in der Weihnachtspause von Märkl entworfen und provisorisch "zum Tippen" gegeben worden - und wurde nun (auf einen Wink von Moritz Weiss hin?) ohne Veränderungen eiligst unterschrieben. Dies im Beisein auch von Bär von Randow, der aber als amtierender Musikschul-Leiter neutral bleiben wollte. Einige werden wohl große Sorgen um ihre Zukunft gehabt haben, falls die Kündigung tatsächlich angenommen werden würde. Gerade auch der Autor. "Gestatten, ich bin hier der Zehnte" hat er dann zwar in Offenbach bekannt, aber nur unter tausend Ängsten. Legt man außerdem zugrunde, daß ja für niemanden ein echtes Vertragsverhältnis bestand, mag man an eine Entscheidung durch ein Arbeitsgericht gar nicht denken. 34 hier weiter in DIR 35 Richter hatte extra die Abfahrt vorverlegen lassen, und erst bei der Bus-Abfahrt stellte sich heraus, daß die "Privatfahrer" der "Clique" nicht verständigt worden waren; so nahmen von ihr nur Scheck, Hungerland, Fiedler und Haupt an der Versammlung teil

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36 Auch dabei eine elementare Ungeschicklichkeit: die Unterschriften sind im Original nicht bei den Akten - und es ist anzuzweifeln, ob sie dorthin je gelangt sind. Es findet sich nur noch eine anschließend angefertigte Schreibmaschinenfassung. So läßt sich jedenfalls nicht mehr nachkontrollieren, wer wirklich unterschrieben hatte; Gerüchte über Zwang und Unkorrektheiten gab es damals sofort. In der Schreibmaschinen-Fassung sind im übrigen die 46 Namen derer aufgeführt, die angeblich unterschrieben hätten; plus die wegen Krankheit fehlenden Georg Schmid und Ewald Dürfeld, plus die "Neun", plus Haupt und plus von Randow ergibt sich tatsächlich das komplette damalige Orchester. 37 Ab hier zumeist in SIEG. In den später angefertigten Protokollen der Trägerschaft ist im übrigen nicht nur vermerkt, daß Richter während der Unterschriften den Saal verlassen hätte, und daß Scheck (wie es aber wohl mit Moritz Weiss vereinbart worden war) nicht habe Stellung nehmen wollen, sondern ausdrücklich auch, daß inzwischen einige gekommen wären, die sich unter Druck gesetzt gefühlt hatten - und das nun rückgängig machen wollten. An letzteres erinnert sich auch der Autor. 38 wieder in DIR 39 in KREIS und SIEG; an dieser Sitzung scheinen außer Richter und natürlich Märkl und Scheck auch die Herren eines sofort neugewählten (und Richter treu ergeben) Orchestervorstandes teilgenommen zu haben, jetzt mit Klaus Diederich als Sprecher. Sein Amt als "Verweser" anstelle der längst ausgeschiedenen "Verwaltungsleiterin" de Wolf scheint Diederich daraufhin nicht mehr ausgeübt zu haben. Es scheint eher, daß nun zunächst Bär von Randow damit beauftragt werden sollte, der dann aber weiter auf seiner Neutralität als Musikschul-Leiter beharrt. 40 sämtlich in AUTOR 41 wieder in DIR; hier übrigens auch eine nicht ganz klare "Vorlage" von Weiss für die nächste Vorstands-Sitzung, in der er weiterdauernde Eigenmächtigkeiten der Siegener beklagt und dringend die Einigkeit des Vorstandes anmahnt. 42 desgleichen 43 Quelle ist natürlich vor allem BURB (s. unter Quellen). 44 Die eingegangenen (sehr negativen) Briefe sind dann ausgerechnet in SIEG abgeheftet worden, wohl um sie unauffällig los zu werden. 45 nachzulesen vor allem in KREIS 46 Leider sind die Unterlagen des Dr. Krutge beim WDR nicht mehr vorhanden, sondern in ein nicht zugängliches "Privatarchiv" überführt worden: so jedenfalls alle Auskünfte an den Autor. 47 dies alles in AUTOR 48 Sofort anzumerken ist allerdings: in die Zeit der "Richter-Krise" fällt auch die "Trendwende", daß Siegen (das damals voller Stolz "kreisfrei" war) wieder in den Kreisverbund zurückkehren sollte - wie es dann später geschehen ist. Und man muß es in Siegen wohl schnell eingesehen haben, daß im "Fall Richter" gegen die Meinung des Kreises und vor allem gegen die von Weiss vertretene Haltung der Stadt Hilchenbach nichts auszurichten war. Und deshalb wohl ist ein so hervorragender Mann wie der Siegener Oberstadtdirektor Seibt sehr schnell aus einem "Paulus" in Sachen Richter zu einem "Saulus" geworden, wie sich bald zeigte. 49 in AGOP 50 so verschiedene Hinweise in AUTOR 51 auch darauf gibt es verstreute Hinweise in AUTOR 52 in KREIS 53 in DIR 54 in KREIS 55 Auf diese Zweijahresfrist ist man 1961 tatsächlich zurückgekommen. 56 Auch das wurde tatsächlich diskutiert, aber nie ernsthaft. 57 etwas widersprüchlich in AGOP und KREIS 58 in DIR und AGOP; es sollte in der Wohnung von Agop in Dortmund stattfinden, weil Richter nach wie vor seinen Chor in Witten beibehalten hatte. Richter fährt auch (angeblich von Celle aus) nachweislich zur Probe nach Witten, erscheint aber nicht bei Agop, sondern läßt sich erst Tage später brieflich durch seine Frau entschuldigen: unter Hinweis auf Mißverständnisse, dann wieder auf Krankheit, und er läßt seine Frau (offenbar telefonisch und etwas ungeschickt) um einen neuen Termin bitten. Was der verärgerte Agop einerseits mit dem Hinweis beantwortet, daß er wegen Auslandsreisen erst einen Termin nach dem 5. Mai frei hätte - und andererseits (in bewußter Ausgrenzung Richters) mit ausführlichen Vertretungs-Regelungen, Probendispositionen und anderen Dienstanweisungen während seiner Abwesenheit: ein problematischer Punkt der Entwicklung, weil sie so eigentlich nur in Agops eigenen Unterlagen zu finden ist. Zwar scheint Agop Gründe auch zur persönlichen Verärgerung gehabt zu haben, aber ein wenig muß offen bleiben, was wirklich vorgefallen war. 59 in DIR

