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H. Menzel. Die freien Borsauren. 1 Zur Kenntnis der Borsiiuren und borsauren Alkalisalze. 1.l) Die freien Borsauren. Von HEINRICH MENZEL. Mit 3 Figuren im Text. Diese Studie und die folgenden, unter gleichem Obertitel er- scheinenden beschaftigen sich mit den Borsauren und den borsauren Alkalisalaen insoweit, als unter diesen Begriffen neben den Poly- borsauren und Perborsauren die Polyborate und Perborate des Lithiums, Natriums, Kaliums u n d Ammoniums, nicht aber auch komplexe organische Borsiiureverbindungen verstanden werden. Den Inhalt dieser Arbeiten bildet im AnschluB an eine kurze kritisch zusammenfassende Betrachtung der bisherigen experimen- tellen Kenntnisse vor allem deren Erganaung durch neues, umfang- reicheres Versuchsmaterial. Auf diesen erweiterten Grundlagen sollen dann Gedanken iiber die Konstitution der Borsauren und borsauren Salze entwickelt, dabei auch Beziehungen zwischen Polyborsauren und Perborsauren einerseits, Polyboraten und Perboraten anderer- seits dargetan werden, unter Zugrundelegung und Ausbau der von P. H. HER MANS^) an organischen Borsaureverbindungen gewonnenen und bereits auf die anorganischen Borate fruchtbar ubertragenen Vorstellung von der koordinativen Vierzahligkeit des Boretoms als Kern ionogener Verbindungen. Der Betrachtung der Poly- und Perborate in festem Zustand und denversuchen ihrer Konstitutionsformulierung (111. u. IV. Teil) schicken wir Untersuchungen an den waBrigen Alkaliboratlosungen (11. Teil), diesen wieder zunachst Versuche an den freien Borsauren (Poly- und Perborsauren) voraus. In allen diesen Sonderteilen kehren gewisse praparative und ana- lytische Arbeitsweisen wieder ; daher sollen einige Mitteilungen uber die Bereitung der Ausgangslosungen und die Analysenmethoden den Gekiirzter I. Teil deer Habilitationsschrift des Verf.; Dresden, Techn. Hochschule 1927. 2, Z. anorg. u. allg. Chem. 142 (1925), 83, 399. 2. anorg. U. allg. Chem. Bd. 164. 1

Zur Kenntnis der Borsäuren und borsauren Alkalisalze. I. Die freien Borsäuren

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H. Menzel. D ie freien Borsauren. 1

Zur Kenntnis der Borsiiuren und borsauren Alkalisalze. 1.l)

Die freien Borsauren. Von HEINRICH MENZEL.

Mit 3 Figuren im Text.

Diese Studie und die folgenden, unter gleichem Obertitel er- scheinenden beschaftigen sich mit den Borsauren und den borsauren Alkalisalaen insoweit, als unter diesen Begriffen neben den Poly- borsauren und Perborsauren die Polyborate und Perborate des Lithiums, Natriums, Kaliums u n d Ammoniums, nicht aber auch komplexe organische Borsiiureverbindungen verstanden werden.

Den Inhalt dieser Arbeiten bildet im AnschluB an eine kurze kritisch zusammenfassende Betrachtung der bisherigen experimen- tellen Kenntnisse vor allem deren Erganaung durch neues, umfang- reicheres Versuchsmaterial. Auf diesen erweiterten Grundlagen sollen dann Gedanken iiber die Konstitution der Borsauren und borsauren Salze entwickelt, dabei auch Beziehungen zwischen Polyborsauren und Perborsauren einerseits, Polyboraten und Perboraten anderer- seits dargetan werden, unter Zugrundelegung und Ausbau der von P. H. HER MANS^) an organischen Borsaureverbindungen gewonnenen und bereits auf die anorganischen Borate fruchtbar ubertragenen Vorstellung von der koordinativen Vierzahligkeit des Boretoms als Kern ionogener Verbindungen.

Der Betrachtung der Poly- und Perborate in festem Zustand und denversuchen ihrer Konstitutionsformulierung (111. u. IV. Teil) schicken wir Untersuchungen an den waBrigen Alkaliboratlosungen (11. Teil), diesen wieder zunachst Versuche an den freien Borsauren (Poly- und Perborsauren) voraus.

In allen diesen Sonderteilen kehren gewisse praparative und ana- lytische Arbeitsweisen wieder ; daher sollen einige Mitteilungen uber die Bereitung der Ausgangslosungen und die Analysenmethoden den

Gekiirzter I. Teil deer Habilitationsschrift des Verf.; Dresden, Techn. Hochschule 1927.

2, Z. anorg. u. allg. Chem. 142 (1925), 83, 399. 2. anorg. U. allg. Chem. Bd. 164. 1

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eigentlichen Versuchsreihen vorangestellt sein und zugleich fur die folgenden Abhandlungen gleichen Obertitels gelten.

I. Bereitnng der Ansgangalosnngen - Analysenmethoden. Im allgemeinen konnten die bereits fruher vom Verf. ein-

geschlagenen Arbeitsweisenl) beibehalten werden. Fur die Mehrzahl der Versuche war ein gutes W a s s e r erforderlich (C0,-frei

mit Riicksicht auf Laugen und frei von Alkalispuren und Staub- und Olresten wegen katalytischer Zersetzung von H,O,). Wenn auch Leitfiihigkeitsmessungen nur in beschranktem Umfange vorgenommen wurden, so bot erfahrungsgemiiB die Qualitat eines Leitfiihigkeitswassers die beste Gewiihr fur die Gute des Wassers. Anfangs benutzte ich noch, wie friiher, das in alten Ballons bezogene destillierte Wasser der Firma STRUVE-Dresden, dessen spezifische Leitfiihigkeit sich durch vieltagiges Entliiften mit peinlich C0,- und staubfreier Luft auf 1,l bis 1,2. rez. Ohm bei 180 verringern lieB. SpLter wurde das Wasser im neubezogenen Laboratorium selbst aus Leitungswasser destilliert. Hienu diente ein von der Firma VOLEMAR Hlima-Dresden-Heidenau an Hand einer ihrer Typen nach be- sonderen von ms gegebenen Abhderungen konstruierter Destillierapparat (Leistung 60 Liter in 9 Stdn.) mit indirekter Dampfheizung und selbsttiitiger Speisung der Blase durch vorgewarmtes Kiihlwasser. Die Kesselfullung kommt dort nur mit stark verzinntem Kupfer, Dampf und Kondensat kommen nur mit Zinnwanden in Beriihrung. Zur Aufbewahrung werden sehr ausgelaugte und weitgehend gereinigee Ballons benutzt ; durch ausgiebiges Entluften (8-10 Tage) und durch vorhergehende peinliche Reinigung der durchgepaugten Luft (verd. KOH, verd. H,SO, lange Strecken Natronkalk, Filter von Glaswolle, Watte, lockerem Zellstoff) gelingt es, die Leitfilhigkeit auf 0,5-0,4* 10-6 Ohm-l cm-l bei 18O herabzusetzen.

Borsiiure wurde durch dreimaliges Umkristallisieren des Handelsproduktes und Trocknen des letzten Knstallisates iiber Schwefelsaure analysenrein und formelgerecht gewonnen.

Zur Bereitung carbonat f re ie r Nat ronlauge bewahrte sich aufs neue das von SOERENSEN zitierte Verfahren, reines Atznatron Kahlbaum oder Merck konzentriert zu losen und das darin vollig unlosliche Carbonat absitzen zu lassen.

Betreffs car bona t f r eier Kal i Iaug e stand friiher kein gleichermaden bequemes und gutes Verfahren zur Verfiigung. Ich begniigte mich, groBere Stiicke des ii~ERcK’schen Atzkalis puriss. oberfliichlich, d. h. deren durch Carbonat ver- unreinigte Kruste abzuspiilen. Nach privater Mitteilung ,) von Dr. KOLTFIOFF- Wtrecht gelingt es, aus konz. Kalilauge durch Zusatz einiger Kubikzentimeter Kalkmilch, gutes Durchschutteln und Absitzenlassen des Niederschlages das Carbonat zu entfernen, indem sowohl CaCO,, wie Ca(OH), in solcher Laugen- konzentration praktisch unloslich sind. Hiervon wurde Gebrauch gemacht ; die Klarung der Losung im geschlossenenZylinder erfolgte sehr langsam (iiber mebrere Wochen!), in der Losung selbst lieBen sich aber weder Carbonat noch (oder nur ganz spurenweise) nach der iiblichen Osalatfilllung Ca-Ionen nachweisen.

l) Z. phys. Chem. 100 (1922), 282; 106 (1923), 404. 2, Vgl. auch KOLTEOFF, 2. analyt. Chem. 61 (1922), 48.

