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L y d i a 4 / 2 0 0 9 3 GANZ persönlich Loslassen lernen Schon vor dem Frühstück setze ich mich im Mor- genmantel an meinen Schreibtisch zu Hause. Es ist höchste Zeit für mein Editorial. Ich starre aus dem Fenster und bitte Gott: „Gib mir ein Wort, eine Idee!“ Nichts. Gar nichts kommt mir in den Sinn. Nach einer Weile komme ich mir ein bisschen komisch vor. Deshalb ziehe ich meine Turnschuhe an und gehe hinaus in den Wald, der gleich hinter unserem Haus liegt. Beim Spazierengehen fällt mir ein, dass wir gera- de eine Leserumfrage mit tausend Umfragebögen durchgeführt haben. Eine der Fragen lautete: „Wel- che Themen würden Sie gern in LYDIA behandelt sehen?“ Die häufigsten Antworten lauteten: ‚Loslas- sen‘ und ‚Tod‘. Loslassen – bei diesem Wort tauchen Bilder aus meiner Kindheit in mir auf. Ich frage mich, was meine Mutter an jenem Weihnachtstag empfand, als ich 16 Jahre alt war und einen Blinddarmbruch hatte. Die Ärzte wussten nicht, ob ich überleben würde. Die Chancen standen nicht gut. Auf die Entzündung folgten Komplikationen. Meine Mutter hatte das Gefühl, uns blieb nicht mehr viel Zeit, und so rief sie einen Geistlichen und bat ihn, mir zum letzten Mal das Abendmahl zu geben. Als er mich segnete, war ich mir sicher: Jetzt komme ich in den Himmel! Dann hörte ich, wie meine Mutter unter Tränen betete: „Gott, ich gebe sie dir zurück. Ich lege sie in deine Hand.“ Der nächste Morgen hielt für uns alle eine Überra- schung bereit: Ich saß aufrecht in meinem Bett und sagte: „Ich habe Hunger!“ Wie oft liegen die glücklichsten und die traurigsten Momente dicht nebeneinander, wie zwei Eisenbahn- schienen an einem Gleis! Das ist auch zu Weihnachten der Fall. Für uns Menschen mag es das fröhlichste Fest sein, denn wir feiern das größte Geschenk, das Gott uns gegeben hat. Doch was fühlte wohl unser Vater im Himmel, als er seinen Sohn Jesus in unsere kalte, hartherzige Welt schickte? Sicher fiel es auch ihm nicht leicht los- zulassen, obwohl alles vor Anbeginn der Welt geplant war. Haben Sie sich jemals gefragt, warum Gott solch ein unbekanntes Dorf wie Bethlehem für die Geburt seines Sohnes aussuchte? Verpassen Sie nicht den Artikel „Warum Bethlehem?“ (S. 20–23). Für uns ist es eine Überraschung, dass Gott diesen Ort wählte, doch für ihn nicht. Bereits vor der Erschaffung der Welt war es Teil seines erstaunlichen Plans. Auf Seite 58–61 lesen Sie vom „Countdown des Lebens“. Maralyn war eine meiner langjährigen Freundinnen. Bewegt verfolgte ich ihr Internet- Tagebuch, in dem sie ihre Leser daran teilhaben ließ, wie sie sich auf den Himmel vorbereitete. Ihr Glaube war stark, als sie starb. Sie liebte das Leben, aber sie sehnte sich auch nach ihrem himmlischen Zuhause. Was für eine wunderbare Aussicht! Das Leben ist mehr als nur ein paar flüchtige Jahre, und wenn wir unsere heutigen Probleme aus der Per- spektive der Ewigkeit betrachten, wirken sie kleiner und kleiner. Was ist das Wort für uns heute? Wir können Gott alles anvertrauen, was unser Herz schwer macht, und es in seine Hände legen. Denn wenn wir etwas loslassen, heißt das nicht, dass es verloren ist. Bei ihm ist es gut aufgehoben. Wie gut, dass er entscheidet, was er uns zurückgibt und was er in der Ewigkeit für uns aufbewahrt. Werfen Sie einen kurzen Blick zurück. Sehen Sie, wie weit Sie im Leben schon gekommen sind? Sie sind durch viele unterschiedliche Lebensphasen gegangen. Jetzt bittet Gott Sie, ihm erneut zu ver- trauen. An seiner Hand können wir loslassen. Er bringt uns ans Ziel. Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Weihnachts- fest. Und ich möchte mich von Herzen bedanken, dass Sie sich die Zeit nehmen, LYDIA zu lesen, und die Zeitschrift auch weiterverschenken. Mit herzlichen Grüßen, Elisabeth Mittelstädt

