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Zeitschrifg fiir Physik 157, 112-- 121 (1959) Zum gegenwiirtigen Stand der Diracschen kosmologischen Hypothesen Won P. JORDAN (Eingegangen am 20. Juli 1959) Dil~Acs two hypotheses about variation of the constant of gravitation and of the mass of the universe are discussed with regard to the remarks made by FIXRZ concerning the authors attempt to give a coherent theory leading to DIRACS two cosmological laws as its consequences. Though at first sight it seems that the results of FIERZ would be contrary to the idea of any inconstancy of the mass of the universe, they do not make impossible a theory allowing separate threedimen- sional spaces to unite and to add their masses. A direct measurement of the varia- tion of the constant of gravitation is not yet possible, but further progress of methods of measurement probably will allow a direct examination of this hypothesis. Many facts in the realm of geology and geophysics, and concerning the structure and history of the moon, to be discussed in detail elsewhere, indicate very strongly that diminution of the constant of gravitation during the development of the universe is an empirical fact. At the other hand AMBARZUIalANS results about formation of stars and galaxies strongly support the idea that these processes may be interpreted at the basis of uniting spaces. w 1. Einleitung Vor geraumer Zeit hat DIRAC folgende zwei Hypothesen ausge- sprochen: Im Laufe der Weltentwicklung nimmt 1. die Gravitations- konstante ab (umgekehrt proportionM dem Weltalter) und 2. die Welt- masse zu (proportional dem Quadrat des Weltalters). Obwohl DIRAC selber diese Hypothesen nicht weiter verfolgt (und sogar die zweite wieder aufgegeben) hat, so hat doch der Verfasser diesen Hypothesen ausgedehnte Untersuchungen gewidmet, die zum Tell such yon anderen VerfasserI1 welter geffihrt sind (G. LUDWIG, C. MfTLLER, O. HECKMANN, W. FRICKE, W. GRESSMANN, E. SCHOCKING, J. EHLERS, W. KU~DT, W. PAULI, K. JUST). Ferner haben J. FISHER, H. J. BINGE sowie R.H. DICKE1 beachtenswerte Gedanken betreffs der geophysikalischen Be- deutung der Hypothese I vorgetragen, w~ihrend W. PAULI die Kl~irung der physikalischen Deutung der vom Verfasser erSrterten Feldglei- chungen wesentlich gefSrdert hat. Im Jahre t955 wurde der damalige Stand der Dinge in der zweiten Auflage meines Buches ,,Schwerkraft und Weltall" 2 zusammenfassend dargestellt. Unabh~ingig von meinen Untersuchungen hat Y. THIRY parallele Untersuchungen ausgeftihrt. i DICKE, R.H.: Rev. Mod. l~hys. 29, 355 (t957). 2 Bei Vieweg-Braunschweig.

Zum gegenwärtigen Stand der Diracschen kosmologischen Hypothesen

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Zeitschrifg fiir Physik 157, 112-- 121 (1959)

Zum gegenwiirtigen Stand der Diracschen kosmologischen Hypothesen

Won

P. JORDAN (Eingegangen am 20. Juli 1959)

Dil~Acs two hypotheses about variation of the constant of gravitation and of the mass of the universe are discussed with regard to the remarks made by FIXRZ concerning the authors a t tempt to give a coherent theory leading to DIRACS two cosmological laws as its consequences. Though at first sight it seems tha t the results of FIERZ would be contrary to the idea of any inconstancy of the mass of the universe, they do not make impossible a theory allowing separate threedimen- sional spaces to unite and to add their masses. A direct measurement of the varia- tion of the constant of gravitation is not yet possible, but further progress of methods of measurement probably will allow a direct examination of this hypothesis. Many facts in the realm of geology and geophysics, and concerning the structure and history of the moon, to be discussed in detail elsewhere, indicate very strongly tha t diminution of the constant of gravitation during the development of the universe is an empirical fact. At the other hand AMBARZUIalANS results about formation of stars and galaxies strongly support the idea that these processes may be interpreted at the basis of uniting spaces.

