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J. illeyer wbd I€, Bratke. Zur Kenntnis der Doypekelenide. 289 Zur Kenntnis der Doppelselenide. Von JULIUS MEYER und HERBERT BRATKE. Die groBe Ahnlichkeit im chemischen Verhalten zwischen Schwefel und Selen und zwischen ihren entsprechend gebauten Verbindungen, die wir in mehreren vorhergehenden Untersuchungenl) weitgehend nachweisen konnten, BuBert sich auch darin, da8 beide Elemente den Sauerstoff in gewissen Salzen vertreten konnen, und die so entstandenen Thio- und Selenosalze stinimen mit den sauerstoff- haltigen Ausgangsprodukten meistens in weitem Umfange iiberein. So entsprechen den Thiophosphaten die Selenophosphate, den Thio- arsenaten die Selenoarsenate, den Thiosulfaten die Selenosulfate UBW. Es handelt sich bei diesen analogen Verbindungen um Stoffe, die neben Schwefel oder Selen noch ein anderes Metalloid wie I?, As nnd auch noch ein Metal1 enthalten. Bei einer kritischen Durch- sicht der Literatur iiber das Vorkommen des Selens in der Natur fie1 es uns nun auf, dal3 es eine erhebliche Anzahl von Doppel- sulfiden gibt, in denen neben Schwefel zwei Metalle vorhanden sind, wie z. B. Kupferkies Cu[FeS,], Buntkupferkies Cu,\FeS,], Silberkupfer- glanz Ag[CuS] , Kaliumferrisulfid K[FeS,] , Kaliumchromisulfid KfCrS,] usw. Im Gegensatz dazu sind entsprechende Doppelselenide aus Selen und zwei Metallen trotz der groBen Ahnlichkeit des Selens mit dem Schwefel kaum bekannt. Wir haben uns daher die Frage vorgelegt, ob die in der mineralogischen Literatur angegebenen Naturprodukte, die neben zwei Metallen noch Selen enthalten, nur zufiillige mechanische Gemische von zwei einfachen Metallseleniden nach unbestimmten Verhaltnissen sind, oder ob wir es mit festen Losungen zu tun haben, deren Komponenten ebenfalls nicht nach stochiometrischen, sondern unbestimmten Verhaltnissen ineinander gelost sind, oder ob wir es tatsachlich wie bei den oben genannten Doppelsulfiden mit Doppelseleniden zu tun haben, in denen die l) JULIUS MEYER, 2. amg. u. allg. Chem. 118 (1921), 1; JUL. MEYER u. V. STATECZNY, 2. amg. u. allg. Chem. 122 (1922), 1; JUL. MEYER u. H. WILK. 2. anorg. u. allg. Chem. 132 (1923), 240. 2. anorg. u. allg. Chem. Bd. 138. 19

Zur Kenntnis der Doppelselenide

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J. illeyer wbd I€, Bratke. Zur Kenntnis der Doypekelenide. 289

Zur Kenntnis der Doppelselenide. Von JULIUS MEYER und HERBERT BRATKE.

Die groBe Ahnlichkeit im chemischen Verhalten zwischen Schwefel und Selen und zwischen ihren entsprechend gebauten Verbindungen, die wir in mehreren vorhergehenden Untersuchungenl) weitgehend nachweisen konnten, BuBert sich auch darin, da8 beide Elemente den Sauerstoff in gewissen Salzen vertreten konnen, und die so entstandenen Thio- und Selenosalze stinimen mit den sauerstoff- haltigen Ausgangsprodukten meistens in weitem Umfange iiberein. So entsprechen den Thiophosphaten die Selenophosphate, den Thio- arsenaten die Selenoarsenate, den Thiosulfaten die Selenosulfate UBW.

Es handelt sich bei diesen analogen Verbindungen um Stoffe, die neben Schwefel oder Selen noch ein anderes Metalloid wie I?, As nnd auch noch ein Metal1 enthalten. Bei einer kritischen Durch- sicht der Literatur iiber das Vorkommen des Selens in der Natur fie1 es uns nun auf, dal3 es eine erhebliche Anzahl von Doppel- sulfiden gibt, in denen neben Schwefel zwei Metalle vorhanden sind, wie z. B. Kupferkies Cu[FeS,], Buntkupferkies Cu,\FeS,], Silberkupfer- glanz Ag[CuS] , Kaliumferrisulfid K[FeS,] , Kaliumchromisulfid KfCrS,] usw. Im Gegensatz dazu sind entsprechende Doppelselenide aus Selen und zwei Metallen trotz der groBen Ahnlichkeit des Selens mit dem Schwefel kaum bekannt. Wir haben uns daher die Frage vorgelegt, ob die in der mineralogischen Literatur angegebenen Naturprodukte, die neben zwei Metallen noch Selen enthalten, nur zufiillige mechanische Gemische von zwei einfachen Metallseleniden nach unbestimmten Verhaltnissen sind, oder ob wir es mit festen Losungen zu tun haben, deren Komponenten ebenfalls nicht nach stochiometrischen, sondern unbestimmten Verhaltnissen ineinander gelost sind, oder ob wir es tatsachlich wie bei den oben genannten Doppelsulfiden mit Doppelseleniden zu tun haben, in denen die

l ) JULIUS MEYER, 2. a m g . u. allg. Chem. 118 (1921), 1; JUL. MEYER u. V. STATECZNY, 2. a m g . u. allg. Chem. 122 (1922), 1; JUL. MEYER u. H. WILK. 2. anorg. u. allg. Chem. 132 (1923), 240.

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beiden einfachen Selenide nach einfachen stochiometrischen Ver- haltnissen zusammengetreten sind. Wie sich weiter unten ergebeii wird, treten derartige Doppelselenide in der Natur kaum auf, und so scheint sich das Selen hier merklich vom Schwefel 2x1 unter- scheiden. Wir haben uns dann weiterhin noch die Frage vorgelegt,, ob sich derartige Doppelselenide nicht im Laboratorium gewinneii lassen, zumal entsprechende Doppelsulfide schon seit langer Zeit aus den Komponenten auf synthetischem Wege dargestellt worden sind.

1. Die natiirlich vorkommenden Doppelselenide. Zu den Mineralien, die man vielleicht als Doppelselenide br-

trachten kann, gehoren der Umangit , der E u k a i r i t CuAgSe. der Zorgi t , der Lerbachi t und der Crookesit. Um nun fest- zustellen, ob diese Selenmineralien echte Doppelselenide sind oder nur feste Losungen oder isomorphe Gemische oder gar nur zufilllige niechanische Geinenge der Komponenten, haben wir ihre Zusammen- setzung an der Hand der einschlagigen Literatur einer kritischen Be trach tung un t erz ogen .

Umangit ist nach HINTZE~) ein Selenkupfer Cu,Se, = CuSe. Cu,Se, mit etwas Silberselenid vermengt. Seine Zusammensetzung ist: 44,44 und 45,100/0 Se, 56 03 und 54,35O/, Cu, 0,49 und 0,550/, Ag. Mit den fur die Formel Cu,Se, berechneten Analysenwerten 45,38O/, Se und 54,620/0 Cu stimmen diese Zahlen befriedigend uberein. In- dessen ist es zum mindesten sehr unwahrscheinlich, daB Cupro- und Cupriselenid zu einem derartigen Doppelselenid zusammen- treten, wie ja auch ein entsprechendes Cupro-Cuprisulfid nicht mit Sicherheit bekannt ist und der Digenit Cu,S * 4CuS einer eingehen- deren Untersuchung noch harrt. Es ist ferner sehr fraglich, ob die in HINTZE s Handbuch veroffentlichten Analysen des Umangits ge- nugend einwmdfrei sind, um eindeutige Schlusse auf seine Zn- sammensetzung zuzulassen. F. KLOCKMANN,), der die Analysen ausgefuhrt hat, hebt ausdrucklich hervor, daB das zur Analyse ver- wendete Material derartig mit Malachit durchwachsen war, daB ein Auslesen reinen Materials zur Unmoglichkeit wurde. Um dag Mineral einigermal3en rein eu erhalten, wurde es zur Entfernung des beigemengten Kupfercarbonats mit heiBer, verdunnter Essigsilure ubergossen, ein Verfahren, das chemisch-analytisch in keiner Weise

l) HINTZE, Handbuch der Mineralogie 1904. *) F. KLOCEMANN, GrotRs Zeitschr. 19 (1891), 269.

Lieferung 13-20, S. 544.

