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(Aus der genealogisehen Abteilung der Deutsehen Forsehungsanstalt fiir Psychiatrie in Miinehen. -- Kaiser-Wilhelm-Institut.) Zum Problem der Erbprognose-Bestimmung. Die Erkrankungsaussichten der NeIlen und Nichten yon Schizo- phrenen. Von Bruno Schulz, Assistent der Abteilung. (Eingegangen am 2. November 1925.) Innerhalb der allgemeinen Frage, wie grofl die Krankheitserwartung ]iir Verwandte yon Geistezkranken in bezug au] Psychosen iiberhaupt ist, liegt ein besonders groBes, st/~ndig zunehmendes praktisches Be. dfiffnis vor, mSglichst genaue Kenntnis dariiber zu gewinnen, ein wie grol~er Tell der Ne]]en und 2Viehten Dementia-praecox-Kranker wiederum an Dementia praecox erkrankt; denn je mehr die Tatsache der Vererbung der Geisteskrankheiten bekannt wird, desto h~ufiger wenden sich gerade Bri~der und Schwestern der an der h~ufigsten Geisteskrankheit, der Dementia praecox, Erkrankten an die J/rrzte mit der Frage, ob bzw. wie sehr damit zu rechnen sei, dal~ ihre etwaigen Naclikommen ebenfaUs geisteskrank sein werden. Je bestimmter die Antwort auf diese Frago erteilt werden kann, desto grSl~er wird ihr Einflul3 auf den EntsehluB des Fragenden sein, eine geplante Ehe einzugehen bder nicht. Vielleicht is~ es zweckm~flig, gleieh hier darauf hinzuweisen, dab man bei Beantwortung einer solchen Frage auch in Betracht ziehen muB, wie groB fiir das betreffende Dementia-praecox-Gesehwister (natiirlich auch fiir den yon ihm in Aussicht genommenen Ehepartner) die Wahrseheinliehkeit ist, selbst noeh an Dementia praecox zu erkranken. Denn wenn die zu erwartenden Naehkommen etwa nicht nut Neffen und Niehten, sondern aueh Kinder Sehizophrener sein werden, w~re fiir sie die Erkrankungswahrseheinlichkeit eine andere. Unmittelbar praktisch erscheint die Frage nach der durchsehnRt- lichen Erkrankungsziffer der Nachkommenschaft der Geschwister Dementia-praecox-Kranker sogar bedeutungsvoller als die nach der Erbprognose fiir die Nachkommensehaft der Kranken selbst. Einmal gibt es weir mehr Geschwister Dementia-praecox-Kranker als Dementia- praecox-Kranke. Ferner tritt die Dementia praecox oft schon in so friihem Alter auf und fiihrt dann nicht selten zur dauernden Anstalts- Z. f. d. g. Neut. u. Psych. 102. ]

Zum Problem der Erbprognose-Bestimmung

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(Aus der genealogisehen Abteilung der Deutsehen Forsehungsanstalt fiir Psychiatrie in Miinehen. - - Kaiser-Wilhelm-Institut.)

Zum Problem der Erbprognose-Bestimmung.

Die Erkrankungsaussichten der NeIlen und Nichten yon Schizo- phrenen.

Von Bruno Schulz,

Assistent der Abteilung.

(Eingegangen am 2. November 1925.)

Innerhalb der allgemeinen Frage, wie grofl die Krankheitserwartung ]iir Verwandte yon Geistezkranken in bezug au] Psychosen i iberhaupt ist, liegt ein besonders groBes, st/~ndig zunehmendes praktisches Be. dfiffnis vor, mSglichst genaue Kenntnis dariiber zu gewinnen, ein wie grol~er Tell der Ne]]en und 2Viehten Dementia-praecox-Kranker wiederum an Dementia praecox erkrankt ; denn je mehr die Tatsache der Vererbung der Geisteskrankheiten bekannt wird, desto h~ufiger wenden sich gerade Bri~der und Schwestern der an der h~ufigsten Geisteskrankheit, der Dementia praecox, Erkrankten an die J/rrzte mit der Frage, ob bzw. wie sehr damit zu rechnen sei, dal~ ihre etwaigen Naclikommen ebenfaUs geisteskrank sein werden. Je best immter die Antwort auf diese Frago erteilt werden kann, desto grSl~er wird ihr Einflul3 auf den EntsehluB des Fragenden sein, eine geplante Ehe einzugehen bder nicht.

Vielleicht is~ es zweckm~flig, gleieh hier darauf hinzuweisen, dab man bei Beantwortung einer solchen Frage auch in Betracht ziehen muB, wie groB fiir das betreffende Dementia-praecox-Gesehwister (natiirlich auch fiir den yon ihm in Aussicht genommenen Ehepartner) die Wahrseheinliehkeit ist, selbst noeh an

�9 Dementia praecox zu erkranken. Denn wenn die zu erwartenden Naehkommen etwa nicht nut Neffen und Niehten, sondern aueh Kinder Sehizophrener sein werden, w~re fiir sie die Erkrankungswahrseheinlichkeit eine andere.

Unmit telbar praktisch erscheint die Frage nach der durchsehnRt- lichen Erkrankungsziffer der Nachkommenschaft der Geschwister Dementia-praecox-Kranker sogar bedeutungsvoller als die nach der Erbprognose fiir die Nachkommensehaft der Kranken selbst. Einmal gibt es weir mehr Geschwister Dementia-praecox-Kranker als Dementia- praecox-Kranke. Ferner t r i t t die Dementia praecox oft schon in so friihem Alter auf und fiihrt dann nicht selten zur dauernden Anstalts-

Z. f. d. g. Neut. u. Psych. 102. ]

2 B. Schulz :

unterbringung des Erkrankten, so daf5 dieser derart, eben dureh die KrankheR, oft ohne weiteres von der Fortpflanzung ausgeschlossen ist. Wird jedoeh die Erkrankung erst offenbar, nachdem bereits Nachkommen vorhanden sind, so mul~ man sich wohl oder fibel mit dem Vorhandensein dieser Nachkommenschaft abfinden. Nur in verh~iltnism~l~ig seltenen - - wenn auch in absoluten Ziffern noch bedauerlich h~ufigen - - F~illen werden bereits offenbar an Dementia praeeox Erkrankte noeh zur Fortpflanzung kommen.

Nun sind fiber die Kinder solcher Kranken bereits genealogische Untersuchungen angestellt. Ich erwiihne bier nur eine Untersuchung Riidins in seiner Arbeit ,,Uber Vererbung und Neuentstehung der Dementia praecox" und eine Ho]/manns in seiner Arbeit ,,Uber die Nachkommensehaft bei endogenen Psychosen". An Zahlen fiber die Gesundheitsverh~ltnisse der Neffen und Nichten Dementia-praecox- Kranker fehlt es dagegen leider bisher vollkommen. Uber die in dieser Richtung auf Anregung des Herrn Prof. Riidin yon mir vorgenommene Untersuchung sei daher hier berichtet.

ZunSchst einige Worte fiber die Art der Untersuchung. Aus dem ndch Zufallsgesichtspunkten - - soll heil3en ohne Berficksichtigung der erblichen Belastung oder sonst irgendwelcher erbbiologisch in Betracht kommender Besonderheiten - - gewonnenen Material der genealogischen Abteilung der Deutschen Forschungsanstalt ffir Psychiatrie wurden von mir alle die Dementia-praecox-F~lle (Probanden) ausgew~hlt, bei deren Geschwistern man Nachkommen im Alter yon i~ber 20 Jahren erwarten konnte ; d. h. wir wiihlten alle F~tlle aus, bei denen Brfider des Probanden vorhanden waren, die im J~hre 1875 oder frfiher geboren waren, oder bei denen Schwestern vorhanden waren, die im Jahre 1880 oder fffiher geboren w~ren, es sei denn, dal~ aus den vorhandenen Aufzeichnungen bereits hervorging, dal~ diese Brfider und Schwestern keine Kinder in den betreffenden Altern besal3en. In einigen sehr wenigen FSllen ging aus den Aufzeichnungen hervor, dal3 die Brfider und Schwestern des Probanden zwar erst nach 1875 bzw. 1880 geboren waren, aber dennoeh bereits Kinder im Alter yon fiber 20 Jahren h~tten. Diese F~lle wurden dann ebenfalls mit ausgewi~hlt.

Uber alle so ausgew~hlten Fglle versuchten wir, mSglichst viel in Erfahrung zu bringen, und zwar sowohl fiber den Probanden und seine Geschwister als auch fiber die Kinder des Probanden (falls solehe vor- handen waren) und fiber die Kinder der Probandengeschwister, ebenso aber auch fiber die angeheirateten V~ter bzw. Mfitter dieser Kinder. (Denn die Aufzeichnungen der Forsehungsanstalt bedurften natfirlieherweise, schon weft sie ~ meistenteils jahrelang zurtieklagen, in fast allen F~tllen der Erghnzung.) Es wurde daher an die Pfarr~mter, Standes~mter und andere BehSrden und, soweit ihre Adresse sieh er-

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fahren liel3, an die FamilienangehSrigen selbst mit der Bitte um Aus- kunft geschrieben. Die Angeh5rigen, die uns als in Mfinchen oder iu seiner ni~heren Umgebung wohnend bekannt wurden, wurden gebeten, sich in der Forschungsanstalt einzufinden, um uns mfindlicb die ge- wiinschte Auskunft zu geben. Krankenbl~tter der Kliniken und An- stalten, Polizei- und Geriehtsakten wurden, wo dies in Frage kam, ein- geholt. Wenn nun aueh t in grol3er Teil der AngehSrigen sich bei uns einstellte, und fast alle BehSrden, insbesondere die Pfarr~mter, unserer Bitte nachkamen, so gelang es doeh nur in verhiiltnism~Ll3ig wenigen F~illen, die uns hinreichend erscheinende Auskunft zu erhalten. Sehr oft brachten wir auch in Erfahrung, dal~ Neffen und Niehten in dem ge~dinsehten Alter nicht vorhanden waren, bzw. nicht gewesen waren. Wir verwendeten endgfiltig nur die F~lle, in denen, bei sonst genfigender Auskunft, mindestens ein indirekter Nachkomme ein Alter von 20 Jahren erreicht hatte.

Besonders fiber die schon an sich reeht wenigen Fi~lle, deren Neffen und Nichten 50--60 Jahre und ~lter waren, erhielten wir nur selten geniigende Auskunft. Wir suchten daher unser Material in dieser Hinsicht aus den alten Krankenbl~Lttern der Kreisirrenanstalt Mfinchen in geeigneter Weise zu erg~nzenl), wobei natfirlieh gleichfalls jeda unerlaubte Auswahl vermieden wurde. Aber trotz diesar Erg~nzung blieb unser Material, und zwar vor allem hinsichtlich der alten F~lle, sehr gering.

I m allgemeinen pflegt eben das Interesse der AngehSrigen nach dem Tode des Erkrankten allm~hlich mehr und mehr zu erlSschen, und so wird man stets verh~ltnism~13ig geringe Aussicht haben, van den Ver- wandten der iilteren F~lle Auskunft zu erhalten. Die Schwierigkeiten, die sich der Erforschung der Nachkommenschaft im allgemeinen ent- gegenstellen, hat Ho//mann auf S. 3 seiner erws Arbei~ zur Genfige geschildert. Ieh glaube zu der Annahme berechtigt zu sein, dai~ sia bei der Erforschung der indirekten Nachkommenschaft wohl noch grSl3er sind. Es ist ja auch yon vornherein einleuehtend, dal3 sich jemand sehon welt eher einmal wegen tines, wenn auch schon seit langem verstorbenen, geisteskranken Vaters bzw. wegeu einer l~ngst verstarbenen geistes- kranken Mutter in die Forsehungsanstalt begibt, um dort Auskunft zu erteilen, als wegen eines l~ngst varstorbenen Onkals bzw. einer Tanta. Oft genug werden sogar Erinnerungen an solehe entfernteren geistes- kranken Verwandten als unangenehm empfunden, ja die Tatsacha ihrer Geisteskrankheit wird in der Familie nach meinen Beabaehtungen bis- weilen soweit als mSglich, d .h . den angeheirateten Teilen und den

1) Herrn Geheimen Medizinalrat Vocke sei aueh an dieser Stelle gedankt fiir die bereitwilligst erteilte Erlaubnis zur Benutzung dieser jetzt in Eglfing befindliehen Krankenbl~tter.

1"

4 B. Schulz :

Nachkommen, verheimlicht, was natfirlich, wenn es sich um geistes- kranke Eltern oder Geschwister handelt, nut selten in Frage kommt.

Jedenfalls t ra t bei der vorliegenden Untersuchung deutlich zutage, wie wfinschenswert eine fortlaufende Aufnahme der kSrperlichen und geistigen Eigenschaften der Glieder aller Generationen w~re. Ja, schon wenn fiir die Forschungsanstalt die MSglichkeit best~nde, dutch Reise- assistenten Nachforschungen an Ort und Stelle vornehmen zu lassen, wiirden sich die Schwierigkeiten bedeutend verringerm

Bei den bestehenden Verh~ltnissen wird man sich fragen, ob es fiber- haupt lohnend erscheint, eine Untersuchung fiber die Neffen und Nichten Schizophrener in der Weise, wie es hier geschehen ist, anzustellen, ob es nicht zweckm~i3iger ist, das Verh~ltnis der zu erwartenden kranken Neffen und Nichten Dementia-praecox-Kranker auf Grund der Kenntnis der Mendel.Proportionen, nach denen sich die Dementia praecox vererbt, und auf Grund der Kenntnis der durchschnittlichen Verbreitung der Dementia praecox in der GesamtbevSlkerung zu berechnen.

Nun kennen wir aber leider auch die durchschnittliche Verbreitung der Dementia praecox nicht hinreichend genau, und wenn auch der dihybrid-recessive Erbgang der Dementia praecox durch Riidin recht wahrscheinlich gemacht ist, so w~re es doch zu weir gegangen, woUte man ihn als unumstSBlich gesichert ansehen. Ich glaube es mir versagen zu kSnnen, bier einen Uberblick der zur Zeit vertretenen Ansichten zu geben. Unter anderen hat Sfrohmayer erst vor einiger Zeit in seiner Arbeit ,,Zur Genealogie der Schizophrenie und des Schizoids ''1) einen solchen trotz seiner Kfirze fast vollst~ndigen ~Tberblick in aller Klarheit gegeben. Selbst wenn wit aber fiber den Erbgang der Dementia praecox vSllige Sicherheit erlangt h~tten, wfirden mir empirisch gewonnene Zahlen vor den errechneten, die als Vergleichswerte zwar hohe Bedeutung haben, dennoch den Vorzug zu verdienen scheinen, da uns bei nicht rein empirisch gewonnenen mSglicherweise eine Anzahl yon Tatsachen, die das Ergebnis in erheblicher Weise beeinflussen kSnnen, v611ig ent- gehen. Eine dieser Tatsachen kSnnte etwa die bei den Mitgliedern yon mit Dementia praecox belasteten Familien in besonders hohem oder be- sonders geringem Grade bestehende Neigung sein, sich den Ehepartner aus in gleicher Weise belasteten Familien zu suchen2), wie man dies z. B. bei Schwachsinnigen - - hier im Sinne der ersterw~hnten MSglichkeit ohne weiteres annehmen wird. Verschiedene andere derartige Tat- sachen kSnnten uns vielleicht bisher selbst als MSglichkeit unbekannt sein. Sie alle werden bei der rein empirischen Forschung ohne weiteres mitberiicksichtigt.