w 1. Einleitung

Vor geraumer Zeit hat DIRAC folgende zwei Hypothesen ausge- sprochen: Im Laufe der Weltentwicklung nimmt 1. die Gravitations- konstante ab (umgekehrt proportionM dem Weltalter) und 2. die Welt- masse zu (proportional dem Quadrat des Weltalters). Obwohl DIRAC selber diese Hypothesen nicht weiter verfolgt (und sogar die zweite wieder aufgegeben) hat, so hat doch der Verfasser diesen Hypothesen ausgedehnte Untersuchungen gewidmet, die zum Tell such yon anderen VerfasserI1 welter geffihrt sind (G. LUDWIG, C. MfTLLER, O. HECKMANN, W. FRICKE, W . GRESSMANN, E . SCHOCKING, J . EHLERS, W. KU~DT, W. PAULI, K. JUST). Ferner haben J. FISHER, H. J. BINGE sowie R.H. DICKE 1 beachtenswerte Gedanken betreffs der geophysikalischen Be- deutung der Hypothese I vorgetragen, w~ihrend W. PAULI die Kl~irung der physikalischen Deutung der vom Verfasser erSrterten Feldglei- chungen wesentlich gefSrdert hat. Im Jahre t955 wurde der damalige Stand der Dinge in der zweiten Auflage meines Buches ,,Schwerkraft und Weltall" 2 zusammenfassend dargestellt. Unabh~ingig von meinen Untersuchungen hat Y. THIRY parallele Untersuchungen ausgeftihrt.

i DICKE, R.H. : Rev. Mod. l~hys. 29, 355 (t957). 2 Bei Vieweg-Braunschweig.

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Gegenw~irtiger Stand der Diracschen kosmologischen Hypothesen t ! 3

Inzwischen hat M. FIERZ a in Weiterfiihrung der von PAULI gegebenen Hinweise nach einer bestimmten Seite hin eine wohl abschliegende Kl~irung der zur Er6rterung stehenden grunds~itzlichen Fragen gegeben. SchlieBt man sich den von FIERZ mitgeteilten Erw/igungen an -- und es scheint mir, dab sie tats~ichlich zwingend sind -- so scheint es zu- n~ichst, dab die Diracsche Hypothese II nicht mehr vertretbar ist, da weder die vom Verfasser gepriiften, noch tiberhaupt irgendwelche aus einem Variationsprinzip ableitbaren Feldgleichungen bei richtiger (zwangsl~iufig vorgeschriebener) physikalischer Deutung eine Durch- brechung der Massenerhaltung zulassen. Dieser Punkt ist tibrigens auch yon -- wohl entscheidender -- Bedeutung ftir die von F. HOYLE und einigen anderen Verfassern ausgearbeiteten Theorien eines ,,station~iren Kosmos" mit einer im Raume st~indig stattfindenden, fiir Kubikzenti- meter und Sekunde ~iuBerst geringftigigen Neuerzeugung yon Materie: Diese Hypothese kann nicht durch Lagrange-Feldgleichungen aus- gedriickt werden.

Im folgenden soll die Frage, ob die Diracsche Hypothese II danach noch aufrechterhalten werden kann, besprochen werden. Eine kurze Erl~iuterung der Ergebnisse yon FIERZ ist vorangestellt. AuBerdem sollen einige Bemerkungen vorgetragen werden, welche sich auf die M6glichkeiten empirischer Priifung der Diracschen Hypothesen beziehen.

w 2. Pr~zisierung des Variationsprinzips nach FIERZ

In den Untersuchungen des Verfassers wurde dem u der gewohnten Gravitationstheorie mit ~ = const ein etwas allgemeineres gegeniibergestellt. Fiir das Einstein-Maxwellsche Vakuumfeld lautet ja das u in gel~iufiger Bezeichnungsweise

2 7 k~ ) d r = O , (~)

a r = 1/-- g d~(~ " " d~(~l ; ftir Anweselaheit yon Materie haben wir zur Lagrange-Funktion des Maxwell-Feldes diejenige der Materie hinzuzuftigen, die etwa aus einem Materie-Wellenfeld in tiblicher Weise gebildet werden kann.

Den Ansatz (1) verallgemeinern wir nun zu

a f ~ , ( G - : ~"~'~2 2c =~- FklFt~I)dT=o (2)

mit zwei Zahl-Konstanten ~, r Zu gist zu sagen, daB es grol3 sein mul3, etwa t0 2 oder gr6Ber, um keine empirisch unrichtige Ver~inderungen betreffs des Merkurperihels und /ihnlicher Effekte zu ergeben. Der

a FIt~RZ, M.: ttelv. Phys. Acta 29, t28 (1956).