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60 in DIR hier auch alles folgende 61 in AGOP 62 Details nennt er wirklich nicht. Dabei wären sie besonders wichtig. 63 Corazolla ist damit der erste, der das Tabu, nämlich der (trotz allen menschlichen Schwächen) bisher "unbestrittenen" Künstlerschaft Richters absichtlich verletzt, und der erste, der die Nicht-Wiedereinstellung aus künstlerischen Gründen verlangt. 64 dies und folgend in AGOP. Agop weicht dann, wie so oft bei ähnlicher Gelegenheit, aus und leitet alles an Dr. Krutge weiter: mit dem Hinweis, daß Richter tatsächlich Vorschläge gemacht habe, aus denen ersichtlich sei, daß er die Vereinbarungen vom 4. April "entweder nicht verstanden hat oder verstehen will"; so sei vor seiner "Rückkehr" zumindest noch ein weiteres Gespräch mit ihm und dem Vorstand notwendig. 65 in DIR 66 Arne Bremer war der designierte erste "vollamtliche" Verwaltungsleiter des Orchesters; ursprünglich vermutlich Sänger, inzwischen aber im kirchlich-sozialen Dienst in Hamburg tätig - und durchaus wieder eine Empfehlung der "Freiburger". Es scheint aber, daß sogar Richter mit ihm einverstanden war. 67 in DIR 68 Diese sehr persönlichen Unterlagen waren bisher an einer nicht zu vermutenden, leicht zugänglichen Stelle abgeheftet, wo sie "laut Gesetz" nicht hingehörten. Nach Hinweisen des Autors hat man sie zwar dort entfernt. Aber der Autor bedauert, daß er sie überhaupt gefunden - - und nicht sofort vernichtet hat. 69 So die Meinung des Autors aufgrund vielfältiger Hinweise. Anzufügen ist: er war keineswegs ein unehelicher Sohn des großen Dirigenten Wilhelm Furtwängler, wie es in Hilchenbach immer wieder behauptet wurde. In Hilchenbach konnte er aber seinen Anspruch, doch wenigstens ein "geistiger" Nachfahre Furtwänglers zu sein, einigermaßen verwirklichen. Auch wenn es wohl "nicht so ganz" verkehrt war, daß er deshalb von Richter immer wieder als der "böse Bube" im großen Spiel angesehen wurde. Nur muß man sich fragen, warum die, die er in dieser kritischen Zeit deutlich beeinflußte (Märkl? Agop? den Vorstand?), es nicht gemerkt haben. Corazolla (genannt "Onkel Jan") galt im Orchester als ein irgendwie sehr netter Kerl, der auch leicht zu durchschauen war. 70 dies und das folgende wieder in DIR 71 so in AUTOR.. 72 Daß z. B. alle Akten "nur durch die Brille der Selbstgerechtigkeit und Gesichtswahrung der Siegener Beamten formuliert wären; dies sei auch der Grund seines berechtigten Mißtrauens gegenüber jedweder Chronik" hat er dem Autor geschrieben. Er schreibt "Siegener Beamten". Hatte er nicht gerade dort seine besten Freunde? 73 Wo Bremers Frau Mitarbeiterin war. Berichte in der "Hör Zu" gab es deshalb noch mehrere, aber keiner fand unter den Siegerländern solche Beachtung, wie dieser erste. Der Autor hat wenigstens die betreffende Seite der betreffenden Ausgabe wieder rekonstruieren können. Zwar stimmt (für Kenner) nicht alles, was dort zu sehen und zu lesen ist, aber immerhin. 74 Der spätere Umbau, das heutige Erscheinungsbild, erst recht die Umgebung erinnern kaum noch an die alte "Herrlichkeit" - aber brauchbare Fotos (wie etwa der "Alt-Hilchenbacher" von ihrer Schule) sind dem Autor nicht mehr in die Hände gefallen. 75 Die Dirigentenwahl ist in AGOP sehr gut dokumentiert. 76 Gut erhaltene Exemplare sind inzwischen selten, eins der wenigen war AGOP beigefügt. Auf das Hin und Her: daß die Richter-Seite dem zuständigen Redakteur Frank Schürmann zu große Objektivität vorwarf, und dieser umgekehrt auf das Risiko verwies, den Brief überhaupt zu veröffentlichen, kann hier nicht näher eingegangen werden. 77 dies und alles folgende in KREIS 78 Da ist man plötzlich sogar bei "61" gelandet, obwohl der Autor es in seiner Erinnerung wirklich nur bis zur "59" bringt. 79 dies und folgend in DIR. 80 In jenem Herbst 1959 bleibt es einzig beim Hin- und Her um die Kosten der Überstellung von Richters inzwischen eingelagerten Möbeln, auch hatte er der Orchesterschule Noten und dergleichen zur Verfügung gestellt - und ein Klavier, das sich in Obhut des Autors befand. Schließlich mußte dann die Siegerländer Industrie kostenmäßig in die Bresche springen. 81 Angeblich (so die lange anhaltenden, heute leider nicht mehr belegbaren Gerüchte) wegen seines etwas fragwürdigen Lebenswandels. 82 Dies und folgend in AUTOR; im Zusammenhang mit seiner Wahl ist eine Szene im "Kinosaal Müller" unvergeßlich geblieben: die Presse ist anwesend, Ungar soll zum ersten Mal vor "sein" Orchester treten, die Fotografen warten. Und weil der Chordirigent, der Bachs "Weihnachtsoratorium" probieren soll, sich verspätet hat, dirigiert nun Ungar den Anfang des ersten Chores.