Zur Ken&& der Doppelsele%ide. 291

einwandsfrei ist. Wir halten es fur ausgeschlossen, daS auf diese Weise ein analysenreines Material zu gewinnen ist. KLOCKMANN gibt sich vie1 Muhe, seine Analysenergebnisse durch Umrechnungen und Vermutungen auf eine Formel zu bringen, und er kommt auf Um- wegen zu dem SchluB, da13 der Umangit der Formel Cu,Se, ent- sprioht . Allein die Unreinheit und Nichteinheitlichkeit seiner Sub- stanz, die Ungenauigkeit seiner Analysen und die willkiirlichen Be- reohnungen machen diese Formel wenig wahrscheinlich. Eine aus- gepriigte Kristallform besitzt der Umangit nicht, so daB man auoh hieraus keine Schlusse auf seine Zusammenseteung ziehen kann. Dam kommt noch, daB die eine Komponente Cu,Se als Berzelianit in der Natur vorkommt und im Kupferglanz Cu,S sein Analogon hat, daB das Analogon zum Kupferindig CuS, ein Mineral CuSe aber bisher nicht aufgefunden ist. Es diirfte sich im allgemeinen wohl auch nicht auf nassem Wege bilden konnen, da die Cupri- verbindungen infolge der stark reduzierenden Eigenschaften des Selenwasserstoffes in Cuproverbindungen ubergehen werden, und da andererseits Cupriselenid bei hohen Temperaturen ebenso wie das Cuprisulfid in Cuproselenid ubergehen wird.

Wir koinmen also au dem SchluB, da13 die dem Umangit zu- geschriebene Formel Cu,Se, bisher nicht bewiesen und unwahrschein- lich ist. Ein Doppelselenid liegt im Umangit nicht v0r.l)

Der E u k a i r i t scheint das einzige, bisher mit Sicherheit fest- gestellte Doppelselenid zu sein, das in der Natur vorkommt. Nach HINTZE~) hat es folgende Zusammensetzung :

I I1 I11 IV V VI VII VIII Ix Se 28,54 32,Ol 32,22 31,97 32,20 30,04 31,53 30,44 32,32

42,73 4421 42,57 42,73 39,80 43,39 42,71 43,14 42.20 ?< 25,30 23,83 24,86 25,30 28,OO 26,35 25,47 26,12 26,41

Die fur die Formel Cu,Se * Ag,Se berechneten Werte sind 31,600/0 Se, 43,04O/, Ag und 25,36O/, Cu. Bemerkenswert ist, daB die an- gegebenen Analysen sich eng an die berechneten Werte anschmiegen, obwohl sie au ganz verschiedenen Zeiten an Mineralien ausgefiihrt worden sind , die an weit auseinanderliegenden Stellen gefunden worden waren. Analyse I wurde 1818 von BE~zELrrre~) an einem bei Skrikeruni gefundenen Mineral ausgefuhrt, 11, I11 und IV von NORDENSKJ~LD~) funfzig Jahre sp&ter an Stucken derselben Her-

Umganit auf namem Wege synthetiech erhalten haben will. 1) Vgl. aber F. GARELLI, Rec. trav. chim. Pays-Bas 42 (1923), 818, der

2) HINTZE, 1. c. S. 469. a) BERZELIUS, Schweigg. Journ. 25 (1818), 477. 4, NORDENSKJ~LD, Journ. prakt. Chem. 102 (1867), 456.

19*

292 J. Meyer und H. Bratke.

kunft, V stamnit aus Aguas Blankas und wurde von BOD LANDER^), VI und VII stammt aus Aruango in Argentinien und wurde von FROMME~) analysiert. Die Ergebnisse BODL~NDERS, der teilweise andere Analysenverfahren als FROMME anwandte, stimmen trotzdem mit denen dieses Forsohers gut uberein, ein Zeichen, daB die unter- suchten Mineralien einheitlich waren. DaB die Analysenwerte von- einander mehr oder weniger abweichen, erkliirt sich natiirlich damit, daB die vorgefundenen Mineralien stets unvermeidliche Verunreini- gungen enthalten. Diese Abweichungen sind aber bei den von ver- schiedenen Fundorten stammenden und von verschiedenen Forschern zu ganz verschiedenen Zeiten untersuchten Mineralien BO suffallend gering, daB der SchluB berechtigt ist, daB der Eukairit ein nsturlich vorkommendes Doppelselenid von der Formel Ag,Se - Cu,Se oder CuAgSe ist. Der Eukairit ist bisher das eineige bekannte, in der Natur auftretende Doppelselenid.

Die von HINTZE~) zusammengestellten Analysen des Zorgi t s aus dem Harze sind folgende:

_____ ____ 59,67 47,43 16,58 16,18 53,74 03,82 30,60 40,OO 62,lO 13,W 35,70 17,lO

= _-

I I1

I11 IV V

VI VII

VIII IX X

XI XI1

XI11 X N XV

- - -- -- -- - - 0,80 0,20 0,30 Spur 0,30

= Se

29,96 34,26 36,59 33,89 30,OO 39,35 48,40 37,30 29,70 42,50 32,77 29,54 46,25 41,68 41,62

__ __

Auffallend ist, daB

= cu 7,86

15,45 46,64 47,74 8,02 4,OO

20,60 16,70 6,70

42,80 12,43 25,40 36,30 35,41 35,77

__ __

- - Ag

1,oo

0,05 0,07

1,20

19,20 27,49 15,81 19,22 19,16

__ __ - - -

-

- -

Summa

99,26 100,50 09,81 99,88 98,31 99,30

100,80 98,50 99,oo 99,w

100,lO 99,92

100,oo 100,oo 100,oo

~~

einschlieBlic h

0,77 Fe, 1,OO Riickstand 2,08 (Fe,O, + PbO) - 2,07 Hg 2,OO B’ea0, + 4,5 Quarz Spur Fe,O, $- 2,06 Quarz 1,20 Gangart 0,80 Fe,O,, 1,70 Gangart 0,30 Fe,O, 0,40 Fe,O,

die Zusammensetzung dea Zorgits mit dem Fundorte wechselt. I und I1 wurden bei Tilkerode im Harz gefunden und von H. ROSE^) analysiert. I11 und IV scheinen ebendorther zu stammen und sind von H U B N E R ~ ) untersucht worden. V und VI

1) BODLLNDER, Groths Zeitwchr. 19 (1891), 267. *) FROMME, Journ. prakt. Ghem. 150 (1890), 57. 3) HZNTZE, 1. c. S. 519. 4) H. Rose, Pogg. Ann. 2 (1824), 417; 3 (1825), 293, 296. 5 ) HUBNER, Rammelsbergs Mineralchemie 1860, S. 1010.

Zur Kmntnis der Doppdselenide. 293

stammen aus dem Glasbachgrunde im Harz und sind von KERSTEN~) bestimmt worden. VII bis X sind Funde aus Cacheuta in den Anden und wurden von PISANI~) analysiert, wahrend XI bis XV von demselben Ort herriihren und von FR. HEUSLER und H. K ~ N G E R ~ ) untersucht worden sind. Diese beiden Forscher fanden, daB das Mineral keineswegs homogen war, sondern aus zwei Schichten bestand, aus einer stark silbergliinzenden, hellen und aus einer dunkleren bleifarbigen Schicht. Eine mechanische Trennung der beiden Schichten gelang ihnen nicht. Ihre Analysen beachrankten sich auf die moglichst sorgfaltig isolierten helleren und dunkleren Teile ihres Minerals. Sie kommen zu der Uberzeugung, daB der hellere Teil ihres Minerals entweder aus einer isomorphen Mischung von Selenblei, Selenkupfer und Selensilber besteht oder da13 ein kristallinisches, sehr heterogenes Gemenge der genannten Selenide vorliegt. Die dunkleren Teile beatehen nach ihnen ,,im wesentlichen" aug einem Gemenge von ,, Selenkupfersilber, Selenblei, Selenwismut und Selenkobalt".

Die in der Tabelle angegebenen Analysenergebnisse des Zorgits weisen untereinander erhebliche Abweichungen auf. Der Selengehalt schwankt a. B. zwischen 29,54 und 48,400/,. Auch der Blei- und der Kupfergehalt unterliegt ahnlichen Schwankungen. Der Silbergehalt liegt zwischen 0 und 27,49%. Dies alles spricht dafur, daB der Zorgit entweder nicht einheitlich ist oder daB unter diesem Namen verschiedene Mineralien zusammengefaflt werden. Bleiselenid und Kupferselenid konnen im einfachsten Falle zu den Doppelsalzen Cu,Se.PbSe n i t 32,10°/, Se, 42,10°/, Pb und 25,80°/, Cu oder CuSe * PbSe mit 36,92O/, Se, 48,26O/, Pb und 14,82% Cu zusammen- treten. Keiner der experimentell gefundenen Werte stimmt auch nnr angenahert innerhalb der zulassigen Analysengrenzen mit diesen berechneten Werten iiberein. Aus diesem Grunde sind auch rtndere Atomverhaltnisse vorgeschlagen worden. Indessen ist e. B. die von PISANI fur X vorgeschlagene Formel (Cu, Pb),Se, gane unwahrschein- lich, da das Selen hierin dreiwertig auftreten miiBte, was bisher niemals beobachtet worden ist. KLEIN*) und ARZRLJNI~) zeigten

1) KERSTEN, Pogg. Ann. 46 (1839), 266. 2, F'ISANI, Compt. rend. 88 (1879), 391 ; Neuee Jahrb. Mineral. 1 (1880), 15. 3, FR.. HEUSLER u. H. KLINQER, Ber. Deutach. Chem. Qeeellsch. 18 (1885),

4 ) KLEIN, Neues Jahrb. Mineral. 1 (1880), 286. 2666.

~ U N I , Groths Zeitechr. 4 (1880), 654.