Z. Physik. Bd. 157 8

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t14 P. JoRDAN:

Wert yon ~ ist ohne EinfluB auI viele der durch die entstehenden Feld- gleichungen gestellten mathematischen Probleme -- die L6sungen k6nnen umtransformiert werden -- aber wesentlich far die physikalische Den- tung der Theorie. In meinen frt~heren Untersuchungen ist zun~ehst durchweg ~ = 1 angenommen worden; jedoch wurde in meinem Buche (S. 172) sehon kurz hervorgehoben, dab Griinde bestehen (in Rt~cksicht auf die ,,Paulische Konformtransformation"), statt dessen ~] = - 1 als den richtigen Wert anzusehen (sofern man iiberhaupt diese Theorie It~r diskutierbar h~ilt).

Das Ergebnis der Untersuchung yon FIERZ ist nun das, dab in der Tat nur der Wert ~ = -- 1 benutzt werden kann im Versuch einer Recht- fertigung der Diracschen Hypothese eines vergnderlichen Skalars (noch getrennt yon der Aussage, dab ~ umgekehrt proportional dem Weltalter sei). Das Variationsproblem (2 )b ek o m m t dann also die Gestalt

~ - - ~ ~ 2~ Fkz/Tkz d~ = 0. (3)

Die von FIERZ hierft~r angefiihrten Grtinde, die mir t~berzeugend scheinen, sind folgende:

A. Ein anderer Wert ~] wtirde eine yon ~ abh~ngige Dielektrizit~its-

konstante e0 =-~ des Vakuums bedingen. Dies wurde auch von LICH~EI~OWlCZ schon friiher bemerkt. Eine kosmologische Veriinderlieh- keit der Feinstrukturkonstanten, die sich bei ver~inderlichem e0 ergeben mt~Bte, ist empirisch ausgeschlossen, seitdem der Hubbie-E{fekt auch an tier 2t cm-Linie gemessen werden konnte. Auch ist theoretisch die Uberzeugung, dab die Feinstrukturkonstante eine wirkliche Konstante sei, gesttitzt durch die Heisenbergsche Theorie der Elementarteilchen.

B. Nur bei ~ = -- 1 wird die physikalisch notwendige Forderung er- ffillt, dab die (klassisch vorgestellten) Massenpunkte sich auf dell Geo- d~tischen der Metrik gkz bewegen (nicht etwa einer konform verzerrten Metrik), und dab die Gravitationskonstante als Verh~iltnis yon schwerer zu tr~iger Masse definierbar ist.

C. Gleichwertig mit B. ist die Forderung, dab die Compton-Wellen- l~ngen der Elementarteilehen raumzeitlich konstant sein sollen, so dab diese Wellenl~ngen zur Definition des LXngenmaBes d s benutzt werden k6nnen. (Konstantes Verh~iltnis dieser Wellenl~ngen zum Bohrschen Wasserstoffradius erfordert wiederum die Vermeidung der unter A. er- w~thnten ver~nderliehen Dielektrizit~tskonstante des Vakuums mit daraus folgender Verfinderlichkeit der Feinstrukturkonstante.)

Ftir den Wert ~ ~ -- t, aber aueh nur fiir diesen, werden diese physi- kalischen Erfordernisse A, B, C erft~llt.

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w 3. Experimentelle Prtifungsm6glichkeiten fiir Hypothese I dutch Pr/izisionsmessung der Sehwerkraft

Ob die Hypothese I, also die der fortschreitenden Abnahme der Gravitationskonstanten, zutrifft, k6nnte vielleicht schon in absehbarer Zeit unmittelbar durch Messung geprfift werden. Es ist n~mlich, wie ich yon Herrn R. VIEWEG erfahre, damit zu rechnen, dab Absolut- messungen der Schwerkraft auf der Erdoberfl~iche in naher Zukunft mit einer Genauigkeit yon mindestens sechs Dezimalen erm6glicht werden k6nnen, und dab Vergleichsmessungen sogar zu einer Genauigkeit yon neuen Dezimalen getrieben werden k6nnten. Auch sind andere Messungsmethoden ebenfalls bis in die N~ihe der hier diskutierten Effekte gelangt. Gravimetrische Messungen erlauben bereits, periodi- sche Schwankungen der Schwere zu messen, die der 9. Dezimale ent- sprechen 4. Es ist daher wahrscheinlich, dab ausreichende MeBgenauig- keit erzielt werden kann, um fiber die vermutete fortschreitende zeitliche Ver~inderung der Schwerkraft an der Erdoberfl~tche innerhalb eines Zeitraums von etwa 10 Jahren zu entscheiden -- wobei man freilich zwecks Gewinnung tiberzeugender Ergebnisse Messungen an verschiede- hen, welt getrennten Orten durchftihren mfiBte, um lokale Effekte mit Sicherheit auszuschlieBen.

