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I Kristall und Technik 1 4 1 4 1 - 1969 1 463 -- 468 1 L. 0. MELE~KO Minsk, UdSSR Zur Kinetik der Phasenumwandlung in unterkiihlten Schmelzen Es wird eine theoretische Analyse der Kinetik der isothermen Erstarrung unter Berucksichtigung der Periode der nichtstationiiren Kristallwachstumsgeschwindig- keit und des Zusammenwirkens von spontaner und erzwungener Kristallisation durchgefuhrt . Eine analytische Ableitung der Kinetik des Prozesses fur den Fall der Umwand- lung des Gesrtmtvolumens wird gegeben. 1. Einfiihrung In dem der Beobachtung zuganglichen Stadium ist die Geschwindigkeit des Wachstums der Kristalle in unterkiihlten Schmelzen (wenn die Umwandling nicht von einer Stoffveranderung begleitet wird) konstant. Die theoretische Analyse des Kristallisationsprozesses zeigt jedoch, dalj sich die Wachstums- geschwindigkeit der Kristalle mit der Zeit nach der Gleichung 21 =vo(l - ; ) iindern muB. Darin sind rk, r die Radien des kritischen Keims bzw. des Keimes zur Zeit z (KOLMOGOROV). Aus (1) folgt, daB die Wachstumsgeschwindigkeit der Kristalle sich im An- fangsstadium erhoht und nur bei r > r, praktisch konstant bleibt. Wenn die Anzahl der Keimzentren zu Beginn der Umwandlung genugend grol3 ist, dann kann das Ubergangsstadium, das die zeitliche Zunahme der Wachstumsgeschwindigkeit charakterisiert (Periode des nichtstationaten Wachs- tums) bis zum Ende der Phasenumwandlung andauern. Bei geringer Zahl der Keime kann die Umwandlung ein ubergangsstadium enthalten, in dem sich die Wachstumsgeschwindigkeit der Kristalle mit der Zeit erhoht, bis sich ein ZU- stand einstellt, in dem die Geschwindigkeit des Wachstums konstant bleibt. Im letzteren Falle kann der Anteil des Ubergangsstadiums am Auskristalli- sieren der Gesamtmasse nur klein sein, aber die Zeitabhangigkeit des Prozesses im Anfangsstadium erweist sich als eine andere als in den Endphasen.

Zur Kinetik der Phasenumwandlung in unterkühlten Schmelzen

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I Kristall und Technik 1 4 1 4 1- 1969 1 463 -- 468 1

L. 0. MELE~KO

Minsk, UdSSR

Zur Kinetik der Phasenumwandlung in unterkiihlten Schmelzen

Es wird eine theoretische Analyse der Kinetik der isothermen Erstarrung unter Berucksichtigung der Periode der nichtstationiiren Kristallwachstumsgeschwindig- keit und des Zusammenwirkens von spontaner und erzwungener Kristallisation durchgefuhrt .

Eine analytische Ableitung der Kinetik des Prozesses fur den Fall der Umwand- lung des Gesrtmtvolumens wird gegeben.

1. Einfiihrung

In dem der Beobachtung zuganglichen Stadium ist die Geschwindigkeit des Wachstums der Kristalle in unterkiihlten Schmelzen (wenn die Umwandling nicht von einer Stoffveranderung begleitet wird) konstant. Die theoretische Analyse des Kristallisationsprozesses zeigt jedoch, dalj sich die Wachstums- geschwindigkeit der Kristalle mit der Zeit nach der Gleichung

21 = v o ( l -;) iindern muB. Darin sind rk, r die Radien des kritischen Keims bzw. des Keimes zur Zeit z (KOLMOGOROV).

Aus (1) folgt, daB die Wachstumsgeschwindigkeit der Kristalle sich im An- fangsstadium erhoht und nur bei r > r, praktisch konstant bleibt.

