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Zur Bindung des Wassers in den Systemen AI,O,/H,O, SiO,/H,O und Fe,O,/H,O l) Von OSKAR GLEMSER und GERHARD RIECK~) Mit 7 Abbildungen Professor Erich Thilo zum 60. Geburtstage gewidmet Inhaltsubersicht Die Bindung des Wassers in verschiedenen Verbindungen der Systeme Al2Os/H2O, SiO,/H,O und Fe,03/H,0 wird mit Hilfe von Ultrarotabsorptionsmessungen studiert. Durch Dehydration aus Aluminiumhydroxyden entstandene Aluminiumoxyde cnt- halten noch Wasser, das in Form von OH-Gruppen im Gitter vorliegt. Bei der Hydrolyse von Kieselsauretetraathylester gewinnt man Praparate, die je nach Vorbehandlung einen wesentlichen Teil oder fast alles Wasser als OH-Gruppen ge- bunden enthalten. Die aus Eisen(II1)-salzlosungen mit OH-Ionen gefallten braunen, amorphen Produkte haben in ihrem Gerust das Wasser als OH-Gruppe eingebaut. Mit zunehmender Alterung oder durch Erhitzen tritt Wasserabgabe zu hoher kondensierten Hydroxyden ein. Es werden zwei neue Gruppen von Hydroxyden unterschieden : 1. Kondensierte Hydroxyde, 2. Nichtstochiometrische Hydroxyde. Summary The nature of water in several compounds of the systems Al,O,-H,O, SiO,-H,O and Fe,O,-H,O has been studied by investigation of the infra-red absorption. Aluminium oxides prepared by dehydration of aluminium hydroxides still contain OH-groups. Hydrolysis of silicic acid tetraethyl ester yields products in which most or all of the bound water is water of constitution, too. Iron(II1) oxide-hydrates precipitated in the usual manner also contains water in form of OH-groups; on crystallization or by heating the precipitates, loss of water occurs with formation of higher condensed hydroxides. Two new types of hydroxides are distinguished : condensed and noustoichiometric hydroxides. ~ Die Frage nach der Bindung des Wassers in den Systemen Oxyd- Wasser hat in der Vergangenheit wie heute immer wieder zu Unter- suchungen angeregt. Die Losung dieses alten und wichtigen Problems lauft darauf hinaus, chemisch gebundenes Wasser, sogenanntes Kon- stitutionswasser, von beweglichem Wasser (Kapillar- und Adsorptions- 1) Nach einem Vortrag auf dem XVI. Internat. KongreB fur reine und angewandtc 9) Dissertation GERHARD RIECK, Universitat Gottingen 1957. Chemie, Paris 1957; vgl. 0. GLEMsER u. G. RIECK, Angew. Chem. 69, 679 (1957).

Zur Bindung des Wassers in den Systemen Al2O3/H2O, SiO2/H2O und Fe2O3/H2O

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Zur Bindung des Wassers in den Systemen AI,O,/H,O, SiO,/H,O und Fe,O,/H,O l)

Von OSKAR GLEMSER und GERHARD R I E C K ~ )

Mit 7 Abbildungen

Professor Erich Thilo z u m 60. Geburtstage gewidmet

Inhaltsubersicht Die Bindung des Wassers in verschiedenen Verbindungen der Systeme Al2Os/H2O,

SiO,/H,O und Fe,03/H,0 wird mit Hilfe von Ultrarotabsorptionsmessungen studiert. Durch Dehydration aus Aluminiumhydroxyden entstandene Aluminiumoxyde cnt-

halten noch Wasser, das in Form von OH-Gruppen im Gitter vorliegt. Bei der Hydrolyse von Kieselsauretetraathylester gewinnt man Praparate, die je

nach Vorbehandlung einen wesentlichen Teil oder fast alles Wasser als OH-Gruppen ge- bunden enthalten.

Die aus Eisen(II1)-salzlosungen mit OH-Ionen gefallten braunen, amorphen Produkte haben in ihrem Gerust das Wasser als OH-Gruppe eingebaut. Mit zunehmender Alterung oder durch Erhitzen tritt Wasserabgabe zu hoher kondensierten Hydroxyden ein.

Es werden zwei neue Gruppen von Hydroxyden unterschieden : 1. Kondensierte Hydroxyde, 2. Nichtstochiometrische Hydroxyde.

