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Zur Nichtfallbarkeit des Magnesiums durch Ammoniak bei Gegenwart von Ammonsalzen. Von F. P. TREADWELL. Dals Magnesium durch Ammoniak bei Gegenwart von Animon- salzen nicht gefallt wird, wurde bis vor wenigen Jahren durch die Annahme von kornplexen Sslzen von der Zusammensetzung: [ Mg CI,] NH,, oder [ MgCI,](NH,)2 , erklart. Beide Salze sind im festen Zustsnd isoliert, aber nicht als Komplex-, sondern als Doppelsalze beschrieben worden. Wenn nun eines dieser beiden Salze die Ursache der Nicht- f'allbnrkeit des Magnesiums ist, so miilste beim Fallen einer neutralen Magnesiamchloridlosung mit uberschiilsigem Ammoniak die Reaktion verschieden verlaufen, je nachdem das Salz mit einem oder mit zwei NH, entsteht. Bildet sich also das Salz mit einem NH,, so wurde die Reaktion nach dem Schema: 3MgC1, + 2NH,OR = 2[MgCl,]NH, + Mg(OH), verlaufen, d. h. es wiirde genau ein Drittel des Magnesiums ge- fhllt werden; bildet sich dagegen das Salz mit zwei NH,, so miifste geriau d i e H a l f t e des Magnesiums als Magnesiumhydroxyd ab- geschieden werden : 2MgC1, + 2NH,OH = [MgCI,](NH,), + Mg(OH),. In GMELIN-KRAUT findet sich folgende Angabe: ,,Uberschiilsiges Ammoniak fallt aus Chlormagnesiumlosung genau die Halfte der 6. Aufl., Bd. IT, 8. 481.

Zur Nichtfällbarkeit des Magnesiums durch Ammoniak bei Gegenwart von Ammonsalzen

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Page 1: Zur Nichtfällbarkeit des Magnesiums durch Ammoniak bei Gegenwart von Ammonsalzen

Zur Nichtfallbarkeit des Magnesiums durch Ammoniak bei Gegenwart von Ammonsalzen.

Von

F. P. TREADWELL.

Dals Magnesium durch Ammoniak bei Gegenwart von Animon- salzen nicht gefallt wird, wurde bis vor wenigen Jahren durch die Annahme von kornplexen Sslzen von der Zusammensetzung:

[ Mg CI,] NH,, oder [ MgCI,](NH,)2 , erklart.

Beide Salze sind im festen Zustsnd isoliert, aber nicht als Komplex-, sondern als Doppelsalze beschrieben worden.

Wenn nun eines dieser beiden Salze die Ursache der Nicht- f'allbnrkeit des Magnesiums ist, so miilste beim Fallen einer neutralen Magnesiamchloridlosung mit uberschiilsigem Ammoniak die Reaktion verschieden verlaufen, je nachdem das Salz mit einem oder mit zwei NH, entsteht.

Bildet sich also das Salz mit e inem NH,, so wurde die Reaktion nach dem Schema:

3MgC1, + 2NH,OR = 2[MgCl,]NH, + Mg(OH),

verlaufen, d. h. es wiirde genau e in D r i t t e l des Magnesiums ge- fhllt werden; bildet sich dagegen das Salz mit zwei NH,, so miifste geriau d i e H a l f t e des Magnesiums als Magnesiumhydroxyd ab- geschieden werden :

2MgC1, + 2NH,OH = [MgCI,](NH,), + Mg(OH),.

In GMELIN-KRAUT findet sich folgende Angabe: ,,Uberschiilsiges Ammoniak fallt aus Chlormagnesiumlosung genau d i e Ha l f t e der

6. Aufl., Bd. IT, 8. 481.

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Magnesia, wahrend dieses Doppelsalz gelost bleibt." Hier ist aber das Doppelsalz mit e inem NH, gemeint. Mir erschien dies un- wahrscheiulich und so liefs ich vor Jahren Versuche hieriiber anstellen, welche wirklich ergaben, dafs sehr annahernd die H a i f t e des Mag- nesiums durch Ammoniak gefallt wurde. Allerdings konnte schon damals konstatiert werden, dafs, bei sehr grofser Konzentration des Ammoniaks, weit mehr als die Halfte des Magnesinms abgeschieden wurde, und zwar nicht sofort, sondern allmahlich; ein Umstand, der fur den allmahlichen Zerfall des Komplexsalzes zu sprechen schien.

Die Versuche, die ich damals anstellen liefs, wurden so aus- gefuhrt : Eine neutrale Magnesiumchloridlosung von bekanntem Ge- halt wurde in einem 100 ccm Kolben mit einem Uberschufs von Ammoniak versetzt, mit Wasser bis zur M a k e aufgefiillt, nach dem Mischen so f o r t durch ein trockenes Filter filtriert und hierauf in einem aliquoten Teil des Filtrats das Magnesium bestimmt.