~) Diese Zeitschr. 95. 2) Vgl. die schizophrene Bauernfamilie yon Riklin-Lange in Lange: Genea-

logische Untersuchungen an einer Bauernsippschaft. Diese ZeRschr. 97.

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Vor allem werden jedoeh empiriseh gewonnene Zahlen ihren Wert behalten, ganz gleich, zu welchem Ergebnis man einmal hinsichtlich der Vererbbarkeit der Dementia praecox kommen wird, mindestens so- lange, wie der Krankheitsbegriff der Dementia praecox in dem Sinne, wie er hier gefaf3t ist, in dem Sinne Kraepelins, seine Geltung behalten wird. Ja, praktisch wiirde auch dann, wenn dieser Krankheitsbegriff einmat aufgel6st werden sollte, das Ergebnis einer empirisch genealogischen Arbeit wie der vorliegenden eine gewisse Geltung behalten. Denn das Ergebnis, dal3 eine bestimmte Anzahl der Neffen und Niehten der an Dementia praeeox im Sinne Kraepelins Erkrankten als wieder von dieser Krankheit befallen gefunden wurde, bleibt natiirlieh bestehen und diirfte praktisch von allgemeinem Gesichtspunkte aus betrachtet durch Auf- spaltung des Krankheitsbegriffes der Dementia praecox nieht bedeu- tungslos werden, vor allem nieht, solange es an Zahlen fehlen wird, aus denen man bestimmte Sehlfisse auf die Vererbung bei den einzelnen Untergruppen wiirde ziehen kSnnen.

Dariiber hinaus aber wird sich das so gewonnene Material fiir die genealogisehe Erforschung etwa naeh neuen Gesiehtspunkten zusammen- gefaBter Krankheitsbilder verwenden lassen, wenn die betreffenden Krankheitsf/~lle, die die jeweilige Materialsammlung birgt, nieht nur dutch die Diagnose Dementia praecox, sondern auch durch eine kurze Sehilderung des Krankheitsbildes und -verlaufs gekennzeiehnet sind. Man wird dann, solange sich iiberhaupt aus der klinisehen Krankheits- symptomatologie eine Diagnose wird stellen lassen, die F/~lle eines der- artig gekennzeiehneten Materials sp~terhin zu Gruppen zusammen- ordnen kSnnen, die einer jeweils herrsehenden Psyehoseneinteflung entspreehen. Eine solehe Sehflderung der Krankheitsf/~lle ist jedem der F/~lle des dieser Arbeit zugrunde liegenden Materials beigeffigt. Die Schilderungen sind allerdings nicht hier im Druek wiedergegeben, wie ich iiberhaupt auf Wiedergabe des Materials im einzelnen glaubte ver- zichten zu kSnnen. Das Material ist iibersiehtlieh geordnet im Arehiv der genealogisehen Abteilung der Deutschen Forsehungsanstalt "fiir Psychiatrie in Miinehen niedergelegt.

Wertvoller als eine Materialwiedergabe im einzelnen ersehien es mir, das yon mir benutzte Material im ganzen hier m6gliehst eingehend zu vergleichen mit dem Material, das Riidin und Ho]]mann in ihren beiden erw~hnten Arbeiten als Grundlage diente. Gewinnen doch Zahlen erst dureh ihren Vergleieh mit anderen Leben und Bedeutung. Gerade die beiden genannten Arbeiten zum Vergleieh heranzuziehen, wurde ich in erster Linie dadureh veranlaBt, dal3 auch sie aus der l~orschungsanstalt hervorgegangen sind und daher nach einer prin- zipiell mSglichst gleiehen Methode unternommen wurden wie die vor- liegende Arbeit.

6 B. Sehulz :

AuBerdem nahm ich die Vergleiche vor in der Hoffnung, durch die Uberlegungen, zu denen reich eine etwa aufgefundene Verschiedenheit zwischen meinen Zahlen und denen tliidins und Ho//manns veranlassen wiirde, am ehesten die sich bei allen statistischen Arbeiten so leicht einstellenden technischen Auslesewirkungen zu erkennen, auf die immer wieder hingewiesen zu haben das Verdienst Weinbergs istl). In der Tat glaube ich denn auch, auf diese Weise eine AnzahI drohender Austese- wirkungen erkannt zu haben. Diese Uberlegungen jedoeh, die ja yon all- gemeiner grunds~tzlicher Bedeutung sind, hier in einer rein empirischen Arbeit etwas eingehender wiederzugeben, will mir nicht ganz fiberfliissig erscheinen, da ich bei der vorliegenden Arbeit die Erfahrung machte, wie groB die Gef~hr ist, derartige Auslesewirkungen zu fibersehen.

Im ganzen erhielt ich mir geniigende Angaben fiber die hier in Frage kommenden Angeh6rigen yon 76 Probanden. (Hierunter befinden sich 10 Familien des Ho//mannschen Materials, und zwar die HoHmannschert Familien III , VII, XXIV, XXVIII , XXX, XXXI, XXXII I , XXXV, XXXVI, XLVIII . ) 41 meiner Probanden sind in der Stadt geboren, 35 auf dem Lande. 60 sind katholisch, 15 evangelisch, 1 israelitisch. 45 sind Frauen, 31 Miinner. Es erkrankten yon ihnen vor dem 20. Jahre 6 F~lle, zwischen dem 21. und 30. Jahre 22 F~lle, zwischen dem 31. und 40. Jahre 26 F~lle, jenseits des 40. Jahres 22 F~lle. Das durchschnitt- liche Erkrankungsalter ist 34,4 Jahre.

Die F~lle mit sp~tem Erkrankungsalter sind also auffaUend zahlreich vertreten, obgleich wir nicht etwa nur Probanden mit Elterneigen- sehaft verwandten, wie z .B. Ho//mann (1. c.) tun mu[tte, bei dessen 51 gut erforschten Fgllen das durchschnittliche Erkrankungsalter aller- dings noch hSher liegt (37,0 Jahre). Es ist wohl anzunehmen, dab das Material der genealogischen Abteilung unter seinen F~llen mit weit- zurfickliegendem Geburtsjahre besonders viele Spi~terkrankungen zghlt, da ja erst seit etwa 12 Jahren die in die Mfinchener Klinik aufgenom- menen Neuaufnahmen regelm~ii~ig in die Sammlung der genealogischen Abteilung aufgenommen werden. Aueh mag bei den weiter zurfick- liegenden F~llen das Bestehen der Krankheit sp~ter erkannt sein als in letzter Zeit (vgl. hierzu auch Riidin, 1. c. S. 131--135). SchlieBlich erhi~lt man vielleicht bei den erst kiirzlich Erkrankten auch leichter von den Verwandten Auskunft.

Die 76 Probanden meines Materials verteilen sich - - 4 von ihnen sind gleichzeitig Probandengeschwister - - auf 74 Probandengeschwister-

1) So unter anderen in seiner Arbeit ,,Auslesewirkungen bei biologisch-stati- stischen Problemen" im Arch. f. Rassen- u. Gesellschaftsbiol. 1913, und in neuester Zeit ~n dem Absehnitt ,,Methoden und Technik der Statistik" im Handbueh der sozia]en Hygiene und Gesundheitsfiirsorge. Herausgegeben von Gottstein, Schlofl- mann und Teleky. Berlin: Springer.

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serien. Diese Probandengeschwisterserien umfassen im ganzen 563 Ge- schwister.

Wit vergleichen zundchst meine Probandengeschwisterserien mit den Probandengeschwisterserien, die Riidin als Material /iir seine mehr/ach erwlihnte Arbeit gedient haben.

Riidin teilte sein Material ein in Geschwisterserien, die yon dementia- praecox-freien Eltern abstammen, und in solche, deren einer Elternteil dementia-praecox-krank war. Seine erste Gruppe bilden 701 Geschwister- serien, seine zweite 34. Von meinen Fil len gehSren 73 der ersten Gruppe an, sie muB ich daher mit dieser vergleichen. (Ein Vergleich meines einzigen, der zweiten Gruppe angehSrenden Falles [er umfaSt im ganzen 6 Geschwister] mit dem entsprechenden Material Riidins kommt natiir- lieh nicht in Frage.)

Tabelle 1. Vergleich der Gruppe I der Probandengeschwisterserien Riidins mit der entsprechenden Gruppe meiner eigenen Probandengeschwisterserien.

Riidins Falle ]701 4823 Eigene Fiille ] 73 557

l '721 i 44

75 ~ 3

g~ ~i ~=~~~eV~176176 l, OesehwisternjahrenSind gesl;oroen lm Aider ~ . . . . . . . .~., im Alter yon

I 79 1361 57 16 200 1581 48211 8 86 169 32 52 9 -- 18 190 1

In der Tab. 1, die anzusehen ist als eine zusammengedr/ingte Nach- bildung der auf S. 29 der Riidinschen Arbeit befindlichen Tab. 9, stelle ich mein der ersten Gruppe angehSrendes Material der ersten Gruppe Riidins gegenfiber. Auf folgende Einzelheiten dieser Gegeniiberstellung sei hingewiesen:

1. Unter den 701 Geschwisterserien Ri~dins linden sich (57 -r 482 ----) 539 nichtpsychotisehe Probandengeschwister im Alter yon fiber 40 Jahren.

Unter meinen 73 Gesehwisterserien finden sich (52 + 190 = ) 242 derartige Probandengeschwister.

Wie aus den bisherigen Ausfiihrungen ohne weiteres zu entnehmen ist, ist dieses starke 1Jberwiegen der i l teren Personen unter meinen Probandengeschwistern eine yon mir gewollte Auslesewirkung; denn hinreichend alte Neffen und Nichten wird man nur bei solchen Pro- banden finden, deren Geschwister ein erhebliches Alter erreicht haben, und ferner werden wir um so sicherer wissen, ob wires mit gesunden bzw. gesundbleibenden Dementia-praecox-Geschwistern als Eltern der Neffen und Nichten Dementia-praecox-Kranker zu tun haben, je ~lter diese Geschwister zur Zeit der Untersuchung sind.

8 B. Schulz :

2. Die durchschnittliche Geburtenziffer der Riidinschen Geschwister- serien ist 4823 : 701 ---- 6,88 pro Familie.

Die durchschnittliche Geburtenziffer melner Geschwisterserien ist 557:73----7,63 pro Familie.

Die ~bereinstimmung erscheint betr~iehtlich. DaB die Geschwister- serien meines Materials etwas umfangreicher sind als die des Riidinschen, diirfCe sieh dadurch erkl~ren lassen, dab sich Neffen und Nichten be- sonders h~ufig in Familien linden werden, in denen der Proband eine mSglichst groBe Zahl von Geschwistern, jedenfalls fiberhaupt Gesehwister besitzt. In Riidins Material aber kommen z. B. Geschwistersippen vor, welche nur den Probanden enthalten. Da fiir uns aber nur F~lle zur Verwendung kommen konnten, in denen wir fiber Neffen und Nicbten yon Dementia-praeeox-Kranken Erfahrungen sammeln kormten, dfirfte also hier aus den erw~hnten Griinden bereits eine, wenn auch fiir das in Frage stehende Problem zun~chst wohl belanglose Auslesewirkung vorliegen. MSglich ist natfirlich aueh, da~ die hShere durchschnittliehe Geburtenzahl meines Materials mit dureh sein hSheres Durchsehnitts- alter bedingt ist, da vielleicht die ~lteren Gesehwisterserien aueh in der NormalbevSlkerung eine durchsehnittlieh hShere Geburtenzahl auf- weisen (Geburtenriickgang). Sehlie~lieh kann es sich aber auch mit um eine Zufallserscheinung handeln.

3. Bei Riidin kommen auf 4823 Gesehwister (721 -~ 44 = ) 765 De- mentia-praecox-Kranke, d.h. 15,86% (76500 : 4823).

Bei mir kommen auf 557 Geschwister 78 Dementia-praecox-Kranke, d.h. 14% (7800 : 557).

Auch diese Ubereinstimmung kSnnte auf den ersten Bliek betr~cht- lich erscheinen. Aber selbstverst~ndlieh ist bei einem so verschiedenen Durchschnittsalter, wie es mein und Riidins Material haben, ein Ver- gleich der Verhi~ltniszahlen an Dementia praeeox Erkrankter ohne Berficksiehtigung der Altersversehiedenheit durchaus nieh~ ang~ngig. Das Verh~ltnis wird nieht 15,86% zu 14% sein, sondern unter meinem Material werden sich bei Berfieksichtigung des Altersunterschiedes im Verh~ltnis bedeutend weniger Kranke linden als in dem R/~dins.

Nun hat Riidin, bei Bereehnung der Mendel-Proportionen auf Grund seines Materials, versueht, die Versehiedenheit der Erkran- kungschaneen der einzelnen Altersgruppen seines Materials zu berfiek- sichtigen. Um auf mSgliehst einfache Weise mein Material mit dem Riidins hinsichtlieh des Alters gleichsam auf einen Nenner zu bringen und so beide in bezug auf die Erkrankungsh~ufigkeit miteinander vergleichen zu kSnnen, habe ieh auf Grund meines Materials eben- falls eine Proportionsberechnung vorgenommen, die hier eben lediglich dem Zwecke dienen soll, einen Vergleieh mit dem Rihtinschen Material zu ermSglichen.

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Riktin stellt auf S. 51 und 63 seiner erw~hnten Arbeit eine solche Proportions- bereehnung nach abgekfirztem Verfahren (naeh Welnberg) in folgender Weise an: Er setzt die Sekund/~rf~lle ins Verh~ltnis zu einer Bezugsgesamtheit, die er dadurch gewinnt, dab er die Geschwister unter einem gewissen Alter (13 bzw. 17 Jahren) fiberhaupt nicht in Rechnung stellt, dal~ er die Geschwister zwischen dem 13. bzw. 17. und dem 36. bzw. 40. Jahre halb in Reehnung stellt, w~hrend er die fiber 36 bzw. 40 Jahre alten Geschwister ganz in Rechnung stellt. Er erh~lt

in dem bier in Frage kommenden Falle die Zahl yon 2 6 0 0 - - ~ = 1590 als

Bezugsgesamtheit (2020 F/file seines Materials standen also im Alter yon 17 bis 40 Jahren).