Dabei wfirde die Messung einer etwaigen zeitlichen ]~nderung der Schwerkraft an der Erdoberfl~iche offenbar zwei Effekte in ihrer sum- mierten Wirkung messen, n~imlich erstens die ~nderung der Gravitations- konstanten selber, und zweitens die Wirkung der damit verknfipften Expansion der Erde, welche durch Zunahme der Entfernung yore Erd- mittelpunkt eine zus~itzliche Schwerkraftverminderung ergeben miiBte. Beide Anteile dtirften gr6BenordnungsmfiBig nicht sehr verschieden sein: Fiir die j~ihrliche Vergr6Berung des Erdradius k~ime die Gr613en- ordnung eines Millimeters in Betracht, oder relative Vergr6Berung um 10-1~

w 4. EinfluB einer Ver~nderlichkeit yon x auf die Erdrotation Es liegt ferner nahe, daran zu denken, dal3 die als Folge einer Ab-

nahme yon x zu erwartende Erdexpansion eine Vergr6Berung des Tr~g- heitsmomentes der E r d e ergeben muB. Die danach zu erwartenden J~nderungen der Erdrotation fallen tats~chlich in die Gr6Benordnung der empirisch vorhandenen Inkonstanz der Drehung der Erde. Trotzdem sind die Aussichten, hieran die Diracsche Hypothese prfifen zu k6nnen, leider nicht gtinstig,

Die durch Quarzuhren, Alnmoniak-Uhren und C~isium-Uhren sehr genau zu messende Erdumdrehung l~tBt zeitliche Ver~inderungen

4 TOMASCI~XK, R.: Handbuch der Physik, Bd. XLVIII, S. 775. /3erlin-G6t- tingen-I-Ieidelberg: Springer 1957.

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t 1 6 P. JORDAN:

erkennen, die auf verschiedenen Umst~tnden beruhen und zum Teil gut verst~indlich sind 5. Es gibt eine j~ihrlich periodische Ver~inderung der Drehgeschwindigkeit auf Grund der Tatsache, dab das Drehmoment der Erde zu einem Anteil der GrSBenordnung t0 -8 in den Windsystemen und Gezeitenbewegungen steckt. (Beide Anteile sind yon gleicher Gr613en- ordnung.) Dazu kommen langsame aperiodische Anderungen, die nur etwa 1% der periodischen ausmachen, d.h. Itir die Anderung der Tages- dauer die GrSBenordnung yon I msec pro Jahrhundert ergeben. Lang- same Anderung der MeeresstrSmungen sowie Abschmelzen yon Polareis k6nnten an diesen/~nderungen der Tagesdauer mitbeteiligt sein in An- teilen, die sich kaum exakt bestimmen lassen. Wesentlicher Anteil ist die dutch Flutreibung entstehende Ubertragung von Drehimpuls der Erde auf den Mond; dieser Anteil ist rechnerisch untersucht worden, mit dem Ergebnis, dab er in befriedigender Weise die astronomisch beobachtbare VergrSgerung des Drehimpulses des Mondes relativ zur Erde erkl~iren kann, in Verbindung mit den StSrungen durch andere Planeten, wie noch zu besprechen sein wird. Jedoch bezweifeln manche Verfasser, dab dieser Impulszunahme des Mondes wirklich eine ent- sprechende Impulsabnahme der Erde gegentibersteht; denn es gibt Griinde ftir die Vermutung 1, dab die Gezeitenbewegung der Lufthiille infolge eines bereits yon KELVIN untersuchten Resonanzeffektes eine st~indige Kompensation dieser Drehimpulsabnahme ergibt, auf Grund der Anziehung der Sonne auf die Erde, unter Umwandlung yon Bahn- Drehimpuls der Erde in Eigen-Drehimpuls. Da auBerdem die s~ikulare Variation des erdmagnetischen Feldes vermuten l~il3t, daft die Verteilung des Drehimpulses der Erde auf ihre inneren und ~iul3eren Anteile nicht exakt konstant ist, ergeben sich weitere Unsicherheiten,, die der Ab- trennung und Erkennung eines der Erdexpansion entsprechenden An- teiles in der Anderung der Tagesl~tnge entgegenstehen.