Summary The nature of water in several compounds of the systems Al,O,-H,O, SiO,-H,O

and Fe,O,-H,O has been studied by investigation of the infra-red absorption. Aluminium oxides prepared by dehydration of aluminium hydroxides still contain

OH-groups. Hydrolysis of silicic acid tetraethyl ester yields products in which most or all of the bound water is water of constitution, too. Iron(II1) oxide-hydrates precipitated in the usual manner also contains water in form of OH-groups; on crystallization or by heating the precipitates, loss of water occurs with formation of higher condensed hydroxides.

Two new types of hydroxides are distinguished : condensed and noustoichiometric hydroxides.

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Die Frage nach der Bindung des Wassers in den Systemen Oxyd- Wasser hat in der Vergangenheit wie heute immer wieder zu Unter- suchungen angeregt. Die Losung dieses alten und wichtigen Problems lauft darauf hinaus, chemisch gebundenes Wasser, sogenanntes Kon- stitutionswasser, von beweglichem Wasser (Kapillar- und Adsorptions-

1) Nach einem Vortrag auf dem XVI. Internat. KongreB fur reine und angewandtc

9 ) Dissertation GERHARD RIECK, Universitat Gottingen 1957. Chemie, Paris 1957; vgl. 0. GLEMsER u. G . RIECK, Angew. Chem. 69, 679 (1957).

176 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 297. 1958

wasser) zu unterscheiden und festzustellen, ob das Konstitutionswasser als H,O-Molekel (Kristallwasser) oder als OH-Gruppe im Gitter vorliegt.

Bei allen bis jetzt bekannten, kristallisierten Verbindungen der fysteme Oxyd/Wasser, die ein stochiometrisches Verhaltnis zwischen Oxyd und Wasser aufweisen, haben ultrarotspektroskopische Mes- sungen3) zweifelsfrei erwiesen, daB nur OH-Gruppen ini Gitter auf- treten, also Hydroxyde vorliegen mussen. Eiri Oxydhydrat, eine Ver- bindung allein sus Oxyd und Kristallwasser, konnte noch nicht nach- gewiesen werden4).

Es gibt nun aniorphe, bzw. schlecht kristallisierte, wasserhaltige Fdlprodukte, uber deren Aufbau man iioch nicht vie1 weiB. Weiterhin sind zahlreiche wasserhaltige Oxyde beliannt, bei denen man nach ihrein chemischen Verhalten OH-Gruppen vermuten kiinnte. Von solchen Ver- bindungen der Systeine Al,O,/H,O, fiO,/W,O und Fe,O,/H,O haben wir Ultrarotaufnahnien geniacht.

Wie Versuche ergaben, ist die Verwendung voii KBI als Einbettniittel in uiiscrein Falle nicht zu empfehlen. Der hei der Herstellung dcr KBr-Platten notwendige hohe Druck hann die Praparate verandern2), auch wirkt der hei KBr stets vorhandene Wassergehalt sich storend auf die Messungen aus. Die Substanzen wurden daher niit Paraffin01 ange- rieben und Schichten solcher Suspensionen zwischen plarigeschliffenen Steinsalzplatteii zur Untersuchung gebracht. Bei eiiiigen Pra’paratcn kaln Fluorcarhonol zur Anwendung, das im Bereich voii 9-7 p keiiie Eigenabsorption zeigt.

Von allen Praparaten wurde der Wassergehalt durch Gluhverlust hestimmt; hygroskopische Verbindungen karnen unter sorgfaltigem AnschluB von Feuchtigkeit zur Messung. Alle Praparate wurden clurch DEBYE-fCHERREH-AUfnahmell gekennzeichiiet.

A12 0s/H, 0 Wir haben kurzlich mit Ultrarotabsorptionsspektreii nachgewiesen.

daB das in Aluminiumoxyden vorhandene Wasser zum grooten Teil in Form von OH-Gruppen gebundeii ist und daB bei der Rehydratisierung OH-Gruppen in das Gitter eingebaut werden. Damit ist auch eine Er- Itlarung fur den hygroskopischen Charakter dieser Oxyde gegeben6).

Man kann Aluniiniumoxyde vollstandig entwassern und danach wieder durch Hydratisierung OH-Gruppen in das Gitter eiiifuhren. ohne da13 eine Gitteranderung zu beobachteii ist5).

3) 0. GLEMSER u. E. HARTERT, Z. anorg. allg. Chmi. 983, 111 (1936). 4 ) Im System PdO/H,O ist moglicherweise ein ubergang zu eineni Oxydhydrat vor-

handen; vgl. 0. GLEMSER u. G. PEUSCHEL, Z. anorg. allg. Chem. 081, 44 (1955). 5) 0. GLEMSER u. G . RIECK, Angcw. Chem. 6Y, 182 (1956); Tercera Reunion Intern.