Die Zahl der Sekund~rf~lle, die Riidi~z zu dieser Bezugsgesamtheit in Be- ziehung setzt, betr~gt nun bei dieser Bereehnungsart 85. [Nicht 44, wie aus Tab. 1 dieser Arbeit zu sehliel~en w~rel). Der Grund fiir diese Versehiedenheit, trotz des gleiehen Materials, ist der, dab bei der Proportionsberechnung bier unter den Sekund~rf~llen auch diejenigen F~lle einbegriffen sind, die an Dementia praeeox erkrankte Gesehwister eines Probanden und g]eichzeitig selbs} Probanden sind; ja diese Art yon Sekund~rf~llen wird bier sogar doppel} gez~hlt; ebenso wer- den aber auch, eben weil sie doppelt Probandengeschwister sind, alle Gesehwister derartiger Sekund~rf~lle bei der Bezugsgesamtheit doppelt in Rechnung gesetzt. Auf Einzelheiten einzugehen, wiirde hier zu welt fiihren, man vergleiche die Aus- ffihrungen Riklins auf S. 41ff. sowie die Tab. 10 auf S. 32 seiner Arbeit.]

I ch bflde zun~chst in gleicher Weise wie Riidin ffir mein Mate r ia l die Bezugsgesamthei t . I c h erha l te sie, wenn ich die P robandenge- schwister im Al te r yon 17- -40 J a h r e n hall) in Reehnung setze, die Pro . bandengeschwis te r fiber 40 J a h r e ganz in Rechlaung setze und die Summe dieser Zahlen vermehre u m eine Zahl , die ich dadu rch gewinne, dab ieh m i t den be iden Geschwisterserien, in denen bei mi r zwei P r o b a n d e n auf- t re ten , nochmals in der gleichen Weise verfahre .

(Man k6nnte daran denken, dal] es richtiger ware, an Hand einer eigens fiir meine F/~lle zusammengestellten Morbidit~tstafel die Erkrankungswahrschein- lichkeit meines Materials selbst~ndig zu bereehnen. Doch ist es bei der Kleinheit meines Materials im Verhaltnis zu dem /~/~dins sieherlich praktisch richtiger, wenn ieh mich der/~//dinschen Zahlen der Erkrankungswahrscheinlichkeit bediene.)

P robandengeschwis te r im Al te r yon 17- -40 J a h r e n habe ieh (s. Tab. 1) 32 ~- 18 n ich tpsychot i sche % 4 andere Psychosen ~- 1 Sekund~rfa l l ~ 55 Die Ha l f t e e rg ib t 27,5.

P robandengeschwis te r im Al te r yon fiber 40 J a h r e n habe ich 52 -~ 190 n ieh tpsychot i sche ~- 4 andere Psyehosen ~ 2 Sekund~rf~ille -~ 2 Se- kund~rf~lle, die gleiehzeit ig P r o b a n d e n sind, ~ 250.

Die be iden Sekund~rf~lle, die gleichzeit ig P r o b a n d e n sind, haben zu- sammen 1 Geschwister im Al te r von 17 40 J a h r e n und 8 Geschwister im Al te r von fiber 40 J a h r e n (2 dieser 9 Geschwister s ind gleichzeit ig Probanden) . Das e rg ib t 8,5.

1) Die Tab. 1 eignet sich ja fiberhaupt nicht zu einer Proportionsberechnung, doch gestattet sie, bzw. die Tab. 9 der Ri~dinschen Arbeit, der sie nachgebildet ist, in vieler Hinsicht am besten eine Gegeniiberstellung meines Materials mit dem Rfidins.

10 B. Schulz :

Ich erhal%e also im ganzen die Bezugsgesamtheit yon 27,5 + 250 + 8,5 = 286.

Zu dieser Zahl muB ieh 5 oder vielmehr 7 Sekund~rf~lle ins Ver- h~ltnis setzen, 7 n~mlich deshalb, weft ich die beiden meiner Sekund~r- i~lle, die gleichzeitig Probanden sind, auch hier doppelt einsetzen mul~. Ich erhalte also 700 : 286 = 2,44%. Ri~lin erhielt bei seinem Material eine bedeutend hShere Zahl, 8500 : 1590 = 5,35%.

Wir werden uns aueh hier wieder die Frage vorlegen, ob diese auf- f~llige Verschiedenheit der Erkrankungsh~ufigkeit bei den Probandenge- schwistern meines und des Ri~dinsehen Materials auf eine Auslese- wirkung zurfiekgeffihrt werden kSnnte. Ich gtaube, man wird eine solche MSglichkeit ohne weiteres zugeben miissen, vielleicht sogar ihre Wahrseheinliehkeit, wenn man n~mlich folgende ~berlegung anstellt: Die durchschnittliche Geburtenziffer der Geschwisterserien meines Materials betr~gt 557 : 73 ~- 7,63 pro Famflie. Nun werden aber nur ausnahmsweise Personen im Alter yon unter 17 Jahren Nachkommen haben. Geschwister, die t in Alter yon fiber 17 Jahren erreicht haben, also bereits Naehkommen haben kSnnten, umfal3t aber die durchschnitt- liche Geschwisterserie meines Materials ( 5 5 7 - 169 = ) 388 : 73 ~ 5,3. (Gesehwister, die fiir Nachkommensehaft im gewfinschten Alter in Betraeht kommen, werden es natfirlich noch weniger sein.) Wenn aber nun schon unter diesen 5,3 Geschwistern, die somit allein fiir den Besitz yon Nachkommen iiberhaupt in Betracht kommen, und unter denen sich ja schon mindestens eia Dementia-praecox-Kranker befindet, noch ein oder zwei weitere Kranke sich befinden wiirden, so blieben als Eltern der gesuchten Neffen und Niehten nur verh~ltnism~i~ig wenig Geschwi- ster iibrig, so dal3 wir umgekehrt Neffen und Nichten am ehesten bei solchen Probanden erwarten dtiffen, die als einzige ihrer Gesehwister- serie erkrankt sind. (Diese ~berlegung liel3e sich natfirlich auch an- stellen ohne vorherigen Abzug der vor dem 17. Jahre Verstorbenen. Ieh finde jedoch, da$ ihre Richtigkeit augenfi~lliger bei einer Geschwi- sterserie von 5,3 als bei einer von 7,63 KSpfen in Erscheinung tritt .) DaB die anscheinend gesunden Mitglieder einer Gesehwisterserie mit mehreren Kranken noch fiberdies in besonders geringem Grade zur Fortpflanzung neigen kSnnten, ist eine weitere, hier nicht n~her nach- zuprfifende M5glichkeit.

Nun w~re es ja wertvoll, die Erkrankungswahrscheinliehkeit der Nachkommensehaft gerade auch derjenigen nichtpsychotischen Ge- schwister der Dementia-praecox-Kranken zu erfahren, welehe, wie das nicht so selten bei Geschwistern von Schizophrenen vorkommt, aus irgendeinem z. B. mit der psychischen Konstitution zusammenh~ngenden Grunde ledig und kinderlos bleiben. Aber das wird natfirlich, zum min- desten empirisch, nie mSglich sein, und der Gedanke ist hier nur ange-

Zum Problem der Erbprognose-Bestimmung. 11

ffihrt, da er die Verh~ltnisse, n~mlieh die bei unserer Untersuchung vorliegende Auslese, gut beleuchtet.

Aufgehoben wird der Weft der Untersuchung dutch diese Auslese nicht. Wit miissen uns eben nur darfiber klar sein, dab wir hier nicht untersuchen, in welchem Verh~ltnis im Durchsehnitt Neffen und Nichten Dementia-praecox-Kranker schicksalsm~Big erkranken wfirden, unter der Voraussetzung, dal3 alle Arten Dementia-praecox-Kranker durch- schnittlich die gleiche Anzahl yon Neffen und Nichten haben, insbe- sondere, daft alle Arten yon Geschwistern der Dementia-praecox-Kranken durchschnittlich gleiehviele Kinder haben, sondern dal~ wir nur unter- suchen, wie viele yon den vorhandenen Neffen und Nichten im Durch- schnitt tats~chlich erkranken. Es l~l~t sich natfirlich nicht sagen, dab bei geringerer Belastung der Geschwisterserien auch eine geringere Verh~ltniszahl an Erkrankungen unter den Neffen und Niehten zu er- warren ist. Mit der MSglichkeit ist aber zu rechnen. Jedenfalls erscheint es beaehtenswert, dab die Geschwisterserien meines Materials im Ver- h~tltnis weniger erkrankte Mitglieder aufweisen als die Ri~dins, dab diese Tatsache aber sich durch die notgedrungene Art der Materialgewinnung erklgren laBt, und dal~ wir infolgedessen Riidins und meine Geschwister- serien nicht ohne weiteres gleichsetzen dfirfen.

Stellen wir nun noch die Zahl der anderen Psychosen dos Riidinschen und die meines Materials einander gegenfibet'.

Bei Riidin linden sich 79 andere Psychosen, also, auf die Bezugs- gesamtheit 1590 bezogen, 4:9%.

Bei mir linden sich 8 andere Psychosen bei einer Bezugsgesamtheit von 286, also 2,8%.

Auch bier also ist maine Zahl, ebenso wie die ffir Dementia praecox gewonnene, beinahe nur halb so groi~ wie die Ri~dins.

Wit vergleichen nun die Verhgltniszahl der Kranken unter den dire/etch Nachkommen unserer Probanden mit der Verhdltniszahl, die Ho//mann bei seinen Untersuchungen der Nach]commen Dementia-praecox-Kranlcer ]and.

Ho/]mann fand, dai~ etwa 9% der Naehkommen seiner Probanden an Dementia praecox litten (Ho//mann 1. c., S. 91). Er land diese Zahl bei einem Material yon 35 Probanden, die im ganzen 66 Kinder im Alter von fiber 40 Jahren besai3en, an einem Material von 16 weiteren Pro- banden, die 34 Kinder im Alter yon fiber 30 Jahren besa[~en, und an 7 weiteren mangelhaft erforschten F~llen. Dieses Material vergrSI3erte er noch durch einige Fs Ri~dins. (Aus diesen letzteren - - es handelt sich hier bei Ri~din um 20 Probanden mit insgesamt 81 Kindern errechnet Ribiin selbst allerdings nach dem abgekfirzten Verfahren 4,7% Dementia-praecox-Kranke-Nachkommen [Riidin 1. c., S. 104], Ho//mann land empirisch bei eben diesem Material, indem er nur die

] 2 B. Schulz:

fiber 40 Jahre alten F~lle ausws 8,7~ [Ho//mann 1. c., S. 85]. Ein Zeichen dafiir, dab das Material zu klein ist.)

Mein Material ist nun in bezug auf direkte Nachkommen wesentlich geringer als das HoHmanns. Nut 33 meiner Probanden haben Kinder; 27 dieser Probanden haben Kinder im Alter yon fiber 17 Jahren; und zwar betrs die Zahl der Kinder der 33 Probanden im ganzen 85. Davon befinden sich 30 im Alter unter 17 Jahren, 39 im Alter von 17 bis 40 Jahren und 16 im Alter yon fiber 40 Jahren. Die Nachkommen meines Materials haben also auch ein wesentlich geringeres Durchschnittsalter als die des Ho//mannsehen.

Um auch bier den Altersunterschied wenigstens anns auszu- gleichen, lassen wit bei meinem Material die Nachkommen im Alter yon unter 17 Jahren fort, die Naehkommen im Alter yon 17 ~0 Jahren setzten wir halb, die fiber 40 Jahre alten ganz in Rechnung. So haben

39 wit fiir meine Nachkommen eine Bezugsgesamtheit von 16 + -2- ---- 35,5.

Zu dieser Bezugsgesamtheit haben wir nun 2 Dementia-praecox-Kranke ins VerhMtnis zu setzen, wit erhalten also 5,6~ Aul~erdem befindet sich unter meinen Nachkommen aber noch ein Fall yon Dementia praeco- cissima. Nehmen wir ihn ohne weiteres hinzu, so wird sich unsere

zwar um die I-Is erhShen (5,6% -5 5~r ----- 8,4%), Prozentzahl da

die Erkrankung jedoch bei diesem jetzt 35js FaUe schon im 3. Lebensjahre ausbrach, mfil~te sich bei Hinzunahme dieses Falles auch die Bezugsgesamtheit erh6hen, wodurch umgekehrt die Erkrankungs- ziffer - - allerdings unwesentlich - - wieder sinken wiirde.

Um ein geringes bleibt meine Zahl in jedem Falle hinter der Hof/. manns zurtiek, zweifellos aber erscheint die Ubereinstimmung betrs lieh.

Ieh hatte eine solche Obereinstimmung um so weniger erwartet, als ich es fiir wahrscheinlieh hielt, dab sich unter dem Ho//mannschen Material verhs zuviel erkrankte Nachkommen befinden, und zwar glaubte ich das, nach den Effahrungen bei meiner eigenen Arbeit, aus folgenden Grfinden annehmen zu mfissen:

Ho//mann muSte yon seinem ursprfinglich ausgew~hlten Material eine grol3e Anzahl yon Fallen hSchstwahrscheinlich deswegen yon der Ver- wendung in seiner Arbeit aussehlieBen, well er fiber sie aus Grfinden, die er daselbst auf S. 3 geschildert hat, nicht hinreichende Auskunft erhalten konnte. Hat te abet nun ein erk~ankter Nachkomme der ursprfinglich

1) Um das Vergleichen der Ergebnisse untereinander zu erleichtern, sind hier, wie auch an sp/iteren Stellen der Arbeit, trotz der kleinen Urzahlen ,,Prozent"-zahlen erreehnet. Einer l~bersch~tzung ihrer Bedeutung diirfte durch die stets beigefiigten Urzahlen hinreichend vorgebeugt sein.

Zum Problem der Erbprognose-Bestimmung. 13

ausgew~hlten F/~lle nur die eine Bedingung erffillt, dab er in Miinchen oder der n/~heren Umgebung verblieben war und infolgedessen in der Irrenklinik Miinehen Aufnahme gefunden hatte, so war hiermit ohne weiteres fast die Gew/~hr gegeben, dab Ho//mann fiber ihn hinreiehende Auskunft erhielt. Sehon aus diesem Grunde hielt ich es fiir wahrschein- lieh, dab Ho//mann fiber erkrankte I~achkommen seiner Probanden verh~ltnism~Big h~ufiger hinreichende Auskunft erhielt als fiber gesunde. (Und - - besonders aueh wegen der meist geringen Zahl der Naeh- kommen der Ho/]mannsehen Probanden - - aueh leicht fiber seine Ge- schwister.) Ja selbst dann, wenn der betreffende erkrankte Naehkomme sich nicht ohne weiteres in der Irrenklinik Mfinchen und so in der Materialsammlung der genealogischen Abteilung gefangen hatte, kann man, wie ich glaube, doch mit der Wahrseheinliehkeit rechnen, dab AngehSrige, yon denen zur Zeit der Anfrage ein naher Verwandter seit verh~ltnism~Big kurzer Zeit erkrankt ist, bereitwilliger Auskunft erteilen werden als solehe, bei denen sieh alle Lebenden roller Gesund- heit erfreuen. Und schlieBlich seheint mir folgendes beachtet werden zu miissen: Ist durch friihere Naehforschungen der Forsehungsanstalt von einem Nachkommen nur einmal festgestellt, dab er geisteskrank gewesen ist, so wird ein sp/~terer Bearbeiter fiber diesen Nachkommen fast immer genfigend unterrichtet sein bzw. sieh leieht fiber ihn unter- riehten kSnnen. ~ber einen Naehkommen, der vor Jahren als gesund festgestellt warde, ist ein sp~terer Bearbeiter dagegen noeh keineswegs hinreichend unterriehtet, wenn er wenigstens als AbschluB der Be- obachtung die Zeit seiner Bearbeitung gelten lassen will.