204 J. Hqer wnd B. Bratke.

ferner, daB die erorterten Analysen weder auf (Pb, Cu)Se noch auf (Cu,, Pb) Se stimmen. Hochstens VIII kann durch die erste Formel erkliirt werden, wiihrend X die merkwiirdige Zusammensetzung PbSe + 4CuSe + SCu,Se zukommen sollte, was wohl eher fur ein Gemenge verschiedener Bestandteile spricht.

Aus der Kristallform des Zorgits lassen sich keine Schliisse darauf ziehen, ob wir es hier mit isomorphen Mischkristallen zu tun haben. Indessen ist dies auch wenig wahrscheinlich, da die beiden Komponenten PbSe und Cu,Se kaum isomorph kristallisieren diirfteii, und da andererseits CuSe bisher in der Natur uberhaupt nioht auf- gefunden worden ist.

Wir kommen also zu dem SchluB, daB der Zorgit auf Grund seiner Analysen bisher nicht als Doppelselenid oder als Mischkristall betrachtet werden darf. Er ist wahrscheinlich nur ein mechanisches Gemenge von Blei- und Cuproselenid.

Die Analysen des Lerbachi ts Bind von HINTZE~) in folgender Tabelle zusammengestellt worden :

- -

1 , l O 0,80 1,24 -. ._

Pb I Hg I Cu

62,lO

43,05 3,61 17,49 10,18 1 2,07 I 47,74

99,76

97,96 9934 99,66 99,14 98,34

100

Die Mineralien I bis V wurden bei Tilkerode im Haw gefunden und von H. ROSE^) analysiert. I11 wurde auSerdem von SCHWLTZ~) untersucht, IV und V von KALLE.~) Die Lerbachite VI und V I I wurden bei Zorge entdeckt und von KNOEVENAGEL~) analysiert, wiihrend VIII von demselben Fundort herstammt und von HUBNERG) bestimmt worden ist.

Die gefundenen Werte zeigen unter sioh so erhebliche Ab- weichungen, da13 es fraglich erscheint, ob hier ein einheitliches

l) HINTZE, 1. c. 520. *) H. ROSE, Pogg. Ann. 2 (1824), 418.

4, KALLE, Ebendort j) KNOEVENAQEL, Ebenda. 6 , H ~ N E B , Ebenda.

SCHULTZ, Rammelsbergs Mineralchemie 1875, 51.

Zzlr Kenntnis der Dqpelselenide. 295

Mineral vorliegt. Die wahrscheinlichsten Doppelselenide zwischen Quecksilber und Blei sind Hg,Se * PbSe = Hg,PbSe, mit 20,650/, Se, 27,02°/0 Pb und 52,32O/, Hg sowie HgSe. PbSe = HgPbSe, mit 27,9g0/, Se, 36,59O/, Pb und 35,42O/, Hg. Mit keiner von beiden Wertreihen stimmen die experimentell gefundenen Zahlen uberein. Dazu kommt noch der uberraschend grol3e Kupfergehalt in den Mineralien VI bis VIII. Auch aus der Kristallform lassen sich keine Schlusse auf die Natur des Lerbachits ziehen. Bleiselenid und Queck- silberselenid kristallisieren beide regular. Mischkristalle zwischen ihnen sind aber bisher nicht bekannt.

Wir kommen also auch hier zu dem SchluB, dal3 wir es im Ler- bachit rnit nichts anderem als einem mechanischen Gemenge von Quecksilber- und Bleiselenid zu tun haben.

Das letzte in Betracht kommende Mineral ist der Crookesit , dessen Analysen von HINTZE~) in folgender Tabelle zusammen- gestellt worden sind: - I Se [ Cu 1 Ag 1 Fe I T1 I Summe

~ _ _ I 33,27 1 46,ll 1,44 1 0,63 18,55 100

I1 46,35 5,04 I 0,36 1 16,27 99,OS 1,28 I 16,89 1 99,57 I11 1 I 44,21 1 5,09

Die Untersuchung ist von A. E. NORDENSKJ~LD~) durchgefuhrt worden, und zwar an einem einzigen Mineral, das in der NBhe von Skrikerum gefunden worden war. Die gefundenen Analysenwerte schmiegen sich der Formel T1,Se 9 Cu,Se einigermaBen an, einer Formel, der wohl kaum eine Verbindung, ein Doppelsalz entsprechen diirfte. Es ist vie1 eher wahrscheinlich, dab ein Kupferselenid vor- liegt, daB durch Thalliumselenid und durch Spuren von Silber- und Eisenselenid verunreinigt ist. Irgendeine erkennbare Kristallform scheint der Crookesit nicht zu haben, so da13 man auch hiersus keine Schlusse auf seine chemische Natur ziehen kann.

Zusammenfassend konnen wir also wohl sagen, da13 die Frage nach der Zusammensetzung der in der Natur vorkommenden Selen- mineralien mit mehreren Metallen bisher nur unvollkommen gelost

natiirlich vorkommenden Mineralien fur ,, Gemenge". Dafur sprechen ist. HINTZE3) und GROTH-MIELEITNER4) halten die meisten dieser

1) HINTZE, 1, c. 544. 2, NORDENSKJ~LD, Afk. Acad. Stockholm 23 (1865), 365. 3, HINTZE, 1. c. 4, GROTH-MIELEITNER, Mineralog. Tabellen 1921.

296 J. Meyer und H. B a l k .

auch die Analysen, mit Ausnahme der des Eukairits. Wir kommen a,lso zu dem SchluB, da8B mit Ausnahme des Eukairits bisher Doppel- selenide in der Natur nicht aufgefunden worden sind, da13 sich das Selen also hierin merklich vom Schwefel unterscheidet.

Zur weiteren Klarung dieses Problems haben wir nun versucht. Doppelselenide synthetisch darzustellen und mit den naturlich vor- kommenden Mineralien zu vergleichen, um so vielleicht Schlusse auf ihre Konstitution ziehen und die Frage nach dem seltenen Vor- kommen von Doppelseleniden in der Natur beantworten zu konnen.

2. Xiinetliche Daretellung von Doppelaeleniden. Den einzigen Anhalt zur Gewinnung von Doppelseleniden aaf

kiinstlichem Wege fanden wir in einer Untersuchung von J. MIL- BAUER~), dem es gelungen war, durch Zusammenschmelzen von 5 Teilen KCN, 5 Teilen Se und einein Teile frisch dargestellten, teeblatterartigen Chromioxyds im RosSLERschen Gasofen bei 12000 ein kristallisiertes Doppelselenid von der Formel K[CrSe,] zu er- halten, das dem Kaliumferrisulfid K[FeS,] an die Seite zu stellen ist. Bei Wiederholung der MILBAUERSChen Versuche stellten wir fest, da13 die Temperatur einen groBen EinfluB auf die Reaktion ansiibt. Bei 500° und 8000 wurde kein Kaliumchromiselenid erhalten. Beim Zusammenschmelzen im elektrischen Ofen bei 1200 - 1300 O trat nach 2 Stunden Kristallbildung ein. Die Kristallmasse wurde in Wasser und Alkohol geschlammt. Die erhaltenen Kristalle be- sal3en schwarze Farbe. Unverandertes Cr203 wurde nicht mehr beob- achtet, wiihrend es bei den tieferen Schmelztemperaturen noch in reichlichen Mengen vorhanden gewesen war. Wir haben auch bei den spateren Versuchen immer wieder beobachten konnen, dal3 zur Doppelselenidbildung hohe Temperaturen und langeres Schmelzen erforderlich ist.

Zur Analyse wurden die Kristalle im JANNEKsChen Apparate2) in konzentrierter Salpetersgure gelost, worauf das Selen mittels Hydrazinhydrat ausgefiillt und in der ublichen Weise bestimmt wurde. Chrom und Kalium wurden in dem Filtrate dann in der bekannten Weise getrennt. Bei der Analyse ergaben 0,4885 g Sub- stanz 0,3024 g Se, 0,1495 g Cr203, 0,1744 g K,SO, und 0,0025 g Ruckstand (SiO,); ferner ergaben 0,4998 g Substanz 0,3114 g Se, 0,1548 g Cr203, 0,1740 g K,SO, und 0,0026 g Ruckstand.

2, JUL. MEYER u. J. JANKEK, 2. unorg. Cheili. 83 (1913), 90. MSBAUER, 2. unmg. Chem. 42 (1904), 462.

h r Kenninis der Doppelselenide. 297

Berechnet MILBAUER MEYER-BRATKE Se 63,49 63,7 62,2 62,6 cir 20,84 21,2 21,O 21,3 K 15,67 15,3 16,l 15,7

Die Ubereinstimmung mit den MILBAuERschen und mit den berechneten Werten ist befriedigend, wenn man die Schwierigkeit der vollstilndigen Reinigung der Kristalle berucksichtigt.