Sobre Reactividad de 10s Solidos, Madrid, abril 1936 [Seccion I ] S. 361. Dort wird auch gezeigt, daIl die verschiedenen Aluniiniuinoxydr sicli auch in ihrrii L-ltrarotahsorp- tioiisspektren charakteristiscli voiieiriander unterscliriden.

GLEMSER u. RIECK, Bindung des Wassers in AI,O,/H,O, SiO,/H,O u. Fe20,/H,0 177

Um unsere Untersuchungen zu vervollstandigen, haben wir noch einige Spektren von Aluminiumoxyden aufgenommen, die im folgenden beschrieben sind.

Darstellung der Praparate B a y e r i t : 30 g feinstgepulvertes Aluminiumathylat werden unter lebhaftern Ruhren

in C0,-freies Reinstwasser (in einer Quarzapparatur doppeIt destilliert) bei 15" C gegeben. Nach dstiindigem Ruhren wird der Niederschlag niit Reinstwasser sorgfaltig gewaschen und anschlieBend im Vakuumexsikkator uber Phosphorpentoxyd getrocknet.

Wassergehal t : 349% (berechnet fur Al(OH), = 34,65%). Die Priifung auf Na+-, Fe3+, Cl--Ionen und s io , verlief negativ. Die DEBYE-SCHERRER-AUfnahmc ergab scharfe Linien von Bayerit-A.

Aus diesem Bayerit-A wurde durch 2stiindiges Erhitzen auf 500°C ein y-Aluminium- oxyd mitr 2,6% H,O erhalten.

H y d r a r g i l l i t : 12 g Aluminiumspanc (99,99yo) werden in 200 ml 17,5 proz. Na- tronlauge gelost. Nach Beendigung der Reaktion wird filtriert, hierauf das FiItrat auf dem Wasserbad auf 96-100" C erhitat, wahrend gleichzeitig ein langsamer 0 , -S t rom uber die Losung geleitet wird. Nach einem Tag ist die Kristallbildung beendet. Der Nieder- schlag wird abgenutscht, sorgfaItig gewaschen und sodann 5 Tage mit Reinstwasser digeriert. Man trocknet im Vakuumexsikliator iiber Pliosphorpentoxyd.

Wassergehal t : 34,6% (berechnet fur AI(OH), = 34,65Y0). Natrium wurde in Spuren nachgewiesen. Das Pulverdiagramm erwies gut durchgebildeten Hydrargillit.

Aus diesem Hydroxyd wurde durch 2stundiges Erhitzen auf 500" ein 6-Oxyd mit 2,2% H,O erhalten.

Megerge bnis In Abb. 1 sind die Ultrarotspektren der oben erwahnten Oxyde

nebst Aluminiumoxyd nach BROCKMANN (Merck) wiedergegeben. Man erkennt- bei allen Kurven, daB die von der H,O-Deformationsbande her- riihrende Absorption nur flach angedeutet ist, daB hingegen die OH- Valenzbande, wie friiher beobachtet 5 ) , eine stark einseitige Verbreiterung bis gegen 4 p zeigt. In den untersuchten Verbindungen liegen also uber- wiegend OH-Gruppen vor. Wegen der Verschiebung der OH-Bande nach langeren Wellen treten Wasserstoffbriickenbindungen der Art 0-H . . 0 auf, und zwar teilweise sehr feste Bindungen, da die Lage der OH-Bande um so langwelliger wird, je kiirzer der 0 - H . . 0-Abstand. d . h. je fester diese Bindung wird. Die in Abb. 1 a bei 9,4, in Abb. 1 b bei 9,8 p auftretende schwache Absorption wird als Kniclrschwingung ( 6 ) zur OH-Gruppe gedeutet.

Si 02/H, 0 Man ist wohl heute allgemein der Ansicht, daB im System SiO,/H,O

Hydroxyde d. h. Kieselsauren existent sind. s o konnten SCHWARZ und HENNICKE~) aus Na,Si,O, mit 80proz. Schwefelsaure H,Si,O, und

6) It. SCHWARZ u. H. W. HENNICKE, Z. anorg. allg. Chem. 383, 346 (1956).