Alle diese ~berlegungen schienen mir ffir die M6gliehkeit zu spreehen, dab die Ho//mannschen Zahlen am Ende zu hoeh sein k6nnten. Und diese Vermutung sehien mir an Wahrseheinliehkeit zu gewinnen, als ieh dureh Betraehtung der 7 bzw. 8 F/ille mit erkrankten Naehkommen, die sieh unter den 51 gut erforsehten Ho//mannschen F/~llen befinden, zu erkennen glaubte, dab die yon mir gemutmaBten Verh~ltnisse bei einigen dieser F/~lle in der Tat vorliegen. - - Es ist wohl fiberflfissig, zu sagen, dab Ho//mann noeh weniger auf die betreffenden F/ille h~tte verzichten dfirfen.

Mein Material wird in bezug auf seine direkten Naehkommen von dieser mSglicherweise vorliegenden und sehwer vSliig zu vermeidenden Auslese weft weniger betroffen; denn es genfigt in unserem Falle nieht, fiber die direkten Nachkommen hinreiehende Auskunft zu erhalten - - ist doeh die Erforsehung der direkten Nachkommen nur ein Neben- befund dieser Arbeit - - , sondern mal~gebend ffir die Aufnahme der F/~lle in mein Material war in erster Linie die hinreichende Auskunft fiber die Neffen und l~iehten meiner Probanden. Bei der oft geringen Anteflnahme, die Gesehwisterkinder ffireinander zeigen, kann es nun

14 B. Schulz :

sehr hgufig der Fall sein, da$ man fiber die direkten Probandennach- kommen hinreiehende Auskunft erh~tlt, eben weil einer yon ihnen er- krankt ist, jedoch nicht fiber die Niehten und Neffen der Probanden. Dennoch stimmt mein Ergebnis gut mit dem Ho//manns fiberein. Da aber schon das Ho//mannsche Material recht klein ist, und mein Material in dieser Hinsieht noch bedeutend kleiner ist, ja seine Unsicherheit sich noeh erheblich dureh sein niedriges Alter erhSht, so kann man meiner Ansicht nach dieser 1Jbereinstimmung nicht allzuviel Wert bei- legen, da man sie eben wegen der Kleinheit des Materials als zuf~llig ansehen kann. (Es kann damit natfirlich nicht ausgeschlossen werden, da$ nicht dennoch die hier gefundenen Zahlen die objektiv riehtigen sein kSnnen.)

Geben wir nun, bevor wir uns den Ne//en und Nichten der Probanden zuwenden, noch einen vorldu[igen L~berblick iiber die Eltern dieser 2ge[/en und :Yichten.

Tabelle2 enth/~lt diejenigen Eltern, die zugleieh Probandenge- schwister sind. Es ist aus der Tabelle einmal der Altersaufbau dieser Eltern ersichtlich. Weiter sei darauf hingewiesen, daf~ in ihr die Nieht- psychotischen noch eingeteilt sind 1. in ,,Normale", d .h . in solche, fiber die in psychischer Hinsicht nichts irgendwie Auffi~lliges bekannt geworden war, 2. in ,,Sonderlinge" und 3. in ,,andere Abnorme". Auf die beiden letzten Bezeichnungen wie iiberhaupt auf die Bedeutung der Dreiteilung der Nichtpsychotischen sei jedoch erst an sp/iterer Stelle eingegangen. Die Angabe, wie viele der Verstorbenen durch Tuberkulose oder Hirnschlag endeten, oder wie viele gefallen sind, ist in erster Linie beigefiigt, um mit etwaigen sp~teren Arbeiten fiber die Neffen und Nichten von an anderen Psychosen Erkrankten oder yon Normalen einen Vergleich zu ermSglichen. Aus dem gleichen Grunde ist angegeben, wie viele Personen auf dem Lande, wie viele in der Stadt geboren sind.

Drei Personen sind auf der Tabelle doppelt angefiihrt, da sie doppelt Probanden- geschwister sind; es sind dies ein Sonderling (c?)und 2 andere Abnorme (1 9, 1 c~), alle drei lebend und im Alter von 51--60 Jahren.

Die in dieser Tabelle angefiihrten 5 Psychosen sind 1 Paralyse, 2 Epilepsien, 1 unklare Psychose und 1 Dementia praeeox. Das Er- krankungsalter der Dementia praeeox ist nicht bekannt, doch besa$ die Kranke bei Ausbruch ihres Leidens bereits 4 Kinder.

Tab. 3 gibt einen ]Jberbliek fiber diejenigen Eltern der Neffen und Niehten, die nieht Probandengesehwister sind, sondern derea an- geheiratete Ehepartner, bzw. die illegitimen, mit den Probanden nieht verschwisterten Viiter oder Mfitter der Neffen und Nichtenl). Da

1) Diese illegitimen V/~ter und Mtitter sind in Zukunft mit inbegriffen, wenn von AngeheiraSeten die Rede ist.

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Zum Problem der Erbprognose-Best immung.

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16 B. Schulz :

wir fiber das Lebensalter dieser Personen in sehr vielen F~llen keine genaue Auskunft erhalten konnten, ihr Altersaufbau im allgemeinen jedoch, wie zu erwarten, dem Material der Tab. 2 entspricht, ist bier in Tab. 3 yon einer Einteflung in Altersklassen abgesehen. Da6 diese Tabelle mehr Personen enth~lt als Tab. 2, hat seinen Grund darin, dab versehiedene der Probandengeschwister mehrfach verheiratet waren oder aul~er den ehelichen noeh uneheliche Kinder yon anderen Personen besitzen.

Die Zahl der Verstorbenen im Verh~iltnis zur Gesamtzahl ist auf dieser Tabellc erheblich geringer, als es auf Tab. 2 der Fall ist. Man darf abet diese Zahlen nicht ohne weiteres miteinander vergleichen und daraus den SchluB alff eine erhShte Sterblichkeit der mi t den Probanden verschwisterten Eltern ziehen. In vielen F~llen wird ja nach dem Tode eines angeheirateten Elternteils dutch eine neue Heira t des Verwitweten die Gesamtzahl der Angeheirateten erhSht, und so wird die Zahl der Verstorbenen im Verh~ltnis zur Gesamtzahl kleiner bleiben als bei den Probandengeschwistern, bei denen eine derartige MSgliehkeit nicht besteht. Auch wird man vielleicht doch damit rechnen mfissen, dal~ besonders die illegitimen V~ter in einigen F~llen f~lschlieh als noch lebend angegeben und vermerkt wurden.

Aueh in dieser Tabelle sind 3 Personen doppelt aufgefiihrt, da sie eben mit 2 Probanden verschwi~gert sind. Alle 3 sind am Leben und z~hlen zu den ,,Nor- malen". Es sind 2 d~ und 1 ~.

Die in dieser Tabelle angeffihrten Psychosen sind 1 Paralyse, 1 Basedow-Psychose und 2 F~lle yon Dementia praecox. Das Erkran- kungsalter des einen dieser beiden Dementia-praecox-F~lle ist das 35., das des anderen das 43. Lebensjahr.

Es befindet sich unter diesen Personen also sogar eine Dementia praecox mehr als unter den Probandengeschwistern der Tab. 2. Auch Suicide sind fibrigens auffallend zahlreich vertreten. Wir werden hier- auf noch zurfickkommen.

Um den ~berblick iiber die Probandengeschwister gleich bier zu ver- vollstiindigen, sind in Tab. 4 noch die kinderlosen Probandengeschwister zusammengestellt. Die Einteflung entspricht vSUig der Tab. 2, nur t re ten bei Tab. 4 die Altersgruppen yon 0--10 und yon 11--20 Jahren hinzu, die in Tab. 2 fortfallen mul~ten, well in diesem Alter noch keines der Probandengeschwister Naehkommen hatte.

Die auf dieser Tabelle zweimal, da mit 2 Probunden verschwistert, angefiil~ten 81)ersonen sind: Im Alter yon 1--10 Jahren 4Verstorbene (3 9, 1 ~), alle 4 ,,Nor- mule"; im Alter yon 41--50 Jahren 3 ,,Sonderlinge" (alle 3 ~), 2 lebend, 1 ver- etorben; im Alter yon 51--60 Jahren 1 ,,Sonderling" (~), lebend.

Die auf dieser Tabelle angeffihrten Psychosen sind 1 S~uferwahn, 1 Paralyse, 1 Epflepsie, 1 Hysteric und 6 F~lle yon Dementia praecox.

Zum Problem der Erbprognose-Bestimmung. 17

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Z. f. d. g. Neur. u. Psych. 102.

Das Erkrankungsalter die- set 6 F~lle yon Dementia praecox ist das 17., 20., 22., 31., 22. und 33. Lebens- jahr. Von den 6 Dementia- praecox-Kranken sind die 4 letzteu gleiehzeitig Pro- banden.

Die absolute Zahl der Psychosen ist hier also erheblich h6her als bei den Probandengeschwistern mit Kindern. Eine Vergleichs- untersuchung der kinder- losen Geschwister der An- geheirateten war hier Ieider nicht mSglich.

Nunmehr werden wit die Ne//en und Nichten selbst betrachten.

Das Geburtsjahr des jiingsten (lebenden oder verstorbenen) Mitgliedes einer jeden einzelnen Ge- sch~isterserie der ]qeffen und Nichten lag im Durch- schnitt bei AbschluB der Beobachtung (Ende 1924) um 23,8 Jahre zuriick. Das Geburtsjahr des jiingsten (lebenden oder verstor- benen) indirekten Nach- kommen (Neffe oder Niehte) eines jeden Probanden lag im Durehschnitt um 20 Jahre zurfick.

Die ZusammenstelIung der i~direkten Nachkom- menschaften (Neffen und Nichten) eines jeden Pro- banden dem Alter ihrer i~ltesten Mitglieder naeh

2

18 B. Schulz :

e r g i b t f o l g e n d e s B i l d : M i n d e s t e n s e in i n d i r e k t e r N a c h k o m m e e ines

P r o b a n d e n h a t t e e i n A l t e r

yon fiber 60 J a h r e n bei 1 Probanden, . . . . 50 . . . . 6 ,, ,, ,, 40 ,, ,, 14 ,, ,, ,, 30 ,, ,, 21 ,, ,, ,, 20 . . . . 34 ,,

S e l b s t d e r j i i n g s t e l e b e n d e i n d i r e k t e N a c h k o m m e h a t t e e i n A l t e r

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von fiber 50 Jah ren bei 1 Probanden, . . . . 40 . . . . 2 , ,

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B e i e i n e m P r o b a n d e n w a r k e i n l e b e n d e r i n d i r e k t e r N a e h k o m m e

m e h r v o r h a n d e n . D i e s e r P r o b a n d h a t t e n u r e i n e n i n d i r e k t e n N a c h -

k o m m e n bese s sen , d e r m i t 38 J a h r e n v e r s t o r b e n w a r .

~ b e r die N a e h k o m m e n z w e i e r d e r 220 P r o b a n d e n g e s c h w i s t e r , v o n

d e n e n b e k a n n t is t , d a $ sie N a c h k o m m e n h a b e n ( T a b . 2), i s t u n s n i e h t s

b e k a n n t . D ie 218 i i b r i g e n G e s c h w i s t e r s e r i e n d e r N a c h k o m m e n d e r

P r o b a n d e n g e s c h w i s t e r v e r t e i l e n s i ch d e m A l t e r i h r e r / ~ l t e s t e n M i t g l i e d e r

n a c h , wie f o l g t : M i n d e s t e n s e i n M i t g l i e d d e r G e s c h w i s t e r s e r i e n d e r

i n d i r e k t e n P r o b a n d e n n a e h k o m m e n ( N e f f en u n d N i e h t e n ) h a t t e e i n

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yon fiber 60 J a h r e n bei 1 Geschwisterserie, , , ,, 50 . . . . 40 . . . . 30 . . . . 20 . . . . 16

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. . . . 12 Geschwisterserien,

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D e r A l t e r s a u f b a u d e r i n d i r e k t e n N a c h k o m m e n , u n a b h / ~ n g i g v o n

d e r Z u g e h 6 r i g k e i t des e i n z e l n e n z u s e i n e n /~lteren o d e r j i i n g e r e n Ge-

s e h w l s t e r n o d e r V e t t e r n u n d B a s e n , i s t a u s d e r T a b . 5 e r s i c h t l i c h , d i e

in i h r e r A n l a g e w i e d e r d u r e h a u s d e n T a b . 2 u n d 4 e n t s p r i c h t , n u r s i n d

d ie A l t e r s k l a s s e n y o n 1 1 - - 1 5 u n d y o n 1 6 - - 2 0 J a h r e n h i e r g e t r e n n t

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Aueh hier befinden sieh einige Personen zweimal auf der Tabelle, da sie doppel t Neffen und Niehten yon Probanden sind. Es sind im ganzen 6, und zwar im Alter yon 1--10 Jah ren 1 c~, verstorben; im Alter yon 16---20 Jah ren 1 ~, lebend; im Alter yon 21--30 Jah ren 2 c7 und 1 ~, beide lebend; im Alter yon 31--40 gahren 1 ~, lebend; alle geh6ren zu den , ,Normalen".

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Im ganzen haben wir es mit 722 mindestens dem Alter nach bekannten Neffen und Nichten zu tun, die sich auf 218 Pro- bandengeschwistcr vertei- len. Die einzelne Neffen- und Nichtengeschwister- serie umfal3t im Durch- schnitt also 3,31 KSpfe. Da verschiedene Proban- dengeschwister mehrere Verbindungen eingegangen waren, befinden sich unter den 218 Geschwisterserien sogar noch eine Anzahl mit Halbgeschwistern. Die Geschwisterserien der Nef- fen und Nichten umfassen im Verh~ltnis zu denen ihrer Eltern also sehr wenig Mitglieder. Da, wie wir oben bereits dargelegt haben, meine Probanden- geschwisterserien eine Aus- wahl besonders umfang- reicher Geschwisterserien darstellen, war eine ge- ringere Kopfzahl meiner Neffen- und Nichtenserien ja auch ohnehin zu er- warten. Fiir den Fall iibri- gens, dab wir aus unse- rem Material irgendwelche Schlfisse ziehen wollten auf die Fruchtbarkei~ der Geschwister Dementia- praecox-Kranker, diirften wir natiirlich die Neffen- und Nichtenserien nicht mit meinen Probanden- geschwisterserien verglei- chen, auch nicht mit

2*

20 B. Schulz :

denen Riidins, obwohl sich unter diesen ja auch Geschwisterserien befinden, die nut aus dem Probanden bestehen, sondern wir diirften sie nut vergleichen mit der durchschnittlichen Kinderzahl der Normal- bevSlkerung der Gegend, in der unsere Neffen und Nichten geboren sind, und der Jahre, in denen sie geboren sind.