Zeitschrift Lydia - 4/2009

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In der Zeitschrift LYDIA erwarten Sie bewegende Erfahrungsberichte, spannende Interviews, Infos über Trends, Tipps zu Alltagsfragen und vieles mehr. Menschen erzählen offen, wie sie Schwierigkeiten und Ängste überwinden, wie sie Gott begegnen und Erstaunliches erleben. Genießen Sie erfrischenden Rückenwind für die Herausforderungen des Lebens. Mit jeder Ausgabe bringt LYDIA Inspiration und Ermutigung direkt vor Ihre Haustür!

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g a n z persönlich

Loslassen lernen

Schon vor dem Frühstück setze ich mich im Mor-genmantel an meinen Schreibtisch zu Hause. Es ist höchste Zeit für mein Editorial. Ich starre aus dem Fenster und bitte Gott: „Gib mir ein Wort, eine Idee!“ Nichts. Gar nichts kommt mir in den Sinn. Nach einer Weile komme ich mir ein bisschen komisch vor. Deshalb ziehe ich meine Turnschuhe an und gehe hinaus in den Wald, der gleich hinter unserem Haus liegt.

Beim Spazierengehen fällt mir ein, dass wir gera-de eine Leserumfrage mit tausend Umfragebögen durchgeführt haben. Eine der Fragen lautete: „Wel-che Themen würden Sie gern in LYDIA behandelt sehen?“ Die häufigsten Antworten lauteten: ‚Loslas-sen‘ und ‚Tod‘.

Loslassen – bei diesem Wort tauchen Bilder aus meiner Kindheit in mir auf. Ich frage mich, was meine Mutter an jenem Weihnachtstag empfand, als ich 16 Jahre alt war und einen Blinddarmbruch hatte. Die Ärzte wussten nicht, ob ich überleben würde. Die Chancen standen nicht gut. Auf die Entzündung folgten Komplikationen. Meine Mutter hatte das Gefühl, uns blieb nicht mehr viel Zeit, und so rief sie einen Geistlichen und bat ihn, mir zum letzten Mal das Abendmahl zu geben. Als er mich segnete, war ich mir sicher: Jetzt komme ich in den Himmel!

Dann hörte ich, wie meine Mutter unter Tränen betete: „Gott, ich gebe sie dir zurück. Ich lege sie in deine Hand.“

Der nächste Morgen hielt für uns alle eine Überra-schung bereit: Ich saß aufrecht in meinem Bett und sagte: „Ich habe Hunger!“

Wie oft liegen die glücklichsten und die traurigsten Momente dicht nebeneinander, wie zwei Eisenbahn-schienen an einem Gleis!

Das ist auch zu Weihnachten der Fall. Für uns Menschen mag es das fröhlichste Fest sein, denn wir feiern das größte Geschenk, das Gott uns gegeben hat. Doch was fühlte wohl unser Vater im Himmel, als er seinen Sohn Jesus in unsere kalte, hartherzige Welt schickte? Sicher fiel es auch ihm nicht leicht los-zulassen, obwohl alles vor Anbeginn der Welt geplant war.

Haben Sie sich jemals gefragt, warum Gott solch ein unbekanntes Dorf wie Bethlehem für die Geburt seines Sohnes aussuchte? Verpassen Sie nicht den Artikel „Warum Bethlehem?“ (S. 20–23). Für uns ist es eine Überraschung, dass Gott diesen Ort wählte, doch für ihn nicht. Bereits vor der Erschaffung der Welt war es Teil seines erstaunlichen Plans.