Z. anorg. allg. Chemie. Bd. 297. 12

178 Zeitschrift fur anorganisclic uiid allgerneine Chemiei Band 297. 1958

SCHWARZ ’) aus 818, durch vorsichtige Hydrolyse neben anderen Sauren H8Si4012 gewinnen. Rei der Hydrolyse von SiCl, bzw. Kieselsaure- estern entsteht als Priniiirprodulit wahrscheinlich Si(OH),, das dwnn

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Abb. 1. UR-Spektrm nasscrhaltiger Alun~iniumoxydc. 1 a) Aluiiiiniumoxyd nach BROCK- Y A V N (5,9%H,O); Ih) Rayerit 2 Stunden auf 500” (2,6%H,O); l c ) Hydrargillit 2 Stunden

auf BOO” (2,2 H,O)

? ) R. SCIIWARZ, Z. anorg. allg. Cheni. 276, 33 (1954).

GLEMSER u. RIECK, Bindung des Wassers in Al,O,/H,O, SiO,/H,O u. Fe20,/H20 179

durch Kondensation unter Wasseraustritt uber niederpolymere, soge- nannte ,,OIigokieselsauren" sich zu hoherpolymeren Verbindungen um- setzt s). Das Endprodukt Kieselgel ist als hochkondensierte Kieselsaure aufzufassens).

Der Nachweis der OH-Gruppen in den festen Hydrolyse- bzw. Fall- produkten des Systems SiO,/H,O ist immer wieder durch chemische Methoden versucht worden.

KOHLSCH~TTER und Mitarbeiterg) benutzten Trimethylchlorsilan, das nach

>SOH + ClSi(CH,), = >SiOSi(CH,), + HCl

mit den OH-Gruppen des Praparats unter Veresterung reagiert. SCHWARZ und HEN- N I C K E ~ ) veresterten die Dikieselsaure H,Si,05 mit Diazoniethan, doch waren nur etwa 13% der OH-Gruppen angreifbar ; SHAPIRO und W E I S S ~ ~ ) nahmen B,H,. Die chemischen Verfahren zur Bestimmung der OH-Gruppen schlieoen aber Veranderungen des Pra- parats hinsichtlich der Oberflache oder des Kondensationsgrades nicht aus, was ein groRer Nachteil ist. AuBerdem wird, wie auch obrn erwahnt wurde, nur ein lrleiner Teil dcr vor- handenen OH-Gruppen erfaBt.

S T O B E R ~ ~ ) fuhrt den Nachweis fur das Vorhandensein der OH-Gruppen in Si0,- Praparaten nach KAUTSKY und M I C H E L ~ ~ ) durch Adsorption fluoreszenzfahiger Farbstoffe, z. B. Rhodamin. Letztcre schlieBen aus dem Fortbestehen der Fluoreszenzfahigkeit des adsorbierten Rhodamins auf eine ionogene Bindung des Farbstoffes, indcni die Protonen der OH-Gruppen der Oberflache gegen Rhodaminionen ausgctauscht werden. Weiter entnimmt S T ~ B E R ~ ~ ) aus seinen Befunden, und aus Strukturiiberlegungen, daB an Si- Oberflachen oberhalb 150' auf zwei oberflachenstandigc OH-Gruppen eine durch Ad- sorption festgehaltene H,O-Molekel kommt.

Wie nachstehend gezeigt wird, ist der Nachweis der OH-Gruppen durch Ultrarotabsorptionsspektren einfach und ohne Veranderung der Praparate durchzufuhren.

Darstellung der Praparate 60 g Kieselsaureorthoathylester (dreifach dcstilliert, wasserklar) lJ) werden in 2000 ml

lteinstwasser eingetragen und unter haufigem Schutteln sich selbst iiberlassen. Nach drei Wochen hat sich eine geringe Menge eines kornigen Bodensatzes gebildet, der abzentri- fugiert, gewaschen und uber Phosphorpentoxyd getrocknet wird. Wassergehalt: 12,7y0; Rontgenbefund: amorph.

Da nach wciteren drei Wochen ltein Niederschlag auftrat, wurde die Hydrolysc- gwchwindigkeit durch kurzzeitiges Erhitzen erhoht. Danach erstarrte der ganze Kolben-

*) R. SCHWARZ u. K. G. KNAUFF, Z. anorg. allg. Chem. 275, 1 7 6 (1954). s, H. W. KOHLSCH~TTER, P. BEST u. G. WIRZING, Z. anorg. allg. Chem. Z85, 236

l o ) J. SHAPIRO u. H. G. WEISS, J. physic. Chem. 57, 219 (1953). 11) W. STOBER, Kolloid-Z. 145, 1 7 (1956). 12) H. KAUTSKY u. R. MICHEL, Z. Naturforsch. 7b, 414 (1952). 13) Vorschrift im Handb. d. prap. anorg. Chem., herausg. yon G. BRAUER, Stuttgart

(1 9 56).

