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JUSTUS LIEBIG'S ANNALEN DER CHEMIE. 300. Band. Mittheilung ana dem chemischen Institnt der Univeraitiit Konigaberg. Ziir Kenntiiiss der zweifach gebrointeii Bernstcinsauren ; von W. Lossen. [ D r i t t e A b hand 1 u 11 g').] In seinen berIihmten ,,Untersuchungen aber organische Siiuren" sagt Kekulk2) aber die Zersetzung der Dibrom- bernsteinsaure : ,,Es wurde oben erwahnt, dass alle bibrombernsteinsauren Salze beim Kochen ihrer wassrigen Liisung Zenetzung erleiden, indem stets Brommetall gebildet wird. Die Katur der bei diesen Zersetzungen entstehenden Producte ist abhangig von der Natur der zur Zenetzung angewandten Base. ,,Man sieht vom theoretischen Standpunkte aus die Mog- lichkeit von vier verschiedenen Zersetzungen der Bibrombern- steinsiiure ein. Es kiinnen entweder beide Bromatome als Brommetall entzogen werden oder es kann nur ein Atom Brom austreten, wiihrend das andere der organischen Gruppe erhalten bleibt. In beiden Fallen kann das Brom entweder durch eine Liquivalente Meuge des Wavserrestes (HO) ersetzt werden ; __ ') Vergl. diese Annalen 272, 127; 292, 295 7 Diem Annalen, 1. Suppl. 359. Annalen der Chemie 300. Bd. 1

Zur Kenntniss der zweifach gebromten Bernsteinsäuren

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Page 1: Zur Kenntniss der zweifach gebromten Bernsteinsäuren

JUSTUS LIEBIG'S ANNALEN DER CHEMIE.

300. Band .

Mittheilung ana dem chemischen Institnt der Univeraitiit Konigaberg.

Ziir Kenntiiiss der zweifach gebrointeii Bernstcinsauren ;

von W. Lossen. [ D r i t t e A b hand 1 u 11 g').]

In seinen berIihmten ,,Untersuchungen aber organische Siiuren" sagt Kekulk2) aber die Zersetzung der Dibrom- bernsteinsaure :

,,Es wurde oben erwahnt, dass alle bibrombernsteinsauren Salze beim Kochen ihrer wassrigen Liisung Zenetzung erleiden, indem stets Brommetall gebildet wird. Die Katur der bei diesen Zersetzungen entstehenden Producte ist abhangig von der Natur der zur Zenetzung angewandten Base.

,,Man sieht vom theoretischen Standpunkte aus die Mog- lichkeit von vier verschiedenen Zersetzungen der Bibrombern- steinsiiure ein. Es kiinnen entweder beide Bromatome als Brommetall entzogen werden oder es kann nur ein Atom Brom austreten, wiihrend das andere der organischen Gruppe erhalten bleibt. In beiden Fallen kann das Brom entweder durch eine Liquivalente Meuge des Wavserrestes (HO) ersetzt werden ; __

') Vergl. diese Annalen 272, 127; 292, 295 7 Diem Annalen, 1. Suppl. 359.

Annalen der Chemie 300. Bd. 1

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2 Lo s s e lz , Ztueifach gebromte Bernsteinsuurelz.

oder aber es kann in Verbindung mit der nothigen Menge Wasserstoff geradezu als Bromwasserstoff austreten. Diese vier Zersetzungen werden ausgedriickt durch die Gleichungen :

I. C',H,Br,O, + H,O = HBr -I- C,H,RrO, ?Ionobromapfelsaure.

11. C,H,Br20, = HBr + C4H3Tlr0, ~Ionobromruale'insaure.

111. C,H,Ur,O, -k 2H,O = 2 H B r f C4H,0, Weinsiiu re.

IV. v,ir,Br204 = 2HYr + C,H,04 (nnbekaiiiit).

,,Die durch die letzte Zersetzungsgleichung ausgedriickte Reaction habe ich bei der Iiibrombernsteinslure bis jetzt nicht beobachtet.