1. Versuche zur Darstel lung von Kalium-Eisens eleniden. Nachdem wir uns so vergewissert hatten, daI3 die synthetische

Darstellung von Doppelseleniden im Bereiche der Moglichkeit liegt, versuchten wir das entsprechende Kaliumferriselenid KIFeSe,] zu gewinnen. Eine fein zerriebene Mischung von 5 g Se, 5 g KCN und 1 g Fe wurde im Porzellantiegel zuerst mit kleiner Flamme erhitzt, bis das Aufschaumen voruber war. Dann wurde ein Deckel darauf gesetzt und eine Stunde lang uber einem Teclubrenner geschmolzen. Nach dem Erkalten wurden die in der Schmelze vorhandenen Kri- stalle ausgeschlammt, getrocknet und analysiert. Sie losten sich in Konigswasser bis auf einen geringen Rest von Kieselsaure, die aus dem Tiegel stammte. Selen und Eisen wurden wie ublich bestimmt. Kalium war in der Substanz nicht nachweisbar. Es ergaben 0,5268 g Substanz 0,3394 g Se, 0,2528 g Fe,O, und 0,0040 g SiO,; 0,4906 g Substanz lieferten 0,3186 g Se, 0,2384 g Fe20, und 0,0068 g SiO,; 0,4700 g Substanz lieferten 0,2966 g Se, 0,2298 g Fe20, und 0,0032 g SiO,. Diese Analysen deuten auf die Verbindung Fe,Se, hin, die 65,401, Se und 34,6O/, Fe enthalt, wahrend wir 64,9, 65,9 und 62,20/0 Se und 33,9, 34,5 und 33,7°/0 Fe gefunden haben.

Wir haben entsprechende Versuche dann auch bei hoheren Temperaturen ausgefuhrt und haben eelbst bei den hochsten von uns benutzten Temperaturen von 1300O stets nur die Verbindung Fe,Se, erhalten.

Kristalle gleicher Zusammensetzung hat FONZES-DIACON~) er- halten, als er Selenwasaerstoff in einem hellrot gliihenden Porzellan- rohr uber Ferrichlorid oder uber Ferrioxyd leitete. Je nach der Reaktionstemperatur bildeten sich Eisenselenide von der Zusammen- set8zung Fe,Se, oder Fe,Se,. FONZES-DIACON gibt an, daS seine Eiaenselenide in konzentrierter Salzsiiure um so sohwerer an- greifbar sind, je mehr Selen sie enthalten. Dem entspricht, daB unser Eieenselenid sich nur in Konigswasser auflost . Analysen werden von FONZES-DIACON nicht angegeben.

1) FONZES-DIACON, Compt. rend. 181 (1900), 1704.

298 J, Meyer zlnd H. Bratke.

Die von uns erhaltenen Kristalle Fe,Se, sind sehr bestandig, sind klein und zeigen Metallglanz. Unter dem Mikroskop weisen sie Anlauffarben auf, lassen aber wegen ihrer Kleinheit keine bestimmte Kristallform erkennen. Wir werden weiter unten darlegen, da5 wir die Verbindung Fe,Se, als Doppelselenid Fe[FeSe,], auffassen konnen.

Um festzustellea, ob sich Schwefel gegen Eisen und Kalium- cyanid ebenso wie das Selen verhalt, haben wir 5 Teile S, 5 Teile KCN und 1 Teil Fe im bedeckten Porzellantiegel mit kleiner Flamme zusammengeschmolzen. Dabei trat eine Gluherscheinung ein, wie sie beim Erwarmen von Eisen- und Schwefelpulver zu beobachten ist. Nachdem dann einige Zeit mit dem Teclubrenner erhitzt worden war, konnten aus der Schmelze kleine Kristalle isoliert werden. Nach dem Auflosen in Konigswasser oder in rauchender Salpetersiiure vurde der Schwefelgehalt zu 36,6 und 36,8°/0, der Eisengehalt zu 63,2 und 63,3°/0 Fe bestimmt, whhrend dem Ferrosulfid FeS 36,50/, S und 63,50/, Fe zukommen. Da5 sich hier ein Salz des zweiwertigen Eisens gebildet hat, mu13 wohl auf die reduzierende Wirkung des elementaren Schwefels selbst zuruckgefuhrt werden, der das Bestreben hat, in Schwefeldioxyd iiberzugehen und dann als solches entweicht.

Versuche, Kaliumeisenselenide durch Zusammenschmelzen der Komponenten in geschlossenen Rohren oder in geschlossenen Tiegeln herzustellen, verliefen erfolglos. Selbst bei der Temperatur des Kohleofens wurden nur Produkte erhalten, die sich als undefinier- bare Gemische erwiesen. Wir nehmen an, da13 es sich rim Fe,Se, handelt, da13 d m h andere Stoffe mehr oder weniger verunreinigt war. Die Kristallbildung in diesen Produkten war gering, was wir wohl auf die zu niedrige Reaktionstemperatur zuruckfiihren museen. Aus diesem Grunde und wegen des bei dem Kaliumchromiselenid beobachteten starken Einflusses der Temperatur auf den unter- suchten Vorgang haben wir die Umsetzung bei bestimmten Tempe- raturen untersucht. Zur raschen Erreichung der gewunschten Schmelztemperaturen haben wir aus billigem Material einen ein- fachen Gasofen konstruiert, dessen Bau wir an anderer Stellel) aus- fiihrlich veroffentlicht haben. In unserem Gasschmelzofen konnten wir einen kleinen Porzellantiegel bei Anwendung eines gewohnlichen Bunsenbrenners innerhalb 15 Minuten auf eine ziemlioh konstante Temperatur von 850° bringen. Bei Anwendung eines Teolubrenners s tieg die mit dem Thermoelement gemessene Temperatur auf 1030°,

l) JUL. MEYER u. H. BRATKE, Ghem,.-Ztg. 47 (1923), 337.

Zur Ilenntnis dey Doppelsdenide. 299

nnd mit einem groBen Mekerbrenner wurden nach 15 Minuten sogar 1 25O-18OO0 erreicht. GroBere Stiicke von Aluminium, von Silber und von Kupfer konnten in dem Ofen ohne Schwierigkeiten um- geschmolzen werden.

Es wurden Gemische aus 14g Selen, 14g Kaliumcyanid und 6 g Eisenpulver im geschlossenen Porzellantiegel auf 8000, 10000 und 1250° erhitzt und 1-2 Stunden im FluB gehalten. Nach dem langsamen Erkalten wurde mit kaltem, luftfreiem Wasser ausgelaugt und sorgfaltig geschlammt. Die bei 800 und 1000° erhaltenen Kristalle waren sehr winzig, wahrend bei 1250O grof3ere Blattchen in guter Ausbeute erhalten wurden. Die Ausbeute im letzteren Falle betrug 7 g, was bei der sehr verlustreichen Reinigung durch Schlammen als befriedigend angesehen werden kann. Die Kri- stalle sahen glanzend aus, wurden aber bei langerem Liegen dunkel und bekamen dann einen rotlichen Schein, der wohl auf oberflach- liche Abscheidung von amorphem Selen zuruckzufiihren ist. Ob- mohl die Kristalle BuBerlich rein und einheitlich aussahen, ergaben die vielfach vorgenommenen Analysen doch wenig iibereinstimmende Ergebnisse. Bei den bei 12500 erhaltenen Kristallen schwankte z. B. der Selengehalt zwischen 42 uncl 55O/, Se. Diese Abweichungen diirften auf Verunreinigungen durch Fe,O, zuriickzufiihren sein, wie eine niikroskopische Untersuchung wahrscheinlich machte. Hierfur sprnchen auch die Analysenergebnisse.

Zur Analyse wurden die Kristalle in Konigswasser aufgelost oder im Chlorstrom aufgeschlossen. Im ersten Falle wurde das Selen aus der oxydierten Losung mit Hydrazinhydrat ausgefallt, wodurch das Eisen zu Ferroeisen reduziert wurde. Zur Eisen- bestimmung muB die Ferroverbindung wieder zum Ferrieisen oxy- diert merden, was am besten mit Chlor geschieht, da hierdurch das Hydrazinhydrat vollig zerstort wird. Bei der Oxydation mit Sal- petersaure beobachteten wir beim Eindampfen der eisenfreien Losung zur Entfernung der Ammoniumsalze das Auftreten von brennbaren Diimpfen, die sich bei genauerer Untersuchung als Zersetzungs- produk te von Hydrazinni tra t erwiesen.

Zu einer bestimmten Hydrazinhydratmenge wurde soviel kon- zentrierte Salpetersaure gegeben, da13 sich in der Losung die Ver- bindung (NH,),(NO,),, Hydrazindinitrat, bildete. Bei konzentrierten Losungen erhiilt man weiae, in Wasser sehr leicht losliche Nadelchen. Die so erhaltene Kristallmasse wurde in einer Platinschale auf dem Wasserbade erwarmt, wobei sie zu einer farblosen Fliissigkeit schmolz.

300 J. Meye* und H. Bratke..

Es trat geringe Zersebzung ein, wie an dem Auftreten von Gasblasen in der Schmelze beobachtet werden konnte. Als die Schmelze bis our Sirupdicke eingeengt war, wurde sie auf dem Drahtnetz iiber freier Flamme weiter erhit,zt. Nach kurzer Zeit entwichen weiBe Nebel, die plotzlich Feuer fingeii und mit der in der Schale befindlichen Flussigkeit verbrannten. Ob das Hydraeinnitrat 81s solches brenn- bar ist, oder ob beim Erhitzen Hydrazin entweicht und die Brennbar- keit der Dampfe verursacht, konnte nicht festgestellt werden. Wir vermuten, daB die Zersetzung des Hydrasinnitrats analog en der des Ammoniumnitrats verlauft.