Wir miissen iibrigens auch bedenken, dab eine Anzahl unserer Nefien- und Nichtenserien, deren Eltern noch im jugendlichen Alter stehen, sich in den n~chsten Jahren wohl erst noch vergrSBern wird; und auBerdem ist anzunehmen, dab unseren Nachforschungen eine Anzahl kleinverstorbener Neffen und Niehten entgangen ist. Diese sind n~mlich sehr h~ufig dem Ged~chtnis schon der eigenen Geschwister, ja bisweilen, besonders bei umfangreichen Geschwisterserien, selbst dem der Eltern, und noeh welt h~ufiger dem entfernterer Verwandter ent- fallen. Bei h~ufigem Ortswechsel der betreffenden Familien war aueh eine liiekenlose standesamtliche Erfassung der Geschwisterserien, wenig. stens in absehbarer Zeit, nicht immer mSglich. Dazu kommt noch, dab verschiedene Personalakten in Miinchen gebiirtiger Personen zur Zeit der R~terepublik vernichtet wurden.

Nun legt zwar zweifellos die Besch~ftigung mit der Frage naeh der Beschaffenheit der Nachkommen yon Dementia-praecox-Ge- schwistern auch die Frage nach der Fruchtbarkeit dieser Geschwister nahe, und mein, allerdings noch keineswegs mit Zahlen zu belegender, Eindruck ist der, dab die Fruehtbarkeit yon Dementia-praeeox-Ge- schwistern geringer ist als die der DurchschnittsbevSlkerung. Die Frage soll und kann jedoeh an dem vorliegenden Material nicht geprfift oder gar entschieden werden.

Es finden sich nun unter den Neffen und Nichten unseres Materials, wie Tab. 5 zeigt, 4 Psychosen, und zwar sind alle 4 F~l|e yon Dementia praecox. Ihr Erkrankungsalter ist das 20., 28., 32. und 18. Lebensjahr.

Wollen wir aussagen, wie groB die Erkrankungswahrscheinlichkeit fiir Neffen und Nichten Dementia.praecox-Kranker demnach auf Grund unseres Materials anzunehmen ist, so gehen wir am besten in der gleiehen Weise vor, wie wires bei Berechnung der Verh~ltniszahl der Erkrankten unter den direkten Nachkommen der Dementia-praecox-Kranken getan haben. Wir scheiden die 238 F~lle (vgl. zu dem Folgenden immer Tab. 5) im Alter unter 16 Jahren aus. Die 103 (69 Jr 31-~ 3) Neffen und Nichten, die das Alter yon 40 Jahren erreicht haben, kSnnen wir bei der Bezugsgesamtheit als voll in Rechnung setzen. Von denen jedoeh, die nur ein Alter yon 16 40 Jahren erreicht haben, ist dies nut mit halber Sicherheit mSglich.

Zwar werden auch yon ihnen die bereits Verstorbenen nicht mehr erkranken kSnnen, und da es uns hier zun~chst darauf ankommt, festzustellen, in welchem Verh~ltnis Dementia praecox bei den hier untersuchten Neffen und Nichten

Zum Problem der Erbprognose-Bestimmung. 21

Dementia-praecox-Kranker tats/~chlich aufgetreten ist bzw. vermutlich noch auf- treten wird, da wir also nieht, wie das beim Aufsuehen yon Mendel-Proportionen der Fall ist, untersuehen wollen, wie viele der Neffen und Nichten die schicksals- m/~Bige Anlage zur Krankheit in sich tragen, so k6nnte man daran denken, aueh diese zwischen dem 16. und 40. Jahre Verstorbenen roll in Rechnung zu setzen.

Andererseits ist jedoch einmal vielleicht die Zahl der Toten gerade unserer gahrgange ausnahmsweise hoch (10 Gefallene), so dab verallgemeinernde Sehliisse dadurch erschwert werden, dann aber lal3t sieh auch ein Vergleich mit den fiir die direkten Naehkommen yon Dementia-praecox-Kranken erreehneten Zahlen leichter bewerkstelligen, wenn wir auch hier die zwischen 16 und 40 Jahren Ver- storbenen in der sonst iiblichen Weise halb in Rechnung setzen.

Zu der Zahl 103 haben wir also hinzuzuz/~hlen die H/~lfte yon 375, ngmlich die I-I~lfte yon 89 -4- 203 A- 89 vermindert um 6 Unbekannte (Tab. 5). Als Bezugsgesamtheit ffir unsere 4 Dementia-praeeox-F~lle erhalten wit also 103 -4- 187,5 = 290,5. Und so ist (wenn wir die Mor- taht/~t zwisehen dem 16. und 40. Jahre nicht beriieksiehtigen) auf Grund des hier untersuchten Materials anzunehmen, da$ 400 : 290,5 = 1,4% der Ne//en und Nichten Dementia-praecox.Kranker wieder an Dementia praecox erkranken.

Setzen wir iibrigens die zwischen dem 16. und 40. Jahre Verstorbenen mit als voll in Rechnung, so /~ndert sich, da wir dann eine Bezugs- gesamtheit von 308,5 erhalten, die Ziffer in 1,3%.

Fiir die Kinder Dementia-praecox-Kranker (Kreuzung DR • RR) land Riidin nach der Gesehwistermethode eine Krankheitserwartung yon 6,18% (Riidin h e., S. 64 und 74). Bei direkter Ausz/ihlung der Kinder Dementia.-praecox-Kranker (also Kreuzung DR • RR und DD • RR) fand er, unter Beriieksichtigung spKterer Erkrankungs- wahrscheinlichkeit mit Hilfe des abgekfirzten Verfahrens, 4 ,760, wie bereits auf S. 11 dieser Arbeit angegeben ist (Riidin 1. c., S. 104). Ho//mann fand dureh direktes Ausz/~hlen etwa 9%, ieh selbst in dieser Arbeit an sehr kleinem Material unter Beriieksichtigung sp/~terer Er- krankungsmSglichkeit nur eine etwas geringere Zahl als Ho//mann.

In jedem Falle bleibt die ffir die Neffen und Nichten gefundene Erkrankungswahrscheinlichkeit erheblich hinter der fiir die Kinder ge- fundenen zuriick.

Die fiir die Neffen und Nichten gefundene Ziffer zu vergleichen mit jener, die gewonnen ist aus hTeffen- und Niehtenschaften yon geistig gesunden, zum mindesten niehtschizophrenen Probanden, ist zur Zeit nieht mSglich, da uns eine solehe Ziffer noch nieht bekannt ist. An der genealogischen Abteilung stellt jedoeh Kattentidt zur Zeit eine Untersuchung an, die uns unter anderem diese Ziffer liefern soll.

Ausgesproehene andere Psychosen fanden sich unter den Neffen und Nichten nicht.

Nun sei - - gleichsam anhangsweise - - das Material dieser Untersuchung noch au/ die in ihm vorkommenden abnormen Pers6nlichkeiten bin betrachtet.

2 2 B. Schulz :

Dabei muB vorausgeschickt werden, dab wir zwar hoffen mSchten, die Zahl der an einer einwandfreien Psychose Erkrankten (in diesem Falle also 4 Dementia-praeeox-Kranke) richtig festgestellt zu haben, dab wir uns jedoeh keineswegs zu dieser Hoffnung berechtigt glauben in bezug auf die Feststellung der in dem Material vorhandenen ab- normen PersSnlichkeiten. Wie schwierig die Abgrenzung der Psycho- pathen sowohl naeh der Seite der Psychosen wit besonders nach der des Normalen hin ist, ist oft genug betont worden. Die Sehwierigkeit der Abgrenzung der versehiedenen Typen yon Psychopathen unter- einander zeigt sich ja sehon in den zahllosen Arten, sie einzuteilen. Im vorliegenden Falle nun den Psychopathen - - sei es auf Grund der Sehilderung wenn auch zweier oder dreier AngehSriger oder des Pfarrers oder selbst auf Grund einer oder zweier kurzer Unterredungen mit ihm in der Forschungsanstalt - - mit einer hinreiehenden Sieherheit als solchen zu erkennen und nKher zu bestimmen, erscheint mir nur in einer kleinen Zahl von F~llen mSglieh. Die hier gefundenen Zahlen k6nnen so meines Eraehtens in keiner Weise Ansprueh darauf erheben, aueh nur ann~hernd als absolute zu gelten. Einen gewissen Wert werden sie nur insoweit beanspruchen kSnnen, als man sie einmal wird in Beziehung setzen kSnnen zu Zahlen, die man etwa bei einer in gleieher Weise vorgenommenen Untersuehung yon Neffen und Nichten Maniseh- depressiver oder Epileptischer oder Normaler finden wird. Das ver- h~ltnism~l~ige lJberwiegen der abnormen Pers6nliehkeiten fiberhaupt bei einer dieser Gruppen oder das verh~ltnismi~l~ige Uberwiegen einer bestimmten Art solcher Pers6nlichkeiten bei einer dieser Gruppen diiffte hier das immerhin nieht unwichtige Ergebnis sein, besonders wenn alle Zahlen an hinreichend gro~em Materiale gewonnen sind. Durch Ver- gleichen der an derart verschiedenem Material angestellten Untersuchungen wiirden natiirlich auch die fiir die Dementia praecox wie fiir die anderen Psyehosen gewonnenen Zahlen bedeutend an Leben gewinnen.

Den Schwierigkeiten einer Umgrenzung und Einteilung der Psycho- pathen glaubte ieh nun, bei der fehlenden einheitlichen Nomenklatur, ftir den vorliegenden Fall am besten in folgender Weise begegnen zu diirfen: Ich sonderte von den F~llen, yon denen keine irgendwie krank- haften psychischen Besonderheiten bekannt waren, also yon den ,,Nor- malen", alle diejenigen ab, yon denen solehe bekannt geworden waren. Unter diesen ,,Abnormen" sind also hier auch ,,Nerv6se" einbegriffen, Sehwachsinnige, soweit ihr Schwaehsinn nicht einen Grad erreieht hat, dad er als Geisteskrankheit anzuspreehen ist, Trinker usw. Diese Ab- normen hielt ich fiir gut, fiir unsere Zwecke in gewisser Anlehnung an Schneider 1) zun~chst in solche F~lle einzuteflen, die irgendwelche

1) Schneider, ~ber Psychopathen in Dementia-praecox-Familien. Allg. Zeitschr. f. Psychiatrie u. psych.-gerichtl. Med. ~9.

Zum Problem der Erbprognose-Bestimmung. 23

Verwandtschaft in ihrer Wesensart mit den Krankheits~uBerungen der Dementia praecox aufwiesen, also in die Ungeselligen, Gemfitlosen, Unklaren oder Verbohrten (1. Gruppe), und in solche, die derartige Beziehungen zur Dementia praecox nicht zeigten (2. Gruppe). Da ich (ebenfalls mit Schneider) es nicht fiir absolut gesichert annehmen mochte, dab bei der 1. Gruppe stets auch eine mehr als i~uBerliche Verwandtschaft zur Dementia praecox besteht, wollte ich auch wie Schneider die Bezeichnung Schizoide ffir diese Gruppe mSglichst meiden und habe sie daher hier lieber als ,,Sonderlinge" bezeichnet. Unter diesen Sonderlingen will ich also bier die Abnormen verstehen, die schizophrenie(ghnliche Zi~ge au/weisen, im Gegensatz zu den Hysterischen, Haltlosen, Depressiven und Reizbar-Epileptoiden (Schneider). Diese, zu denen dana auBer den eben genannten Gruppen noch Schwachsinnige, Trinker (natfirlich nur, soweit sie keine Sonderlingsziige aufweisen) usw. kommen, habe ich dann als ,,andere Abnorm~" zusammengefaBt. Es geht aus dem Gesagten. bereits hervor, dab hiermit nicht etwa eine neue Psychopatheneinteilung gegeben werden oder gar die Nomenklatur vermehrt werden soll. Nur ffir die vorliegende Betrachtung glaubte ich auf diese Weise am besten eine Verst~ndigung herbeiffihren zu kSnnen. Da mir fibrigens auch nach allem Vorausgeschickten noch keineswegs vSllig gekl~rt zu sein scheint, welche PersSnlichkeiten im einzelnen ich denn nun hier zu den ,,Sonderlingen", welche zu den ,,anderen Abnormen" gerechnet habe, werden im Verlauf der Dar- stellung yon jeder einzelnen vorkommenden abnormen PersSnlichkeit, wenn auch mit mSglichst wenig Worten, die bezeichnendsten Mit. teilungen, die wir fiber sie erhielten, bzw. dcr Eindruck, den sie auf uns machten, wiedergegeben werden.

Wahrscheinlich wird man beim Durchlesen dicser Typisierungen auch bier bald den einen oder andeFcn den ,,anderen Abnormen" zu- gerechneten Fall eher zu den ,,Sonderlingen" z~hlen wollen, bald einen den ,,Sonderlingen" zugcz~hlten den ,,anderen Abnormen". Im all- gemeinen wird man sich jedoch hoffentlich der getroffenen Einteilung anschlieBen kSnnen. Mit durch die Art meiner Einteilung ist es bedingt, dab man besonders manche hier den Sondcrlingen zugez~ihlten F~lle auch wird als Epileptoide ansehen kSnnen, da diese oft gewisse den Schizoiden verwandte Ziige zeigen und dann hier, wenn sie sich nicht dennoch als sicher Epileptoide diagnostizieren lieBen, den Sonderlingen zugez~hlt werden muBten.

Bei manchen Personen, fiber die die Angaben, die auf eine gewisse psychische Anomalie schlieBen lieBen, sich nur auf den reichlichen AlkoholgcnuB der Bctrcffenden erstreckten, war ich im Zweifel, ob ich sie fiberhaupt in die Gruppe der psychisch Auff~lligen aufnehmen sollte, so z. B. wenn nur die unbestimmte Angabe vorlag: trank frfiher

24 B. Schulz :

sehr viel. Ich habe sie letzten Endes doch unter die, ,anderen Abnormen" aufgenommen, mSehte jedoch bemerken, dal~ sie bei etwaigen Aus- z~hlungen wohl nicht im fiblichen Sinne als ,,Trinker" gerechnet werden kSnnen. Personen, die offensichtlich dureh den AlkoholmiBbrauch sozial oder wirtschaftlich irgendwie zuriickgegangen sind, sind yon mir unter meinem Material nicht beobachtet.