Die Erhaltung des Drehimpulses in einem gravitationsbedingten ZweikSrperproblem mul3 dazu fiihren, dab der mittlere Abstand der beiden KSrper sich umgekehrt proportional zu ~ ~indert, und die Um- laufszeit proportional zu ~-2. (Diese AbstandsvergrSl3erung diirfte, wie in meinem Buch erl~iutert, fiir die Theorie der Entstehung yon Doppelsternen und yon Planetensystemen yon wesentlicherBedeutung sein.) Die entsprechende Vergr613erung der Jahreslitnge kann astro- nomisch nicht erfal3t werden. Beim Monde ergibt sich hieraus, wenn exakte umgekehrte Proportionalit~it yon ~ mit dem Weltalter angenom- men und dieses gleich 6. t09 Jahre gesetzt wird, eine ,,s~kulare Be- schleunigung" yon --0,5". Empirisch hat der Mond eine s~ikulare Be- schleunigung yon + t0"; diese beruht zu ann~thernd gleichen Teilen auf

5 SP~NCE~-JoN~s, H.: Handbuch der Physik. Bd. XLVII , S. 1. Berlin- GSttingen-tteidelberg : Springer 1956.

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planetarischen St6rungen (schon von LAPLACE untersucht) und auf der irdischen Flutreibung. Der erstgenannte Anteil k6nnte heute wohl mit elektronischen Rechenmaschinen mit einer Genauigkeit yon t % be- stimmt werden. Der zweite Anteil hingegen l~13t schwerlich eine theore- tische Ermittlung mit einer Ungenauigkeit yon weniger als 10% zu; es wird daher auch an der Mondbewegung kaum eine Prfifung der Dirac- schen Hypothese m6glich sein.

w 5. Bedeutung der Diracschen Hypothese ffir die Morphologie der Erdkruste und des Mondes

Die Hypothese, dab eine durch Abnahme von x bedingte Expansion der Erde schon seit ihrer Entstehung stattgefunden hat, bietet Er- kl~rungsgrundlagen ftir eine Reihe yon Tatsachen aus der Geophysik und Geologie, welche bislang tells unerkl/irt gebliebcn, teils in nur un- zul~nglicher, nicht fiberzeugender Weise erkl~rt waren. Hierauf war schon in meinem Buche eingegangen; jedoch kann jetzt -- unter Heran- ziehung neuer empirischer Ergebnisse sowie unter Mitverwertung einiger frtiher noch nicht herangezogener Tatsachen -- eine erweiterte Dar- stellung gegeben werden, welche an anderer Stelle vorgelegt werden soll. Die wichtigsten dabei zu berticksichtigenden Umst/inde sind:

A. Ozeoanographische Untersuchungen (EWlNG) haben neuerdings das System der Tiefseegr~iben besser bekannt werden lassen.

B. Die kernphysikalischen Methoden der Altersbestimmung haben ein klareres Bild der (friiher wegen des Fehlens yon Versteinerungen sehr unzug~nglich gewesenen) pr~tkambrischen Zeitabschnitte zu gewinnen erlaubt, deren gegentiber der seit Beginn des Kambriums verflossenen Zeit etwa sechsmal gr6Bere Dauer eine Richtigstellung gewisser tradi- tioneller Lehrmeinungen erm6glieht hat, die durch die friihere Be- schr~inkung der Untersuchungen auf einen zu kleinen erdgeschichtlichen Zeitabschnitt begtinstigt waren: Angebiiche weltweite Verschiedenheit von Ruhezeiten und Faltungszeiten, die noch dazu angeblich periodisch eintreten sollten; oder angebliche Beschr~inkung der Gebirgsfaltung auf die letzten 500 Millionen Jahre. In dem Bericht yon J.T. WILSON, R .D . PtUSSEL und R. MCCANN FARQUHAR ~ steht eine bequem zug~ng- liche Darstellung der modernen Auffassungen zur Verffigung.

C. Die Vorstellung einer expandierenden Erde -- im Gegensatz zur traditionellen Lehrmeinung einer Kontraktion -- ist inzwischen auch durch L. EGYED von den geologisch-geophysikalischen Tatsachen aus begrtindet worden. Insbesondere ist die so tiberzeugende Deutung der Kontinentalschollen nach J. FISHER, die in meinem Buch erl/iutert wurde, unabh~ingig aueh von EGYED gegeben worden, der daraus eine

ttandbuch der Physik, Bd. XLVII, S. 288. Berlin-G6ttingen-Heidelberg: Springer t956.