1954, S. 529.

12*

180 Zeitschrift fur anorganische und allgemeinc Chemie. Band 297. 1958

inhalt zu einer Gallertc. Daraus entstand ein Praparat durch Sstiindiges Erhitzen auf 290", ein anderes durch 2stundiges Erhitzen auf 280". Beide Praparate wurden nach den1 Erhitzm mit Accton-Athpr behendelt (Wassergehalt 12%)). In der Literatur wcrderi

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A1)b. 2. l 'fl-Sp&trcn voii Siliciunihydroxq-driI. '?a) ( 1 S , i % H1O): 26. 21)) nuf 280' crhitzt (120% H,O); 3c) nuf 290' crhitzt (12.,00/, H,O)

CLEMSER u. RIECK, Bindung des Wasscrs in A1203/H20, SiO,/H,O 11. Fe,O,/H,O 181

nilmlich ofters verschiedene Losungsmittel benutzt, urn bewegliches (freies) Wasser von chrmisch gebundenem zu trennen. Am haufigsten ist nach WILLSTATTER, KRAUT und ERBACHER") Aceton verwendet worden, das ansehlieaend mit &her aus dem Praparat vwdrangt wird. Der Ather wird dann im Hochvakuum abgepumpt.

I n Abb. 2 findet man die Ultrarotspektren der Praiparate. Ganz offensichtlich ist bei alIen Proben der uberwiegende Teil des Wassers in Form von OH-Gruppen vorhanden, da die H,O-Deformationsbande eine vie1 geringere Intensitat als die OH-Bande besitzt. I n Abb. 2a ist bei 3,45 p eine Schulter vorhanden, die einem kurzesten 0-H . - O- Abstand von etwa 2,67 A, also einer starken Wasserstoffbriicken- bindung entspricht. I n Abb. 2b und 2c ist bei 2,75 p eine Schulter, die auf ungestorte OH- Gruppen, vielleicht Oberflachen-OH- Gruppen schliefien lafit. Der Schwerpunkt liegt in allen drei Fallen bei 3 p : es liegen auch hier Wasserstoffbriickenbindungen vor.

Weitere Untersuchungen an Aerosil (4% H,O), und an natiirlichen Opalen wie Milchopal (4,9y0 H,O) und Hyalith (6,7Y0 H,O) ergaben auch bei diesen Verbindungen neben einer schwachen H,O-Deforrna- tionsbande eine starke, verbreiterte OH-Bande.

Fe,O,/€I,O Im System Fe,O,/H,O gibt es drei definierte Oxydhydroxyde :

x-FeOOH (Nadeleisenerz oder Goethit) ; /?-FeOOH15) und y-FeOOH (Rubinglimmer oder Lepidokrokit). uber die braunen Produkte, die aus Eisen( 111)-Salzlosungen mit OH-Ionen gefallt werden, sind zahl- reiche Untersuchungen veroffentlicht worden. I n neueren Arbeiten wird haufig die Ansicht vertreten, in den rontgenamorphen Praparaten liege ein grofioberflachiges Eisenoxyd mit adsorptiv bzw. kapillar gebundenem Wasser 16) 17) 1s) vor. Aus experimentellen Befunden iiber die Bestim- mung des beweglichen Wasers19) inuB aber geschlossen werden, da13 gro13ere Betrage ortsfest gebundenen Wassers auftreten konnen.

14) R. WILLSTATTER, H. KRAUT u. 0. ERBACHER, BIT. dtsch. ~ I I P I J I . Ges. 68, 2448

15) Nur durch Hydrolyse aus FeCI, zu gcwinnen. 16) Vgl. 0. GLEMSER, Fortschr. chem. Forsch. 2, 304ff (1951). 1)) H. B. WEISER u. w. 0. MILLICAN, J. chem. Physics 44, 1081 (1940), nennen

das Produkt ,,frequently misnamed ferric hydroxide". 18) . he re Arbeiten zu diesem Thema bei 0. G L E M S E R ~ ~ ) und GMELIN, Handb. d.

anorg. Chem., 8. Aufl., Teilband Eisen. 0. GLEMSER, Z. Elektrochem. angew. physik. Chem. 44, 341 (1938); H. W. KOHL-

S C H ~ T T E R u. H. H. STAMM, Z. anorg. allg. Chem. 278, 264 (1955); H. W. KOHLSCH~TTER, H. K. STAMM u. G. KAMPF, Z. anorg. allg. Chem. 278, 270 (1955).