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Die freien Borsawen. 3

Zu den Untersuchungen an Ammonboratlosungen wurde besondere Sorgfalt auf eine reine carbonatfreie Ammoniakvorratslosung vemandt. In einem griil3eren IColben, der zuvor mit kohlensiiurefreier Luft gefiillt und dessen Stopfen mit dreifacher Bohrung : fiir Natronkalkrohr, Einleitungsrohr und ein tief in den Kolben ragendes, auI3en urn etwa Kolbenhohe unter dessen Boden reichendes und wieder nach oben umgebogenes Heberrohr versehen war, wurden etwa 2 Liter Leitfiihigkeitswasser bis zu einem gewiinschten MaBe, d. h. bis zu bestimmter Ge- wichtszunahme, mit Bombenammoniak beschickt. Nach gutem Durchschutteln der Msung und Absperren des Zuleitungsrohres konnten dann in eine durch Gummischlauch ans Entnahmerohr angeschlossene, oben gleichfalls mit Natron- kalkrohr geschutzte Pipette Proben abgehebert und dabei Ammoniakverluste zufolge der Tension der Liisung und C0,-Zutritt nach Moglichkeit eingeschrinkt werden. Wurde in den Zwischenzeiten das ganze System, auch das Natronkalk. rohr gut verschlossen gehalten, so blieb der Titer der Ammoniaklosung, zumal immer aus den untersten Schichten des Kolbens entnommen wurde, lange Zeit, etwa bis zu einer Entleerung des Kolbens auf seines Inhalts, nahezu ungeanded.

W ass er s t of f per o x ydlos ungen wurden aus dem bekanntlich sehr reinen und haltbaren Perhydrol Merck angesetzt.

SSimtlic he Analysen konnten titrimetrisch vorgenommen werden. Die Bestimmung von H,O, und ak t ivem Sauerstoff der Persalze ge-

schah durchgehend mittels n/lO-Permanganat, das auf Natriumoxalat nach SOSOERENSEN eingestellt war.

Die durch Verdiinnen der vomerwiihnten carbonatfreien KOH- und NaOH- Stammlosungen unter KohlensaureausschluB hergestelltenNorma1- und 1, &Nor- mallaugen wurden auBer als MaBfliissigkeiten vor allem zur Bereitung von Boratlosungen bestimmter Konzentration und definierten Alkali-BorsiiureverhLlt- nisses gebraucht. Daher muBte ihr Absolutgehalt bekannt sein, er wurde be- stimmt durch Rosolsiuretitration in der Hitze mit Normalsalzsaure, deren absoluter Titer auf gleichem Wege auf wasserfreie Soda (bei 300° getrocknet) ein- gestellt war. Wenn auch bei nornislen Losungen, im Gegensatze zu verdiinnteren, die an verschiedenen Indicatoren verschiedener Umschlagsbereiche (etwa Methyl- orange p E 3-4,5, Rosolshi-e p E etwa 7, Phenolphthalein 8,5--10) ermittelten Titer wenigstens bei den SSiuren und sehr carbonatfreien Laugen praktisch ZU-

sammenfallen, so verdient doch die Neutralisation iiber Rosolsiiure (Umschlags- punkt ist nahezu der wirkliche Neutralpunkt) in der Quarz- oder Platinschale allein schon wegen des ungemein scharfen Umschlags fiir genaue Arbeiten den Vorzug vor den rascher vorzunehmenden Titrationen in der KAlte.

Zehntelnormalsiiuren und -1augen wurden einerseits auch auf Rosol- siiure eingestellt, etwa n/lO-HCI gegen Soda, n/l0-Laugen gegen diese n/lO-HCl. Da nun die n/lO-Losungen vorwiegend Titrationszwecken zu dienen hatten: die SalzsLure etwa der Alkalibestimmung in den Boraten iiber Methylorange, die Lauge der Borsiiuretitration unter Mannitzusatz gegen Phenolphthalein, wiiren die ,,RosolsLure- oder absoluten Titer" nicht ohne Korrektur des Titrierfehlers auf die Analysen anwendbar gewesen; denn tatsichlich weichen an einer n/l0-Lauge Methylorange-, Rosolsiiure- und Phenolphthaleintiter, letzterer wohl wegen des praktisch beim Verdiinnen und Titrieren nicht ganz vermeidbaren geringen C0,-Zu- tritts! urn wenige Zehntelprozent voneinander ab. Um sich bei den immer unter

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4 H. blenxel.

gleichen Verhaltnissen wiederkehrenden Mannit-Borsaurebestimmungen und den Alkalibestimmungen neben freier Bowawe von den Indicatorkorrekturen unab- hiingig zu machen, wurde fiir die n/l0-Lauge der Phenolphthaleintiter gegen den Rosolsauretiter der n/lO-HCl festgestellt; fur die n/lO-Saure aber eine Methyl- orangeeinstellung an Borax als Urtitersubstanz vorgenommen, welcher sehr rein und nach KOLTROFF') im Bromnatriumexsiccator (NaBr . 2 H,O + ges. Losung) mit genauem Gehalt von 10 Mol. Wasser zu erhalten ist.

Zur Erlauterung des Gesagten werden nachstehend tabellarisch einige Ein- stellungsergebnisse von Normal- und n/lO-Losungen mitget'eilt.

Normal - Salzsaure. Titer Soda-Methylorange . . . . . 1,0173 1,0169 Mittel 1,017

Soda-RosoLGure . . . . . . 1,0165 1,0167 ,, 1,011 Normal- Kal i lauge .

Titer Methylorange . . . . . . . 1,1624 1,1619 ,, 1,162 Rosolsaure . . . . . . . . . 1,1620 1,1625 ,, 1,162

Zehnte lnormal - Salzsaure. Titer Soda-Rosolsaure . . . . . . 1,0017 1,0024 9 , 1,002

Borax-Methybrange . . . . 0,9996 0,9992 3, 0,999 Zehntelnormal-Natronlauge.

Titer Phenolphthalein . . . . . . 0,9986 0,9989 3 , 0,999 Methylorange . . . . . . . 1,0013 1,0021 7, 1,002

Die Einstellung der A m m o n i a k v o r r a t s l o s u n g hatte unter be- sonderer Vorsicht zu geschehen. Eine Probe der Stammlosung wurde in geeichtem Kolben verdiinnt, von dieser verdiinnten Losung wurden dann vorsichtig unter moglichster C0,-Fernhaltung wieder Proben abgehebert und mit n/lO-HCI gegen Methylorange (wegen der schwachbasischen Natur des Ammonhydroxyds kornmen nur im sauren Gebiete umschlagende Indicatoren in Frage) tihiert. Eine direkte Titration von NH,-Losung mit SLure gibt bekanntlich schwankende und fehler- hafte Resultate, weil ja beim Bewegen des Kolbchens mehr oder weniger Ammo- niak an die Luft verloren geht. Sie gibt daher nur einen ungefilhren Anhalt, zur genauen Bestimmung muB die AmmoniaklGsung in ein uberschussiges Quantum Same hineinpipettiert und deren UberschulJ mit Lauge gegen Methylorange zuriicktitriert werden. Auf diesem Wege sind denn auch ubereinstimmende Werte zu erhalten, z. B.:

50 cm3 Stammlosung, verd. auf 508 cm3. Davon 25 cm3 u n g e f b h r e r Verbrauch 35,5 om3 n/lO-HCl.

G e n a u

25 em3 1 41,02 1 l$p" I 5,21 I 1,003 / 0,1442

20 em3 1 3620 1 ,, 7,52 I ,, 0,1443

ccrn Shure 1 f. Meth.-Or. I ccm Lauge I f . Meth.-Or. 1 Normalitat I- 25 cm3 40,50 5,OQ 3, 1 0,1441

;"iormalitiit der Stammlosung: 1,442

An Blindversuchen wurde festgestellt, daB diese Ammoniaktitration auch bei wechselnden Zusatzen reiner BorsilurelBsungen die gleichen Werte gibt, da13

l) Joum. Amer. Chem. SOC. 48 (1926), 144'7.

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Die freien Borsawen. 5

Ammoniak also genau wie die Alkalien neben Borsaure alkalimetrisch titriert merden kann.

Fur die Analysen der d a r g c s t e l l t e n S a l z e u n d d e r P r o b e n von V e r s n c h s r e i h e n an waBrigen Boratlosungen wurden folgende, meist &on Ianger bekannten Methoden benutzt :

Alkal ibes t immung an allen Li-, Na- und I<-Boraten, d. h. Polyboraten und Perboraten, durch n/lO-HCl gegen Methylorange.