,,Die durch die erste dcr vier mitgetheilten Gleichungen ausgedriickte Zersetzuiig dcr Bibrombernsteinsiiure tritt ein, weim das Satronsalz dieser SLure mit Wasser gekocht wird. Durch Kochen des Barytsalzes dagegen lasst sich dio durch die zzceite Zersetzungsgleichung ausgedrlicktc Reaction ver- wirklichen. Die drifle Gleichung eudlich driiclit die von P e r k i n und D u p p a zuerst beobachtete Zersetzung aus, welche die Bibrombernsteinsiiure beim Bochen ihres Silbersalzes mit Wasser erleidet, und ich werde nachher zeigen, dass eine ent- sprechende Zersetzung such stattfindet , wenn Bibrombernstein- siiure mit Kalk gekocht wird.

,,Bei den meisten dieser Zersetzungen der Bibrombernstein- s&ure verlaufen iibrigens mehrere Reactionen gleichzeitig, und man erhalt neben dem nach einer der vier aufgefiihrten Gleichungen entstandencn Hauptproducte noch ein nach einer der anderen Gleichungen entstandenes Sebenproduct."

Dass eine Zersetzung der Dibrombernsteinstiure nach Gleichung IV bewerkstelligt werden kann , bat B a n d r o w s k i 7 nachgewiesen, v o n B a e y e r 4, bestatigt ; spl ter habe ich 5, ge-

. .. . . - - - - 3, Ber. d. deotsch. chem. Ges. 10, 8.38. ') Ber. d. deutuch. chem. Ges. 18, 677.

Diese Annalen 819. 128.

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L o s s en, Ziueifuch gebromte Bernsteinsauren. 3

zeigt, dass sie leicht in wassriger Liisung eintritt, wenn man auf ein JIolekul Dibrombernsteinsaure vier Aequivalente Basis yerwendet.

Gemeinschaftlich mit meinen Schtilern fortgesetzte Unter- suchungen haben den quantitativen Verlauf der Urnsetzungen lilar gelegt und zu Ergebnissen geftihrt, welche den von Kekul i ! aufgestellten Satzen theilweisc widenprechen. Wir hatten dabei den Vortheil, mit grosseren Mengen der heutzutage weit leichter als ehemals zu beschaflenden Dibrombernsteinsaure zu arbeiten.

-4us unseren Untersuchungen ergaben sich folgende Er- gauzungen und Berichtigungen der Angaben K e k u l e’s :

1) Eine von K e k u l B nicht beobachtete Zersetznng der Dibrombernsteinsaure verlauft nach der Gleichung

CIH,Br,O, + H,O = 2HRr f 2 C 0 , f C,H,O (Aldehyd).

2) Die mit Natron, Kali, Baryt oder Kalk neutralisirte Dibrombernsteinsaure zersetzte beim Kochen sich nach dieser Gleichung und nach den von K e k u l e aufgestellten Gleichungen I1 und 111, ohne duss ein wesentlicher Einfluss der Base auf den FTerhu f der Zersetzwg mit Bestimnttheit nachzuweisen war; keinesfalls findet ein solcher in dem yon K e k u l O an- geuommenen Grade statt. Auch das Silbersalz verhiilt sich nicht Tiel anders.

3) Demnach ist gerade der Zusatz I iekule’s , nach welchem die verschiedenen Zersetzungen nebencinander verlaufen, richtig. Der Betrag, in welchem die einzelnen Zersetzungen vor sich gehen, hiingt wesentlich ab von der Nenge des Wassers, mit welchen die Sake gekocht werden, aber nicht oder nicht wesent- lich von der Sa tur der Base.

4) Eine Zersetzung nach der von K e k u l i : aufgestellten Gleichung I haben wir trotz mehrfach wiederholter Versuche nicht beobachtet. - Wir konnen nicht behanpten, dass wir die Nichtexistenz einer Monobromapfelsaure betviesen haben, wohl aber , dass die 3Ionobromlpfelsaure aus der Reihe dcr dargestellten Verbindungen zu streichen ist, so lange nicht

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4 Lossen, Zweifach gebromb Bernsteinsauren.

bessere Beweise fur ihre Eristenz erbracht werden als die jetzt vorliegenden.

5) K ekulk ' s Angabe, dass das Kalksalz der beim Kochen dibrombernsteinsaurer Salze mit N'asser entstehenden Wein- sinre stets mit drei Molekiilen Wasser krystallisirt , ist irrig. Die Saure ist stets ein Gemenge von Mesoweins&ure ttnd

Z'raubensdure. Ftir die aus dem Silbersalz entstehende Saurc haben dies bereits P a s t e u r 6 ) und J u n g f l e i s c h ' ) nach- gewiesen.

