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Z. anorg. allg. Chem. 430, 110-114 (1977) J. A. Barth, Leipzig Zur Kenntnis von Ordnungsvarianten des NaCI-Typs am Beispiel ternarer Oxide AM 0, Von R. HOPPE und G. BRACHTEL GieB en, Institut fur Anorganische und Analytische Chemie der Universitat Inhal tsii bersicht. An Modellbetrachtungen wird festgestellt, welche Moglichkeiten der Ver- teilung der Kationen A+ und M3+ auf Oktaederlucken einer kubisch dichtesten Packung es gibt, wenn alle A+ (bzw. M3+) untereinander iiquivalente Positionen besetzen und innerhalb jeder Kationen- schicht parallel (0 0.1) (bei hexagonaler Aufstellung) das Verhiiltnis A:M = 1: 1 gewahrt ist. Fur die verschiedenen Moglichkeiten wird der Madelunganteil der Gitterenergie, MAPLE, berech- net und unter Beriicksichtigung der ,,Fernordnung“ der Kationen diskutiert. On Ordered Variants of the NaCl Type of Structure on the Example of Ternary Oxides AM02 Abstract. Possible ordered distributions of cations (A+ and M3+) on octahedral sites of a cubic closest packing of oxygen atoms are discussed. Limiting conditions are: ratio A+/M3+ equals 1; the surroundings of the different cations must be equivalent considering the anions as well as the cations. The Madelug Part of Lattice Energy, MAPLE, is calculated and discussed for all different possibilities with respect to “long range order” of the cations. I. Einleitung Zahlreiche ternare Oxide der Alkalimetalle vom Formeltyp A,M,O, mit xfy = z wie z. B. a-LiFeO, [I], or-NaFeO, [Z], B-NaFeO, [3], LiMnO, [4] oder Li,MnO, [5, 61 konnen als Ordnungsvarianten einfacher binarer Strukturtypen wie NaCl oder CuCl angesehen und beschrieben werden. Im Falle jener Verbindungen AMO,, die uberwiegend NaCl-Derivate sind, besetzen die Kationen in meist gesetzmaBiger Weise die Oktaederlucken einer mehr oder weniger verzerrten kubisch dichtesten Kugelpackung von 02-. Bemerkt sei hierbei, daB neuerdings zahlreiche Vertreter derartiger Oxide kubischer Metrik [7] wie z. B. NaSEO, (SE = Ho -Lu) dargestellt wurden, bei denen nach Pulver- daten eine statistische Verteilung von A und M auf die Oktaederlucken vorliegt. Da bislang jedoch Einkristalle solcher Formen nicht erhalten wurden, halten wir diese Verhaltnisse fur noch ungeklart , Gegenstand unserer Betrachtungen sollen daher nur diejenigen Oxide sein, bei denen eine gesetzmaBige Verteilung der Kationen als gesichert erscheint . Einschriinkend sei bemerkt, daB die Frage der Position der A+-Teilchen des a-LiFe0,-Typs, trotz Einkristalluntersuchungen an LiScO, [8] und NaGdO, [9] sowie Neutronenbeugungsuntemuchun- gen an Pulverproben von a-LiFeO, [lo] als noch nicht endgiiltig gesichert gelten diirfte.

Zur Kenntnis von Ordnungsvarianten des NaCl-Typs am Beispiel ternärer Oxide AMO2

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Z. anorg. allg. Chem. 430, 110-114 (1977) J. A. Barth, Leipzig

Zur Kenntnis von Ordnungsvarianten des NaCI-Typs am Beispiel ternarer Oxide A M 0,

Von R. HOPPE und G. BRACHTEL

GieB en, Institut fur Anorganische und Analytische Chemie der Universitat

I n h a l tsii bers icht . An Modellbetrachtungen wird festgestellt, welche Moglichkeiten der Ver- teilung der Kationen A+ und M3+ auf Oktaederlucken einer kubisch dichtesten Packung es gibt, wenn alle A+ (bzw. M3+) untereinander iiquivalente Positionen besetzen und innerhalb jeder Kationen- schicht parallel (0 0.1) (bei hexagonaler Aufstellung) das Verhiiltnis A:M = 1: 1 gewahrt ist.

Fur die verschiedenen Moglichkeiten wird der Madelunganteil der Gitterenergie, MAPLE, berech- net und unter Beriicksichtigung der ,,Fernordnung“ der Kationen diskutiert.

On Ordered Variants of the NaCl Type of Structure on the Example of Ternary Oxides AM02

A b s t r a c t . Possible ordered distributions of cations (A+ and M3+) on octahedral sites of a cubic closest packing of oxygen atoms are discussed. Limiting conditions are: ratio A+/M3+ equals 1; the surroundings of the different cations must be equivalent considering the anions as well as the cations.