-4 mmoni a k b es t i m m u n g in Ammonpolyborat-, aber nicht *4mmon- perboratlosungen auf gleichem Wege. Dabei wurden alle Salz- oder Losungs- proben, deren Ammoniak-Borsiiureverhaltnis gleich oder groBer als 1 : 2 war, zur Vermeidung von NH,-Verlusten in uberschiissige Salzsiiure gegeben und diese rnit Lange zuriicktitriert. In Ammonperboratlosungen konnte das Aminoniak nicht direkt mit Salzsaure titriert werden. Die Werte fallen etwas zu niedrig aus, wahr- scbeinlich dadurch, daB infolge einer Aciditatszunahme der Borsaure durch H,O, (Perborsiiure) und der schwachbasischen Funktion des Ammoniaks der Methyl- orangeumschlag nicht mehr dem gewiinschten Endpunkt NH,Cl-H,BO,-H,O, entspricht, sondern zu friih eintritt,. Daher muBte nach der iiblichen Methode das Ammoniak durch Kochen rnit Natronlauge ausgetrieben, in vorgelegter n/10- oder n15-Saure aufgefangen und diese zuriicktitriert werden.

Die B o r s a u r e wurde nach der vielverwandten Mannitmethode gegen Phenolphthalein tit'riert. Mannit ist dem in gleicher Weise die Aciditat erhohenden Glycerin durcha,us vorzuziehen: er ist in Eehr reiner Form erhaltlich, und ver- grBOert, aPs fester Stoff zugesetzt, kaum das Volumen der zu titrierenden Losung, wohingegen im Glycerin des Kandels erst ein meist vorhandener kleiner Siiure- gehalt abgesturnpft werden huB, und die viscose opaleszierende Msung den Phenolphthaleinumschlag weniger gut erkennen 1LBt. An den Boraten wurde zu- nieist die BorsBuretitration an den zuvor gegen Methylorange neutralisierten Losungen, event. nach aliquoter Verdiinnung, vorgenommen, d. h. an die Alkali- bestimmung angeschlossen. Vielfach, etwa bei Reihenversuchen linter Benutzung einer streng im Alkali-Borsaureverhaltnis definierten Stammlosung, konnte von einer vorangchenden Alkalibestimmung abgesehen und nach Mannitzugabe sofort die gegen die Alkaliaquivalente iiberschiissige Borsiiure titriert werden.

E n etwas ahgeiinderter Weg war bei der B o r s a u r e b c s t i m m u n g i n A m m o n b o r a t e n erforderlich. Da aus naheliegenden Griindcn eine Phenol- phthaleintitration der Boromannitsaure in Gegenwart von Animonsalzen nicht durchfiihrbar ist (Zuvielverbrauch an Lauge, unscharfer Umschlag), wurden die Proben zunBchst mit einigen Kubikzentimetern n-Lauge (so viel, daB a,lle Borsiiure zu Monoborat gebunden und auBerdem noch ein OberschuB vorhanden war) bis zum volligen Vertreiben des Ammoniaks verkocht, darauf ein wenig verdiinnt und mit n- und n/lO-Salzslure auf Methylorange etwa neutralisiert und ein klein wenig angeskuert,. Diese Losungen wurden nunmehr am RiickfluBkiihler durch Auskochen von Kohlensaure befreit und darauf nach Anbringung eines Na,tron- kalkrohres am RiickfluBkiihler abgekiihlt. Nunmehr wurde in der Jialte genau rnit n/lO-Lauge und n/l0-Saure neutralisiert und nach Mannit- und Phenol- phthaleinzusatz, mie iiblich, die Bors;iure bestirnmt. Dies Verfahren ist ein wenig zeitraubend, gibt aber einwandfreie Resultate.

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H. Mennxel.

Zum Schlusse sei noch erwahnt, dab allgemein, besonders aber beirn Arbeiten rnit Wasserstoffsuperoxyd, die peinlichste Reinigung der benutzten GefaBe und MeBgerate, womiiglich durch Ausdampfen, angestrebt wurde. Als MeBgerate (Kolben, Pipet,ten, Buretten) standen reichsgeeichte zur Verfugung ; starkere Sbweichungen von der Zimniertemperatur 18O (besonders im Hochsommer) wurden durch Korrektur am Titer der MaBlosungen beriicksichtigt.

11. Die freien Borsiiuren. Fur die folgenden Untersuchungen kamen die Borsauren und

borsauren Alkalisalze nur in dem Umfang in Eetracht, als sie aus ihren waI3rigen Losungen abzuscheiden sind, d. h. rnit diesen als Bodenkorper im Gleichgewicht stehen konnen.

Im Znsammenhang mit der als Ziel gesetzten Konstitutionsfrage der anorganischen Alkaliborate ist die S e 1 b s t ko mpI ex b i l d ung d e r 0 r t hob o r sa u r e wie deren A sso z i a t i o n mi t W a s s e r s t o f f - per o x y d in waBriger Losung von Interesse.

A. B o r s a u r e und Po lybor sau ren .

Zur Erganzung und Iiontrolle bisheriger Angaben wurden ge- legentlich anderer Loslichkeitmsbestimmungeii auch solche an der Bor- saure bei 180 und 25O C vorgenommen.

Versuchsanordnung: Die konstante Temperatur wurde durch oinen auto- matisch sich regulierenden, mit Gasflamme geheizten und gleichzeitig durch eine wasserdurchlaufene Kupferschlange gekihlten "hermostaten der vielgebrauch- lichen Form (mit Asbestpappe umkleideter groBer Emailletopf) innegehalteu. Die Riihrung besorgte in erster Linie die Schiittelapparatur der Flaschen, spilter noch, um Temperaturstorungen bei gelegentlichem Aussetzen der Schiittelnng vorzubeugen, gleichzeitig, auBerdem stets wahrend des Absitzens der Losungen, ein durch Elektromotor betriebener Glasfliigelriihrer. Das Schiittelgestell (Fig. 1) besteht aus einer in vier Kammern geteilten offenen Trommel, die mit ihrer Achse in einem massiven Untergestell lagert und durch die seitliche Schnurscheibe in Umdrehung versetzt wird. I n die Kammern werden die LosungsgefilSe mit Riemchen eingeschnallt; als solche eigneten sich wieder die schon an anderer Stellel) zu Ausschiittelungszwecken benut.zten Perhydrolflaschen (250 cm3) der sogen. Tropenpackung Merck vorzuglich. Das gute, schwer angreifbare Glas schiitzt vor Alkaliabgabe a n die Losung; der besonders sorgfsltige Schliff, ein Verschniiren mit Bindfaden, wobei eine Einkerbung des Stopfensattels sehr zu- statten kommt, weiterhin eine aufgesetzte, eng anschlieBende Guniniikappe sichern einen einwandfreien VerschluB gegen das Wasserbad. Der Antrieb geschah durch einen Elektromotor mit liegender Welle iiber eine doppelte Ubcrsetzung, urn die Tourenzahl cler Trommel zu reduzieren.

l) 1. c., %. phys. Chem. 105 (1923), 423.

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Die freien Borsaurm. 7

Die Temperatur des Thermostaten schwankte maximal urn f -O,lOo um die gewiinschte. Die Loslichkeitsgleichgewichte wurdell zumeist von zwei Seiten her aufgesucht, d. h. von Untersattigung und fjbersiittigung aus. Jeder Versuch er- streckte sich uber eine Reihe von Tagen. Bei Beendigung wurde zunachst das Schiittelgestell aus seiner liegenden Stellung aufgerichtet. So konnte der Boden- korper bei gleichgehaltener Temperatur absitzen. Nach einigen Stunden wurde das Gestell rasch aus dem Thermostaten entfernt, die FIaschen ausgeschnallt und zum endgultigen Absitzen in einem anderen Gestell aufrecht in den Thermostaten gestellt, wobei die Flaschenhdse eben aus der Wasseroberfliiche herausragten. Zur Probenahme wurden den unteren Pipettenenden kleine, mit Glaswolle gefullte Glasrohrchen Fig. 2) als Filter gegen Niederschlagsteilchen vorgelegt. Die ersten

Fig. 1. Fig. 2.

Anteile der Losung wurden verworfen, als Proben wurden definierte Volumina abpipettiert, die auderdem in tarierten Titrier- oder Madkolben (je nachdem, ob vor der Analyse eine Verdiinnung erforderlich war) noch eingew&gt wurden, um die Loslichkeiten sowohl nach Gewichts- wie nach Raumteilen angeben zu konnen.

Da die Borsgure in feinsten Flittern, die selbst ein festgestopftes Glaswoll- filter leicht passieren, auoerordentlich hartniickig suspendiert bleibt, mui3te mit der Probenahme besonders lange gewartet werden.