. .

Wir habtn aucli die Zersetzung der Salze der Isodibrom- bernsteinslure mit derjenigen der dibrombernsteinsauren Salzc vcrglichen. Das Wenige, was tiber die erstere bisher bekannt geworden, beschrankt sich auf Folgendes :

K e k u 1 i! 8, giebt an , ihr Silbersalz zerfalle beim Koclieii rnit Wasser genau so, a i e das der Dibrombernsteinsiiure. Dies ist nur bis zu einem gewissen Grade richtig; die Zersetzungs- producte sind zwar, wenn man von der Verschiedenheit der isomeren Sanren C,H,BrO, - Brommaleinsaure uud Bromfumar- s lure - absieht, wesentlich die namlichen ; das quantitative Verhiiltniss , in welchem sie unter sonst gleichen Bedingungen auftreten, ist aber verschieden bei beiden SBuren.

Dass beim Kochen von isobrombernsteinsaurcm Baryum mit Wasser Bromfumarsaurc entsteht , hat K e k u l e y, gefunden ; V i c t o r M e J e r und D em u t h lo) bestltigten seine Angabe und fanden, dass aus isodibromberusteinsaurem Silber beim Kochen mit Wasser Traubensaure nebst etwas Aldchyd gebildet wird. Sie widerlegten gleichzeitig cine Angabe von B e i 1 s t c i n und Wiegand") , nach welcher bei Einwirkung \on Si1berosJ-d auf

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') Diese Annalen, 2. Suppl. 242. ') Jahrcsber. 1873, 569. ') Diese Annalen, 2. Suppl. 90. ') Diese hnnalen, 2. Suppl. 90. lo) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 21, 264. ") Ber. d. doutsch. chem. Ges. 15, 1499.

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R e i s c A, Zersetazcng der Neutralsake. 5

isodibrombernsteinsaures Baryum Rrenztraubenslure gebildet werden soll.

Was sich bei unseren Versuchen ergeben hat, soll zusammen- hangend nach Beschreibung der Einzelversuche mitgetheilt werden.

Die ersten Versuche, welche theils von Herrn S c h w a r z e n - b e r g e r , theils von H e m Dr. R i e b e n s a h m angestellt wurden, ergaben zunilchst , dass sowohl aus Dibrombernsteinsauren ale aus isodibrombernsteinsauren Salzen beim Iiochen mit Wasser stets Gemenge YOU Traubenssuro und Mesoweinslure erhalten werden. Diese Venuche waren in Bezug auf die relative Menge der entstehenden Producte mehr orientirender Art, zumal da eine genaue quantitative Bestimmung der einzelnen Zersetzungsproducte sich weniger einfach erwies , als zuniichst vermuthet wurde. Sie wurde nur ausftihrbar durch eine moglichst gleichmsssige Bestimmungsmethode , welche Herr Dr. R e i s c h in) Verlaufe seiner zunilchst folgenden Arbeit verbessert hat.

I. Zersetznng nentraler Salze der zweifaeh gebromten Bernsteinshren dnrch Wasser;

von Ernst Reisch 12).

I. Sbschnitt : Versuuhe bei Siedehitze.

Die Untersuchung erstreckte sich auf die Zersetzung der Sntron-, Kali-, Bargt- und Kalksalze der Dibrombensteinshum und Isodibrombernsteinslure. Die Zersetzungen derselben ent- sprechen folgenden Gleichungen :

I. C,H,Br,04Me2 = MeBr + C4H2Br0,Ye. 11. C,&Br,O,Me, + H,O = 2 YcBr + 2 C 0 3 -k C,H,O. 111. C,HJ3r~OJIe2 + 2 H,O = 2 JIeBr f (',H60,, .

Andere Zersetzuugen finden entweder iiberhaupt nicht oder wenigstens in so untergeordnetem Betrage statt, dass sie sich einstweilen der Beobachtung entzogen haben.

,,Ueber die Zersetxung der zweifach gebromten Bernsteinsiiuren durcli Basen" ; Dissertation, Kijnigsberg 1897.