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Dietrich Stollberg Zur Psychologie des Glücks 28166 Themenzentrierte Interaktion Stell dem Glück einen Stuhl hin 27. Jahrgang, 1/2013, Seite 1922 Psychosozial-Verlag ZEITSCHRIFTENARCHIV

Zur Psychologie des Glücks · 27. Jahrgang Heft 1 Frühjahr 2013 21 Stollberg, Zur Psychologie des Glücks Um Glück wahrneh-men zu können, sind Kontraste nötig zu Frust, nicht

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Dietrich Stollberg

Zur Psychologie des Glücks

28166

Themenzentrierte InteraktionStell dem Glück einen Stuhl hin27. Jahrgang, 1/2013, Seite 19–22Psychosozial-Verlag

ZEITSCHRIFTENARCHIV

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Dietrich Stollberg

Zur Psychologie des Glücks1

27. JahrgangHeft 1

Frühjahr 2013

19

Stollberg, Zur Psychologie des Glücks

1 Dies ist ein Auszug aus D. Stollberg: „Soll man das glauben? Vom Sinn der christlichen Religion“, Leipzig 2011 (4. Aufl.), 257–262. Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Evangelischen Verlags-anstalt.

Zum AutorDietrich Stollberg, Prof. Dr. theol., Jg. 1937, am RCI gra-duiert seit 1977, Emeritus der Philipps-Universität Marburg. Habilitation 1971 mit einer Arbeit über Gruppendynamik und Seelsorge. [email protected]

Die Wahrnehmungen von Glück sind ganz unterschiedlich und hängen offenbar mit unterschiedlichen Bewertungen und Idealvor-stellungen zusammen: Die einen sind glücklich, wenn sie ihre Ruhe haben, die anderen, wenn sie von viel Betrieb und Lärm umgeben sind usw. Das Glück hat also mit der Persönlichkeitsstruktur eines Menschen zu tun. Im diesem Beitrag wird eine psychologische Annäherung an das Glück vorgenommen.

Perceptions of happiness can differ a great deal, and would seem to be linked to different value judgments and ideals: some are happy when left in peace, others when they are surrounded by hustle and bustle, etc. Thus, happiness is linked to our personality structures. This article is an attempt is at a psychological approach to the notion of happiness.

Einleitung

Wenn wir von der Abhängigkeit des Glücks von der jeweiligen Charakterstruktur eines Menschen sprechen, sind wir […] bei der psychologischen Perspektive. […] Glück ist größtmögliches Wohlbefinden bei größtmöglicher Zufriedenheit. Wohlbefinden und Zufriedenheit sind Gefühlszustände, die bei verschiedenen Personen unter verschiedenen Bedingungen auftreten. Halten wir […] fest: Es handelt sich um Gefühle. Eines freilich haben alle Menschen gemeinsam: Alle wollen diesen Gefühlszustand erreichen, alle haben Sehnsucht danach, und die meisten erleben ihn dann und wann auch, aber sie können ihn nicht festhalten, obwohl sie gerade das so gerne möchten.

Befriedigung von Bedürfnissen

Kinder scheinen diesen Zustand öfter zu erreichen als Erwachsene, sie sind auch mit weniger zufrieden. Das Glück hängt also von

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�Themenzentrierte�Interaktion

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Themenschwerpunkt:� Stell dem Glück einen Stuhl hin

Der glückliche Mensch scheint im

Plan der Schöpfung nicht vorgesehen

zu sein

unseren Bedürfnissen und Ansprüchen ab. Diese kann man auf verschiedene Weise erziehen und ausbilden. Wenn das Glück mit unseren Ansprüchen zusammenhängt, verwundert es nicht länger, dass man sehr oft der kurzschlüssigen Vorstellung begegnet, je mehr man sich leisten könne, desto glücklicher würde man, größtmög-liche Bedürfnisbefriedigung schaffe größtmögliche Zufriedenheit. Unser Sprichwort „Geld macht nicht glücklich“ oder die biblische Sentenz „Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher in das Reich Gottes komme“ (Mt 19,24) geben dieser alten Weisheit Ausdruck.

Aber lässt sich größtmögliches Wohlbefinden bei größtmöglicher Zufriedenheit nicht doch durch größtmöglichen Lustgewinn – der für die einen durch menschliche Nähe und Wärme, für die anderen durch Abstand und Freiheit, für die Dritten beim Essen, für wieder andere beim Sex entsteht –, also durch größtmögliche Bedürfnisbefriedigung erreichen? Sigmund Freud stellt mit wissenschaftlicher Skepsis fest:

„Man möchte sagen, die Absicht, dass der Mensch ‚glücklich‘ sei, ist im Plan der ‚Schöpfung‘ nicht enthalten. Was im strengsten Sinne Glück heißt, entspringt der eher plötzlichen Befriedigung hoch aufgestauter Bedürfnisse und ist seiner Natur nach nur als episo-disches Phänomen möglich. Jede Fortdauer einer vom Lustprinzip ersehnten Situation ergibt nur ein Gefühl von lauem Behagen; wir sind so eingerichtet, dass wir nur den Kontrast intensiv genießen können, den Zustand nur sehr wenig. Somit sind unsere Glücks-möglichkeiten schon durch unsere Konstitution beschränkt.“ (Gesammelte Werke XIV, 434)