The Madelug Part of Lattice Energy, MAPLE, is calculated and discussed for all different possibilities with respect to “long range order” of the cations.

I. Einleitung Zahlreiche ternare Oxide der Alkalimetalle vom Formeltyp A,M,O, mit

x f y = z wie z. B. a-LiFeO, [I], or-NaFeO, [ Z ] , B-NaFeO, [3], LiMnO, [4] oder Li,MnO, [5, 61 konnen als Ordnungsvarianten einfacher binarer Strukturtypen wie NaCl oder CuCl angesehen und beschrieben werden.

Im Falle jener Verbindungen AMO,, die uberwiegend NaCl-Derivate sind, besetzen die Kationen in meist gesetzmaBiger Weise die Oktaederlucken einer mehr oder weniger verzerrten kubisch dichtesten Kugelpackung von 02-. Bemerkt sei hierbei, daB neuerdings zahlreiche Vertreter derartiger Oxide kubischer Metrik [7] wie z. B. NaSEO, (SE = Ho -Lu) dargestellt wurden, bei denen nach Pulver- daten eine statistische Verteilung von A und M auf die Oktaederlucken vorliegt. Da bislang jedoch Einkristalle solcher Formen nicht erhalten wurden, halten wir diese Verhaltnisse fur noch ungeklart , Gegenstand unserer Betrachtungen sollen daher nur diejenigen Oxide sein, bei denen eine gesetzmaBige Verteilung der Kationen als gesichert erscheint .

Einschriinkend sei bemerkt, daB die Frage der Position der A+-Teilchen des a-LiFe0,-Typs, trotz Einkristalluntersuchungen an LiScO, [8] und NaGdO, [9] sowie Neutronenbeugungsuntemuchun- gen an Pulverproben von a-LiFeO, [lo] als noch nicht endgiiltig gesichert gelten diirfte.

Ordnungsvarianten des NaC1-Typs 111

Erinnert sei auch daran, daB von Vertretern des a-NaFe0,-Typs bislang nur NaInO, [ll, 121 und KInO, [13] an Einkristallen untersucht wurde. Vom Prototyp a-NaFeO, sind bislang nur Pulver- daten bekannt.

11. Vorbemorkung

Ziel dieser Untersuchung war, festzustellen, welche Ordnungsvarianten bei Oxiden des Formeltyps AMO, auftreten konnen, wenn folgende einschrankenden Bedingungen gemacht werden :

1. es liegt eine kubisch dichteste Packung von 0 2 - vor - nicht nur der Ab- folge, sondern auch der Metrik nach ;

2. die Oktaederlucken werden schichtenweise parallel (0 0.1) gesetzmafiig von A+ und M3+ im Verhaltnis A : M = 1 : 1 besetzt ;

3. alle A+ bzw. M3+ sollen jeweils einander aquivalent sein.

4. Willkurlich wurde angenommen, dal3 fur die hexagonale Elementarzelle - gilt: a = 5,000 A; c/a = 2 * 1/6.

uber 0,-. Die Abstande A -0 und M -0 sind einander gleich (3,54 d, 6 x ). Unter diesen Annahmen haben A wie M die Koordinationszahl (C. N.) 6 gegen-

111. Ableitung der Modelle

Fur die Ableitung aller unter den genannten Bedingungen moglichen gesetz- mafiigen Verteilungen von A+ und M3+ genugt es (wegen der mit der kubisch dichtesten Abfolge verbundenen Translation), die Jerhaltnisse innerhalb e i ne r Schicht von Oktaederlucken parallel zur hexagonalen Basis zu studieren. Das Ergebnis ist uberraschend einfaeh, vgl. Abl . 1-3. Die Abbildungen zeigen, daB es nur 3 voneinander verschiedene Ordnungsprinzipien innerhalb einer solchen Schicht gibt. Wegen der hexagonalen Symmetrie kubisch dichtester Kugel- packungen geht aus jeder dieser Moglichkeiten ein Tripe1 von Varianten hervor. Innerhalb der Abb. 1-3 sind die Verschiebungen, gemaB derer die Stapelung langs [0 0. I] erfolgen kann, durch Pfeile gekennzeichnet. Aus rechentechnischen

Abb. 1 Motive der Anordnung der Kationen bei LiNnO,

112 R. HOPPE u. G . BRACHTEL

Abb. 2 Motive der Anordnung der Kationen bei a-LiFeO,

Abb. 3 Motive der Anordnung der Kationen bei AMO,

Grunden und auch aus Grunden des besseren Vergleichs haben wir bei allen Mo- dellen jeweils einen gleich groljen Ausschnitt als ,,Elementarzelle" gewahlt, - auch dann, wenn die , ,wahre" Elementarzelle kleiner ist.