Auf Seite 58–61 lesen Sie vom „Countdown des Lebens“. Maralyn war eine meiner langjährigen Freundinnen. Bewegt verfolgte ich ihr Internet-Tagebuch, in dem sie ihre Leser daran teilhaben ließ, wie sie sich auf den Himmel vorbereitete. Ihr Glaube war stark, als sie starb. Sie liebte das Leben, aber sie sehnte sich auch nach ihrem himmlischen Zuhause. Was für eine wunderbare Aussicht! Das Leben ist mehr als nur ein paar flüchtige Jahre, und wenn wir unsere heutigen Probleme aus der Per-spektive der Ewigkeit betrachten, wirken sie kleiner und kleiner.

Was ist das Wort für uns heute? Wir können Gott alles anvertrauen, was unser Herz schwer macht, und es in seine Hände legen. Denn wenn wir etwas loslassen, heißt das nicht, dass es verloren ist. Bei ihm ist es gut aufgehoben. Wie gut, dass er entscheidet, was er uns zurückgibt und was er in der Ewigkeit für uns aufbewahrt.

Werfen Sie einen kurzen Blick zurück. Sehen Sie, wie weit Sie im Leben schon gekommen sind? Sie sind durch viele unterschiedliche Lebensphasen gegangen. Jetzt bittet Gott Sie, ihm erneut zu ver-trauen. An seiner Hand können wir loslassen. Er bringt uns ans Ziel.

Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Weihnachts-fest. Und ich möchte mich von Herzen bedanken, dass Sie sich die Zeit nehmen, LYDIA zu lesen, und die Zeitschrift auch weiterverschenken.

Mit herzlichen Grüßen,

Elisabeth Mittelstädt

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A R T I K E L

anja LehmannTitelfoto: Simone Fischer-Trefzer

www. lyd ia .net

Liebe das Leben

Interview – Seite 6

6 Liebe das Leben! Schönheit genießen und das eigene Potenzial entdecken. Interview mit Anja Lehmann

12 Der „Sternengucker“ – Elisabeth Büchle

15 Sekunden vor dem Tod – Noreen Riois

20 Warum Bethlehem? – Dr. David Jeremiah

28 Endlich wieder gut schlafen! Roswitha Wurm

32 arbeitslos – und doch hoffnungsvoll Wie mein Mann und ich nach der Kündigung Gottes Trost und Treue erleben – Ingrid Witte

34 geborgen auch im alter Wie ich Gottes Versor-gung erlebe – Hannelore Risch

36 Ich weiß kaum, wie ich meine Rechnungen bezahlen soll Kann ich trotzdem meinen Zehnten geben? – Sandra Brezoianu

37 Mein 70/30-Prinzip Elisabeth Mittelstädt

40 Vater der Waisen, Helfer der Witwen Heiderose Hofmann

44 Ich bin unsichtbar – Nicole Johnson

48 Mila, meine kleine Katze – Erika Korinth

50 Weihnachten – zeit der Versöhnung Rick Warren

56 Das Haus unseres Vaters – Anne Graham Lotz

58 Der Countdown des Lebens Wenn Sie nur noch drei Tage Zeit hätten ... und nichts zu bereuen – Maralyn Mathias

64 Seitensprung: Kein Tabu-Thema Wie Reden unsere Ehe schützt und stärkt – Silke Stattaus

66 Ehe: Wir stehen zusammen – Ken Tada

Vater der Waisen, Helfer der Witwen Seite 40

I N H A L TWeihnachten –Zeit der VersöhnungSeite 50

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R U B R I K E N

Der Countdown des LebensSeite 58

Seitensprung: Kein Tabu-ThemaSeite 64

3 ganz persönlich Loslassen lernen Elisabeth Mittelstädt

10 Im Blickpunkt Bücher und CDs

18 nachgefragt Die Lust am Leben verloren Annemarie Pfeifer

23 Liebe Leser

26 girl Talk Der Preis der Freiheit Sabatina James

38 Meine Meinung Wie sorgt Gott für Sie in Zeiten finanzieller Not?

46 Unter uns Müttern Goldene Kamele und rosa Wohnungen – Saskia Barthelmeß

48 Schmunzeln mit LYDIa

63 LYDIa Kreativ – Imke Johannson

68 Meine geschichte Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah – Gabriela Koepsell

72 Heilige heute Frauen wie wir Unfreiwillig Single Wencke Bates Single: Wenn die Sehnsuchtsglocke klingelt

Katharina Baecke und Frauke Bielefeldt

76 Für Sie notiert Infos und Trends – wer und was

80 Briefe an LYDIa

81 Impressum

81 Sag mal, ... Fragen an Ruth

82 nachgedacht Gib meinem Abgrund eine Himmelsleiter – Britta Laubvogel

84 zu guter Letzt Heimweh Maria-Magdalena Durben

I N H A L T

Warum Bethlehem?Seite 20

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Warum in die Ferne schweifen, wenn