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durchschnittliche j~ihrliehe Vergr6Berung des Erdradius (seit Erdent- stehung vor etwa 4,4 Milliarden Jahren) um 0,6 mm errechnet. EGYED bezieht sich dabei freilich nicht auf die Diracsche Hypothese, sondern versucht ftir die yon ihm als empirisch nachgewiesen angesehene Tat- saehe der Erdexpansion eine anderweitige Erkliirung (angeblicher Niehtgleichgewichtszustand der Erde, die seit Entstehung langsam in einen Gleichgewichtszustand fibergeht), welche nicht befriedigen kann.

D. Erw~hnt sei aueh der von DICKE (a. a. O.) erbrachte Nachweis, dab die Darwinsche Theorie der Mondentstehung tier Diracschen Hypo- these nieht nur angepaBt werden kann, sondern sogar erst in dieser Verkntipfung sich imstande erweist, allen Punkten unseres diesbeztig- lichen empirischen Wissens gerecht zu werden.

Die angekfindigte erneute Besprechung geophysikalisch-geologischer Fragen in Beziehung zur Diracschen Hypothese I wird insbesondere folgende Punkte behandeln:

t. Tiefseegr~iben (und ihre Fortsetzung auf Kontinenten); 2. Gliederung der Erdoberfliiche in Kontinentalschollen und Tief-

seebecken (nach Fishing) ; 3. Erscheinungen des Magmen-Aufstiegs; Intrusionen und Vulkanis-

mus (nach BINGE); 4. Inselgirlanden; Gebirgsbildung; 5. Sog. Wachstum der Kontinente; 6. Klimaverh~iltnisse des Pal~iozoikums; 7. Erdtemperatur im Pr~ikambrium (nach DICKE).

Da in ein bis zwei Jahrzehnten nach Ansicht der Spezialisten eine unlnittelbare Untersuchung der Oberfl~ichenverh~iltnisse des Mondes m6glich werden dtirfte, so verdienen unter den Prtifungsm6glichkeiten der Diracschen Hypothese auch diejenigen Beachtung, welehe aus einer solchen Untersuchung entstehen werden. Wie in meinem Buche bereits besprochen wurde, legen die ,,Rillen" des Mondes die (auch yon DicKs angenommene) Deutung nahe, dab sie als Ergebnis einer (sehr gering- ft~gigen) Expansion des Mondes anzusehen sind. Tats~tchlich sind sie von einigen Verfassern schon frtiher in diesem Sinne gedeutet, wobei jedoch radioaktive Erw~irmung als Ursache der Expansion vermutet wurde. Zweitens wfirde die von KRAUSE vertretene Behauptung] dab auf dem Monde auch ~iolische Formationen vorhanden seien (Wind- erosion, ~olische Ablagerungen), im Falle ihrer Best~itigung bedeuten, dab der Mond frfiher eine Atmosphere gehabt haben mug, was ebenfalls als Beweis Itir einen gr6geren frfiheren Wert von ~. gelten mfil3te. Drittens wird in Zukunft endgiiltig zu entscheiden sein, ob die gut begrtindete Theorie der Mondkrater als Einsturzkrater meteoritischer K6rper zu- treffend ist -- ihre Bejahung wfirde unmittelbar die Bingesche Theorie

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der irdischen Vulkane sttitzen, durch welche eine Deutung der Mond- krater als vulkanisch erzeugte Gebilde ausgeschlossen wird. (Die hin und wieder auf dem Monde vorkommenden Gasausbrtiche sind nach BINCE dem irdischen Vulkanismus nicht zu vergleichen, sondern beruhen viel- leicht darauf, dab die kosmische Strahlung zur langsamen Ansammlung von Gasmassen in den Oberfl~ichenschichten des Mondgesteins ftihrt.)

Die kfinftig zu erwartende wesentlich verbesserte Erforschung der Marsoberfl~che, mit Fernrohren, die sich auBerhalb der Erdatmosphfire befinden, wird deren auff~illige Verschiedenheiten yon der Erdober- fl~iche sicherer als gegenw~irtig zu beurteilen erlauben. Schon jetzt scheinen jedoch folgende Tatsachen gesichert zu sein, welche die aus der Diracschen Hypothese entwickelte Deutung der Morphologie der Erdkruste erg~inzend nntersttitzen : t. Zweistufigkeit der Marsoberfl~iche, analog der Unterteilung der Erdoberfl~che in Kontinentalschollen und Tiefsee, aber mit geringerem Anteil der tieferen Stufe und mit geringerem HShenunterschied der beiden Stufen. 2. Zerteilung der h6heren Ge- biete durch viele Spalten in kleinere Stiicke. 3. Fehlen yon Vulkanis- mus und yon Gebirgsfaltung. Der letzte Punkt stiitzt besonders nach- driicklich die These, dab Vulkanismus und Gebirgsbildung auf der Erde Folgeerscheinungen ihrer (im Vergleich zum Mars wesentlich st~irkeren) Expansion sind.