Ambivalenter Charakter des Glücks

Glück entsteht also durch den Unterschied eines Zustandes vorher und nachher. Je stärker die Bedürfnisse angestaut sind, desto mehr Glücksgefühl erzeugt ihre plötzliche und überraschende Befriedi-gung. Deshalb sucht der Mensch Abwechslung, um den Kontrast auf unterschiedlichen Bedürfnisfeldern möglichst oft erleben zu können, und deshalb hält sich das Glück nicht auf Dauer, weil unsere Wahrnehmung des Unterschieds von vorher und nachher verblasst. Ein gesunder Mensch durchläuft während seines Lebens einen permanenten natürlichen Rhythmus von Annäherung, Kon-takt, Distanzierung, Nachkontakt, Pause, erneuter Annäherung usw. Unzufriedenheit entsteht, wo dieser Fluss durchbrochen wird, z.B. durch Festhalten an einer dieser Phasen und durch den Versuch, das Glück auf Dauer zu stellen. Die Spaßgesellschaft verführt uns dazu, intensives Kontakterleben ebenso festhalten zu wollen wie anderen Lustgewinn und, sobald das nicht gelingt, sich ärgerlich abzuwen-den, um anderswo und auf andere Weise erneut schnelles Glück zu suchen. Das führt bestenfalls von Spaß zu Spaß, aber auch von Frust

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Stollberg, Zur Psychologie des Glücks

Um Glück wahrneh-men zu können, sind

Kontraste nötig

zu Frust, nicht aber zum Glück. Spaß wäre sozusagen die hektische Staccatoform des Glücksrhythmus, die auf suchtartigem Habenwollen (statt auf Sein und Sich-dem-Fluss-des-Lebens-Hingeben) beruht.

Für die Psychotherapie heißt das u.a., der heftig geäußerten Sehnsucht nach mehr Glück eines Ratsuchenden nicht aufzusitzen, sondern ihm zu helfen, im Rahmen seiner realistischen Möglichkei-ten den Kontrast von vorher und nachher möglichst oft zu erleben bzw. überhaupt wahrzunehmen. Dieser Kontrast begegnet im Leben ja ständig, wird nur meist nicht erkannt. Zu hohe Ideale, gerade auch narzisstische („Ich möchte groß, bedeutend und mächtig sein“), stehen dem Glück oft im Wege. Auch hier tut Bescheidenheit not. Durch Neid z.B., also durch die Fixierung auf andere, wie sie für den depressiven Charak-ter (nach Riemann) typisch ist, übersieht man die eigenen Glücksmöglichkeiten, die ja unabhängig davon sind, was man (oder der andere) hat. S. Freud spricht davon, dass das Lustprinzip, dem der Mensch unterliegt, durch das Realitätsprinzip ausgeglichen werden müsse, wenn der Mensch zufrieden werden will.

Zum Glück gehört auch dessen ambivalenter Charakter: „Him-melhoch jauchzend, zu Tode betrübt – glücklich allein ist die Seele, die liebt.“ (Goethe, Egmont III, 2) Hin und her gerissen zu sein zwischen Wünschen und Fürchten, Wollen und Zaudern, Angriff und Rückzug macht und das Leben schwer, aber ermöglicht auch das Glück der Überwindung des Gefühls der Zerrissenheit durch momentane Eindeutigkeit: So ist es richtig, ich bin mit mir einig und deshalb zufrieden und glücklich.

Einfluss des Überichs

Nun gibt es freilich etwas in uns, das uns auch das mögliche und realistische Glückserleben nicht gönnt. Freud nennt es das Überich. Wir tragen in uns ein mehr oder weniger stark ausgeprägtes Bedürfnis nach Anerkennung durch die Gemeinschaft. In dieser gelten aber stets bestimmte Normen, Gebote und Verbote dessen, was man tun oder lassen sollte. Sie geraten oft mit unseren übrigen Bedürfnissen in Konflikt: Ich habe Hunger, stehe vor einer Kuchentheke und könnte mir einfach ein Stück nehmen, aber das wäre höchst unsozial; also habe ich gelernt, dass ich bezahlen muss, um kein Dieb zu sein und weiterhin dazugehören zu dürfen; ich muss auf ein bisschen meines mühsam erworbenen Geldes verzichten, um zu bekommen, worauf ich Lust habe. Bekäme ich den Kuchen geschenkt, wäre ich vielleicht noch etwas glücklicher. Und wenn ein solches Geschenk sich überraschenderweise einstellt, dann freue ich mich, wie wir uns überhaupt über Geschenke freuen. Das Überich hingegen sagt selbst dann noch: „Du darfst das Geschenk nicht annehmen, ohne