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Was die vielen (bekannten) Fotos nicht zeigen: es ist nicht unbedingt seine Musik, er wird so etwas in Hilchenbach auch nie wieder dirigieren. Aber es war "dirigiertechnisch" gesehen der perfekteste Anfang des so viel gespielten Oratoriums, den der Autor je erlebt hat. Wie tragisch sich später das Blatt für ihn wendete, wird noch gegen den Schluß hin anzudeuten sein. Er war übrigens nicht denkbar ohne seine Frau: eine im Konzert nicht unbedingt "erstklassige" Pianistin, aber von hohen pädagogischen Gaben. "... wir sahen sie zumindest dann kritisch, wenn sie den Proben beiwohnte - und ihre (offenbar ziemlich drastischen)

Anmerkungen über uns ihrem Mann auf ungarisch mitteilte. Damals hatten wir keine Ungarn im Orchester mehr, die

das hätten übersetzen können - und fanden es nicht unbedingt "die feine Art", von der unser neuer Chef doch so

gerne sprach ..." 83 Der ganze Beginn der "Ära Ungar" ist am besten in AGOP dokumentiert, dessen Ordner also auch im folgenden die Hauptquelle ist. Die Zahl der in AGOP abgehefteten "Zeugnisse" und vor allem die Namen der Empfänger: sie sind wirklich höchst erstaunlich! 84 dies in KREIS 85 dies in SIEG 86 Was zwar so auch in seinem Vertrag stand, um die nunmehrige Voll-Stelle zu begründen . Mit dem er auch bald ziemlich spektakuläre Reisen vor allem nach Belgien begann: einige Offiziere der in Siegen stationierten belgischen Truppen, allen voran der unvergessene Willy Holleweg, fühlten sich der Sache eng verbunden. Mit dem er sich aber kaum unterordnen wollte. Und so wäre es einerseits durchaus verständlich, das "Siegerland-Kammerorchester" in dieser Chronik mehr hervorzuheben. Auch der Autor hat dann in einigen Konzerten und an ziemlich hochstehenden Orten begeistert mitgewirkt. Andererseits fühlt sich der Autor aber als Schiedsrichter berufen: die Mehrheit des Orchesters sah es (Märkls Erfolge hin, Märkls Erfolge her) leider anders. Und es fehlte die klare Stellungnahme des Chefs. So muß es bei dieser kurzen Hervorhebung bleiben (fast alles in AUTOR). 87 Man bekommt sie (in KREIS und SIEG) nicht etwa in sorgfältigen Zusammenstellungen zu lesen, sondern muß sie sich mosaikartig zusammensuchen; also sind erst recht "kläglich" auch die Rückschlüsse, die man nur daraus ziehen kann. 88 über die Vorgeschichte ausführlich in AGOP 89 Es handelte sich um den später ziemlich namhaften Claude Kahn. 90 Dieser wohl spektakulärste "Abstecher" in der frühen Geschichte des Orchesters ist in den offiziellen Unterlagen erstaunlicherweise fast nicht zu finden, er ergibt sich zumeist aus ALT und AUTOR. 91 Erst diese Konzert sind dann in AGOP wieder ausführlich dokumentiert. 92 zwar auch dies bei AGOP, aber das meiste ergibt sich nur wieder aus ALT und AUTOR. 93 erhalten in AGOP. 94 Der ganze folgende Vorgang ist nur rekonstruierbar aus dem, was der Autor damals aufgehoben und schon in ALT niedergelegt hatte. Vor allem bringt es ein Brief, der vom Autor (immer als DOV-Delegiertem) und den drei Orchestervorständen in dieser Zeit an Hermann Voß gerichtet wurde, genau auf den Punkt: "... die Unterscheidung zwischen 'Nachwuchsorchester' und 'Berufsorchester' erscheint doch wohl dann als allzu theoretisch, wenn es dringend nötig ist, unser Orchester für Absolventen der Hochschulen wieder attraktiv zu gestalten. Die Diskussion geht doch nur darum, welche vertragliche und finanzielle Sicherung gerade auch ein 'Nachwuchsorchester' aus Gründen der Erfahrung und Erziehung benötigt, und wie sehr gerade dadurch die Fähigkeiten eines solchen Orchesters erst ermöglicht werden" 95 Finanziell kurz halten: es ging damals noch um den Unterschied zwischen einer Grundvergütung von doch wenigstens 420,- DM, die das Orchester vorgeschlagen hatte - und den 300,- DM, die Hermann Voß für ausreichend hielt. Es führte zu einer heftigen Verstimmung nicht nur zwischen dem Autor und Thomas Ungar, sondern natürlich auch zwischen dem Autor und Hermann Voß: so sehr, daß sich der oberste Orchestervertreter im Präsidium der DOV (es war damals der SWF-Cellist Then Berg) extra nach Hilchenbach bemühen mußte, um zu vermitteln. Doch es gab nicht viel zu vermitteln: anläßlich der Konferenzen der DOV-Delegierten in Düsseldorf, an denen der Autor teilnahm, war die damalige Aufbruchstimmung der deutschen Orchester so groß, daß auch die DOV der Meinung war, daß man die "Grauzone" der kleineren (und TVKmäßig nur "angeglichenen") Orchester getrost vernachlässigen könnte.