Lov&N~, der sehr ausgedehnte Versuche uber die Fallung von Magnesium aus neutraler Losung durch Ammoniak von der ver- schiedensten Konzentration angestellt hat, komrnt zu dem Schlufs, dafs die Nichtfallbarkeit des Magnesiums durch Arnmoniak nicht der Bildung komplexer Ionen, sondern lediglich der Zuruckdriingung der Dissoziation des an und fur sich sehr wenig dissoziierten Ammoniaks durch Ammonsalze zuzuschreiben sei.

Trotzdem die Lovjmschen Zahlen fast iiberzeugend sind, so war es immerhin auffallend, dafs beim Fallen von Magnesiumchlorid mit einem Uberschufs von Ammoniak fast geneu die Halfte des Mag- nesiums ausfallt. Ich glaubte daher immer noch, es musse das komplexe Salz [MgCl,](NH,), entstehen, dieses aber nach und nach in Magnesiumchlorid und Chlorammoniurn zerfallen, wodurch erklart wurde, warum das Magnesium bei langerem Stehen sich immer mehr und mehr aus der Losung als Magnesiumhydroxyd abscheidet. Ich liefs daher eine neue Versuchsreihe ausfiihren, um den zeitlichen Verlauf der Reaktion kennen zu lernen. Die Versuche wurden nicht nur bei Zimmertemperatur , sondern auch bei Null Grad ausgefuhrt. Ich hoffte durch Arbeiten bei niedriger Temperatur den Zerfall des Komplexsalzes sehr herabzumindern, wenn nicht ganz zu verhindern. Allein es zeigte sich, dafs auch unter diesen Umstanden die gefallte Magnesiummenge stets von der Konzentration der Hydroxylionen und von der Dauer des Versuchs abhangig ist.

J. M. LOV~N, Z. anorg. Chm. 11, 404.

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Ich lasse hier die Belege folgen. Es wurden stets zwei Parallelversuche ausgeiuhrt. Dieselbc

Magnesiummenge wurde mit uberschiissigem Ammoniak versetzt, auf 100 ccm gebracht, die eine Probe sofor t , die andere erst riach 24-stundigem Stehen filtriert und das Magnesium im Filtrat als Mg,P,O, bestimmt.

S e r i e I. 25 ccm einer Magnesiumchloridlosung, enthaltend 0.3 124 g Mg,

wurden mit 75 ccm norm. Ammoniaklosung gefallt.

T e m p e r a t u r = ca. 17O C. Angewandtes Mg gefallt nach Von 100 T1. Mg Mg gefallt Von 100 T1 Mg Magnesium sofortig. Filtration wurden gefallt nach 24 St. wurderi gefallt 0.3124 g 0.1521 g 48.7O/, 0.2641 g 84.60/,

T e m p e r a t u r = ca. O 0 C. 0.3124 g 0.1368 g 43.8 0.2439 g 78.1 Olio

Ser i e 11. 25 ccm Magnesiumchloridlosung, enthaltend 0.3124 g Mg, wurden

mit 75 ccm Ammoniak, wovon 1 ccm = 0.00608 g NH,, vereetzt. Es war also bei diesen Versuchen nur ein sehr geringer Uberschuls von Ammociak vorhanden. (Angewandt wurden 0.4560 g NH,, wahrend die berechnete Menge 0.4360 g NH, betragt.)

T e m p e r a t u r = ca. 17O C. Angewandtes Mg gefiillt nach Von 100 T1. Mg Mg gefallt Von 100 T1. Mg Magnesium sofortig. Filtration wurden gefallt nach 24 8t. wurdeii gefallt

0.3124 g 0.0589 g 18.9O/, 0.1357 g 43.7O/,

T e m p e r a t u r = O 0 C. 0.3124 g 0.0524 g 16.6O/, 0.1094 g 26.4O/,

Aus den Versuchen von Serie I geht hervor, dak aus einer Magnesiumchloridlosung durch einen grofsen Uberschufs von Ammo- riiak ungefahr die Halfte des Magnesiums gefallt wird , wenn man sofort nach der Fallung filtriert. Dagegen wird nach 24 stundigem Stehen ca. 80 O/,, des Gesamtmagnesiums als Magnesiumhydroxyd abgeschieden, einerlei ob man bei hoherer oder niedrigerer Tem- peratur arbeitet.

Die Versuche von Serie 11, bei welcher nur ein geringer Uber- w h u h an Amrnoniak zur Anwendung kam, zeigen, dab nach sofortiger

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Filtration nicht einmal ein Funftel, nach 24 Stunden bedeutend weniger a l s d i e H a l f t e des vorhandenen Magnesiums gefallt wurde und zwar bei Null Grad bedeutend weniger als bei gewohn- licher Temperatur. Auch nach mehr als 24 Stunden schied sich kein Magnesium mehr aus.