(1925).

182 Ztitschrift fur anorganische und allgeineine Chemie. Band 297. 1958

Es war fiir uns deshalb von Interesse, durch ultrarotspektroskopi- sche Messungen festzustellen, ob dieses ort,sfest vorhandene Wasser nur als Adsorptivwasser vorliegt, oder oh auch noch mit der Anwesenheit von OH-Gruppen gerechnet werden mua.

Darstrllung der Praparate P r i p a r a t A: Eine Losung von 1 kg Fe(NO,), . 9 H,O (p. a. Merck) in 3,4 Liter

Wasser gibt man unter Ruhren zu 2,4 Liter Gproz. Arninoniak. Der rothraune Nieder- schlag wird in einer groBen Zentrifuge von der Losung getrennt und so lange ausgewaschen,

700 r

his in1 Waschwasser liein Nitrat niehr nachzuweisen ist. Man filtriert ab, zerkleiiiert der. Gelltuchen nnd lagert ihn iin Trockenschrank 15 Stunden bei 50" C. Die nun harten Brocken werdcn in einer Achatreibschale fein zerrieben.

Wassergehalt: 25,5% (Berechnet fur Fe(OH), 25,3%). Rontgenbefund : amorph. P r a p a r a t e B, C, D: Praparat B entstand aus A durch Stchenlasscn im Vakuum-

exsikltator ubcr Phosphorpentoxyd.

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GLEMSER 11. RIECK, Bindung dcs Wasscrs in Al,O,/H,O, SiO,/H,O u. FV,~,/H,O 183

Wassergehalt: 13,5%; Rantgenbefund: ainorph. Durch 3stiindiges Erliitzen Ton A anf 120" wurde Praparat C, durch Gst,undiges Erliitzcri auf die gleiclw Teinperatur Pra- parat D gewonnen.

Wassergehalt: Praparat C 7,3%; Praparat D 6,7 yo Rontgenbefund: bpi beideii Pra- paraten sind einige verbreitrrte Liiiien von a-Fe,O, festzustellen.

P r a p a r a t e E, F: A wurdc zuerst niehrinals init Acaton14), dann uin das Aceton zu entfernen, mit Ather geschuttdt, dieser abdelianticrt und schliefilich clas SchuttelgefaB an eine Hochvakuumapparatur angeschlossen, u k dic letzten Reste des Athers zu exit- fernen. Das gut verschlossene Kolbchen wurrle in eineln Kasten geoffnct, der mit trocke- nem Stickstoff gefullt war und in den1 die Praparation fur die Ultrarotaufnahmcn er- folgte.

Wassergehalt : Praparat E 15,1%; Praparat F 14,30/& Rijntgenbefund b p i hixiden Praparaten : amorph.

MeBerge bnisse Das Ultrarotspektrum von Praparat A ist in Abb. 3a zu seheii.

A enthalt Wasser, es muB daneben aber noch ein hoher Prozenkatz an OH-Gruppen vorkommen, da die Inteiisitat der OH-Bande im Ver-

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(1 )

Abb. 3. UR-Spelitren yon Eisenhydroxyden. 3a) Prap. A (25,3% H,Of; 3b) PrLp. B (13,5% H,O); 3c) Prap. C (7,3% H,O); 313) Prap. D (6,i% H,O)

184 Zeitschrift fur anorganisciie und ailgemeine Cheniie. Band 297. 1958

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4 - 4 l i I i . 4. Ut<-Sp?ktrcn van Eiscnhydroxyden. 4a) Prap. E (15,l yo H,O); 4b) Prap. F (14,3%

H,O); 4c) €'rap. E init Einhettrnittel Fluorcarbonol

GLEMSER 11. RIECK, Bindung des Wassers in Al,O,/H,O, SiO,/H,O 11. Fe,O,/H,O 185

Wasserstoffbrucken. Das untersuchte Produkt A enthalt sowohl freies als auch konstitutiv gebundenes Wasser in Form von OH-Gruppen. Es kann also nicht Fe(OH), vorliegen, obwohl der Wassergehalt von A dem von Fe(OH), entspricht.