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�Themenzentrierte�Interaktion

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Themenschwerpunkt:� Stell dem Glück einen Stuhl hin

es alsbald wieder gutzumachen!“ oder: „Schäme dich, glücklich zu sein, während so viele unglücklich sind!“

Eingangs [dieses Kapitels, Anm. der Red.] habe ich schon den berühmten Satz erwähnt „Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist!“ Im psychologischen Zusammenhang darf man fragen: Lässt sich Glück durch Abwehr erreichen? Wir ver-fügen über eine große Skala von sog. Abwehrmechanismen, die uns dabei helfen, Unangenehmes nicht wahrnehmen zu müssen, z.B. durch Vergessen, durch Projektion u. dgl. Die Aktivierung unserer Abwehrmechanismen ist durchaus eine Leistung unseres Ich, darf also nicht von vorneherein negativ abgewertet werden. Trotzdem muss die Frage erlaubt sein, ob echtes Glück dadurch zustande kommt, dass wir ein Stück der Realität ausblenden bzw. verleugnen. Es bleibt anzunehmen, dass solcher Art abgewehrte Wirklichkeit sich über das Unbewusste auf schwer erkennbare Weise, z.B. durch Krankheitssymptome, wieder meldet.

Ein erheblicher Feind des Glücks ist die Angst. Angst ist die Kehrseite unserer Wünsche – z.B. die allgegenwärtige Angst, zu kurz zu kommen – und daher gerade dort aktiv, wo wir das Glück suchen.

Schluss

Halten wir fest: Weder ein kindliches Streben nach größtmögli-cher Bedürfnisbefriedigung (im Erwachsenenalter) gemäß dem Lustprinzip – „Hauptsache: Ich bekomme, was ich will, und habe meinen Spaß!“ – noch ein moralistisches Verbot von Wohlbefinden und Zufriedenheit entsprechen dem, was man wahres oder echtes Glück genannt hat. Zwischen Lustprinzip und Überich-Normen ermöglicht das Realitätsprinzip Glück da, wo es uns möglich ist, ohne anderen oder uns selbst zu schaden. Im Gegenteil: Glück-liche Menschen sind auch für andere eine Wohltat. Sie schenken auch lieber als immer nur haben zu wollen. Glück ist lernbar, weil Zufriedenheit auch eine Folge der Bewertung eines Zustands oder einer Situation ist: Statt „Das hat mir gerade noch gefehlt, ist ja furchtbar!“ können wir zu fragen lernen: „Wofür ist das gut? Wohin soll mein Weg gehen?“ Wenn auch eine noch so unglückliche Situ-ation eintreffen sollte, es liegt an mir, Positives darin zu entdecken (theologisch gesprochen: Gott meint es letzten Endes gut mit mir).

Literatur

Freud, Sigmund (1930): Das Unbehagen in der Kultur. In: ders.: Gesammelte Werke. Band XIV: Werke aus den Jahren 1925–1931. Frankfurt 1963, 419–506.

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Manuela Torelli

Psychoanalyse lesbischer Sexualität

Eberhard Schäfer, Michael Abou-Dakn,Achim Wöckel (Hg.)

Vater werden ist nicht schwer?Zur neuen Rolle des Vaters rund um die Geburt

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Weibliche und lesbische Sexualität wird vor dem Hintergrund psychoanalytischer, feministischer und sozialpsychologischer Theorien detailliert dargestellt. Die Autorin entlarvt Vorurteile, die in der lesbischen Szene lange gepflegt wurden. Diese Vorurteile sind aus der erfahrenen Diskri-minierung entstanden und dienen als Abwehr-strategien. Die Zuschreibung von Schuld auf den Vater oder den Mann hemmt die Annahme der Verantwortung für die eigene vitale Sexualität. In ausführlichen Gesprächen mit lesbischen Frauen werden Themen wie sexueller Miss-brauch, Penis- und Gebärneid sowie die kon-traproduktive Isolierung, die manche lesbische Frauen in der feministischen Szene suchen, kritisch beleuchtet. Eine umfassende Pionier-arbeit auf dem Gebiet lesbischer Sexualität, die auch für heterosexuelle LeserInnen interessant ist, da grundsätzliche Fragen der menschlichen Sexualität behandelt werden.

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Sándor Ferenczi

Das klinische TagebuchAngela Mauss-Hanke (Hg.)

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Das klinische Tagebuch enthält Über-legungen zu wichtigen Aspekten der Be-handlungstechnik, zur Beziehung mit Freud und zahllose Notizen und Gedankensplitter über Ferenczis eigene therapeutische Praxis. Insofern ist es ein zentrales, jedoch zugleich auch wenig erschlossenes Dokument der Geschichte der Psychoanalyse, das so man-cher Legendenbildung über das Verhältnis zwischen Freud und seinem bedeutenden Schüler den Boden entzieht.