Die Abweichungen der verschiedenen Bestimmungen bei gleicher Tempe- ratur entsprechen den Temperaturschwankungen des Thermostaten.

Die Loslichkeit von H3B03 bei 250 ist von AWERBACH~) zu 55,s bzw. 55,9 g/Liter Losung, von BOGDAN~) zu 57,53 g in 1000 g Losung bestimmt Worden. Fur 18' fanden K. LINDERSTROM-LANG3) 0,732 In,

l) 2. anorg. Chem. 37 (1903), 353. z, Ann. scient. Univ. Jassy 2 (1903), 95. 3, C. r . Carlsberg Labor. 15 (1924), Nr. 4, S. 23.

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a H. Hewel.

KOLTROFF~) als Mittelwert 0,736 m, also in naher Ubereinstimmung mit vorliegender Messung .

Tabelle 1.

Mol H,BO, g H,BO, Mol H,BO, g H,BO, 3101 H,BO, g H,BO, in 1000 g Ldsung auf 1000 g Wasser in 1000 cm3 Losung

0,7344 45,42 I 0,7242 44,78 i 0,7582 46,88 0,7376 45,61 I 0,7273 44,98 i 0,7617 47,lO

1 I 8 , O i 0,lo I __ __-- _ _ ~ - ____ __ --

j . M. 0,736 4 5 3 I 0,726 44,9 I 0,760 47,O

0,8991 55,60 0,8849 54,72 0,9361 57,89 0,8969 55,46 1 0,8816 54,52 I 0,9325 57,67

25,O 0, lo

i. M. 0,898 55,5 I 0,883 54,6 1 0,934 54,8

In iihnlicher Fragestellung, wie in friiherer Arbeit des Verf .2)

nach einer freien Perborsaure gesucht wurde, deren Salze in festem Zustande und in Losung bekannt sind, ist von verschiedener Seite bereits f re ien P o l y b o r s a u r e n nachgegangen worden, die den wohl- studierten Polyboraten entsprechen muBten.

In waBriger Losung befindet sich die Borsiiure ganz uber- wiegend in monomolekularer Form. Ihre Dissoziation als einbasische Sanre ist bereits sehr gering: I<,, = 5,7.10-10.3)

Die Annahme eines monomolekularen, nahezu undissoziierten Losungszustandes der Borsaure in Wasser grundet sich auBer auf Verteilungsversuche von H,BO, zwischen Wasser und Amylalkohol - P. MUELLER~) stelhe bei wechselnden Verdunnungen ein kon- stantes Verteilungsverhaltnis fest, was auf eine einheitliche Form des Gelosten hinweist - in erster Linie auf osmotische Messungen, Gefrierpunkts- und Siedepunktsbestimmungen, welche Werte lieferten, die mit Abweichungen urn wenige Prozent dem einfachen Molekulargewicht der Orthoborsaure entsprechen.

So bewegen sich die von BECKMANN~) und von NASINI und AGE NO^) aus der Siedepunktserhohung gefundenen Molekulargewichte zwischen 65,7 und 62,O (theor. 61,82). Gefrierpunktsmessungen von ARILHENIUS'): und KAHLENBERG und SCHREINER~) ergaben in wesentlich verdiinnteren Losungen (entsprechend der

I) Rec. haw. chinz. Pays-Bas 45 (1926), Nr. 9/10, 609.

3, Vgl. MENZEL, 2. phys. Chem. 100 (1922), 303; LUNDBN, Journ. Phys. China.

4, Z. phys. Chem. 57 (1907), 513. ') Z. phys. Chem. 8 (1831), 227; 21 (1896), 254; 40 (1912), 153. 6 , G'nzz. chim. 41, I (1911), 135. ') Z. phys. Chem. 2 (1888), 495.

2) 1. c.

5 (1907), 577; LUNDBERG, 2. phys. Chem. 69 (1909), 448.

2. phys. Chem. 20 (1896), 548.

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Die freien .Boysawen. 9

verringerten Loslichkeit bei 00) etwas kleinere Molekulargewichte als 62 (59,l; 59,7) oder i-Werte zwischen 1,02 und 1,03. Dabei ist zu bemerken, dad die letzt- genannten Forscher die kryoskopische Methode in ihrer einfachsten, relativ un- genauen Ausfiihrungsweise benutzten, bei der einige Prozente Abweichungen, vor- wiegend in Richtung einer zahlenmiidig zu hohen Depression bzw. eines zu niedrig gefundenen Molekulargewichtes innerhalb der Versuchsfehler lagen.

Da in den vorliegenden Studien zur Klarung anderer Fragen eine merklich leistungsfahigere Form kryoskopischer Bestimmungen viel- fach benutzt wurde, welche in nahezu gleicher, wenn auch noch etwas unvollkommenerer Weise bereits fruheren Untersuchungen dientel), erschien es nicht uberflussig, noch einmal Gefrierpunktsmessungen an Borsaurelosungen im gesamten Bereiche zwischen starker Ver- dunnung und dem Sattigungs-, d. h. dem kryohydratischen Punkt, vorzunehmen.

Uber dasMeSverfahren ist dasNotigc im Prinzip schon amgenanntenorte berichtet worden: Man bestimmt die Temperatur einer mit Eis im Gleichgewicht befindlichen Losung und analysiert hernach eine dieser entnommenen Probe. Bestimmungen dieser Art sind besonders infolge des Wegfalls jeglicher ifber- kaltungsfehler und damit entsprechender Korrekturen wesentlich genauer als die der urspriinglichen nach BECKMANN, dabei viel einfacher und weniger zeitraubend. Indem man nach jeder Probenahme erneut eine Portion der starkeren Stamm- losung zum Eis-Losungsgemisch zufugt und nach Einstellung des Gleichgewichtes die Temperatur abliest, eine neue Probe herauspipettiert, und so fort, lassen sich in verhiiltnism5iBig kurzer Zeit an Hand einer zusammenhangenden Versuchsreihe mehrfache Gefrierpunktsmessungen innerhalb eines groBeren Konzentrations- bereiches ausfiihren.

Einige kleine Abiinderungen gegeniiber der friiheren Arbeitsweise miissen hier erwahnt werden.

Das schon friiher benutzte Beckmannthermometer in Hnndertstelgrad- teilnng von der %ma GoETzE-Leipzig war nnterdes von der P.T.R. nachgepriift worden. Entsprechend den amtlichen Prufungsdaten wurden fur alle folgenden Messungen, soweit es nicht ausdriicklich anders bemerkt wird, die Kaliberkorrek- twen an den einzelnen Skalenteilen und die inittleren Gradwerte der Skala bei wechselnden mittleren Fadentemperaturen beriicksichtigt.

Zur Entnahme dienten geeichte Pipetten, die durch einen Gummiring im Fiihrungsrohre des DewargefiiBstopfens festgehalten waren und mit ihrer Spitze etwa bis zur Mitte der Quecksilberkugel reichten. Wichtig ist, daS erst nach Ein- fuhrung der Pipette, die oben noch durch den Ansaugeschlauch mit Glasolive ver- schlossen war, nach nochmaligem Riihren und hiiufigem Klopfen am Thermometer die Einstellung des Temperaturgleichgewichtes abgewartet wurde. Nach der Probenahme wurde nochmals der Thermometerstand kontrolliert : waren Ande- rungen eingetreten, was freilich nur ganz selten vorkam, so war die Probe zu ver- werfen. Die Proben wurden in gewiigte Titrierkolbchen eingewogen oder, sofern zur Analyse ein Verdiinnen notig war, in tarierte MaBkolben. Dicht neben dem

l) 1. c., 2. phys. Chem. 105 (1923), 405.

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10 H. Memael.

Beckmannthermometer war ein Normalthermometer beweglich angebracht, mit seiner Quecksilberkugel etwa in der Mitte des herausragenden Fadens, um dessen Temperatur zu Korrekturzwecken anzugeben. Das urspriingliche Eisgemisch wurde besonders sorgfaltig aus zermorsertem reinstem Eis hergestellt, das durch Gefrierenlassen reinsten Wassers in weiten Reagensrohren gewonnen war. Es diente zugleich zu Beginn jeder Versuchsreihe zur Feststellung bzw. Kontrolle des relativen Eispunktes.