IV. Berechnungen des Madelunganteils der Gitterenergie, MAPLE [ 14- 181

Fur alle diese Modelle haben wir MAPLE berechnet, vgl. Tab. 1. In Tab. 1 ist der a-LiFe0,-, der LiMn0,-Typ und ein weiterer Zweig dieser Strukturfa,milie angefuhrt, zu der vermutlich die Hochtemperaturform (HPT) von LiFeO, [ 171 gehort. Wir haben zusatzlich, obwohl den oben angefuhrten Bedingungen nicht entsprechend, MAPLE fur diejenige Kationenverteilung, wie sie bei a-NaFeO, beobachtet wird, angefuhrt. Tab. 1 gibt im oberen Teil in Kurzform Suskunft uber die Ordnung der Kationen (AMO,) in I., 2. und 3. Sphare um ein A+ ohne Beriicksichtigung von 02-.

Li,Mn, bedeutet also z. B., daB Li in LiMnO, in 1. Sphiire von 6 Li und 6 Mn, in 2. Sphare gemaB Li,Mn, von 2 Li und 4 Mn, und schlieBlich in 3. Sphare gemiiB Li,,Mn12 von je 12 Li bzw. Nn um- geben wird. Fur das Kation M sirid die analogen Symbole durch einfaches Vertauschen der Indizw zu erhalten.

Ordnungsvarianten des NaC1-Typs 113

-- h i !

Aus den drei Moglichkeiten dey Verteilung von A und M innerhalb einer Schicht parallel zur hexagonalen Basis und der dreifachen Moglichkeit der Stapelung l h g s [OO.lJ ergeben sich formal 9 Moglichkeiten der Ordnung. Nicht nur der Vergleich der MAPLE- Werte oder der Motive der Fernordnung der Kationen, sondern auch die direkte Inspektion erbringt den Beweis, da13 nur vier Modelle voneinander verschie- den sind:

a) Es ist einmal der m-LiFeO,-Typ mit dem unter diesen vergleichbaren Bedingungen hochsten MAPLE-Wert ; ferner ist es

b) mit fast gleichem MAPLE-Wert ein bislang an Einkristalldaten noch nicht sicher belegter Strukturtyp, zu dem die HTF von LiFeO, gehoren soll, sowie

c ) der dem LiMn0,-Typ (ohne die tatsachlich beobachtete Jahn-Teller- Verzerrung) entsprechende Form, und schlieBlich

d) eine bislang unbekannter Typ, der nach MAPLE von den vier Moglich- keiten am ungunstigsten ist.

V. Sehluflwort Diese MAPLE-Berechnungen fur im

gewissen Sinne , ,abstrakte" Struktur- modelle zeigen erneut, da13 man auf- grund von Betrachtungen, die aus- schliel3lich MAPLE berucksichtigen, nicht sicher entscheiden kann, welche von mehreren nach MAPLE energetisch nahe beieinander liegenden Formen im Realfall adoptiert wird. Insbesondere zeigt das Beispiel von LiMnO,, daB gewisse Strukturspezifika die Wahl des

8 Z. anorg. allg. Chemie. Bd. 430.

114 R. HOPPE u. G. BRACHTEL

Strukturtyps der Realform deutlich beeinflussen konnen ; die damit verbun- denen Abweichungen der Teilchenpositionen von Ideallagen konnen zur Zeit bei Modellbetrachtungen noch nicht oder nur sehr schwierig berucksichtigt werden. Erneut erscheint es auljerordentlich reizvoll, auf priiparativem Wege die Frage zu beantworten, ob es moglich ist - durch Arbeiten aul3erhalb des thermochemischen Gleichgewichts oder unter hohem Druck - fibergange zwischen den verschiedenen Vertretern dieser Strukturfamilie zu erzielen. Das Auftreten kubischer Formen einiger Oxide AMO, mit NaC1-Struktur und (moglicherweise) statistischer Verteilung von A und M auf die Na+-Positionen des NaC1-Typs konnte als Indiz hierfur gewertet werden.

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Bei der Redaktion eingegangen am 5. Mai 1976.

Anschr. d. Verf.: Prof. Dr. R. HOPPE und Dip[.-Chem. G. BRACHTEL, Inst. f. Anorg. u. Analyt. Cheniie d. Univ.. D-63UU GieDen, Heinrich-Buff-Ring 58