DaB die Angaben, die man yon den verschiedenen Referenten er- h~lt, sich oft genug erheblich widerspreehen, tr~gt natfirlich dazu bei, die Schwierigkeiten der Einteflung zu erhShen. So bezeichnete uns z .B . ein Ehemann - - und zwar sicherlich guten Glaubens - - seine Frau als freundlieh, heiter, gutmfitig nnd vSllig unauff~llig, yon mehreren anderen Seiten jedoch wurde sie uns als ein rechthaberisehes, dabei sehr sparsames, richtiger geiziges Weib geschildert, das seinen gut- miitigen Ehemann vSllig unter dem Pantoffel habe. In einem anderen Falle berichtete ein Bruder yon seiner Schwester, sie sei in so auf. fallender Weise religiSs, dab er annehmen miisse, sie habe das gleiche Leiden wie ihre Mutter (bei dieser war die Dementia praecox mit Wahnvorstellungen religiSser Art einhergegangen). Bei n~herer Be- kanntschaft erwies sich die betreffende Schwester als ein frisches, heiteres, intelligentes junges M~dchen, das zwar gut katholisch war, dessen religiSses Leben sich jedoch in keiner Weise yon dem der meisten Katholikinnen unterschied. Der Bruder dagegen, fibrigens auch intelli- gent und von mancherlei geistigen Interessen fiber seinen Stand hinaus, war ,,aufgekl~rt" und aus der Kirche ausgetreten.

Betrachten wir nunmehr die Probandengeschwister, die Nachkommen haben (Tab. 2), au/ die unter ihnen be/indlichen ,,Sonderlinge" und ,,Anderen Abnormen". (Es ist bei den folgenden Zusammenstellungen jedesmal die Reihenfolge innegehalten, in der die betreffenden Personen in der alphabetisch geordneten Probandensammlung auftreten.)

Die 21 Sonderlinge der Probandengeschwister mit Nachkommen seien im einzelnen wie folgt bezeichnetl):

1. ~ Gefiihlskalt, mehr ftir sieh. 2. ~ MiBtrauisch, eigenartig. 3. 3 Nerv6s, erregbar, sonderbar. 4. 3 Wortkarg, fast geizig, gefiihls-

kalt. 5. $ MiBtrauisch, sonderbar steif. 6. ~ Steif, wenig entgegenkommend,

wichtigtuerisch. 7. ~ Eigensinnig, kalt. 8. ~ Immer aufgeregt, ,,hat schon

immer gesponnen".

9. ~ Grundlose Eifersuchtsideen, beim Denken Stiche im Kopf, dabei recht riihrig.

10. ~ Milltrauisch, gleichgtiltig ge- gen die kranke Schwester.

11. 3 Treibt sich planlos umber, ver- lor seinen Besitz durch Gleichgiiltigkeit.

12. ~ Geziert, bisweilen reeht er- regt.

13. ~ Still, ernst, im Verkehr ,,abrupt", erregbar.

1) Bei dieser Typisierung sind die in den Tabellen doppelt angefiihrten Per- sonen mit einem Stemchen versehen.

Zum Problem der Erbprognose-Bestimmung. 25

14. 9 Klug, energisch, doeh sehr fiir sieh und verschlossen.

15. c~ Ruhig, doch eigensinnig. 16. 9 Kalt, hoehmiitig, eigenniitzig,

intelligent. 17. 3 Sehr gut begabt, geht nicht

aus sieh heraus, lacht hie.

18. c~ Eingebildet, leiehtsinnig, gleichgtiltig gegen die Familie.

19. ~7 Selbstsiichtig, neidisch, kalt. 20. ~ Immer ftir sich, miBtrauiseh,

unselbstitndig. 21. ~ Aufbrausend, gereizt.

Es seien nun die ,,Anderen Abnormen" dieser Gruppe im einzelnen angeffihrt:

1. c~ Trank und rauchte viel, leicht- sinnig.

2. ~ _~[rgert sieh leieht. 3. 9 Leicht erregbar. 4. ~ Schwachsinnig, freundlich. 5. ~ Trank friiher sehr stark. 6. d~ Stets sehr aufgeregt, schoB sieh

eine Kugel in den Kopf, um Selbstmord zu begehen.

7. d~ Sehr gutmiitig, doch sehr auf- geregt.

8. c~ Selbstmord dutch Erhiingen aus nichtigem Grund, war gesellig.

9. c~ Sehr aufgeregt, geschwi~tzig, gesellig.

10. $ Melancholisch, zuriiekhaltend, doeh mitfiihlend.

11. ~ Schwachsinnig, abergl/~ubiseh. 12. 9 Recht gedriiekt, zuriiekge-

zogen. 13. ~ Trinkt viel, dabei gutmiitg

und lustig. 14. ~ Nervensehwaeh, gutmiitig. 15. 3 Neurastheniker. 16. ~ Wehleidig, gutmiitig. 17. 3 Aufgeregt. 18. 2 Gutmiitig, schwaehsinnig,

wehleidig. 19. c~ Zeitweise starker Trinker, auf-

brausend, doch gutmiitig.

20. $ Leieht erregbar. 21. c~ Trinkt viel. 22. c~ Leicht erregbar, raucht viel. 23*. ~ Leieht erregbar, leieht er-

miidbar. 24. ~ Redselig, ,,leieht manisch",

bisweilen auch weinerlich. 25. ~ Erregbar, stimmungsschwan-

kend, nerv6s. 26. ~ Vertr/~gt kein Eisenbahn-

fahren. 27*. ~ NervSs. 28. c~ Schwaehsinnig. 29. ~ Gesellig, doch sehimpft leicht,

nerv6s. 30. ? 3L ? 32. ?

mtitig. 33. 34. c~ 35. 3 36. 37.

schlechte den.

Gutmtitig, aber dumm. Gesellig, doch leicht zornig. Aufgeregt, hastig, doch gut-

Nachtwandler. Gutmiitig, doch aufbrausend. Gutmtitig, doch aufbrausend. Sehr nervSs und aufgeregt. Oft Kopfschmerzen und

Stimmung, Kropfbeschwer-

38. c~ Regt sich im Dienst sehr leieht auf.

39. ~ Hutte immer Nervenschmer- z e n .

Es ]olgen nun die abnormen Pers6nlichkeiten unter den mit den Probanden nicht blutsverwandten Eltern der NeHen und Nichten.

Sonderllnge :

1. d Aufgeregt, geftihlskalt. 2. ~ Gefiihlskalt und sparsam. 3. ~ Ernst, verschlossen. 4. ~ Rechthaberisch, geizig. 5. c~ Ehrgeizig, yon sich eingenom-

men, sehr nervSs. 6. ~ Etwas komisches Wesen. 7. c~ Recht bSs, miirrisch. 8. ~ Boshafte Person. 9. ~ Miirrisch, faul, sonderbar.

10. ~ StreitsiJchtiger Trinker. 11. c~ Streitsiichtig, finster. 12. c~ BSsartig bis zum Wahnsinn. 13. c~ Rechthaberisch, aufgeregt,

religiSs. 14. ~ BSser streitsiichtiger Trinker. 15. c~ Mtirrisch, Trinker. 16. ~ Migtrauisch, leich~ erregbar. 17. c~ Verschlossen.

26 B. Schulz :

Andere Abnorme:

1. 9 Aufgeregt. 14. 2. 9 NervSs, aufgeregt. 15. 3. ~ Weinerlich. 16. 4. c~ Aufbrausend, doch gutmiitig. 17.

Trinkt viel, heiter. Etwas melancholisch. NervSs, bisweilen verstimmt. Trank viel Schnaps.

5. 3 Leicht erregbar. 6. ~ Wegen Betruges bestraf~. 7. c~ Trinkt viel, sonst begabt, heiter. 8. 3 Trinkt viel, dabei gutmiitig. 20. 9. ~ Auffallend lebhaft und gespr~- 21.

chig (hypomanisch?). 22. 3 10. ~ Aufgeregt, frank friiher. 23. c~ 11. ~ Beging Selbstmord. 24. c~ 12. ~ NervSs gutmiitig. 25. 13. ~ Etwas streitstichtig, sonst un- 26. d~

auffMlig.

18. ~ Gutherzig, abet unent- schlossen.

19. ~ Beging Betriigereien. Trinker, arbeitet nicht. Leicht erregbar, gesellig. Aufgeregt und gutmiitig. Trank viel. Heiter, fide1, trank sehr viel. Beging Selbstmord. Trank sehr viel.

Stellen wir nun ,,Sonderlinge" und ,,Anderc Abnorme" sowie die Psychosen der Tab. 2 denen der Tab. 3 gegeniiber, so sehen wir, dab nach Zahl und Art beide Gruppen sich ann~hernd die Wage halten. Man kSnnte daran denken, dab die Zahl der Abnormen unter den mit den Probanden nicht blutsverwandten Eltern deshalb so grol] er- scheint, weil die Referenten in der Mehrzahl der F~lle aus der l%milie des Probanden s tammen und Sonderbarkeiten an nicht zu ihrer Familie gehSrigen Personen leicht wahrzunehmen und fiber sie zu berichten geneigt sind, w~hrend sie Personen der eigenen Familie gern a ls v611ig normal, heiter, fleiBig, mitftihlend usw. bezeichnen. Immerhin dfirfte dies nur fiir einen Teil der F/~lle zutreffen und vielleicht ann/~hernd dadurch wieder ausgeglichen werden, dab yon den Referenten fiber die mit ihnen nicht blutsverwandten Elternteile recht oft berichtet wurde, sie seien ihnen nur oberfl~chlich bekannt, seien jedoch, soviel sie wfil]ten, gesund und unauff~llig, so dab solche Personen dann unter die ,,Nor- malen" eingereiht werden muBten, w/ihrend sie sich bei genaueren Berichten vielleicht doch'irgendwie abnorm erwiesen h~tten. Auch finden sich ja unter den mit dem Probanden nicht blutsverwandten Eltern ann~hernd ebenso viele Psychosen, ja sogar eine Dementia praecox mehr als unter den Probandengeschwistern mit Nachkommen, und hierffir wird man die psychische Einstellung der Referenten ebenso- wenig verantwortlich machen kSnnen wie ffir die hohe Zahl der Selbst- morde der Gruppe. Handelt es sich hier um ein Zufallsergebnis, er- mSglicht durch die Kleinheit des Materials ? Oder zeigt sich hier die Neigung der Dementia praecox-Geschwister, in gleichbelastete Familien hineinzuheiraten ? Oder entspricht die Zahl der abfiormen Pers6nlich- keiten und der Psychosen in beiden Gruppen der Verbreitung in der Durchschnittsbev61kerung, so dal] also Dementi~ praecox-Geschwister mit Nachkommen im allgemeinen hinsichtlich ihres psychischen Ver-

Zum Problem der Erbprognose-Bestimmung. 27

haltens, wenigstens soweit dieses bei oberfl~chlieher Betraehtung er- kannt werden kann, der DurehsehnittsbevSlkerung gleiehzusetzen w~ren ?

Um zu diesen einzelnen MSglichkeiten n~her Stellung nehmen zu kSnnen, w~re natiirlieh auch wieder zun~ehst die Untersuchung eines hinreiehend groBen Materials erforderlich, das am besten einwandfrei dem Durchschnitt der BevSlkerung entspr~che; zum mindesten dfirften seine Ausgangspersonen nicht Dementia praecox-Kranke sein.

DaB bei den kinderlosen Probandengeschwistern die absolute Zahl der Psychosen erheblich hSher war als bei den Probandengeschwistern mit •achkommen, sahen wir bereits.

Wit wollen diese kinderlosen Probandengeschwister ]etzt auch in bezug au[ die unter ihnen be]indlichen abnormen PersSnlichkeiten betrachten. Wir fiihren die abnormen PersSnlichkeiten zun~chst wieder einzeln an:

Sonderlinge: I. ~ Sehr eifersiichtig (ledig). 2. 2 Eigenartig, sehr religiSs. 3. c~ Im Zuohthaus gestorben (Tot-

schlag), finster. 4. c~ Sonderbar, stets auf Wander-

schaft. 5. ? Unordentlieh, faul, fiihrte lie-

derliches Leben. 6. ~ Gedriickt, sonderbar, leicht er-

regbar.

7. c~ Arbeitsam, verschlossen. 8*. ~ Sehr nervSs, abrupt im Ver-

kehr, ernst. 9*. c~ Sehr nervSs, abrupt im Ver-

kehr, ernst. 10". 3 Eigenartig veranlagt. 11". ~ Tiefsinnig, sehr religiSs. 12. 9 Launisch, sehr eigenartig, eha-

rakterfest.

Andere Abnorme: 1. ~ Trinkt viel. 2. c7 Sehwaehsinnig, abergl~ubisch. 3. c~ Freundlich, doch nervSs. 4. c7 Schwermiitig, etwas geizig. 5. c~ Geistig schwach. 6. ~ Mit 10 Jahren Veitstanz, jetzt

sehr nervSs. 7. c~ Trinkt viel, heiteres Wesen.

8. ~ Wenig begabt. 9. ~ Gutmiitig, trunk und spielte

viel. 10. c7 Trinkt viel, heifer. 11. ~ Aufbrausend, gutmfitig. 12. 3 Selbstmord mit 28 Jahren. 13. c~ Nerv6s, hastig.

Will man nun die Probandengeschwister mit und ohne Kinder ge- nauer miteinander vergleichen, so muB man die kinderlosen Probanden- geschwister im Alter bis zum 20. Lebensjahre ausscheiden, da unter diesen sich naturgem~B seltener Psychosen befinden als unter den ~lteren F~tllen, und da ja Probandengesehwister mit Nachkommen in unserem Material erst vom 21. Lebens]ahre an vorhanden sind. In vorliegendem Falle befinden sich unter den weniger als 21 Jahre alten Probandengesehwistern iiberhaupt keine Psychosen, ebenso sind uns unter den weniger als 21 Jahre alten Probandengeschwistern auch abnorme Pers5nlichkeiten nicht bekannt geworden. Wie Tab. 4 sehon wahrscheinlich maeht, handelt es sieh ja auch bei diesen jiingeren Probandengeschwistern haupts~ehlich um in frfihester Kindheit Ver- storbene.

28 B. Schulz :

I n Tab. 6 sind die Probandengeschwister mit Kindern und die kinderlosen Probandengeschwister , soweit sie ein Alter von fiber 20 J ah ren erreicht haben, einander gegeniibergestellt.

TabeUe 6.

Probandengeschwister mit Nachkommen . . . . .

Kinderlose Probandenge- schwister . . . . . . .

Probandengeschwister mit Nachkommen . . . . . .

Kinderlose Probandenge- sehwister . . . . . . .

,,Nor- male"

152 22

52 16

69 ,4%

58,0%

10,0%

17,2%

,,Andere Abnorme"

41

13 I

18,7%

14,0%

Andere Dementia Psy- praecox chosen

1 41 )

6 4

0,4% 1,8% -

6,4% 4,3% -

Sa.

