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2 DAS GOETHEANUM Nr. 26 · 29. Juni 2013· BLICKE Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch Vermehrt fallen Jugendliche in Krisen – nicht selten mit dramtischem Verlauf. Die Gründe: persönliche Veranlagung, soziales Umfeld, aber auch das Zerbrechen an festgefahrenen Gesellschaftsformen. Wohin sollen sich kommende Seelen wenden, wenn das ‹Normalevielfach als krank erlebt wird? Georg war mein Patenkind und ein lebens- freudiger junger Mann, interessiert an Po- litik, Geschichte und Schauspiel. Er war ge- sellig, aber auch für tiefgründige Gespräche zu haben. Mit 23 Jahren nahm er sich das Leben, nachdem er fünf harte Jahre mit ei- ner Psychose gekämpft hat. Ein Ort, an dem er zu sich hätte kommen können, tauchte nicht auf. Er blieb nicht der Einzige, der das Schicksal der Jugendpsychose in mein Leben brachte. Über sieben Jahre durfte ich eine junge Frau während tiefer Krisen künstle- risch begleiten. Stift und Farbe gehörten in diesen Zeiten untrennbar zu ihrer Hand und tasteten das Gesehene wie von Innen ab. Dies half ihr, den bedrohenden Vorstellungen in ihrem Inneren standzuhalten. Obwohl mein Beruf als Malerin mich erfüllte, vernahm ich innerlich einen Ruf. Es kam zur Gründung des Vereines ‹Unime Netzwerk für anthroposophisch erweiterte Jugendpsychia- trie›, der bis heute zu Kolloquien für Fachper- sonen, Betroffene und Angehörige einlädt. Ein tragender Kreis von Menschen brachte den Impuls dieses Netzwerkes ins Leben. Aus diesem Kreis heraus formulierten der Ge- treidezüchter Peter Kunz eine gedankliche Richtung: «Im Krankheitsbild des Einzelnen sehen wir Entsprechungen unserer gegen- wärtigen sozialen Strukturen. In persönli- chen Erkrankungen drücken sich dieselben lockernden und verfestigenden Kräfte aus, die auch in den gesellschaftlichen Strukturen wirken. Der Einzelne wird so Träger der in der gesamten Gesellschaft verankerten Erkran- kung. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, zusätzlich zu therapeutischen Konzepten gesundende Rechts- und Wirtschaftsbedin- gungen für solche Initiativen anzustreben.» Dieses Ideal fand in der Gründung der Ju- gendhof-Stiftung – sechs Jahre nach Georgs Tod  – einen Körper. Heute stehen wir vor dem Kauf eines biodynamischen Hofes im Zürcher Oberland, um dort Menschen mit psychischen Problemen zwischen 18 und 28 Jahren zu begleiten. Ein Aufenthalt könnte nach klinischen Akutphasen oder präven- tiv stattfinden. Landwirtschaft, Kunst und Freundschaft bilden die therapeutischen Säulen der Lebensgemeinschaft. Ausserdem soll das Projekt – auf die obengenannte Ge- sundung setzend – wirtschaftlich nachhaltig gebaut sein: Gemeinnützige Trägerschaft, spekulationsfreier Boden, Vertragsland- wirtschaft, Bedarfslohn sowie Kostengut- sprache für nicht zahlungsfähige Patienten. Ein interdisziplinäres Team aus jungen und ehrfahrenen Menschen (Gärtner, Landwirtin, Sozialbegleiterin, Erzieherin, Erlebnispäda- goge, Krankenpfleger, Masseurin, Schauspie- ler und Künstlerin) bildet sich gerade zum Samen dieser werdenden therapeutischen Gemeinschaft. Bis September entscheidet sich, ob der Hoauf gelingen und 2014 mit der Begleitung von anfangs vier, später bis zu zehn jungen Menschen begonnen werden kann. Von nötigen vier Millionen Schweizer Franken fehlt noch eine Million Schenkgeld, um den Hoetrieb weiterzuführen. Denn wie immer in den Geburtswehen neuer Orte steht und fällt alles mit dem wohlwollenden Zuspruch aus dem Umkreis. RAHEL WEPFER Projektmappe unter:www.bit.ly/1dtEBbN Kontakt über: [email protected] oder Telefon: 0041 (0) 55 264 17 85 Bild: ‹Berlin› von Rahel Wepfer

Zeitungsartikel zum Jugendhof-Projekt

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Eine persönliche Beschreibung des Jugendhof-Projektes von Rahel Wepfer in der Wochenschrift ‹Das Goetheanum› Nr. 26

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Page 1: Zeitungsartikel zum Jugendhof-Projekt

2Das Goetheanum nr. 26 · 29. Juni 2013· BLICKE

Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auchVermehrt fallen Jugendliche in Krisen – nicht selten mit dramtischem Verlauf. Die Gründe: persönliche Veranlagung, soziales Umfeld, aber auch das Zerbrechen an festgefahrenen Gesellschaftsformen. Wohin sollen sich kommende Seelen wenden, wenn das ‹Normale› vielfach als krank erlebt wird?