Um den zeitlichen Verlauf der Reaktion noch besser kennen zu lernen, wurde eine neue Versuchsreihe so angestellt, dak der entstandene Niederschlag nach I/*, 3/4. 1, 2, 30, 60 Min., 6 Stunden abfiltriert und das im Filtrat befindliche Magnesium bestimmt wurde.

25 ccm einer Magnesiumchloridlosung, enthaltend 0.31 15 g Mg, wurden mit 75 ccm 'I, normalem Ammoniak geschuttelt und filtriert wobei die ersten 5-10 ccm stets vernachlassigt wurden.

Magnesium gefallt nach : Angewandtes

Magnesium ' I4 Min. 3/4 'Min. 1 Min.

0.3115 g 0.1604g = 51.5'/, 0.1630g = 52.4'/, 0.1631g = 52.4"/,

2 Min. 30 Min. 1 Stunde 6 Stunden 0.1755g= 56.3'1, 0.2518g= 80.5'/,, 0.2642g= 84.5@/,, 0.2702g=86.7°/,

Aus diesen Versuchen ersieht man, dak die Ausfallung des Magnesiums ungernein rasch erfolgt; schon nach ' I 2 Stunde sind bereits 80 "1' des Gesamtmagnesiums gefallt. Alle diese Versuche bestatigen vollauf die LOV-ONS und sprechen entschieden gegen die Annahme von Komplexsalzen.

Um aber jeden Zweifel zu beseitigen, wurde eine Losung von Magnesiumchlorid und Chlorammoniurn, im Verhaltnis von 1 MgC1, 2 NH4C1, hergestellt und das Molekulargewicht der gelosten Substanz auf kryoskopischen Wege bestimmt :

MgC1, = 0.1466 Angewandte Substanz = 0'3113 {NH,C1= 0.1647

Wasser = 20 g A = 0.9609

= 29.97 100*18.5.0.3113 M = 0.9609.20

Ilas Molekulargewicht des Salzes [MgCl,](NH,), ist 202.32. W&re dieses Salz wirklich vorhanden, so miifste man fur M annahrend

____ 202'32 = 67.44 finden. Wenn aber die Losung nur eine Mischung 3

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202.32 von MgC1, und NH,Cl enthalt, so miifste sich iiir 31 = ~ ~ 7 - = 2b.9

ergeben, was sehr annahrend zutrifft. Zur Kontrolle wurde die Gefrierpunktserniedrigung einer Mag-

ncsiumchlorid - und einer Ammoniumchloridlosung , von derselbcn Magiiesiurn- und Ammoniumkonzentration wic oben, ausgefiihrt:

Angewandtes MgCl, = 0.1 466 g

Wasser = 20 g A = 0.39660

18.5- 100.0.1466 - = 34.27 11 = - _ _ _ .

0.3956-20

statt der berechncten Zdi l

RIIgCl, - 95.26 - _ = 31.75. 3 3

Angewandtes ?jH,CI = 0.1647 g

Wasser = 20 g A = 0.5511OC.

statt der berechneten Zahl

NH,C1 53.52 2 2 = 26.76. I __ -

Also fast vollstandige Ubereinstirnmung. Durch diese Versuche ist bewiesen, dafs clas Magnesiumchlorid

mit Ammonchlorid keine Komplessalzbildung eingeht. Zum Uberfluh wurde die Gefrierpunktserniedrigung einer Man-

ganammoniumchloridlosung bestimmt , weil anzunehmen war, dafs sich das Mangan in bezug auf Komplexsalzbildung dem Magnesium ganz ahnlich verhalten wurde.

MnCl, = 0.0968 -4ngewandte Subsianz = 0.1782 g { NH4C1 = 0.0824

Wasser = 20g = 0.4797

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18.5- 100.0.1 782 0.4 7 9 7 * 2 0

JI = = 34.56

statt der berechneten Zahl

= 33.28. [MnCl,](NH,), = 232.96: ~~ ~~~

7 7

Also auch hier keirie Komplexsalabildung. Durch diese Versuche wird die LovQmche Ansiclit bestatigt,

daf's die Nichtfallbarlreit des Magnesiurns (und khnlicher Elemente) bei Gegenwart von Arnmonsalzen , nicht durch Komplexsalzbildung bedingt wird, sondern lediglich durch Zuruckdrangung der Disso- xiation des ArnmoniuIchydroxyds durch das Ammoniumchlorid, ent- sprechend dem Massenwirkungsgeseta.

Meinen Assistenten Herrn Dr. F. HENZ und Herrn E. WEGELIN, die mir bei der Ausfuhrung der oben beschriebenen Versuche be- hilflich waren, sage ich meinen besten Dank.

ZtXrioh, analytische Abteilung des eidgen. Polytechn&ums.

Bei dcr Redaktion eingegangen am 4. Oktober 1903.