I n weiteren Experimenten wurde nun untersucht, wie sich die Intensitaten der OH- und der H,O-Deformationsbande andern, wenn die Praparate uber Phosphorpentoxyd oder durch weiteres Erhitzen ent- wiissert wurden. Auf diese Weise sind B, C und D entstanden, deren Spektren die Abb. 3b, 3c und 3d wiedergeben. Allen drei Praparaten gemeinsani ist die starke und wieder einseitig verbreiterte OH-Valenz- bande und die sehr schwache bzw. flache Andeutung der H,O-Defor- mationsbande, d. h. fast alles Wasser ist als OH-Gruppe am Aufbau des Gerusts der Produkte beteiligt; freies Wasser kann nur in sehr be- schranktem Umfange vorhanden sein. Die Versuche zeigen weiter, daB beim Erhitzen das adsorbierte Wasser abgegeben wird, daB aber gleich- zeitig auch OH-Gruppen unter Wasseraustritt miteinander reagieren mussen, vgl. dazu Praparat B (13,5% H,O) mit C (7,3y' H,O) und

Mit Aceton-Ather erhielten wir aus A die Praparate E mit 15,1% H,O und F mit 1 4 , 3 O / , H,O (UR-Spektren siehe Abb. 4a, 4b, 4 ~ ) .

Die Ultrarotspektren zeigen wieder das ubliche Bild : Neben der sehr flachen H,O-Deformationsbande die im Verhaltnis dazu starke OH-Bande mit ihrer stark einseitigen Verbreiterung. I n Abb. 4~ ist bei Praparat E statt Paraffin01 Fluorcarbon01 ads Einbettmittel ver- wendet worden, das im fraglichen Spektralbereich keine Eigenabsorp- tion zeigt. Hier wird die einseitige Verbreiterung der OH-Bande augen- fallig. I n beiden Praparaten kann der Betrag an freiem Wasser nicht

D (6 ,7% HZO).

bedeutend sein ; immerhin ist die Andeutung der H,O-Deformations- bande in Abb. 4a und 4 c nicht zu ubersehen.

Zur Sicherstellung der erzielten Ergebnisse wurde von Praparat E im Bereich von 2-4 p mit einem LiF-Prisma ein Spelitrum aufgenommen

186 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 297. 1958

und mit dem Spektrum einer Mischung von I’araffinol-Wasser vcr- glichen, die wie die festen Produkte prapariert worden war. Die Auf- losung mit LiF ist in diesem Gebiet etwa viermal so groB wie die mit einem NaC1-Prisma. I n Abb. 5 befindet sich der Schwerpunkt der OH- Bande des Wassers (Kurve l), wie zu erwarten war, bei 2,95 p ; der Schwerpunkt der Bande von E ist aber nach langeren Wellen verschoben, und zwar zwischen 3,l und 3,2 p (Kurve 2). Charakteristisch kommt hier die einseitig verbreiterte Kurve 2 gegeniiber Kurve 1 zur Geltung, so da13 die friiher hieraus gezogenen Schlusse bestatigt werden.

Abb. 6 zeigt das Spektrum des Praparats E, nachdem es einige Zeit an der Luft lag. Der Wassergehalt stieg dabei von 15,1% auf 16,6%. Die aufgenommene Wassermenge macht sich bereits in dem

10 0

2 3 4 5 6 ? 8 9 1 0 7 1 1 2 1 3 7 4 7 5 -&

Abb. 6 . UR-Spektrurn von hydratisierteni Prap. E

Auftreten der H,O-Deformationsbande bemerkbar. Eine Hydrati- sierung von Praparat E unter Bildung von OH-Gruppen, wie wir dies weiter oben bei Aluminiumoxyden beobachtet haben, ist demnach nicht erfolgt.

Diskussion der Ergebnisse Nach unseren Untersuchungen fallt beim Versetzen von Eisen(II1)-

salzlosungen mit OH-Ionen Eisen(II1)-hydroxyd aus. Man kann an- nehmen, daB beim Primarakt der FaIlung Fe( OH), gebildet wird. Durch Kondensation unter Wasseraustritt entstehen Produkte mit weniger OH- Gruppen. Diese Kondensation schreitet durch Alterung oder Erhitzung iiber wasserarmere Produkte immer weiter fort,, bis als Endprodukt wasserfreis a-Fe,O, (Hamatit) vorliegt.