Zur Orientierung iiber die Genauigkeit der Methode wurde eine Ver- suchsreihe mit Wasserstoffperoxydlosung ausgefiihrt, in weiterem Konzentrations- gebiet, als es bereits an friiherer Stelle geschehen war. H,O, ist ein besonders dankbares Testobjekt fiir die Kryoskopie wiil3riger Losungenl); in relativ hohe Konzentrationen hinauf schliedt es sich eng den idealen osmotischen Gesetzmiidig- keiten an, die, streng genommen, nur fur starke Verdunnungen giiltig sind. Dies gesetzmiidige Verhalten beruht wahrscheinlich wohl auf der relativ unkompli- zierten Natur einer Superoxydlosung, einer verschwindend kleinen Dissoziation, einer geringen Assoziation und Solvatation der H,O,-Molekule und einer iiber- haupt nur geringfugigen elektrostatischen Wechselwirkung innerhalb der Losung.

Aus den korrigierten Depressionen wurde durch Division iiber E.m (E = molekulare Gefrierpunktserniedrigung in Wasser, nach den zuverliissigsten An- gaben zu 1,8600 C genommen; m = Molaritiit, bezogen auf 1000 g Wasser) die mole- kulare osmotische Konzentration i nach VAN'T HOFF berechnet, d. h. die Zahl der osmotisch wirksamen Teilchen, die ein Mol bei der jeweiligen Konzentration in die Losung liefert. Die Abweichungen der i-Werte von der theoretisch zu er- wartenden Zahl 1 betragen hier im Hochstfall etwa & 1%; in den meisten Einzel- fallen, vor allem irn Durchschnitt, sind sie noch kleiner. l/,% im Mittel, un- giinst,igenfalls aber 1% Genauigkeit,, darf daher dieser Methode zugesprochen werden.

Tabelle 2. H,O,.

m H*O, auf 1OOOg Wasser

~ __._~____

0,0669 0,1309 0,1984 0,2433 0,3115 0,4870 0,5885 0,6817 0,887 1,120 1,458 1.695

A korr.

0,123O 0,243 0,371 0,451 0,576 0,907 1,092 1,268 1,631 2,088 2,723 3,177

_. ~_-__ --- ______

d korr. . -- - - z E . m

0,989 0,998 1,005 0,997 0,994 1,001 1,000 0,998 0,958 1,002 1,004 1,008

Tabelle 3 gibt die Versuchsreihe an Borsaure wieder. Die be- Ge- rechneten i-Werte gruppieren sich auch hier innerhalb

l) Vgl. H. MENZEL, Eine neue Thermometerform zur Kryoskopie wiil3riger LBsungen, 2. Elektrochem. 33 (1927), 63.

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Die freien Borsiiuren. 11

Tabelle 3. H,BO,.

Mol H,EO, auf 1 O O O g H,O

0,0453 0,1256 0,2399 0,2962 0,3173 0,3581 1 Kryohydr. Temp.: Hryohydr. Konz.:

____ ~~ I - I

A korr. E . riL

- - i A korr.

0,084O I 0,997 0,236 1,009 0,441 1 0,989

1,002

0,665 0,998

0,409 & 0,002 molar/1000 g H,O. -0,760" f 0,005O

nauigkeit um den Wert 1 (nur an einer Stelle ist die Abweichung etwas groBer). Aus den Messungen kann weder die sehr kleine Dissoziation, noch eine merkliche Assoziation oder Selbstkomplexbildung der Bor- saure erkannt werden. Dieser negative Befund kann naturlich nicht die Feststellung in sich schlieBen, daB eine Komplexbildung in reiner Borsaurelosung uberhaupt nicht stattfande. Einmal kann deren Umfang noch innerhalb der Fehlergrenzen dieser Messungen liegen. Zum anderen wird der EinfluB entstehender Polyborsaure auf die osmotische Konzentration durch die vermehrte Dissoziation einer solchen verwischt. Polyborsauren sind zweifellos starkere Borsauren als die einfache Borsaure ; andernfalls mu13te eine reine Borsaure- losung vie1 stiirker zur Assoziation neigen. ABEGG und AUERBACH folgern dies aus Verteilungsversuchen der Borsaure zwischen Alkali- boratlosungen und Amylalkohol; die Ansicht von LuNDEN~), wonach die Dissoziationskonstante einer H,B,O, kleiner ist als die der H,BO,, mu13 als irrtumlich angesehen werden. Die Verringerung der Molekel- zahl bei einer geringfugigen Kornplexbildung wird rnithin dureh die gleichzeitig vermehrte Dissoziation teilweise kompensiert und mu13 sich daher um so eher der kryoskopischen Beobachtung entziehen.

Tabelle 3 verxeichnet den kryohydratischen Punkt der Borsaure zu - 0,760 & 0,005O. Diese Bestimmung schloB sich der Versuchsreihe an, indem nach erneutem Zusatz starker Stammlosung auf die letzte Probenahme hin die Temperatur anfangs noch fiel, dann zum Halten kam und rasch, dann allmahlicher wieder anstieg und sich nach einiger Zeit auf einen bestimmten Wert einstellt,e, um dort auf Stunden hinaus innerhalb der genannten Grenzen konstant zu bleiben. Aus der kryohydratischen Temperatur berechnet sich nach der fur Bor- saure angenahert gultigen Beziehung : A = E am die kryohydratische

l) Journ. Chirn. Phys. 5 (1907), 577

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12 H. Henml.

Konzentration, d. h. diejenige, welche sowohl mit Eis, als mit fester Bsrsaure als Bodenkorper im Gleichgewicht steht, zu 0,409 f 0,002 m. Die Messung des Eutektikums konnte zu gleichem Ergebnis in unabhangigen Versuchen wiederholt werden. Die altere Angabe von GUTHRIE~) : - 0,70° durfte zu niedrig sein; das Datum von NASINI und AGE NO^): -0,76O bei 2,32 g H3B03 in 100 g Wasser stimmt der Temperatur nach mit unserem Befunde uberein, nicht aber in der Konzentrationsangabe, derin 2,32 g H3BO3 in 100 g Wasser ent- sprechen einer Molaritat 0,375.

Hier konnte man einwenden, daB die Konzentrationsbestimmung im kryo- hydratisehen Punkte nach dem Ansatz m = A / E unberechtigt sei, indem am Sattigungspunkt einer Losung und dariiber hinaus grundsatzlich andere Gesetz- rnlBigkeiten walten als in groBeren Verdiinnungen. Da die Borsaure aus iiber- slttigter Losung aul3crordentlich bald, angeregt durch die notwendige Riihrung, auskristallisiert, gelang es nicht, die Gefrierpunkte ins iibersattigte Gebiet hinaus zu verfolgen. In spaterenFiillen, an Losungen schwerloslicher Salze wurde die nber- siittigung lange nicht so leicht durch Riihren aufgehoben. Schon hier sei bemerkt, daB sich dort die kryohydratische Konzentration iiberschreiten lieb, daB bis- weilen sogar mit einer kleinen Portion schon auskristallisierter Losung geimpft werden muBte, um auf den eutektischen Punkt zuriickzukommen. Stets verliefen im iibersattigten Gebiete die Gefrierpunkts-Konzentrationskurven in gesetzmlbig- stetiger Fortsetzung ihrer Teile jenseits des Kryohydratpunktes; iibersattigte Liisungen und daher auch gesiittigte, deren Kennzeichen sich ja nur auf die Gleich- gewichtsverhiiltnisse mit der festen Phase bezieht, zeigen daher keine prinzipiellen Abweichungen von den ungeslittigten. Damit diirfte auch die von uns geiibte Be- rechnung der kryohydratischen Konzentration der Borsiiure innerhalb der Me& fehler berechtigt sein. In iihnlicher Weise hat iibrigens KOHLRAUSCH~) bereits nachgewiesen, daB weder die d-t-Kurve einer Losung gleichbleibender Konzen- tration beiderseits der Slittigungstemperatur, noch die A-c-Isotherme beim Durch- gang durch den SBttigungspunkt, noch die einer auskristallisierenden iiber- siittigten Losung irgendwelche Besonderheiten (Knicke oder Spriinge) aufweist.

KOLTHOFF~) erkannte durch colorimetrische pE-, wie durch Leit- fahigkeitsmessungen an reinen Borsaurelosungen in verschiedenen Konzentrationsstufen, da13 die Borsaure nicht dem Verdunnungs- gesetze folgt, welches ja fur schwache SBuren ahnlicher Starke im all- gemeinen praktisch gultig ist. Mit wachsender Konzentration be- kommen die Dissoziationskonstantenwerte I<, die unter Annahme einer monomeren, einbasischen Saure nur bei 0,l in und darunter an- genahert konstant sind, einen zunehmenden Gang und steigen

I ) Phil. Mag. [5] 6'(1878), 44. z, Guzz. 41, I (1911), 131. 3, Vgl. WALDEN, Das Leitvermogen der Ldsungen I, S. 33, Leipzig 1923. 4, Idec. trav. chim. Pays-Bus, 45 (1926), Nr. 718, 501.