Wenn die Anzahl der Keimzentren zu Beginn der Umwandlung genugend grol3 ist, dann kann das Ubergangsstadium, das die zeitliche Zunahme der Wachstumsgeschwindigkeit charakterisiert (Periode des nichtstationaten Wachs- tums) bis zum Ende der Phasenumwandlung andauern. Bei geringer Zahl der Keime kann die Umwandlung ein ubergangsstadium enthalten, in dem sich die Wachstumsgeschwindigkeit der Kristalle mit der Zeit erhoht, bis sich ein ZU- stand einstellt, in dem die Geschwindigkeit des Wachstums konstant bleibt. Im letzteren Falle kann der Anteil des Ubergangsstadiums am Auskristalli- sieren der Gesamtmasse nur klein sein, aber die Zeitabhangigkeit des Prozesses im Anfangsstadium erweist sich als eine andere als in den Endphasen.

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Die theoretische Analyse der Phasenumwandlung wird nun durchgefiihrt fiir den Fall der Zunahme der Geschwindigkeit sowie fur den Fall, dalj im Anfangs- stadium die Wachstumsgeschwindigkeit mit der Zeit ansteigt und dann bei Er- reichen eines bestimmten maximalen Wertes konstant bleibt.

2. Theoretische Analyse der Phasenumwandlung

2.1 Konstante Kristallwachstumsgeschwindigkeit

In der Arbeit von KOLMOGOROV wurde die Wahrscheinlichkeit g(t) errechnet, mit der ein bestimmter Punkt P im Schmelzvolumen zur Zeit t nicht in die kristallisierende Masse einbezogen ist fur den Fall, dalj die Kristallwachstums- geschwindigkeit konstant ist. Hierbei ergab sich die Wahrscheinlichkeit nach dem folgenden Ausdruck

t

In q(z) = - J I(z’) F”(t’) dz‘ , (2) 0

worin V’(t‘) das Volumen eines solchen Bereiches ist, in welchem sich an irgend- einem Punkt zur Zeit z‘ ein Keim entwickelt, bis er zum Zeitpunkt z den ge- gebenen Punkt P einbezogen hat. Bei der Volumenkristallisation ist

v‘(z’) = -n J v( t ) at . ; [*: I” (3)

Die Wahrscheinlichkeit, mit welcher sich jeder beliebige Punkt P in der Zwischenzeit z im Verlaufe der Kristallisation innerhalb der schon kristalli- sierenden Masse befindet, ist gleich

P ( t ) = 1 - n ( t ) oder

worin t

sz = J I(z’) j - v( t ) at at‘ 0 I”

ist. Wenn

v( t ) = vo = const

ist, dann wird

Xehmen wir I(z‘) als konstant an, so haben wir nach KOLMOGOROV

(4)

(5)

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2.2 Lineare Zeitabhangigkeit der Wachstumsgeschwindigkeit

Nehmen wir jetzt an, dal3 die Kristallwachstumsgeschwindigkeit linear mit der Zeit wlchst, d. h. v( t ) = a'(t - t'), worin a' die Reschleunigung des Wachs- tums bedeutet. Dann erhalten wir anstelle von (7)

p ( t ) = 1 - exp - - - u'3 n J I ( t ' ) [t2 + 2 ' 2 - 2 z 2 r ] 3 dt' } . (9) i : o=

Wenn man I ( z ' ) = I annimmt, d . h. I als konstante Grofie, dann wird

p ( t ) = 1 - exP (- 1 - a'3 z I t 7 ) . 42

Beim Vergleich von (8) und (10) erkennt man, daI3 die Berechnung der Ab- hangigkeit der Wachstumsgeschwindigkeit der Umwandlungszentren von der Zeit sich wesentlich auf die Zeitabhangigkeit von p ( z ) auswirkt.