Wir verstehen nun, warum dieses Eisen( 111)-hydroxyd beim iso- baren Abbau keine definierten Stufen geben kann : Bei der fortschrei- tenden Kondensation unter Wasseraustritt wird anscheinend keine Ver-

GLEMSER u. RIECK, Bindung des Wassers in Al,O,/H,O, Si02/H20 u. Fe2O3/H2O 18:

bindung mit einem bestimmten Verhaltnis H,O/Fe,O, begunstigt. Damit ist erstmalig experimentell nachgewiesen, daB bei einer kontinuierlich verlaufenden isobaren Abbaukurve trotzdem konstitutiv gebundenes Wasser vorhanden sein kann.

Wir sind der Meinung, daB auch bei den topochemisch entstandenen Praparaten von H. w. KOI~LSCHUTTER 19), die nach der dielektrischen Methode beim Verhaltnis H,O/Fe,O, = 1,88 nur ortsfest gebundenes Wasser enthalten, ein betrachtlicher Teil des Wassers in Form von OH- Gruppen gebunden sein mul3, d. h. dal3 das Gerust dieser Produkte aus kondensiertem Eisen(II1)-hydroxyd besteht.

Die fruher geaul3erte Auffassung, in den beschriebenen Produkten liege ein groBoberflachiges Eisenoxyd mit kapillar bzw. adsorptiv be- bundenem Wasser vor, kann demnach nicht mehr aufrechterhalten werden.

Die Frage, warum Aluminium und Chrom kristallisierte Trihydro- xyde bilden, Eisen aber trotz des nicht sehr abweichenden Ionenradius nicht, ist mit der verschiedenen Elektronenstruktur der Ionen zu beant- worten20). In Abb. 7 ist diese fur Cr3+ und Fe3+ ein- gezeichnet. Darunter sind ~ p 3 +

die Elektronenanordnun- gen bei kovalenter Bin- ccfx613- dung unter der Annahme einer 6-Koordination des

Fe3+ Metallions aufgefiihrt. Beim Cr3f ist eine Reso- fex6]’- nanz zwischen der Ionen- 7. und kovalenten Struktur Fe3t-Ions moglich, weil die Zahl der ungepaarten Elektronen

[ t 1 1 1 t 1 1 1 1 1 0 -1 I t 111 11 t I t 111 I1

Elektronenanordnungen des Cr3+- und sowie der entsprechenden kovalenten

[MeX,]y--Koniplexe

in beiden Fallen gleich ist. Resonanz, die stabilisierend wirken kann. kann nach PAULING nur zwischen solchen Strukturen statthaben. die die gleiche Zahl von ungepaarten Elektronen aufweisen. Beim Eisen Fez+ ist aber diese Regel nicht erfullt.

Um unsere Ergebnisse sinnvoll den Systemen Oxyd/Wasser zu- zuordnen, schlagen wir zwei neue Gruppen von Hydroxyden vor:

1. K o n d e n s i e r t e H y d r o x y d e sind Verbindungen, dieauseinem Typ, der monomolekular wie z. B. Si(OH), sein kann, durch Konden-

20) T. TAMURA U. M. L. JACKSON, Science [Washington] 117, 381 (1952). 21) L. PAULING, The Nature of the Chemical Bond, Ithaca-New York (1948).

188 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 297. 1958

sation unter Wasseraustritt entstehen. Es gibt nieder-, hoher- und hoch- liondensierte Produkte. Als Beispiele seien zunachst Eisen( 111)-hydroxyd und die Kieselsauren genannt .

2 . H y d r o x y d e n i c h t s t o c h i o m e t r i s c h e r Z u s a m m e n s e t z u n g sind nichtstochiometrische Verbindungen in bezug auf die OH-Gruppen im Gitter. Diese OH-Gruppen konnen entfernt oder durch Rehydrati- sierung wieder eingefiihrt werden, ohne daB das Gitter sich andert. Als Beispiel werden Aluminiumoxyde und Manganoxyde 22) angegeben.

Es sei zum SchluB noch erwahnt, daB wir die Ergebnisse unserer Ultrarotmessungen durch eine ganz andere MeBmethode bestatigen ltonnten. Wir werden in Kurze iiber die Messung der Protonenresonanz an verschiedenen Verbindungen der Systeme Oxyd/Wasser berichten.

Drr Deutschcn Forscllungsgemeinschaft und dein Fonds der Chernie dankeii wir fur tlic Untcrstutzung unserer Untersuchungen.

?*) 0. GLEMSER u. H. MEISIEK, Naturnisscnschaften 44, G14 (1957).

Gottirigen. Anorganisch-chemisches Institut der Universitat.

Bri der Redaktion eingegangcii am 6. Februar 1958.