w 6. Theoretische Pr/izisierung und empirische Stfitzung der Hypothese II

In den Untersuchungen des Verfassers ist, wie oben schon erw~ihnt, zuerst in Formel (2) der Wert ~] = 1 zugrunde gelegt worden, so dab nicht der in tiblicher Weise aus der Materie-Wellenfunktion gebildete Materie- tensor, sondern dessen Produkt mit ~2 einem kosmologischen Erhaltungs- satz geniigt. Dies wurde dann so gedeutet, dab die Weltmasse sich proportional zu ~-2 ~indert.

Wir haben nun aber in w 2 den Wert ~] = -- t als den richtigen er- kannt, welcher dazu fiihrt, dab der in iiblicher Weise wellenmechanisch definierte Materietensor dem Erhaltungssatz gentigt. Aui3erdem mul3 nach PAULI der erw~ihnten physikalischen Deutung der Feldgleichungen mit ~ = t folgender Einwand entgegengehalten werden: Als Materie- tensor ist gru~ds~tzlich immer gerade der]enige Tensor zu deuten, fiir welchen der Erhaltungssatz gilt. Dies habe ich in meinem Buche bereits anerkannt und die Diskrepanz dieses ,,Eddington-Paulischen Postulats" gegenfiber der versuchten kosmologischen Theorie, die auf eine Recht- fertigung der Diracschen Hypothese II abzielte, als eine zun~ichst nicht zu beseitigende Lt~cke im Aufbau dieser Theorie bezeichnet. Diese Lticke kann iedoch, wie mir scheint, nunmehr geschlossen werden durch folgerichtige Weiterffihrung der schon frtiher erl~iuterten Gedanken.

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F~r ~ = 1 haben die Vakuum-Feldgleichungen der Theorie mit ver- ~nderlichem z die von E. ScI~0CI~I~ gefundene (in meinem Buche S. 217 n~her besprochene) L6sung fiir ~----1

d s 2 _ _ dr2 d r 2 r~(dO2 +sin~O. dg~); I t t '

J 1 - ~ - - 1 - ~ , - ( 4 )

( ') ----~0 l - - ~ r ; 0 < ~ - = c o n s t < l .

Eine ftir ~ = - - t geltende L6sung kann daraus vermittelst Ersatz von ~, durch seine Reziproke erhalten werden. Diese L6sung hat die bemer- kenswerte Eigenschaft, eine kugelsymmetrische zeitlich v er~inderliche Metrik darzustellen, welche ftir t = c o n s t > 0 ein zusammenMngender dreidimensionaler Raum ist - - bestehend aus zwei far r--~ oo quasi- euklidischen Teilgebieten, die an der Kugelfl~che r =c~t zusammen- h~ngen - - ft~r t = const < 0 hingegen aus zwei getrennten dreidimensiona- len R~umen besteht. Ein ~hnliches Vorkommnis ist in der Einsteinschen Theorie, mit kollstantem x, nicht m6glich, zum mindesten nicht mit kugelsymmetrischem Vakuum-Feld; denn ein solches muff nach BIRI~- I~OrF bekanntlich stets statisch sein.

Ftir die Theorie mit veriinderlichem ~ hingegen dtirften mannig- fache L6sungen existieren, in denen ein ftir sp~tere Zeit einheitlicher Raum frtiher aus getrennten Teilen bestand; und zwar nicht nur Va- kuum-L6sungen, sondern auch solche mit Materie.

Es ist also auch bei Anerkennung des Eddington-Paulischen Postu- lats die M6glichkeit kosmologischer Modelle gegeben, von welchen folgendes zu sagen ist: Ein innerhalb eines best immten Teilraums t = const sitzender Beobachter stellt zwar in diesem Teilraum, solange dieser selbst~indig bleibt, eine zeitlich konstante Masse fest; jedoch kann dieser Teilraum sich zu sp~iterer Zeit mit einem anderen vereinigen, wonach der entstehende Gesamtraum eine Masse hat, die aus denen der beiden Teilr~iume addiert ist. Trotz Massenerhaltung innerhalb j edes Teilraumes t r i t t also eine Vergr613erung der dem Beobachter insgesamt zug~inglichen Massen im Laufe der Zeit ein.