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Die freien Borsauren. 13

zwischen 0,l m und 1,0 m etwa auf das IOOfache an. Setzt man nun in starkeren Losungen die Existenz einer Polyborsaure voraus - die nachstliegende Annahme ist eine Tetraborsaure H2B,0, - und rechnet man mit der ersten Dissoziationsstufe dieser zweibasischen Saure im Sinne:

weiterhin mit der Depolymerisation der undissoziierten TetraborsBure :

H,B& + aqu. 4HsB03 ,

H,B,07 f. H + HB,O,’ ,

so folgen die Beziehungen:

[H,B,O,] = Ii‘*[H3BO3l4 ;

Fur diese GroBe k“ - man hatte sie als eine scheinbare Disso- ziationskonstante der Tetraborsaure zu bezeichnen - erhalt ROLT- HOFF an Losungen gleich oder starker als 0,5 m einigerrnal3en kon- stante Werte im Bereiche von 6 bis 10.10-*, woraus zweifellos die Gegenwart einer starkeren Polyborsaure in wafiriger Borsaurelosung zu geringem Anteil und im Gleichgewicht mit ihren Zerfallsprodukten hervorgeht .

B. F r e i e P e r b o r s a u r e .

Mit der freien Perborsaure, d. h. mit der Anlagerung bzw. Bindung von H,O,-Molekulen in waBrigen Borsaurelosungen beschaftigten sich bereits fruhere Versuche des Verf.1) Kryoskopische Messungen an H,02-H,EO,-Gemischen haben keinerlei uber die Versuchsfehler hinausgehenden Abweichungen der gefundenen Depressionen gegen- uber denen erkennen lassen, die nach MaBgabe beider, unabhangig nebeneinander gedachten Komponenten zu erwarten waren. Die Leitfahigkeitsbestimmung an solchen Gemischen zeigte wohl Ab- weichungen gegenuber der Summe der Einzelleitfahigkeiten beider Komponenten; um ein Geringes war die erstgenannte groBer als die letztere; die Differenz hatte aber etwa die GroBe der Eigenleitfiihig- keit des benutzten Wassers.

Wurde zu den direkt gefundenen Leitfiihigkeitswerten das x des Wassers hinzugezahlt, etwa in der Vorstellung, die Verunreinigungeu des Leitfaliigkeits- wassers seien basischer Natur und verminderten die Eigenleitfahigkeit der Losungen, so wurden die beiden in Frage stehenden Werte x-Gemisch und Z x der Romponenten nahezu identisch. Falls die Unreinheit des Wassers sauren Ur-

l) 1. c., 2. phys. Chem. 105 (1923), 408.

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14 H. Mend.

fiprungs gewesen ware, hatte man die GroBe x-HzO sinngemlB abziehen miissen, rind die Abweichung ware etwa doppelt so groS geworden, was als Anzeichen einer gesteigerten H'-Konzentration infolge der starkeren Perborskure gelten durfte. Von letztgenannter Korrektur wurde damals nach dem Vorgange von LUXDBN abgesehen, da die Dissoziation der geringen Kohlensauremenge des Wassers durch die Eigen-Ha-Konzentration der VersuchslBsungen hintangehalten werden konnte. Dieser Argumentierung hat man in letzter Zeit nicht mehr bei- gepflochten; es ist, mindestenv der Einheitlichkeit zuliebe, iiblich, die Leitfiihig- Errit des Wassers von der der Losung abzuziehen.

Vor langerer Zeit teilte Herr KOLTHOFF - Utrecht dem Verf. privat'im e k e interessante Beobachtung mit : Versetxt man eine starkere, durch ein wenig Methylorange angefarbte Borsaurelosung mit geringen Mengen starkeren, etwa 6-1O0/,igen Wasserstoff- peroxydes, so tritt ein deutlicher Farbumschlag von der gelben Form na,eh sauer, nach sot ein, wiihrend eine gleichkonzentrierte H,O,- Liisung allein nicht nierlilich die neutrale Farbe des Indicators ver- Bndert. Dieser einfache Versuch 1iil3t an der Aciditatszunahme eine gewisse Perborsaurebildung wahrnchmen und gab Veranlassung, der freien Perborsaure weiter nachzugehen.

Zunachst wurde gepriift,, ob eine Loslichkeitszunahme der Bor- siiure in H,O,-Losung eine gegenseit'ige Bindung beider Stoffe er- kennen la& (Versuch ausgefuhrt von J. & ~ E C K ~ I T Z ) .

Ein Weithals-(Witt)-Kolben trug einen Stopfen niit dreifncher Durchbohrung: die eine zur Fiihrung eines Riihrers, die beiden anderen zur Zugabe von starkerem H,O, und zur Probenahme. Im Kolben wurden reichliche Mengen Borsaure warm gelost, so daB nach dem Abkiihlen auf die Therrnostatentemperatur 18,O & 0,lo C genugend Bodenkorper sich ansammelte. Nach mehrstiindigem Riihren und langerem Absitzen der festen Phase wurden 2 cm3 herauspipettiert und wie iiblich auf Borsiiure anaagsiert,. Darauf folgten steigende H,O,-Zu&tze, nach zweistundigem Ruhren und entsprechendem Ab- warten wurden nun jedesmal je zwei Proben entnommen und sowohl auf Bor- saure, wie auf H,O, titriert. Im Hinblick auf die Selbstzersetzung des letzteren begnugten wir uns mit der verhaltnismal3ig kurzen Riihrzeit; die relativ kleinen Proben von 2 cm3 brachten auch Fehler rnit sich, so daD von der ganzen Versuchs- reihe keine sehr groBe Genauigkeit, aber doch eine Orientierung erwartet werden kann (vgl. Tabelle 4, Fig. 3).

Aus diesem Versuche ist kein Anxeichen einer Bindung beider Stoffe zu entnehnien, denn die BorsBureloslichkeit nimmt mit steigendem H,O,- Gehalt ab. Sls Ursache dieser Erscheinung kommen nicht, wie vielleicht bei der Loslichkeitsverminderung der BorsSiure durch neutrale Alkalisalzel), Hydratationseinflusse in Frage; von

V er s u c h s a n o r d n ung.

I ) vgl. LINDERSTR~M-LANG, c. r. CARLSBERG-Lab. 15 (1934), i%. 4, s. 92; KOLTHOFF, Rec. Irav. chim. Pays-Vns, 45 (1926),, Nr. 9/10, 608.

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Die freien Borsauren.

- 0,057 0,115 0,178 0,273 0,424 0,583 0,815 1,35 1 3 0 2,33

15

0,741 0,734 0,730 0,728 0,724 0,122 0,717 0,709 0,103 0,693 0,684

Fig. 3.

rntiBigkeiten erwiesen sich bis in hohe Konzentration hinauf als an- nahernd e l t i g - nichts zu beobachten.

Kryoskopische Messung stiirkerer H,O,-H,BO,-Gemische. Vermutlich konnte die Perborsaurebildung bei h o h e n H,O,-

Konzentrationen an der verminderten osmotischen Konzentration einer Losung gegenuber der theoretisch durch beide Kornponenten be-

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16 H. Xenxel.

dingten zu erkennen sein, zumal unterdes festgestellt worden war, daB sich das RAouLT,’sche Gesetz der Gefrierpunktserniedrigung auf Eorsaure bis an den Sattigungspunkt und auf H202 uber einfache Molaritat hinaus innerhalb des experimentellen Fehlers von etwa 1% anwenden laat.

Die Stammlosungen wurden etwa 2 m an H20, und 0,15 m an Eorsaure angesetzt ; die Probe aus dem Gefriergemisch wurde auf mehrere GefaBe verteilt und in diesen gewogen, urn getrennt auf beide Stoffe analysiert werden zu konnsn.

Tabelle 5. H,Q, + H3BQ3.

I I __-_ ~. - __ ___- - 1,701 0,129 3,164O 0,240, 3,4040 3,436, +0,0320 1 l o / , 1,912 I 0,112 13,556 1 0,221 1 3,777 1 3,810 1 +0,033 I l o / ,

Diese osmotischen Versuche deuten auch bei hoher H20,-Kon- zentration auf kein Zusammentreten beider Stoffe mit Sicherheit hin; die geringen Differenzbetrage zmischen 2 Aber. und dgef. mussen in erster Linie methodischer Ungenauigkeit zugute gehalten wer den.