2.3 Lineare Zeitabhangigkeit der Wachstumsgeschwindigkeit nur am Beginn

Wenn man annimmt, dal3 der Anstieg der Wachstumsgeschwindigkeit der Keime in irgendeinem kleinen Zeitabschnitt to vor sich geht (Zeit bis zur Ein- stellung des stationaren Ablaufes), dann aber konstant bleibt (bei r > rk), SO erhalten wir anstelle von (6)

Wenn I ( z ' ) als konstant angenommen wird und wir es aus dem Integral heraus- ziehen und beriicksichtigen, dal3 a'z, = v, ist, so erhalten wir aus (11)

SZ = I (a4 x4 + a3 z3 + a2 t2 + a, t) ~

worin

Wenn z > to, dann kann man die Summanden mit zo vernachlassigen. Fur diese Bedingung entspricht die Gleichung fur p ( z ) der Form (8). Wenn aber to keine kleine Grol3e ist, dann muI3 man SZ aus (12) bestimmen bei Annahme der Kon- stanz der Wahrscheinlichkeit der Bildung von Keimzentren.

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2.4 Verlauf der Umwandlung im Schmelzvolumen beim Zusam-

Dabei konnen Zentren der neuen Phase im Volumen V’ bereits am Anfang ent- halten sein (no ist die Anzahl pro Einheitsvolumen, die sich in der Induktions- periode z, bereits gebildet hat) (TAMMANN). Es ist naturlich, daB sie bis zum Beginn ihrer Beobachtung verschiedene Dimensionen haben werden. Zur Ver- einfachung der Rechnungen nehmen wir an, dalj alle Keime zu einem bestimm- ten Zeitpunkt t entstanden sind und eine gleiche GroJ3e mit Kugelform be-

menwirken von spontaner und erzwungener Kristallisation

~

211 zti . N sitzen, deren Radius F = ~ 1st. Hierin bedeutet Z die Zeit, in deren

Verlauf der Radius des Keimes auf F anwachst; N ist die Anzahl der Keime im betrachteten Volumen, die sich in der Induktionsperiode z, gebildet haben ; v1 = const ist ihre Wachstumsgeschwindigkeit ; T~ ist die Wachstumszeit des i-ten Keimes in der Induktionsperiode. In den folgenden Zeitabschnitten ent- stehen in verschiedenen Punkten der noch nicht kristallisierenden Teile der Schmelze neue Umwandlungszentren und wachsen im Schmelzvolumen auch als Kugeln.

Das Volumen der Umwandlungszentren, die zum Zeitpunkt 5 vor Beginn ihrer Beobachtung entstehen, ist zum Zeitpunkt z gleich

worin v = const die Wachstumsgeschwindigkeit der Zentren der neuen Phase bei der Temperatur T, ihres Erscheinens ist (TAMMANN).

Das Volumen des Umwandlungszentrums, das sich zum Zeitpunkt z’ wahrend der Beobachtung gebildet hat, ist zur Zeit z gleich

Wir nehmen dabei an, dalj der willkurlich gewahlte Punkt P des Volumens V T

mehr a19 j v ( t ) dt vom Rand dieses Volumens entfernt liegt.

Damit der Punkt P bis zur Zeit z in das Gebiet der kristallisierenden Masse fallt, geniigt es, daB sich in irgendeinem Augenblick z’ < z in irgendeinem

0

T

Punkt P’, der von P weniger als j v ( t ) dt entfernt ist, ein Zentrum der neuen ? I T z

Phase bildete oder dalj es in einer geringeren Entfernung als j vl(t) dt + w ( t ) dt

ein bereits existierendes Umwandlungszentrum zum Zeitpunkt z = 0 gab. Bei Festlegung von z’ nimmt das Volumen F”(t’) der Punkte P‘ folgenden Raum ein

- 0 - zi

V’(z) = -52 j w ( t ) dt . B [.: I” Das Volumen V’(z“), das die Umwandlungszentren, die sich vor Beginn ihrer Beobachtung bildeten, einnehmen, ist, entsprechend den obengenannten Be- dingungen, gleich

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Die Wahrscheinlichkeit, daB der Punkt P in der Zeit AT‘ in den Umwandlungs- bereich von neu gebildeten Zentren fallt und in der Zeit At” in den Bereich der anfangs gebildeten, als Wahrscheinlichkeit von unabhangigen Ereignissen, ist gleich der Summe

I(z’) V’(2’) At’ + no Y”(2”) .

