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Zalandos rasantes Wachstum mit effizientem Controlling Jan Kemper, CFO der Zalando GmbH, zieht vier Jahre, nachdem aus einer Idee ein rasant wachsendes Unternehmen wurde, den Schluss: Rasantes Wachstum ist ohne ein effizientes Controlling nicht möglich. Im Dialog mit Utz Schäffer spricht er über Aufbau und Rolle von Controlling bei Zalando sowie die Herausforderun- gen in der Wachstumsphase. Jan Kemper im Dialog mit Utz Schäffer 46 Controlling & Management Review 4 | 2013 Spektrum | Im Dialog

Zalandos rasantes Wachstum mit effizientem Controlling

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Zalandos rasantes Wachstum mit effizientem ControllingJan Kemper, CFO der Zalando GmbH, zieht vier Jahre, nachdem aus einer Idee ein rasant wachsendes Unternehmen wurde, den Schluss: Rasantes Wachstum ist ohne ein effizientes Controlling nicht möglich. Im Dialog mit Utz Schäffer spricht er über Aufbau und Rolle von Controlling bei Zalando sowie die Herausforderun-gen in der Wachstumsphase.

Jan Kemper im Dialog mit Utz Schäffer

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Controlling bei Zalando – Die OrganisationHerr Kemper, Zalando ist ein rasant wachsender On - line-Händler. Was ist das Besondere am Controlling bei Zalando?Das Besondere bei Zalando ist, dass wir per se ein sehr zah-lengetriebenes Unternehmen sind. Im E-Commerce liegen Informationen minutengenau und sehr detailliert vor. Das er-öffnet viele Möglichkeiten. So können wir beispielsweise live verfolgen, wie sich unsere Abverkäufe europaweit entwickeln. Die vorhandene Informationstiefe heruntergebrochen bis auf Produktebene kommt uns außerdem bei der Anwendung der Deckungsbeitragsrechnung zugute. Hiernach können wir die einzelnen Bereiche folglich sehr genau steuern.

Zalando hat innerhalb von vier Jahren einen Jahresumsatz von über einer Milliarde Euro erreicht. Welche Implikatio-nen hatte Zalandos schnelles Wachstum für die Ausgestal-tung des Controllings?In den ersten Jahren hat Zalando ein außergewöhnliches Wachstum verzeichnet. Anfangs haben wir „nur“ Schuhe in Deutschland verkauft. Das war aus Controlling-Sicht recht einfach zu managen: ein Produkt in einem Land in einer Gesellschaft. Heute bietet Zalando über 150.000 Artikel aus sieben Produktkategorien in 14 Ländern an und ist als Kon-

zern aufgestellt. Dementsprechend ist das Controlling natür-lich deutlich komplexer geworden. Mit diesem Tempo mit-zuhalten war und ist sicherlich eine Herausforderung. Zum einen ermöglichen dies gute und motivierte Mitarbeiter, die das Team kontinuierlich voranbringen. Zum anderen ist die kontinuierliche Optimierung der Systeme grundlegend wich-tig. Zu Beginn haben wir uns beispielsweise auf Excel gestützt. Heute sind die meisten Berichte standardisiert und jederzeit aus den Systemen abrufbar.

Dr. rer. pol. Jan Kemper,geboren am 14.03.1980 in Würselen/ Aachen, begann seine Laufbahn im Invest-mentbanking bei der Credit Suisse und Morgan Stanley in Frankfurt/Main, London und Riad. Nach seiner Promotion an der RWTH Aachen ist er seit Herbst 2010 als CFO für die Zalando GmbH in Berlin tätig.

Zalando GmbH

Zalando ist Europas größter Online-Anbieter für Fashion- und Lifestyle-Produkte im Internet. Neben Schuhen und Bekleidung gehören Accessoires, Beauty-Produkte, Sport- und Wohnartikel von über 1.500 Mar-ken zum Sortiment. Zalando wurde 2008 von Robert Gentz und David Schneider gegründet und hat seinen Sitz in Berlin. Nach dem großen Erfolg in Deutschland werden seit 2009 auch die Nachbarländer beliefert. Mittler weile ist der Shop in 14 europäischen Märkten online.