I)anach besteht kein grunds~tzliches Hindernis ftir eine Theorie, welche die Diracsche Hypothese I I aufrechterh/~lt in solcher Weise, dab der Kosmos vorgestellt wird als ein durch st~indige Einmtindung immer neuer kleinerer Teilr~ume sich erweiternder Gesamtraum, dessert Ge- samtmasse durch den Anschlul3 dieser Teilr~ume um deren Massen ver- gr6Bert wird. Versucht man, in einer grob statistischen oder , ,pMno- mologischen" Weise diesen Kosmos zu beschreiben, ohne auf die Fein- heiten der sich ihm fortlaufend anschliel3enden Nebenr~ume einzugehen, so wird man zurtiekkommen mtissen auf ein Variationsproblem der all- gemeinen Gestalt (2), und zwar Itir diese Betrachtung ohne die Fest-

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legung ~ = - 1, ftir die es jetzt keine Argumente gibt. Man wird die jetzt gemeinte Situation in der Tat so behandeln mtissen, wie es in meinem frtiheren, im ersten Absatz dieses Paragraphen angedeuteten u geschehen ist, mit ~ = 1 als einer halb empirisch begrt~ndeten Wahl. In diesem Sinne scheint mir die innere Folgerichtigkeit der ver- suchten Theorie nunmehr ltickenlos gegeben zu sein. -- Die viel er- 6rterten Theorien eines stationiiren Kosmos hingegen k6nnen wohl kaum in einer von inneren Widersprtichen freien Weise durchgeftihrt werden.

Eine empirische Sttitze dieser Grundvorstellung scheint mir jetzt in verst~rktem MaBe gegeben durch die Untersuchungen AMBAI~ZU- -~IAN~ tiber neu entstandene Sterne und Sternsysteme, die inzwischen zu neuen endrucksvollen Ergebnissen geftihrt haben 7. W~hrend die meisten mit dem Problem der Sternentstehung besch~tftigten Verfasser an Kondensationsvorg~tnge in den Dunkelwolken denken, schlieBt AMBARZUMIA~ auf explosive Entstehung ~aus ,,Proto-Sternen", welche (vorl~iufig ohne n~iheren Erkl~irungsversuch) als nichtleuchtende Materie- massen von holler Dichte vorgestellt werden s. Eine befriedigende n~here Ausftihrung dieser Vorstellung wird kaum umhin k6nnen, die Materie eines Protosternes oder eines pr/~stellaren Systems als noch in einem getrennt liegenden Teilraum befindlich vorzustellen, um die Ein- leitung der explosiven Sternentstehung bzw. Sternsystem-Entstehung gleichzusetzen mit dem Vollzug der Vereinigung dieses Teilraumes mit unserem Kosmos. Dabei ergibt sich eine Ann~iherung der hier ver- tretenen Vorstellungen an den grunds~ttzlichen Standpunkt AMBARZU- MIANs in dem Sinne, dab von einer eigentlichen Materie-Erzeugung nicht mehr die Rede ist, vielmehr auch der erst sp~iter in unseren Kosmos ein- tretenden Materie eine Pr~iexistenz als,,Protomaterie" zugeschrieben wird.

Nochmals zu den empirischen Verh/iltnissen zuriickkehrend, er- w/ihnen wir schlieBlich: Obwohl bekanntlicb gr6Bte Anstrengungen darauf verwendet worden sind, die kosmische Strahlung zu deuten auf Grund der Vorstellung, dab ihre Prim~trteilchen in den Dunkelwolken oder durch magnetisierte Sterne beschleunigt worden seien, scheint sich jetzt wieder die Vorstellung durchzusetzen (PoWELL), dab ex- plosive Vorg~inge, wie z.B. Supernova-Ausbrtiche, ftir die Entstehung der kosmischen Strahlung in erster Linie verantwortlich sind. Dies harmonisiert mit der grunds~itzlichen Bedeutung, welche gewissen Typen explosiver Vorg~inge im Obigen zugeschrieben worden ist.

Die hier vorgetragenen 1Jberlegungen sind wesentlich gef6rdert worden dutch viele Diskussionen mit meinen Mitarbeitern H. J, BING~, J. Et~LERS, E. SCI~t~CKtN~.

AMBA~ZlJ~IAN, V.A.: Solvay-Congress 1958, S. 241. s ,,The facts connected with interstellar gas and associations are speaking in

favour of common formation of stars and gas from protostars rather than of for- mation of stars from gas." (A. a. O. S. 270).