das Gute liegt so nah

Gabriela Koepsell

Auf der Suche nach Gott engagierte ich mich in der Politik, studierte Psychologie und Theologie, pilgerte in Indien zur Quelle des Ganges und erforschte den Markt

der esoterischen Möglichkeiten.

Manchmal glauben wir, dass das, wonach wir uns sehnen, nur in weiter Ferne zu finden sei.

Dabei übersehen wir vielleicht das wahrhaft Gute, das uns oft viel näher ist, als wir ahnen,

und nur darauf wartet, von uns entdeckt zu werden. Meine Lebensreise führte mich in so

manches Abenteuer, bis der langen Zeit der Suche endlich ein Finden folgte.

Mein Leben begann – von Euro-pa aus betrachtet – in der Ferne, nämlich im schönen, warmen Mexiko. Mein Vater,

ein Deutscher, war nach dem Zweiten Welt-krieg der Einladung gefolgt, an der deutschen Schule in Mexico-City zu unterrichten. Kaum angekommen, verliebte er sich in eine dunkel-haarige Pharmazie-Studentin aus Guatemala, gekürte Schönheitskönigin der dortigen Uni-versität. Mit viel Charme und etwas Raffines-se bat er sie, ihn in Spanisch zu unterrichten: Da er als Junglehrer leider noch nicht über ein ausreichendes Gehalt verfüge, wolle er sie statt einer Bezahlung lieber öfters zu interessanten Veranstaltungen einladen. Die Rechnung ging auf. Sie heirateten, und 1958 wurde ich als zweite von drei Schwestern geboren.

Später lebten wir dann bis zu meinem zehn-ten Lebensjahr im kleinen Nachbarland Gua-

temala. Als Kinder genossen wir abenteuer-liche Reisen mit unseren Eltern zu entlegenen Indianerdörfern und zu im Dschungel verbor-genen Maya-Pyramiden. So manche Nacht wurde ich unsanft geweckt: „Der Pacaya spuckt!“ Mitten in der Nacht fuhren wir dann möglichst nah an den Vulkan heran, der uns in der Dunkelheit ein faszinierendes Schauspiel aus Feuer und Lava bot.

Verlorene Heimat – enttäuschte IdealeAls ich zehn Jahre alt war, zogen wir nach

Deutschland. Meine ganze vertraute Welt musste ich zurücklassen. Meine neue Heimat war mir fremd. Wie sollte ich in einem Land leben, das so kalt war und in dem die Sonne nur ab und zu ein Gastspiel zu geben schien?

Heute glaube ich, dass meine Suche schon damals begann: die Suche nach der verlorenen Heimat. Sie führte mich in viele Abenteuer

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g e s c h i c h t e

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und durch unterschiedliche Lebensphasen. Als ich 16 war, begann ich, aktiv nach dem Sinn des Lebens zu suchen. Ich engagier-te mich mit viel Idealismus in der Politik. Ich wollte die Welt verändern! Auf dem Schulhof verteilte ich politische Flyer, lud zu Demonstrationen gegen Atomenergie ein und besetzte mit unserer „Initiativgrup-pe für ein selbstverwaltetes Jugendhaus“ ein leer stehendes ehemaliges Postgebäu-de. Nach dem Abitur wollte ich Soziologie studieren, um mich dann in einem sozial-politischen Projekt in Mexiko zu engagie-ren. Die Regierung, so hatte ich gehört, ver-teile Land an besitzlose Bauern. Das klang doch wunderbar! Eine Reise in meine alte Heimat brachte rasch Ernüchterung. Das Projekt scheiterte an den korrupten und teilweise gewalttätigen politischen Verant-wortlichen. Ich erkannte unter Schmerzen, was ich vorher nicht wahrhaben wollte: Die schönsten gesellschaftspolitischen Utopien und Programme scheitern immer wieder an demselben Hindernis: dem Menschen.