Der AufschluB der Kristalle im Chlorstrom hat den Vorteil, da13 das Selen als Selentetrachlorid fortsublimiert und so eine voll- standige Trennung vom Eisen uncl Kalium ereielt wird.

Die xahlreichen, nach beiden Verfahren durchgefiihrten Ana- lysen lieBen sich auf keine bestimmte chemische Verbindung zwischen Se, Fe nnd K deuten. Vor allem waren stets Differenxen gegeniiber 1000/, vorhanden, die auf das Vorhandensein von Sauerstoff hin- deuteten. Wir nahmen an, daB die Kristalle durch Fe,O, ver- unreinigt waren und versuchten, dieses Ferrioxyd mit saurem Kalium- oxalat herauszulosen.

Schon in der Kalte entstand bei der Einwirkung einer konzen- trierten sauren Kaliumoxalatlosung auf die Kristalle eine griine Lo- sung, deren Farbe bei langerem Kochen intensiver wurde. Es hatt,e sich also Kaliumferrioxalat gebildet. Die Kristalle selbst blieben unzersetzt. Nach dem Absaugen, Waschen mit Wasser und Trocknen zeigten sie unter dem Mikroskop noch einzelne heterogene Teilchen, die auf unzersetzte Tiegelsubstans, also wohl Kieselsaure schlieBen lieBen. Durch Behandeln mit verdunnter FluBsaure konnten auch diese Inhomogenitiiten entfernt werden.

Diese gereinigten Kristalle nun losten sich ohne Ruckstand in Konigswasser. Durch Hydrazinhydrat wurde das Selen ausgefallt, worauf das Filtrat mit Chlor behandelt wurde, um das Eisen wieder in die dreiwertige Form iiberzufuhren, das dann in der iiblichen Form bestimmt wurde.

Von den bei 8000 erhaltenen Kristallen lieferten 0,4628 Substane 0,3073 g Se gleich 66,4% Se und 0,2071 g Fe,O, gleich 31,30/, Fe; 0,4762 g Substanz lieferten 0,3139 g Se gleich 65,9°/0 Se und 0,2322 g Fe,O, gleich 34,1% Fe.

Von den bei 1000° erhaltenen Kristallen lieferten 0,4878 g Sub- stanz 0,3204 g Se gleich 65,7°/0 Se und 0,2336 g Fe,O, gleich 31,3% Fe;

f i r Kenntnis der L)oppelsele?&de. 301

ferner ergaben 0,4646 g Substanz 0,3071 g Se gleich 61,1°/, Se und 0,2252 g Fe,O, gleich 33,9*/, Fe.

Von den bei 1250O erhaltenen Kristallen lieferten 0,4926 g Sub- stanz 0,3320 g gleich 67,4°/0 Se und 0,2155 g Fe,O, gleich 30,60/,, Fe; ferner ergaben 0,4754 g Substanz 0,3148 g Se gleich 66,2°/0 8e und 0,2290 g Fe,O, gleich 33,70/, Fe.

Der Verbindung Fe,Se4 komnien 65,4°/0 Se und 34,6O/, Fe zu. Wir haben es demnach in allen drei Fallen mit der schon oben von uns gefundenen Verbindung Fe,Se4 zu tun.

Es geht aus diesen Versuchen hervor, daI3 Kaliumcyanid beim Zusammenschmelzen von Kaliumcyanid, Eisen and Selen nur als FluBmittel dient und auf die Bildung eines Doppelselenides keinen EinfluB zu haben scheint. Es bilden sich stets nur Kristalle von der Zusammensetzung Fe,Se,, die deni Eisenoxyduloxyd an die Seite zu stellen sind, wghrend ein entsprechendes Eisensulfid Fe,S, bisher nicht rnit Sicherheit bekannt ist.

Wir haben daher versucht , durch Zusanimenschmelzen von Kaliumcyanid mit Eisen und Schwefel die Verbindung Fe,S, zu erhalten. Nachdem die Schmelze aus Eisen rnit der sechsfacben Menge an KCN und dem zehnfachen Uberschulj an Schwefel Iangere Zeit auf Gelbglut gehalten worden war, wurde nach dem Erkalten mit luftfreiem Wasser ausgelaugt. Es waren kleine, schwarze, das Licht nicht reflektierende Kristalle entstanden, die keine Ahnlich- keit rnit den Kristallen des Fe,Se, aufwiesen. Da sie stark ver- unreinigt waren, sollten sie mit saurem Kaliumoxalat gereinigt werden. Dabei trat aber vollstandige Zersetzung unter heftiger Entwicklung von Schwefelwasserstoff ein. Wir haben Grund zu der Annahme, da13 sich nicht die gesuchte Verbindung Fe3S4, sondern das einfache Schwefeleisen FeS gebildet hat, dessen Auftreten wir ja schon beim Erhitzen des Gemisches auf niedrigere Temperaturen festges tellt hat ten.

Da sich das Kaliumchromiselenid K[CrSe,] aus Chromioxyd bildet, so haben wir auch entsprechend Ferrioxyd init Kaliumcyanid und Selen zusammengeschmolzen, ohne allerdings einen Erfolg er- zielen zu konnen. Auch das Zusammenschmelzen von Fe,O, mit KCN und S lieferte uns keine Kristalle.

Nachdem sich nun so herausgestellt hatte, deB Eisen und Selen beim Zusainmenschmelzen rnit Cyankalium nicht das gewiinschte Doppelselenid lieferten, wurde das Kaliuincyanid durch Kalium- carbonat ersetzt. Es wurden 8 g Eisenpulver, 20 g Kaliumcarbonat

302 J. Meyer wnd B. Bralke.

und 35 g Selen feingepulvert und innig gemischt in einem ver- schlossenen Porzellantiegel vier Stunden lang auf 12500 erhitzt. Nach dem Erkalten wurde die Schmelze in luftfreiem Wasser langsani aufgelost , wobei sich das Wasser durch Polyselenide rot farbte. Es blieben groBe, schon ausgebildete Blattchen und iiadelfijrmige Kristalle zuruck. Mit warmeni Wasser durfte nicht geschlamiiit werden, da hierdurch Zersetzung eintrat. Ferner erwies sich die Kristallmasse als verunreinigt, und zwar durch Eisenoxyde und durch IGeselsaure. Eine Reinigung durch saures Kaliumoxalat und durch FluBsaure erwies sich als unmoglich, da die Kristalle hierdurch rasch zersetzt wurden. Demnach ist dieses neue Produkt erheblich einpfindlicher als das bisher erhaltene Fe,Se4. Urn die Kristalle analysenrein zu erhalten, wurden sie muhselig mit der Pinzette aus- gelesen. Die kleinsten Kristalle wurden abgesaugt, mit Alkohol und Ather gewaschen und an der Luft getroclinet. Waren die trocknen Kristalle in einein Hsufen zu dicht gelagert, so trat sofort starke Erwarmung ein, die zur Zersetzung der Substaiiz fuhrte. Die Erwarmung war einige Male so stark, daB clas Papier, auf deiii die Substanz lag, zu verkohlen anfing. Bei dieser von selbst ein- setzenden Erwarmung schied sich reichlich elementares Selen ab. Diese Erscheinung ist wahrscheinlich darauf zuriickznfuhren, daB die vorhandenen Polyselenide unter dem Einflusse des Xauerstoffes der Luft autoxydiert werden.

Die isolierten Kristalle sind in heiBem Wasser etwas liislich, wobei sich das Wasser rotlich farbt. Bei Zusatz von verdunnter Salzsaure und beim Aufkochen nimmt die Rotfarbung stark zu, wobei die Kristalle unter lebhafter Entwicklung von Selenwasserstoff zerfallen. Auf Zusatz von konzentrierter Salzsaure geht die FBrbung der Losung in Braun uber. Die Kristalle selbst aber losen sich nicht vollstandig auf, was aber auf Zusatz von konzentrierter Salpetersaure sofort geschieht. In konxentrierter Salpetersiiure sowie in Konigs- wasser erfolgt die Losung ohne Entwicklung von Selenwasserstoff.

Bei der Analyse ergaben 0,3402 g Substanz 0,2113 g Selen gleich 62,l0/, Se, 0,1110 g Fe,O, gleich 22,S0/, Fe und 0,1155 g K2S04 gleich 15,2O/, K ; ferner ergaben 0,4268 g Snbstanz 0,2642 g Selen gleich 61,9O/, Se, 0,1380 g Fe,O, gleich 22,6O/, Fe und 0,1464g K2S04 gleich 15,40/, K. Da das Kaliumferriselenid K[FeSe2] 62,5°/0 Se, 22,0°/, Fe und 15,50/, K enthalt, haben wir es init der gesuchten Verbindung zu tun. Damit ist neben dem Kaliumchromiselenid ein zweites Doppelselenicl synthetisch dargestellt worden.