219

93

Es sind in der Tabelle bei den Probandengeschwistern mit Kindern 1 ,,Sonder- ling" und 1 ,,Anderer Abnormer" doppelt angefiihrt, da sie doppelt Probanden gesehwister sind; 4 ;,Sonderlinge" sind aus dem gleiehen Grunde bei den kinder- losen Probandengesehwistern doppelt angefiihrt. Von den 6 Dementia praecox- FMlen dieser Gruppe sind 4 gleichzeitig Probanden.

Die beiden unteren Spalten der Tabelle geben die Prozentzahlen an. Es ist die st~rkere Belastung der kinderlosen Probandengeschwister mi t Psychosen, aber auch eine solehe mit , ,Sonderlingen" erkennbar.

Sie wiirde auch dann bestehen bleiben, wenn jede Person nur elnmal in der Tabelle auftreten wiirde, und aueh, wenn yon den 4 Probanden nur 2 (als ob es sich um gew6hnliehe Sekundarf~lle handle) in Reehnung gesetzt werden.

In gleicher Weis'e wie bei den Eltern der Ne]]en und Nichten seien nun die abnormen Pers6nlichkeiten bei den Ne]/en und Nichten selbst, soweit sie ein Alter von iiber 16 Jahren~ erreicht haben, einzeln au/gezghlt. Auch bei den Neffen und Nichten im Alter von unter 16 Jah ren haben wir zwar einige abnorme Pers5nlichkeiten gefunden, doch haben wir sie zu den , ,Normalen" gez~hlt (vgl. Tab. 5), und haben daffir lieber bei den statistischen Zusammenstel lungen, die die Beschaffenheit der Neffen und Nichten betreffen, alle Neffen und Nichten unter dem 16. Lebensjahre ausgesehaltet. I s t doch anzunehmen, d a ] die yon uns ffir diese in kindlichem Alter s tehenden Personen gefundenen Zahlen der abnormen Pers6nlichkeiten wieder in ganz anderer Weise yon den tats~ehlichen VerhMtnissen abweichen, als das ffir die bei den ~Iteren Personen gefundenen Zahlen zu erwarten ist. Ausgesprochene Psychosen waren unter den Neffen und Nichten im Alter yon unter 16 Jah ren nieht vorhanden.

1) Einer dieser Fi~lle tritt auch unter den ,Sonderlingen" auf (pr~tpsychotisch ,Sonderling"~ gestorben an Paralyse). Er ist beim Bilden der Summe nur ein- real gezahlt. (Vgl. Tabelle 2.)

Zum Problem der Erbprognose-Bestimmung. 29

Wir ftihren nun die Sonderlinge unter den Neffen und Nichten an: 1. c7 Versehlossen, berechnend, be-

ging Unterschlagungen, roh. 2. 9 Sehr eiferstichtig ohne Grund. 3. !~ Sehr eiferstichtig (ledig). 4. ~ Kalt, aufbrausend, sexuelles

Delikt mit 10ji~hriger Stieftochter. 5. ~ Kalt, abweisend. 6. ~ Leieht wiitend, geizig. 7. ~ Zuriiekhaltend, ,,vornehm". 8. c~ Still fiir sich, ,,edler Mensch". 9. ~ Still fiir sich, verschlossen.

10. ~ Rabiat, rechthaberisch, Mann- weib.

11. ~ Eigenartig, menschenscheu. 12. ? Sonderbar, lacht grundlos,

fiihlt sich immer zurtickgesetzt. 13. ~ Ji~hzornig, miirrisch. 14. ~ Still versehlossen. 15. ~ Unzufrieden, zieht sich yon

allem zuriick, erregbar. 16. ~ Herrisch.

17. ~ Verschlossen, wegen Ein- bruchs bestraft.

18. 9 Geziert, altjtingferlieh, ,,Stre- ben nach HSherem".

19. $ Streitstichtig, ktimmert sich wenig um die Familie.

20. ~ Streitstichtig, rechthaberisch, herrschsiichtig.

21. 9 Verschroben, sinniert vor sich hin.

22. c~ Ungesellig, verstimmt. 23. c~ Eigener Junggeselle, sehr

schweigsam, talentiert. 24. c7 Sehr rein. Gibt sich nicht mit

M~ktehen ab. 25. ~ Sehr ffir sich, sehr rein. 26. ? Eigenartig, schwer zug~ng-

lich, entsehlul3unf~hig. 27. ~ Seheu, gern fiir sieh. 28. ~ Ablehnend, mifltrauisch.

Es folgen die Anderen Abnormen:

1. ~ NervSs, wird leicht zornig. 23. c~ Leicht aufgeregt, ,,es steigt 2. ~ NervOs. 3. ~ Leieht erregbar, lebt aus-

schweifend. 4. ~ Schwachsinnig. 5. ? NervSs, doch gutmtitig. 6. ~ Regt sich leicht auf, leicht ver-

zweifelt. 7. c~ Tr~ge, miil3ig begabt. 8. ~ Sehr aufgeregt. 9. r Leicht erregbar, jiihzornig,

doch freundlich, mitfiihlend. 10. 3 Mi~13ig begabt. 11. c7 Beging Diebst/ihle. 12. ~ NervSs. 13. ~ Aufgeregt. 14. ~ Multiple Sklerose. 15. c~ Etwas schwermtitig. 16. c~ Etwas gedrtickt. 17. c~ Etwas unfreundlieh und auf-

geregt. 18. ~ Selbstmord mit 44 Jahren,

war enthusiastiseh (Cycloid). 19. ~ Oft furehtbar verstimmt (Cy-

cloid). 20. 9 Leicht erregbar, stimmungs-

schwankend. 21. ~ 1%rvSs, Herzneurose. 22. ~ Weinerlich, erregbar.

ihm dann auf". 24. ~ Leieht erregbar. 25. ~ Sehwaehkopf. 26. c~ Hypochonder. 27. ~ Trhge, faul. 28. ~ Unbegabt, k6rperlichschw~ch-

lich. 29. ~ Trinkt viel, heiter. 30. ~ Wenig begabt. 31. c~ Schwerf/~llig. 32. c~ Zcrfahren, leicht ermiidbar. 33. ~ Empfindlich, nervSs, schwach-

sinnig. 34. ~ Leieht erregbar, schimpft leieht. 35. r Sehr aufgeregt, hatte es mit

den Nerven. 36. ~ Gutmtitig, dumm, wehleidig. 37. ~ Hat es mit den Kopfnerven,

wenig begabt. 38. ~ Wenig begabt. 39. c7 Sehr unbegabt, aber gutmiitig. 40. c~ Leichtsinnig und faul, aber

liebenswiirdig. 41. ~ Vagabund, hielt in keiner

Lehre aus. 42. ~ Aufgeregt, gutmiitig. 43..~ Sehwaehsinnig, mannstoll. 44. ~ J~hzornig und gutmiitig.

30 B. Schulz :

45. ~ J~hzornig und gutmiitig. 59. 46. ~ Sehr empfindlieh als Kind, 60.

jetzt leicht gedrtiekt. 61. 47. 3 Aufgeregt. 62. 48. 9 Albern, sehwachsinnig. 63. 49. ~ Bei _&ufregung Anfille (Hy- 64.

sterie ? Epilepsie ?). 65. 50. r Wenig begabt, wegen 51. d7 Trige, wechselte oft die Lehre. 66. 52. ~ Einseitig gel~hmt, geistig zu- 67.

rfick (cerebrale Kinderlihmung ?) 68. 53. ~ Nachtwandler. 69. 54. ~ Lernt schwer, deckung 55. ~ Selbstmord mit 28 Jahren 70.

(N~heres nicht bekannt). 71. 56. ~ Gutmiitig, nerv6s. 72. ? 57. ~ Nerv6s. 73. 58. ~ Gutmiitiger Lump.

Gedrtickt, weinerlich. $-Schli~frig.

Bettnisserin. Leicht aufgeregt, Trinker.

c~ Leichtsinnig, sehr nervSs. Leieht gereizt, weinerlich.

c7 Selbstmord mit 19 Jahren einer Liebschaft.

Reizbar. Leicht ~rgerlich, nervSs. Krinklich, leicht erregbar. Beging Betrug, nach Ent- Selbstmord. Sehr erregt, weinerlich. Sehr erregbar, gutmtitig. Vom 15. Jahre an gel~hmt. Oft schwermtitig.

Auffallend ist, wie ja aus Tab. 5 schon hervorging, die hohe Zahl der SelbstmSrder. DaB die Anlage zu den Anomalien im Einzelfalle natiirlich keineswegs immer ausschlieBlich von seiten der Familio des Probanden zu s tammen braucht, zeigt hier unter anderem der Fall eines SelbstmSrders (s. oben Nr. 65), dessen Mu~ter, die ebenfaUs durch Selbstmord endete, und deren Bruder einen durch Selbstmord geendeten Sohn besaB, nicht mit dem Probanden blutsverwandt war.

Es liegt nahe, zu fragen, ob unter den Neffen und Nichten unserer Probanden mehr abnorme PersSnlichkeiten, wie der Begriff hier gefaBt ist, insbesondere mehr ,,Sonderlinge" sich befinden als unter der Durch- schnittsbevSlkerung. Leider fehlt es auch zur Beantwortung dieser Frage wieder an Vergleichsmaterial (das allerdings ebenfalls augen- blicklich an der genealogischen Abteilung yon Kattentidt vorbereitet wird). Eher kSnnte man schon daran denken, die Frage zu beantworten, ob unter ihnen weniger oder mehr abnorme Pers6nlichkeiten sind als unter den Kindern Dementia praecox-Kranker. Obwohl mein Material ja nur sehr wenig Probandenkinder enth~lt, mSchte ich sie dennoch lieber zu einem Vergleiche benutzen als ein fremdes Material, da sie wenig- stens nach der gleichen Methode gewonnen und n iher bezeichnet sind. Unter den 55 iiber 17 Jahre alten Probandenkindern /inden sich 10 ,,Sonder- linge", 11 Andere Abnorme, 2 F~ille yon Dementia praecox und 1 Dementia praecoeissima. (NB. Also 24 geistig Abnorme unter 55 Kindern fiber 17 Jahren! i) Es seien auch hier wieder die abnormen Pers6nlichkeiten einzeln angeffihrt:

Sonderlinge:

1. ~ Viel auf Wanderschaft, wenig 3. ~ Leicht erregbar, dabei albern gespr~hig, und unzufrieden.

2. ? Recht gewi~hlt. 4. ~ Kalt, wenig intelligent.

Zum Problem der Erbprognose-Bestimmung. 31

5. ~ Kalt, intelligent. 6. ~ NervOs, unvertri~glleh. 7. ~ Fiir sich, heiratete nicht, um

fiir sich sein zu kOnnen. 8. c~ Sonderbarer Kauz, hypochon-

drisch, selbstbewu~t, Iernte schwer.

9. ~ Kiihl, egoistisch, eigensinnig. 10. r Leicht erregbar, ~u6erst

empfindsam, Selbstmordversuch a u s

ungliicklicher Liebe, unfreundliches W ~ e n .

Andere Abnorme: 1. c~ Schwerf~llig, gedriickt. 2. 3 Leiehtlebig und leichtsinnig. 3. c~ Recht leichtlebig. 4. c7 Sehr aufgeregt. 5. 3 Sehr aufgeregt. 6. ~ Nerv6s. 7. ~ Stimmungsschwankend, zap-

pelig.

8. c~ Gefiihlvoll, leicht erregbar, j~h- zornig.

9. ~ Auffallende politische Beti~ti- Tung (Beruf: Naherin).

10. c? Unfroh, schlafrig. l l. $ Gutmiitig, beschr~nkt.

Die Gegenfiberstellung der Probandenkinder mit den Neffen und Niehten in Tab. 7, bei der die beiden unteren Spalten wieder die Prozent- zahlen angeben, zeigt mit Deutlichkeit die h6here Belastung der Probanden- ]cinder auch mit ,,Sonderlingen" und ,,Anderen Abnormen".

TabeUe 7.

,~ormale" Sa.

Probandenkinder . . . . . . 31 11 3 55 Neffenund Nichten der Probanden 611 73 4 716 Probandenkinder . . . . . . 1/ 56,4 ~ Neffen und Nichten derProbanden /[ 85,3 ~

,,Sender- ,,Andere Dementia linge" Abnorme' praecox

10 28 18,2 ~ 3,9 ~

20,0~ 5,5% 10,2 /o[ 0,6 ~

L~iflt sich nun an dem vorliegenden Material erkennen, ob bzw. ix welchem Grade die besondere erIcennbare psychische Beseha//enheit der niehtpsychotischen Ne//en. und Nichteneltern bei ihren Kindern statistisch irgendwie zum Ausdruck kommt? Eine derartige Untersuchung an diesem Material fiberhaupt vorzunehmen, glaubte ich mich deshalb berechtigt, weil ieh mich von Anfang an bemfiht hatte, jeden Fall des Materials vSllig unabh~ngig yon den Schilderungen, die mir fiber seine Eltern, Geschwister oder sonstige AngehSrige gemacht worden waren, ganz allein fiir sieh in bezug auf seine psychische Besehaffenheit zu beurteilen und einer der 3 Gruppen (,,Normale", ,,Sonderlinge", ,,Andere Ab- norme") zuzurechnen. Da ich natiirlich dennoch nieht v611ig unbeein- flul~t sein konnte, habe ich in zweifelhaften F~llen ERern und Kinder lieber verschiedenen Gruppen zugeteiR als den gleichen. Ich gebe zu, da~ das Vorgehen nicht ganz korrekt ist, und dal~ man fiber seine Zweckm~l~igkeit verschiedener Ansicht sein kann.

Ich habe in Tab. 8 zun~ichst alle ERernkombinationen zusammen- gestellt, die sich auf Grund meiner Einteilung der PersSnlichkeiten

32 B. Schulz :

Tabelle 8. Die verschiedenen Elternkombinationen des Materials und ihre Nachkommen. (Ohne die Probanden und Probandenkinder.)

Eltern der Neffen und Nichten Neffen und Nichten

Probanden-Geschwister Angeheiratete Eltern ,,Nor- ,,Sonder- ,,Andere Dementia Unbe- male" linge" Abnorme" praecox kannt

,Normal" ,Anderer Abnormer"

,Normal" ,Anderer Abnormer"

,Sonderling" ,~Normal"

,Sonderling" ,Anderer Abnormer"

,Sonderling" Andere Psychose

,,Normal" ,,Anderer Abnormer" Dementia praecox

,,Normal" .:Normal"

.AndererAbnormer"

,,Normal" .Normal"

Anderer Abnormer" Anderer Abnormer"

.Normal" ,,Sonderling"

Anderer Abnormer' ,,Sonderling" .Sonderling"

,,Normal" Andere Psychose Andere Psychose

,,Normal" Dementia praecox

Unbekannt Unbekannt

221 52 33

3 25 14 6 2

1 4 4 3

1 1

2

20 15 11 3 2 3 3 5 2 1 3 1

2 1 1

"1

1

1 1

1

5

bei meinem Material ergaben, und habe einer jeden die Zahl der aus ihnen hervorgegangenen Nachkommen, soweit sie das 16. Lebensjahr iiberschritten hatten, ebenfalls geordnet nach ihrer psychischen Be- schaffenheit, beigefiigt. Diese Tabelle diente mir als Grundlage fiir die Tab. 9 und 10.