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Hermann Voß blieb reserviert. Erst bei der letzten Konferenz, an der der Autor im Frühjahr 1963 noch teilnahm, um sich dann zu verabschieden, gab er ihm (vielleicht schon einsichtig geworden, daß dieser Kurs der DOV wohl nicht für immer richtig sein würde???) wieder versöhnlich die Hand. 96 in AGOP 97 Er überfordert den Geiger (nebenher Dirigenten) Guido van den Bosch, den er nun auch als "verlängerten Arm" statt Jan Corazolla heranzieht, er übergeht Märkl sogar bei der Abhaltung von Geigenvorspielen, er versucht (aus "künstlerischen" Gründen!) den Autor als seinen Solo-Flötisten zu kündigen, der es (als DOV-Delegierter und damals auch Orchestervorstand) doch nur gewagt hatte, Ungars von Rom(!) aus angeordneten Dienstplänen zu widersprechen. Für kurze Zeit bildet sich sogar wieder eine "Clique": eine Art "Beirat" aus einigen Orchestermitgliedern, der auch eine Weile lang mit großem Eifer versucht "gegenzusteuern". 98 erhalten in AGOP 99 vor allem in SIEG 100 etwas mühselig zu finden in KREIS und SIEG. 101 in AGOP. 102 in SIEG, etwas versteckt. 103 vor allem in SIEG. 104 desgleichen, auch in allem folgenden. 105 sogar dies, obwohl das meiste natürlich in AGOP steht. 106 Doch galt das nur für das "Fußvolk", mehr war wohl nicht "drin". Bei den "Offizieren" sah es anders aus, was wohl als Aufforderung verstanden wurde, sich weg zu bewerben. Der verärgerte Märkl (der nun auch für das Kammer-Orchester "Nachwuchsprobleme" kommen sieht und es enden lassen will?) gewinnt ziemlich schnell sein Konzertmeister-Probespiel in Düsseldorf. Bremer geht zwar erst gegen Ende 1963, wechselt auch noch für längere Zeit in die Leitung eines beneidenswert schönen "Seniorenstifts" im Allgäu - stirbt dann aber (leider) ebenso früh, wie es bei Jan Corazolla der Fall gewesen war. Und auch Scheck geht (nun längst ohne seine alten, zusätzlichen Aufgaben) plötzlich nach Antwerpen. Daß Agop nach Bremers Weggang zunächst ihn (und "baldmöglichst") zurückholen wollte (daß also Bär von Randow erst "von der Ersatzbank kam") soll hier nicht näher kommentiert werden. 107 in SIEG, auch in allem folgenden. 108 in SIEG und mehr und mehr auch in KREIS. 109 in AUTOR. 110 Anmerkung zu 1962 jedoch: mit der "endgültigen Wahl" Agops endet dann sein Ordner "Siegerland-Orchester", den er seit Januar 1959 geführt hatte, und der (als AGOP) die vielleicht wichtigste "Quelle" für die bisher geschilderte Zeit war. Als "Haupt-Quelle" benutzt der Autor im folgenden fast nur noch seine "alte" Chronik (genannt ALT) mit ihren gegen Schluß hin immer sorgfältigeren Eintragungen. 111 Aus dieser Gruppe insgesamt stammte im übrigen der größte Teil derer, die ab 1999 regelmäßig zu den "nostalgischen Treffen" nach Hilchenbach kamen. Schon die nächste Gruppe war zahlenmäßig nicht so groß: die Gruppe derjenigen, die 1962 erst kamen bzw. damals gerade gekommen waren - geprägt davon, daß sie deutlich in einer Übergangszeit des Orchesters anfingen, oder davon, daß die "Älteren" immer wieder von den "alten Zeiten" sprachen. Sie blieben dann teilweise bis über diese Krisenjahre 1962 und 63 hinaus und haben auch noch den Neuanfang (mit ganz anderen Zielen) ab 1964 erlebt - aber verbunden mit den "Älteren" waren sie auch auf den Treffen nur dadurch, daß sie allenfalls eine Ahnung davon mitbekommen hatten, wie es einmal gewesen war. Alle anderen, die dann erst ins Orchester kamen, gehörten aus Sicht der Teilnehmer schon "nicht mehr richtig" dazu, wurden, wenn sie teilnahmen, nur als "Gäste" angesehen. 112 Der legendäre Einfall, der wohl auf Otfried Ruprecht zurückgeht, jenem wegen seiner geistreichen Sprüche im ganzen Orchester hochbeliebten Oboer der frühen Jahre, darf hier nicht vergessen werden. Man muß sich in die Situation zurückdenken: Fernsehen, das gab es damals erst in der Gaststube vom "Deutschen Hof". So etwas wie "bürgerlichen Wohlstand" in den meisten Primitiv-Zimmern nur erst in wirklich "höchst geringen" Anfängen. Also ging man abends irgendwo ein Bier trinken. Und da muß wohl Ruprecht das "Ba-ra-bam" der Mathäuspassion mit einem lauten "Hil-chen-bach" unterlegt haben 113 Es handelte sich um Eberhard Katz; s. Schreiber, Klaus: Eberhard Katz - vom Krombacher Chorsänger zum gefeierten Heldentenor, Kreuztal 2003. 114 Mit dem eigentlichen Anlaß verglichen, geriet das Konzert künstlerisch gesehen jedenfalls "nur so beinah". Richter hielt sich auch auffallend zurück. "Wenn ich mich so umsehe: es ist ja längst nicht mehr 'mein' Orchester, ich will hier nichts mehr werden..." hat er denn auch dem Autor eingestanden; bloß fanden das seine Verteidiger, vor allem die aus Siegen, nicht. Vehement forderten sie nach dem Konzert, man müsse nun Richter als "1. Gastdirigenten" des Orchesters regelmäßig verpflichten. Das war mit Agop nicht zu machen. Höchst verärgert gab er