Zur Kenntnis h r Doppelselenide. 303

Das Kaliumferriselenid K[FeSe,] tritt in dunklen, nadelformigen Kristallen auf, die bei auffallendem Lichte violett schimmern. An cier Luft sind sie ziemlich bestandig, in Konigswasser zersetzen sie sich sofort. Seiner Zusammensetzung und seinem Verhalten nach ist das Kaliumferriselenid K[FeSe,J dem Kaliumferrisulfid K[FeS,] an die Seite zu setzen.

2. Qersuche zur D ars te l lung v o n Si lber - Eiaenseleniden. .Es wurden schwammartiges Silber, Eisenpulver und Selen in

den berechneten Mengen rnit dem funffachen UberschuS an Selen bei 1250O zusammengeschmolzen. Ein Teil des Selens entwich als Dampf. Die Schmelze erstarrte zu einem Regulus, der beim Zer- brechen kristallinisches Gefuge, in der Mitte aber einige fremde, heterogene Bestandteile aufwies. Die homogen aussehenden Teile wurden analysiert, indem die Substanz in Salpetersaure gelost, das Silber rnit Salzsaure, das Selen nach der Reduktion mit Hydrazin- hydrat und das Eisen rnit Ammoniak gefallt wurde.

Se, 0,1586 g Fe,O, gleich 18,8°/0 Fe und 0,2832 g g AgCl gleich !36,1'J/0 Ag. Ferner ergaben 0,5230g Substanz 0,2364g Se gleich 45,2°/0 Se, 0,1384 g Fe,O, gleich 18,5°/0 Fe und 0,2522 g AgCl gleich 36,S0/,, Ag. Fur das Silber-Eisenselenid Ag[FeSe,] berechnen sich 49,2O/, Se, 17,3O/, Fe und 33,5O/* Ag.

Beide Analysen stimmen unter sich gut uberein, zeigen aber im Vergleich zu den berechneten Werten zu wenig Selen und zuviel Eisen und Silber. Wir haben einen Teil des erhaltenen Regulus von neuem mit einem UberschuB von Selen verschmolzen und den so erhaltenen Regulus wiederum analysiert. Es ergaben sich jetzt 443 und 45,1°/* Se, 18,7 und 18,6°/0 Fe und S6,l und 36,3% Ag.

Demnach war es unwahrscheinlich, daB das gesuchte Silber- Eisenselenid Ag[FeSe,l vorlag. Die Konstanz in der Zusammen- setzung trotz des wiederholten Umschmelzens lafit sich wohl fol- gendermaBen erklaren. Es waren Eisen und Silber in atomaren Mengen abgewogen worden. Das Silber bildet dann zweifellos Silber- selenid Ag,Se, wahrend das Eisen nach den weiter oben gemachten Beobachtungen die Verbindung Fe,Se4 liefert. Es muB sich also beim Zusammenschmelzen mit uberschussigem SeIen ein Produkt von der Zusammensetzung 3Ag,Se * 2Fe,Se4 ergeben, von dem es noch unbestimmt ist, ob es eine chemische Verbindung, also ein Doppelaelenid, oder auf Grund der abgewogenen Mengen nur ein

Es ergaben 0,5910g Substanz 0,2664g Se gleich

304 J. Meyer und H . B a t k e .

sozusagen zufalliges Gemisch der beiden Selenide ist. Das Produkt, 3Ag,Se 2Fe,Se4 = Ag6Fe6Se,, enthalt 46,9O/, Se, 1S,lo/, Fe und 35,00/* Ag. Diese Werte liegen den experimentell gefundenen Ana- lysenzahlen auffallend nahe.

Wir kommen also zu dem Schlusse, dalj sich ein Doppelselenid Ag[FeSe,] nicht gebildet hat, dalj aber vielleicht ein solches von der Formel 3Ag,Se * 2Fe,Se4 vorliegt, wenn es sich nicht um eine feste Losung oder ein Gemenge handelt, das zufallig die Komponenten in diesem Verhaltnis enthalt.

Versuche, die Existenz der in Frage stehenden Verbindungen durch Aufnahme von Erstarrungskurven der Schmelzen von Silber- und Eisenselenid nachzuweisen, fuhrten zu keinem eindeutigen Er- gebnis. Wir haben deshalb versucht, ein entsprechendes Silber- Eisensulfid zu gewinnen.

Schon R. SCHNEIDER~) hatte durch Umsetzung von Kalium- ferrisulfid K[FeS,] mit Silbernitrat ein Silber-Eisensulfid Ag[FeS,] nach der Gleichung

K[FeS,] + AgNO, = Ag[FeS,] + KNO,

erhalten. SCHNEIDER iibergol3 seine Kaliumferrisulfidkristalle niit destilliertem Wasser und setzte unter stetem Umruhren Silbernitra,t hinzu. Durch das lebhafte Umruhren wollte er seine Kristalle mog- lichst fein im Wasser verteilen. Unter der Einwirkung des Silber- nitrats farbte sich das rotbraune Kaliumferrisulfid sofort dunkel- braunschwarz und erwies sich unter dem Mikroskop als dunne Nadeln, die die Form des Kaliumsalzes beibehalten hatten. Die Analysen ergaben 47,03 und 46,8401, Ag, 23,7O und 23,77% Fe und 27,11°/, S, wahrend dem AgIFeS,] 28,1°/, S, 24,5O/, Fe und 47,4% Ag zukommen. J. MILBAUER,) hat die SCHNEmmschen Befunde be- statigt.

Wir haben atomare Mengen von Silber und Eisen mit uber- schussigem Schwefel wie oben beim Selenid zusammengeschmolzen. Wie dort bildete sich ein feinkris tallinischer Regulus, dessen Analyse zu 26,6 und 26,4% S, 29,0 and 29,2O/, Fe und 44,6 und 44,7O/, Ag fuhrte. Die Abweichungsn von den fur die Formel Ag[FeS,] be- rechneten Werten sind gana erheblich. Aber auch auf andere Formeln passen diese Ergebnisse schlecht. Ein Versuch, die Er-

l) R. SCHNEIDER, Pogg. Ann. 138 (18691, 299. 1) J. MILBAUER, 2. anorg. Chem. 42 (1904), 433.

Zw Kmntnis der Doppelselenide. 305

starrungskurve der Komponenten Ag,S und FeS aufzunehmen, fuhrte zu keinem Ergebnis, da bei der Hahe der angewendeten Tem- peraturen die Sulfide abgerostet wurden.

3. Versuche zur Darstel lung von Kalium-Aluminiu mselenid und -8ulfid.

Die Versuche, Kaliumcarbonat, Aluminium und Selen oder Schwefel zusammenzuschmelzen, fuhrten jedesmal zu heftigen Ex- plosionen, die auf die energische Vereinigung von A1 mit S oder ;Se zuriickzufuhren sind.

4. Versuche zur Darstel lung von Kalium - K O baltselenid. Es wurden metallischerc Kobalt, das durch Reduktion von

Kobaltoxyd im Wasserstoffstrom gewonnen war, mit den berechneten Mengen Selen und Kaliumcarbonat gemischt und dann mit einem fjberschuB von Selen bei 1250O verschmolaen. Die erstarrte Schmelze enthielt sehr schone, glimmerartige, groJ3e Blattchen von Silber- glanz, die sich in Wasser sehr gut schliimmen lieBen, vollkommen einheitlich aussahen und an der Luft volIkommen bestandig waren. In Konigswasser waren sie ohne Ruckstand leicht loslich. Zur A m - lyse wurden sie im JANNEESChen Selenbestimmungsapparat gelost, worauf das Selen mit Hydrazinhydrat gefiillt und das Filtrat zur Bestimmung des Kobalts mit Schwefelsaure abgeraucht wurde. Kalium konnte in den Kristallen nicht nachgeweisen werden.

Es ergaben 0,5018 g Substanz 0,1850 g Se und 0,5058 g COSO,~ 0,5264g Substanz 0,2050g Se und 0,5252g CoSO,; 0,4120g Sub- stans 0,2550 g Se und 0,4105 g CoSO,; 0,3826 g Substanz 0,2353 g Se und 0,5872g CoSO,.

61,s 62,2 61,9 und 61,5O/, Se 38,5 57,9 37,l 38,50J0 Co 99,s 100,l 99,o 100,o

Demnach enthalt das Produkt

Im Kobaltoselenid CoSe sind 57,S0/, Se und 42,70J0 Co enthalten. Dieses einfachate Kobaltselenid liegt demnaoh nicht Tor. Hingegen stimmen die gefundenen Analysenwerte recht gut auf das Kobalt- selenid Co,Se,, das 61,7% Se und 38,3°/0 Co enthalt. Bisher sind noch keine Selenide von dieser ungewohnlichen Formel aufgefunden worden. Indessen fallt ein derartiges Selenid durchaus nicht so &UB

der Reihe der Doppelselenide heraus, wie es wohl zuerst den An- Z. anorg. u. allg. Chem. Bd. 1%. 20

306 J. Meyer und H. Bratke.

schein haben konnte, worm man ihm die Formel 3CoSe. Co2Se, zu- schreibt. Das Kobaltoselenid CoSe wurde von G. LITTLE^), das Kobaltiselenid Co2Se, von FONZES-DIACON~) dargestellt. Das neu aufgefundene Selenid Co,Se, kann man als das Kobaltosalz des Kobaltihydroxyds betrachten, in dem der Sauerstoff durch Selen ersetzt worden ist, also als [CoSe,],Co,. Damit stellt sich aber das Co,Se, neben das Kaliumferriselenid [FeSe,]K und neben die Ver- bindung [FeSe212Fe = Fe,Se,, die wir zwar nicht von der hypo- thetischen Verbindung Fe( SeH),, wohl aber von der nahe verwandten Verbindung FeSe * SeH ableiten.