Tab. 9 soil Antwort geben auf folgende Fragen: 1. Treten (immer bei dem vorliegenden Material) weniger Psychosen,

Sonderlinge und sonstige Abnorme in der Nachkommenschaft auf, wenn beide Eltern gesund erscheinen, als wenn der eine yon beiden (zwar nicht psychotisch, aber) irgendwie abnorm erscheint, und treten in diesem letzterw~hnten Falle wieder weniger auf, als wenn beide irgendwie abnorm erscheinen ?

2. Macht es einen Unterschied, ob, wenn nur ein Elternteil irgend- wie abnorm erscheint, das Probandengeschwister oder der andere Elternteil abnorm erscheint ?

Diese zweite Frage wurde gestellt, da man ja daran denken muBte, dal~ mSglicherweise die dem Probanden verschwisterten Eltern d e r

Neffen und Nichten auch dann, wenn sie psyehisch normal erschienen, h~iufiger die Anlage zur Dementia praecox in sich tragen wiirden als die normal erscheinenden Angeheirateten, und dal~ diese MSglichkeit in der Beschaffenheit der N~chkommenschaft irgendwie zum Ausdruck kommen kSnnte. Andererseits war allerdings auch damit zu rechnen, da[~ abnorm erscheinende Angeheiratete dennoch h~ufiger yon der An-

Zum Problem der Erbprognose-Bestimmung.

Tabelle 9.

33

Eltern der Neffen und Nichten

Probandengeschwister

,,Normal"

,, Anderer Abnormer" oder ,,Sonderling"

,,Normal" ,,Anderer Abnormer" oder ,,Sonderling"

,,Anderer Abnormer" oder ,,Sonderling"

Neffen und l~ichten

Angeheiratete Eltern ,,Nor- ,,Sonder- [ ,,Andere Dementia male" linge" Abnorme" praecox

,,Normal" 221 9 20 - -

,,Normal" 77 ] 7 17 2

47 I 4 14

,,Anderer Abnormer" ,,Anderer Abnormer" 6 13 oder ,,Sonderling" oder .Sonderling"

,,Normal" ,,Normal" 3,6% 8,0%

6,8% 16,5%

,,Normal"

,,Normal"

,,Anderer Abnormer" oder ,,Sonderling"

,,Anderer Abnormer" oder ,,Sonderling"

,Anderer Abnormer" oder ,,Sonderling"

I 18 1

4 88,4%

74,7%

72,3%1 I

46,2%r 15,4% I

6,1% 21,5%

33,3%

Sao

250

103

- - 65

2 39

2,0% - -

5,l% --

Tabelle 10.

Neffen und Nichten

Eltern der Neffen und ~Nichten --D~mentia ,,8onder- ,,Normale" oder Sa praecox I linge" q,,Andere Abnorme" "

Beide Eltern ,Normale" - - 9 241 250

Ein oder beide Elternteile 1 8 117 126 ,,Andere Abnorme" (doch kein Eltern-

teil ,,Sonderling")

Ein Elternteil ,,Sonderling", der andere 2 8 60 70 ,,Normal" oder ,,Anderer Abnormer"

Beide Eltern ,,Sonderlinge" 1 1 9 11

Beide Eltern ,,Normale" - - 3,6% 96 ,4% - -

Ein oder beide Elternteile 0,8% 6,3% 92,8% - - ,,Andero Abnorme" (doch kein Eltern-

tell ,,Sonderling")

2,8% 11,4% 85,7% - - Ein Elternteil ,Sonderling", der andero ,~Normal" oder ,,Anderer Abnormer"

Beide EItern ,Sonderlinge"

Z, L d. g. Neut. U. Psych, !02,

9,1% 9,1% 81,8%

34 B. Schulz:

lage zur Dementia praeoox frei sein kSnnten als die abnorm erseheinenden Probandengeschwister. Wiirden beide M6glickkeiten gleich h~ufig sigh verwirklichen, so wiirden sic, wenigstens in bezug auf das Auftreten yon Dementia praeeox unter den Nachkommen, das ja eine konvergente Belastung voraussetzt, einander in ihrer Wirkung aufheben. Ein ent- scheidendes Ergebnis war daher wohl, zum mindesten bei den kleinen Zahlen, yon vornherein nieht recht zu erwarten. Es sollte aber die praktisehe Bedeutung dieser Fragestellung hervorgehoben werden. Ihre endgfiltige Beantwortung an Hand yon grS•erem Material ist dringend notwendig !

Die Betrachtung der Tab. 9 macht es nun wahrscheinlich, daft ~n der Mehrzahl der F~ille der Genotypus sich in der erlcennbaren psychischen Bescha//enheit eines Menschen iiu[Jert. Abnorme PersSnlichkeRen und Psychosen sind, wenn wir die Prozentzahlen in der unteren H~lfte der Tabelle vergleiehen, bei den Nachkommen weniger stark vertreten, wenn beide Eltern psychisch normal erscheinen, starker, wenn ein Elter psychiseh abnorm erseheint, und am st~rksten, wenn beide Eltern abnorm erseheinen.

Ein deutlicher EinfluB der Tatsache, ob das Probandengeschwister oder der andere Elter abnorm erscheinen, 1/~Bt sigh hier night erkennen, vielmehr iiberwiegt sogar wider alles Erwarten bei der ersten dieser beiden Elternkombinationen die Zahl der dementia-praecox-kranken Nachkommen die bei der zweiten, d. h. es linden sich mehr Dementia- praecox-Kinder, wenn das abnorm erscheinende Elter Probanden- gesehwister ist, als wenn der abnorm erscheinende Elter Geschwister- gatte eines Probanden ist. Nach den vorher angestellten Uberlegungen dagegen h~tte man im ersten Falle hSchstens eine ebenso grot]e Zahl Dementia-praecox-Kranker erwartet wie im zweiten. Bei den ver- schiedenen hier in Betracht kommenden einander in bezug auf ihre Wirkung entgegengesetzten M6glichkeiten, deren Eintrittswahrschein- lichkeiten sieh kaum abschiitzen lassen, wird man allerdings dieses der Erwartung widersprechende Ergebnis, das sich noeh iiberdies auf sehr geringe Zahlen stiitzt, kaum bewerten diirfen, wie man ]a auch umgekehrt einem der Erwartung entsprechenden Ergebnis keinen end- giiltigen Wert h~tte zumessen diirfen.

Sollte sigh dieses Ergebnis jedoch aueh bei grSl]erem Material finden und unter Umst~nden, die eine genauere charakterologische Typisierung gestatten, so w/~re allerdings ihre Rfickwirkung auf die Beurteilung des Vererbungsmodus der Dementia praecox-Anlage ernstlich zu dis- kutieren.

Die Frage, inwieweit insbesondere es auf die Beschaffenheit der Nachkommen yon EinfluB ist, ob die Eltern als ,,Sonderlinge" er- scheinen, suchte ich mir durch die Tab. 10 zu beantworten. Die Spalte

Zum Problem der Erbprognose-Bestimmung. 35

der psyehotisehen Naehkommen zeigt yon oben naeh unten ein sti~ndiges Ansteigen der Verh~Itniszahlen; das gleiche zeigt, worm aueh nieht rait der gleiehen Regelm/~13igkeit, die Spalte der Naehkommen, die den ,,Son. derlingen" zugez/ihlt sind. Die 3. Spalte zeigt dementspreehend ein stiin. diges Abfallen. Besonders deutlich tritt (leider sind gerade hier die Urzahlen wieder sehr klein !) die Hgu[un9 der Dementia praeeoz unter den Naelt. kommen bei der Kreuzung ,,Sonderling" • ,,Sonderling" zntage. Jeden- falls seheint auch unser Material dafiir zu spreehen, daI~ die Verwandt- sehaft der ,,Sonderlinge" mit der Dementia praecox eine meier als /iul3erliche ist. Um Irr~fimern vorzubeugen, sei noehmals ausdrfieklich darauf hingewiesen, dab die in den Tabellen 6, 7, 9 und 10 gegebenen Prozentzahlen natfirlieh nur Vergleiehswerte untereinander darstellen. H/~tten sic darfiber hinaus Geltung beanspruchen sollen, so h~tte ja schon, zum mindesten hinsiehtlich der Psyehosen, das Alter der Per- sonen mitberfieksichtigt werden mfissen. Daindes eine derartige weitere Geltung diesen aus doeh nut sehr kleinem Material gewonnenen Zahlen ohnehin nieht zugebilligt werden kann, glaubte ieh von einer Berfick, sichtigung des Lebensalters absehen zu kSnnen, da, wie anzunehmen, innerhalb der einzelnen Gruppen der Altersaufbau ann~hernd de~ gleiche ist.

Immerhin darf auf Grund dieser Untersuchung der Naehkommen. schaft bestimmter Typenkombinationen von Eltern, von denen der eine stets ein dementia-praecox-krankes Gesehwister hat, vielleicht.doeh mit etwas gr6flerer Sicherhelt als bisher angenommen werden, daft die Kombination als die giinstigste /iir Erzielung einer gesunden Nachkommen. ~cha/t anzusehen ist, bei der beide dieser Eltern pers6nlich psyehisch un. au//gllig erscheinen, daft die]enige weniger 9iinstig erscheint, bei der eln Elternteil irgendeine psychische Anomalie darbietet, und noch weniger giinstig die; bei der dies beide Eltern tun. Als besonders ungiinsti9 wiirde in ]edem Falle die Sonderlingseigenscha/t anzusprechen sein.

Man wird sagen kSnnen, dab damit niehts ausgesprochen ist, als dab ein abnormer Ph/~notypus der Eltern eine /~hnlieh abnorme Be- sehaffenheit der Kinder wahrseheinlicher maeht. Aber wenn das wohl auch nur der allgemeinen bisherigen Annahme entspricht, so ist diese Annahme doeh hier fiir den Fall der Neffen und Nichten Dementia- praeeox-Kranker durch eine zwar nieht vSllig einwandfreie, abet doeh vielleicht ann~hernd genaue empirisehe Untersuehung best/~tig~ worden. Und diese spezielle induktive Untersuchung war nOtig, weil das, was wit aus unseren Erfahrungen fiber die Dominanz- und Epistasephiinomene bei der spaltenden Vererbung im allgemeinen aus der Erbbiologie wissen, ein solehes Ergebnis durehaus nicht als selbstverst~ndlich erscheinen lieB.

Dal3 unsere Ergebnisse eine erfreuliche Aussieht auf eugenisehe Verwertung bieten, wenn sic sich an Hand eines grSl3eren und typo-

3*

36 B. Schulz :

log~sch noch feiner durchgearbeiteten Materials best~tigen, wird jedem Weitbllckenden einleuehten.

Wfinschenswert w~re nattirlieh aueh eine Untersuchung dariiber ge- wesen, ob denn eine Dementia-praecox-Belastung (oder auch eine andere psyehotische Belastung) der Eltern der Neffen und Niehten durch anderc Verwandte als den Probanden (also etwa durch geisteskranke Grol~eltern, GroBonkel, Grol~tanten usw., besonders aueh eine Belastung dureh geisteskranke Verwandte des angeheirateten Elternteils der Neffen und Nichten), kurz ob eine irgendwie geh~ufte Belastung nicht ebenfalls in der Beschaffenheit der Neffen und Nichten zum Ausdruek kam. Da uns jedoch keine gleichm~l~ige Erfassung dieser entfernten Ver- wandten mSglieh war, haben wir auf den Versuch, diese Frage am Material der vorliegenden Arbeit zu beantworten, verziehtet. Auch sie liegt aber selbstverst~ndlich im weitausholenden Plane der erb- biologischen Forschungsriehtung der Psyehiatrie.

Denn fiir die praktisehe Eheberatung w~re es natiirlieh yon groi3er Wiehtigkeit, zu wissen, daI~, wenn ~ r yon der einen der beiden Per- sonen, die eine Ehe eingehen wollen, erfahren haben, dab sie dureh bestimmte Verwandte in bestimmter Weise belastet ist, und yon der anderen, dal~ sie dureh bestimmte Verwandte in bestimmter anderer oder gleieher Weise belastet ist, dab dann, bei einem bestimmten psychisehen und k6rperlichen Ph~notypus der beiden Verlobungs- bzw. Ehekandidaten selbst, die Wahrscheinlichkeit ffir eine bestimmte Beschaffenheit der Naehkommen so und so grol~ ist. Wieweit sich dieses Ziel einmal wird verwirklichen lassen, wird zum grol~en Teil von der Aufmerksamkeit abh~ngen, die ihm die moderne Psyehiatrie widmet.

Zun~ehst l~Bt sich als Ergebnis der vorliegenden Untersuchung nur folgendes sagen:

An dem bier untersuehten Material zeigte sich, dai~ 1,4% (1,3%) der Ne/]en und 1Viehten der Probanden wieder an Dementia praecox erkran~ sind bzw. voraussiehtlieh noch erkranken werden. Diese Zahl ist, je nachdem wie hoeh man die Erkrankungswahrseheinliehkeit fiir die Kinder Dementia-praecox-Kranker annimmt (vgl. S. 21 dieser Arbeit), nut etwa 1/7 bis 1/3 so hoch wie diese.

Die WahrscheinlicMceit, zu erkranlcen, wird, wenn beide Eltern psychisch ~unauHdllig sind, geringer sein, als wenn der eine oder gar beide psychisch abnorm erscheinen, besonders als wenn einer oder belde Sonderlinffe sin&

Saehe einer Untersuchung an grSBerem Material wird es nun noeh sein, d i e ziffernmi~Bige Erkrankungswahrscheinlichkeit getrennt ftir die Nachkommenschaft von zwei Normalen oder zwei Abnormen bzw. So~lerlings.El~ternteilen und yon je einem normalen und einem ab- normen (bzw. Sonderlings-) Elternteil zu bereehne11. Mit dieser ziffern-

Zum Problem der Erbprognose-Bestimmung. 37

m~tBigen Differenzierung der Erbprognose wiirde die praktische Ver- wertung der Erbzahlen sich ganz besonders erhShen.

Bei dem kleinen Material kann unser Ergebnis nicht als endgiiltig angesehen werden. Es wird vielmehr weiterhin mSglichst reichliches Material zu sammeln sein, nach mSglichst einwandfreier Methode. Soweit wie mSglich wird man sich dabei auch unabh~ngig zu machen versuchen von der Geneigtheit der AngehSrigen, Auskunft zu erteilen. Auch wird man vieUeieht darauf' achten mfissen, dab hinsichtlich des Erkrankungsalters der Probanden ein mSglichst dem durchschnitt- lichen Erkrankungsalter der Dementia praecox entsprechendes Material zusammengestellt wird.