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zu Protokoll, daß so lange er hier noch etwas zu sagen hätte, Richter nie mehr und nie wieder eingeladen werden dürfe (in KREIS und SIEG). 115 Mit Hans Maile an der Spitze, der in der winterkalten Halle unverdrossen Paganini übt. 116 Um diese Zeit entdeckt Agop daher anläßlich der (nach wie vor häufigen) Konzerte in den kleineren Orten des Siegerlandes seine Vorliebe für die 4. Beethoven - die ja in der Tat ursprünglich für ein nur kleiner besetztes Privatorchester eines seiner Mäzene komponiert worden war. Aber mußte das gleich so oft sein? Oder wir stiegen jeden Morgen neu in unsere Busse, um die Schulen des Siegerlandes mit einem weiteren, nur 'klein' besetzten Werk, mit "Peter und der Wolf" zu erfreuen. Der kälteste und längste Winter seit langem will kein Ende nehmen. Der Autor hat also ausprobiert, ob man den "kleinen Vogel" nicht auch mit Fingerhandschuhen zwitschern lassen könnte; nur die Aussicht darauf, daß ja wieder unsere bewährte Sprecherin dabei war, ließ ihn innehalten: sie hatte irgendeinen Sprachfehler. Ihre Möglichkeiten, das "im Nu kletterte die Katze auf den Baum" aufzusagen, gehören zu den kostbarsten Erinnerungen an diese Zeit, hinter denen alle Widrigkeiten fast zurücktreten. 117 Denn daß er sich nun eine geradezu fürchterlichen Dienstmenge des "Orchesters am Kurhaus" und eben sehr viel "Kurmusik" einhandelte, nur um aus Hilchenbach wegzukommen, war ihm bewußt. Daß er den deutschen Südwesten (ziemlich schnell und also ganz anders als das Siegerland) fast von vornherein als "Heimat" ansah, hat ihn zwar getröstet. Dazu die spätere Möglichkeit, recht ausgedehnt und in vielerlei Besetzungen Kammermusik zu machen, schließlich beim "Symphonie- und Kurorchester Baden-Baden" (heute natürlich "Baden-Badener Philharmonie" genannt) auch noch das zu werden, was man gemeinhin "Intendant" nennt; aber nochmals (und nur an dieser Stelle) die Frage: was wäre denn gewesen und geworden, wenn gerade er geblieben wäre? 118 Mit einem "Nichtraucher-Bus", den Günther Geisweid (genannt "der Sack") steuerte, ein treuherziger Optimist, wie der Autor nur wenige getroffen hat, Ehre seinem Andenken! und mit einem "Raucher-Bus", gesteuert vom wesentlich spröderen Walter Blanke; hinten in den Bussen wurden auch die Instrumente transportiert - denn das gab es noch nicht: einen Wagen, der die Instrumente im voraus transportierte, damit schon aufgebaut war, wenn man ankam. Und es waren auch lediglich Busse, die eigentlich für den "Liniendienst" der Fa. Kolb in Ferndorf bestimmt waren, also noch keinerlei Liegesitze hatten - und noch keinerlei Kopfstützen. 119 "Privatfahrer" gab es zwar auch schon, sogar bei Zielen wie Paris. Aber es bleibt doch festzuhalten, daß alles noch in der grauen Vorstufe der Autozeit geschah: Autos hatten erst wenige Orchestermitglieder, und es waren allzu oft wirklich nur "schon sehr gebrauchte" Exemplare; richtig "privat" fuhr man daher meistens Bahn. Mit dem klapprigen roten "Schienen-Bus" bis Siegen, wo man dann, wenn es weitergehen sollte, auch weiterkam. Weidenau als der zentrale Umsteigebahnhof war freilich noch nicht erfunden - dafür aber fuhr jene Bahn, die auf den Hilchenbacher Schleifen unter fortwährendem "Pfeifen" die Höhe erklomm, damals noch bis Marburg: ein häufiger Umsteigeort, wenn man weiter ostwärts wollte. 120 Es waren weit über 20, die der Autor vom Herbst 1960 an, als er "Solo-Flötist" wurde (und damit auch als Lehrer "akzeptiert"), bis zu seinem Weggang in diesem Sommer 1963 für kurz oder lang, aber regelmäßig unterrichtet hat. In Siegen oder in Dillenburg. Und im Übrigen, wie schon angedeutet, erst teilweise in den jeweiligen Musikschulen: die damals "noch im Aufbau begriffen" waren, auch hinsichtlich des Honorars.

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Liste der Mitglieder des "frühen" Siegerland-Orchesters

vom Zeitpunkt Oktober 1958 an (Dienstbeginn des "erweiterten" Orchesters nach der Rückkehr aus Bad Neuenahr) bis zum Ausscheiden des Autors im August 1963 Quelle: Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein. Vom Autor nur als vorläufiges Manuskript zur Verfügung gestellt. Arbeitsstand 2005, erscheint hier als Anhang. Der kurze Absatz nach den jeweils ersten Namen trennt diejenigen Mitglieder, die im Oktober 1958 zum Orchester gehört haben, von den nachfolgenden. Achtung: die teilweise recht häufigen Beurlaubungen zu einem Studium/ Zwischenstudium konnten nicht näher berücksichtigt werden. Bei weiblichen Mitgliedern steht immer zuerst der Name, unter dem sie ins Orchester eingetreten sind, dann erst der Name nach ihrer Verheiratung. Im Schnitt 45 Jahre nach den Ereignissen von 1958 bis 1963 ergibt sich ein Bild des "Siegerland-Orchesters", das so bei anderen Orchestern nur selten zu finden ist 1. Geige Josef Märkl Studienleiter und Sonderkonzertmeister/ Okt. 58/ bis Juni 62 Kurt Hartig Konzertmeister/ schon ab Okt. 57/ bis März 63 Heinz Schöbel Vorgeiger/ schon ab Okt. 57/ bis Aug. 60 Arne Hungerland ab 61 Vorgeiger 2. Geige; schon ab Nov. 57 / ab 62

Vorgeiger 1. Geige/ bis Mai 63 Jürgen Vlach schon ab Jan. 58/ bis Nov. 58 Wladimir Schein Okt. 58?/ bis Aug. 59 Maria Engelmann Okt. 58/ bis Febr. 60 Käthe Link-Pekara Okt. 58/ bis Juli 59 Erich Grün schon ab Jan. 58?/ bis Nov. 58? Wolfgang Kölbel schon ab Okt. 57?/ bis Dez. 58? Adolf Gruber Nov. 58/ bis Aug. 59 Marga Haverkamp Juni 59/ bis Sept. 60 Hans-Georg Kaune Okt. 59/ bis Aug. 60 Herbert Lehmann 2. Geige Okt. 58; ab Ende 59 1. Geige/ab 60 Vorgeiger 1.