Georg war mein Patenkind und ein lebens-freudiger junger Mann, interessiert an Po-litik, Geschichte und Schauspiel. Er war ge-sellig, aber auch für tiefgründige Gespräche zu haben. Mit 23 Jahren nahm er sich das Leben, nachdem er fünf harte Jahre mit ei-ner Psychose gekämpft hat. Ein Ort, an dem er zu sich hätte kommen können, tauchte nicht auf. Er blieb nicht der Einzige, der das Schicksal der Jugendpsychose in mein Leben brachte. Über sieben Jahre durfte ich eine junge Frau während tiefer Krisen künstle-risch begleiten. Stift und Farbe gehörten in diesen Zeiten untrennbar zu ihrer Hand und tasteten das Gesehene wie von Innen ab. Dies half ihr, den bedrohenden Vorstellungen in ihrem Inneren standzuhalten.Obwohl mein Beruf als Malerin mich erfüllte, vernahm ich innerlich einen Ruf. Es kam zur Gründung des Vereines ‹Unime Netzwerk für anthroposophisch erweiterte Jugendpsychia-trie›, der bis heute zu Kolloquien für Fachper-sonen, Betroffene und Angehörige einlädt. Ein tragender Kreis von Menschen brachte den Impuls dieses Netzwerkes ins Leben. Aus diesem Kreis heraus formulierten der Ge-treidezüchter Peter Kunz eine gedankliche Richtung: «Im Krankheitsbild des Einzelnen sehen wir Entsprechungen unserer gegen-wärtigen sozialen Strukturen. In persönli-chen Erkrankungen drücken sich dieselben lockernden und verfestigenden Kräfte aus, die auch in den gesellschaftlichen Strukturen wirken. Der Einzelne wird so Träger der in der gesamten Gesellschaft verankerten Erkran-kung. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, zusätzlich zu therapeutischen Konzepten gesundende Rechts- und Wirtschaftsbedin-gungen für solche Initiativen anzustreben.»

Dieses Ideal fand in der Gründung der Ju-gendhof-Stiftung – sechs Jahre nach Georgs Tod  –  einen Körper. Heute stehen wir vor dem Kauf eines biodynamischen Hofes im Zürcher Oberland, um dort Menschen mit psychischen Problemen zwischen 18 und 28 Jahren zu begleiten. Ein Aufenthalt könnte nach klinischen Akutphasen oder präven-tiv stattfinden. Landwirtschaft, Kunst und Freundschaft bilden die therapeutischen Säulen der Lebensgemeinschaft. Ausserdem soll das Projekt – auf die obengenannte Ge-sundung setzend – wirtschaftlich nachhaltig gebaut sein: Gemeinnützige Trägerschaft, spekulationsfreier Boden, Vertragsland-wirtschaft, Bedarfslohn sowie Kostengut-sprache für nicht zahlungsfähige Patienten. Ein interdisziplinäres Team aus jungen und ehrfahrenen Menschen (Gärtner, Landwirtin, Sozialbegleiterin, Erzieherin, Erlebnispäda-goge, Krankenpfleger, Masseurin, Schauspie-ler und Künstlerin) bildet sich gerade zum Samen dieser werdenden therapeutischen Gemeinschaft. Bis September entscheidet sich, ob der Hofkauf gelingen und 2014 mit der Begleitung von anfangs vier, später bis zu zehn jungen Menschen begonnen werden kann. Von nötigen vier Millionen Schweizer Franken fehlt noch eine Million Schenkgeld, um den Hofbetrieb weiterzuführen. Denn wie immer in den Geburtswehen neuer Orte steht und fällt alles mit dem wohlwollenden Zuspruch aus dem Umkreis. Rahel WepfeR

Projektmappe unter:www.bit.ly/1dtEBbN Kontakt über: [email protected] Telefon: 0041 (0) 55 264 17 85

Bild: ‹Berlin› von Rahel Wepfer