Schwefel scheint sich gegen Kobalt etwas anders wie Selen zu verhalten. Denn R. SCHNEIDER~) erhielt beim Zusammenschmelzen von RUB, Kaliumsulfat, Schwefel und Kobaltsulfat nur Kristalle von der Zusammensetzung C O , ~ , . J. MILBATJER~) gewann durch Zusammenschmelzen von Kobaltoxyd und Sulfocyankalium Kristalle, denen er die Formel K2CollS1, zuschreibt. Bei Anwendung von Nickeloxyd erhielt er ein entsprechendes Salz K2NillSl,. Die Formel dieser beiden Doppelsulfide ist so uberaus merkwurdig, da13 eine erneute Untersuchung wohl angebracht ist.

5 , Versuche zur Darstel lung von Kalium - Nickelselenid. Es wurden Nickel, das aus Nickeloxyd durch Reduktion im

Wasserstoffstrom erhalten war, Selen und Kaliumcarbonat in den berechneten Mengen gemischt und mit einem betrachtlichen Uber- schuB von Selen bei 1250O verschmolzen. Beim Behandeln der er- starrten Schmelze mit Wasser blieb ein Regulus zuruck, der ober- flachlich Kristallstruktur zeigte. Beim Zerschlagen wies er zwei Schichten auf. Die auBere Schicht bestand aus Seleniden, die sich in Wasser leicht ablosen lieljen. Der zuruckbleibende, sehr harte Kern wurde zerschlagen und analysiert. Die Substanz wurde in Konigswasser aufgelost, was leicht vor sich ging. Dann wurde das Selen wie ublich mit Hydrazinhydrat ausgefallt und das Nickel elektrolytisch bestimmt.

Es ergaben 0,4564 g Substanz 0,2808 g Se und 0,1706 g Ni; 0,3824g Substanz ergaben 0,2364g Se und 0,1464g Ni; 0,4382g

Kalium war nicht vorhanden.

l) G. LITTLE, Liebige Ann. 112 (1859), 213. 2, FONZES-DIACON, C m p t . rend. 181 (1900), 704.

R. SCHNEIDER, Pogg. Ann. 161 (1846), 437. 4, J. MILBAUER, 2. anorg. Chem. 42 (1904), 447.

Zur Kenntnis der Doppelselenide. 307

Substanz ergaben 0,2692g Se und 0,1644g Ni; 0,4208g Substenz ergeben 0,2596 g Se und 0,1594 g Ni. Demnach enthalt das Produkt

61,5 61,9 61,s und 61,7% Se 37,4 38,3 37,5 37,9O/,, Ni 98,9 100,2 98,s 99,6

Das einfache Nickelselenid NiSe enthalt 57,401, Se und 42,6O/, Ni. Diese Verbindung liegt demnach nicht vor. Recht gut stimmen aber die gefundenen Analysen auf eine Verbindung Ni,Se, mit 61,8°/0 Se und 38,2O/, Ni, eine Verbindung, die dem oben gefundenen Kobalt- selenid Co5Se, an die Seite zu stellen ist.

Das neue Nickelselenid konnen wir ebenfalls als ein Doppel- selenid des zwei- und des dreiwertigen Nickels betrachten, als 3NiSe - Ni,Se, = (NiSe,),Ni,. Das einfache Nickelselenid ist schon von G. LITTLE^), das Nickelselenid Ni,Se, von FONZES-DLACON~) dargestellt worden. Analog dem neuen Kobaltselenid Co5Se, leiten wir das Nickelselenid Ni5Se, von dem hypothetischen Nickelhydro- selenid Ni(SeH), ab, in dem wir die Wasserstoffatome durch zwei- wertiges Nickel ersetzen.

Die chemischen und physikalischen Eigenschaften des neuen Nickelo-Nickeliselenids entsprechen vollstandig denen des Kobalto- Kobaltiselenids Co,Se,.

6. Versuche zur Darstel lung von Kalium-Manganselenid. Bei den vorhergehenden Versuchen hatte es sich herausgestellt,

da13 die verwendeten Metalle auch in ihrer dreiwertigen Verbindungs- stufe auftraten. Nachdem nun der eine von uns in mehreren Unter- suchungen3) nachgewiesen hat, daB auch das Mangan in seiner dreiwertigen Verbindungsstufe wohldefinierte Salze zu bilden ver- mag und darin dem dreiwertige Eisen, Chrom und Aluminium an die Seite zu stellen ist, schien es uns von Bedeutung zu sein, euch Schmelzversuche mit metallischem Mangan anzustellen.

Es wurden die fur die Formel K[MnSe,] berechneten Mengen Mangan, Selen und Kaliumcyanid mit einem zweifachen UberschuB von Selen und Kaliumcyanid bei 1250O verschmolzen. Nach dem

l) G. LITTLE, 1. c. 2) FONZES-DIACON, 1. c. JUL. MEYER u. J. MAREP, Zur Kenntnis des dreiwertigen Mangms V.

2. anorg. Chem. 133 (1924). 325. 20*

308 J. Hqer und H. Bratke.

Erkalten wurde die schon an der Luft nach Selenwasserstoff riechende Masse mit kaltem Wasser behandelt, wobei sich unter Erwarmung sturmisch Selenwasserstoff entwickelte. Es trat voll- stiindiger Zerfall des Schmelzgutes ein, das also auBerordentlich wasserempfindlich ist. Eine zweite Schmelzprobe, die beim Zer- schlagen kriatallinische Struktur aufwies, wurde in der Reibschale fein zerrieben. Dabei trat starke Erwiirmung ein, wobei sich ele- mentares Selen abschied. Wurde das feine Pulver auf Papier aus- gebreitet, so wurde die Erhitzung so stark, daB das Papier darunter verkohlte. Wurde iiber ein Stuck frischer Schmelze Sauerstoff ge- leitet, so wurde es unter Selenabscheidung gluhend. Der Ruck- stand hatte schwarzbraune Farbe und erinnerte in seinem Aussehen an Manganit. DaB die Schmelzstucke grol3e Neigung haben, Sauer- stoff aufzunehmen, konnte unmittelbar in einem Azotometer nach- gewiesen werden.' Wegen der Wasserempfindlichkeit der Schmelze konnte nicht festgestellt werden, ob und welche chemische Ver- bindungen sich darin gebildet hatten.

Ebenso erfolglos verliefen Versuche, bei denen metallisches Mangan mit Selen und Kaliumcar-bonat zusammengeschmolzen wurde. Auch diese Schmelzprodukte zersetzten sich sofort mit Wasser und an der Luft. Immerhin konnte das Auftreten von schwarzen, wohlausgebildeten Kristallen festgestellt werden, die sich aber schon in kaltem Wasser rasch auflosten. Wurden diese Kristalle rasch ab- gesaugt und mit Alkohol und Ather getrocknet, so zersetzten sie sich an der Luft unter Selenabscheidung. In Salzsiiure losten sich diese Kristalle unter heftiger Entwicklung von Selenwasserstoff. Auch Salpetersaure wirkt auflosend ein. Analysen konnten nicht gemacht werden, da die Substanz schon an der Luft sich dauernd verandert, indem erhebliche Mengen von Sauerstoff aufgenommen werden. Einige Schmelzstucke, die solange an der Luft gelegen hatten, bis sich ihr Gewicht nicht mehr anderte, zeigten nach fast vier Wochen Oxydationszeit einen Gehalt von 33,8 und 33,4O/, Se, 28,4 und 28,10/,, Mn und 24,5 und 24,80/, K. Der an l0Oo/, fehlende Rest mu13 also Sauerstoff sein.

Die in den Schmelzen beobachteten Kristalle lassen darauf schlieBen, dal3 sich Kaliummanganselenide gebildet haben. Ihre Zusammensetzung konnte aber wegen ihrer uberaus groBen Zer- setzlichkeit durch Luftsauerstoff und Wasser nicht festgestellt werden.

Wegen der grol3en Ahnlichkeit zwischen Selen und Schwefel war es nun moglich, daB vielleicht entsprechende Sulfide erhalten

Zwr Kenntnis dw Doppelselenide. 309

werden konnten, aus deren Zusammensetzung sich d a m auch die Formel fiir die Selenide ergeben hgtte. Wir haben daher 25 g KCN, 4 g Mn und 60g S bei 1250O verschmolzen. Die Schmelze ergab sohone, schwarae, sehr kleine, stark reflektierende. Kristalle, die sich nach kurzer Zeit in Wasser auflosten, wobei eine grune Losung ent- stand, die stark nach Schwefelwasserstoff roch. Demnach zersetzt sich die Schwefelschmelze mit Wasser in ganz ghnlicher Weise wie es die Selenschmelze getan hatte.