Auf der Suche nach IdentitätWer ist er denn, der Mensch? Was macht

den Menschen zum Menschen? Wovon werden wir in unserem Innersten bestimmt? Wie finden wir unsere wahre Identität?

Diese Fragen drängten sich mir gerade-zu auf. So begann ich, Psychologie zu stu-dieren. In meinen Professoren hoffte ich kompetente Antwortgeber und persönliche Vorbilder zu finden. Auch hier ließ die Ent-täuschung nicht lange auf sich warten. Die Lehrenden waren hoffnungslos unterei-nander zerstritten. Schließlich beging einer meiner Professoren Selbstmord. Was konn-te ich von diesen Menschen lernen? All ihr psychologisches Wissen schien sie dem Sinn menschlichen Daseins keineswegs näher gebracht zu haben. Die Antworten, die ich suchte, konnte die Psychologie mir offen-sichtlich nicht geben.

Glücksgefühle und SchreckensweltenSo suchte ich weiter. Konnte ich dem

Geheimnis „Mensch“ vielleicht in einer tieferen Bewusstseinsschicht auf die Spur kommen? Ich begann, verschiedene Drogen auszuprobieren – nicht, um der Wirklich-keit zu entfliehen; vielmehr hoffte ich, dass

die sogenannten bewusstseinserweiternden Drogen mir ein Tor zu einer verborgenen inneren Welt eröffnen würden.

Was habe ich gefunden? Zunächst eini-ge atemberaubend schöne Erlebnisse auf der Insel Juist. Ich schien förmlich mit der Natur zu verschmelzen. Alles war eins. Alles lebte. Alles war in Bewegung. Farben über Farben. Der Himmel, das Meer, die Sonne, alles leuchtete in paradiesischer Schönheit. So muss es im Himmel sein, dachte ich.

Drogen versprechen den Himmel und füh-ren in die Hölle. Das erfuhr ich nur wenig spä-ter in einem einsamen Haus in Ostfriesland. Mit meinem damaligen Freund nahm ich ein weiteres Mal eine halluzinogene Droge ein. Doch diese Reise führte uns nicht in das ver-meintliche Paradies, sondern in dunkle und zerstörerische Welten. Ja, alles war intensiver als normal, aber jetzt verstärkte sich alles zum Negativen. Plötzlich war es nicht mehr beglückend, sondern extrem bedrohlich, dass sich alles um uns herum bewegte. Denn in dieser Welt gab es nur finstere Gestalten und finstere Gefühle. Wir konnten den Trip nicht steuern und nicht stoppen. Angst, Schrecken, Panik bemächtigten sich unser. Wo war Hilfe? Ich hatte Angst, verrückt zu werden oder zu sterben.

Was konnte mich jetzt noch retten? Plötzlich hatte ich einen inneren Impuls. Ich wusste auf einmal: Das Einzige, was mir helfen konnte, war eine Kraft, die stärker war als diese grauenvollen Mächte. Und diese Kraft hieß Liebe! Ich war selbst über-rascht über diese plötzliche Erkenntnis. Ich legte mich auf das Sofa, machte die Augen zu, nahm alle Willenskraft zusammen und konzentrierte mich auf diese Liebe. Vollkommen reine, selbstlose Liebe. Ich konnte nicht mehr reden, also schrieb ich meinem Freund dieses Wort auf einen Zet-tel: LIEBE! Heute glaube ich, dass es Jesus war, der damals eingegriffen hat. Denn nur er ist die selbstlose Liebe, und nur die Kraft seiner Liebe treibt alle Furcht aus (1. Johannes 4,18). Nach dieser schrecklichen Erfahrung stand für mich ein für alle Mal fest: Nie wieder Drogen! Doch meine Fra-gen waren immer noch da und verlangten immer dringlicher nach einer Antwort.