Geige/ bis Aug. 62? Guido van den Bosch Jan 60; (ab 62 Vorgeiger 2. Geige/bis April 63) Hans Stitz März 60/ bis Aug. 61 Helga Schneekloth- April 60/ bis Juni 63 Hinrichsen Haye Hinrichsen schon ab Nov. 57 (ab 58 Vorgeiger 2. Geige); ab 60 2.

Konzertmeister/ bis Aug. 63 Hans Bosch Aug. 60/ bis Dez. 61 Anne Demoulin-Corazolla Sept. 60/ Aug. 61 zum Zürch. Ka.Orch./Sept. 62 zurück/ blieb

bis Jan. 65 Ortwin Nöth Okt. 60/ bis Aug. 61

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Annemarie Malz- 2. Geige Jan. 60; ab 61 1. Geige/bis April 63 van den Bosch Cornelia Schreiber- April 61?/ bis Aug. 63 Rüschemeyer Sibylle Braunstein Mai bis Dez. 61 Ulrich Schuppe Sept. 61/ bis März 63 Dorothea Lipps Dez. 61 bis Febr. 62 Franziska Koszielny Studienleiterin? Konzertmeisterin/ Aug. bis Okt. 62 Hans Maile; Studienleiter März 63/ blieb bis Aug. 68 2. Geige Haye Hinrichsen 1. Geige schon ab Nov. 57; ab 58 Vorgeiger 2. Geige (ab 60

2. Konzertmeister/bis Aug. 63) Andreas Koch schon ab Jan 58?/ bis Febr. 59? Werner Starke Okt. 58/ ab 60 stellv. Vorgeiger/blieb bis Sept. 69 Sylvia Faesi-Ramacher Okt. 58/ bis Aug. 60/ Rückkehr Aug. 62/blieb bis Aug. 64 Herbert Lehmann 2. Geige Okt. 58 (ab Ende 59 1. Geige/ab 60 Vorgeiger 1.

Geige/ bis Aug. 62?) Egon Hauck Okt. 58/ bis Febr. 59 Ewald Dürfeld schon ab Nov. 57/ bis Juni 59 Georg Schmidt schon ab Okt. 57?/ zuerst Konzertmeister?/dann unklare

Zuordnung/ ab 59 stellv. Vorgeiger/ ab 60 Vorgeiger/ bis März 60;

Silvester Biechl Jan. 59/ bis April 61 Gerhard Voss nur Juli 59? Kaya Ileri Sept. 59/ bis Dez. 60 Gerald Reichert Okt. 59/ bis Aug. 62 Annemarie Malz- (ab 61 1. Geige bis April 63); 2. Geige Jan. 60 van den Bosch Arne Hungerland 1. Geige schon ab Nov. 57); ab 61 Vorgeiger 2. Geige (ab 62

Vorgeiger 1. Geige bis Mai 63) Gretel Heuschert-Rasch Febr. 61/ ab 63 1. Geige/ blieb bis Dez. 64 Boguslaw Segieth März 61/ bis Mai 62/ Rückkehr Nov. 63/blieb bis Nov. 65 Magdalena Kronthaler Sept. 61/ bis März 62 Walter Mottl Sept. 61/ bis Aug. 63 Herbert Wittlich Febr. bis Aug. 62 Hartwig Plawitzki März 62/ bis Aug. 63 Guido van den Bosch Jan 60 1. Geige; ab 62 Vorgeiger 2. Geige/bis April 63 Bratsche Walter Eichert Solobratscher/ schon ab Nov. 57/ bis Aug. 60 Friedrich Erb stellv. Solobratscher/ ab Okt. 58?/ bis Dez. 58? Gustav Kraut Okt. 58?/ ab 59 stellv. Solobratscher/ bis Aug. 59 Johannes Adam Okt. 58/ bis Aug. 59 Bär von Randow unklares Ausscheiden/Dez. 63 Rückkehr als Intendant;

schon ab Jan. 58/ ab 59 stellv. Solobratscher

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Wilhelm Niessen schon ab Nov. 57/ bis Jan. 61 Maria Prüss-Gebhart Dez. 58?/ ab 60/ 61 Solobratscherin/ bis April 63 Heinz Schlüter Sept. 59/ bis Febr. 61 Ulrich Hose Okt. 59/ bis Dez. 62 Franziska Grosch-Nippes Okt. 60/ bis Aug. 62 Gerhard Rehkopf stellv. Solobratscher/ März 61/bis Juli 62 Gerd Grigat Mai bis Aug. 61 Karla Hentschel-Kallensee Aug. 61/ bis Sept. 62 Karlheinz Heers Aug. 61/ bis Sept. 62 Rudolf Jäger Sept. 62/ blieb bis Febr. 64 Helga Rumohr Sept. 62/ bis Juni 63 Cello Siegfried Fiedler Solocellist/ Okt. 58/ ausgeschieden als Musikschul-Leiter in