AuBerdem gelten hier iihnliche Erwiigungen, wie sie fur die freien Polyborsauren angestellt wurden. Mit der Bildung freier Perbor- saure, die unbedingt starker als Borsaure selbst ist, unter Verminde- rung der osmotischen Konzentration ist zugleich eine verstarkte Dissoziation, d. h. eine gewisse Vermehrung der osmotisch wirk- samen Teilchen verbunden. Beide Vorgange werden also bezuglich ihrer osmotischen Auswirkung einander mehr oder weniger aus- gleichen, je nachdem, ob man der in geringem MaBe entstehenden Perborsaure die Bruttoformel H3B03.H202 oder (H3B03), . (H202), bzw. ein Dissoziationsgleichgewicht :

oder : H‘ + (HzBO3.H20,)’ t- H3BO3 -+ H202

H + [H2B0,-H3B03*(H202)2]’ t- 2H3B03 + 2H202

zuschreibt. Unter diesem Gesichtspunkt wird es verstandlich, daB die osmotischen Veranderungen bei geringer Perborsaurebildung - sagen wir von Umfang - hinter diesem Betrage, d. h. der Fehler- grenze unserer kryoskopischen Bestimmungen zuruckbleiben, wahrend

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Die freien Bmsaurert. 17

in uberschlaglicher Betrachtung 1 yo gebildete Perborsaure bei etwa n/l0-Borsaure sehr wohl ein Anwachsen der H-Konzentration auf Werte zwischen pE = 3 und p , = 4 verursachen und damit am Methylorange-Indicator sichtbar machen kann.

AufschluBreicher, weil sie spezifisch empfindlich sind fur kleine Aciditatszunahmen, erschienen von vornherein Le i t f a h ig ke i t s - m essungen s t a r k e r e r H,O,-H,BO,- Gemische.

Die fruherl) benutzte und niiher beschriebene Versuchsanordnung wurde beibehalten.

Von Kaliberkorrekturen des Pt-Ir-Meobriickendrahtes konnte abgesehen werden, indem sowieso an glatten Zinnelektroden und bei dem geringen Leitver- mogen der untersuchten Msungen die Minima nicht sehr scharf am Telephon abzuhoren waren, und die MeBgenauigkeit 1% Fehler nicht wesentlich unter- schreiten konnte. AuBerdem wurde der Mittelwert aua Ablesungen an vielen aus- einanderliegenden Punkten des Briickendrahtes genommen, so da13 dadurch schon ein gewisser Ausgleich der KaliberunregelmilBigkeiten zu erwarten war.

Im Unterschiede zu den fruheren Messungen wurden diesmal nicht allein Vergleichswerte der Leitvermogen, sondern absolute GroBen, d. h. auf reziproke Ohm definierte, ermittelt. Hierzu muBte zunachst die Widerstandskapazitat des LeitgefaBes bestimmt werden. In diesem konnte, wie schon fruher festgeutellt, mit der gebrauch- lichen Eichlosung n/lOO-KCl keine Messung ausgefuhrt werden. Die Zinnelektroden lassen bei ihrem geringen Abstande und dem noch relativ hohen Leitvermogen der Eichlosung gar kein Minimum mehr horen. Vielmehr wurde ein indirekter Weg eingeschlagen: In einem LeitgefaB kleiner Kapazitat mit platinierten Pt-Elektroden, das sonst nur der Kontrolle von Leitfahigkeitswasser dient, wurde das Leitvermogen einer sorgfaltig bereiteten 0,2 m Borsaurelosung bei 00 C bestimmt.

GefaBkonstante, gemessen an n/lOO-KCl (zoo = 7,76.104 nach KOHLRAUSCH). . . . . . . . C = 0,0767

Eigenleitfahigkeit des Wassers bei 00 . . . . . . x = 0,331-10-6 Spezifisches Leitvermogen 0,2 m H,BO, inkl. x'&,

in diesem GefaBe gemessen . . . . . . . . x = 4,636~10-~ Abaiiglich xgoo 0,331 .

Eigenleitfahigkeit 0,2 m H,BO,, 00 . . . . . . . x = 4,305.10-G

Dieselbe Borsaurelosung laBt bei 0 0 im LeitgefaB mit Zinn- elektroden ein relatives Leitvermogen, d. h. einen reziproken Wider-

l) 1. c., 2. phys. Chem. 105 (1923), 408. Z. nnorg. u. nllg. Cham. Bd. 164. 2

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18 H. Menxel.

stand, von dem der reziproke Widerstand eines gleichen Volumens des benutzten Leitfahigkeitswassers bei Oo in Abzug gebracht ist, von x' = 1,057.104 reaiproken Ohm messen. Dieser Wert ent- spricht aber (s. 0.) 4,305 * reziproken Ohm wahrem Leitvermogen, daraus folgt als Widerstandskapaaitiit C des LeitgefaSes die Grofie 0,0407.

Nunmehr konnten die folgenden Messungen (Tabelle 6), bei denen stets die Eigenleitfghigkeit des Wassers vom Werte der Losungen subtrahiert worden ist, in der ublichen Einheit ausgedruckt werden.

Tabelle 6. H,O, - H,BO,; 0 0 .

I. x 0,2 m H,BO, = 4,31.10-6 = 20,50.10-6 = 24,81. lo-'

= 24,68*

x 1,873 m H,O,

x (0,2 m H,BO,; 1,875 m H,O,) = 49,49. A x- Gemisch - Z x

x H,BO, + x H20z = 2 x

-

11. x 0,2 m H3B0, = 4,31*10-' = 14,96.10-6 = 19,27~10-~

x 0,924 m H,O, x H,BO, + x H,O, = 2 x x (0,2 m H,BO,; 0,924 m H,O,) = 29,Ol. A x-Gemisch -2 x = 9,74*10-6

In beiden Fallen sind die spezifischen Leitvermogen der Ge- mische weit uber Methodenfehler hinaus wesentlich hoher als die Summen derer ihrer Komponenten. Daran ist deutlich die Aciditats- zunahme infolge entstehender Perborsiiure zu ersehen. Nunmehr diirfen die vorerwahnten kleinen Abweichungen der x - Gemisch- und 2 x-Werte der fruher mitgeteilten Leitfahigkeitsversuche, wennschon blofi von der Grofienordnung des x des benutzten Wassers, dem gleichen Umstande zugemessen werden.

Einer quantitativen Auswertung der Messungen auf den Umfang der Persaurebildung bzw. auf die Starke der neuen Saure stehen viel- seitige Schwierigkeiten im Wege, so dafi von ihren Ergebnissen besten- falls eine rohe Orientierung zu erhoffen ist.

Die erste Ungenauigkeit, die wir begehen, liegt in dem Viscosi t i i tseinf luB der relativ hohen H,O,-Konzentrationen auf das Leitvermogen, der mangels ge- niigender Unterlagen nicht rechnerisch eliminiert werden konnte.

Zweitens muBte zur Auswertung der Versuche die Grenzlei t f i ihigkei t A , der Perborsiiure bei 0" bekannt sein. Irgendwelche Angaben dariiber fehlen noch vollstiindig, und es ist nur die Amahme moglich, daB die Ionenbeweglichkeiten A , von Borat- nnd Perboration nahezu die gleichen sind, wie auch KOLTHOFF~) die

I) 1. c., Rec. trav. chim. Pays-Bas 45 (1926), 501.

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Die freien Borsamm. 19

Beweglichkeit von Mono- und Polyboration willkiirlich einander gleichsetzte. Aber auch A der Borsiiure fur 00 ist noch nicht experimentell bestimmt, d. h. au8 OO-Messungen bei endlichen Verdunnungen extrapoliert worden. Immerhin hat LuSDEN~) sowohl die Grenzleitfihigkeiten von Monoboration, wie von Borsaure zu folgenden Werten ermittelt :

15O 250 40° daraus fiir Oo

A, H,BO,’ 29,O 36,8 49,7 17 A , H,BO, 327 383 464 243

woraus diejenigen fiir Oo angeniihert zu extrapolieren waren. Fiir A -Boration erhiilt man bei Oo etwa 17, addiert zum A ,-Wert (OO) des Wasserstoffions (Mittel- wert aus Werten von HANTZSCH, NOYES, DHAR, KOHLRAUSCH, WALDEN~) = 228 ergibt Am H,BO, (Oo) zu 245. Wende ich endlich nach KOLTHOFF’S3) Vorgang die von KOECLRAVSCH und HOLBORN angegebene Formel:

unter Benutzung einer 1S0-Grenz1eitfiihigkeit der Borsiiure von 346 und der fiir starke Siiuren giiltigen Temperaturkoeffizienten c = + 1,64.10-2 und c’ = - 1,5. 10-3 an, so komme ich zu dem sehr nahen Werte 247. Als Mittel sei weiterhin die Zahl 245 benutzt; ihre Unsicherheit als d,-Borsiiure 00 ist zweifellos geringer als die Fehler der iibrigen Hilfsannahmen.