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Wie ist das Controlling bei Zalando organisiert? Ist es stärker zentral oder dezentral aufgebaut?Zalando ist grundsätzlich ein zentral geführtes Unternehmen. Alle 14 Länder werden von unseren Berliner Büros aus ge-steuert. Das Controlling ist entsprechend zentral organisiert. In der Start-up-Phase bildeten sich allerdings auch dezentra-le Einheiten heraus, da viele der kurzfristigen Informations-bedürfnisse nur von speziellen Teams abgedeckt werden konnten. So bauten Abteilungen wie Marketing, Logistik oder Einkauf jeweils eigene Analyse- und Controlling-Teams auf, welche aber eng mit dem zentralen Finanz-Controlling zu-sammenarbeiten.

Sie sind innerhalb von vier Jahren von einem Start-up zu einem bedeutenden Spieler im Online-Handel geworden. Wie werden sich bei Zalando in Zukunft die Prozesse und Strukturen entwickeln?Unser Konzept hat sich rasant entwickelt, vom nationalen Online-Schuhhandel zum Anbieter von Fashion- und Life-style-Produkten in 14 europäischen Ländern. Wir haben quasi parallel an den entsprechenden Prozessen für die Expansion in internationale Märkte und weitere Produkt-kategorien gearbeitet. Jetzt sind wir in einer eher konsoli-dierenden Phase, in der die Strukturen weiter gestärkt wer-

den. Darunter fallen Infrastrukturprojekte, z. B. der Bau unseres zweiten eigenen Logistikzentrums in Mönchenglad-bach oder die Konsolidierung der Bürostandorte in Berlin. Zusätzlich arbeiten wir auch kontinuierlich an der Optimie-rung unserer Systeme. So haben wir in den letzten 18 Mona-ten unter anderem neben dem SAP-Haupt- und -Nebenbuch auch ein eigenes ERP-System in Betrieb genommen. Damit schaffen wir ein solides Fundament für unser zukünftiges Wachstum.

Da wir gerade von System-Einführung sprechen, habe ich noch eine Frage an Sie: Welchen Rat würden Sie jemandem geben, der eine System-Einführung plant?Ein ähnlich dynamisches Unternehmen wie Zalando sollte bei einer System-Einführung vor allem eines sein: präzise und schnell. Die Scoping-Phase sollte zwei, maximal drei Monate dauern. Dann muss die Umsetzung starten. Der Gesamtpro-zess sollte nicht mehr als fünf Monate in Anspruch nehmen. Das System sollte im Nachgang schrittweise optimiert werden.

„Alle 14 Länder werden von unseren Berliner Büros aus gesteuert.“

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Wo lagen die Herausforderungen für die Finanzfunktion, um die Finanzierung für ein so rasantes Wachstum sicher-zustellen?Wir legen großen Wert darauf, stets solide und ausgewogen finanziert zu sein. Neben dem Engagement unserer Fremd- und Eigenkapitalgeber ist allerdings auch ein qualitativ hoch-wertiges Controlling der Schlüssel zum Erfolg. Nur wenn vor allem die Cashflow-relevanten Kennzahlen sehr genau prog-nostiziert werden können, ist die Finanzfunktion effizient ausfüllbar. Gerade für ein junges, stark wachsendes Unterneh-men ist dies elementar.

Inwieweit wird das Controlling durch Anforderungen von Kapitalgebern oder eigene Ansprüche mit Blick auf einen möglichen Börsengang geprägt?Zuallererst: Ein Börsengang ist in der Zukunft sicherlich denkbar, steht momentan für uns aber nicht zur Debatte. Wir konzentrieren uns zurzeit auf den Aufbau nachhaltiger Struk-turen und Prozesse, denn wir wollen uns in Bezug auf inter-ne Kontrollen, Dokumentation, Tools oder Reportings nicht hinter etablierten Unternehmen dieser Größe verstecken müssen. Zum einen ist dies sicherlich im Sinne unserer Eigen- und Fremdkapitalgeber, zeugt aber vor allem von einer hohen Eigenmotivation, hier stets zu optimieren. Sollten wir den IPO

dann irgendwann initiieren, schaffen wir bereits heute die Voraussetzungen dafür.