Siegen erst März 69 Uwe Gebhart stellv. Solocellist/ schon seit Okt. 57/ bis Aug. 62 Jan Corazolla schon seit Nov. 57/ blieb bis Aug. 70 Paul Klose schon seit Okt. 57/ blieb bis Sept. 71 Georg Locher Okt. 58/ bis Sept. 59 Egmont Köhler Okt. 58/ bis Aug. 60 Bruno Bobinger Sept. 60/ bis Juni 61 Gerhard Dierig Sept. 60/ bis April 61 Armin-Fred Rietz Sept. 61/ bis Jan. 62 Hans-Ulrich Rasch Sept. 61/ blieb bis Sept. 63 Johannes Aeschbacher März 63/ blieb bis Okt. 63 Kontrabaß Raimund Walter Solobassist/ schon seit Okt. 57?/bis März 62 Bruno Leihs stellv. Solobassist/ schon seit Jan. 58/ ab 62 Solobassist/ bis

Juni 63 Otto Johanson Okt. 58/ ab 62 stellv. Solobassist/bis Aug. 63 Hubert Olbrich schon seit Okt. 57?/ bis April 62 Horst Sokoll März 62/ blieb bis Okt. 63 Roberto Benini Okt. 62/ blieb bis Juni 66 Harfe Brigitte Mathieu-Ziegler Okt. 58/ bis Aug. 59 Magdalene Schäk Aug. 62/ bis Aug. 63 Flöte Klaus Diederich; 1. schon seit März 58?/bis Aug. 60 Imants Elias-Ellings 2. Okt.58/ bis Aug. 63 Wolfgang Haupt 3./ 1., schon seit Aug. 58/ 1. ab 60/ bis Aug. 63

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Jürgen Kratsch 3./ 1. Okt. 60/ bis Jan 61 Bernhard Leesmeister 3./ 1. Jan 61/ bis Dez. 61 Angelika Laube-Haupt 3./ 1. Jan. 62/ blieb bis Dez. 63 Oboe Michael Scheck 1. schon seit Dez. 57/ bis Nov. 61 Klaus Büschler 2. Okt. 58/ bis Juni 61 Otfried Ruprecht 3./ 1. schon seit April 58/bis Aug. 60 Franz Behle 3./ 1. Sept. 60/1. ab Nov. 61/ bis April 62 Klaus Growe 2. Aug. 61/ bis Juni 62 Jürgen Schoroth 3./ 1. Nov. 61/1. ab April 62/ bis Sept. 62 Peter Hautzinger 2. Juni 62/ blieb bis März 64 Lothar Heuchler 3./ 1. Okt. 62/1. ab Okt. 62/ blieb bis zum Ruhestand Helmuth Nestler 3./ 1. Dez 62?/ bis Juli 63 Klarinette Klaus Holstein 1. schon seit Okt. 57/Ende 59 Bundeswehr/ Rückkehr Jan

61/ blieb bis ? Hans Drzymalla 2. Okt. 58/ 3./ 1. ab 60/ wieder 2. ab 61/ bis Aug. 61 Heinz Renner 3./ 1. Okt. 58/1. ab 60/ wieder 3./ 1. ab 61/ blieb bis Juni 66? Volker Brandenburger 2. Sept. 59/ bis Mai 60 Manfred Haase 2. Sept. bis Dez. 60? Josef Schwaiger 2. März 62?/ blieb bis Mai 70? Fagott Christoph Rüschemeyer 1. schon seit Okt. 57/bis Aug. 63? Dieter Schumann 2. Okt. 58/3./ 1. ab 60/ bis Okt. 60 Adolf Fischer 3./ 1. schon seit Nov. 57/bis Okt. 59 Dietrich Kallensee 3./ 1. Okt. 60/ bis Juli 61 Andreas Weigmann 3./ 1. Aug. 61/ bis Aug. 62 Axel Fürch 2. Febr. 62?/ blieb bis April 68 Bernd Neffgen 3./ 1. Sept. 62/ bis Aug. 63 Horn Hans Ramacher 1. schon seit Okt. 57?/ bis Aug. 60/ Rückkehr Aug. 62/ blieb

bis Aug. 64 Willy Rechsteiner 2. schon seit Nov. 57?/ 1. Aug. 60/ bis Dez. 60 Peter Görler 3./ 1. Okt. 58/ bis Dez. 60 Hartwig Metterhausen 4. offiziell erst Mai 58?/ bis Sept. 61 Günter Bartel 2. Mai 60/ blieb bis Sept. 65 Holger Lieberich 3./ 1. Jan. 61/ 4. ab Okt. 62/ blieb bis Sept. 63 Rolf-Dieter Stein nach Musikschule erst Studium/1. März 61/ bis Aug. 62 Günter Neumann 4. Jan. 62/ bis Sept. 62

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Siegfried Karow 3./ 1. Okt. 62/ blieb bis März 64 Trompete Heinz Rose 1. schon April 58?/ bis März 59? Hanns Wittling 2. schon ab Okt. 57?/ ausgeschieden durch Tod erst 67 Friedrich Kauffeld 3./ 1. Okt.58?/1. ab Sept. 59/ bis Jan. 61 Alfons Zocha 3./ 1. Sept. 59/ blieb bis zum Ruhestand Günter Fritz 1. Febr. 61/ blieb bis Juni 66? Posaune Werner Sesterhenn 1. offiziell erst Okt. 58?/ bis Okt. 60 Michael Elseg 2. schon seit Okt. 57/ bis Okt. 59 Gerhard Stein 3./ 1. offiziell erst Mai 58?/bis Aug. 60 Achim Held 2. Okt. 59/1. ab 60/ blieb bis zum Ruhestand Gert Ruff 3./ 1. Okt. 60/ bis Nov. 62 Heinz Schilling 2. Febr. 61/ blieb bis Dez. 67? Heinrich Zirkelbach 3./ 1. Nov. 62/ blieb bis zum Ruhestand Tuba Manfred Hoppert Okt. 58/ bis Aug. 59? Tuba/ Orchesterwart Heinz Diedrichsen meist unklarer Status/bis Jan. 61 Klemens Pröpper zunächst unklarer Status/offiziell Sept. 59?/ bis März 63 Pauke und Schlagzeug Wolfgang Cartier offiziell erst Okt. 58?/bis Aug. 63 Wolfgang Cordier letztes von der "Musikschule" übernommenes Mitglied:

offiziell erst Sept. 59/ bis Febr. 63 Folgende Namen tauchen in den Karteien als Mitglied während dieser Zeit auf, ohne daß der Autor sich an sie erinnert oder identifizieren kann: Hege Brahammar, Instrument?, März bis Juni 63 Heinz Gross, Horn?, nur Okt. 61? Gerhard Hammann, Horn?, Okt. bis Dez. 61? Bernd Köllner, Tuba?, März 63/ blieb bis Juni 66 Ilona Köllner, Stimmführerin 2. Geige?, März 63/blieb bis März 66 Helmut Lissok, Cello, Mai bis Aug. 63 Erich Müller, 2. Geige?, Nov. 61/ bis Febr. 62 Josef Niessen, Geige, April 63/, bis Sept. 63 Louis Onrust, Geige, Febr. bis Aug. 62 Rüdiger Rehn, Geige, Juni 63/ blieb bis Dez. 64

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Alois Schüller, Pauke, Apr. 63/ blieb bis Aug. 65 Raimund Schwalbach, Trompete, Okt. 59/ bis Dez. 60 Günther Tuguntke, Geige, Sept. 59/ bis Jan. 61 Adrian Wepfer, Bratsche, Mai bis Aug. 63 Folgende Mitglieder waren zwar noch im Aug. 58 (bei Eintritt des Autors in Bad Neuenahr) Mitglied, aber nicht mehr im Oktober 58 beim Dienstbeginn des erweiterten Orchesters: Christoph Richter, Violine, schon ab Dez. 57/ bis Sept. 58 Heinz Feldewerth, 2. Geige, schon ab Nov. 57/ bis Sept. 58 Karoly Tschurl, Bratsche, schon ab April 58/ bis Sept. 58 Klaus Grünow, 1. Flöte, schon ab Nov. 57/ bis Aug. 58 Henning Blaase, 1. Horn, schon ab Nov. 57/ bis Sept. 58 mit unklarem Status: Franz Kraus, 2. Oboe Zur Gruppe der Ungarn, die nach dem Aufstand von 1956 nach Hilchenbach und dann ins Orchester kamen, gehörten: Andreas Bonifert, Klarinette, vermutlich schon ab Okt. 57/bis Sept. 58 Michael Elseg, Posaune, schon ab Okt. 57/bis Okt. 59 Josef Schwartz, Horn, vermutlich schon ab Okt. 57/bis Sept. 58 Musikschüler: Es war im Rahmen dieser "Chronik" nicht möglich, das "Hineinwachsen" derer, die vorher "Musikschüler" waren, in das ab Herbst 1957 entstehende "selbständige" Orchester klar zu definieren und den Zeitpunkt ihres Wechsels präzise zu bestimmen. Aus ehemaligen Musikschülern wurden (in der Reihenfolge der vorstehenden Listen) zu Orchestermitgliedern: Heinz Schöbel, Violine Georg Schmidt, Violine Uwe Gebhard, Violoncello Paul Klose, Violoncello Raimund Walter, Kontrabaß Hubert Olbrich, Kontrabaß Klaus Holstein, Klarinette Hans Ramacher, Horn Hartwig Metterhausen, Horn Hanns Wittling, Trompete Werner Sesterhenn, Posaune Gerhard Stein, Posaune Heinz Diedrichsen, unklarer Status Klemens Pröpper, unklarer Status

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Wolfgang Cartier, Pauke und Schlagzeug Wolfgang Cordier, Pauke und Schlagzeug dazu: Henning Blaase, Horn (schied schon zum Oktober 58 aus) unklar: Wolfgang Kölbel, Violine (schied spätest Dez. 58 aus) Rolf-Dieter Stein, Horn (ging zunächst zum Studium und kehrte erst 1961 zurück) Was die Zeit ab Oktober 1957 anlangt, so tauchen die Namen der vorgenannten, reinen Orchestermitglieder ungefähr zu folgendem Zeitpunkt auf, darunter in Klammern einige Namen derer, die schon bald wieder ausschieden: Okt. 57 mit fraglichem Status die drei obengenannten Ungarn neu: Hartig, Violine (Mathiak, Kontrabaß) Rüschemeyer, Fagott Nov. 57 neu: Hungerland, Violine Feldewerth, Violine Dürfeld, Violine Eichert, Bratsche Niessen, Bratsche Corazolla, Violoncello Grünow, Flöte Fischer, Fagott Rechsteiner, Horn Dez. 57 neu: Hinrichsen, Violine Chr. Richter, Violine (Paschek, Flöte) Scheck, Oboe Jan. 58 neu: Vlach, Violine Grün, Violine v. Randow, Bratsche Leihs, Kontrabaß Apr. 58 neu: Lehmann, Violine Tschurl, Bratsche Diederich, Flöte

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Ruprecht, Oboe Rose, Trompete Aug. 58 neu: Haupt, Flöte Mit aller Vorsicht auf die Mitwirkenden des "1. Konzertes des neugegründeten Orchesters" Anfang Dezember 1957 in Siegen bezogen, die "Musikschüler" eingeschlossen, ergibt sich folgender Mitgliederbestand: 1. Geige: Schöbel/Hartig/Hinrichsen/Hungerland/Chr. Richter/ Kölbel? 2. Geige: Georg Schmidt?/ Feldewerth/ Dürfeld Bratsche: Eichert/ Niessen Cello: Gebhard/ Klose/ Corazolla Baß: Walter?/ Olbrich/ (Mathiak) Flöte: Grünow/ (Paschek) Oboe: Scheck Klarinette: Holstein/ Bonifert Fagott: Rüschemeyer/ Fischer Horn: Blaase/ Ramacher/ Rechsteiner/ Schwartz Trompete: Wittling Posaune: Sesterhenn/ Elseg Pauke (u. Schlagzeug): Cartier? Cordier?