Eine dritte Schwierigkeit: Hat man die gesamte Leitfiihigkeit der H3B0,- H,O,-Gemische allein der entstandenen Perborsiiure zuzuschreiben, in der An- nahme, daB die Dissoziation der freien Komponenten, damit deren Eigenleitfiihig- keiten in Gegenwart der stiirkeren Persiiure auf minimale Betriige zuriiokgedriingt werden - oder darf nur der in Tabelle 6 verzeichnete Zuwachs der x-Gemische uber die Summe der entsprechenden EinzelgroBen hinaus mit der gebildeten Per- borsiiure in Verbindung gebracht werden ? Da in beiden Versuchen die Zunahme nicht sehr groB ist, vielmehr in der GroDenordnung von 2 x liegt, diirfte die erste Annahme zu weit gehen, aber auch die zweite wird nicht vollgiiltig sein. Darum sol1 im folgenden die Rechnung unter beiden Grenzvoraussetzungen getrennt aus- gefuhrt werden.

Endlich mu13 noch irgendeine Annahme uber MolekiilgroBe und Disso- ziationsvorgang der Perborshure getroffen werden. In der friiheren Studie war allgemein mit einer Perborsaure H,BO,* H,O, bzw. einem Dissoziatiom- und Zerfallsgleichgewicht: H’ + (H,BO,-H,O,)’ + H,BO, + H,O, gereohnet worden, welches aber lediglich fiir sehr verdunnte Losungen, c = oder < 0,06-n. giiltig ist. Schon damals wurde in hoheren Konzentrationen, etwa 4 2 m, eine noch weiter- gehende Assoziation der Borsiiure- und H,O,-Molekiile erkannt. An dieser Stelle sei ein Ergebnis spiiterer Versuchsreihen (Kryoskopie starkerer Perboratlosungen) kurz vorweggenommen, wonach bei hoheren Konzentrationen die Existenz einer Perbor- saure (H,BO,),-(H,O,), in Form ihrer Salze wahrscheinlich ist. Fur diese gilt:

Die erststufige Dissoziation muB nach bekannten Erfahrungen bei einer noch schwachen oder hochstens mittelstarken Siiure, wie sie zweifellos diese hohere Perborskure praktisch noch ist, die der zweiten Stufe derart iiberwiegen, daB letztere ohne weiteres vernachliissigt werden dad.

At”,=A;O[I + c ( t - t ’ ) + c ‘ ( t - t ’ ) Z ]

H’ + [H,BO,*H,BO,~(H,O,),~ + 2H3B03 + 2H,O, .

1. c., Journ. Phys. Chim. 5 (1907), 577. 2) Vgl. WALDEN, Das Leitvermogen der Losungen, I, S. 338. 3, I. C.

2 ”

Page 20: Zur Kenntnis der Borsäuren und borsauren Alkalisalze. I. Die freien Borsäuren

20 H. Henxal.

Welche von beiden Perborsauren sich allein oder hauptsiichlich in unseren Leitfiihigkeitsmessungen zu erkennen gibt, kann und sol1 hier nicht entschieden werden. Vielmehr wollen wir auch in dieser Hinsicht die Auswertung getrennt nach beiden Moglichkeiten durchfiihren.

Zur Bestimmung der Konzentration der mutmaBlichen Perborsiiure wurden die x-Werte der Zuwachse bzw. die x-Werte der Gemische durch die angenommene Grenzleitfilhigkeit der Perborshure bei Oo, A , = 245 dividiert und mit 1000 multipliziert, folgend dem Ansatz:

A A . c (1Liter) . 1ooo.x , c = - - x = - =

A v(c*3) n.)7 (1 om3) =

Die freiePerborsiiure, soweit sie zugegen, wird vollkommen in erster Stufe dissoziiert gedacht ; die nicht im Ionenzustand vorhandenen Anteile derselben werden als vollstandig in H,BO, und H,02 zerfallcn angexehen. Da die ermittelten Perbor- saurekonzentrationen in der GroBenordnung 10-4. rn liegen - gegenuber der Ge- samtborsaurekonzentration 0.2 m, durften bei Aufstellung der Gleichgewichte f iir die aktiven Massen der Zerfallsprodukte unbedenklich die ausganglichen Konzen- trationen von Borsaure und H,O, eingesetzt wcrden.

Tabelle 7.

A. Annahme: H'+ (H2B03-H,02)' # H,B03 + H20, : [HI . rHZBO3.HzO2'1 - W I 2 K =

[H,BO,I. ~H2021 tH,BO3I.~H2021' I. Aus Zuwachs: 0,2 m H3B03; 1,873 m H,O,. x-Gemisch-Zx=24,7.10-6

c = (247*10-7*1000~: 245 = l.01*10-4 = 2,74.10-' . 1 , 0 1 ~ ~ 1 0 - ~ K = 0,2*1,87

Aus x-Gemisch: x-Gemisch = 49,5.10-6; c = (495.10-7*1000): 245 = 2.02.10-4

2,022.10-8 K = = 1,09.10-7. 0.2.1.87 ~.

11. Aus Zuwschs: 0,2 m H,BO,; 0,924 m H,O,. x-Gemisch -2%=9,74.10-6 c = (974.10-s*1000): 245 = 4,0.10-6

= 4902- 'O-" = 0,87.10-8 . 0,2.0,924

Aus x-Gemisch: x-Gemisch = 29,01.10-6; c == (290~10-7*1000~: 245 = 1.18.1W4

1,012.10-8 - 7,3910-8 0,22- 1,U2 -

I. Aus Zuwachs: c wie oben A. I. Ii=

2,022.10-8 = 2,9.10-7 Bus x-Gemisch: K = 0,Z2. 1,tW 4,02. 10-l"

- 4,7.10-8 0,2a-0,9242 - 11. Aus Zuwachs: c wie oben A. 11. K =

1,182.10-8 #,22.#,9242

Aus x-Gemisch: K == - - 4,1*10-'

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Die freien Borsauren. 21

Am meisten differieren die GroBen K , die lediglich aus den x-Zuwfichsen er- halten wurden. Vie1 niiher stehen einander diejenigen, die aus dcm Gesamtleit- vermogen der Gemische hervorgehen; ein Hinweis wohl darauf, daB in Gegenwart der Perborsaure die Eigendissoziationen und damit die Eigenleitfahigkeiten der Iiomponenten H,O, und H,BO, wesentlich zuriicktreten. Die aus den x- Gemisch- werten nach den getrennten Annahmen A und B errechneten Konstanten stimmen in der GroBenordnung etwa iiberein; jedoch lassen die Abweichungen innerhalb der Wertepaare nicht erkennen, welche Annahme wahrscheinlicher ist. Da aber nach fruherer Untersuchung die in verdiinnten Perboratlosungen bestehende einfache Perborsaure eine scheinbare Diwoziationskonstante Oo = etwa 1. hat, diirfte in den Versuchsgemischen vor allem infolge des hohen H,O,-Uber- schusses die hohere Perborsaure (H,BO,),. (H,O,), iiberwiegen. Moglicherweise spielt sogar eine noch weitergehende Bindung von H,O, in diese Versuche hinein; denn, wie frdher erkannt, vermag in hohen Gesamtkonzentrationen bei hohem PeroxydiiberschuB ein Boratom unter Umstanden sogar mehr rtls 1 Mol . H,O, aufzunehmen. Jedenfalls liegen die Verhalt,nisse in H,O,-H,BO,-Gemischen noch vie1 komplizierter als in Alkaliperboratlosungen, so da8 einwandfrei aus diesen Versuohen nur das Vorhandensein irgendwelcher freien Perborsaure von ver- stirkter Saurefunktion uberhaupt gefolgert werden kann.

Ergebnisee. Von freier Borsiiure wurden einige Loslichkeiten, Gefrierpunkts-

erniedrigungen und der Kryohydratpunkt nachgepruft. In ge- mischten Borsaure-H,O,-Losungen konnte eine Verringerung der Borsaureloslichkeit, weiterhin in Vervollstiindigung fruherer Befunde bei starkerem PeroxyduberschuB eine merkliche Zunahme der Aziditst und damit des Leitvermogens gegenuber den Summen der ent- sprechenden GroBen beider Komponenten festgestellt werden, ohne daI3 sich freilich aus den Messungen der (geringe) Umfang der Bildung freier Perborsaure noch deren der Borsaure gegeniiber merklich er- hohte Dissoziationskonstante eindeutig ermitteln lieB.

Dresden, Anorganisoh - chemisches Laboratorizcm der Technischen Hochschule.

Bei der Redaktion eingegangen am 21. April 1927.