Controlling bei Zalando – Seine RolleGerade haben wir darüber gesprochen, dass Controlling für das Wachstum von Start-ups unerlässlich ist. Wie viele Con-troller arbeiten mittlerweile bei Zalando? Was sind ihre Kernaufgaben? Hat sich verglichen mit dem Anfang ihre Rolle geändert oder wird sich ihre Rolle ändern?Die Rolle eines Zalando-Controllers hat sich in den letzten vier Jahren stark verändert. Zu Beginn waren fitte Excel-Pro-fis gefragt, die täglich hauptsächlich Ad-hoc-Aufgaben erle-digten. Heute, nachdem die Strukturen und Prozesse deutlich standardisierter ablaufen, brauchen wir verstärkt Spezialisten, die bestimmte Teilbereiche voranbringen.

Wir haben vorhin gelernt, dass Controller zentral agieren, aber auch dezentral aufgestellt sind. Wie schafft Zalando einen gemeinsamen Controlling-Spirit für dezentral auf-gestellte Controller?Ein gemeinsamer Controlling-Spirit wird letztendlich über zwei Aspekte geschaffen. Erstens etablieren wir Kennzahlen und Tools, die unternehmensweit anerkannt sind und sowohl zentral als auch dezentral genutzt werden. Zweitens sind die

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kommunikative Verzahnung und der fachliche Austausch unter unseren Controllern unerlässlich. Das Rad muss nicht jeweils neu erfunden werden. Das spart viel Zeit für das Management und auch für das Controlling selbst.

Jeder, der an Zalando denkt, hat sicherlich ein Bild von schreienden Kunden vor Augen. Messen Sie die Erfolge Ihrer Marketing-Aktivitäten? Welche Rolle spielt das Mar-keting-Controlling bei Zalando?Natürlich messen wir den Erfolg von Marketing-Aktionen sehr genau und leiten daraus unmittelbare Maßnahmen ab. Viele Unternehmen allokieren ihr Marketingbudget monat-lich, quartalsweise oder halbjährlich fest, um abschließend zu schauen, wie erfolgreich sie waren und wie sie optimieren können. Bei Zalando messen wir den Marketingerfolg viel

granularer, um jederzeit möglichst effektiv und effizient aus-zusteuern. So können Budgets täglich zwischen den verschie-denen Marketingkanälen verschoben werden. Die zweite wichtige Kalkulationsgröße ist der Customer Lifetime Value. Wir möchten Neukunden zu Stammkunden machen, darauf richten wir auch die Investitionen in unsere Marketing-Akti-vitäten aus. Denn auch die besten Werbeaktionen nutzen uns wenig, wenn wir den Kunden anschließend nicht von un-serem Angebot überzeugen können. Wir arbeiten deshalb täglich an allen Prozessen im gesamten Unternehmen, vom Einkauf über die Logistik bis zum Customer Service, um den Kunden ein noch besseres Einkaufserlebnis zu ermöglichen.

Zalando ist ja ein aufstrebendes Unternehmen im Online-Bereich. Social Media ist bei Ihnen sicherlich ein Thema. Steuern Sie aus dem Controlling heraus auch Social Media?Das ist in der Tat ein wichtiges Thema. Es wird allerdings nicht von unserem zentralen Finanz-Controlling gesteuert, sondern dezentral aus dem Marketing heraus.

Vom Start-up zur HandelsgrößeSie werben mit einem kostenlosen Versand der Ware. Wie rechnet sich dieses Geschäftsmodell?Der kostenlose Versand stellt für uns kein Problem dar, son-dern ist nach unserem Verständnis elementarer Bestandteil des Fashion E-Commerce und deshalb fest in unserem Ge-

schäftsmodell verankert. Gehen wir einen Schritt zurück, um das Ganze zu erklären: Historisch betrachtet hat der On-line-Handel mit klassischen, nicht emotional aufgeladenen Gütern wie Büchern oder CDs angefangen. Für diese Pro-dukte sind die Margen viel geringer als für Schuhe oder Be-kleidung. Wir haben deshalb einen größeren Spielraum, wenn es um die Deckung unserer Aufwendungen geht. Die-ser Vorteil ermöglicht es uns zum Beispiel auch, den Ver-sand für unsere Kunden zu übernehmen. Damit gleichen wir teilweise auch die entstehenden Unterschiede im Shopping-Erlebnis aus. Denn Mode ist ein sehr emotionales Produkt, und unsere Kunden dürfen bequem zu Hause entscheiden, ob ihnen ein Produkt passt und gefällt. Daraus sollen ihnen keine Nachteile entstehen. In unserer Kernregion DACH (Deutschland, Österreich, Schweiz) haben wir 2012 den Break-Even erreicht und somit unter Beweis gestellt, dass unser Modell funktioniert.