Ein Produkt, das sich ebenso verhielt, wurde durch Zusammen- schmelzen von 40g S, 8 g Mn und 20g K,CO, bei 1250O erhalten. Auch hier entstanden kleine, stahlblaue Kristalle, die sich beim Schliimmen in Wasser unter Entwicklung von Schwefelwasserstoff zersetzten. Auch an der Luft verfielen die Kristalle rasch der Zer- setzung. Eine Analyse erwies sich daher als unmoglich. Die durch- gefiihrten Analysen deuten auf eine Verbindung hin, die ungefiihr ein Atom Kalium auf 3 Atome Mangan und 3 Atome Schwefel ent- hiilt. Infolge der raschen Luftoxydation ist in der Substanz aber auch noch reichlich Sauerstoff enthalten. Ein Teil der gepulverten Kristalle blieb mehrere Wochen der Einwirkung des Luftsauerstoffes ausgesetxt, wobei ein erhebliche Gewichtsvermehrung eintrat. Als das Gewicht wieder konstant geworden war, wurde das autoxydierte Produkt analysiert und ergab 21,6 und 20,6O/, Mn, 21,9 und 22,8°/0 K und 21,4 und 21,8°/0 S. Demnach bestand ein Drittel der Substanz aus Sauerstoff.

Es ergibt sich also, daB beim Zusammenschmelxen von me- tallischem Mangan mit Schwefel und mit Kaliumcyanid oder mit Kaliumcarbonat Kristalle entstehen. Infolge der starken Ver- unreinigungen mit anderen, beim Schmelzen entstehenden Sulfiden, und infolge ihrer groBen Oxydierbarkeit und Empfindlichkeit gegen Feuchtigkeit hat sich aber ihre Natur nicht aufklgren lassen. Es ist wohl moglich, daB die erhaltenen Produkte mit denen verwandt sind, die A. VOLKER~) durch Zusammenschmelzen von wasserfreiem, schwefelsaurem Manganoxydul rnit 0,2 Teilen KienruB und 3 Teilen Kaliumcarbonat und Schwefel ,,bei starker Rotgluhhitze" erhielt. Seine Kristalle hatten dunkelrote Farbe und wurden durch rasch eintretende Oxydation bald schwara. VOLKER gelang es nur einige Male, seine Substanz analysenrein zu erhalten, indem er das uber-

l) A. VOLEER, Liebigs Ann. 59/60 (1846), 36.

310 J. Meyer und H. Bratke.

schiissige Kaliumsulfid rnit Alkohol fortschlammte und die zuruck- bleibenden Kristalle mit Alkohol, Ather und FlieBpapier trocknete. Wurden die so erhaltenen Kristalle rnit Wasser in Beruhrung gebracht,, so zersetaten sie sich vollstandig. Eine seiner Analysen stimmt ungefahr auf die chemische Verbindung 3MnS. K,S. VOLKER er- wHhnt auch ein Natriumsalz, dem er die Formel 3MnS- Na,S zu- teilen zu durfen glaubt. J. MILBATJER~) gibt an, durch scharfes Gluhen von Manganoxyduloxyd mit Sulfocyankalium in einer langeren Versuchsreihe nur grunes Mangansulfid MnS erhalten zu haben. Nur einmal hat er fleischfarbene Kristalle von der Zu- sammensetzung 44,38OlO Mn, 34,43OlO S und 20,81°/,, K beobachtet, die der Formel K,[Mn,S,] entsprechen wurden. Er konnte diese Kristalle nach dem Auswaschen mit Wasser und Alkohol bei looo trocknen, was mit den Eigenschaften unseres Materials allerdings wenig ubereinstimmt. Auch die VoLKERSChen Produkte verhalten sich anders.

Es ergibt sich also, daB beim Zusammenschmelzen von Kalium- cyanid oder Kaliumcarbonat mit Mangan und mit Schwefel kri- stallinische Produkte entstehen, deren Natur noch nicht vollig auf- geklart ist, so daB irgendwelche Schlusse auf die Konstitution der in Bhnlicher Weise erhaltenen Selenide nicht geaogen werden k6nnen.

3. Allgemeine Ergebniese.

Die hier ausgefuhrten experimentellen Untersuchungen uber die Synthese von Doppelseleniden haben ergeben, daB sich Doppel- selenide mit einem Alkali- und mit einem Schwermetall aus den1 SchmelzfluB nur schwierig gewinnen lassen. Es wurde nur das Kaliumferriselenid gewonnen, nachdem das Kaliumchromiselenid schon fruher erhalten worden war. Doppelselenicle mit zwei v w schiedenen Schwermetallen wurden nicht gewonnen. Diese Beob- aohtung stimmt rnit der Erscheinung uberein, daB auch in der Natur derartige gemischte Doppelselenide mit Ausnahme des Eukai- rits nicht rnit Sicherheit bekannt sind. Etwns gunstiger scheinen die Verhaltnisse bei solchen Metallen zu liegen, die sowohl dreiwertig, als auch in einer anderen Wertigkeitsstufe auftreten konnen. Die

l) J. ~ B A I J E R , 2. anorg. Chew. 42 (1904), 439. Vgl. auch BERTHIER, Annal. chim. phys. [2] 22 (1823), 274 und SCHNEIDER, Journ. prakt. C h m . [Z] 9 (1874), 209; 10, 65.

Zur Kenntuis der Doppeledenide. 31 1

dreiwertige Oxydationsstufe scheint die Grundlage fiir die Bildung von Doppelsulfiden und -seleniden zu sein, indem der Wasserstoff des Ferrihydrosulfids Fe(SH), oder FeS - SH und -selenids Fe(SeH), oder FeSe. SeH, des Chromisulfids Cr(SH), oder CrS. SH und -selenids Cr( SeH), oder CrSe * SeH, des Go( SeH), und des Ni( SeH), durch andere Metalle ersetzt werden kann. Von diesem Gesichts- punkte aus konnen wir auch die neu aufgefundenen Verbindungen Fe,Se, = Fe[FeSeJ,, Co,Se, = Co,[CoSe,], und Ni,Se,= Ni,[NiSe,], als Doppelselenide betrachten.

DaB gemischte Doppelselenide in der Natur so selten auftreten, hiingt auch mit ihrer groljen Zersetzlichkeit zusammen.

Auch die Bildung von Doppelseleniden aus waBrigen Losungen durch Einwirkung von Selenwasserstoff kommt kaum in Frage, da Selenwasserstoff auBerordentlich zersetzlich ist und nioht allein durch hohe Temperaturen, sondern auch duroh den Sauerstoff der Luff und andere oxydierende Stoffe uberaus leicht zerlegt wird.

Znaammenfaeeung. 1. Von den in der Natur vorkommenden selenhaltigen Mineralien,

in denen das Selen an zwei verschiedene Metalle gebunden ist, kann bisher nur der Eukairit als wirkliches Doppelselenid von der Formel Ag2Se. Cu,Se betrschtet werden, wiihrend der Umangit, Zorgit, Lerbachit und der Crookesit als Gemenge mehrerer Selenide auf- zufassen sind.

2. Durch Zusammenschmelzen von metallischem Eisen mit Selen und Kaliumcarbonat bei 1250O wurde ein neues Doppelselenid K\FeSe,] dargestellt, welches dem Kaliumchromiselenid K[CrSe,] und dem Kaliumeisensulfid K[FeS,] in jeder Hinsicht an die Seite zu stellen ist.

3. Bei Anwendung von Kaliumoyanid an Stelle von Kalium- carbonat wurde ein Eisenselenid von der Formel Fe,Se, erhalten, das sich als Doppelselenid aus Ferro- und Ferriselenid von der Formel Fe[FeSe,], auffsssen 1aBt.

4. Etwas abweichende Ergebnisse lieferten die Kobelt- und Niokelschmelzen mit ETelen und Kaliumcyanid, indem die Ver- bindungen Co,Se, und Ni,Se, erhalten wurden. Auch diese nach ungewohnlichen Atomverh&ltnissen zusammengesetz ten Verbindungen lassen sich als Doppelselenide aus zwei- und dreiwertigen Seleniden

312 J. Meyw zlnd H. Bratke. Zur Kmntnis det Doppelselenide.

dfassen, wenn man sie vorn Cobalti- und Nickelihydroselenid Co(SeH), und Ni(SeH), ableitet und ihnen die Formeln [CoSe,],Co, und [NiSe,],Ni, gibt. Damit schliel3en sie sich in gewisser Weise an die oben gefundenen Doppelselenide en.

5. Die Schmelzprodukte aus metallischem Mangan, Selen oder Schwefel und Kaliumcyanid oder -carbonat ergaben keine ein- deutigen Ergebnisse.

Breslazc, Anorganisoh Abteilung des Ohmicrohen Institutes d e ~ Universitat.

Bei der Redaktion eingegangen am 20. Mllrz 1924.