Sehnsucht nach SpiritualitätObwohl ich durch mein Elternhaus keine

christliche oder religiöse Sozialisation genos-

sen habe, brach sich jetzt die Frage nach der spirituellen Dimension menschlichen Lebens in mir Bahn. Es musste so etwas wie eine höhere, geistliche Ebene geben. Vielleicht auch eine höhere Macht? Eine religiöse Sehnsucht begann sich in mir zu regen. Nur: Wo sollte ich suchen? Wo lebten denn die Menschen bewusst in Verbindung mit der geistlichen Welt? Ich entschied mich, nach Indien zu reisen. Diese fremde, mystisch-religiöse Welt faszinierte mich.

Warum habe ich nicht zuerst im christ-lichen Glauben nach Gott gesucht? Die einzige nähere Begegnung mit dem christ-lichen Glauben hatte ich im Konfirmanden-unterricht gehabt. Und meine Erinne-rungen an diese Zeit bestanden vor allem aus Sätzen wie: „Du musst …“; „Du sollst …“; „Du darfst nicht …“ Als ich später selbst anfing, nach Gott zu fragen, kam ich nicht einen Moment auf die Idee, dass das, was ich so dringend suchte, im christlichen Glauben zu finden sein könnte!

Zweimal reiste ich nach Indien. Das zwei-te Mal war ich fest entschlossen, Gott zu finden. Ich reiste allein. Denn ich war über-zeugt: Gott kann nur jeder für sich selbst fin-den. Ich wollte vollkommen in die religiöse Welt eintauchen, ganz ohne Ablenkung.

Ich pilgerte den Ganges, den heiligen Fluss der Hindus, entlang. Von der Mün-dung in Kalkutta über die heilige Stadt Benares bis in das heiligste Gebiet im Hima-laya. Dort, wo ein hinduistisches Kloster am andern liegt, hoffte ich, Gott zu finden. Ich stand um fünf Uhr morgens auf und machte bei Sonnenaufgang in einem Kloster Yoga, ich las religiöse Schriften, meditierte viel und suchte hinduistische Eremiten in ihren Höhlen auf. Aber ich fand nicht, was ich suchte.

Allein im HimalayaSchließlich entschied ich mich, bis zur

Quelle des heiligen Flusses hochzuwan-dern. Ich wollte sie unbedingt finden, die Quelle des Lebens! Eine diffus-mystische Sehnsucht brannte in mir. War das, was ich suchte, vielleicht dort zu finden?

Da kein anderer der westlichen Reisen-den diesen sehr beschwerlichen und gefähr-lichen Weg auf sich nehmen wollte, ging ich allein. Immer höher und höher. Ohne spezielle Ausrüstung, ohne menschlichen oder schriftlichen Wanderführer und ohne

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Wanderschuhe. Ich hatte mir eine blutige Bronchitis zugezogen, und die Nächte in den Pilgerstationen waren eiskalt. Es gab keinen Weg, man musste von Felsen zu Fel-sen kraxeln. Das war nicht ungefährlich, da einige Felsbrocken wackelig waren. Längst hatte ich die Vegetationsgrenze hinter mir gelassen. Das Einzige, was zu hören war, waren die ab und zu herabkullernden Fels-brocken und das Rauschen des sich mittler-weile als Bach dahinschlängelnden, sonst so mächtigen Stromes. Ich war vollkommen allein im Himalaya. Ich hatte keine Angst, denn die Sehnsucht nach Gott brannte in meinem Herzen und war stärker.

Das Naturereignis, das sich mir an der Quelle bot, war wunderschön. Der Ganges entspringt direkt einer gewaltigen Gletscherhöhle, die umgeben ist von weißen Glitzer-steinen. Aber Gott? Ihn fand ich nicht.

Theologiestudium und OrakelZurück in Deutschland, begann

ich mit dem Studium der Religi-onswissenschaft und der Theolo-gie. Wenn ich all das studiert hätte, was Menschen jemals über Gott in Erfahrung gebracht haben, dann müsste ich doch wissen, wer Gott sei und wie man ihn finden könnte! Aber bald erkannte ich: Die Bilder von Gott und die in den verschiedenen Religionen praktizierten Wege waren zu unterschied-lich, als dass ich hier verlässliche Antworten für mich hätte finden können. Außerdem merkte ich, dass mich die wissenschaftlichen Studien über Gott einer eigenen Gotteser-fahrung keineswegs näher brachten. Also suchte ich weiter. Ich tauchte tief ein in die esoterische Welt. Ich ließ mich auf fast alles ein, was der damalige Markt zu bieten hatte: verschiedene Meditationstechniken, scha-manistische Heilmethoden, Reiki, Orakel, spiritueller Tanz. Ich investierte viel Zeit, viel Hoffnung und viel Geld. Aber je mehr ich mich diesen spirituellen Wegen und Kräften öffnete, desto weiter, so schien es, entfernte ich mich von meinem eigentlichen Ziel: Gott.