1 - [I(t’) V(t ’ ) At’ + no V”(2“)l .

(17)

Die Wahrscheinlichkeit, daB dies nicht geschieht, ist dann

(1st Deshalb kann man die Wahrscheinlichkeit dafiir, daB der Punkt P zur Zeit t nicht in die kristallisierende Masse einbezogen wird, in folgender Weise schreiben

n n‘

i = l $’=I q ( t ) = n 17 { 1 - [I@;) V‘(Zk) AT; + no V;:( t ; )]} , (19)

worin z’ = n At’; t” = n’ At”; 26 = i A t ; ; At:’ = i’ At:, bedeuten. Die log- arithmierte Gleichung (19) lautet

In q ( t ) = - n n’

i = l i‘=l I (z;) V ; At: - no 2 A V;:(t;:) .

oder integriert r 7

In q ( t ) = - J I(z’) V ( z ’ ) dt’ - no J d V ’ ( t ” ) . 0 0

Wenn wir V‘ und V” (aus GI. 15 bzw. 16) einsetzen, so bekommen wir

4 % In q(t) = - - z J I(z‘)

3 0

--T

Die Wahrscheinlichkeit p ( t ) , mit der im Zeitraum der Kristallisation jeder Punkt P in den Bereich der bereits kristallisierenden Masse fallt, ist gleich

I p b ) = 1 - dt) * (23)

Nach dem Integrieren von (22) bei I , v und v, samtlich = const finden wir

3-c no (v, 21 + v 2)3 . (24) 1 4 p(z) = 1 - exp [ -; 124 --

Wenn wir in die Gleichung (24) die GroBe des Keimradius 7 = w1 Z einfiihren, der vor Beginn der Beobachtung vorliegt, dann erhalt man

1 4 p ( t ) = l -exp IT^-^ Zn, (i-3 + 3 r 2 v t + 3 r 0222 + v323) (25)

(26)

I : und hieraus bei r = 0

4 3

1 ~ 4 - -

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Es ist offensichtlich, daB sich die GroBe der Keime, die sich bis zum Beginn ihrer Beobachtung bilden, als wesentlicher EinfluB in der Kinetik der Um- wandlung erweist. J e groBer r - bei einfachen und gleichen Bedingungen -, um so schneller lauft der ErstarrungsprozeB ab. Bei Gegenwart von Keim- bildungszentren zu Beginn miiBte selbst bei r nahe Null der ProzeB der Kri- stallisation schneller vor sich gehen als bei Abwesenheit von primaren Keim- zentren. Das muB sich besonders in den Anfangsstadien der Kristallisation bemerkbar machen, wo der Summand mit t3 sogar den mit t4 iibertreffen kann. Jedoch kann sich in den mittleren und letzten Stadien der Kristallisation bei geniigend langer Umwandlungszeit der Summand mit r3 als bedeutend niedriger erweisen als der mit t4, und man kann ihn vernachlassigen.

3. Schlullfolgerungen

Die theoretische Analyse des Ersta,rrungsprozesses unterkiihlter Schmeizen zeigt, daB die nichtstationare Periode des Kristallwachstums wesentlichen Ein- fluB auf die Kinetik des isothermen Phaseniibergangs ausiiben kann. Das allgemeine Bild der kinetischen Kurven bei nichtstationarem Wachstum der Kristalle ist ein anderes als bei stationarem.

Die Gegenwart von Keimzentren zu Beginn fiihrt zur Beschleunigung des kinetischen Prozesses. Bei einfachen gleichen Bedingungen verlauft der ProzeB der Erstarrung der Schmelze um so schneller, je groBer die Dimensionen der Keime sind.

Literatur

KOLMOGOROV, N. A.: Isv. Akad. Nauk UdSSR, Ser. Math. Wiss. Nr. 3, 355 (1937) TAMMANN, G. : Kristallisieren und Schmelzen, Leipzig 1903

(Eingegangen am 13. Februar 1969)

Anschrift des Verfassers: L. 0. MELESKO Minsk, BSSR Tolbuchinastr. 13, Whng. 35