Wo sehen Sie Zalando in zehn Jahren? Worin bestehen die weiteren Herausforderungen für die Zukunft?Unser primäres Ziel für die nächsten Jahre ist es, die Position von Zalando in den bereits etablierten Märkten weiter zu stär-ken und das Angebot in unseren bestehenden Produktkate-gorien stetig auszubauen. Hierfür ist es im ersten Schritt notwendig, nachhaltige Strukturen und Prozesse zu schaffen. Wir möchten von unseren Kunden in ganz Europa als klare Präferenz für Online-Shopping gesehen werden und ver-suchen deshalb jeden Tag, unser Einkaufserlebnis weiter zu ver bessern – vom Sortiment über den Web-Shop bis hin zur schnellen Lieferung. Mit unserem Wachstum nimmt dabei natürlich auch die Komplexität der Strukturen zu, das wird beispielsweise in der Logistik deutlich. Wir bilden deshalb schon heute viele unserer Prozesse bereits vollständig inhouse ab, um uns entsprechendes Know-how anzueignen und das Unternehmen langfristig aufzubauen.

Herr Kemper, herzlichen Dank für das Gespräch.

„Wir sind per se ein sehr zahlengetriebenes Unternehmen.“

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Controlling im Handel – Innovative Ansätze und Praxisbeispiele

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Michael Buttkus, Altfrid Neugebauer (Hrsg.)Controlling im HandelInnovative Ansätze und Praxisbeispiele

2012. XXIV, 327 S. mit 116 Abb. Br. € (D) 49,95ISBN 978-3-8349-3083-5Wirtschaftliche Schwierigkeiten und Insolvenzen namhafter Handelsunternehmen in jüngster Zeit zeigen: Es genügt nicht mehr, Waren in Katalogen und Verkaufsräumen zu präsentieren, in der Hoffnung darauf, dass sich mit zunehmender Sortimentsbreite auch Konsumenten fi nden. Aufgrund des massiven Wettbewerbs lassen sich Preissteigerungen nur schwer durchsetzen, gleichzeitig sind Maßnahmen zur Kostenreduzierung bereits bis zur Schmerzgrenze ausgereizt. Um langfristig am Markt zu bestehen, muss sich der Handel jetzt mit neuen Strategien ausein-andersetzen. Die Umsetzung innovativer Konzepte wird jedoch meist nur stiefmütterlich be-trieben. Ziel dieses Buches ist es, einen Überblick zur Steuerungssystematik von Handelsunter-nehmen zu geben und praxisbewährte Lösungsansätze anzubieten. Die Autoren geben Ein-blick in ihre fundierte Erfahrung aus Industrie- und Beratertätigkeit und beschreiben anschau-lich in der Praxis umsetzbare Ansätze, die gerade in traditionellen Handelsunternehmen (noch) nicht verbreitet sind.

Der Inhalt Steuerungsinstrumente im Handel Planung im Handel Reporting im Handel Unterstützende Systeme: IT im Handel Change Management

Die HerausgeberMichael Buttkus ist Principal bei Horváth & Partners und leitet das Business Segment Handel und Konsumgüter. Seine Beratungserfahrungen liegen in den Bereichen Controlling und Finance, Prozessmanagement und Organisation sowie der strategischen Unternehmenssteuerung.Altfrid Neugebauer ist Senior Partner bei Horváth & Partners und verantwortet übergreifend Beratungsprojekte der Segmente Industrie, Handel und Konsumgüter. Er berät Kunden insbe-sondere in Fragen der Unternehmenssteuerung und des Prozess- und Organisationsdesigns.

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