Meine Welt wurde immer enger, dunkle Mächte schienen nach und nach immer stärker mein Leben zu dominieren. Ich

hatte eine ständige innere Unruhe und Anspannung. Ich konnte nachts nicht mehr schlafen. Eine dunkle Wolke lag schwer auf meinem Leben. Das Schlimmste war: Ich wusste, hier kann mir kein Mensch mehr heraushelfen! Kein Mensch hat die Macht, mich diesen Kräften zu entreißen, die mein Leben mittlerweile fest im Griff zu haben schienen. Gab es Rettung? Wo gab es Ret-tung? Gab es Gott? Wo war Gott!?

Überraschende AnkunftEndlich, so glaube ich heute, hat Gott

sich meiner erbarmt. Studienfreunde von mir wurden Christen, und jedes Mal, wenn ich sie besuchte, schien es heller aus ihnen

herauszuleuchten. Sie erzählten mir von Jesus Christus. Er sei auch heute real erfahr-bar, und in ihm hätten sie Gott gefunden.

Was hatte ich zu verlieren? Nach einiger Zeit ging ich mit in einen Abendgottes-dienst in der Petrikirche in Hamburg. Bis zu tausend Christen kamen dort zusam-men. Ich weiß es noch wie heute: Ich kam hinein in diese Kirche, und in demselben Moment wusste ich: Hier ist Gott! Hier ist Gott gegenwärtig! Ich spürte seine Liebe, seinen Frieden, seine Freude. Und ich war fest entschlossen: Hier gehe ich nicht wie-der heraus, bis auch ich das empfangen habe, wovon diese Menschen so erfüllt waren.

Noch am selben Abend betete ich mit einem Mitarbeiter und lud Jesus ein, in mein Leben zu kommen. Ich nahm ihn an als mei-nen Retter, als meinen Erlöser und unter-stellte ihm mein ganzes Leben. Auf einmal

war sie da, die vollkommene innere Gewissheit: Ich bin ange-kommen! Ich habe Gott gefun-den! Er, den ich so viele Jahre so verzweifelt gesucht hatte, hatte sich meiner angenommen. Eine überschäumende Freude brach sich in mir Bahn. Ich war sicher: Er ist der eine und einzige Gott!

Der die Sehnsucht stilltDas ist jetzt 23 Jahre her.

Heute bin ich Pastorin in einer evangelischen Freikirche. Am liebsten erzähle ich Menschen

von Jesus. In unseren Glaubensgrund-kursen, im Alltag und auf Esoterik-Messen, wo besonders viele Suchende sind. Mein größter Wunsch ist, dass durch mein Leben viele Menschen eine persönliche Glaubens-beziehung zu Gott finden. Er hat jeden Menschen zu seinem Ebenbild und auf eine persönliche Liebesbeziehung mit ihm hin geschaffen. Deshalb finden wir unsere wahre Identität, den Sinn unseres Lebens und tiefe Erfüllung nur in ihm.

Tragen auch Sie eine Sehnsucht im Her-zen, endlich zu wissen, wo Sie hingehören? Können Sie sich vorstellen, zu einem Gott zu gehören, der Sie durch und durch kennt und liebt? Dieser Gott heißt Jesus Christus. Er ist in unsere Welt gekommen, damit auch Sie ihn finden können. Er wartet nur darauf, dass Sie ihm Ihr Herz öffnen, denn er ist Ihnen schon jetzt ganz nah.

Meine Welt wurde

immer enger, dunkle

Mächte schienen

immer stärker

mein Leben zu

dominieren. Ich wusste,

hier kann mir kein Mensch

mehr heraushelfen! Gab

es Rettung?